Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Die Anfänge der Heidenmission ⋅1⋅
- 1. Die universalen Missionsbefehle als Rückdatierung
- 2. Besonderheiten jüdischer Gemeinden außerhalb Palästinas - die Gottesfürchtigen
- 3. Die Mission der Hellenisten
- 4. Die Beschneidungsfrage
- 5. Das Bild in der Apostelgeschichte
Bei allem Sprechen von Missionstätigkeit der Urgemeinde dürfen wir eines nicht übersehen. Wir haben, sowohl im aramäischen als auch im griechisch sprechenden Bereich bislang immer nur Juden als Adressaten der Mission vor uns gehabt. Die Mission unter den Heiden ist nun ein Phänomen, das bislang noch keinerlei Rolle spielte.
1. Die universalen Missionsbefehle als Rückdatierung
Matthäus und Lukas sprechen am Ende ihres Evangeliums zwar davon, dass Jesus einen universalen Missionsbefehl erlassen habe, und in Apg 1,8 wird von einem Missionsauftrag von Jerusalem bis an die Enden der Erde gesprochen, die Forschung sieht diese Stellen jedoch schon lange als nicht historisch an. Hier wird ein Faktum aus späterer Zeit nachträglich an die Person Jesu rückgebunden.
Dass Jesus die Weichen für die Heidenmission noch nicht selbst gestellt hat, kann man schon aus der Geschichte des Urchristentums ersehen. Die Heidenmission ist erst verhältnismäßig spät zur Möglichkeit der christlichen Mission geworden. Sie musste erst von Paulus und den Antiochenern durchgesetzt werden. Wenn man sich in der frühen Zeit auf eine klare Weisung Jesu hätte berufen können oder wenn Jesus diese Mission gar angeordnet hätte, hätte es sicher nicht diese Auseinandersetzungen um die Heidenmisssion gegeben, die wir im Nachhinein feststellen können.
Die Urgemeinde verstand sich daher zunächst lediglich als eschatologische Sammlung des Restes Israels.
2. Besonderheiten jüdischer Gemeinden außerhalb Palästinas - die Gottesfürchtigen
So etwa müssen wir die Verhältnisse im palästinischen Raum beschreiben. Außerhalb Palästinas, sah es schon wieder etwas anders aus, als in Jerusalem, Juda oder selbst in Galiläa. Im außerpalästinischen Raum finden wir im Umkreis der Synagoge nämlich die Gottesfürchtigen. Menschen, die für die jüdische Religion große Sympathien aufbringen, die aber den Schritt zum Proselyten nicht vollziehen. Sie ließen sich also nicht beschneiden und nahmen dadurch auch nicht die vollkommene Gesetzesbeachtung auf sich.
Dies hatte vor allem den Grund darin, dass sie sich nicht von ihrem bisherigen Umkreis, von Familie und Beruf, trennen wollten. Die Beschneidung hätte sie aber der Beobachtung der Ritualgesetze unterworfen und diese machten eine Absonderung von den Heiden unerlässlich.
3. Die Mission der Hellenisten
Gerade für diese gottesfürchtigen Heiden war das Christentum nun aber die große Alternative.
Als nun die hellenistischen Christen aus Jerusalem ausgewiesen worden waren, begannen sie ihre Mission vorab im Umfeld der Synagogen in der jüdischen Diaspora. Vielleicht haben sie schon von Anfang an unter Verzicht auf die Beschneidung missioniert und damit den Weg über das Judentum zum Christentum aufgegeben. Vielleicht haben sie die Beschneidung an den Neugewonnenen anfangs auch noch vollzogen. Auf jeden Fall war durch einen Übertritt zum Christentum die Einhaltung des ganzen Ritualgesetzes nicht nötig. So war dies für die gottesfürchtigen Heiden ein durchaus gangbarer Weg, das was sie am Judentum schätzen gelernt hatten und die Aufrechterhaltung ihrer bisherigen Beziehungen miteinander zu verbinden.
In Antiochien begann man dann sicher auch mit der beschneidungsfreien Mission unter den Heiden. Wahrscheinlich haben bei diesem Unternehmen Barnabas, der von Jerusalem gleichsam als Gemeindevorsteher nach Antiochien gesandt wurde, und Paulus, der von Barnabas aus Tarsus nach Antiochien geholt wurde, eine entscheidende Rolle gespielt.
Auch Paulus hat dabei vermutlich am Anfang noch Wert auf die Beschneidung gelegt. Dies kann man daraus schließen, dass der Beschneidungsstreit erst recht spät aufgekommen ist. Aber zu Beginn der vierziger Jahre beginnt die Frage nach der Heilsnotwendigkeit der Beschneidung eine große Rolle zu spielen. Diese Auseinandersetzung ereicht dann ihren Höhepunkt in den Jahren 44-46 n. Chr. (Apostelkonzil).
