Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Der Elohist (E)
- 1. Zweifel an der Existenz des Elohisten
- 2. Die Abgrenzung und der Inhalt des elohistischen Werkes
- 3. Die Heimat des elohistischen Werkes
- 4. Die Entstehungszeit des elohistischen Werkes
- 5. Das elohistische Werk - Produkt einer Schule oder Konzeption eines einzelnen?
- a. Zweifel an der Existenz eines einzelnen Verfassers
- b. Argumente, die die Existenz eines einzelnen Verfassers nicht ausschließen
- c. Der Elohist, ein älterer Zeitgenosses Hoseas?
- 6. Der Inhalt des elohistischen Werkes
Kommen wir zur zweiten Quellenschicht des Pentateuchs, zum sogenannten Elohisten (E).
1. Zweifel an der Existenz des Elohisten
In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts sind zwar verschiedentlich Zweifel laut geworden, ob es einen elohistischen Quellenstrang tatsächlich gegeben hat. ⋅1⋅ Heute ist man in der Einleitungs-Wissenschaft jedoch wieder mehrheitlich der Überzeugung, dass es ein solches elohistisches Geschichtswerk gegeben haben muss.
Dafür sprechen ganz offensichtlich
- die Reihe der Dubletten,
- Parallelberichte
- und natürlich der unterschiedliche Gebrauch des Gottesnamens.
Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer stützender Argumente, auf die ich an dieser Stelle nicht eigens eingehen möchte und kann.
2. Die Abgrenzung und der Inhalt des elohistischen Werkes
Wenn wir von der Existenz des Elohisten ausgehen, dann stellt sich zunächst die Frage, wie sein Werk ausgesehen hat. Und das heißt zuallererst, wo hat es angefangen, wo ist sein Ende und was hat zu ihm gehört.
- Seit jeher ist der Anfang des elohistischen Werkes umstritten.
- Die heutige allgemeine Meinung ist, dass der Elohist erst mit der Abrahamserzählung (Gen 15) ⋅2⋅ einsetzte. ⋅3⋅
- Der letzte größere elohistische Text scheint die Bileam-Perikope (Num 22-24) zu sein.
- Auch eine Landnahmeerzählung glaubt man dem Elohisten zuschreiben zu können. Vielleicht ist sie noch in Josua 2-11*(?) erhalten. ⋅4⋅
- Der Schluss des elohistischen Werkes wird häufig in Jos 24 gesucht, im Bericht über den Landtag von Sichem.
Somit würde das elohistische Werk folgende Themen umfassen:
- die Patriarchenzeit von Abraham an,
- die Frühgeschichte des Volkes Israel mit der Bedrückung in Ägypten,
- Israels Auszug aus Ägypten,
- die Wüstenwanderung,
- ebenfalls mit einem Bericht der Theophanie am Gottesberg
- die Landnahme
- und abschließend die von Josua vorgenommene Verpflichtung ganz Israels auf Jahwe und den Jahwe-Dienst.
Weil der Anfang und der Schluss des Werkes in der Tat umstritten sind und nicht ganz eindeutig ausgemacht werden können, und weil der erhobene Text im Grunde auch nur geringen Umfang hat, wollen einige Exegeten nicht von einer einigen Quellenschicht gesprochen wissen. Sie sprechen vielmehr von "elohistischen Fragmenten" ⋅5⋅.
In diese Diskussion wollen wir jetzt allerdings nicht eintreten. Gehen wir trotz allem einmal davon aus, dass die erhobenen elohistischen Texte tatsächlich einem eigenen "elohistischen Werk" zuzurechnen sind.
Wo und wann ist dieses Werk dann entstanden?
3. Die Heimat des elohistischen Werkes
Mit wenigen Ausnahmen ⋅6⋅ vermuten die Alttestamentler das Nordreich als Heimat von E. ⋅7⋅
Argumente hierfür sind folgende:
- es fehlen einige Erzählungen, die vom Jahwisten bereits dargeboten wurden und sicher aus dem Süden stammen. Dazu gehört zum Beispiel der Abraham-Lot-Sagenkranz
- andererseits spielen einige Heiligtümer, die im Nordreich Israel größere Bedeutung hatten, eine entscheidende Rolle im Erzählverlauf von E. Dazu gehören vor allem die Heiligtümer von Beth-el und Sichem.
