Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Herodessöhne ⋅1⋅

Neben den bisher erwähnten Spannungen hatte Herodes beständig mit Auseinandersetzungen innerhalb seiner eigenen Familie zu kämpfen.

1. Das erste Herodestestament

Dies wird schon aus dem Umstand deutlich, dass Herodes kurz vor seinem Tod sein Testament ändern musste. Zunächst hatte er Antipatros, dem Sohn aus seiner ersten Ehe mit der Jerusalemitin Doris, den höchsten Rang zuerkannt.

Antipatros sollte nach seinem Wunsch König über den ganzen Staat werden, während Alexandros und Aristobulos, die Söhne aus der Ehe mit der Hasmonäerin Mariamme, nur den Status von Königen über bestimmte Gebiete erhalten sollten.

Unglaubliche Intrigen jedoch, vor allem von Seiten des Antipatros gegen seine beiden Halbbrüder, führten zunächst zur Hinrichtung von Alexandros und Aristobul. Aber auch Antipatros, der eine Verschwörung angezettelt hatte, wurde kurz vor dem Tod seines Vaters ein Opfer der Gewalt.

2. Das endgültige Testament

Palästina zur Zeit Jesu

Palästina zur Zeit Jesu.

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Fünf Tage vor seinem Tod, Ende März oder Anfang April des Jahres 4 v. Chr., traf Herodes daher unter Aufbietung seiner letzten Kräfte seine endgültige Verfügung:

Sie betraf seine Söhne Archelaos, Herodes Antipas und Philippos.

Archelaos und Herodes Antipas waren Söhne des Herodes aus seiner vierten Ehe mit Maltake, einer Samariterin, und somit Vollbrüder. Philippos war Sohn aus der fünften Ehe mit der Jerusalemitin Kleopatra, stand zu den anderen also im Verhältnis eines Halbbruders.

Sein Sohn Archelaos sollte König, das heißt Oberherr im ganzen Land werden. Herodes Antipas und Philippos sollten Tetrarchen werden und zwar Herodes Antipas über Galiläa und Peräa - das jüdische Transjordanien - und Philippos über die Gaulanitis, die Trachonitis und Batanäa bis zur Stadt Paneas, alles Gebiete im Nordosten des Landes.

Dem Archelaos hatte Herodes auch den Auftrag gegeben, seinen Siegelring und die versiegelten Akten des Staatshaushaltes Kaiser Augustus nach Rom zu überbringen, da dieser schließlich die letzte Entscheidung über das Testament hatte.

3. Wirren nach dem Tod des Herodes

Doch nach dem Tod des Königs begann es in verschiedenen Teilen des Landes zu gären. Ehe Archelaos nach Rom abreisen konnte, hatte er in Jerusalem einen Aufstand niederzuschlagen.

Augustus hatte zur Vorsorge, bis die Thronfolge geregelt sei, einen Prokurator namens Sabinus nach Israel geschickt, der für Ruhe und Ordnung sorgen sollte. Dieser aber benahm sich rücksichtslos und provozierte das Volk.

Hinzu kam, dass es unter den Erben des Königs zu Thronstreitigkeiten kam. So reiste neben Archelaos auch Antipas zum Kaiser, weil er sich schlecht behandelt fühlte. Auch andere Angehörige des herodianischen Hauses fuhren nach Rom, um ihren Einfluss auf die kaiserliche Entscheidung geltend zu machen.

a. Aufstände unter Judas und Simon

Unterdessen versammelte in Galiläa, in der Nähe von Sepphoris, ein gewisser Judas eine Schar von Aufständischen um sich und machte die Gegend unsicher. In Peräa tat ein ehemaliger Sklave des Herodes namens Simon das Gleiche.

Der römische Legat Varus schritt mit einer Streitmacht, vom syrischen Antiochia kommend, gegen die Unruhestifter ein, rückte bis Jerusalem vor und brannte auf dem Weg dorthin Sepphoris nieder. Dabei ist es gut, sich zu vergegenwärtigen, dass Sepphoris nur 4 Kilometer von Nazaret entfernt war, wo das Kind Jesus heranwuchs.

b. Die kaiserliche Entscheidung

Kaiser Augustus lud in Rom die verschiedenen Vertreter im Streit um die Erbfolge des Herodes in den Tempel des Apollo. Dort hörte er sie an.

Seine Entscheidung bestätigte im wesentlichen das letzte Testament Herodes d. Gr.

