Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Die kirchliche Lehre von der Inspiration
- 1. Der Begriff der Inspiration
- 2. Die Anfänge und Grundlagen der Inspirationslehre in der Schrift
- a. Beispiele für das Selbstverständnis einzelner Schriftstellen
- b. Gottes Wort und verschrifteter Text
- c. Bezeichnungen für die biblischen Bücher im Alten Testament selbst
- d. Die Schrift zur Zeit Jesu und der neutestamentlichen Schriftsteller
- 3. Die weitere Ausbildung der Inspirationslehre von der frühen Kirche bis zum II. Vaticanum
- a. Von den Kirchenvätern bis zur Reformation
- (1) Schwierigkeiten mit dem Begriff θεόπνευστος ["theópneustos"]
- (2) Alternative Bilder
- (3) Ambrosius von Mailand
- (4) Thomas von Aquin
- (5) Trient
- b. Die Auseinandersetzung um die Verbal-Inspiration
- (1) Die Vorstellung von der Verbal-Inspiration
- (2) Richard Simon und das Entstehen der kritischen Bibelwissenschaft
- c. Vom ersten bis zum zweiten Vatikanischen Konzil
- (1) Das I. Vaticanum
- (2) Leo XIII. - "Providentissimus Deus"
- (3) Benedikt XV. - "Spiritus Paraclitus"
- (4) Pius XII. - "Divino afflante Spiritu"
- d. Das II. Vaticanum
- 4. Umfang und Ziel der Inspiration
Von der Inspiration und der Wahrheit der Schrift zu handeln, ist zunächst einmal natürlich Sache der Dogmatik. ⋅1⋅
Doch auch der Exeget wird selbstverständlich ganz stark mit diesen Fragen konfrontiert. Von daher wollen wir hier einige Überlegungen zu diesem Thema voranstellen.
1. Der Begriff der Inspiration ⋅2⋅
Ethymologisch leitet sich das Wort "Inspiration" vom lateinischen "inspirare" ab, was soviel bedeutet wie "einhauchen", "einflößen". Das Wort "spiritus" (= "Geist") ist in diesem Begriff enthalten.
Genau dieser Terminus wird nun in der Wortverbindung "divinitus inspirari" in 2 Tim 3,16 als Übersetzung des griechischen Wortes θεόπνευστος ["theópneustos"] verwendet. In unserem Zusammenhang bedeutet "Inspiration" also soviel wie "von Gott eingegeben".
Der Verfasser des zweiten Timotheus-Briefes möchte mit dem aus der hellenistischen Sphäre stammenden Begriff θεόπνευστος ["theópneustos"] sagen, dass jedes Buch der Schrift von Gottes Geist erfüllt sei. Es sei von daher nützlich
- zur Belehrung,
- zur Widerlegung,
- zur Zurechtweisung
- sowie zur Erziehung in der Gerechtigkeit.
2. Die Anfänge und Grundlagen der Inspirationslehre in der Schrift ⋅3⋅
2 Tim 3,16 bringt also bereits zum Ausdruck, dass die Schrift von Gottes Geist erfüllt sei.
Dies ist die Grundlage der späteren Inspirationslehre.
a. Beispiele für das Selbstverständnis einzelner Schriftstellen
Die Stelle im zweiten Timotheus-Brief steht dabei nicht allein. Es wird zwar ansonsten das Wort θεόπνευστος ["theópneustos"] im Neuen Testament nicht mehr verwendet und auch der Begriff "Inspiration" taucht an keiner Stelle ausdrücklich auf. Aber nicht wenige Texte der Bibel bezeugen, was unser Begriff Inspiration der Sache nach meint.
- So leiten die alttestamentlichen Propheten beispielsweise ihre Verkündigung häufig mit der Botenspruchformel ein. Sie beginnen ihre Botschaft also mit den Worten כֺּה אָמַר יְהוָֺה "koh >amar jahwe"] - "So spricht Jahwe". Und sie schließen ihre Reden häufig mit der Formel נְאֻם יְהוָֺה ["neum jahwe"] - "Spruch Jahwes".
