Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Liedgattungen der Bibel - Die Psalmengattungen

Nun gibt es in der biblischen Literatur aber genaugenommen nur zwei Weisen des Sprechens mit Gott: Das Loben und das Flehen des Volkes Israel.

Aus diesen beiden Arten des Sprechens mit Gott, des Betens, haben sich die Psalmen-Gattungen in Israel entwickelt, davon sind sie geprägt.

1. Die Hymnen

Aus dem Lob Gottes entwickelt sich nun der Hymnus. Die Hymnen sind das Loblied Israels für Jahwe.

a. Das hebräische Wort für Hymnus

Wichtig ist, dass das hebräische Wort für Hymnus, nämlich תְּהִלִּים ["tehillim"], dann später zur Bezeichnung für den ganzen Psalter geworden ist. Und das, obwohl die Hymnen nicht einmal die Mehrzahl der darin vorkommenden Lieder ausmachen. Aber der Hebräer hat auch die Klagelieder, die Bitte und den verzweifelten Schrei nach Jahwes Hilfe unter die תְּהִלִּים ["tehillim"], die Loblieder, eingeordnet. Alles gehört für ihn zum Lob Gottes.

b. Lob und Dank

Um die Sprache dieser Hymnen zu verstehen, muss man wissen, dass der Hebräer in seinem Denken nicht zwischen Loben und Danken unterscheidet.

(1) Das Verb הוֺדָה ["hodah"]

Es gibt so etwa in der hebräischen Sprache für "loben" und "danken" auch nur ein einziges Wort, nämlich הוֺדָה ["hodah"] (Hiphil von ידה ["jdh"]).

Man lobt und dankt jemandem genau auf die gleiche Art und Weise: Man schildert nämlich ganz einfach, was dieser jemand für einen getan hat.

Im eigentlichen Dankhymnus berichtet der Psalmist dementsprechend, wie Jahwe ihm geholfen hat, er beschreibt die Großtaten Jahwes. Hymnen sind also vor allem beschreibendes Lob, sie berichten vom Walten Gottes.

(2) Das Verb הלל ["hallel"]

Diese Dimension des beschreibenden Lobens und Dankens wird auch im Blick auf ein anderes Hauptverbum für "loben" deutlich. Es handelt sich dabei um das Wort הלל ["hallel"].

הלל ["hallel"] bedeutet für den Hebräer zwar "loben", ursprünglich heißt es aber soviel wie "hellmachen". Loben heißt also die Taten eines anderen hell aufleuchten lassen; aufleuchten lassen, indem man sie beschreibend preist.

Deshalb preisen die heilsgeschichtlichen Psalmen Jahwe als Gott der Geschichte. Seine Großtaten in der Vergangenheit werden herangezogen, um das Lob Jahwes hell aufleuchten zu lassen.

Dazu wird auch das kosmische Walten Jahwes als Illustration für sein Heilswalten angeführt. ⋅1⋅

c. Der Sitz im Leben der Hymnen

Auf den Sitz im Leben dieser Lieder haben wir oben bereits hingewiesen. Die Hymnen sind für den Gottesdienst gedichtet worden. Sie haben vor allem dort ihren "Sitz im Leben".

Dass sie ihn aber nicht nur dort haben, das zeigt etwa eine Stelle im alten Debora-Lied:

"Die ihr reitet auf weißen Eselinnen, die ihr auf Teppichen sitzt und die ihr geht auf dem Wege: Singet zum Gesang der Fröhlichen zwischen den Tränken. Dort preisen sie die Heilstaten Jahwes, die Heilstaten seiner Herrschaft in Israel." (Ri 5,10-11.)

Hier hat sich also eine alte Erinnerung niedergeschlagen, die davon berichtet, wie man Hymnen zwischen den Tränken, also am Ort der täglichen Arbeit und nicht etwa nur beim Gottesdienst im Tempel, gesungen hat.

d. Die Struktur des Hymnus

Solche hymnischen Lieder haben immer die gleiche Struktur:

  • Einführung; der Hymnus beginnt meist mit einer imperativischen Aufforderung zum Gotteslob, z. B. "Lobet den Herrn...", "Preise meine Seele..."
  • Überleitung; oftmals findet sich dann eine Überleitung, die dem Namen Jahwe ein Attribut beifügt, z. B. "Gott der Vergeltung", "Fels"...
  • Hauptstück; Im Hauptteil wird der Lobpreis begründet. Die Vielzahl der Taten Jahwes wird gepriesen. Dieser Abschnitt nimmt den größten Teil der Verse in Anspruch.
  • Schluss; Am Ende folgt dann ein Rückbezug auf die Einleitung oder ein Wunsch bzw. eine Bitte, z. B.: "Mögen Jahwe meine Worte gefallen".

