Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Hinweise, die die These einer Heilshoffnung des DtrG stützen ⋅1⋅

Ist also die eigentliche Aussage des Deuteronomistischen Geschichtswerkes die, dass Jahwe an seinem Volk Gericht geübt hat und dass dieses Gericht gerecht gewesen ist?

1. Heilswende durch Anruf Gottes

Wir haben das bereits im Buch der Richter gesehen. Gerade die Richterzeit ist ja von sogenannten Heilswenden gekennzeichnet. Immer dann, wenn das Volk zu Gott schrie, schuf er ihm Heil.

Und genauso wird es in der großen Wende von den Richtern zur Königszeit geschildert. Hier tritt Samuel für das bereuende Volk ein. Auf seine Fürsprache hin konzedierte Jahwe dann das Königtum (1 Sam 12,14).

Die Wende wird hier - wie in der Richterzeit - durch den Aufschrei Israels zu Jahwe herbeigeführt. Durch diesen Schrei nach Gott greift Israel nach dem Erbarmen Gottes. Und dieses Erbarmen Jahwes mit dem Volk seiner Wahl ist anscheinend immer noch wach. Hier führt es in eine neue Phase der Heilsgeschichte, nämlich in die Zeit unter einem erwählten König. ⋅2⋅

So könnte wohl ein ähnlicher Aufschrei zu Jahwe, ein Bekenntnis der Schuld, das Gebet um Errettung und das Versprechen neuen Gehorsams auch in der Situation des Strafgerichtes, also der Zerstörung Jerusalems, eine neue Zukunft eröffnen.

Demnach könnte auch das Deuteronomistische Geschichtswerk von solch einer heilsgeschichtlichen Konzeption geprägt sein.

2. Das Thema "Umkehr"

Eine Stütze für diese Auffassung könnte die wiederholte Verwendung eines Begriffs im Verlauf des Deuteronomistischen Geschichtswerkes sein.

Dieser Begriff ist das Wort שׁוּב ["schub"], das so viel wie "sich wenden" und "umkehren" bedeutet. Dieses Wort begegnet immer wieder ⋅3⋅ und mit ihm klingt wiederholt das Thema der "Umkehr" im Deuteronomistischen Geschichtswerk an.

Allein im Tempelweihgebet Salomos (1 Kön 8) kommt das Stichwort "umkehren" viermal vor, zum Beispiel 1 Kön 8,33-34:

"Wenn dein Volk Israel von einem Feind geschlagen wird, weil es sich gegen dich versündigt hat, sich dann aber zu dir bekehrt und deinen Namen bekennt, wenn es betet und fleht vor dir in diesem Tempel, so wollest du es im Himmel hören, deinem Volke Israel die Sünden verzeihen und sie zurückführen in das Land, das du ihren Vätern gegeben hast." (1 Kön 8,33-34.)

Noch ausführlicher wird an einer weiteren Stelle des Tempelweihgebetes davon gesprochen, was Israel zu tun hat, wenn es in eine solch schlimme Gerichtssituation geraten ist:

"Und wenn sie sich gegen dich versündigt haben - es gibt ja keinen Menschen, der nicht sündigte ?, so dass du wider sie erzürnt bist und sie dem Feinde preisgibst und ihre Bezwinger sie gefangen fortführen ins Feindesland, sei es fern oder nah, und wenn sie dann in sich gehen in dem Lande, wohin sie in Gefangenschaft geführt wurden, sich bekehren und dich anflehen im Lande ihrer Bezwinger, indem sie bekennen: Wir haben gesündigt, haben uns verfehlt und gottlos gehandelt, wenn sie sich also zu dir bekehren aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele im Lande ihrer Feinde, [die sie weggeführt haben,] wenn sie zu dir beten nach dem Lande hin, das du ihren Vätern gegeben hast, nach der Stadt hin, die du erwählt hast, und nach dem Tempel hin, den ich in deinem Namen erbaut habe, so wollest du im Himmel, der Stätte, wo du thronst, hören, wollest deinem Volk vergeben, was sie wider dich gesündigt haben, [sowie alle ihre Vergehen, mit denen sie sich gegen dich vergangen haben,] und lass sie Nachsicht finden bei ihren Bezwingern, auf dass sie mit ihnen Erbarmen haben; denn sie sind dein Volk und dein Eigentum, das du aus Ägypten heraufgeführt[, mitten aus dem Eisenschmelzofen.]" (1 Kön 8,46-51.)

Hier ist also schon vorgezeichnet, was Israel in der Stunde des Gerichts tun muss: nämlich "umkehren". ⋅4⋅

Wenn Israel gleichsam am Ende zu Jahwe schreit und aus ganzem Herzen umkehrt, dann wird Jahwe sich Israels wieder erbarmen.

3. Fazit

So scheint es also erstes Anliegen des Deuteronomistischen Geschichtswerkes zu sein, deutlich zu machen, dass das Volk Schuld an der jetzigen Situation hat. Es geht ihm um den Schuldaufweis des Volkes.

In zweiter Linie ist es wohl aber genauso Anliegen der Deuteronomisten, zu zeigen, dass Jahwes Geschichte mit seinem Volk

  • trotz des Exils,
  • trotz des verlorenen Landes der Verheißung
  • und trotz der verlorenen Stätte der Gegenwart Jahwes,

dass die Geschichte Jahwes mit seinem Volk trotz alledem nicht zu Ende ist. Es gibt eine Zukunft, wenn Israel wieder zu Jahwe, seinem Gott, umkehrt.

Darin liegt die verhaltene Hoffnungsbotschaft, die das Deuteronomistische Geschichtswerk für Gottes Volk kündet.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Nach: Hans Walter Wolff, Das Kerygma des deuteronomistischen Geschichtswerkes, in: Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft [=ZAW] (73/1961) 171-186. Zur Anmerkung Button

2 Nach Hans Walter Wolff. Vgl. Lothar Ruppert. Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: 1 Sam 7,3; 2 Kön 17,13; 2 Kön 23,15. Zur Anmerkung Button

4 In einer - nach Hans Walter Wolff - späteren Schicht des DtrG wird der Umkehrgedanke zwei weitere Male aufgegriffen: Dtn 4,29-31; 30,1-10. Auch hier ist die Exilssituation vorausgesetzt. Zur Anmerkung Button