Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Der Hebräerbrief ⋅1⋅
- 1. Literarische Untersuchung
- a. Die Form des Hebräerbriefes
- b. Die Verfasserschaft des Paulus
- c. Der Titel
- d. Stil
- e. Die Adressaten des Hebräerbriefes
- 2. Aufbau und Inhalt
- a. Bedeutung und Anspruch der eschatologischen Offenbarung Gottes in seinem Sohn (Hebr 1,1-4,13)
- b. Der Sohn als Hoherpriester der künftigen Güter (Hebr 4,14-10,31)
- c. Die Gemeinde auf dem neuen und lebendigen Weg (Hebr 10,32-13,17)
- d. Briefschluss (Hebr 13,18-25)
- 3. Theologische Aspekte und Absicht
- a. Die Anfangslehre
- b. Das stellvertretende Opfer Christi
- c. Der Widerspruch zwischen erfahrener und geglaubter Wirklichkeit
- d. Fazit
- 3. Die Situation (Abfassungszeit)
Damit kommen wir zum letzten Schreiben des sogenannten Corpus Paulinum, einem Brief, der als Paulusbrief allerdings schon recht früh sehr umstritten war, nämlich dem Hebräerbrief.
1. Literarische Untersuchung
a. Die Form des Hebräerbriefes
Eigentlich ist es auch gar kein Brief. Es gibt nämlich kein Präskript. Die Schrift beginnt gleich mit der Feststellung, dass Gott auf vielerlei Art und Weise zu den Menschen gesprochen habe.
Von daher kann man - neben einer ganzen Reihe von anderen Gründen - davon ausgehen, dass wir hier mit Sicherheit keinen richtigen Brief vor uns haben. Einige Exegeten bezeichnen den Hebräerbrief vielmehr als Traktat, andere wollen ihn als eine Art Mahnrede verstanden wissen.
b. Die Verfasserschaft des Paulus
Auch war die Verfasserschaft durch Paulus schon immer heftig umstritten, wie ich bereits eingangs erwähnt habe. Dies erklärt auch, warum der Hebräerbrief erst so spät in den Kanon des Neuen Testamentes aufgenommen wurde. Erst ab Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. war seine Kanonisierung allgemein anerkannt.
Als Verfasser meinte man Paulus aus dem Briefschluss Hebr 13,22-25 erschließen zu können. Dort werden Grüße aus Italien übermittelt und ein Besuch gemeinsam mit Timotheus, der ja als Paulusbegleiter bekannt war, angekündigt. Somit schloß man auf Paulus als Absender des Schreibens.
Der Schluss ist aber erst sekundär hinzugefügt worden. Die Grüße sind fiktiv und zudem ganz allgemein gehalten.
Auch Hebr 13,18-21 scheinen ein späterer Zusatz zu sein.
c. Der Titel
Der Titel "an die Hebräer" ist auf jeden Fall ebenfalls ein späterer Zusatz. Er wurde durch die altkirchliche Tradition angeregt und gleichsam aus dem Inhalt erschlossen, denn ein Teil der Abschnitte sind Auslegungen alttestamentlicher Zitate, insbesondere im Blick auf Jesus, der durch sein Opfer und seinen Tod den wahren Hohenpriester darstellt.
d. Stil
Die Kapitel 1,1-13,17 sind im schwierigsten Griechisch des ganzen Neuen Testamentes geschrieben. Nach Stil, Aufbau und Wortwahl bildet das Schreiben eine kunstvolle Mahnrede.
Hieraus könnte man schließen, dass der Verfasser ein hellenistischer Judenchrist war, der in der jüdischen Tradition zu Hause gewesen ist.
Die Argumentation und der Stil verweisen auf die Literatur im Umkreis der Synagoge. Als vergleichbar kann man vor allem Philo von Alexandrien und das 4. Makkabäerbuch nennen.
e. Die Adressaten des Hebräerbriefes
Obwohl die Überschrift intendiert, dass sich der Hebräerbrief an ehemalige Juden richtet, lässt Hebr 6,1-2 an diesem Umstand zweifeln. Dort wird nämlich auf die Missionsüberlieferung zurückgeblickt und davon gesprochen, dass die Adressaten erst über den Glauben an Gott belehrt worden waren. Dies zwingt entgegen der Überschrift eher zur Annahme, dass die ursprünglichen Adressaten dieser Mahnrede Heidenchristen waren.
2. Aufbau und Inhalt
Schauen wir uns, bevor wir auf die wichtigsten theologischen Aussagen blicken, kurz den Aufbau und Inhalt des Schreibens an: ⋅2⋅
a. Bedeutung und Anspruch der eschatologischen Offenbarung Gottes in seinem Sohn (Hebr 1,1-4,13)
b. Der Sohn als Hoherpriester der künftigen Güter (Hebr 4,14-10,31)
c. Die Gemeinde auf dem neuen und lebendigen Weg (Hebr 10,32-13,17)
d. Briefschluss (Hebr 13,18-25)
3. Theologische Aspekte und Absicht
Wie lässt sich die theologische Absicht des Hebräerbriefes nun kurz zusammenfassen?