4. Die Beschneidungsfrage
Dass die Diskussion sich so hart an der Beschneidungsfrage entzündete, ist verständlich. Die Beschneidung ist das Zeichen der Zugehörigkeit zum Volk Israel und zwar - in der Tradition Israels - seitdem Abraham den Isaak beschnitten hat.
Dass Abraham dann ja selbst nicht beschnitten war, nützt Paulus übrigens in seiner Argumentation gegen die Beschneidung aus.
Wie schon gesagt, war die Beschneidung nicht nur ein äußeres Zeichen, sie beinhaltete nach jüdischer Theologie auch die Übernahme der vollen Gesetzesverpflichtung.
Da die Urgemeinde zunächst das Bewusstsein hatte, das eschatologisch gesammelte Israel zu sein, hielt sie natürlich an der Beschneidung fest.
Und sie hielt ebenfalls an der zentripetalen Vorstellung Israels fest. Wer gerettet werden wollte, der musste eben zum eschatologisch gesammelten Israel hinzukommen. Die Heiden sollten sich eben aufmachen, beschneiden lassen und das Gesetz übernehmen. Dann hätten sie volle Gemeinschaft mit Israel, dem von Gott erwählten Volk.
In diese Richtung dürfen wir auch das erste Konzept Jesu interpretieren. Jesus ging zunächst sicher davon aus, den Rest Israels in der Endzeit sammeln zu müssen. Diese Vorstellung deckt sich mit dem, was er in den Prophetentexten lesen konnte, insbesondere, wenn wir auf die eschatologische Völkerwallfahrt zum Zion bei Jesaja blicken.
Erst Paulus setzt dann ein neues Missionskonzept durch. Dieses hatte sich in der Zwischenzeit in den Gemeinden der Diaspora entwickelt. Es handelt sich dabei um eine gleichsam zentrifugale Mission. Die Botschaft von Jesus, dem Christus, sollte ohne Vorbedingung, also beschneidungsfrei, den Heiden gebracht werden.
Dass sich diese neue Konzeption nicht ohne Konflikte durchsetzen ließ, klang bereits mehrfach an.
Paulus bringt durch seine Praxis und die dahinterstehende theologische Reflexion eine tiefere Einsicht in die universal-eschatologische Bedeutung des Todes Jesu in die Kirche ein. Die Einsicht greift nun allmählich um sich, dass Jesus nicht nur für Israel gestorben ist, sondern in gleicher Weise für die Völker. Israel hat den Messias schließlich abgelehnt, ja sogar umgebracht. Die übrigen Völker hingegen sind in diese Feindschaft gegen Gott und damit gegen den Gottgesandten nicht verwickelt.
Daher markiert Paulus in seinen Briefen deutlich, dass natürlich auch die Juden Anteil am eschatologischen Volk Gottes erhalten. Dieses Volk konstituierte sich aber nach seiner Auffassung endgültig aus Juden und Heiden.
Die deuteropaulinischen Briefe, vor allem der Epheser- und der Kolosserbrief formulieren das dann ekklesiologisch aus.
Den Übergang von der Juden- zur Heidenmission kann man damit als offenbarungsgeschichtlichen Prozess bezeichnen. Durch konkrete Erfahrungen, etwa die Missionserfahrung, kommt er zwar erst in Gang, er beruht aber auf theologischen Grundlagen. Diese theologischen Grundlagen werden erst Hand in Hand mit dem Erwachen der Heidenmission erkannt. Vermittelt durch die Praxis setzt eine tiefere Erfassung der Bedeutung des Todes Jesu ein.
5. Das Bild in der Apostelgeschichte
Wir haben nun gesehen, dass Paulus hier der entscheidende Theologe gewesen ist. Die Apostelgeschichte sagt aber, dass Petrus als erster Heiden bekehrt habe. Sie tut dies in der Korneliuserzählung (Apg 10 / 11). Im darauffolgenden Apostelkonzil habe man die Richtlinien für die Heidenmission dann festgelegt.
Auffallend ist allerdings, dass Gal 2 eindeutig gegen die Darstellung der Apostelgeschichte steht. Paulus kennt dort Petrus nur als Judenmissionar. Sich selbst, Barnabas und die Antiochener weiß er jedoch für die Heidenmission verantwortlich.
Wie es sich tatsächlich ereignet haben mag, lässt sich nur entscheiden, wenn wir die Rolle Antiochiens genauer untersuchen.
Anmerkung