Die vielleicht wichtigste Abänderung bestand darin, dass er dem Archelaos den Königstitel verweigerte. Er wurde lediglich Ethnarch von Judäa, Samaria und Idumäa. Die Städte Gaza, Gadara und Hippos mußte er an die Provinz Syrien abtreten.

Antipas und Philippos erhielten den Titel Tetrarch, wie es Herodes d. Gr. vorgesehen hatte.

Dass Archelaos dennoch bei weitem am besten davongekommen war, beweisen nicht zuletzt die Einkünfte, die den Fürsten aus ihren Ländereien zuflossen. Für Archelaos waren dies 600 Talente jährlich, für Antipas hingegen nur 200 und für Philippos 100.

4. Herodes Antipas

Im Hinblick auf das Leben Jesu ist unter den Herodessöhnen ohne Zweifel Herodes Antipas der wichtigste. Er war sein unmittelbarer Landesherr.

Herodes Antipas regierte von 4 v. Chr. bis 39 n. Chr. Mit sechzehn Jahren trat er die Regierung an. Er galt als ehrgeizig, klug und prachtliebend, war aber weniger tatkräftig als sein Vater.

Das von Varus zerstörte Sepphoris baute er wieder auf, umgab es mit festen Mauern und machte es zu seiner Residenz.

a. Hellenistische Gesinnung

Die Anlage eines offenen Amphitheaters zeugt für die hellenistisch-römische Gesinnung des Tetrarchen, die er auch darin bewies, dass er das von ihm befestigte Betharamphtha nach der Gemahlin des Kaisers Julias nannte.

b. Tiberias

Seine bedeutendste Stadtschöpfung war Tiberias am Westufer des Sees Gennesaret, benannt zu Ehren des Kaisers Tiberius. Dorthin verlegte Herodes Antipas dann auch endgültig seine Residenz.

Die Zeit der Stadtgründung ist nicht mehr ganz sicher anzugeben, doch dürfte dies nicht vor dem Jahr 20 n. Chr. gewesen sein. Zur Zeit des Wirkens Jesu war die Stadt also bereits errichtet.

Ihr Bau war mit einem Eklat verbunden. Um für die neue Stadt Platz zu schaffen, musste nämlich eine große Zahl von Grabdenkmälern entfernt werden. Weil nach den levitischen Gesetzen der Ort demnach als unrein galt, weigerten sich gläubige Juden trotz verlockender Angebote, in Tiberias zu siedeln. Antipas war daher gezwungen, allerlei zusammengelaufenes Volk, teilweise mit Gewalt, dort anzusiedeln.

Wahrscheinlich wirft es ein besonderes Licht auf den Juden Jesus, dass im Zusammenhang mit seinem Wirken in den Evangelien Tiberias als Ort seiner Tätigkeit nirgendwo erwähnt wird. Vermutlich hat auch er die Stadt nicht betreten.

c. Befugnisse des Herodes Antipas

Wichtig - auch für die Berichte der Evangelien - ist die Tatsache, dass auch Herodes Antipas innerhalb seines Landes uneingeschränkt die Gerichtsvollmacht ausübte.

(1) Herodes Antipas und der Fall "Johannes der Täufer"

Er konnte daher Johannes den Täufer ergreifen und töten lassen, wie es die biblischen Berichte schildern. Neben den synoptischen Evangelien schreibt im übrigen auch Flavius Josephus über dieses Ereignis. Die unterschiedlichen Berichte differieren aber einmal hinsichtlich des Motivs für das Eingreifen des Tetrarchen und zum anderen hinsichtlich der näheren Umstände der Hinrichtung.

Mk 6,17-29 // Mt 14,3-12 erzählen die bekannte Geschichte von der rachsüchtigen Herodias, die danach trachtet, den Täufer zu töten, weil er ihre Verbindung mit dem Tetrarchen Herodes Antipas nach der Auflösung ihrer Ehe mit einem Stiefbruder des Tetrarchen anprangerte. Sie habe am Geburtstag des Tetrarchen mit Hilfe ihrer tanzenden Tochter ihr Ziel erreicht und Johannes sei daraufhin hingerichtet worden.

Nach Flavius Josephus ⋅2⋅ hingegen handelt Antipas aus politischen Gründen. Er fürchtete, Johannes könnte wegen seiner Anziehungskraft und Redegewalt das Volk zum Aufruhr treiben. Auf diesen Verdacht hin ließ er den Täufer in Ketten legen, auf die Burg Machärus am Ostufer des Toten Meeres bringen und dort hinrichten.

