Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Der Parallelismus

Das wichtigste poetische Stilmittel der hebräischen Sprache ist ohne Zweifel aber der "Parallelismus", ein wiederholender Stil, den man auch in Verbindung mit dem Kreisdenken des Hebräers sehen muss.

Man kann hier folgende Formen unterscheiden.

1. Der synonyme Parallelismus

Wenn sich die zwei oder drei Verszeilen, die zusammengehören, ⋅1⋅ sinngemäß entsprechen, also wenn in einzelnen Verszeilen der gleiche Gedanke gerade mit anderen Worten noch einmal wiederholt wird, dann spricht man von einem synonymen Parallelismus. Ein Beispiel dafür wäre Ps 51,4.

"Bis auf den Grund wasche ab meine Missetat,
von meiner Sünde mache mich rein!" (Ps 51,4.)

Oder etwa Ps 102,13:

"Du aber Jahwe bleibst in Ewigkeit,
und dein Name währet durch alle Geschlechter." (Ps 102,13⋅2⋅

2. Der antithetische Parallelismus

Wenn beide Versglieder einen - mehr oder minder strengen - Gegensatz bilden, dann spricht man von einem antithetischen Parallelismus. Ein Beispiel hierfür wäre Ps 1,6:

"Denn Jahwe behütet den Weg der Gerechten,
doch der Weg der Frevler führt in den Abgrund." (Ps 1,6.)

Auch Ps 102,27 ist hier zu nennen:

"Jene werden vergehen, du aber bleibst,[...]" (Ps 102,27⋅3⋅

3. Der synthetische oder komplementäre Parallelismus

Wenn der zweite Vers- oder Satzteil den ersten fortführt, ihn also nicht noch einmal wiederholt, sondern ausfaltet, dann entsteht ein sogenannter synthetischer Parallelismus. Ein solcher synthetischer Parallelismus lässt natürlich die Parallelität der Aussage kaum mehr erkennen.

Als Beispiel wäre Ps 23,1 zu nennen:

"Jahwe ist mein Hirt
mir mangelt nichts." (Ps 23,1.)

Oder etwa Ps 27,1:

"Jahwe ist mein Licht und mein Heil -
vor wem sollte ich mich fürchten?" (Ps 27,1⋅4⋅

4. Der parabolische Parallelismus

Von diesen drei Grundformen unterscheidet man als Sonderfall etwa noch den parabolischen Parallelismus. Bei ihm verteilen sich beide Versteile auf eine Bild- und eine Sachhälfte. Das heißt der eine Vers bietet ein Bild, der andere überträgt es auf die Sachebene. So zum Beispiel im Psalm 103:

"Denn so hoch der Himmel über der Erde,
so groß ist seine Barmherzigkeit gegen die Frommen.

So weit der Aufgang vom Niedergang,
so weit entfernt er von uns die Schuld.

Gleichwie ein Vater sich erbarmt der Kinder,
so erbarmt sich Jahwe über alle, die ihn fürchten." (Ps 103,11-13⋅5⋅

5. Der stufenartige Parallelismus

Unruhiger See

See Gennesaret - Unruhiger See.

Foto-Button© Katholisches Bibelwerk Linz, Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz

Dreigliedrige Verse be­die­nen sich gerne des stufenartigen Paralle­lismus. Man nennt ihn auch klimaktischen, re­pe­tie­renden oder tau­to­logischen Parallelis­mus. Hier werden im Laufe der einzelnen Verse entscheidende Worte bei­behalten, aber der Gedanke gleichsam wei­ter­getrieben.

In dieser Form hat sich mehrfach altorien­ta­li­sche Überlieferung er­hal­ten; Überlieferung, die Israel bereits vorgegeben war.

Ein Beispiel für den klimaktischen Parallelismus findet sich in Ps 93,3-4:

"Die Wasser erheben, Jahwe,
die Wasser erheben ihr Rauschen,
die Wasser erheben ihren donnernden Ruf.

Gewaltiger als vieler Wasser Gebraus,
gewaltiger als die Brandung der Meere:
allgewaltig in der Höhe ist Gott" (Ps 93,3-4⋅6⋅

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Die Halbverse bzw. Verszeilen, auch Reihen, Glieder, Stichen oder Kola genannt, bilden einen Vers. Er heißt Periode oder je nach seiner Zwei- bzw. Dreiteilung Di- oder Tristochon, Bi- oder Trikolon.
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 299.) Zur Anmerkung Button

2 Vgl. auch Ps 5,2; Jes 1,10 u. a. Zur Anmerkung Button

3 Vgl. auch Ps 27,10; Spr 10,1ff. Zur Anmerkung Button

4 Vgl. ferner Ps 1,3; 103,1-2; Jes 40,31. Zur Anmerkung Button

5 Vgl. auch Ps 42,2; Jes 1,3; Jes 55,9-11; Spr 26,14 u. a. Zur Anmerkung Button

6 Auch Ps 24,7-8; Ps 29,1-2; vgl. Ps 92,10 u. a. Zur Anmerkung Button