Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Das zweite Makkabäerbuch ⋅1⋅
- 1. Der geschichtliche Rahmen des zweiten Makkabäer-Buches
- 2. Die Eigenart des zweiten Makkabäer-Buches
- 3. Der Verfasser und seine Adressaten
- 4. Aufbau und Struktur
- 5. Abfassungszeit
- 6. Der geschichtliche Wert des Buches
- 7. Die theologische Bedeutung
Das zweite Makkabäer-Buch ist nun keine Fortsetzung des ersten, es ist tatsächlich so etwas wie ein "zweites" Buch.
1. Der geschichtliche Rahmen des zweiten Makkabäer-Buches
Genaugenommen ist es noch einmal eine Darstellung der Ereignisse, die in 1 Makk 1-7 geschildert werden.
Dabei setzt das zweite Makkabäer-Buch etwas früher ein, als das erste. Es beginnt am Ende der Herrschaft Seleukus' IV. Philopator (187-175 v. Chr.), des Vorgängers des Antiochus IV. Epiphanes.
Andererseits verfolgt es die Geschichte der Makkabäer nur bis zur Niederlage Nikanors, endet also bereits vor dem Tod des Judas Makkabäus.
Insgesamt behandelt das zweite Makkabäer-Buch also einen weit geringeren Zeitraum als das erste. Es sind nämlich nur etwa fünfzehn Jahre, von denen es berichtet.
2. Die Eigenart des zweiten Makkabäer-Buches
Aber nicht nur der zeitliche Rahmen des zweiten Makkabäer-Buches, auch die Art der Darstellung ist anders als die des ersten.
a. Die Art der Darstellung
Das zweite Makkabäer-Buch ist eigentlich kein Geschichtsbuch im strengen Sinne. Es ist im Grunde eher das Werk eines Predigers als eines Geschichtsschreibers.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Autor des zweiten Makkabäer-Buches die griechischen Institutionen und die bedeutenden Gestalten jener Epoche weit besser zu kennen scheint, als der Verfasser des ersten Makkabäer-Buches - auf den geschichtlichen Wert des Buches werden wir unten noch etwas genauer eingehen.
Obschon die Ereignisse, die das zweite Makkabäer-Buch überliefert, von großem geschichtlichem Wert sind, ist die Überlieferung historischer Fakten absolut nicht die Absicht des Verfassers dieses Buches.
b. Die Absicht des zweiten Makkabäer-Buches
Der Verfasser des zweiten Makkabäer-Buches will eine gefällige Darstellung schreiben, die den Leser erbaut (2 Makk 2,25; 2 Makk 15,37-39).
Er schreibt zwar vom Befreiungskrieg unter der Führung des Judas Makkabäus, aber das ganze Gewicht seiner Darstellung liegt darauf, dass dieser Krieg mit Unterstützung himmlischer Erscheinungen geführt und erst dank göttlichen Eingreifens gewonnen wird (2 Makk 2,19-22).
Die Vorsehung Gottes ist allgegenwärtig. In der Darstellung dieses Autors scheint dementsprechend selbst die Verfolgung durch die Feinde zu einem Mittel der Barmherzigkeit Gottes zu werden. Gott läutert sein Volk durch die Verfolgung, bevor das Maß seiner Sünde voll werden kann (2 Makk 6,12-17).
3. Der Verfasser und seine Adressaten
Dieser Autor ist auf jeden Fall griechisch gebildet. Sein Buch ist von Anfang an auf Griechisch geschrieben.
Es ist dabei im Stil eines mittelmäßigen hellenistischen Schriftstellers verfasst. Jüdisches Kolorit verbindet sich mit griechischer Art und Form. Manchmal wirkt es dabei überladen und schwülstig.
Die Adressaten des Buches sind die Juden von Alexandria. Der Verfasser möchte offensichtlich ihr Gemeinschaftsgefühl mit den Brüdern und Schwestern in Palästina wecken. Ihre Aufmerksamkeit soll dabei vor allem auf das Schicksal des Tempels gelenkt werden. Der Tempel nämlich, der für die Heiden Gegenstand des Hasses ist, dieser Tempel ist der Mittelpunkt des religiösen Lebens nach dem Gesetz.
