Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Die Gattung der Apostelgeschichte ⋅1⋅
Alles in allem lässt sich erheben, dass die Apostelgeschichte keine Geschichtsschreibung in unserem modernen Sinne sein möchte. Wir müssen demnach als nächstes fragen, womit wir es bei der Apostelgeschichte dann zu tun haben. Welche Gattung haben wir hier vorliegen?
Wenn wir vom griechischen Titel der Apostelgeschichte ausgehen, ergibt sich zumindest ein Ansatzpunkt. Im Original heißt die Apostelgeschichte - wie bereits erwähnt - πράξεις (τῶν) ἀποστόλων ["práxeis (ton) apostólon"], was soviel bedeutet wie "Aposteltaten".
Solche "Praxeis" kennen wir aber auch aus der hellenistischen Literatur. Wir kennen etwa die "Taten Alexanders d. Gr." oder die "Taten des Herakles". Aber damit haben wir die Gattungsfrage noch nicht geklärt. Der Vergleich mit diesen außerbiblischen Schriften zeigt nämlich zuallererst, wie wenig die Apostelgeschichte mit dieser antiken Literaturgattung der "Praxeis" gemein hat.
Auffallend ist nämlich schon, dass der Apostelgeschichte dieser Titel erst nachträglich gegeben wurde. Er trifft auch nicht voll zu. Im ersten Teil ist eigentlich nur von Petrus - und Johannes als Nebenfigur - die Rede und im zweiten Teil geht es fast ausschließlich um Paulus. Und Paulus wird von Lukas nicht einmal ausdrücklich als Apostel bezeichnet. Lukas schränkt den Aposteltitel ja auf den Zwölferkreis ein.
Wenn wir danach fragen, was Lukas mit seiner Darstellung denn eigentlich möchte, dann kommen wir mit der Umschreibung, er würde die Taten der Apostel schildern, nicht weiter. Eigentlicher Inhalt ist vielmehr die Ausbreitung des Evangeliums von Jerusalem bis nach Rom.
Lukas ist am "Weg des Wortes Gottes bis an die Grenzen der Erde" interessiert. Dies ist insofern bedeutsam, als ja auch schon das Evangelium nach diesem Weg-Prinzip gestaltet worden war. Dort schildert der Verfasser schließlich den Weg Jesu von Galiläa nach Jerusalem. Der große Reisebericht des Lukas-Verfassers in Lk 8-18 dient dem Autor darüber hinaus dazu, den größten Teil des eigenen Materials, das über die Markus-Vorlage hinausging, einzufügen. Auch das Evangelium wurde von ihm demnach entlang eines Weges angelegt.
Ein Werk, dessen eigentliches Anliegen der "Weg des Wortes Gottes bis an die Grenzen der Erde" ist, ist aber in der antiken Literatur singulär. Wir haben dazu im Grunde keine wirklichen Analogien. Es handelt sich hierbei vielmehr - gemessen an den Möglichkeiten antiker Literatur und unter der Einschränkung einer theologisch motivierten Disposition - um eine historische Monographie.
Lukas möchte dabei aber - das ist wichtig - keine allgemeine, sondern eine spezielle Geschichte bieten. Eine Geschichte, die sich jedoch - wie er in der Rede vor Festus betonen lässt - nicht in einem Winkel des römischen Reiches, sondern im Licht der Weltöffentlichkeit abgespielt hat.
Damit schafft Lukas ein einzigartiges Werk, mit dem er durchaus literarischen Ansprüchen genügen will. Seine Darstellung soll auch in gebildeten Kreisen gelesen werden. Hierbei ist die Widmung an Theophilus zu berücksichtigen, der etwa ein Gönner des Lukas gewesen sein und dementsprechend auch die Verbreitung des Textes übernommen haben könnte.
Anmerkung