Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Der Psalter
- 1. Der Name des Buches
- 2. Die Zahl der Psalmen
- 3. Die Überschriften
- 4. Die Verfasserfrage
- a. Uneinheitlichkeit der Überschriften
- b. Dativus auctoris oder Zuschreibung zu einem Zyklus?
- c. Zwei Überlieferungsschichten
- d. Fazit
- 5. Datierung und literarische Frage
- a. Zur Diskussion über vor- oder nachexilische Entstehung des Psalters - Julius Wellhausen und Engnell
- b. Versuch einer differenzierteren Betrachtung
- 6. Die Gliederung des Psalters
- a. Fünf Psalmen-Bücher
- b. Weitere inhaltliche Zusammengehörigkeiten
- c. Der sogenannte "elohistische Psalter"
- 7. Übersicht
- 8. Zur Theologie der Psalmen
Damit kommen wir nun unmittelbar zum Psalter. Der größte Teil der biblischen Lieder ist in diesem Buch der Psalmen gesammelt.
1. Der Name des Buches
Im hebräischen Original ist es mit dem Namen תְּהִלִּים ["tehillim"] dem hebräischen Ausdruck für Hymnus überschrieben.
Die giechische Bezeichnung ψαλμοί ["psalmoí"] hat dem Buch seinen abendländischen Namen gegeben. Dieser Begriff übersetzt ganz einfach das hebräische Wort מִזְמוֺר ["mismor"], das nichts anderes als "Lied mit musikalischer Begleitung" bedeutet. ⋅1⋅
Das deutsche Wort Psalm leitet sich - wie man unschwer vermuten kann - natürlich aus dem griechischen Begriff ab.
2. Die Zahl der Psalmen
In den ältesten Handschriften umfasst das Buch der Psalmen gewöhnlich keine 150 Psalmen. In der Regel sind es weniger.
Der Masoreten-Text, die Septuaginta und auch die Peschita zählen dann aber jeweils 150 Psalmen. Von hier aus hat sich diese Zahl durchgesetzt. Dass sowohl die Zahl wie auch die Einteilung der Lieder eine nachträgliche Konstruktion ist, das wird allerdings schon dadurch deutlich, dass die Zählung zwischen dem hebräischen und dem griechischen Text nicht einheitlich ist.
Die Septuaginta - und in ihrer Folge die Vulgata - zählen Psalm 9 und Psalm 10 - und dies wohl zurecht - als einen einzigen Psalm. Auch die Psalmen 114 und 115, dieses Mal wohl zu unrecht, sind in den griechischen und lateinischen Ausgaben ein einziger Psalm.
Um auf die Zahl 150 zu kommen, werden in der Septuaginta und der Vulgata Psalm 116 und Psalm 147 dann allerdings auf zwei Psalmen verteilt.
Dadurch ergibt sich eine manchmal recht verwirrende Zählung der einzelnen Psalmen. Der folgende Überblick soll hier Klarheit verschaffen.
Das heißt aber, dass man bei der Angabe von Psalmen immer auch angeben muss, nach welcher Zählung die Angabe erfolgt. In wissenschaftlichen Veröffentlichungen geht man heutzutage in der Regel nach der hebräischen Zählung vor. Sie scheint sich auch insgesamt durchzusetzen.
Oftmals gibt man einfach die hebräische Zählung an und setzt die griechisch/lateinische Zählung in Klammer dahinter (z. B. Ps 130(129)).
3. Die Überschriften
Ein ganz eigenes Problem werfen die Überschriften der einzelnen Psalmen auf.
Vielen Psalmen sind nämlich Angaben vorangestellt, die wie eine Überschrift vor dem eigentlichen Psalm stehen.
a. Angabe von Musikinstrumente
In diesen Überschriften werden häufig Angaben gemacht, die wohl Hinweise auf die Art der musikalischen Aufführung sind.
Mehrmals werden in den Überschriften so zum Beispiel Musikinstrumente genannt.
Diese musikalischen Angaben sind übrigens nicht immer zu entschlüsseln. Sie beziehen sich häufig auf Musikinstrumente, die uns ihren Namen nach zum Teil gar nicht mehr bekannt sind.
Aber auch ohne genaue Identifikation machen solche Angaben nur noch einmal deutlich, dass der Hymnus ein sehr feierlicher Gesang war, der von Schlag- oder Saiteninstrumenten begleitet wurde.
b. Angabe von Liedweisen
Ab und an werden auch profane Liedweisen ("Nach der Weise von...") angegeben, die wohl die gleiche Melodie aufwiesen, nach der auch der Psalm gesungen werden sollte.