- in der elohistischen Darstellung der Josefsnovelle übernimmt im übrigen Ruben den Part, den im jahwistischen Text Juda innehat. Ruben aber ist im Nordreich angesiedelt. Juda ist der wichtigste Stamm des Südreiches.
So können wir mit einiger Sicherheit sagen, dass das elohistische Werk im Nordreich entstanden ist.
4. Die Entstehungszeit des elohistischen Werkes
Bedeutend schwieriger als die Herkunft des Werkes zu bestimmen, ist die Frage nach der Entstehungszeit von E zu entscheiden.
a. Der Terminus ante quem
Unwidersprochen akzeptiert wird eigentlich nur die ganz grobe Angabe, dass das elohistische Werk vor der Entstehung des Deuteronomiums fertiggestellt worden sein muss. Die deuteronomische Forderung nach der Kultzentralisation in Jerusalem (Dtn 12), scheint dem Elohisten nämlich noch unbekannt zu sein. Ein wichtiger Hinweis darauf, dass E vor D entstanden sein muss.
Wenn man davon ausgeht, dass E im Nordreich entstanden ist, dann kann man allerdings die Entstehung noch etwas enger eingrenzen.
Es kommt dann ja nur noch die Zeit vor dem Untergang des Nordreiches (722 v. Chr.) in Frage.
b. Der Terminus post quem
Die relativ kurze Existenz des Nordreiches liefert auch die wichtigste Stütze für den frühest möglichen Zeitpunkt der Abfassung. Vor der Reichsspaltung (926/922 v. Chr.) kann das Werk dann ja kaum entstanden sein.
Eine Ansetzung vor der prophetischen Bewegung des Elija - die um 850 v. Chr. angesiedelt werden muss - scheint ebenfalls unwahrscheinlich zu sein. An einigen Stellen scheint der Text des Elohisten nämlich von dieser prophetischen Bewegung des Elija beeinflusst zu sein. Das heißt, dass das Werk auch nach 850 v. Chr. geschrieben worden sein müsste.
So scheint unter Berücksichtigung der theologischen Reflexionsstufe des Elohisten ⋅8⋅ eine relativ späte Datierung um 750/740 v. Chr. ⋅9⋅ am ehesten wahrscheinlich zu sein. Die Theologie des Elohisten weist nämlich einige Beziehungen zur Theologie des Propheten Hosea auf, der ja als einziger der Schriftpropheten - und zwar genau in dieser Zeit - im Nordreich gewirkt hat. Der Elohist hätte dann unter dem Einfluss der sich abzeichnenden assyrischen Angriffe geschrieben. ⋅10⋅
Allerdings sprechen sich nicht wenige Exegeten für eine deutlich frühere Datierung aus ⋅11⋅.
c. Fazit
Sagen wird, um die Diskussion nicht ausufern zu lassen, dass die Abfassung des elohistischen Werkes mit ziemlicher Sicherheit im Zeitraum zwischen 800 und 722 v. Chr. zu suchen ist. Aufgrund der deutlicher zu Hosea als zu Elija bestehenden Beziehungen ist eine Abfassung um 750 v. Chr. nicht unwahrscheinlich.
5. Das elohistische Werk - Produkt einer Schule oder Konzeption eines einzelnen?
Bleibt zu fragen, ob der elohistische Text das Werk eines einzelnen oder einer Schule gewesen ist.
Beim Jahwisten sind wir bisher stillschweigend davon ausgegangen, dass wir es mit einer bestimmten historischen Persönlichkeit zu tun haben. Das kann man mit Abstrichen sicher tun. Vieles spricht da dafür.
a. Zweifel an der Existenz eines einzelnen Verfassers
Beim "elohistischen Werk" ist die Existenz eines einzelnen Verfassers weniger offensichtlich als beim "jahwistischen Werk".
Der elohistische Text liegt schließlich nicht als großes Ganzes vor, sondern stellt sich gleichsam als fragmentarische Bruchstücksammlung dar.
Gerne wird deshalb beim Elohisten von einer Schule, von Sammlern oder Tradenten gesprochen.
Für die im elohistischen Werk vertretenen theologischen Tendenzen, so wie sie sich heute darbieten, ist die Existenz eines einzelnen Autors auch nicht zwingend erforderlich.
