Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Allgemeine Vorbemerkung ⋅1⋅
Wir haben in den hinter uns liegenden Erörterungen nun versucht, die Entstehung der einzelnen Bücher historisch-kritisch zu erschließen. Wie aber sind diese Texte nun auf dem Hintergrund dessen, was wir gerade eben gesagt haben, auf dem Hintergrund dessen, was man unter göttlicher Inspiration versteht, zu deuten?
Dies verweist uns auf das Problem der biblischen Hermeneutik, dem ich mich abschließend, zumindest mit ein paar Sätzen stellen möchte.
Im Unterschied zur Exegese, dem konkreten Vollzug der Textauslegung, dient die biblische Hermeneutik, die Lehre vom Verstehen der Schrift, der Erforschung und Darstellung der Grundlagen dieses Verstehens. Sie liefert uns die Grundsätze und Prinzipien, die jeder Auslegung zugrundeliegen.
Natürlich dürfen diese Prinzipien nicht im Widerspruch zu dem stehen, was die historisch-kritische Methode zutage gefördert hat. Auch muss die biblische Verstehenslehre im Kontakt zur allgemeinen geisteswissenschaftlichen Hermeneutik seit Schleiermacher und Dilthey bis Gadamer und darüber hinaus stehen.
Was hat man nun unter Hermeneutik genauerhin zu verstehen? Während in der älteren Zeit Hermeneutik vor allen eine Kunstlehre des Verstehens war, die der Erarbeitung von Regeln des Verstehens galt, wendet sich die neuere Forschung den Möglichkeiten des Verstehens überhaupt, also den sprachlichen Möglichkeiten menschlichen Daseins insgesamt zu. So ist der Begriff Hermeneutik heute sehr vielschichtig geworden. Allein im säkularen Bereich muss man heute unterscheiden zwischen
- Hermeneutik als Verstehenslehre,
- Hermeneutik als philosophische Methode
- und Hermeneutik als Auslegungslehre.
Die biblische Hermeneutik ist nun eine theologische Disziplin und insofern noch einmal von der philosophischen Auffassung von Hermeneutik zu unterscheiden. Als biblische Hermeneutik setzt sie die Anerkennung der kanonischen Schriftensammlungen als Heilige Schrift, als Wort Gottes und Offenbarung voraus. Die biblische Hermeneutik versucht demnach verständlich zu machen, in welchem Sinn die Heilige Schrift als Offenbarung, als Wort Gottes angesprochen und in welchem Sinn sie ausgelegt werden darf.
Anmerkung