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Weiter-ButtonZurück-Button Das Buch Ijob ⋅1⋅

Die nächste Stufe der Entwicklung im Rahmen der israelitischen Weisheitsliteratur stellt das Buch Ijob oder Hiob dar.

Die Spruch-Weisheit hatte die Dinge noch vorwiegend mittels des Tun-Ergehen-Zusammenhanges erklärt. Wer Gutes tut, dem geht es gut, wer Schlechtes tut, dem geht es schlecht.

Dieser Tun-Ergehen-Zusammenhang kommt nun in die Krise und diese Krise liefert den Hintergrund des Ijob-Buches.

1. Zwei Teile des Buches

Gleich beim ersten, oberflächlichen Betrachten des Buches fällt auf, dass es aus zwei Teilen besteht:

  • Wir haben zunächst eine Rahmenerzählung, die in Prosa gehalten ist. Sie besteht aus einem Prolog (Ijob 1,1-2,13) und einem Epilog (Ijob 42,7-17).
  • In diese Rahmenerzählung ist eine breite, metrisch gefügte Dichtung eingeschoben. Sie enthält zunächst einen Dialog zwischen Ijob und seinen Freunden, dem dann abschließend ein Dialog zwischen Ijob und Gott folgt (Ijob 2,1-42,6).

a. Die Rahmenerzählung

Die eigentliche Handlung wird in der Rahmenerzählung geschildert.

Ijob ist ein gottesfürchtiger und rechtschaffener Mann und dementsprechend ist er nach dem Tun-Ergehen-Zusammenhang auch wohlhabend und reich.

Ohne eigenes Verschulden verliert Ijob nun aber Besitz, Kinder und schließlich seine Gesundheit (Ijob 2).

Die Nachrichten vom Verlust seines Besitzes und seiner Familie sind als "Hiobs-Botschaften" sprichwörtlich geworden.

Ijob durchleidet nun tiefstes Elend. Dabei sind sich seine Freunde, ja selbst seine Frau, sicher, dass dieses Schicksal nur durch irgendeine Schuld des Ijob verursacht sein könne. Seine Frau fordert ihn letztlich sogar dazu auf, endlich von seiner Frömmigkeit zu lassen (Ijob 2,9).

Ijob aber bleibt treu und nimmt sein Schicksal aus Gottes Hand an. Er vermag sogar im tiefsten Leid, Gott, seinen Schöpfer, zu preisen. Ijob 1,21 ist eine Schlüsselstelle der Rahmenerzählung:

"Nackt kam ich aus meiner Mutter Leib; nackt kehre ich dorthin zurück. Jahwe hat gegeben, Jahwe hat genommen; der Name Jahwes sei gepriesen." (Ijob 1,21.)

In die gleiche Richtung geht auch Ijob 2,10:

"Wenn wir das Gute von Gott annehmen, warum nicht auch das Böse?" (Ijob 2,10.)

Angesichts dieser Treue zu Gott erfährt Ijob am Ende seine Wiederherstellung. Ja, er wird noch reicher gesegnet als am Anfang (Ijob 42,10ff).

b. Die Dichtung

In der Rahmenerzählung, der Ijob-Legende, bleibt Ijob also gottergeben. In der Dichtung, die in diesen Rahmen eingeschoben wurde, ist dies nicht der Fall. Hier begehrt Ijob auf und klagt über sein Schicksal, ja er klagt Gott sogar an.

Auffallend ist dabei, dass der Gottesname in der Dichtung nur ausnahmsweise vorkommt, und an den Stellen, wo er verwendet wird vermutlich sogar erst nachträglich eingefügt wurde (Ijob 38,1 u. a.). Die Dichtung zieht anscheinend die Gottesbezeichnungen אֵל [">el"] bzw. אֱלוֺהַ [">æloha"] - also "Gott" - und שַׁדַּי ["schaddaj"] - also "der Allmächtige" - dem Gottesnamen vor.

In der Rahmenerzählung ist das anders. Hier wird der Jahwe-Name durchweg ungeniert benutzt (Ijob 1,6ff).