4. Aufbau und Struktur
a. Der Tempel als Zielpunkt der Darstellung
Dieses Anliegen, nämlich die besondere Rolle des Tempels herauszustellen, kommt bereits im Aufbau des Werkes zum Ausdruck:
- schon am Anfang betont der Verfasser diese Absicht mit Hilfe der kurzen Heliodorepisode (2 Makk 3,1-40). In ihr wird die unantastbare Heiligkeit des Heiligtums zum Ausdruck gebracht;
- der erste Teil des Buches (2 Makk 4,1-10,8) endet dann mit dem Tod des Verfolgers Antiochus Epiphanes, der den Tempel geschändet hat. Ausführlich wird von der Einsetzung des Tempelweihfestes berichtet;
- der zweite Teil (2 Makk 10,9-15,36) endet dann ebenfalls mit dem Tod eines Verfolgers, und zwar mit dem Tod des Nikanor, der den Tempel bedroht hat. Hier wird die Einsetzung eines Gedächtnisfestes geschildert.
Neben dieser Struktur des Buches, die die Intention des Autors deutlich zutage treten lässt, gibt es noch weitere Elemente, die seine Absicht unterstreichen.
So wurden an den Anfang des Buches zwei Briefe gestellt (2 Makk 1,1-2,18), die das gleiche Ziel verfolgen. Es handelt sich dabei um zwei Schreiben der Juden von Jerusalem an ihre Geschwister in Ägypten. In diesen beiden Briefen werden die ägpyptischen Juden aufgefordert, genauso wie die Juden in Jerusalem das Tempelweihfest zu feiern.
b. Übersicht ⋅2⋅
Das Buch gliedert sich im einzelnen demnach folgendermaßen:
5. Abfassungszeit
Das Buch gibt sich insgesamt als kurze Zusammenfassung des Werkes eines gewissen Jason von Zyrene aus (2 Makk 2,19-32). Dieses Werk ist uns nicht erhalten. Anscheinend war es ein Bericht, der die Ereignisse zur Zeit der Aufstände gegen die Seleukiden bis zum Tod Nikanors schilderte.
Demnach könnte diese Darstellung des Jason von Zyrene frühestens 160 v. Chr. verfasst worden sein.
Dieses Werk scheint dann vom Verfasser des heutigen zweiten Makkabäer-Buches bearbeitet worden zu sein. Dabei wurden anscheinend die beiden Briefe der Juden Jerusalems an die alexandrinischen Geschwister vorangestellt (2 Makk 1,1-2,18).
Der erste dieser beiden Briefe scheint dabei ein echtes Schreiben zu sein, das - wie die Datierung am Ende bezeugt - im Jahre 124 v. Chr. abgefasst wurde. ⋅3⋅
Der zweite Brief dürfte dann ein fingierter Brief sein. Er scheint um 65 v. Chr. entstanden zu sein. ⋅4⋅
Beide Briefe sind aus einem hebräischen - oder auch aramäischen - Original ins Griechische übersetzt worden. ⋅5⋅
Die Abfassungszeit des ganzen Buches ist allerdings sehr umstritten. Sprachliche Eigentümlichkeiten, wie etwa
- der Gebrauch jüngerer Wörter und Formen,
- die lexikographischen Kontakte mit Philo von Alexandrien (um 20 v. Chr - 45/50 n. Chr.)
- und die Verbindung des jüdischen Kultes mit den Dionysien
weisen - nach Werner Dommershausen - am ehesten in das späte erste Jahrhundert v. Chr.
Das zweite Makkabäer-Buch ist - nach Werner Dommershausen - demnach sicher nach dem ersten geschrieben worden und möglicherweise erst um 30 v. Chr. entstanden. ⋅6⋅
6. Der geschichtliche Wert des Buches
Trotzdem darf der geschichtliche Wert des zweiten Makkabäer-Buches nicht unterschätzt werden.
a. Erbauliche und erzählende Texte
Man muss hierbei lediglich beachten, wo der Verfasser von historischen Ereignissen berichtet und wo er einfach Erzählungen in den Bericht aufnimmt, die lediglich seine religiösen Grundvorstellungen veranschaulichen sollen.