2. Die Klagelieder (Bittpsalmen)

Damit kommen wir zur zweiten großen Gattung des religiösen Liedgutes in Israel: den Klageliedern. Der Begriff "Klagelieder" ist dabei etwas irreführend. Es geht nicht in erster Linie um die Klage; diese Lieder sind ausgesprochene Bitt-Psalmen.

So wie beim Gotteslob das Walten des Herrn beschrieben wird, so wird der Grund für die Bitte im Bittpsalm ausführlich geschildert.

Alles Bitten in der hebräischen Psalmodie hat nämlich seinen Ursprung in konkreten Notsituationen. Diese Situation wird vor Jahwe im Wort, in der Klage, ausgebreitet.

a. Das Klagelieder des Einzelnen - individuelles Klagelied

Die größte Zahl der uns erhaltenen Psalmen sind solche Klagelieder. Und in der Mehrzahl handelt es sich dabei um sogenannte individuelle Klagelieder, also Klagelieder des Einzelnen.

(1) Das Klagelied im Allgemeinen

Diese Klagelieder des einzelnen beginnen meist mit einer Anrufung Jahwes und einer ersten Bitte.

Der Hauptteil enthält dann die Klage.

Die Sprache ist meist sehr bildreich und daher oft wenig exakt in der Beschreibung der Not. So kann man sich selten ein genaues Bild von der Situation des Beters machen.

Dass die Aussagen der Psalmen oft wenig konkret sind, hängt aber nicht nur mit der Bildhaftigkeit zusammen. Ein Großteil dieser Psalmen war als Votivgabe an das Heiligtum gedacht und sollte somit auch ein "Formular" sein. Es sollte Betern, die in ähnlichen Nöten waren, als Gebetsformular dienen können.

(2) Situation des Beters

Notlagen, die dabei in den Klageliedern geschildert werden, sind etwa:

  • allgemeines Unglück,
  • Krankheit,
  • Schuld,
  • Verleumdung,
  • ungerechte Anklage,
  • Lebensbedrohung durch Feinde
  • und ähnliches.

Der Psalmist stellt auf der anderen Seite unter anderem seine

  • Demütigung,
  • Armut,
  • Schwachheit,
  • Gerechtigkeit
  • oder auch Schuldlosigkeit

heraus und bittet darum, dass Jahwe ihn aus dieser Notlage befreien möge.

(3) Soziale Notlage und Religion

Wir können dieser überblickhaften Aufzählung schon entnehmen, dass viele dieser Klagen ihren Anlass in der sozialen Situation dessen haben, der sie vorbringt.

Soziale Ungerechtigkeit aber war schon immer ein Thema in der Religion Israels. Wir haben bereits gesehen, wie Elija, Hosea, Amos, Jesaja und Micha als Anwälte der Bevölkerungsschichten aufgetreten sind, die von der Aristokratie - meist in Bezug auf die "zweite Tafel" des Dekaloges - bedrückt wurden.

Im sozialen Gegensatz in Israel sah man schon früh eine Verletzung der zweiten Tafel des Gottesgebotes. Dementsprechend brandmarkten die Propheten soziale Missstände als Bundesbruch.

Das mag zu Beginn darin begründet gewesen sein, dass der Reichtum einzelner Volksschichen, der ja die Ursache solcher sozialer Spannungen war, häufig auch der Anfang von kultischer und religiöser Gleichgültigkeit war. Soziale Spannungen hingen daher sehr eng mit kultischer und religiöser Missachtung des Bundes mit Jahwe zusammen.

In nachexilischer Zeit aber verstand man den sozialen Gegensatz von sich aus schon ausdrücklich als gleichbedeutend mit religiösem Bruch.

Gerade die bedrückten Schichten der Bevölkerung sahen in Jahwe daher ihren Anwalt. Er war ihre einzige Hoffnung. Sie erwarteten von ihm, dass er gegen die bundesbrüchigen Volksteile vorgehen werde.

Jahwe war so im Verständnis Israels "Rechtshelfer" und "Beistand" der Armen und Unterdrückten. Von daher wurde der Tempel, der ja vornehmster Versammlungsort und bevorzugter Gnadenort der Gottesbegegnung war, schon sehr früh zugleich Zufluchtsstätte aller Verfolgten und Bedrängten.

Klagelieder haben daher verständlicherweise einen bedeutenden Platz in der Frömmigkeit Israels.