Solche auffallenden Unterschiede weisen schon darauf hin, dass Dichtung und Rahmen des Ijob-Buches kaum auf ein und denselben Autor zurückgehen.

c. Zum Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

(1) Eine ursprünglich selbständige weisheitliche Lehrerzählung

Vermutlich liegt in der Ijob-Legende eine ältere Erzählung vor. Sie dürfte schon längere Zeit mündlich überliefert worden sein.

So nennt Ezechiel etwa Noah, Daniel und Ijob als Vorbilder der Gerechtigkeit und Frömmigkeit (Ez 14,14. 20). Vermutlich war ihm die mündliche Ijob-Überlieferung schon bekannt.

Die Erzählung, die uns im heutigen Rahmen des Ijob-Buches vorliegt, ist allerdings schon keine schlichte "Volkssage" mehr. Sie ist ähnlich wie die Bücher Jona, Tobit, Ester oder Judit eine in Kunstprosa gefasste "weisheitliche Lehrerzählung". ⋅2⋅

In dieser Erzählung wird anhand der Gestalt des Ijobs das Verhältnis von Frömmigkeit und Wirklichkeit, oder genauer das Verhalten des Gottesfürchtigen im Leid expliziert.

Der Entwicklungsprozess der Ijob-Legende lässt sich an einigen Unebenheiten im heutigen Textzusammenhang noch erahnen. Anscheinend hat der Autor der weisheitlichen Lehrerzählung nicht alle Spannungen seiner mündlich tradierten Vorlage ausgeglichen. ⋅3⋅

(2) Dichtung auf dem Hintergrund der Lehrerzählung

Diese Erzählung wird nun zum Rahmen für eine jüngere, in weisheitlicher Sprache gehaltene Dichtung.

Sie scheint allerdings nicht unabhängig von der Erzählung entstanden zu sein. Vermutlich setzt diese Dichtung die Erzählung bereits voraus (Ijob 8,4 u. a.). Der Autor der Dichtung arbeitet also in Kenntnis der älteren Ijob-Legende.

Vermutlich hat er beim Einfügen seiner Arbeit in diese Ijob-Erzählung dieselbe dann seinen Erfordernissen entsprechend überarbeitet.

Wieweit solch eine Überarbeitung allerdings ging, ist in der Forschung umstritten.

2. Zur Entstehung des Ijob-Buches

Das heutige Ijob-Buch scheint demnach Wurzeln zu haben, die einmal in sehr frühe Zeit, zum anderen aber auch in den außer-israelitischen Raum reichen.

a. Fremde Einflüsse

So gehört Ijob zu den "Söhnen des Ostens" (Ijob 1,3; vgl. 1 Kön 5,10). Er kommt aus dem "Land Uz", das wohl am ehesten im Südosten, im edomitischen Raum (Klgl 4,21), zu suchen ist. Auch die Freunde Ijobs sind Ausländer:

  • Eliphas von Teman verweist auf eine Stadt, die möglicherweise in Edom lag,
  • Bildad von Schuach könnte auf einen Ort am Euphrat hinweisen
  • und Zophar von Naama scheint eine Stadt im Norden in seinem Namen zu tragen.

Dies alles scheinen Hinweise darauf zu sein, dass das Buch Ijob ursprünglich von nicht-israelitischen Traditionen beeinflusst worden ist.

b. Entstehung in Palästina

Dennoch dürfte das Buch in seiner Gesamtheit in Israel ⋅4⋅ entstanden sein. Dafür spricht nicht zuletzt die Theologie und die ganze Gedankenwelt der Darstellung.

So meinen manche Exegeten im Ijob-Buch selbst altertümliche Traditionselemente entdecken zu können, die in die Frühzeit Israels zurückreichen. Wenn der Familienvater beispielsweise selbst ein Opfer darbringt (Ijob 1,5), dann könnte das durchaus an Bräuche der Patriarchenzeit erinnern.

c. Die Zeit der Abfassung

Die meisten Vorstellungen, die uns im Ijob-Buch begegnen - und das gilt auch für den älteren Rahmenteil - sind allerdings jüngeren Datums.