Auch hier ist es nicht einfach, diese Angaben zu entschlüsseln. Selbstverständlich sind uns die dazugehörigen Melodien nicht überliefert.
c. Liturgische Angaben
Auch liturgische Angaben über die Verwendung des Psalmformulars finden sich.
d. Personenangaben
Häufig sind auch Personennamen erwähnt.
So werden durch solche Überschriften
- 12 Psalmen dem Asaf zugeschrieben,
- 11 werden auf die Sängergilde der Korachiten zurückgeführt.
- Bei Psalm 88 wird Heman,
- bei Psalm 89 Etan,
- bei Psalm 90 Mose
- und bei den Psalmen 72 und 127 Salomo als Verfasser angegeben.
Asaf, Heman und Etan gelten dabei nach 1 Chr 15,17 als Tempelsänger und Musikmeister.
"David" ist allerdings der bei weitem am häufigsten genannte Name.
Wenn David in einer solchen Überschrift genannt wird, dann kann auch eine Episode angeführt werden, die den geschichtlichen Hintergrund des entsprechenden Psalmes anzugeben scheint.
Ein bekanntes Beispiel ist der Ps 51(50):
"Dem Chormeister, ein Psalm von David, als der Prophet Natan zu ihm kam, weil er zu Batscheba gegangen war." (Ps 51,1-2.)
In den Psalmen 7; 18; 34; 52; 54; 56; 57 und 60 finden sich weitere Hinweise dieser Art.
4. Die Verfasserfrage
Dies alles hat in der Tradition die Auffassung bestärkt, dass die in den Psalmüberschriften genannten Personen die Verfasser der jeweiligen Psalmen seien.
a. Uneinheitlichkeit der Überschriften
Es fällt aber auf, dass die Überschriften in den einzelnen Handschriften nicht einheitlich sind.
- So hat der Masoretentext 34 Psalmen ohne Überschrift,
während die Septuaginta nur 2 Psalmen ohne Überschrift überliefert. - Der Masoretentext schreibt dem David insgesamt 73 Psalmen zu,
während die Septuaginta und die Vulgata dies bei mindestens 84 Psalmen tun.
Sicher war David ein großer Sänger. In diesem Punkt scheint die Überlieferung zuverlässig zu sein. Dass aber alle Psalmen, die seinen Namen tragen, auf ihn zurückgehen würden, das scheint dann doch etwas unwahrscheinlich zu sein.
Schauen wir uns dazu die Personenangabe der Überschriften etwas genauer an.
b. Dativus auctoris oder Zuschreibung zu einem Zyklus?
Die Namensangabe geschieht in aller Regel durch die Angabe eines Namens, der mit dem Praefix לְ ["l(amed)"] versehen ist.
So heißt es etwa לְדָּוִד ["ledavid"].
Dieser Ausdruck לְדָּוִד ["ledavid"] wird in aller Regel etwa mit "(ein Psalm) Davids" übersetzt.
Die Funde von Ugarith belegen, dass dieses Praefix לְ ["l(amed)"] im Hebräischen grundsätzlich ein Dativzeichen ist. Daran besteht absolut kein Zweifel. Als solches kann es durchaus auch - im Sinne des "dativus auctoris" einen Autor angeben. Das würde die Übersetzung von לְדָּוִד ["ledavid"] mit "(ein Psalm) Davids" rechtfertigen.
Spätestens zu der Zeit, als diejenigen Überschriften entstanden sind, die zusätzlich zum Namen David eine Begebenheit aus seinem Leben anführen, hat man das לְ ["l(amed)"] mit Sicherheit als "dativus auctoris" verstanden. Ursprünglich braucht das aber nicht so gewesen zu sein.
c. Zwei Überlieferungsschichten
So muss man wohl zwei Überlieferungsschichten annehmen:
(1) "dem David"
"David" ist, wie wir aus Jeremia und Ezechiel wissen, nicht nur der Name des historischen Königs David, "David" ist auch gleichzeitig die Bezeichnung für den jeweiligen König. Darüber hinaus kann dieser Begriff dann auch sogar für den königlichen Heilsbringer stehen.
