Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Amos ⋅1⋅
- 1. Zur Person des Amos
- 2. Zum geschichtlichen Hintergrund
- 3. Übersicht
- 4. Zur Literarkritik
- 5. Kernpunkte der Botschaft des Amos
Aber schauen wir uns nun die einzelnen Prophetengestalten und ihre Bücher etwas genauer an. Ich möchte sie dabei in der Reihenfolge anführen, die vermutlich auch der geschichtlichen Abfolge der Prophetengestalten am ehesten entspricht.
Der erste unter diesen Schriftpropheten war Amos.
1. Zur Person des Amos
Er war Hirte in Tekoa an der Grenze der Wüste Juda (Am 1,1). Dabei legt er Wert darauf, dass er keiner Prophetengilde angehörte:
"Ich war weder ein Prophet noch ein Prophetenjünger, sondern ein Hirte und Maulbeerfeigenzüchter." (Am 7,14.)
Von der Herde weg fühlte er sich plötzlich von Jahwe ergriffen und ausgesandt, um in Israel als Prophet aufzutreten (Am 7,14-15). Amos wirkte dabei im Nordreich und zwar hauptsächlich am schismatischen Heiligtum von Bet-El (Am 7,10-11; vgl. Am 3,9; 4,1; 6,1). Nach kurzer Zeit wurde er aber bereits aus Israel ausgewiesen.
Interessanterweise kehrte er daraufhin zu seiner früheren Tätigkeit zurück.
2. Zum geschichtlichen Hintergrund
Amos predigte während der Regierungszeit Jerobeams II., der von etwa 783 bis 743 v. Chr. herrschte. Dies war eine glanzvolle Epoche, in der sich das Nordreich ausdehnen konnte und relativ reich wurde.
Wie immer in solchen Zeiten klaffte die soziale Schere allerdings sehr weit auseinander. Dem Luxus einiger weniger stand das Elend der verarmten Volksschichten gegenüber. Die Gottesdienste wurden zwar immer prachtvoller gestaltet, brachten aber in immer stärkerem Maße die Gefahr einer veräußerlichten Religion mit sich.
Auf diesem Hintergrund sind die Äußerungen des Propheten Amos zu sehen.
3. Übersicht ⋅2⋅
Schauen wir uns daraufhin die Struktur und den Aufbau des Buches ein wenig genauer an:
"Wegen drei Freveln, wegen vier ... nehme ich es [das Unheil/swort] nicht zurück ... Ich sende Feuer ..."
Sozialkritik (Am 2,6-8)
Gottes Tat für Israel (Am 2,9[10-12])
Ankündigung von Erdbeben und Krieg (Am 2,13ff)
Keine Rettung (Am 3,12)
Gegen die vornehmen Frauen (Am 4,1-3; vgl. Jes 3,16ff)
"Ihr aber seid nicht zu mir umgekehrt"
für Recht, mit Strafansage ("Verbannung über Damaskus hinaus")
"So ließ Jahwe mich schauen"
Hunger nach dem Wort Jahwes (Am 8,11-12)
("ich sah den Herrn")
Zerstörung des Altars
"Seid ihr mir nicht wie die Kuschiten?"
4. Zur Literarkritik
Schon aus diesem Überblick ist zu entnehmen, dass uns das Buch Amos in einer gewissen Unordnung überkommen ist.
a. Strukturelle Unordnung
So unterbricht zum Beispiel der Prosabericht in Am 7,10-17 ganz abrupt die Schilderung der vier Visionen. Er würde eigentlich viel besser an das Ende der Visionenschilderung passen.
b. Spätere Hinzufügungen
Auch dürften nicht alle Abschnitte des Buches auf Amos selbst zurückgehen.
Vor allem die Stellen Am 9,8b-10 und Am 9,11-15 sind umstritten.
(1) Gehen Stellen mit Heilsverheißungen tatsächlich auf Amos zurück?
Beide Stellen beinhalten nämlich eine Heilsverheißung an Israel. Eine Reihe von Exegeten ist aber der Meinung, dass Amos ein reiner Unheilsprophet gewesen sei. Sie halten deshalb auch Am 9,8b-10 und Am 9,11-15 für eine spätere Hinzufügung. Die Botschaft des Amos hätte ihrer Meinung nach ursprünglich keinerlei Heilsverheißungen enthalten.
(2) Am 9,11-15 ist nachexilisch
Bei der Stelle Am 9,11-15 ist diese Frage wohl noch am einfachsten zu entscheiden. Hier können wir wohl mit Sicherheit sagen, dass dieser Teil erst nach dem Exil angefügt wurde.
Das was hier
- über die zusammenbrechende Hütte Davids,
- über die Rache gegen Edom
- und über eine Rückkehr und Wiederherstellung Israels
gesagt wird, setzt recht eindeutig die Exilszeit voraus. Hier liegen dementsprechend spätere Hinzufügungen vor.