Auch eine bestimmte Terminologie, wie zum Beispiel der Gebrauch des Gottesnamens אֱלֺהִים [">ælohim"] vor der Selbstoffenbarung Jahwes an Mose, erfordert keinen einzelnen Autor.
b. Argumente, die die Existenz eines einzelnen Verfassers nicht ausschließen
Man darf jedoch nicht vergessen, dass wir in unserer Hypothese davon ausgegangen sind, dass das "elohistische Werk" nach dem Untergang des Nordreiches durch einen Redaktor JE in den Text des "jahwistischen Werkes" eingearbeitet wurde.
Da der Text des Südreiches mit Sicherheit Vorrang vor dem Text des Nordreiches hatte, ist es eigentlich nicht verwunderlich, wenn der jahwistisch/elohistische Redaktor E nur bruchstückhaft übernommen hat. Vermutlich hat er nur Stücke, die für ihn eine wirkliche Ergänzung zu J zu sein schienen, tatsächlich aufgenommen.
Das würde den fragmentarischen Charakter von E erklären. Von ihm her könnte man dementsprechend die Existenz eines einzelnen Autors auch nicht endgültig verneinen.
Lothar Ruppert geht davon aus, dass man zumindest an einem "Schulgründer" festhalten müsste, also eine einzelne Persönlichkeit, die das Werden des "elohistischen Werkes" angestoßen hat.
c. Der Elohist, ein älterer Zeitgenosses Hoseas?
Da allerdings
"eine eigene Kompositionstechnik und eine selbständige Verkündigungsabsicht" ⋅12⋅
nachgewiesen werden kann und die Möglichkeit, dass E eine reine Kommentierung von J ⋅13⋅ durch einen späteren Theologen sei, auszuschließen ist, ⋅14⋅ geht Lothar Ruppert auch beim Elohisten von einem einzigen Verfasser aus.
Auch muss berücksichtigt werden, dass der Elohist sehr viele alte, teilweise sogar ältere Traditionen als beim Jahwisten, verarbeitet hat. Dadurch ließen sich die Spannungen in der Theologie und in der Klarheit des elohistischen Werkes erklären.
Der geistige Standort des Elohisten - das zeigt seine Darstellung - ist im übrigen weitgehend von der prophetischen Bewegung bestimmt. ⋅15⋅
Vielleicht ist der Elohist tatsächlich als älterer Zeitgenossen des Propheten Hosea im Nordreich Israel anzusehen.
6. Der Inhalt des elohistischen Werkes ⋅16⋅
Auch hier soll der Inhalt des "elohistischen Werkes" in einem Überblick dargestellt werden.
Diese Übersicht beruht wiederum auf einer Zusammenstellung von Georg Fohrer. Anmerkungen von Lothar Ruppert her sind wieder in {} beigefügt.
Die in Klammer gesetzten Buchstaben hinter den Stellenangaben weisen wieder darauf hin, dass in die genannten Perikopen noch andere Quellenstränge hineinverwoben sind.
Um den Theorien Rechnung zu tragen, die die jahwistische Quelle in zwei Quellen teilen möchten, wurde die Fohrer'sche Terminologie - (J) und (N) - beibehalten. Diese Scheidung ist weitgehend identisch mit den Versuchen einer Unterscheidung in J und J1 oder der Scheidung in J und eine "Laienquelle" (L).
a. vermutete elohistische Anteile am Buch Genesis
b. vermutete elohistische Anteile am Buch Exodus
c. vermutete elohistische Anteile am Buch Numeri
vermutete elohistische Anteile am Buch Deuteronomium
d. vermutete elohistische Anteile am Buch Josua
Anmerkungen
Dass in Gen 15,6 יהוה ["jahwe"] und nicht אֱלֺהִים [">ælohim"] steht, lässt sich dadurch erklären, dass der jahwistisch-elohistische Redaktor das אֱלֺהִים [">ælohim"] des E in der redaktionellen Bearbeitung durch יהוה ["jahwe"] ersetzte oder den ganzen Vers 6 selbst verfasste. In jedem Fall trifft dieser Vers 6 genau die Intention des E.
Die notwendigerweise vorangegangene Vorstellung Abrahams ging bei der Einfügung von E in J verloren, ebenso wie die elohistischen Berichte der Wanderung Abrahams vom Norden nach dem Süden.
"Jetzt aber gib die Frau dem Mann zurück; denn er ist ein Prophet. Er wird für dich eintreten, dass du am Leben bleibst. Gibst du sie aber nicht zurück, dann sollst du wissen: Du musst sterben, du und alles, was dir gehört."