So könnte man durchaus vermuten, dass der Ausdruck לְדָּוִד ["ledavid"] zunächst einmal ganz wörtlich mit "dem David" zu übersetzen ist. Dann könnte er so etwas wie ein Widmung sein. Die mit לְדָּוִד ["ledavid"] gekennzeichneten Psalmen galten dementsprechend den "Davididen".
(2) "von David"
Erst später hat man dann das לְ ["l(amed)"] als "lamed auctoris" ausgelegt. Zu dieser Zeit dürften dann auch weitere Psalmen verfasst worden sein, die man ganz einfach im Sinne der Pseudepigraphie dem David dann in den Mund gelegt hat.
d. Fazit
So kann man abschließend wohl sagen, dass durchaus mit einiger Wahrscheinlichkeit der ein oder andere Psalm auf David zurückgehen kann. Mit Sicherheit lässt sich aber von keinem einzigen Psalm sagen, dass er in seiner heutigen Gestalt vom historischen König David stammt.
Theologisch ist das auch kaum bedeutsam. Ob David der Verfasser der Psalmen ist oder nicht, ist - wie so viele exegetischen Probleme - eine rein wissenschaftliche Frage.
Alles in allem müssen wir also am ehesten davon ausgehen, dass die Psalmen meist wohl in den Kreisen der Priester für die gottesdienstlichen Feiern im Tempel von Jerusalem verfasst wurden.
5. Datierung und literarische Frage
Wann aber ist das geschehen? Wann wurden die einzelnen Psalmen verfasst?
a. Zur Diskussion über vor- oder nachexilische Entstehung des Psalters - Julius Wellhausen und Engnell
Bei der Datierung der Psalmen herrschen aufs Ganze gesehen sehr unterschiedliche Ansichten. Julius Wellhausen hielt unser Psalmenbuch für das Liederbuch des zweiten Tempels, setzte seine Entstehung also nach 515 v. Chr. an.
Andere Exegeten verlegen die Entstehung des heutigen Psalters sogar erst in die Makkabäerzeit.
In der nordischen Schule hat andererseits z. B. Engnell formuliert, dass er nie etwas gefunden habe, was für eine nachexilische Entstehungszeit sprechen würde, mit Ausnahme des Psalmes 137, der mit den bezeichnenden Worten beginnt:
"An den Flüssen von Babel saßen wir und weinten, da wir Zion gedachten." (Ps 137,1.)
Nach Engnell wäre das Gros der Psalmen also durchaus als vorexilisch zu betrachten.
Beide Urteile sind allerdings sehr pauschal und gehen zu wenig auf die Sprache und das Ideengut des Psalters ein.
b. Versuch einer differenzierteren Betrachtung
Bei einer Analyse der sprachlichen und ideellen Gesichtspunkte muss man heute zu der Ansicht kommen, dass ein großer Teil der Psalmen in seiner heutigen Form nachexilisch ist, zumindest aber nachexilisches Kolorit trägt.
Sicher aber gibt es auch große Stücke darunter, die noch in vorexilischer Zeit anzusiedeln sind.
Zu diesem vorexilischen Psalmengut gehören vor allem - wie wir bereits oben angedeutet haben - die Königspsalmen (Ps 2; 72; 110), wie auch eine Reihe anderer Textstücke in einzelnen Psalmen.
Aus der Tatsache, dass es in nachexilischer Zeit keine Könige mehr gab, darf man allerdings nicht schließen, dass alle Königspsalmen aus der Zeit vor dem Exil stammen müssten. Gerade in der Zeit nach dem Exil, einer Zeit ohne König, erwartete man ja den großen königlichen Heilsbringer und bezog diese Königslieder wahrscheinlich auf solch einen Heilsbringer. Sonst hätte Israel diese Psalmen wohl kaum 500 Jahre lang beibehalten können.
Aus dieser Einstellung heraus war es dann aber sicher auch in nachexilischer Zeit noch möglich, selbst neue Königspsalmen zu dichten oder bereits vorhandene Psalmen messianisch neu zu bearbeiten.
In Psalm 2, einem Königs-Psalm, finden sich beispielsweise gleich zwei Aramäismen. Daraus kann man vermuten, dass dieser Psalm, der ansonsten wohl sicher in vorexilische Zeit zurückreicht, in seiner heutigen Form kein vorexilischer Psalm mehr sein kann. Er hat eine nachexilische Bearbeitungen erfahren.
Gerade bei Liedern, die täglich im Gebrauch waren, ist es gar nicht verwunderlich, dass sie ihr Gesicht im Laufe der Jahrhunderte verändert haben und nachträglich mehrfach überarbeitet wurden.