(4) Elemente des Klageliedes

Alle diese Bitt-Psalmen weisen nun die gleichen Strukturelemente auf:

  • Der Klage
  • folgt die Vertrauensbezeugung gegenüber Jahwe.
  • Daraufhin spricht man seine Bitte aus,
  • gefolgt von einem Dankversprechen.

In einzelnen Psalmen können einzelne dieser Elemente einen ganz besonderen Akzent bekommen.

Es gibt zum Beispiel Psalmen, in denen das Element der Vertrauensbezeugung ganz besonders ausgeprägt ist. Dieser Teil des Liedes wird dann besonders betont und wortreich ausgeschmückt.

(5) Untergattungen des Klageliedes

So kommt es zur Herausbildung beispielsweise

  • von eigenen "Vertrauenslieder" (Ps 23)
  • oder "individuellen Dankliedern",
  • aber auch zu den sogenannten "Fluchpsalmen".

(6) Die Strafwunschtexte und das Neue Testament

Letztere sind wohl treffender als "Strafwünsche gegen die Feinde" zu bezeichnen. Sie sind aus der obengenannten sozialen Situation in Verbindung mit dem Temperament des Orientalen zu verstehen.

Jahwe, der Garant der Freiheit und des Rechtes wird angerufen, seine Macht im Sinne einer vergeltenden Gerechtigkeit, die ja im AT noch eine wesentliche Rolle spielt, einzusetzen. Auf diese Weise soll Jahwe dem ungerecht Behandelten zu seinem Recht verhelfen.

Diese Haltung der vergeltenden Gerechtigkeit ist vom Neuen Testament her nicht mehr vertretbar. Die Strafwünsche sind zwar vom Alten Testament her verständlich, das heißt aber nicht, dass sie vom Christentum als offizielles Gebet der Kirche übernommen werden sollen und können.

Die Kirchenväter versuchten das Beten dieser Strafwunschtexte allerdings zu rechtfertigen. Man solle nicht den Sünder verfluchen, sondern dabei an die Sünde denken.

Diese Auffassung hielt sich katholischerseits noch bis ins 20. Jahrhundert hinein durch.

Die Liturgiereform ist im Anschluss an das zweite Vatikanische Konzil jedoch einen anderen Weg gegangen. Sie hat diese Strafwunschtexte aus dem offiziellen Stundengebet der Kirche ausgeklammert.

(7) Schwierigkeiten bei der Situationsbestimmung des Psalmenbeters

Im übrigen ist es nicht immer ganz einfach, aus dem Psalm heraus die Situation des Beters tatsächlich zu bestimmen.

Wenn ein Klagelied, wie etwa Ps 22, mit einem ausgeprägten Danklied verbunden ist, dann ist kaum noch sicher zu entscheiden, ob der Klageteil oder der Dankteil nun der bestimmende ist.

Zum einen könnte die Rettung ja bereits schon erfolgt sein. Der Beter würde dann den Klageteil nur noch einmal als Verdeutlichung der Notsituation voranstellen. Und gerade dadurch, dass er die Not in aller Deutlichkeit noch einmal schildert, unterstreicht er ja die Bedeutung seiner Rettung. In diesem Falle hätte das Klagelied lediglich die Funktion eines "berichtendes Lobes".

Die andere Möglichkeit wäre, dass der Beter in und trotz seiner Notsituation sich der Erhörung durch Jahwe so sicher ist, dass er aus seiner Erhörungsgewissheit heraus den Dank im Anschluss an die Klage gleich mitsprechen kann. Dies wäre dann eine besonders ausdrückliche Form des Dankversprechens.

Die dritte Möglichkeit aber wäre, dass solch ein Lied gleichsam als ein Formular für einen Orakelspruch gedacht war. Zwischen Klageteil und Dankteil hätte dann das Orakel des Priesters am Tempel seinen Platz gehabt. Nachdem der Hilfesuchende also mithilfe dieses Formulares seine Klage und seine Bitte, also sein Anliegen, vorgebracht hatte, wurde das priesterliche Heilsorakel gesprochen. Danach wurde dann der Dankteil des Psalmes gebetet. Damit wäre das Heilsorakel als Begründung für den Dankteil des Psalmes mitzudenken. ⋅2⋅

b. Das Klagelied des Volkes - kollektives Klagelied

Dem Klagelied des einzelnen, dem individuellen Klagelied, steht das Klagelied des Volkes gegenüber.