Die Propheten haben also das Bewusstsein, dass dieses Wort, das sie jetzt sprechen bzw. gesprochen haben, nicht einfachhin ihr Wort ist. Es ist Gottes Wort. - Auch die Tora, die Weisung Jahwes, versteht sich als Wort Gottes. Beispiele hierfür sind etwa der Dekalog (Ex 20,1ff; Dtn 5,6-7) oder das Bundesbuch (Ex 20,22ff).
b. Gottes Wort und verschrifteter Text
Von Anfang an brachte man diese Weisungen und Worte Jahwes nun auch mit geschriebenem Wort in Verbindung.
- Die Worte des Bundes, die zwar zunächst mündlich verkündigt wurden, sollten - nach der Darstellung der Schrift - sogar auf ausdrücklichen Wunsch Jahwes hin, aufgeschrieben und festgehalten werden (Ex 34,27). In Ex 24,4. 7 wird dies sogar noch einmal ausdrücklich gesagt.
- Und auch Jeremia erhielt von Jahwe den Auftrag, die empfangenen Worte in eine Buchrolle zu schreiben (Jer 30,2; 36,2).
c. Bezeichnungen für die biblischen Bücher im Alten Testament selbst
Trotz des offensichtlichen Bewusstseins, dass es sich hierbei um Gottes Worte handelt, verwendete man für all diese Schriften allerdings nie den Ausdruck "Buch Gottes" oder ähnlich eindeutige Bezeichnungen.
- Man spricht vielmehr vom סֵפֶר הַתּוֺרָה ["sephær hattorah"], vom "Buch des Gesetzes" (vgl. 2 Kön 22,11). Das deuteronomische Gesetzbuch in seiner ursprünglichen Form bezeichnet man etwa als "Buch des Gesetzes Jahwes".
- Ein anderer Ausdruck, der hier Verwendung findet, ist:
"Buch des Gesetzes des Mose, das Jahwe Israel vorgeschrieben hat" (Neh 8,1). - In späterer alttestamentlicher Zeit spricht man dann von den γραφαὶ ἅγιαι ["graphaì hágiai"], den "heiligen Büchern" (1 Makk 12,9).
- Oder man fasst alle Bücher zusammen unter dem Ausdruck ἡ ἁγία γραφή ["hæ hagía graphæ"], also "das heilige Buch" (2 Makk 8,23).
Obschon also die Bezeichnung "Buch Gottes" oder ähnliches so nicht gebraucht wird, kann man angesichts dieser Vielzahl von Hinweisen zusammenfassend mit Josef Schreiner sagen:
"Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die Heilige Schrift sich ihres besonderen Charakters bewußt ist. Sie gibt klar zu erkennen, dass sie nicht als bloßes Menschenwerk verstanden werden will. Sie deutet an und behauptet, dass darin Gottes Wort zu den Menschen spricht." ⋅4⋅
d. Die Schrift zur Zeit Jesu und der neutestamentlichen Schriftsteller
So haben es auch die Rabbinen zur Zeit Jesu - und in deren Folge dann auch die neutestamentlichen Schriftsteller - verstanden. Sie zitieren die Schriften des Alten Testamentes unterschiedslos unter der Bezeichnung ἡ γραφή ["hæ graphæ"], also "die Schrift" (Mk 12,10) oder auch αἱ γραφαί ["hai graphaí"], also "die Schriften".
Auch der Ausdruck γέγραπται ["gégraptai"], "wie geschrieben steht", mit dann folgendem alttestamentlichen Zitat, begegnet immer wieder (Mt 4,10). ⋅5⋅
Die Bedeutung, die diese Texte für die neutestamentlichen Schriftsteller hatten, bringt 2 Petr 1,21 dann uneingeschränkt zum Ausdruck. Hier heißt es:
"Denn niemals erfolgte eine Weissagung durch menschliche Willkür, sondern vom Heiligen Geiste getrieben, haben Menschen von Gott her geredet." (2 Petr 1,21.)
3. Die weitere Ausbildung der Inspirationslehre von der frühen Kirche bis zum II. Vaticanum ⋅6⋅
a. Von den Kirchenvätern bis zur Reformation
Auch die Kirchenväter bringen dieses Verständnis der Schrift zum Ausdruck. Sie verwenden vor allem den Terminus "Prophetie" oder "prophetisch" in Bezug auf die Schrift, um auszudrücken, dass in ihr Gottes Wort begegnet. Bis ins 17. Jahrhundert hinein verwendete man in der christlichen Literatur bevorzugt diese Terminologie.