Dies muss man bei der Diskussion um das Alter der Psalmen immer berücksichtigen.
6. Die Gliederung des Psalters
Wenn wir den Psalter in seiner heutigen Form betrachten, dann fällt auf, dass er neben der Einteilung in 150 Psalmen noch weitere Gliederungselemente enthält.
a. Fünf Psalmen-Bücher
Der hebräische Text der Psalmen ist in fünf Bücher gegliedert. Die vier ersten schließen mit einer Doxologie ("Gepriesen sei der Herr"), Psalm 150 ist eine einzige Doxologie. Die 150 Psalmen verteilen sich auf diese fünf Bücher wie folgt:
Wie man zu dieser Fünfteilung kam, ist nicht sicher zu erheben. Schon früh sahen die Exegeten allerdings darin eine Analogie zum Pentateuch.
Neuere Forschungen legen nahe, dass man in der jüdischen Liturgie nach der Verlesung von Teilen aus dem Pentateuch auch Psalmen rezitiert hat. Mit der Verlesung der fünf Bücher muss dann auch diese Einteilung der Psalmen in fünf Bücher zusammenhängen.
b. Weitere inhaltliche Zusammengehörigkeiten
Über diese Einteilung hinaus lassen sich aber noch weitere inhaltliche Zusammengehörigkeiten ausmachen. Sie hängen mit den Zuschreibungen durch die Überschriften aber auch mit inhaltlichen Gesichtspunkten zusammen.
So sind die Jahwe-Königs-Psalmen beispielsweise vor allem zwischen Psalm 93 und 99 angeordnet; die Wallfahrtslieder finden sich zwischen den Psalmen 120 und 134
c. Der sogenannte "elohistische Psalter"
Wichtig scheint in diesem Zusammenhang der Hinweis zu sein, dass in den Psalmen 42-89 der Name Jahwe anscheinend nachträglich weitgehend durch אֱלֺהִים [">ælohim"], "Gott", ersetzt worden ist.
Man nennt diese Psalmen 42-89 daher auch den "elohistischen Psalter"
Hier könnte also durchaus so etwas wie eine Teilsammlung vorliegen.
Dann wäre diese Namens-Ersetzung etwa dadurch zu erklären, dass bei den Redaktoren dieser Teilsammlung das Verbot, den Gottesnamen auszusprechen, offenbar ganz besonders streng aufgefasst wurde.
Es wäre aber auch die Erklärung denkbar, dass hier der Unterschied zwischen Gott und dem Menschen ganz besonders betont werden sollte. Dies ist auch andernorts in der jüngeren Literatur - etwa in den Chronikbüchern oder im Buch Ijob - so üblich. Der Jahwe-Name wird nicht genannt. Die Bezeichnung אֱלֺהִים [">ælohim"] an seiner Stelle soll die Distanz zwischen Gott und Mensch deutlicher machen.
7. Übersicht ⋅2⋅
Sehen wir uns den Psalter unter diesem Gesichtspunkt an.
"Heil" dem, der die Schrift (den Psalter) liest.
aus drei Teilsammlungen:
Nach den Beischriften erkennbare Untergruppen:
Ps 42-45
Ps 46
Ps 47-49
Anhang Ps 50: "Von Asaf"
Nach den Beischriften erkennbare Untergruppen:
Ps 52-55
Ps 56-60
Ps 62-64
Ps 65; (67-)68
Anhang Ps 72: "Von Salomo" (vgl. Ps 127; 1 Kön 5,12)
Unterschrift Ps 72,20: "Zu Ende sind die Gebete Davids, des Sohnes Isais."
(mit Überschrift oder Unterschrift "Lobt Jahwe" als Antwort der Gemeinde; vgl. Ps 106,48)
8. Zur Theologie der Psalmen
Über die theologischen Intentionen des Psalters brauchen wir nicht viele Worte zu verlieren. Die theologische Bedeutung der Psalmen liegt zu offen zu Tage, als dass man noch lange darüber sprechen bräuchte. Im Gebetsschatz einer Religion schlägt sich natürlich die ganze Theologie nieder.
Gemäß dem Grundsatz "lex credendi est lex orandi", sinngemäß etwa "die Norm des Glaubens ist auch die Norm des Betens" oder "Gottesdienst ist gebeteter Glaube und umgekehrt", haben wir im Psalter das Kompendium des alttestamentlichen Glaubens vor uns.
Anmerkungen