Bei besonderen Notlagen, meist Naturkatastrophen oder Bedrängnis durch äußere Feinde, versammelte sich das Volk am Heiligtum, um etwa nach einem vorher ausgerufenen Fasten durch Opfer und Gebet, Jahwes Hilfe zu erflehen.

Für diese Gelegenheiten wurden sogenannte "kollektive Klagelieder" gedichtet bzw. frühere Stücke, die bei ähnlichem Anlass entstanden sind, als Formular verwendet.

Sie beginnen wie die individuellen Klagelieder mit einer Anrufung Gottes.

Im Hauptteil steht dann die Klage, die sich meist auf Gottes Schweigen bezieht. Dabei wird gerne

  • an frühere Hulderweise erinnert,
  • die gegenwärtige Situation ausgemalt
  • oder sich ganz einfach und allgemein beklagt.
  • Manchmal wird dabei auch die eigene Schuld eingestanden.

Der Psalm schließt dann regelmäßig mit der dringenden Bitte um Abwendung der Not.

In kollektiven Psalmen ist selbstredend der "Wir"-Stil dominant.

Das heißt aber nicht, dass alle Lieder, die im "Ich"-Stil gehalten sind, automatisch individuelle Klagelieder sind und für das gemeinschaftliche Gebet nicht benutzt werden konnten.

Auch Lieder mit einem "Ich" als Sprecher wurden auf das ganze Volk bezogen. Der Einzelne wurde in Israel von jeher sowohl als Individuum aber auch als Repräsentant des ganzen Volkes gesehen.

c. Das Danklied des Volkes

Nach der Befreiung aus der Bedrängnis kam das Volk dann wiederum am Heiligtum zusammen. Dieses Mal um Jahwe zu danken. Kollektive Danklieder, die bei solchen Gelegenheiten gesprochen worden wären, sind uns jedoch kaum erhalten.

Hier hat man, vermutlich ganz im Sinne des "berichtendes Lobes", einfach auf die Hymnen zurückgegriffen. Man wählte eben einen Hymnus aus, der dem Anlass irgendwie gerecht wurde oder dichtete speziell für diese Situation einen neuen Hymnus.

3. Sondergattungen

Im Laufe der Zeit erfuhren die beiden großen Gattungen der Hymnen und Klagelieder und die aus ihnen hervorgegangenen Untergattungen eine gewisse Entfaltung. Sie führte dann zu einer Reihe neuer Sondergattungen.

Diese Entwicklung wurde vor allem durch prophetischen und weisheitlichen Einfluss hervorgerufen.

Zwei Gruppen solcher Sondergattungen lassen sich hier unterscheiden:

a. Die prophetisch-eschatologischen Psalmen

Die erste Gruppe bezeichnet man als "prophetisch-eschatologische Psalmen".

(1) Orakel

Dazu gehören Psalmen, die sich aus einer Art "Orakel" entwickelt oder solche Orakel aufgenommen haben. Psalm 2 ist hier ein wichtiges Beispiel.

Auf die Frage des Beters wird eine prophetische Antwort geben:

"Warum toben die Heiden? Was schmieden die Völker nichtige Pläne?" (Ps 2,1.)

heißt es etwa im Eingang des Psalmes. Die Antwort ergeht dann ab Vers 7:

"Den Beschluss Jahwes will ich künden..." (Ps 2,7⋅3⋅

(2) Jahwe-Königs-Lieder

Viel bedeutsamer sind jedoch die Psalmen, die ein ganzes prophetisches Thema aufgreifen.

Dazu gehören die Lieder vom eschatologischen Königtum Jahwes⋅4⋅ Sie sind vor allem von der Botschaft Deutero-Jesajas beeinflusst (vgl. Jes 52,7) und verkünden die Thronbesteigung Jahwes am Ende der Tage.

(3) Die Königslieder ⋅5⋅

Diese Jahwe-Königs-Lieder sind streng zu unterscheiden von den alten Königsliedern. Letztere gehören Mehrheitlich zur klassischen Gattung der Hymnen und ich möchte sie nur der Abgrenzung wegen an dieser Stelle nennen.

Während die Lieder vom eschatologischen Königtum Jahwes auf die endgültige Herrschaft und das Königtums Jahwes blicken, preisen die Königslieder ganz einfach den Herrscher.

Es gibt verstreut im Psalter - und auch zu ganz unterschiedlichen Gattungen gehörig - eine ganze Reihe von "Königs"liedern.

