Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Micha ⋅1⋅
- 1. Zur Person des Micha
- 2. Zum geschichtlichen Hintergrund
- 3. Überblick
- 4. Zur Redaktionsgeschichte des Micha-Buches
- 5. Zur Theologie Michas
- a. Sozialkritik
- b. Jahwes Forderung
- c. Strafandrohung
- d. Heilshoffnung
- e. Auseinandersetzung mit falschen Propheten
- 6. Zur Wirkungsgeschichte
Damit kommen wir zum Propheten Micha. Micha ist der Verfasser des gleichnamigen Buches. Er darf dabei nicht mit dem Propheten Micha Ben Jimla verwechselt werden, der in 1 Kön 22 erwähnt wird.
Beide Michas sind nicht miteinander identisch.
1. Zur Person des Micha
Unser Prophet Micha war wie Jesaja ein Judäer und tritt wohl auch in der Hauptstadt Jerusalem auf (Mi 3,9ff). Er stammt aber vom Land, aus Moreschet-Gat, westlich von Hebron (Mi 1,1. 14; Jer 26,17-18). Aus dem Leben Michas ist ansonsten kaum etwas bekannt. Ganz selten spricht er über sich selbst (Mi 1,8; vgl. Mi 7,1. 7).
2. Zum geschichtlichen Hintergrund
Dafür wissen wir über die Zeit, in der er auftritt einiges.
Zum einen erwähnt Micha den bevorstehenden Untergang des Nordreiches. Er tut dies in einem scharfen Wort gegen Samaria (Mi 1,2-7):
"Ich mache aus Samaria einen Trümmerhaufen im freien Feld und Pflanzstätten für Weinberge ..." (Mi 1,6.)
Hier ist Samaria also noch nicht zerstört.
Das heißt, dass zumindest dieser Teil seines Auftretens vor 721 v. Chr. anzusiedeln ist.
Der Untergang des Nordreiches bedeutete dann einen tiefen Einschnitt, der sich bis in den Wandel seiner Sprache nachvoLlziehen lässt. Nun geht der Würdename "Israel" in der Botschaft des Micha vom Nordreich (so Mi 1,5) auf das Südreich über (Mi 3,1. 9 u. a.).
Möglicherweise spiegelt sich auch der Feldzug Sanheribs aus dem Jahre 701 v. Chr. in seiner Botschaft wider. Mi 1,8-16 könnte ihn zum Hintergrund haben.
Damit wäre das Auftreten Michas also noch in der Endphase des Hosea und etwa zeitgleich mit Jesaja anzusetzen, also sicher vor 721 v. Chr. bis etwa 700 v. Chr. Er war also zugleich Zeitgenosse Hoseas und Jesajas.
Seiner bäuerlichen Herkunft nach steht er Amos sehr nahe. Wie dieser besitzt er eine Abneigung gegen die großen Städte, spricht eine konkrete und manchmal grobe Sprache und liebt überraschende Bilder und Wortspiele.
3. Überblick ⋅2⋅
Auch im Micha-Buch wird ein charakteristischer Aufbau nach dem Schema von Heil und Unheil sichtbar:
Für die Gliederung des Buches ergibt sich im einzelnen:
Theophanie
Gegen Einwand der Hörer (Mi 2,6-7) neue Anklagen (Mi 8ff)
Zusage von Gottes Gnade für Jerusalem, dessen Mauern noch zerstört sind (im Heilsorakel Mi 7,11-12)
4. Zur Redaktionsgeschichte des Micha-Buches
In den Kreisen, in denen man das Andenken des Propheten Micha bewahrte, hat das Buch eine Fülle von Bearbeitungen erfahren. Der Umfang dieser Bearbeitungen lässt sich allerdings nur noch schwer bestimmen.
Übereinstimmung herrscht darüber, dass die Prophetische Liturgie in Mi 7,8-20 deutlich in die Zeit der Rückkehr aus dem Exil anzusetzen ist.
Ebenfalls in diese Zeit würden am besten der Spruch Mi 2,12-13, der wie ein Fremdkörper zwischen den Drohungen steht, und die Ankündigungen von Mi 4,6-7 und 5,6-7 passen.
Ferner findet sich Mi 4,1-5 fast wörtlich in Jes 2,2-5 wieder, ein Abschnitt, der weder im einen noch im anderen Textzusammenhang ursprünglich zu sein scheint.
Umstritten sind wie auch vor allem bei Amos und Jesaja die Textpassagen, die von einer Heilsverheißung sprechen. Während Werner H. Schmidt die Mehrzahl der Verheißungen als spätere Zusätze betrachtet, geht Alfons Deissler davon aus, dass der größte Teil von ihnen authentisch ist.
In ihrer heutigen Form entstand die Spruchsammlung der Kapitel 4-5 zwar auch nach Deisslers Ansicht während oder nach dem Exil. Sie enthält seiner Meinung nach aber ursprüngliche Stücke.
Einig sind sich Deissler und Schmidt dann darin, dass die Messiasverheißung von Mi 5,1-5 zur Botschaft des Micha gehört. Sie stimmt mit den Hoffnungen überein, die Jesaja zur gleichen Zeit weckte (Jes 9,1-2; 11,1-2).
5. Zur Theologie Michas
Betrachten wir nun die theologischen Grundlinien des Micha-Buches.
a. Sozialkritik
Mit Jesaja, aber auch mit Amos stimmt Micha überein, wenn es um die Sozialkritik geht. Er nennt als Schuld des Volkes zwar auch religiöse Vergehen, aber die Kritik an Fremdgöttern und deren Bilderkult wie sie bei Hosea im Vordergrund steht, tritt bei Micha ganz zurück.
