Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Hosea ⋅1⋅
- 1. Zum Geschichtlichen Hintergrund
- 2. Zur Person Hoseas
- 3. Überblick
- 4. Die Zeichenhandlung des Hosea
- 5. Die daraus resultierende theologische Grundlinien des Hosea-Buches
- a. Die Liebe Jahwes und der Verrat Israels
- b. Die Kritik am Königtum
- c. Die Kritik am Kult
- d. Das erste Gebot des Dekaloges
- e. Unheil und Heil
- 6. Zur Redaktionsgeschichtes des Hoseabuches
- 7. Zur Wirkungsgeschichte des Hosea-Buches
In der heutigen hebräischen Bibel wird Hosea als erster der sogenannten "kleinen Propheten" angeführt. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass das Buch Hosea das umfangreichste der Bücher des sogenannten Dodekapropheton, des Zwölfprophetenbuches, ist.
1. Zum Geschichtlichen Hintergrund
Tatsächlich aber ist das Wirken Hoseas zeitlich nach dem des Amos anzusetzen.
Hosea stammt als einziger der Schriftpropheten aus dem Nordreich. Auch er beginnt seine Predigttätigkeit unter König Jerobeam II. Er setzt seine Verkündigung aber unter dessen Nachfolgern fort.
So umfasst Hoseas prophetische Wirksamkeit etwa den Zeitraum von 750-725 v. Chr. - im Vergleich zu Amos, der ja nur kurze Zeit auftrat, also eine recht weite Zeitspanne.
Einige vermuten sogar, dass Hosea selbst die Zerstörung Samarias im Jahre 721 v. Chr. noch miterlebte.
Auf jeden Fall ist das Wirken Hoseas in der düsteren Zeit der Eroberung des Nordreiches durch die Assyrer anzusiedeln (734-732 v. Chr.). Dies war eine Zeit die von religiösem und sittlichem Zerfall, aber auch von inneren Wirren geprägt war. In fünfzehn Jahren wurden beispielsweise allein vier Könige des Nordreiches ermordet.
2. Zur Person Hoseas
Aus dem Leben Hoseas wissen wir im übrigen nicht sehr viel. Nicht einmal sein Geburtsort und Beruf sind bekannt. So kann seine Herkunft aus dem Nordreich nur erschlossen werden.
Die biographischen Ereignisse, die uns aus seinem Leben überliefert sind (Hos 1-3), sind auch nur deshalb tradiert worden, weil dieses persönliche Schicksal für das prophetische Wirken Hoseas entscheidend war.
3. Überblick ⋅2⋅
Beim Blick auf den Aufbau des Buches kann man folgende Struktur erkennen:
Sehen wir uns das Buch daraufhin etwas genauer an.
Drei Kinder: "Jesreel", "Ohne-Erbarmen", "Nicht-mein-Volk"
"Söhne des lebendigen Gottes"
Auseinandersetzung mit Baalskult
Neue Gemeinschaft
Keine Gotteserkenntnis im Land (Hos 4,2)
Keine Möglichkeit der Rückkehr (Hos 5,4. 6)
Bußlied: Heilung nach 2 bis 3 Tagen (Hos 6,1-3; vgl Hos 14,3-4)
Israel unverbesserlich (Hos 6,4)
Gotteserkenntnis statt Opfer (Hos 6,6)
"Efraïm unter den Völkern. Es vermengt sich." (Hos 7,8)
"Ein Narr ist der Prophet" (Hos 9,7-8)
"Wie Trauben in der Wüste fand ich Israel."
"Als Israel jung war, gewann ich es lieb."
Deutende weisheitliche Schlussbemerkung (Hos 14,10):
"Gerade sind die Wege Jahwes."
4. Die Zeichenhandlung des Hosea
Inhaltlich bereiten schon die biographischen Kapitel (Hos 1-3) nicht geringe Schwierigkeiten. Sicher ist auf jeden Fall, dass hier vom Verhältnis des Hosea zu einer ehebrecherischen Frau gehandelt wird. Jede weitere Aussage wird nun aber schon schwierig.
a. Verständnis-Schwierigkeiten
So bleibt unklar
- ob immer von der gleichen Frau gesprochen wird, oder ob hier etwa von zwei verschiedenen Frauen die Rede ist.
- Auch ist nicht ganz zu klären, ob vielleicht sogar von zwei verschiedenen Eheschließungen des Hosea mit einer oder zwei verschiedenen Frauen gehandelt wird. Oder wird in verschiedener Form über ein und dieselbe Hochzeit gesprochen?
