Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Das Leben im Haus ⋅1⋅

Wie aber muss man sich nun das Leben in solchen Häusern in Israel vorstellen? Wie spielte sich das Miteinander der Menschen in der Familie ab?

1. Zum Verhältnis von Mann und Frau

Die Gesellschaft war stark patriarchalisch strukturiert. Der Mann war der Herr und Besitzer des Hauses.

In rechtlicher Hinsicht war die Frau mehr als nur benachteiligt. Sie galt gleichsam als das Eigentum des Mannes. Dieses Verhältnis von Mann Frau, das letztlich vom Besitzrecht gekennzeichnet war, kommt im Dekalog ganz gut zum Ausdruck. In der Fassung des Buches Exodus wird die Ehefrau ohne weiteres unter dem Besitz des Mannes angeführt. Es heißt dort in Ex 20,17:

"Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus! Du sollst nicht begehren die Frau deines Nächsten noch seinen Knecht, seine Magd, seinen Ochsen, seinen Esel noch irgend etwas, was deinem Nächsten gehört!" (Ex 20,17.)

2. Eherecht

An dieser Stellung der Frau hatte sich auch zur Zeit Jesu nichts geändert. Ganz im Gegenteil: innerhalb des Eherechts hatte diese Vorstellung sogar zur Meinung geführt, dass ein Mann immer nur eine fremde Ehe, nie aber seine eigene Ehe brechen kann. Er kann im Grunde immer nur das Besitzrecht eines anderen Mannes schädigen, die Frau spielt in dieser Frage letztlich keine Rolle.

Nach dieser Rechtsvorstellung galt eine Ehefrau dementsprechend auch als Ehebrecherin, wenn sie sich mit einem Unverheirateten einließ.

Die Scheidung einer Ehe war in der damaligen Zeit verhältnismäßig leicht. Je nach Rechtsauffassung stand es dem Mann im Grunde nahezu frei, seine Frau aus einem meist belanglosen Grund aus der Ehe zu entlassen. Selbstverständlich hatte die Frau nicht die Möglichkeit, die Ehe zu lösen.

Welche Praxis bei der Ehescheidung zur Zeit Jesu nun genau vorherrschend war, ist schwer zu sagen. Wir können heute nur noch ausmachen, dass verschiedene Gruppen die Frage wohl unterschiedlich handhabten.

Die Pharisäer ließen die Ehescheidung beispielsweise zu. Sie legten aber innerhalb ihrer verschiedenen Rechtstraditionen unterschiedlich strenge Maßstäbe an. Die Hilleliten sollen die Scheidung bereits erlaubt haben für den Fall, dass die Frau die Suppe hatte anbrennen lassen.

Bei anderen, vor allem Reformgruppen, scheint die Ehescheidung hingegen verpönt gewesen zu sein.

3. Weiteres zur Stellung der Frau

Bleibt nur noch nachzutragen, dass die gesellschaftliche Stellung der Frau auf den Haus­halt fixiert war. Das Buch der Sprüche charak­te­ri­siert das Ideal der Frau folgendermaßen:

"Eine tüchtige Frau, wer findet sie? Sie übertrifft alle Perlen an Wert. Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie, und es fehlt ihm nicht an Gewinn. Sie tut ihm Gutes und nichts Böses alle Tage ihres Lebens. Sie sorgt für Wolle und Flachs und schafft mit emsigen Händen. Sie gleicht den Schiffen des Kaufmanns: Aus der Ferne holt sie ihre Nahrung. Noch bei Nacht steht sie auf, um ihrem Haus Speise zu geben (und den Mägden, was ihnen zusteht). Sie überlegt es und kauft einen Acker, vom Ertrag ihrer Hände pflanzt sie einen Weinberg. Sie gürtet ihre Hüften mit Kraft und macht ihre Arme stark. Sie spürt den Erfolg ihrer Arbeit, auch des Nachts erlischt ihre Lampe nicht. Nach dem Spinrocken greift ihre Hand, ihre Finger fassen die Spindel. Sie öffnet ihre Hand für den Bedürftigen und reicht ihre Hände dem Armen. Ihr bangt nicht für ihr Haus vor dem Schnee; denn ihr ganzes Haus hat wollene Kleider. Sie hat sich Decken gefertigt, Leinen und Purpur sind ihr Gewand. Ihr Mann ist in den Torhallen geachtet, wenn er zu Rat sitzt mit den Ältesten des Lands. Sie webt Tücher und verkauft sie, Gürtel liefert sie dem Händler. Kraft und Würde sind ihr Gewand, sie spottet der drohenden Zukunft. Öffnet sie ihren Mund, dann redet sie klug, und gütige Lehre ist auf ihrer Zuge. Sie achtet auf das, was vorgeht im Haus, und isst nicht träge ihr Brot. Ihre Söhne stehen auf und preisen sie glücklich, auch ihr Mann erhebt sich und rühmt sie: Viele Frauen erwiesen sich als tüchtig, doch du übertriffst sie alle. Trügerisch ist Anmut, vergänglich die Schönheit, nur eine gottesfürchtige Frau verdient Lob. Preist sie für den Ertrag ihrer Hände, ihre Werke soll man am Stadttor loben." (Spr 31,10-31.)

Natürlich war die Verheiratung einer Tochter Sache des Vaters. Von daher ist die Frage durchaus angebracht, ob eine Liebesheirat überhaupt vorkommen konnte. Nichtsdestoweniger besitzen wir das biblische Hohelied, in dem eine junge Liebe mit höchster Sprachgewalt gepriesen wird.

Es braucht fast nicht erwähnt zu werden, dass die Mädchen natürlich auch in der Erziehung benachteiligt waren. Die Thora zu lernen, war allein Sache der Knaben.

Die Erziehung - vom Kleinkind einmal abgesehen - lag übrigens in den Händen des Vaters.

Im übrigen waren Frauen auch nicht erbfähig, sie waren nicht als Zeugen bei Gericht zugelassen und hatten keinen Zutritt zu den festlichen Mählern. Als Gäste wurden nur Männer geladen. Nur beim Sabbat- und Paschamahl durften Frauen erscheinen.

So war das Auftreten von Frauen beim Mahl der Männer, von dem die Evangelien mehrfach berichten, etwas ganz und gar Ungewöhnliches und Besonderes (vgl. Mk 14,3 parr; Lk 7,36-50).

Lediglich Dirnen fand man hin und wieder bei solchen Mählern. Sie pflegten dabei die Männer - wohl nicht nur - mit Tanz zu unterhalten (vgl. Mk 6,22 par).

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Vgl.: Joachim Gnilka, Jesus von Nazareth (Herders Theologischer Kommentar zum NT - Supplementband 3) (Freiburg/Basel/Wien 1990) 66-74. Zur Anmerkung Button