Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Periodisierung der Geschichte Israels ⋅1⋅

Bleibt uns noch, einen Blick auf die einzelnen Schichten des Deuteronomistischen Geschichtswerkes zu werfen. Können wir über die Theologie der einzelnen von uns angenommenen Schichten des DtrG etwas sagen? Bringen diese Schichten, die ja auf verschiedene Autoren zurückgehen, auch eine jeweils eigene theologische Intention mit ins Gesamtwerk ein?

Wir folgen hierbei der Unterscheidung in

  • einen am Tempel und den beiden Dynastien orientierten Verfasser der Grundschrift, also den eigentlichen deuteronomistischen Geschichtsschreiber [DtrH],
  • einen Verfasser, der am unwiderstehlichen Wirken des Jahwewortes interessiert ist [DtrP]
  • und einen am mosaischen Gesetz orientierten Bearbeiter [DtrN],

wie sie auf R. Smend jr. zurückgehen.

Zunächst ist festzustellen, dass alle drei Schichten die sechs Jahrhunderte von der Landnahme (Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr.) bis zur Rehabilitierung des Königs Jojachin (562 v. Chr.) (vgl. Dtn 1,8; 2 Kön 25,27-30) offensichtlich anders einteilen und auf unterschiedliche Weise periodisieren.

1. Der am Tempel und den beiden Dynastienen orientierte Verfasser der Grundschicht (= der eigentliche Geschichtsschreiber [DtrG bzw. DtrH])

Der am Tempel und den beiden Dynastien orientierte Verfasser der deuteronomistischen Grundschrift sieht offenbar im Tempelbau und in der Tempelweihe das Ende einer vorbereitenden Periode.

Mit der Einsetzung der Dynastien, vor allem der davidischen, und der Weihe des Tempels, beginnt eine neue, von ewiger Ordnung bestimmte Zeit.

Dass hier ein tiefer Einschnitt in der Geschichte vorliegt, wird bereits dadurch deutlich, dass die Errichtung des Tempels mit dem Auszug aus Ägypten in Verbindung gebracht wird. Es wird ausdrücklich gesagt, dass der Tempel im 480. Jahr nach dem Auszug aus Ägypten gebaut worden sei (1 Kön 6,1; 2 Sam 7,16).

Der Bau des Tempel ist für den Verfasser der Grundschrift damit so etwas wie das zweite entscheidende Datum der Geschichte Israels nach dem Auszug aus Ägypten.

Damit unterscheidet der Geschichtsschreiber des Deuteronomistischen Geschichtswerkes also zwei heilsgeschichtliche Phasen in der Geschichte von Josua bis zum Exil:

  1. Die Zeit vom Auszug bis zum Tempelbau
  2. Die Zeit vom Tempelbau bis zur Zerstörung des Tempels und dem Exil.

2. Der Verfasser derjenigen Bearbeitungsschicht, die am unwiderstehlichen Wirken des Jahwewortes interessiert ist [DtrP]

Der Verfasser der Bearbeitungsschicht, die am unwiderstehlichen Wirken des Jahwewortes interessiert ist, ⋅2⋅ unterteilt die Geschichte etwas anders als der Geschichtsschreiber DtrH.

Er sieht weniger auf die Errichtung des Tempels. Er blickt vor allem auf die Heils- und Unheilsperioden. Nach diesen Perioden des Heils oder des Unheils, die für ihn durch menschlichen Gehorsam oder Ungehorsam begründet sind, scheint er seine Berarbeitungsschicht zu systematisieren (Ri 2,13-19; 1 Sam 10,4; 13,7-15; 2 Sam 12,1-14).

W. Roth hat das zum Beispiel für die Richterzeit - genaugenommen für Ri 2,11-1 Sam 12,25 - genauer untersucht. ⋅3⋅ Er glaubt hier drei verschiedene Zeitabschnitte ausfindig machen zu können:

  • Im ersten Zeitabschnitt finden sich menschlicher Gehorsam neben menschlichem Ungehorsam. Dies wäre - nach Roth - die Zeit, die unmittelbar auf Mose und Josua folgt, die Zeit des Auftretens der Richter (Ri 2,11-8,35) [Erste Phase]
  • Im zweiten Zeitabschnitt spielt vor allem der menschliche Ungehorsam und die Auflehnung gegen Jahwes Herrschertum eine Rolle. Er ist geprägt durch die Einsetzung eines selbstberufenen menschlichen Königs (Abimelech) und dessen schmähliches Ende (Ri 9,1-57) [Zweite Phase]
  • Gehorsam und Ungehorsam unter den von Jahwe erwählten Richtern (Ri 10,1-1 Sam 12,25) und die Forderung nach einem König, den Jahwe dann billigt, kennzeichnen die dritte Phase

Nach W. Roth ⋅4⋅ erscheint die gesamte Geschichte Israels in diesen drei Perioden vorgebildet.

3. Der am mosaischen Gesetz orientierte Bearbeiter [DtrN]

Der am mosaischen Gesetz orientierte Bearbeiter systematisiert noch einmal anders. Er sieht den entscheidenden Einschnitt in der Geschichte Israels in der Verkündigung des mosaischen Gesetzbuches unter König Joschija. Dies ist für ihn die endgültige, ganz Israel verpflichtende Verkündigung des Gesetzes (Dtn 32,25; 2 Kön 22,8-10; 23,1-3).

Die Zeit vor König Joschija erscheint demnach als eine Art Vorgeschichte mit vielen Mängeln.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: W. Roth, Deuteronomistisches Geschichtswerk, in: TRE (1981) VIII/543-552. Zur Anmerkung Button

2 Auf den Aussagen des Verfassers, der am unwiderstehlichen Wirken des Jahwewortes interessiert ist, beruhen hauptsächlich Hans Walter Wolffs Interpretationen des Deuteronomistischen Geschichtswerkes. (Vgl.: Lothar Ruppert.) Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: W. Roth, Deuteronomistisches Geschichtswerk, in: TRE (1981) VIII/543-552. Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: W. Roth, Deuteronomistisches Geschichtswerk, in: TRE (1981) VIII/548. Zur Anmerkung Button