Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Der rote Faden durch das Deuteronomistische Geschichts­werk ⋅1⋅

Kommen wir damit zur Frage, was die Autoren mit diesem Aufriss wollten. Was ist ihre theologische Intention? Warum schreiben sie dieses gewaltige Geschichtswerk?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst einmal nach den großen Linien in diesem Geschichtswerk fragen. Wo findet sich der rote Faden, der das Deuteronomistische Geschichtswerk durchzieht?

Vor allem Hans Walter Wolff hat darauf hingewiesen, dass das Deuteronomistische Geschichtswerk die Geschichte Israels bis zum Untergang Jerusalems in verschiedene Phasen einteilt.

1. Die erste Phase: absolute Loyalität gegenüber Jahwe

Diese Geschichte beginnt nach dem Tod des Mose zunächst mit einer Phase absoluter Loyalität gegenüber Jahwe.

2. Die zweite Phase: sich wiederholender Abfall von und Rückkehr zu Jahwe

In der Richterzeit beginnt dann jedoch alsbald eine Phase des sich mehrfach wiederholenden Abfalls von Gott. Das Volk fällt immer wieder von seinem Gott ab.

Interessanterweise wird dieser Vorgang immer wieder zyklisch dargestellt:

  • Israel fällt zu anderen Göttern ab,
  • daraufhin gibt Jahwe das Volk an die Feinde preis. Es kommt zum Krieg und zur Niederlage Israels.
  • Daraufhin schreit das Volk zu seinem Gott
  • und der erweckt ihm Richter, charismatische Führerpersönlichkeiten, die das Volk wieder zu Gott und damit auch zum Sieg führen.
  • Und danach fällt das Volk erneut von Jahwe ab.

Gerade in dieser Phase des immer wieder eintretenden Abfalls und der wiederholten Rückkehr zu Jahwe erscheinen die Fremdvölker geradezu als Prüfstein Israels. Das Ganze wird so geschildert, als ob Jahwe die Fremdvölker ganz bewusst in Kanaan belassen hätte, um dadurch Israels Gehorsam immer wieder zu prüfen.

3. Die dritte Phase: endgültiger Abfall von Jahwe

Darauf folgt nun die Königszeit. Sie ist geprägt vom gleichsam endgültigen Abfall von Jahwe. Dies wird ganz besonders in der Abschiedsrede Samuels deutlich gemacht (1 Sam 12). Samuel stellt hier den Unterschied zur Richterzeit heraus:

Die Richter waren Retter, die Jahwe Israel auf dessen Gebet hin sandte. Es waren Jahwes Retter für sein zu ihm flehendes Volk. Der König ist eine Institution, die Israel sich gegen den Willen Gottes ertrotzt hat.

Israel wollte sein, wie die Völker, die es umgeben. Es wollte auch einen König haben. Damit bestritt es die Königsherrschaft Jahwes. In der Richterzeit nämlich war nach der Darstellung des Deuteronomistischen Geschichtswerkes Jahwe der eigentliche König seines Volkes.

Trotz dieser Ablehnung der Königsherrschaft Jahwes durch das Volk verlässt Gott sein Volk nicht. Er gibt ihm sogar einen von ihm erwählten König (1 Sam 12,13b).

"Jahwe selbst hat einen König über euch eingesetzt. Wenn ihr nun Jahwe fürchtet, ihm dient, auf seine Stimme hört und euch nicht auflehnt gegen den Befehl Jahwes, wenn sowohl ihr wie auch der König, der über euch herrscht, Jahwe, eurem Gott folgt, (so wird Jahwe mit euch sein.)" (1 Sam 12,13b-14.)

Israel bleibt also immer noch der Weg, zusammen mit seinem König Jahwe treu zu gehorchen und auf seine Stimme zu hören.

Auf diese Rede Samuels hin erkennt Israel, dass sein Verlangen nach einem König einer Rebellion gegenüber Jahwe gleichkam. Es bittet Samuel daher um Fürsprache (1 Sam 12,19-22) und Samuels Fürsprache wird von Gott angenommen. Gott hilft seinem Volk erneut.

Dies gipfelt dann im Aufstieg Davids und vor allem in der Verheißung durch den Propheten Natan (2 Sam 7,5-17):

"Dein Thron soll für immer fest gegründet sein." (2 Sam 7,16.)

Aber selbst die rechtmäßigen Nachfolger Davids, also die Könige der "ewigen Dynastie", fallen von Jahwe ab und mit ihnen Israel. ⋅2⋅

Dieser Abfall begann bereits mit Salomo, der für seine ausländischen Frauen Heiligtümer ihrer fremden Kulte bauen ließ.

Dann fiel das Nordreich ab. Es institutionalisierte ein eigenes Königtum. In den Augen des Deuteronomisten wiegt dabei am schwersten, dass in Bet-El ein eigener Jahwe-Bilderkult eingerichtet wurde. Am Nordreich und seinem Königtum vollzieht Jahwe dementsprechend bereits 722 v. Chr. sein Gericht

Aber nicht nur es ist vom rechten Pfad abgewichen, auch das Haus Juda und die davidische Dynastie sind von Gott abgefallen und dem Untergang geweiht. Seinen Höhepunkt erreicht dies in der Herrschaft des Königs Manasse. Über ihn heißt es:

"Manasse verführte sie [das Volk Israel] dazu, noch Schlimmeres zu tun als die Völker, die Jahwe vor den Israeliten ausgerottet hatte." (2 Kön 21,9.)

Daher steht am Ende der dritten nachmosaischen Geschichtsepoche des Deuteronomistischen Geschichtswerkes konsequenterweise der Verlust des Königtums, des verheißenen Landes und des erwählten Ortes Jerusalem mit seinem Tempel.

Die Geschichte Israels scheint damit an ein Ende gekommen zu sein.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Nach: Hans Walter Wolff, Das Kerygma des deuteronomistischen Geschichtswerkes, in: Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft [=ZAW] (73/1961) 171-186. Zur Anmerkung Button

2 Dabei heißt für das Deuteronomistische Geschichtswerk Abfall von Jahwe: Verstoß gegen die zentralen Forderungen der absoluten Bildlosigkeit und der zentralen kultischen Verheerung Jahwes im Tempel von Jerusalem.
Beide Elemente, das Ablehnen jeglichen Götzenbildes und die Kultzentralisation in Jerusalem garantieren nach dem Deuteronomium die Einheit und die Reinheit des Jahwekultes.
Dass Israel genau davon abweicht wird z. B. im Richterbuch (bes. Ri 2,11-3,6) und im 2. Königsbuch (2 Kön 17,7-23) überdeutlich betont. Zur Anmerkung Button