  • Es gibt Orakel, die an den König gerichtet sind (Ps 2; 110),
  • Gebete für den König (Ps 20; 61; 72),
  • ein Danklied für den König (Ps 21),
  • Gebete des Königs (Ps 18; 28; 63; 101),
  • ein Königslied als Wallfahrtslied (Ps 132),
  • einen Königshymnus (Ps 144),
  • ja selbst ein Lied zur Hochzeit des Herrschers (Ps 45).

Es handelt sich hier, der Gattung nach, um alte Lieder, die ursprünglich aus der Königszeit, also aus vorexilischer Zeit, stammen und in denen sich höfische Sprache und höfisches Zeremoniell spiegeln. Sie hatten dabei ganz einfach einen König aus ihrer Zeit im Auge.

(4) Zionslieder

Die Zionslieder (Ps 46; 48; 76) gehören dann wieder in die Reihe der prophetisch-eschatologischen Psalmen.

Sie preisen den endzeitlichen Glanz des Zion und zeigen auf Grund ihrer Beziehungen zu verwandten Prophetentexten eine starke endzeitliche Ausrichtung.

(5) Messianische Psalmen

Zur Gruppe der prophetischen Psalmen gehören auch die messianischen Psalmen.

Sie sind Königslieder in dem Sinn, dass sie sich auf einen historischen König Israels beziehen, aber insofern über ihn hinausweisen, als dieser König immer ein Typus des zukünftigen Heilskönigs ist.

Die messianischen Lieder haben zwar das Schema der Königslieder übernommen, haben aber eine eigene Prägung erhalten. Sie sind beeinflusst durch die messianischen Texte der Propheten.

b. Die didaktischen Psalmen - Lehrpsalmen und Weisheitslieder

Die zweite Großgruppe dieser Sondergattungen ist die Gattung der didaktischen Psalmen. Hier handelt es sich um Lehrpsalmen und Weisheitslieder, die durch die israelitische Weisheit beeinflusst sind.

(1) Weisheit und Weisheitsschulen

Salomon hatte in Jerusalem ja eine Schreiberschule einrichten lassen. An ihr wurde natürlich nicht nur Schreiben gelehrt, sondern vor allem die Philosophie der damaligen Zeit. Es war eine Schreiber- und Weisheitsschule. Als solche erlangte sie schnell große Berühmtheit.

Diese Weisheitsschulen beschäftigten sich - vor allem dann in der nachexilischen Zeit - immer mehr mit dem Studium der biblischen Schriften. Die Bibel verstand man schließlich als eigentliche Quelle der Weisheit. Die Offenbarung wurde als das Wort des Weisheitslehrers Jahwe verstanden.

Dieser Gedanke zog dann auch in zunehmendem Maße die Priester, Leviten und Tempelsänger in ihren Bann.

Die Weisheitslehrer Israels bedienten sich dementsprechend in späterer Zeit gern der Psalmen, um ihre Lehren in Worte zu kleiden. Man sieht das deutlich an Jesus Sirach und den nachkanonischen spätjüdischen Psalmendichtungen, die dann nicht mehr in den hebräischen Kanon aufgenommen wurden (vgl. die "Psalmen Salomos").

(2) Psalmen aus dem Weisheitsmilieu

Bei genauerer Betrachtung findet man aber auch in der hebräischen Bibel eine ganze Reihe von Psalmen, die aus diesem nachexilischen Weisheitsmilieu stammen:

Gerade die zuletzt genannten alphabetischen Psalmen sind übrigens ein treffliches Beispiel für die israelitische Weisheit.

Solche Psalmen wurden anhand des Alphabetes konstruiert. Dahinter stand der Gedanke, dass das Alphabet die Zusammenfassung alles "Sagbaren" darstellt.

Mittels solcher alphabetischer Hymnen sollte dementsprechend alles sagbare Lob in einem Psalm zusammengefasst und vor Jahwe gebracht werden.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Nur Psalm 8 ist durchweg kosmisch, Ps 104 schwenkt im letzten Vers in die Heilsgeschichte ein. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Georg Fohrer, Einleitung in das Alte Testament (Heidelberg 12. Auflage 1979) 84. Zur Anmerkung Button

3 Vgl. auch Ps 50; 75; 81; 82; 85; 95 und 110. Einige Forscher sehen darin die Weissagung sogenannter "Kultpropheten". Zur Anmerkung Button

4 Vgl. Ps 47; 93; 96-99 und teilweise: 29; 68; 95; 100; 149. Zur Anmerkung Button

5 Vgl.: Alfons Deissler, Anton Vögtle (Hrsg.), Neue Jerusalemer Bibel (Freiburg / Basel / Wien 1985) 764. Zur Anmerkung Button