Im Anschluss an Hebr 6,1 lässt sich sagen, dass der Hebräerbrief die Lehre der Vollkommenheit beschreiben möchte. Die Anfangslehre liegt hinter den Adressaten, jetzt geht es um Vervollkommnung.
a. Die Anfangslehre
Als Anfangslehre beschreibt Hebr 6,1-2
- die Abkehr von den toten Werken und die Hinkehr zum Glauben an Gott,
- die Taufhandlung und Handauflegung
- sowie die Lehre über die Totenauferstehung und das ewige Gericht, also die Eschatologie.
Hebr 10,32ff; Hebr 12,4-5 und Hebr 12,12-13 enthalten nun Mahnungen zum treuen Festhalten am Glaubensbekenntnis, damit der Eifer nicht erlischt und die Sünde nicht in der Gemeinde Einzug hält. Der Verfasser spricht also in eine Situation hinein, wo die Anfangsbegeisterung nachzulassen droht. Dabei verweist er auf Vergangenes und vertieft die Auslegung der Grundlehre.
b. Das stellvertretende Opfer Christi
Alle Heiligkeit des christlichen Lebenswandels gründet nach Auskunft des Hebräerbriefes in Jesus Christus und seinem stellvertretenden Opfer. Der Hebräerbrief rückt dieses Thema in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Die zentrale Ausrichtung auf das stellvertretende Opfer Jesu Christi hat ihm wohl seinen Platz und Rang im Neuen Testament letztlich gesichert.
Jesus ist das Vorbild, der Anfang und der Vollender des Glaubens.
c. Der Widerspruch zwischen erfahrener und geglaubter Wirklichkeit
Nun erleben sich die Christen aber als machtlose und leidende Kirche. Und dies, obwohl Christus letztlich die Weltherrschaft ausübt. Der Glaube ist daher vielen Anfechtungen ausgesetzt. Es bedarf einer neuen Interpretation des überlieferten Bekenntnisses.
Dies versucht der Hebräerbrief. Er greift dabei das alte Schema von der "Erniedrigung" und der "Erhöhung" auf, das wir aus dem Philipper-Hymnus etwa kennen. Damit beschreibt er den Widerspruch zwischen der erfahrenen und der geglaubten Wirklichkeit. Auch in dieser Situation ist Christus schließlich das Vorbild.
Die Christen sollen nämlich in der Nachfolge Christi den Weg durchs Leben gehen und dieser Weg ist ein Leidensweg, aber ein Leidensweg, der wie bei Jesus zur Erhöhung führt.
Dabei betont der Hebräerbrief ganz besonders den menschlichen Aspekt Jesu. Er formuliert in Hebr 2,17:
"Darum musste er (Jesus Christus) in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen." (Hebr 2,17.)
Die Christengemeinde selbst wird von daher als wanderndes Gottesvolk beschrieben. Es zieht, wie Jesus, durch das Land auf dem Weg in die himmlische Heimat, die künftige Stadt.
Wesentliche Elemente auf diesem Weg sind Glaube, Hoffnung und die Geschwisterliebe.
In allem aber sollen die Christen auf Jesus Christus blicken. Die alttestamentlichen Väter sind zwar Zeugen desselben Glaubens, Führer auf dem Weg ist aber Jesus Christus. Er hat das Ziel als erster bereits erreicht. Da er um der vor ihm liegenden Freude willen die Kreuzigung auf sich genommen hat, sollen nun auch die Christen nicht müde und nicht schlaff werden.
d. Fazit
So kann man die Hauptthemen des Hebräerbriefes demnach zusammenfassen:
- Zum einen als Mahnung, nämlich gegen die Glaubensunsicherheit anzukämpfen, und zwar durch die Gewissheit der Heilsvollendung.
- Und zweitens als Mahnung, darauf zu vertrauen, dass die Sündenvergebung endgültig durch den Hohenpriester Jesus Christus erwirkt worden ist.
3. Die Situation (Abfassungszeit)
Wann ist dieses Schreiben nun wohl entstanden? Ein wichtiger Hinweis ist die Anfechtung, der die Christen anscheinend ausgesetzt waren. Der Hebräerbrief spricht davon, dass die Welt im "Widerspruch" zum Glauben steht. Deshalb können wir als Hintergrund des Briefes eine Verfolgungszeit annehmen. Durch die Verfolgung von außen scheint bei vielen der Glaube erlahmt zu sein.
Von daher können wir mit einer Datierungszeit zwischen 80 - 90 n. Chr. rechnen (vgl. 1 Petr: Fremde in der Welt).
Wo der Hebräerbrief geschrieben wurde und wer letztlich dafür verantwortlich zeichnet, bleibt unklar.
Anmerkungen