- Genauso unklar bleibt, ob Hosea ganz normal heiratet und später feststellt, dass seine Frau untreu ist. Dann würde er nun ganz einfach die Untreue seiner Frau als Beispiel verwenden. Möglich ist allerdings auch die Deutung dass Hosea von vorneherein von Jahwe den Auftrag erhält, eine Dirne, vielleicht eine Tempelprostituierte, zu heiraten. Dann müsste man seine Ehe von Anfang an als Zeichenhandlung betrachten. ⋅3⋅
Mit Alfons Deissler kann man den Sinn der ersten drei Kapitel des Hosea-Buches in etwa folgendermaßen wiederzugeben versuchen:
Hosea hat eine Frau geheiratet, die er liebte. Es handelte sich dabei möglicherweise um eine Tempelprostituierte. Tempelprostitution spielte eine wichtige Rolle im kanaanäischen Fruchtbarkeitskult. Durch den geschlechtlichen Akt am Tempel sollten die Götter stimuliert werden.
Diese Frau, die den Namen Gomer trägt, verlässt Hosea jedoch und wird ihm untreu. Hosea verstößt seine Frau allerdings nicht, sondern nimmt sie nach einer Bewährungsprobe wieder zu sich.
b. Die Deutung der Zeichenhandlung
Dieses für ihn schmerzliche Erlebnis deutet er nun als Sinnbild für das Verhalten Jahwes gegenüber seinem Volk. Die Wiederaufnahme der Frau ist für ihn eine Zeichenhandlung. Hos 2 gibt dafür die Deutung und ist somit auch der Schlüssel für das Verständnis des ganzen Buches:
So wie Hosea nämlich diese Gomer geheiratet hat, so hat Jahwe Israel sich angetraut. Israel hat sich aber wie eine treulose Frau, wie eine Dirne benommen. Dadurch hat es den Zorn und die Eifersucht seines göttlichen Ehe-Herren hervorgerufen.
Aber Jahwe liebt sein Volk immer noch. Er wird es zwar strafen, aber nur um es zu sich zurückzuführen. Jahwe will seinem Volk das Glück der ersten Liebe wiederschenken.
5. Die daraus resultierende theologische Grundlinien des Hosea-Buches
Hosea ist der erste, der das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel im Bild der Ehe ausdrückt. Und er tut dies dabei mit einer Kühnheit ohnegleichen und einer überwältigenden Leidenschaft.
a. Die Liebe Jahwes und der Verrat Israels
Das Grundthema seiner ganzen Botschaft kann man daher mit dem Schlagwort "die Liebe Gottes" umschreiben. Wobei Hosea eine Liebe schildert, die von seinem Volk verkannt worden ist.
Nach Hoseas Darstellung hat Israel - bis auf eine kurze ungetrübte Zeit in der Wüste - auf das Werben Jahwes nur mit Verrat geantwortet.
Hosea wendet sich mit seiner Botschaft dabei vor allem an die herrschenden Schichten der Gesellschaft.
b. Die Kritik am Königtum
Hier nennt er zuerst die Könige: Sie sind gegen den Willen Jahwes erwählt worden und haben durch ihre weltliche Politik das auserwählte Volk auf die Stufe der anderen Völker herabgesetzt. Unter allen Propheten ist Hosea der schärfste Kritiker des Königtums.
c. Die Kritik am Kult
Hosea verurteilt wie Amos denn auch die Ungerechtigkeit und die Gewalttätigkeit. Mehr noch als jener legt er allerdings das Schwergewicht auf die religiöse Untreue Israels. Während bei Amos die Sozialkritik vorherrscht, tritt bei Hosea die Kultkritik in den Vordergrund.
Hosea klagt an, dass die unwissenden und raffgierigen Priester das Volk in das Verderben führen.
Sie hätten Jahwe in Bet-El zum Gegenstand eines götzendienerischen Kultes gemacht. Allem voran aber hätten sie seine Verehrung dem ausschweifenden Kult auf den Höhenheiligtümer, dem Kult von Baal und Astarte gleichgestellt.
d. Das erste Gebot des Dekaloges
Jahwe aber ist ein eifersüchtiger Gott. Er will das ungeteilte Herz seiner Gläubigen
"Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer" (Hos 6,6.)
Hier klingt die Forderung des ersten Gebotes des Dekaloges durch. Hosea zitiert dieses Gebot ausdrücklich (Hos 13,4; 3,1) und bedient sich auch der ethischen Forderungen des Dekaloges (Hos 4,2).
Diese Bezüge zum Dekalog könnten - nebenbei erwähnt - auf eine Nähe zum Elohisten hinweisen. Gerade der Elohist ist es, nach unserer Rekonstruktion, schließlich, der den Dekalog im Zusammenhang mit dem Bundesschluss überliefert.
Aber auch Parallelen zu Elija werden hier deutlich. Eines der Hauptanliegen Elijas war ja die Forderung nach einer Entscheidung für Jahwe.
Beide Verwandtschaften würden wiederum deutlich in das Nordreich weisen und die These von der Herkunft Hoseas aus dem Nordreich unterstützen.
e. Unheil und Heil
Weil Israel die Forderung des ersten Gebotes immer wieder übertritt, weil es den Ehebund mit Jahwe bricht, darum ist die Strafe für Israel unausweichlich geworden.
Hier geht Hosea in der Schärfe seiner Bilder von Gottes Strafhandeln noch über Amos hinaus:
"Ich bin wie die Motte für Efraïm, wie Knochenfraß für das Haus Juda." (Hos 5,12.)
spricht er im Namen Jahwes (vgl.: Hos 5,14; 7,12; 13,7-8).
