Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Trito-Jesaja ⋅1⋅
- 1. Zur Person des Trito-Jesaja
- 2. Gab es tatsächlich einen Trito-Jesaja?
- 3. Überblick
- 4. Zur Redaktionsgeschichte
- 5. Zur Theologie dieser Kapitel
In der Folge B. Duhms (1892) sieht man auch die Kapitel 56-66 des Jesaja-Buches als selbständige literarische Größe.
Analog zu Jes 40-55 vermutete man daher einen dritten Jesaja als Verfasser dieser Kapitel. So gab man dem Verfasser von Jes 56-66 einfach den Namen "Trito-Jesaja", den "dritten Jesaja".
1. Zur Person des Trito-Jesaja
Man glaubte in diesem Trito-Jesaja einen Propheten aus der frühen nachexilischen Zeit sehen zu können. Er wäre dann nach 538 v. Chr. in Jerusalem aufgetreten, also in der Zeit nachdem die erste Gruppe aus dem Exil zurückkehren konnte. Sein Auftreten liegt aber sicher vor der Zeit der Wiedererrichtung des Tempels. So könnte man sein Wirken in der Zeit von 520-515 v. Chr. ansetzen.
2. Gab es tatsächlich einen Trito-Jesaja?
Diese Auffassung ist heute wieder sehr umstritten. Eine ganze Reihe von Exegeten halten Jes 56-66 eher für eine zusammengesetzte Sammlung von prophetischen Fragmenten aus ganz unterschiedlicher Zeit. So bräuchte man einen eigenen Trito-Jesaja gar nicht mehr annehmen.
Werner H. Schmidt glaubt aber zumindest hinter Jes 60-62 einen eigenständig arbeitenden Schüler Jesajas zu entdecken, der dessen Botschaft weiterentwickelte. Hier würde dementsprechend auch der Buchkern des Trito-Jesaja-Buches zu suchen sein. ⋅2⋅
3. Überblick ⋅3⋅
Die Kapitel Jes 56-66 lassen sich nun wie folgt gliedern:
"Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker" (Jes 56,7)
"Brich dem Hungrigen dein Brot, kleide den Nackten!" (Jes 58,7)
Klagender Rückblick, besonders auf Mose (Jes 63,7-14)
Nicht Abraham, Gott ist unser Vater (Jes 63,16; 64,7)
"Summe" eschatologischer Heilserwartungen (Jes 65,17ff)
Freude über Jerusalems Reichtum (Jes 66,7ff)
4. Zur Redaktionsgeschichte
Die Kapitel 60-62 sind tatsächlich in Denkweise und Stil sehr nahe mit Deutero-Jesaja verwandt.
Der Psalm von Jes 63,7-64,11 hingegen scheint in die Zeit vor dem Ende des Exils zu gehören, also bereits älter zu sein, als der vermutete Trito-Jesaja.
Das Prophetenwort Jes 66,1-4 stammt dann möglicherweise aus der gleichen Zeit wie der Wiederaufbau des Tempels, ist also um 520 v. Chr. zu datieren.
Jes 56-59 können im großen und ganzen aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. stammen.
Die stark apokalyptisch geprägten Kapitel 65-66 (ausgenommen Jes 66,1-4) werden von manchen Exegeten sogar in die griechische Zeit verlegt. Andere - vor allem die, die eine Existenz eines eigenen Trito-Jesajas annehmen - setzen diese Kapitel kurz nach der Rückkehr aus dem Exil an.
5. Zur Theologie dieser Kapitel
Als Hauptunterschied zu Deutero-Jesajas Trostbotschaft fällt auf, dass Jes 56-66 wieder Anklagen enthält, die an die Verkündigung der früheren Gerichtspropheten erinnern.
"Eure Sünden trennen euch von eurem Gott." (Jes 59,2.)
heißt es beispielsweise in Jes 59,2. Auch findet sich neben der Sozialkritik (Jes 58,3ff) wieder die Abwehr von Fremd-, speziell von Vegetationskulten (Jes 57,3ff; 65,3ff; 66,17).
Hier könnten die nachexilischen Verhältnisse der Anlass gewesen sein, den Schuldaufweis und die Strafankündigungen der älteren Prophetie wiederaufzunehmen.
Auffallend ist allerdings, dass die Strafankündigungen nur in die Richtung bestimmter Gruppen adressiert werden. Das Volk wird nicht mehr als Ganzes angesprochen. Es wird aufgeteilt in "Frevler" und "Fromme" (Jes 57,19ff; 65; 66,5).
Aufs Ganze gesehen, erscheint dieser dritte Teil des Jesaja-Buches als ein Werk derer, die Deutero-Jesaja weitergeführt haben.
So liegt hier die letzte Frucht der jesajanischen Überlieferung vor, in der das Wirken des großen Propheten des 8. Jahrhunderts weiterlebte.
Anmerkungen