(3) Am 9,8b-10: Heilsverkündigung durch Amos?
Etwas anders stellt sich die Sache bei Am 9,8b-10 dar. Hier könnte tatsächlich eine echtes Amos-Wort vorliegen. Die Ansicht, dass Amos ein reiner Unheilsprophet gewesen sein muss, ist ja nichts anderes als ein unbegründetes Vorurteil.
Bereits Am 5,15 liegt ja schon so etwas wie eine Heilsandeutung vor. Dort heißt es:
"Hasset das Böse und liebet das Gute und haltet aufrecht im Tore das Recht, vielleicht erbarmt sich Jahwe, der Gott Zebaot, über Josefs Rest." (Am 5,15.)
Und wenn man den etwa zeitgleichen Hosea betrachtet, dann findet man bei ihm ja ebenfalls Heils-Ankündigungen.
So spricht eigentlich nichts dagegen, dass auch Amos durchaus Ansätze von Heilsverkündigung kannte und Am 9,8b-10 daher ohne weiteres auf ihn zurückgehen kann.
Nach Alfons Deissler beispielsweise besteht kein schwerwiegender Grund, die Echtheit von Am 9,8b-10 in Zweifel zu ziehen.
(4) Sicher nachexilische Stellen
Reste des Hadrianstors in Tyrus,
errichtet im 1. nachchristlichen Jahrhundert.
Lizenz: Carole Raddato, Tyre arch 03, CC BY-SA 2.0
Die kurzen Orakel gegen Tyrus und Edom in Am 1,9-12, sowie gegen Juda in Am 2,4-5 scheinen dann wieder sehr wahrscheinlich nachexilisch zu sein.
Auch die Doxologien in Am 4,13; Am 5,8-9 und Am 9,5-6 könnten - beispielsweise für das Vorlesen im Gottesdienst - später hinzugefügt worden sein.
Solche und weitere Spuren weisen insgesamt wohl auf Überarbeitungen einer deuteronomistischen Ausgabe des Buches hin.
5. Kernpunkte der Botschaft des Amos
Was lässt sich nun über die Theologie, also über die Kernpunkte der Botschaft des Propheten Amos sagen?
a. Verurteilung von Fehlverhalten
Mit der einfachen, stolzen Schroffheit und dem Bilderreichtum eines Mannes der Wüste verurteilte Amos im Namen Gottes
- den korrupten Lebenswandel der Städter,
- die sozialen Ungerechtigkeiten,
- sowie das falsche Vertrauen auf Riten, die nicht mit dem Herzen vollzogen wurden (Am 5,21-22).
b. Ankündigung eines Strafgerichtes
Seine Botschaft ist insgesamt also eine regelrechte "Droh-Botschaft". Israel wäre wegen seiner Erwählung zu großer sittlicher Gerechtigkeit verpflichtet gewesen (Am 3,2). Diesem Anspruch genügte es aber ganz gar nicht. Jahwe, der oberste Herr der Welt, der alle Völker straft (Am 1-2), werde deshalb ein hartes Strafgericht über Israel verhängen.
Dieser Tag des Gerichtes heißt bei Amos "Tag Jahwes", ein Ausdruck, der später noch häufiger auftaucht, bei ihm jedoch zum ersten Mal begegnet. Dieser "Tag Jahwes" wird ein Tag der Finsternis und nicht des Lichtes sein (Am 5,18-19).
Die Rache, die Jahwe an seinem Volk üben wird, wird furchtbar und ungeheuerlich sein (Am 6,8-9). Dazu wird Jahwe ein fernes Volk rufen, das das Strafgericht an Israel vollziehen wird (Am 6,14). Hier spielt Amos natürlich auf die Assyrer an - ohne sie allerdings ausdrücklich zu nennen.
Die Bedrohung durch die Assyrer steht also ganz deutlich beherrschend im Blickfeld des Propheten und seiner Verkündigung.
c. Verhaltene Hoffnung auf Heil
Trotz allem scheint Amos aber auch Hoffnung zu kennen. Am Ende seines Buches, aber auch im fünften Kapitel, leuchtet zumindest ein Hoffnungsschimmer auf.
Amos bietet hier einen Ausblick auf Heil für das Haus Jakob (Am 9,8), für den "Rest" Josefs (Am 5,15), also für die Teile des Volkes, die das Strafgericht überleben. Dabei ist wichtig, dass bei ihm zum ersten Mal dieses Sprechen vom "Rest" Israels begegnet. Die Vorstellung von einem heiligen Rest, der das Strafgericht Jahwes überdauert und für den die Bundesverheißung Jahwes weiter gelten wird, begegnet von nun an immer wieder in der prophetischen Literatur.
Anmerkungen