Hierzu gehört zum Beispiel das Auftreten Satans als Versucher oder Widersacher (vgl. Sach 3; 1 Chr 21,1).

Demnach stammt die schriftliche Fassung der Ijob-Legende mit großer Wahrscheinlichkeit aus nachexilischer Zeit. ⋅5⋅ Die Ijob-Dichtung wurde dann entsprechend später verfasst und in die ältere Erzählung eingefügt.

Nach gängiger Auffassung ist das Ijob-Buch als Ganzes so zwischen dem 5. und 3. Jahrhundert v. Chr. entstanden. Wir befinden uns also in persischer oder früh-hellenistischer Zeit.

Eine genauere Datierung scheint kaum möglich zu sein.

d. Spätere Bearbeitungen

Mit dem Einfügen der Ijob-Dichtung in die ältere Ijob-Legende ist die Entstehungsgeschichte des heutigen Ijob-Buches aber noch nicht abgeschlossen. Das Buch hat noch zwei weitere Einschübe erfahren.

(1) Die Reden Elihus (Ijob 32-37.)

Den umfangreichsten und gewichtigsten Zuwachs stellen die Reden des vierten Freundes Ijobs, des Elihu, dar. Sie finden sich heute in Ijob 32-37.

Zuvor oder später wird dieser Elihu nirgendwo mehr erwähnt. Er bekommt von Ijob auch keine Antwort auf seine Rede.

Dass die Elihu-Reden eine spätere Einfügung darstellen, wird schon dadurch deutlich, dass sie den Ruf Ijobs zu Gott in Ijob 31,35ff und Gottes Antwort in Ijob 38-42,6 auseinanderreißen.

(2) Das Lied von der Weisheit

Ein weiterer späterer Einschub dürfte das "Lied von der Weisheit" aus Ijob 28 sein. Vermutlich war es ursprünglich einmal ein selbständiger Text.

In diesem Lied wird die Weisheit besungen. ⋅6⋅

Das Thema des Liedes wird bereits durch seinen Kehrvers deutlich. Er lautet:

"Wo wird Weisheit gefunden?" (Ijob 28,12. 20)

Der Mensch kann nach Bodenschätzen graben, aber die Weisheit selbst bleibt für ihn unerreichbar (Ijob 28,13. 21). Nur Gott hat Zugang zu ihr (Ijob 28,23ff).

Dieses Gedicht ist sicher mit einer kritischen Absicht in das Ijob-Buch eingefügt worden.

Die Freunde Ijobs und Ijob selbst versuchen ja den Sinn des Schicksals zu ergründen. Darauf gibt das "Lied der Weisheit" eine Antwort: Weder den Freunden Ijobs noch Ijob selbst kommt Weisheit zu. Einzig und allein Gott hat diese Weisheit. ⋅7⋅

(3) Weitere Zusätze bzw. Bearbeitungen

Neben diesen größeren Zusätzen scheint später noch an einer Reihe weiterer Stellen in den Text eingegriffen worden zu sein. An mindestens zwei Stellen lässt sich das belegen. ⋅8⋅

e. Fazit: Vier Entwicklungsstadien

Demnach wird man, grob gesagt, zumindest mit vier Entwicklungsstadien des Ijob-Buches zu rechnen haben:

  • Eine mündliche Vorgeschichte der eigentlichen Ijob-Erzählung (vgl. Ez 14,14ff),
  • dann die schriftliche Niederlegung der Ijob-Erzählung bzw. Ijob-Legende (Ijob 1-2; 42),
  • schließlich die Abfassung der Ijob-Dichtung (Ijob 3-27; 29-31; 38-42,6), die die Erzählung als Rahmen benutzt
  • und spätere Zusätze zu eben dieser Dichtung (besonders Ijob 28; 32-37).

