Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Die Lehre der Propheten ⋅1⋅

Die Propheten spielen in der religiösen Entwicklung Israels eine erhebliche Rolle. Sie haben nicht nur das Volk auf dem Weg des Jahweglaubens gehalten und geführt, sondern sie waren auch die Hauptträger des Offenbarungsfortschrittes. In diesem vielfältigen Prozess hat jeder seine eigene Aufgabe erfüllt und dementsprechend auch seine eigene theologische Intention gehabt.

Ihre verschiedenen Beiträge laufen trotzdem in drei Hauptlinien zusammen. Diese drei Hauptlinien bilden nun das eigentliche Unterscheidungsmerkmal der Religion des Alten Bundes. Es sind:

  • Monotheismus,
  • Sittlichkeit
  • und die Erwartung einer heilvollen Zukunft.

1. Der Monotheismus

a. Die Wurzeln dieses prophetischen Themas

Dabei ist der Monotheismus nicht in einem statischen Sinne zu verstehen. Es handelt sich hier um einen langen Prozess, der aber immer getragen war von der Überzeugung, dass Jahwe der einzige Gott des Volkes Israel ist. So führen die Propheten die Entwicklung dieser Vorstellung weiter. Sie prägen mit dem Sprechen von Gott als einzigem Gott demnach nichts Neues, sondern knüpfen an Wurzeln an, die bereits da waren. Aber sie bringen die Gottesvorstellung gleichsam auf den Punkt.

Wenn der älteste der kanonischen Propheten, nämlich Amos, Jahwe als den einzigen Gott darstellt, der den Mächten der Natur befiehlt und der absolute Herr der Menschen und der Geschichte ist, dann erinnert er ganz deutlich an in Israel überlieferte alte Wahrheiten. Dieser Rückgriff auf alte israelitische Tradition gibt den von ihm vorgebrachten Drohungen ja erst das volle Gewicht. Es ist ja der überkommene, gemeinsame Glaube, an den er erinnert.

Inhalt und Tragweite dieses alten Glaubens treten aber jetzt mit der Predigt der Propheten immer deutlicher hervor.

b. Jahwe als Gott der Völker

Die Offenbarung des einzigen Gottes am Sinai war traditionell ja mit der Erwählung des Volkes und dem Bundesschluss verknüpft. Daher mochte Jahwe als ein Gott erscheinen, der ausschließlich Israel eigen und allein mit dem Land und den Heiligtümern Israels verbunden ist.

Zwar betonen die Propheten nachdrücklich die Bande, mit denen Jahwe sein Volk an sich gezogen hat,

  • gleichzeitig aber zeigen sie, dass er auch die Geschicke der anderen Völker lenkt (Am 9,7);
  • er richtet Kleinstaaten und Großreiche (Am 1-2 und alle Sprüche gegen die Völker),
  • er gibt und entzieht ihnen ihre Macht (Jer 27,5-8),
  • er gebraucht sie als Werkzeuge seiner Strafgerichte (Am 6,11; Jes 7,18-19; 10,6; Jer 5,15-17),
  • und er gebietet ihnen Einhalt, wann er will (Jes 10,12).

Wenn die Propheten auch verkünden, dass das Land Israel Jahwes Land (Jer 7,7) und der Tempel seine Wohnung ist (Jes 6; Jer 7,10-11), so heißt das nicht, dass Jahwe auf dieses Land und auf den Tempel fixiert wäre. Die Propheten verkünden genauso die Zerstörung des Heiligtums (Mi 3,12; Jer 7,12-14; 26) und Ezechiel sieht, wie die Herrlichkeit Jahwes Jerusalem verlässt (Ez 10,18-22; 11,22-23).

Jahwe, der Gott Israels, ist also auch der Gott der Völker. Dementsprechend ist er aber auch der einzige Gott.

c. Jahwe, der einzige Gott

Jahwe, der Herr der ganzen Erde, lässt keinen Raum für andere Götter. Die Propheten kämpfen gegen den Einfluss der heidnischen Kulte und die Versuchungen des Synkretismus, der den Glaubens Israels bedrohte. Sie bekräftigen damit die Ohnmacht der falschen Götter und die Torheit der Götzenbilder. ⋅2⋅

Als während des Exils das Scheitern der nationalen Hoffnungen Zweifel an der Macht Jahwes wecken konnte, wird die Polemik gegen die Götzenbilder schneidender und reflektierter. ⋅3⋅ Den Zweifeln der Müden und Verzagenden stellt vor allem Deutero-Jesaja das jubelnde Bekenntnis des Monotheismus entgegen (Jes 44,6-8; 46,1-7. 9).

d. Jahwe, der transzendente Gott

Der einzige Gott ist transzendent; so lautet die nächste zentrale Aussage über Gott bei den Propheten. Diese Transzendenz Gottes drücken die Propheten vor allem dadurch aus, dass sie sagen, er ist "heilig". Die Heiligkeit Jahwes wird gar zu einem Lieblingsthema etwa der Verkündigung Jesajas. ⋅4⋅

Der transzendente Gott, Jahwe, ist in der Prophetenbotschaft dementsprechend vom Geheimnis umgeben (Jes 6; Ez 1). Er steht unendlich über den "Menschensöhnen" - ein Ausdruck, den Ezechiel ständig wiederholt. Damit möchte er den Abstand betonen, der den Propheten von dem Gott trennt, der zu ihm spricht.