Das von 2 Tim 3,16 nahegelegte θεόπνευστος ["theópneustos"] oder "divinitus inspiratus" wurde anfänglich nur ungern benutzt. Ja, diese Begriffe vermied man sogar.
(1) Schwierigkeiten mit dem Begriff θεόπνευστος ["theópneustos"]
Dies hängt damit zusammen, dass das Wort θεόπνευστος ["theópneustos"] im hellenistischen Raum gebräuchlich und daher in seiner Bedeutung sehr festgelegt war. Man vermied den Ausdruck wohl, um Missverständnissen zu wehren, die durch den hellenistischen Bedeutungshorizont hätten auftreten können. Dort wurde dieser Begriff nämlich mit der Wahrsagekunst in Verbindung gebracht.
(2) Alternative Bilder
Natürlich sprechen auch die Kirchenväter gelegentlich von einer "Anhauchung" der Heiligen Schriften durch den Heiligen Geist - so zum Beispiel im 2. Jahrhundert n. Chr. Justin der Märtyrer (gest. 165 n. Chr.). Sie verwenden im großen und ganzen aber lieber andere Bilder, um zum Ausdruck zu bringen, dass der eigentliche Autor der Schrift Gott selber ist.
So ist etwa der Vergleich mit einer Flöte beliebt. Der biblische Schriftsteller wird mit einer Flöte verglichen. Dieses Instrument bringt ja den Ton hervor. Aber Gott ist es, der die Flöte spielt. Er ist also der eigentliche Verursacher des Tones.
Auch das Bild von der Zither oder der Feder wird in diesem Sinne verwandt.
(3) Ambrosius von Mailand
Dass Gott der eigentliche Verfasser - lateinisch "auctor" - der Schrift sei, findet sich wahrscheinlich zum ersten Mal ausdrücklich bei Ambrosius von Mailand am Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. Ambrosius spricht davon, dass "deus auctor sacrae scripturae", dass also Gott der Urheber der heiligen Schrift sei.
In einem offiziellen Dokument der Kirche, den "Statutae ecclesiae antiquae", einer Rechtssammlung aus dem 5. nachchristlichen Jahrhundert, wird dies ebenfalls zum Ausdruck gebracht.
(4) Thomas von Aquin
Thomas von Aquin spricht nun ausdrücklich davon, dass die Schriften der Bibel "hagiographi" seien, also heiligen Schriften, die unter der Inspiration des Heiligen Geistes geschrieben wurden (S.Th. II/IIa,q 174 a2).
(5) Trient
Da die Reformatoren die Inspiration der Schrift keineswegs leugneten, sah das Tridentinum offensichtlich keinerlei Anlass dazu, sich zu diesem Punkt ausgiebig zu äußern. Nur beiläufig wird in Trient erklärt,
- dass der Heilige Geist gesagt habe, was die Verfasser der Heiligen Schriften schreiben sollten ("a spiritu sancto dictatas" [DS 1501]),
- und dass Gott der "auctor" des Alten und des Neuen Testamentes sei ("cum utriusque unus Deus sit auctor" [DS 1501]).
b. Die Auseinandersetzung um die Verbal-Inspiration
(1) Die Vorstellung von der Verbal-Inspiration
In der Folgezeit fasste man dieses "dictare" dann aber als ausgesprochenes Diktieren auf. So kam man zu der Annahme, dass Gott die Schrift wortwörtlich dem Schreiber diktiert habe, etwa so wie einem Sekretär.
Folglich hielt man nun jedes einzelne Wort und schließlich sogar die hebräischen Vokalzeichen und Akzente für inspiriert. Jede Einzelheit sei unmittelbar auf Gottes Urheberschaft zurückzuführen.
Diese Auffassung wurde dann - natürlich unter anderem - in der alt-protestantischen Orthodoxie vorherrschend.
(2) Richard Simon und das Entstehen der kritischen Bibelwissenschaft
Katholische Theologen hatten bezüglich der Inspriation der Schrift eine viel freiere Auffassung. Hier ist unter anderen Richard Simon zu nennen, der von 1638 bis 1712 lebte. Er gilt als der Begründer der kritischen Bibelwissenschaft. In diesen Kreisen wurde das Gewicht bei der Entstehung des "Gotteswortes" sehr viel stärker auf die menschliche Seite gelegt.