3. Übersicht ⋅9⋅

So kommen wir zu folgender Gliederung des heutigen Ijob-Buches:

I.
Ijob 1-2
Rahmenerzählung. Prolog
Ijobs zweifache Prüfung und Bewährung
"Fürchtet Ijob Gott etwa umsonst?" (Ijob 1,9)
Verlust von Habe, Kindern (Ijob 1) und Gesundheit (Ijob 2)
II.
Ijob 3-31
Dialog in drei Redegängen
Ijob 3
Ijobs Monolog
Verwünschung seiner Geburt (vgl. Jer 20,14ff; Koh 2,17)
Ijob 4-27
Drei Redegänge (Ijob 4-14; 15-21; 22-27)
 
mit Reden von
Eliphjas von Teman (Ijob 4-5; 15; 22)
Bildat von Schuach (Ijob 8; 18; 25)
Zophar von Naama (Ijob 11; 20)
und Reden Ijobs
Ijob 6-7; 12-14; 16-17; 19; 21; 23-24; 26-27
Ijob 28
Exkurs: Lied auf die Weisheit (vgl. Spr 8-9)
Ijob 29-31
Ijobs Monolog
mit Klage: Einst angesehen und hoffnungsvoll (Ijob 29), jetzt von außen angefeindet und von innen angefochten (Ijob 30).
Unschuldsbekenntnis als Reinigungseid (Ijob 31)
mit Herausforderung Gottes (Ijob 31,35ff)
III.
Ijob 32-37
Einschub: Reden Elihus
IV.
Ijob 38-42,6
"Theophanie"
Zwei Gottesreden mit Ijobs Antwort (Ijob 40,3-5; 42,1-6)
V.
Ijob 42,7-17
Rahmenerzählung. Epilog

4. Zum Stil des Ijob-Buches

Schon die Rahmenerzählung des Ijob-Buches enthält eine ganze Reihe weisheitlicher Elemente (Ijob 2,10 u. a.). Vor allem in den Dialogen ist dann aber die Weisheit die vorherrschende Tradition.

Im Buch Ijob kommt sie allerdings nicht mehr in einzelnen Sprüchen zum Zuge. Hier sind längere Redeeinheiten das Stilmittel der Darstellung. Das Ijob-Buch erweist sich hier als literarisches Meisterwerk der Lehrweisheit Israels.

Darüber hinaus treten im Ijob-Buch auch noch andere Formelemente hervor.

  • So etwa Elemente, wie sie im israelitischen Rechtsverfahren zu Hause sind, ⋅10⋅
  • oder auch Formelemente, die wir ansonsten aus den Psalmen kennen. ⋅11⋅

5. Die Intention des Ijob-Buches ⋅12⋅

Dem bzw. den Verfassern des Buches geht es letztendlich um den leidenden Gerechten.

a. Der klassische Tun-Ergehen-Zusammenhang

Für die herkömmliche Lehre von der irdischen Vergeltung muss ein solcher Fall ja eigentlich ein unmöglicher Widerspruch sein. Nach diesem Tun-Ergehen-Zusammenhang empfängt der Mensch ja hier auf Erden den Lohn oder die Strafe für seine Taten.

Solange man in Israel noch vorwiegend von einer kollektiven Vergeltung ausging, war dieses Prinzip noch recht gut durchhaltbar. Wenn die Sünden der Gemeinschaft überhand nahmen, musste eben die ganze Gemeinschaft mit Strafe belegt werden.

Schon im Deuteronomium (Dtn 24,16), bei den Propheten (Jer 31,29-30; Ez 18), und dann bei den Deuteronomisten (2 Kön 14,6) zeichnet sich aber verstärkt die Vorstellung von einer individuellen Verantwortlichkeit ab. Dies ist der Anfang der Krise des Tun-Ergehen-Zusammenhangs.

Wenn nämlich ein jeder nun nach seinen eigenen Werken behandelt wird, wie kann es dann sein, dass ein Gerechter leidet?

Das Buch Ijob versucht hierauf eine erste Antwort.

b. Ein verborgener Sinnzusammenhang

Dabei können wir die Antwort, die das Buch bereithält, schon der Rahmenerzählung entnehmen.

