Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Deutero- und Trito-Sacharja ⋅1⋅
- 1. Zur Literarkritik von Sach 9-14
- 2. Überblick
- 3. Theologische Dimension von Sach 9-14
- 4. Zur Wirkungsgeschichte
Nun kommen wir zu den oben übergangenen Kapiteln des Sacharja-Buches.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass der zweite Teil des heutigen Sacharja-Buches, also Sach 9-14, von ganz anderer Art ist als der Rest des Sacharja-Buches. In der zeitlichen Abfolge müssen wir es jetzt, als eigenständiges Werk betrachten.
1. Zur Literarkritik von Sach 9-14
Dass die Kapitel Sach 9-14 ursprünglich eigenständig waren, wird durch die Tatsache unterstrichen, dass in Sach 9,1 und Sach 12,1 augenscheinlich neue Überschriften den Beginn von etwas anderem ankündigen.
Hier werden Stücke ohne Angabe von Datum und Verfasser dargeboten.
Darüber hinaus ist hier
- weder von Sacharja
- noch von Josua,
- weder von Serubbabel
- noch vom Tempelbau
die Rede.
Der Stil dieser Kapitel ist auch weniger ursprünglich und greift häufig auf andere Bücher zurück. Auffallend sind vor allem die Parallelen zu den Büchern Deuteronomium, Ezechiel und Ijob.
Auch der geschichtliche Horizont ist nicht mehr der gleiche wie in Sach 1-8. Die Namen Assur und Ägypten sind bereits zu Symbolnamen für alle Bedrücker geworden.
Daher geht man davon aus, dass diese Kapitel in den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts v. Chr., also erst nach den Eroberungen Alexanders d. Gr., verfasst wurden.
Man unterscheidet dabei zwei Abschnitte: Sach 9-11 und Sach 12-14.
Der erste Teil ist fast völlig in Versform abgefasst. Seinen Verfasser nennt man aus Verlegenheit Deutero-Sacharja.
Der zweite Teil, der fast völlig in Prosa gehalten ist, wird ebenfalls auf diesen Deutero-Sacharja, oder - analog zum Jesaja-Buch - auf einen Trito-Sacharja zurückgeführt. ⋅2⋅
Tatsächlich sind beide Teile in sich aber auch nicht einheitlich. Sie sind wohl ihrerseits wiederum zusammengesetzt und eher als Sammlungen denn als einheitliche Bücher zu betrachten. ⋅3⋅
2. Überblick ⋅4⋅
Die Kapitel Sach 9-14 lassen sich demnach folgendermaßen gliedern:
(Anspielung auf den Siegeszug Alexanders des Großen?)
Weiden der Schlachtschafe
Zwei Stäbe "Huld" und "Eintracht" (vgl. Ez 37,15ff) - Symbol der Trennung zwischen Juden und Samaritanern
Sach 11,13: 30 Silberlinge (vgl. Mt 27,3ff)
Geistausgießung. Klage um den "Durchbohrten" (Sach 12,10ff)
Der Rest der Völker verehrt Jahwe als König (Sach 14,16ff)
3. Theologische Dimension von Sach 9-14
Der zweite Teil des Sacharja-Buches ist vor allem durch seine messianische Lehre bedeutsam, auch wenn sie wenig einheitlich ist. Es geht hier um
- den Wiederaufstieg des Hauses David (Sach 12 öfters)
- und um die Erwartung eines milden und demütigen Messias (Sach 9,9-10).
- Große Bedeutung hat später im Christentum die Ankündigung eines "Durchbohrten" gewonnen (Sach 12,10).
"Aber über das Haus David und die Bewohner Jerusalems werde ich einen Geist der Erbarmung und des Gebetes ausgießen, und sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben; ihn werden sie betrauern, wie man trauert um den einzigen Sohn, und bitter um ihn klagen, wie man klagt um den Erstgeborenen..." (Sach 12,10)
Hier ist immer noch ungeklärt, ob Sacharja damit eine messianische Gestalt meint, die das Schicksal des Gottesknechtes auf sich nehmen muss (Jes 53,5). Im Christentum wird sie auf jeden Fall so interpretiert.
Dass die messianische Erwartung nicht einheitlich ist, wird nicht zuletzt an der Art der Gottesherrschaft deutlich, die in diesen Kapiteln erwartet wird. Einmal ist es eine kriegerische (Sach 10,3-11,3) dann aber auch wieder eine kultische Gottesherrschaft nach der Art Ezechiels (Sach 14), die hier erhofft wird.
4. Zur Wirkungsgeschichte
Das Neue Testament zitiert gerade diese Kapitel des Sacharja-Buches häufig oder spielt zumindest darauf an. Viele dieser messianischen Züge werden auf Jesus Christus übertragen. ⋅5⋅
Anmerkungen
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 279.)
Der zweite Teil, Sach 12-14, beschreibt mit apokalyptischen Wendungen die Prüfungen und Verherrlichungen des Jerusalems der Endzeit, aber die Eschatologie fehlt auch nicht im ersten Teil.
Manche Themen kehren in beiden Abschnitten wieder, so das Motiv von den "Hirten" des Volkes (Sach 10,2-3; 11,4-14; 13,7-9).
(Vgl.: Alfons Deissler, Anton Vögtle (Hrsg.), Neue Jerusalemer Bibel (Freiburg / Basel / Wien 1985) 1030.)