Vor allem um sittliche Vergehen geht es ihm.
Micha geißelt
- die raffigierigen Reichen,
- die unbarmherzigen Gläubiger,
- die betrügerischen Kaufleute,
- die gespaltenen Familien,
- die begehrlichen Priester und Propheten,
- die tyrannischen Fürsten
- und die bestechlichen Richter.
b. Jahwes Forderung
Sie tun das Gegenteil von dem, was Jahwe fordert. Denn das, was Jahwe will, ist bekannt. So sagt Micha:
""Womit soll ich vor Jahwe hintreten, mich beugen vor dem Gott der Höhe? Soll ich mit Brandopfern vor ihn treten, mit einjährigen Kälbern? Hat er Gefallen an Tausenden Widdern, an Zehntausenden Strömen von Öl? Soll meinen Erstgeborenen ich opfern als Sühne meiner Schuld, die Frucht des Leibes für meine Sünden?" "Was gut ist, ward dir gesagt, o Mensch, und was Jahwe von dir fordert: nichts als Recht tun und die Güte lieben und in Dienmut wandern mit deinem Gott."" (Mi 6,8.)
Mit dieser wunderbaren Formulierung, die durchaus auch an Hosea erinnert, fasst Micha die Forderungen aller dieser frühen Schrift-Propheten zusammen.
Man könnte durchaus versucht sein hier die zentralen Aussagen der drei Vorgänger des Micha wiederzuentdecken:
- Recht üben bei Amos,
- die Güte zu lieben bei Hosea
- und vor Gott ohne Hochmut zu wandeln bei Jesaja
c. Strafandrohung
Weil Israel aber diese Forderungen Jahwes immer wieder übertritt, deshalb ist die Strafe beschlossen:
In einer Umstürzung der Welt (Mi 1,3-4) wird Jahwe kommen, um sein Volk zu richten und zu bestrafen.
Auf dem Hintergrund dieser Überzeugung wird von Micha zunächst der Untergang von Samaria angekündigt (Mi 1,6-7); dann aber auch die Zerstörung der Städte der Schefela, also der Niederung zwischen judäischem Gebirge und Küstenebene - genau die Gegend, in der Micha lebte (Mi 1,8-15). Ja, selbst die Zerstörung Jerusalems ist die unausweichliche Folge des Tuns Israels. Jerusalem wird ein Trümmerhaufen werden (Mi 3,12).
d. Heilshoffnung
Dennoch bewahrt der Prophet eine Hoffnung (Mi 7,7). Sie spricht sich in den Kapiteln 4-5 aus.
In ihnen entwickelt er die von Amos entworfene messianische Lehre vom Rest, der die Katastrophe übersteht, weiter (Mi 4,7; 5,2).
Auch kündigt er die Geburt eines Friedenskönigs an (Mi 5,1-5). ⋅3⋅ Es handelt sich hier um die berühmte Stelle:
"Du aber, Betlehem Efrata, zwar das kleinste unter Judas Geschlechtern, doch aus dir wird mir hervorgehen, der über Israel herrschen soll." (Mi 5,1.)
Hier greift Micha, wie Jes 11,1, auf den Ursprung der David-Dynastie zurück. Er erhofft - wie auch Jesaja - keine Kontinuität. Er hofft auf einen Neuanfang, einen neuen Herrscher aus dem Geburtsort Davids (1 Sam 17,12; Rut 1,2).
e. Auseinandersetzung mit falschen Propheten
Ein Thema das Jes 28,7 lediglich angedeutet, für Jeremia dann aber bestimmend werden wird, greift Micha erstmals ausführlicher auf; und er gibt uns damit gleichzeitig einen Einblick in die Bedeutung der Propheten im Israel der damaligen Zeit.
Es ist die Auseinandersetzung mit falschen Propheten.
"Also spricht Jahwe über die Propheten, die mein Volk verführen, die, wenn sie etwas zu beißen haben, "Heil" rufen, aber dem, der ihnen nichts ins Maul stopft, den Krieg erklären. Darum wird Nacht für euch sein ohne Gesicht, und Finsternis ohne Orakel. Die Sonne wird untergehen über den Propheten und der Tag ihnen zur Finsternis sein." (Mi 3,5-6.)
Micha wirft also prophetischen Gegnern vor, dass sie ihre Antwort, sowohl Heil als auch Unheil, von der Bezahlung abhängig machen. Wer ihnen viel gibt, bekommt einen für sie günstigeren Prophetenspruch.
Dies macht deutlich, welch eine große gesellschaftliche Rolle über das Schriftprophetentum hinaus die Prophetie in Israel zur damaligen Zeit gespielt haben muss.
Es macht aber auch deutlich, dass selbst hier dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet waren. Dem Heils-Propheten schenkt man natürlich bereitwilliger etwas, aus lauter Dankbarkeit für die positive Botschaft. Nicht wenige scheinen dies als Erwerbsquelle genutzt zu haben.
6. Zur Wirkungsgeschichte
Noch ein Wort zur Wirkungsgeschichte des Micha.
Der Einfluss Michas war nachhaltig. Die Zeitgenossen Jeremias kennen und zitieren einen Spruch gegen Jerusalem (Jer 26,18). Das neue Testament hat dann vor allem den Text über die Herkunft des Messias aus Betlehem-Efrata aufgenommen. Bei Matthäus und Johannes kommt diesem Text ganz besonderes Gewicht zu (Mt 2,6; Joh 7,42).
Anmerkungen