So rechnete man katholischerseits bei gewissen biblischen Büchern, wie etwa den beiden Makkabäer-Büchern mit einer sogenannten "inspiratio subsequens", also einer nachfolgenden Inspiration. Man ging also davon aus, dass diese Bücher zunächst ohne ein Zutun des Heiligen Geistes von Menschen geschrieben wurden. Der Heilige Geist habe dieses Buch dann erst im Nachhinein als wahr bezeugt und so zur Heiligen Schrift werden lassen. ⋅7⋅
Im 19. Jahrhundert hat man dann verschiedentlich sogar versucht den Begriff der Inspiration damit zu erklären, dass Gott den menschlichen Verfasser schlicht und ergreifend davor bewahrt habe, etwas falsches zu schreiben. Man kann nach dieser Auffassung von der Bibel schon beinahe als reinem Menschenwort sprechen, das eben von Gott vor einem Irrtum bewahrt worden sei. ⋅8⋅
c. Vom ersten bis zum zweiten Vatikanischen Konzil
(1) Das I. Vaticanum
Demgegenüber hat das I. Vaticanum betont:
"Nicht deshalb faßt die Kirche diese Bücher als heilig und kanonische auf, weil sie etwa bloß durch menschliches Bemühen zusammengestellt und dann durch ihre eigene Vollmacht anerkannt worden wären; auch nicht nur deshalb, weil sie die Offenbarung ohne Irrtum enthalten, sondern deshalb, weil sie, geschrieben auf Eingebung des Hl. Geistes ("spiritu sancto inspirante"), Gott zum Urheber haben ("Deum habent auctorem") und als solche der Kirche übergeben worden sind." ⋅9⋅
(2) Leo XIII. - "Providentissimus Deus"
Leo XIII. fasst in seiner Enzyklika "Providentissimus Deus" aus dem Jahre 1893, der ersten großen Bibel-Enzyklika, die wesentlichen Punkte der kirchlichen Inspirationslehre zusammen. Er sagt:
"Denn mit übernatürlicher Kraft hat er [der Hl. Geist] sie [die Verfasser der Hl. Schriften] zum Schreiben angeregt und bestimmt, ist ihnen so beim Schreiben zur Seite gestanden, daß sie alles das, aber auch nur das, was er sie hieß, richtig im Geist auffaßten, getreu niederschreiben wollten und auch passend in unfehlbarer Weise ausdrückten." ⋅10⋅
Damit ist der göttlichen Autorschaft der Schrift in aller Klarheit Rechnung getragen. Über die menschliche Autorschaft wird dabei aber fast nichts gesagt. Die menschliche Mitwirkung wurde in dieser Enzyklika zwar herausgestellt, aber noch nicht erschöpfend beleuchtet.
(3) Benedikt XV. - "Spiritus Paraclitus"
Diesen Mangel hat Benedikt XV. in seiner Bibel-Enzyklika "Spiritus Paraclitus" aus dem Jahre 1920 erkannt und zu beheben versucht. Er hat die Eigenart jedes einzelnen Verfassers in Stoffanordnung, Sprache, Art und Weise des Ausdrucks betont und das Wort "diktieren" durch gleichwertige Verwendung anderer Worte, wie etwa
- Eingebung,
- Darbietung,
- Einprägung
- oder Vortrag,
abgeschwächt. Die menschliche Autorschaft wurde dabei in ihrer Eigenständigkeit und Menschlichkeit betont.
(4) Pius XII. - "Divino afflante Spiritu"
Noch mehr betonte Pius XII. in seiner Enzyklika "Divino afflante Spiritu" aus dem Jahre 1943 diesen menschlichen Anteil bei der Entstehung der Schrift.
