Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Der Jahwist (J) ⋅1⋅
- 1. Die Abgrenzung des jahwistischen Werkes
- a. Thesen zum Schluss des jahwistischen Werkes
- b. Lothar Rupperts Argumente für ein Ende mit der Landnahmeerzählung
- c. Zwei Erzählbögen
- d. Vorjahwistische Traditionen
- e. Der Inhalt des jahwistischen Werkes
- (1) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Genesis
- (2) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Exodus
- (3) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Numeri
- (4) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Deuteronomium
- (5) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Josua
- (6) Vermutete jahwistische Anteile am Buch der Richter
- 2. Die Heimat des jahwistischen Werkes
- 3. Die Entstehungszeit des jahwistischen Werkes
Wer aber waren nun aber die einzelnen Pentateuch-Verfasser und Redaktoren? Was können wir heute noch über sie sagen?
Betrachten wir dazu zunächst die älteste der von uns postulierten Schichten, nämlich das Werk des sogenannten "Jahwisten".
1. Die Abgrenzung des jahwistischen Werkes
Während über den Anfang des jahwistischen Werkes ziemliche Übereinstimmung unter den Forschern besteht - nämlich in Gen 2,4b -, divergieren die Meinungen über seinen Schluss recht stark.
a. Thesen zum Schluss des jahwistischen Werkes
Eine Reihe von Forschern meinen, dass das jahwistische Werk ursprünglich mit einer Landnahmeerzählung geendet habe.
- Zu ihnen gehört zum Beispiel Martin Noth. Er sieht das Ende der jahwistischen Erzählung in einer Landnahmeerzählung, die heute nicht mehr existiert. Sie sei bei der Einfügung des oder in den priesterschriftlichen Text nicht übernommen sondern vielmehr durch die priesterschriftliche Version ausgetauscht worden.
Andere vermuten, dass der alte Text von Ri 1, der sich heute wie ein zusammenfassender Bericht über die Landnahme einzelner Stämme liest, der ursprüngliche Abschluss des jahwistischen Werkes sei. - Wieder andere - so etwa Budde und Cazelles - meinen, das jahwistische Werk würde sogar bis zur Thronfolgegeschichte in 1 Kön 2 reichen.
- Hölscher glaubt, dass der jahwistische Erzählfaden ursprünglich sogar bis zur Reichsteilung ging, also bis 1 Kön 12.
- R. Smend sen. und Otto Eißfeldt verlagern das Ende das jahwistischen Werkes sogar in noch spätere Zeit.
b. Lothar Rupperts Argumente für ein Ende mit der Landnahmeerzählung
Lothar Ruppert weist darauf hin, dass eine Fülle von Stellen das Geschenk des Landes thematisieren.
- "Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land." (Gen 12,7)
- "Darum bin ich herabgestiegen, um es [das Volk] aus der Gewalt der Ägypter zu befreien und es aus diesem Land herauszuführen in ein schönes und geräumiges Land, in ein Land, das von Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hethiter, Amoriter, Perisiter, Hiwwiter und Jebusiter." (Ex 3,8 J)
- "Wir sind dabei, nach der Stätte aufzubrechen, von der Jahwe gesagt hat: Ich will sie euch geben..." (Num 10,29)
- "Wenn Jahwe Gefallen an uns hat, dann bringt er uns in dieses Land und gibt es uns, ein Land, das von Milch und Honig fließt.". (Num 14,8 J)
Solche inneren Gründe sprechen daher eher dafür, dass die jahwistische Erzählung auf die Landnahme abzielte.
Das rekonstruierbare jahwistischen Werk berichtet aber nur von einer Landnahme im Ostjordanland (Num 32 J). Die eigentliche Landnahmeerzählung des Jahwisten müsste dann tatsächlich
- wie Martin Noth bereits andeutete - entweder verloren gegangen sein,
- oder sie müsste sich in Jos 1-12 verbergen - Texte die jedoch eher elohistisch geprägt sind,
- oder - und das ist wahrscheinlicher als Jos 1-12 - sie müsste heute im sogenannten "Negativen Besitzverzeichnis" Ri 1 erhalten sein.
Budde hat richtig festgestellt, dass die Thronfolgegeschichte Davids (2 Sam 9-20 und 1 Kön 1-2) mit dem jahwistischen Werk recht stark verwandt ist.
Daraus muss man aber noch nicht den Schluss ziehen, dass hier ein und derselbe Verfasser vorliegt. Die Thronfolgegeschichte Davids scheint viel eher der Auslöser dafür zu sein, dass das jahwistische Geschichtswerk überhaupt verfasst worden ist. Sie hätte den Jahwisten dann überhaupt erst zu seinem Werk angeregt. Das könnte die geistige Verwandtschaft zwischen dem kleinen Geschichtswerk der Thronfolge Davids (2 Sam 2,9-20; 1 Kön 1-2) und J erklären, ohne dass man die Thronfolgeschichte Davids dann noch als Teil des jahwistischen Werkes ansehen müsste.