Flavius Josephus hat wohl das eigentliche Motiv richtig überliefert. Die synoptischen Evangelien hingegen scheinen das Schicksal des Johannes nach dem Vorbild des Propheten Elija gestaltet zu haben. Elija wurde ja bekanntlich von Isebel, der Frau Ahabs, des Königs von Nord-Israel, verfolgt (1 Kön 21,17ff).

Das Martyrium des Täufers dürfte an das Ende der 20er Jahre zu verlegen sein.

(2) Herodes Antipas und Jesus von Nazaret

Auch für Jesus scheint Herodes Antipas nicht ungefährlich gewesen zu sein.

  • Nach Lk 13,31 wird er vor dem Fürsten gewarnt und aufgefordert, sein Gebiet zu verlassen, weil jener vorhabe, Jesus töten zu lasen.
  • Und Lk 23,6-12 schildert, dass Pilatus den gefesselten Jesus dem Herodes Antipas habe vorführen lassen. Dieser Bericht ist in seiner Historizität allerdings umstritten. Wir können sicher davon ausgehen, dass der Tetrarch Antipas in Jerusalem keinerlei richterliche Kompetenz hatte.

d. Weiteres Schicksal des Herodes Antipas

In die Einzelheiten zu gehen, ist hier selbstverständlich nicht der Platz. Blicken wir nur noch kurz auf das weitere Schicksal des Herodes Antipas.

Dem Ehrgeiz seiner Frau Herodias ist es zuzuschreiben, dass er sein Land letztlich verloren hat.

Auf das beständige Pochen seiner Frau hin suchte er bei Kaiser Caligula in Rom um die Königswürde nach. Der Nachfolger seines Halbbruders Philippos, Agrippa II., hatte vom Kaiser im Jahr 37 n. Chr. dieselbe für sein Territorium erhalten. Das gleiche wollte nun auch Antipas erreichen.

Agrippa hatte ihn jedoch bei Caligula wegen verschiedener Verfehlungen angeschwärzt. Und so wurde Antipas nicht König, sondern abgesetzt und nach Lugdunum in Gallien verbannt, wo er letztendlich auch starb.

Die stolze Herodias - das sei zu ihrer Ehrenrettung hier erwähnt - ist ihrem Mann dabei in die Verbannung gefolgt.

Soviel zu Herodes Antipas.

5. Philippos

Neben ihm wird auch sein Halbbruder Philippos im Evangelium erwähnt. Er war Tetrarch der nordöstlichen Gebiete von 4 v. Chr. - 34 n. Chr. Erwähnung findet er beispielsweise im großen Syllogismus in Lk 3,1, wo er als Tetrarch von Ituräa und der Trachonitis vorgestellt wird.

a. Philippos bei Flavius Josephus

Philippos wird eine milde, gerechte und friedliche Regierung nachgesagt. Flavius Josephus berichtet von ihm, dass er stets bestrebt gewesen sei, jedem sogleich rechtlichen Beistand zu gewähren, der ihn darum ersuchte.

b. Philippos und die Römer

Er war der einzige Fürst in einem Land mit jüdischer Bevölkerung, der Münzen mit dem Bild des Augustus und des Tiberius prägen ließ - für Juden eigentlich ein Unding. Dies lässt sich von daher erklären, dass die Bevölkerung seines Gebietes sehr gemischt war. Das syrisch-griechische Element übertraf sogar das jüdische.

(1) Kaisarea Philippi

Caesarea Philippi: Der Jordanursprung.

Caesarea Philippi: Der Jordanursprung.

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Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz

Seine Ergebenheit dem kaiserlichen Haus gegenüber bewies Philippos auch dadurch, dass er das von ihm ausgebaute Paneas an den Quellen des Jordan zu Ehren des Kaisers Kaisareia nannte. In den Evangelien trägt diese Stadt, in deren Umgebung das Messiasbekenntnis des Simon Petrus angesiedelt ist, den Namen Kaisareia Philippi (Mk 8,27 par), der auch den Namen des Tetrarchen aufbewahrt.