Die Szene im Himmel zwischen Gott und dem Satan, nimmt schon vorweg, was Ijob erst am Ende des Buches klar wird.

Der Leser erfährt ja bereits am Anfang, dass die Leiden Ijobs eine Prüfung seiner Treue sind. Er weiß also von vorneherein, dass es um einen verborgenen Sinnzusammenhang geht, der eigentlich nur Gott bekannt ist.

c. Antworten auf die Frage nach dem Leiden des Gerechten aus der Tradition

Ijob und seine Freunde wissen davon natürlich nichts. Und so wird unter den Personen des Buches der Gedanke, der in der Rahmenerzählung für den Leser bereits vorausgeschickt ist, noch einmal langsam entwickelt.

Die Freunde geben zunächst die herkömmlichen Antworten.

  • Sie betonen einmal, dass Ijob vermutlich ein Sünder sei, und dass er leiden müsse, weil das Glück der Sünder eben nur von kurzer Dauer ist (vgl. Ps 37 und 73).
  • Oder sie sagen, dass sein Leid eine Strafe für Vergehen sei, die er aus Unwissenheit oder Schwäche begangen hat und die ihm möglicherweise gar nicht bewusst sind (vgl. Ps 19,13; 25,7).

Die Freunde Ijobs kommen so letztendlich zum Schluss, dass Ijobs Leiden einzig und allein als Strafe für schwere Sünden zu erklären seien. Die Haltung Ijobs angesichts seiner Situation bestärkt sie nur noch einmal in dieser Auffassung. Wie wäre es ansonsten zu erklären, dass Ijob in seinem Leid auch noch gegen Gott aufbegehren kann, ja ihm gleichsam seinen Schmerz ins Gesicht schreit.

d. Die Vertiefung des Problems in den Reden Elihus

In den jüngeren Reden des Elihu werden diese klassischen Antworten noch einmal vertieft. Wenn Gott jemanden straft, der nach außen hin als gerecht erscheint, dann geschieht das, wenn tatsächlich keine andere Schuld vorliegen sollte,

  • eben zur Sühne für die guten Taten die er trotz seines ansonsten guten Lebens noch unterlassen hat,
  • oder etwa für Fehler, die ihm nicht bewusst geworden sind.

Der neue Ansatz, den Elihu nun ins Gespräch bringt, ist die dritte Möglichkeit: Es könnte nämlich auch sein, dass Gott jemandem Leid auferlegt, um ihn etwa vor schweren Verfehlungen zu bewahren, oder aber auch, um ihn von einem verborgenen Hochmut zu heilen.

Nichtsdestoweniger besteht auch Elihu - wenn auch weniger scharf als die übrigen Freunde - auf dem Zusammenhang zwischen Leiden und persönlicher Schuld.

e. Die Haltung des Ijob

Ijob opponiert mit der ganzen Kraft seiner Unschuld gegen diesen unerbittlichen Zusammenhang.

Dabei ist aber im Blick auf das Buch Ijob ganz wichtig, dass auch Ijob die irdische Vergeltung nicht leugnet. Er steht eigentlich also noch fest auf dem Boden des Tun-Ergehen-Zusammenhangs.

Dementsprechend fordert er eigentlich nichts anderes, als dass es ihm gemäß seiner Unschuld ergehe, und das heißt, er fordert, dass es ihm gut gehe.

Das Ärgernis für ihn ist, dass ihm die Vergeltung gemäß seiner Taten verweigert wird.

Dass dies eine Prüfung sein muss, ahnt er irgendwo, den Sinn dieser Prüfung sucht er aber vergeblich zu verstehen.

Ijob steht also in einer ganz eigenen Spannung, die ihn beinahe zu zerreißen droht. Einerseits ringt er verzweifelt darum, diesen Gott, der sich anscheinend vor ihm verbirgt, zu finden. Andererseits kann er von dem Glauben nicht lassen, dass dieser Gott gut ist.

f. Die Antwort Gottes in den Gottesreden

In dieser Situation greift im Ijob-Buch Gott ein.