Bis zur Reichsteilung oder gar darüber hinauszugehen, wie manche Forscher es tun, verbietet eigentlich schon der optimistische Grundzug von J.
c. Zwei Erzählbögen
Wir gehen also davon aus, dass J sein Werk mit einem Bericht über die Landnahme beendete. Dann kann man aber die Erzählung von J in zwei ungleiche Bögen unterteilen:
- Zum einen die Verheißung an Abraham bis zu ihrer Einlösung in der Landnahme - Dies könnte man Überschreiben mit den Worten: "Entwicklung zum Heil"
- und zum anderen - quasi als Vorspann - die Urgeschichte gewissermaßen als Kontrastmotiv unter der Überschrift: "Entwicklung zum Unheil".
d. Vorjahwistische Traditionen
Dabei hat J möglicherweise schon einige schriftliche Traditionen vorgefunden. Bereits abgefasste Texte, auf die er jetzt zurückgreifen konnte. So etwa
- Teile der Patriarchen-Tradition,
- oder der Exodus- und der Wüstenzug-Tradition (Ex 14).
e. Der Inhalt des jahwistischen Werkes ⋅2⋅
Im folgenden soll der Inhalt des jahwistischen Werkes in einem Überblick dargestellt werden. Diese Übersicht beruht auf einer Zusammenstellung von Georg Fohrer.
Selbstverständlich ist eine solche Zusammenstellung mit Vorsicht zu genießen. Ein späteres Anwachsen der Schicht durch Ergänzungen wird hier kaum deutlich. Auch sind eine Fülle von Zuordnungen recht umstritten. Ein wichtiges Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Mahlszene in Ex 24, die für Lothar Ruppert dezidiert elohistisch ist. Von ihm her sind einige Anmerkungen daher in {} beigefügt.
Eine erste Orientierung kann eine solche Übersicht allerdings doch sein, und daher soll sie hier nicht fehlen.
Die in Klammer gesetzten Buchstaben hinter den Stellenangaben weisen darauf hin, dass in die genannten Perikopen noch andere Quellenstränge hineinverwoben sind.
Um der nicht wenig verbreiteten Auffassung Rechnung zu tragen, dass der Jahwist selbst auf zwei Quellenschriften zu verteilen sei, wurde der Teilungsversuch Georg Fohrers mit eingearbeitet. Kursiv
wiedergegebene Textstellen werden von Georg Fohrer der "Nomadenquelle" (N) zugewiesen.
Diese Scheidung ist weitgehend identisch mit den Versuchen einer Unterscheidung in J und J1 oder der Scheidung in J und eine "Laienquelle" (L).
Wo Fohrer davon ausgeht, dass eine J-Perikope auch noch Teile von N enthält, ist wie auch sonst mit dem betreffenden Buchstaben hinter der Stellenangabe daraufhingewiesen. Gegebenenfalls wurde die Verknüpfung noch einmal genauer spezifiziert.
(1) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Genesis
(2) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Exodus
(3) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Numeri
(4) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Deuteronomium
(5) Vermutete jahwistische Anteile am Buch Josua
(6) Vermutete jahwistische Anteile am Buch der Richter
2. Die Heimat des jahwistischen Werkes
Um die theologische Botschaft des J zu verstehen, ist es unerlässlich zu fragen, wann, wo und unter welchen geographischen und soziologischen Gegebenheiten J die Überlieferung, die er vorfand, erstmals schriftlich fixierte.
Die Frage nach der Heimat des J lässt sich dabei am einfachsten beantworten.
J berichtet vornehmlich von Heiligtümern und Plätzen im Süden Palästinas:
sind die markantesten Punkte, die J nennt.
- Dem südpalästinischen Stamm Juda (z. B. in der Josefsnovelle, Gen 38)
- und ebenso Ismael (Gen 16) dem späteren Beduinenstamm im Negeb
gilt sein besonderes Interesse.
Es ist also recht einleuchtend, den Verfasser des jahwistischen Werkes im Südreich zu suchen.
