Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Der Parallelismus
- 1. Der synonyme Parallelismus
- 2. Der antithetische Parallelismus
- 3. Der synthetische oder komplementäre Parallelismus
- 4. Der parabolische Parallelismus
- 5. Der stufenartige Parallelismus
Das wichtigste poetische Stilmittel der hebräischen Sprache ist ohne Zweifel aber der "Parallelismus", ein wiederholender Stil, den man auch in Verbindung mit dem Kreisdenken des Hebräers sehen muss.
Man kann hier folgende Formen unterscheiden.
1. Der synonyme Parallelismus
Wenn sich die zwei oder drei Verszeilen, die zusammengehören, ⋅1⋅ sinngemäß entsprechen, also wenn in einzelnen Verszeilen der gleiche Gedanke gerade mit anderen Worten noch einmal wiederholt wird, dann spricht man von einem synonymen Parallelismus. Ein Beispiel dafür wäre Ps 51,4.
"Bis auf den Grund wasche ab meine Missetat,
von meiner Sünde mache mich rein!" (Ps 51,4.)
Oder etwa Ps 102,13:
"Du aber Jahwe bleibst in Ewigkeit,
und dein Name währet durch alle Geschlechter." (Ps 102,13) ⋅2⋅
2. Der antithetische Parallelismus
Wenn beide Versglieder einen - mehr oder minder strengen - Gegensatz bilden, dann spricht man von einem antithetischen Parallelismus. Ein Beispiel hierfür wäre Ps 1,6:
"Denn Jahwe behütet den Weg der Gerechten,
doch der Weg der Frevler führt in den Abgrund." (Ps 1,6.)
Auch Ps 102,27 ist hier zu nennen:
"Jene werden vergehen, du aber bleibst,[...]" (Ps 102,27) ⋅3⋅
3. Der synthetische oder komplementäre Parallelismus
Wenn der zweite Vers- oder Satzteil den ersten fortführt, ihn also nicht noch einmal wiederholt, sondern ausfaltet, dann entsteht ein sogenannter synthetischer Parallelismus. Ein solcher synthetischer Parallelismus lässt natürlich die Parallelität der Aussage kaum mehr erkennen.
Als Beispiel wäre Ps 23,1 zu nennen:
"Jahwe ist mein Hirt
mir mangelt nichts." (Ps 23,1.)
Oder etwa Ps 27,1:
"Jahwe ist mein Licht und mein Heil -
vor wem sollte ich mich fürchten?" (Ps 27,1) ⋅4⋅
4. Der parabolische Parallelismus
Von diesen drei Grundformen unterscheidet man als Sonderfall etwa noch den parabolischen Parallelismus. Bei ihm verteilen sich beide Versteile auf eine Bild- und eine Sachhälfte. Das heißt der eine Vers bietet ein Bild, der andere überträgt es auf die Sachebene. So zum Beispiel im Psalm 103:
"Denn so hoch der Himmel über der Erde,
so groß ist seine Barmherzigkeit gegen die Frommen.
So weit der Aufgang vom Niedergang,
so weit entfernt er von uns die Schuld.
Gleichwie ein Vater sich erbarmt der Kinder,
so erbarmt sich Jahwe über alle, die ihn fürchten." (Ps 103,11-13) ⋅5⋅
5. Der stufenartige Parallelismus
Dreigliedrige Verse bedienen sich gerne des stufenartigen Parallelismus. Man nennt ihn auch klimaktischen, repetierenden oder tautologischen Parallelismus. Hier werden im Laufe der einzelnen Verse entscheidende Worte beibehalten, aber der Gedanke gleichsam weitergetrieben.
In dieser Form hat sich mehrfach altorientalische Überlieferung erhalten; Überlieferung, die Israel bereits vorgegeben war.
Ein Beispiel für den klimaktischen Parallelismus findet sich in Ps 93,3-4:
"Die Wasser erheben, Jahwe,
die Wasser erheben ihr Rauschen,
die Wasser erheben ihren donnernden Ruf.
Gewaltiger als vieler Wasser Gebraus,
gewaltiger als die Brandung der Meere:
allgewaltig in der Höhe ist Gott" (Ps 93,3-4) ⋅6⋅
Anmerkungen
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 299.)