Zu diesen Teilen des Buches gehören etwa
- die apokryphen Erzählungen, die in dem Brief von 2 Makk 1,10b-2,18 enthalten sind,
- wohl die pathetischen Geschichten von Heliodor (2 Makk 3),
- der Bericht vom Martyrium des Eleasar (2 Makk 6,18-31)
- und die Beschreibung des Martyriums der sieben Brüder (2 Makk 7).
Unsicher ist dabei, in wieweit der Verfasser des heutigen zweiten Makkabäer-Buches diese Erzählungen schon in der Darstellung Jasons von Zyrene vorfand oder ob er sie etwa aus anderen Quellen übernommen hat.
b. Historische Berichte
Neben solchen erbaulichen Lehrerzählungen bietet das zweite Makkabäer-Buch allerdings weite Passagen, die sich mit der Darstellung des ersten Makkabäer-Buches decken.
Da beide Bücher unabhängig voneinander entstanden sind, also voneinander unabhängige Quellen darstellen, liegt hier ein wichtiges Indiz für die Verlässlichkeit der Berichte vor.
In einem Punkt, in dem die Darstellung der beiden Bücher voneinander abweichen, verdient das zweite Makkabäerbuch sogar den Vorzug:
1 Makk 6,1-13 verlegt die Tempelreinigung nämlich in die Zeit vor dem Tod des Antiochus Epiphanes. In 2 Makk 9,1-29 wird berichtet, dass der Seleukidenherrscher bereits gestorben war.
Die vor einigen Jahrzehnten gefundene "Seleukidenliste", ein babylonisches Dokument, dem die Regierungszeiten einzelner Seleukiden-Herrscher entnommen werden können, bestätigt nun die Darstellung des zweiten Makkabäer-Buches.
Nach diesem Dokument starb Antiochus im Oktober/November 164 v. Chr. Der Tempel wurde aber erst Ende Dezember des gleichen Jahres wieder eingeweiht.
Solche Hinweise lassen auch die Vermutung zu, dass diejenigen historischen Fakten, die das zweite Makkabäer-Buch über das erste hinaus liefert, durchaus zuverlässig sein dürften. Hier sind vor allem die Ereignisse über die Jahre vor der Tempelplünderung durch Antiochus IV. zu nennen, von denen 2 Makk 4 berichtet.
c. Störungen der Reihenfolge
Allerdings scheint der Bearbeiter der Jason-Schrift einige Daten durcheinandergebracht zu haben. Die Reihenfolge der Ereignisse scheint an einigen Stellen gestört zu sein:
- So hat er an einen Brief Antiochus' V. (2 Makk 11,22-26) in 2 Makk 11,27-12,9 andere Briefe angefügt.
- Hier fügt er auch Ereignisse an, die in das Ende der Regierung Antiochus' IV. gehören. Sie müssten dementsprechend eigentlich zwischen 2 Makk 8 und 9 stehen.
7. Die theologische Bedeutung
Abschließend kann man sagen, dass das zweite Makkabäer-Buch ein wichtiges Dokument für die Ereignisse der damaligen Zeit ist.
Aber auch theologisch ist es höchst bedeutsam. Es bietet inhaltlich höchst wichtige und weitreichende Aussagen über
- die Auferstehung der Toten (vgl. 2 Makk 7,9+; 14,46),
- die Vergeltung nach dem Tod (2 Makk 6,26),
- das Gebet für die Toten (2 Makk 12,41-46+),
- das Verdienst der Märtyrer (2 Makk 6,18-7,41)
- und die Fürbitte der Heiligen (2 Makk 15,12-16+).
All diese Aussagen geben im Grunde Antwort auf Fragen, die in anderen Schriften des Alten Testamentes offengeblieben sind. Schon dieser Umstand rechtfertigt die Autorität, die die frühe Christenheit diesem Buch zuerkannt hat.
Anmerkungen