Gottes Antwort geht dabei nur indirekt auf Ijobs Geschick ein. Gott überschüttet den Ijob vielmehr gleich mit einer Fülle von Fragen:

"Wo warst du denn, als ich die Erde gründete? Sag an, wenn du so große Einsicht hast! Wer setzte fest ihr Maß? Du weißt es ja. Wer spannte über sie die Messschnur aus? Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt, und wer hat ihren Eckstein eingefügt..." (Ijob 38,4-6.)

Das heißt: Gott gibt dem Ijob eigentlich keine Antwort, er rechtfertigt sich auch nicht vor Ijob, er macht ihm vielmehr Vorwürfe und weist ihn zurecht (Ijob 38,2; 40,8).
Dabei enthüllt er dem Ijob sein Wesen und seine Pläne nur so weit, dass Ijob zum Schweigen gebracht wird.

Die Botschaft der Gottesreden des Buches Ijob ist demnach schlicht und ergreifend: Der Mensch versteht die Pläne Gottes nicht. Er muss daher im Glauben verharren, selbst wenn sein Verstand keine Befriedigung erfährt.

g. Fazit und Würdigung

Das Buch Ijob löst die Krise des Tun-Ergehen-Zusammenhanges also nicht. Es steht vielmehr immer noch auf dem Boden dieses Erklärungsmusters. Letztendlich wird Ijob doch nach seinen Taten vergolten, er wird aufgrund seiner Treue und der bestandenen Prüfung reicher und wohlhabender als je zuvor.

Plump zusammengefasst kann man den Lösungsversuch des Ijob-Buches daher folgendermaßen umreißen: Dem Mensch ergeht es in diesem Leben so wie er es nach seinen Taten verdient. Und sollte es anders sein, dann geschieht dies eben nach einem geheimen Plan, den der Mensch nicht begreift.

Diese Stufe der Reflexion wird vom Buch Ijob nicht überschritten. Es bleibt hier ganz einfach auf halbem Wege stehen. Die Verfasser des Buches können in ihrer Zeit noch nicht aus ihrer Haut, eine andere Antwort hat man noch nicht.

Das Buch Ijob ist hier ein Schritt innerhalb eines Entwicklungsprozesses, der dann über das Buch Kohelet zur Auferstehungshoffnung führt, die in der Folge der eschatologischen und apokalyptischen Bewegung langsam aufkeimt.

In den Makkabäer-Büchern wird dann die Hoffnung auf eine Vergeltung der Taten eines unschuldig leidenden Gerechten im Jenseits ausgedrückt.

Eine wirkliche Antwort auf die qualvolle Frage des Ijob gibt dann das Neue Testament, und hier allen voran Paulus im Römerbrief. Dort heißt es dann:

"Die Leiden der gegenwärtigen Zeit bedeuten nichts im Vergleich zur Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll." (Röm 8,18.)

Dieser Satz liest sich in unserem Zusammenhang wie direkt auf Ijob hin formuliert.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 332-339. Zur Anmerkung Button