3. Die Entstehungszeit des jahwistischen Werkes
Schwieriger ist es J zeitlich anzusetzen. Einige Indizien lassen eine Eingrenzung allerdings zu.
a. Der "terminus post quem"
Der Zeitpunkt, nachdem das Werk verfasst wurde, lässt sich durch folgende Hinweise etwas eingrenzen:
- In Num 24,17-25 hat der Jahwist den Bileam-Spruch aufgenommen:
"Ich sehe ihn, doch nicht jetzt, ich schau' ihn, doch nicht nahe. Ein Stern geht auf aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel. Das zerschmettert Moabs Schläfen, allen Söhnen Sets den Scheitel. Edom wird unterworfenes Land, unterworfenes Land wird Seïr. Israel entfaltet seine Macht..." (Num 24,17-18)
Der Spruch geht in diesem Stil weiter. Der Verfasser hat anscheinend die Erfüllung dieser Verheißung vor Augen. Die Unterwerfung der Moabiter und Edomiter (östl. und südöstl. des Toten Meeres) durch König David ist hier bereits als geschehen vorausgesetzt. - Und wenn man Ri 1 als den ursprünglichen Schluss des jahwistischen Werkes akzeptiert, dann findet sich dort ein ähnlicher Hinweis. Im sogenannten "Negativen Landnahmebericht" wird geschildert, wie die einzelnen israelitischen Stämme das Land unterwarfen, seine Bewohner aber nicht vertrieben. In Ri 1,28. 30. 33 und 35 wird dies mit gleichsam stereotyp wiederholten Formulierungen wiedergegeben. Das verweist in die Davidszeit, denn erst David hat die wirkliche Vorherrschaft über die genannten Völker errungen. So können wir in Ri 1 einen Bezug zu David oder dann auch zur Umorganisation des Reiches unter Salomo (1 Kön 9,15-23; 4,7-19) ausmachen.
- Auch der Juda-Spruch aus dem Jakobssegen in Gen 49 wird gerne zur Datierung herangezogen. Hier wird in Gen 49,10 angekündigt,
"Nie weicht von Juda das Zepter, der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der kommt, dem er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt." (Gen 49,10)
Es wird also auf einen Herrscher Bezug genommen, der aus Juda hervorgehen und die Oberherrschaft über die anderen Völker erlangen wird. Damit ist sicher David gemeint. Der Verfasser, der diesen Spruch hier aufgenommen hat, hat in diesem Zusammenhang sicher an David gedacht.
Doch kann dieser Spruch - nach Lothar Ruppert nur bedingt zur Datierung des jahwistischen Werkes herangezogen werden. Nach Rupperts Meinung stammt er zwar aus Davidischer Zeit, wurde dann aber erst vom Redaktor JE in den Textzusammenhang aufgenommen. - Bezeichnend dürfte natürlich auch sein, dass J gerade über die Völker berichtet, die von David gemäß 2 Sam 8 unterworfen wurden, nämlich von
- den Moabitern und Ammonitern (Gen 19,30-38)
- den Edomitern (Gen 25,21-26a; 36,20-39)
- und den Amalekitern (Num 14,40-45)
So können wir folgern, dass das jahwistische Werk kaum vor der Thronbesteigung Davids entstanden sein kann.
b. Der "terminus ante quem"
Für den Zeitpunkt vor dem das Werk fertiggestellt sein musste, dürften folgende Beobachtungen wichtig sein:
- Kein Judäer würde nach der Reichsteilung noch unbefangen die Überlieferung der Kultstätte Bet-El verarbeiten. Der erste König des Nordens, Jerobeam I., hat schließlich aus dessen alten Kultort (Gen 12,8; 13,3-4) eine Art Gegenheiligtum zu Jerusalem gemacht (1 Kön 12,26-30).
- Für einen Judäer wäre es nach der Reichsteilung ebenfalls nur im Hohn möglich gewesen, wie der Jahwist über ein "schönes, weites Land" (Ex 3,8) zu erzählen, denn der kleine Reststaat Juda war zu jener Zeit verarmt.
- Das jahwistische Werk ist aber von seiner Anlage her und seiner starken Betonung der Landgabe ganz auf das Großreich Davids und Salomos hin entworfen. Der Jahwist würde kaum so optimistisch von der Gabe des Landes sprechen, wenn er das Auseinanderbrechen des Staates schon vor Augen hätte. So dürfte das jahwistische Werk also kaum nach der Reichsteilung um 926 v. Chr. verfasst worden sein.
Der Jahwist ist also als ein Zeitgenosse Davids oder besser Salomos zu betrachten. ⋅5⋅
Anmerkungen
(Vgl.: Georg Fohrer, Einleitung in das Alte Testament 12. Auflage 1979) 218.)
Kaiser begründet dies mit dem Motiv des Murrens des Volkes gegen Jahwe und Mose, in dem zu erkennen glaubt, dass J damit gegen das Murren des Volkes gegenüber der Errichtung des davidischen Großreiches Stellung bezieht. Die Polemik gegen das Haus David v. a. im Nordreich solle damit bekämpft werden.
Lothar Ruppert hält dies für überinterpretiert. J warne mit diesem Motiv eher vor einer Selbstüberhebung Israels in der Großreichsituation.