Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Die Person des Esra ⋅1⋅

Die Person des Esra ist für den Verfasser des chronistischen Geschichtswerkes aber offenbar die wichtigere und die bedeutendere. Wer also war nun dieser Esra, der in der Darstellung der beiden Bücher heute im Vordergrund steht?

1. Was wird über Esra gesagt?

Esra ist Priester und steht - wie auch Nehemia - zunächst im persischen Dienst. Er trägt den eigenartigen Titel "Schreiber des Gesetzes des Himmelsgottes" (Esra 7,12).

Esra wird nun mit einer Gruppe Israeliten, die aus dem Exil zurückkehren (nach Esra 7,7-8 im Jahre 458 v. Chr.), als Sonderbeauftragter für Religionsangelegenheiten nach Juda entsandt.

In Neh 8 tritt er nun auf und verliest ein anscheinend aus Babel mitgebrachtes Gesetz (Esra 7,14. 25), das als "Buch des Gesetzes Mose" bezeichnet wird.

2. Was für ein Gesetzbuch hat Esra verlesen?

Dabei ist es eine viel diskutierte Frage, was das wohl für ein Gesetzbuch gewesen ist, das Esra hier nach Neh 8 dem Volk vorgelesen hat.

  • Einige denken hier an die Gesetzesvorschriften des Deuteronomiums.
  • Da Esra dieses Werk anscheinend aber aus Babel mitgebracht hat, vermuten andere, dass hier die Priesterschrift oder gewisse Gesetzessammlungen aus der Priesterschrift gemeint sind. So wird etwa häufig das Heiligkeitsgesetz genannt. Esra wäre dann derjenige, der die oder Teile der im Exil entstandenen priesterschriftlichen Texte nach Palästina gebracht hat.
  • Eine andere Vermutung ist, dass Esra das Volk hier auf den Pentateuch als Ganzes verpflichtet. Er wäre dann derjenige, der die Endredaktion des Pentateuchs zu verantworten hätte.

Endgültig werden diese Fragen wohl nicht mehr zu klären sein.

Dies um so mehr, als man sich darüber hinaus nicht sicher ist, ob man den Bericht von Neh 8 überhaupt als historischen Bericht verstehen darf - hier gehen die Ansichten durchaus auseinander.

Der anscheinend amtliche Titel des Esra, nämlich "Schreiber des Gesetzes des Himmelsgottes", ⋅2⋅ scheint jedoch zumindest darauf hinzudeuten, dass Esra irgendeine entscheidende Bedeutung für die - nun staatlich anerkannte - Geltung des Gesetzes in Israel hatte.

Manche gehen daher so weit, in Esra, der hier das nachexilische Gesetz verkündet und ihm wohl auch Geltung verschafft, den eigentlichen "Begründer des Judentums" zu sehen.

3. Die Bedeutung des Esra im chronistischen Geschichtswerk

Damit ist aber eigentlich auch schon klar, warum der Verfasser des chronistischen Geschichtswerkes diesem Esra so viel Bedeutung zumisst. Er ist für ihn derjenige, der das Volk nach dem Exil wieder neu auf das mosaische Gesetz verpflichtet hat.

Esra überbietet für den Chronisten dadurch das Werk des Nehemia bei weitem, obwohl - historisch betrachtet - Nehemia wohl der bedeutendere von beiden gewesen ist.

Um diese Wertschätzung des Esra deutlich zu machen, unterstreicht der Chronist dies durch den Aufbau seines Werkes.

a. Esra tritt bereits vor Nehemia auf

Zum einen lässt er den Esra bereits ein gutes Jahrzehnt vor Nehemia auftreten. Esra ist also für ihn der erste, der in Judäa das Werk der Neubegründung nach dem Exil in Angriff nimmt.

Dies dürfte historisch nicht zutreffend sein. ⋅3⋅ Vermutlich trat Esra erst nach Nehemia auf.

Aber durch diese Absicht des Chronisten erscheint der Esra-Bericht heute wie ein Rahmen um die Nehemia-Erzählung.

b. Der Esra-Bericht wurde nach der Nehemia-Quelle gestaltet

Auch scheint der Chronist seinen Esra-Bericht nach der Nehemia-Quelle gestaltet zu haben. Es gibt nämlich auch in der Esra-Erzählung "Ich"-Berichte, also Passagen, die in der ersten Person erzählen.

Manche waren daher schon versucht, analog zur Nehemia-Quelle auch eine Esra-Quelle oder Esra-Denkschrift annehmen zu müssen. ⋅4⋅ Doch wechseln in diesen Passagen die Erzählungen in der ersten Person mit Erzählungen in der dritten Person. Solch ein Wechsel von "Ich"-Stil (Esra 7,27-9,15) und "Er"-Stil (Esra 7; Esra 10; Neh 8) müsste demnach erklärt werden, wenn eine wirkliche Esra-Quelle vorgelegen hätte.

Auch zeichnen sich die Passagen, die man einer solchen Esra-Quelle zurechnen wollte, nicht in gleicher Weise durch stilistische Besonderheiten aus. Daher geht man heute viel eher davon aus, dass in diesem Esra-Bericht eine fiktive Erzählung vorliegt. Der Chronist scheint den Esra-Bericht eben in Anlehnung an die Nehemia-Quelle selbst entworfen zu haben. ⋅5⋅

Das heißt allerdings nicht, dass der Esra-Bericht frei erfunden wäre.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 161-171. Zur Anmerkung Button

2 Der Chronist scheint diesen Titel im Sinne eines "Schriftgelehrten" (Esra 7,16. 10-11) zu verstehen. Zur Anmerkung Button

3 Es ist heftig umstritten, ob der Chronist mit Recht Esra ein gutes Jahrzehnt vor Nehemia auftreten lässt, Esra nicht vielmehr Nehemia gefolgt ist. Warum erwähnt er in seiner Denkschrift Esra nicht? Und wird Nehemias Warnung vor künftigen Mischehen (Neh 13,23ff) noch verständlich nach Esras rigoroser Separation von den Samaritanern (Esra 10,11-12. 44; vgl. Neh 9,12; 13,3)? Zur Anmerkung Button

4 Diese hätte dann Esra 7-19; Neh 8(-10) umfasst. Zur Anmerkung Button

5 "Diese Abhängigkeit spricht ... für Abfassung durch Chr, der die Nehemiamemoiren gekannt und verarbeitet hat. Im übrigen steht in Esr 7-10 nichts, was nicht Chr selbst aus den benutzen Quellen (Esr 7,12-26; 8,1-14 und Nehemiamemoiren) hätte ableiten oder aus Eigenen hinzutun können. Der Aufriß des Ganzen, die Reise Esras von Babylon nach Jerusalem und sein dortiges Auftreten zur Durchführung des Gottesgesetzes, ergab sich aus Esr 7,12-26. Das Vorhandensein von Mischehen war als ein schon länger bestehender Mißstand aus Neh 13,23-25 zu entnehmen und mußte in den Augen von Chr einen so gröblichen Verstoß gegen das Gottesgesetz darstellen, daß der für dieses Gesetz verantwortliche Esra ihn nicht wohl übersehen haben konnte; so ergab sich für Chr leicht das Auftreten gegen die Mischehen als erste Tat Esras in Jerusalem."
(M. Noth, USt 147; zitiert nach: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 165; vgl. Kellermann; Wilhelm Th. In der Smitten). Zur Anmerkung Button