Dennoch straft Gott nur, um zu retten. Wenn Israel dann ausgeraubt und gedemütigt ist, dann wird es sich wieder an die Zeit erinnern, in der es treu zu Jahwe stand. Und Jahwe wird sein reumütiges Volk dann wieder aufnehmen, es wird sich dann wieder neu des Glückes und des Friedens erfreuen können.
6. Zur Redaktionsgeschichte des Hoseabuches
So stellen sich die Grundlinien der Theologie des Hosea heute dar. Man kann diese Theologie also durchaus nachzeichnen, obschon das Buch voller Schwierigkeiten ist. Diese werden umso deutlicher, je mehr man in die Einzelheiten zu gehen versucht.
a. Die Überlieferungsgestalt des Textes
Insgesamt kann man nämlich sagen, dass der Text des Hosea-Buches in einem beklagenswerten Zustand überliefert ist.
Der hebräische Text gehört zu den am schlechtsten erhaltenen des ganzen Alten Testamentes. Das heißt, es gibt eine Fülle von verderbten Stellen, die in ihrer heutigen Form einfach keinen Sinn mehr ergeben. Man ist also von vorneherein zu Korrekturen und Ergänzungen am Text gezwungen.
Das macht eine Interpretation natürlich immer schwierig. Oftmals sind mehrere Deutungen durchaus möglich.
b. Judäische Bearbeitung
Diese schlechte Textlage könnte durchaus damit zusammenhängen, dass das Buch Hosea eben im Nordreich entstanden ist. Es wäre dann erst nach dem Untergang Samarias in den Süden transportiert worden.
Dort scheinen die Aufzeichnungen über Hosea dann mehrere Bearbeitungen erfahren zu haben.
c. Spätere Zusätze
(1) Judäische Redaktionen
Spuren solcher judäischer Redaktionen finden sich beispielsweise im Titel (Hos 1,1) in dem die judäischen Könige zuerst genannt werden. Darüber hinaus werden unter anderem Hos 1,7; Hos 4,15; Hos 5,5; Hos 6,11 und Hos 12,3 meist als Spuren judäischer Redaktion genannt.
Einige Exegeten wollten darüber hinaus alle Abschnitte die auf Juda Bezug nehmen als spätere judäische Zusätze bezeichnet wissen.
Dies scheint über das Ziel hinauszuschießen. Hosea kann durchaus im Blick auf den einen Gott auch Israel als Ganzes und damit natürlich auch Juda angesprochen haben. Dass sich sein Blick auch auf das Nachbarreich Juda richtete, wäre dann ganz natürlich. Freilich ist anzunehmen, dass die in Israel vorgenommene Sammlung der Hosea-Worte nach dem Untergang des Nordreiches in Juda hier diesbezüglich noch die ein oder andere Ergänzung erfuhr. Alle Juda-Bezüge als nicht auf Hosea zurückgehend auszuklammern, ist aber übertrieben.
(2) Die Frage der Heilsbotschaft
Wie auch bei Amos, so stellte sich in der Vergangenheit die Frage nach den Heilsverheißungen im Hoseabuch. Hier ist aber mittlerweile durchaus allgemein anerkannt, dass Hosea ursprünglich nicht nur Drohsprüche aufwies. Das Hosea-Buch lebt aus der Spannung von Gerichtsansage und Hoffnung auf zukünftiges Heil. Aus Hosea nur einen Unheilspropheten zu machen, das hieße seine ganze Botschaft zu verfälschen.
(3) Der Schlussvers
Bleibt noch zu erwähnen, dass der Schlussvers (Hos 14,10) sicher eine spätere Zutat ist. Hier liegt eine Reflexion eines Weisheitslehrers aus exilischer oder nachexilischer Zeit vor. Die Quintessenz des Buches soll hier in weisheitlicher Sprache auf den Punkt gebracht werden.
7. Zur Wirkungsgeschichte des Hosea-Buches
Das Buch Hosea hat im Alten Testament im übrigen tiefe Nachwirkungen gehabt. Wenn die späteren Propheten zu einer Religion des Herzens, die von der Gottesliebe beseelt sein soll, ermahnen, dann ist das ein Echo der Predigt Hoseas.
So ist es nicht erstaunlich, dass auch das Neue Testament Hosea öfter zitiert bzw. von ihm beeinflusst ist.
Das Bild vom Verhältnis zwischen Jahwe und seinem Volk als einer Ehe ist von Jeremia, Ezechiel und Deuterojesaja wiederaufgenommen worden. Im Neuen Testament und in urchristlicher Zeit findet es dann Verwendung als Umschreibung der Beziehung zwischen Jesus und der Kirche. ⋅4⋅
Anmerkungen
Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 205.)
(Vgl.: Alfons Deissler, Anton Vögtle (Hrsg.), Neue Jerusalemer Bibel (Freiburg / Basel / Wien 1985) 1026.)