(2) Bethsaida / Julias

Den von Philippos zum Rang einer Stadt erhobenen und ausgeweiteten Flecken Bethsaida, unweit des Jordanzuflusses in den See Gennesaret, nannte er zu Ehren der Tochter des Augustus Julias. Diese Stadt wird in den Evangelien immer nur mit ihrem alten Namen Bethsaida genannt. Sie gilt als Heimat der Apostel Simon Petrus, Andreas und Philippos. ⋅3⋅

c. Philippos und Jesus

Jesus selber hat das Hoheitsgebiet des Philippos mit großer Sicherheit nicht nur betreten sondern auch in Bethsaida gewirkt. Dafür sprechen nicht nur die von dort stammenden Jünger, sondern auch die gegen Bethsaida erhobene Schelte innerhalb der Weherufe gegen die galiläischen Städte in Mt 11,21 par.

Möglicherweise hat er auch gelegentlich das Gebiet des Philippos aufgesucht, um einem Zugriff des Herodes Antipas auszuweichen.

d. Weiteres Schicksal des Philippos

Der Tetrarch Philippos, der in Bethsaida residierte, starb dort im 20. Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, also um das Jahr 33 / 34 n. Chr. Er wurde in einem Grabmal, das er schon zu Lebzeiten hatte errichten lassen, prunkvoll beigesetzt.

6. Archelaos

Der dritte der Herodessöhne, die in unserem Zusammenhang wichtig sind, ist Archelaos, der von 4 v. Chr. - 6 n. Chr. regierte. Er war der im Testament seines Vaters Bestbedachte, erwies sich aber als der unwürdigste Herodessohn.

Tyrannisch und launisch regierte er sein Volk. Bald nach seiner Einsetzung zum Ethnarchen von Judäa und Idumäa ersetzte er den amtierenden Hohenpriester Joazar durch dessen Bruder Eleazar, aber auch dieser musste bald einem gewissen Josua ben Sië weichen.

Besonderen Anstoß beim Volk erregte seine zweite Ehe mit Glaphyra, der Frau seines Halbbruders Alexandros.

Im zehnten Jahr seiner Regierung machte sich eine Delegation von vornehmen Juden und Samaritern auf nach Rom, um sich bei Augustus über die Grausamkeit und Tyrannei des Archelaos zu beschweren. Die Vorwürfe müssen außerordentlich schwerwiegend gewesen sein. Denn Augustus reagierte ungewöhnlich hart. Er würdigte Archelaos keines Schreibens, sondern ließ ihn durch einen Abgesandten nach Rom zitieren, wo er in einer ordentlichen Gerichtssitzung seines Amtes enthoben und mit der Einziehung seines Vermögens und der Verbannung nach Vienna in Gallien bestraft wurde.

Die einzige direkte Erwähnung des Archelaos im Evangelium bestätigt seinen schlechten Ruf. Es heißt in Mt 2:

"Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien dem Josef in Ägypten ein Engel des Herrn im Traum und sprach: "Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und ziehe in das Land Israel, denn die dem Kinde nach dem Leben strebten, sind gestorben." Da stand er auf, nahm das Kind und seine Mutter und zog in das Land Israel. Als er aber hörte, dass Archelaus an Stelle seines Vaters über Judäa herrschte, fürchtete er sich dorthin zu gehen. Nachdem er aber im Traum eine Weisung empfangen hatte, zog er in das Gebiet von Galiläa." (Mt 2,[19-]22.)

In der lukanischen Version des Gleichnisses von den anvertrauten Geldern dürfte darüber hinaus eine Anspielung auf Archelaos zu finden sein. Bei Lukas wird das Gleichnis ja erweitert um eine Erzählung von einem Thronanwärter, der in ein fernes Land reist, um sich seine Königswürde bestätigen zu lassen. Die Einwohner jenes Landes bemühen sich aber, dies zu verhindern und werden nach der Rückkehr des neuernannten Königs mit grausamer Rache verfolgt (Lk 19,12-27). Hier könnte durchaus eine Reminiszenz auf die Vorgänge der Bestellung des Archelaos zum Ethnarchen im Jahr 4 v. Chr. vorliegen.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Wo nicht anders angegeben folge ich meinem Lehrer Prof. Dr. Rudolf Pesch, Einführung in das Neue Testament - I: "Von Jesus zu den Evangelien", Vorlesungsmitschrift Sommersemester 1980. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae 18,116-119. Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: Joh 1,44; Joh 12,21; Mk 6,45; Mk 8,22; Mt 11,21 par; Lk 9,10. Zur Anmerkung Button