2 So H. P. Müller, 45. 80 (Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 333). Zur Anmerkung Button

3 Die Entstehungsgeschichte der Legende ist dabei sehr umstritten. Aufgrund der Unebenheiten wird sie recht unterschiedlich erklärt.
Nach einer Auffassung sind die beiden Himmelsszenen (Ijob 1,6-12; 2,1-7) ein jüngerer Zusatz. Nur in ihnen tritt als Angehöriger des himmlischen Hofstaates der Satan auf. Mit Gottes Einwilligung darf er prüfen, ob Ijob auch im Leid selbstlos am Glauben festhält, und bekommt dabei gegenüber Gott Unrecht. Gerade für weistheitliches Tun-Ergehen-Denken sind jedoch die Himmelsszenen kaum entbehrlich, da nur sie einen - Ijob selbst verborgenen - Grund angeben, warum der Gerechte Leid erfahren muss, und damit das Geschehen deuten.
Außerdem kann man die Himmelsszene aus Ijob 2 nicht herausbrechen, ohne den Gang der Handlung zu zerstören (Ijob 2,7). Allerdings stellt nach anderer Auffassung Ijob 2 nur eine nachträgliche Verdoppelung von Ijob 1 dar. Auffälligerweise berichtet Ijob 42 nämlich nichts von Ijobs Genesung (Ijob 2,7) und schweigt von seiner Frau (Ijob 2,9-10). Ist aber Ijob 1 nicht von vornherein auf Ijob 2 hin angelegt, wenn die ersten Schicksalsschläge Ijob selbst verschonen? Darüber hinaus sind beide Kapitel nicht nur innerhalb (Ijob 1,6-8. 11. 12b = Ijob 2,1-3a. 5. 7a), sondern auch außerhalb (Ijob 1,22 = Ijob 2,10b u. a.) der Himmelsszenen eng miteinander verknüpft. "Sehr kunstvoll arbeitet der Erzähler mit Doppelungen als Mittel der Steigerung" (E. Ruprecht, 427).
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 333.) Zur Anmerkung Button

4 Nicht in Edom, Arabien oder anderswo, wie verschiedentlich behauptet wird.
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 334.) Zur Anmerkung Button

5 Wenn der Prophet Ezechiel - wie bereits erwähnt - in Ez 14,14. 20 den Ijob nennt, dann kann er hier durchaus auf alte mündliche Tradition Bezug nehmen. Die Erwähnung Ijobs an dieser Stelle ist noch kein Beleg dafür, dass das Buch zur Zeit des Ezechiel bereits schriftlich abgefasst gewesen sein muss.
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 334.) Zur Anmerkung Button

6 Anders als in Spr 8 wird die Weisheit dabei nicht personifiziert, sondern als dinghafte Größe betrachtet.
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 334.) Zur Anmerkung Button

7 Ein noch jüngerer Zusatz in Ijob 28,28 schränkt diese Einsicht wieder etwas ein und zwar im Sinne von Spr 1,7: Die rechte Weisheit ist Gottesfurcht.
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 334-335.) Zur Anmerkung Button

8 Während in den beiden ersten Redegängen die drei Freunde Eliphas, Bildad und Zophar nacheinander sprechen, bleibt der dritte Redegang (Ijob 22-27) unvollständig. Bildad kommt nur kurz, Zophar überhaupt nicht mehr zu Wort.
Die Gottesrede (Ijob 38-41) ist kaum als Ganze zugesetzt, hat aber nachträgliche Erweiterungen erfahren. Sie besteht in vorliegender Form aus zwei Teilen, die jeweils mit der Unterwerfung Ijobs (Ijob 40,3-5; 42,1-6) schließen. Ursprünglich wird es sich nur um eine Rede gehandelt haben - sei es, dass Ijob 40,3-5 (mit der Überleitung Ijob 40,1. 6-7) vom Ende in die Mitte der Rede vorverlegt oder gar erst neu gebildet wurde. Außerdem sind die Darstellung von בְּהֵמוֺת ["behemot"], "Nilpferd" (Ijob 40,15-24), und לִוְיָתָן ["liwjatan"], "Krokodil" (Ijob 40,25-41,26), vielleicht auch Strauß (Ijob 39,13-18) vermutlich später eingefügt.
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 335.) Zur Anmerkung Button

9 Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 335-336. Zur Anmerkung Button

10 Vgl. Ijob 13,3ff; 40,8 u. a.; vgl. H. Richter (Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 336). Zur Anmerkung Button

11 So finden sich neben engen Berührungen mit Klageliedern (Ijob 3; 29-30 u. a.) auch hymnische Motive (Ijob 9,4ff; 38ff u. a.).
(Vgl.: Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament (Berlin / New York 4. Auflage 1989) 336.) Zur Anmerkung Button

12 Vgl. hier vor allem: Alfons Deissler, Anton Vögtle (Hrsg.), Neue Jerusalemer Bibel (Freiburg / Basel / Wien 1985) 718-719. Zur Anmerkung Button