Pius XII. sagt ausdrücklich, dass die Hagiographen, also die Verfasser der Heiligen Schriften, nicht nur einfache Werkzeuge, sondern beseelte und vernünftige Werkzeuge des Heiligen Geistes waren. Er schärft darüber hinaus ein, dass als wichtigste Auslegungsregel zu gelten hat, genau zu bestimmen, was der jeweilige Schriftsteller zu sagen beabsichtigte. Hier wird also betont, dass man tatsächlich den Literalsinn der Schrift zu beachten habe.
d. Das II. Vaticanum
Das zweite Vatikanische Konzil hat die Inspirations-Lehre der katholischen Kirche dann zusammengefasst. In der Konstitution "Dei verbum" betont das Konzil:
"Das von Gott geoffenbarte, das in der Heiligen Schrift enthalten ist und vorliegt, ist unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet worden; denn aufgrund apostolischen Glaubens gelten unserer heiligen Mutter, der Kirche, die Bücher des Alten wie des Neuen Testamentes in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie unter Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben (vgl. Jo 20,31; 2 Tim 3,16; 1 Petr 1,19-21 und 1 Petr 3,15-16), Gott als Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind. Zur Abfassung der Heiligen Bücher hat Gott Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eigenen Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten, all das und nur das, was er in ihnen und durch sie wirksam geschrieben haben wollte, als echte Verfasser schriftlich zu überliefern." ⋅11⋅
4. Umfang und Ziel der Inspiration ⋅12⋅
Damit war das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Anteil bei der Entstehung der Schrift zwar im Prinzip geklärt, aber auch nur im Prinzip. Die neuere exegetische Entwicklung hatte ja mittlerweile neue Probleme aufgeworfen.
a. Die traditionelle Antwort
Solange man die traditionell jüdische und urchristliche Auffassung noch voll teilte, dass alle biblischen Bücher in ihrer Ganzheit auf die ihnen zugeschriebenen Verfasser zurückgingen, dass also Mose etwa den Pentateuch geschrieben habe, solange konnte man jeweils von dem einen inspirierten Autor des jeweiligen Buches sprechen. Dieser Autor hätte sich dann ja höchstens gewisser Quellen bedient.
b. Neue Fragestellungen durch die Ergebnisse der neueren Exegese
Mittlerweile ist jedoch fast jeder Exeget davon überzeugt, dass die "fünf Bücher Mose" höchstens zu einem minimalen Teil auf Mose zurückgehen. Dieser Teil bleibt dabei auch noch insgesamt unbestimmbar. Man geht - wie wir später noch ausführlich sehen werden - also demnach davon aus, dass die sogenannten "fünf Bücher Mose" eine Komposition von mehreren, zum Teil einander parallelen Quellen-Schriften darstellen.
Die Frage der Inspiration des menschlichen Verfassers stellt sich damit ganz neu.
- War jetzt nur der Endredaktor, der die einzelnen Quellen-Schriften zusammenfügte und selbst meist nur ein paar erklärende Worte einschob, inspiriert?
- War auch der Verfasser der jeweiligen Quellen-Schrift ein inspirierter Autor?
- War der einzelne Prophet inspiriert oder nur derjenige, der verschiedene Prophetenüberlieferungen gleichsam mechanisch kombinierte?
- War nur einer von all denjenigen, die an der Entstehung eines biblischen Buches beteiligt waren inspiriert oder waren es gar alle?
Am ehesten wird man wohl davon ausgehen müssen, dass alle Autoren, die auch nur auf irgendeine Weise am Entstehen der Schrift beteiligt gewesen sind, in ihrer Arbeit inspiriert waren.
Die Bibel ist demnach nicht Menschen- oder Gotteswort. Sie ist letztlich Gotteswort und Menschenwort - oder wohl besser - Gotteswort in Menschenwort.
c. Viele, anonyme Verfasser
Die eigentlichen menschlichen Verfasser der Schrift sind uns dabei mit ganz wenigen Ausnahmen, nicht bekannt.
Der einzige mit Namen wirklich bekannte Verfasser eines alttestamentlichen Buches ist jener Jesus Ben Sira, also der Sohn oder Enkel des Sira bzw. Sirach, der als Verfasser des Buches Jesus Sirach sein Werk sogar unterschrieben hat.
Alle anderen Schriften im Alten Testament sind ansonsten anonym verfasst. Dies gilt im Prinzip auch dann, wenn einzelne Teile aus diesen Büchern, wie etwa die authentischen Prophetensprüche, namentlich bekannten Personen zugeordnet werden können.
Anmerkungen
(Vgl.: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 12.)