Und dennoch ist Gott nahe durch Güte, ja sogar durch zärtliche Liebe, die er seinem Volk erweist, vor allem bei Hosea und Jeremia wird das deutlich und zwar in der Allegorie vom Ehebund zwischen Jahwe und Israel (Hos 2; Jer 2,5-7; 3,6-8); eine Thematik, die dann von Ezechiel breit entfaltet wird (Ez 16 und 23).

2. Die Sittlichkeit

a. Der heilige Gott und die Sünde des Menschen

Der Heiligkeit Gottes steht die Befleckung des Menschen entgegen (Jes 6,5); an diesem Gegensatz schärft sich das Gespür der Propheten für das, was sie Sünde nennen.

Ebenso wenig wie der Monotheismus ist diese Sittlichkeit etwas Neues. Bereits im Dekalog ist sie niedergelegt. In ihr wurzelte das Auftreten Natans bei David (2 Sam 12) und Elijas bei Ahab (1 Kön 21).

Aber die Schriftpropheten kommen immer wieder auf dieses Thema zurück:

  • Die Sünde ist es, die den Menschen von Gott trennt (Jes 59,2).
  • Die Sünde ist ein Angriff auf den Gott der Gerechtigkeit (Amos),
  • auf den Gott der Liebe (Hosea)
  • und auf den Gott der Heiligkeit (Jesaja).

Man kann sagen, dass bei Jeremia, die Sünde sogar im Mittelpunkt seiner prophetischen Schau steht; sie erstreckt sich nach seiner Botschaft auf das ganze Volk, das endgültig verdorben und unbekehrbar erscheint (Jer 13,23).

Ein solches Überhandnehmen des Bösen fordert die Strafe Gottes, das große Gericht des "Tages Jahwes", ⋅5⋅ heraus. Die Ansage dieses bevorstehenden Unheils, das aus der Sünde resultiert, wird für Jeremia sogar zum Zeichen der wahren Prophetie (Jer 28,8-9).

Die Sünde verlangt als Sünde des ganzen Volkes bei Jeremia noch eine kollektive Bestrafung; der Gedanke einer individuellen Vergeltung klingt jedoch bereits in Jer 31,29-30 ⋅6⋅ an und wird dann in Ez 18 ⋅7⋅ nachdrücklich ausgesprochen.

b. Das rechte Verhalten vor Gott

Parallel zu diesem Bewusstsein der Schuld vertieft sich das Verständnis vom religiösen Leben.

Um der Strafe zu entrinnen, muss man "Gott suchen" (Am 5,4; Jer 50,4; Zef 2,3), das heißt - wie Zefanja näher ausführt - seinen Weisungen folgen, das Recht tun und in Demut, das heißt Dienmut, leben (vgl. Jes 1,17; Am 5,24; Hos 10,12; Mi 6,8).

Was Gott verlangt, ist eine Religion, die den ganzen Menschen, und allem voran sein Inneres, sein Herz, durchdringt. Dieses Durchdrungen sein, von dem was Gott vom Menschen möchte, wird bei Jeremia zu einer Bedingung des Neuen Bundes (Jer 31,31-34). Daher wenden sich die Propheten scharf gegen einen äußerlichen Vollzug von Riten, der von allem sittlichen Bemühen losgelöst ist (Jes 1,11-17; Jer 6,20; Hos 6,6; Mi 6,6-8). Es kommt darauf an, dass der Mensch durchdrungen ist vom Geist des Gotteswillens, der das ganze religiöse Leben und die äußeren Kulthandlungen beseelen muss.

Es wäre allerdings falsch, die Propheten als Gegner des Kultes an sich darzustellen. Für Ezechiel, Haggai und Sacharja sind der Tempel und der Kult zentrale Anliegen.

3. Die Erwartung einer heilvollen Zukunft

a. Der Rest Israels

Sitzbänke der antiken Synagoge von Gamla

Sitzbänke der antiken Synagoge von Gamla.

Foto-Button© Katholisches Bibelwerk Linz, Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz

Wichtig ist auch, dass Strafe für die Propheten nie das letzte Wort Gottes ist. Gott will sein Volk nicht ganz und gar verderben; mag es auch immer wieder von ihm abfallen. Gott geht seinem Volk nach und wird seine Verheißungen erfüllen. Er wird einen "Rest" des Volkes verschonen (Jes 4,3+).

Der Begriff vom "Rest Israels" taucht schon bei Amos auf (Am 5,15) und wird von den nach­fol­gen­den Pro­pheten näher entfaltet.

Dabei ist im Blick auf den "Rest Israels" wichtig, dass sich in der Botschaft der Propheten zwei Ebenen überlagern. Es geht in der Schau der Propheten einmal um die bevorstehende Bestrafung des Volkes, aber zum anderen auch um das endgültige und letzte Gericht Gottes.

Der "Rest" ist daher einmal der Teil des Volkes, der der gegenwärtigen Gefahr entrinnen wird, aber gleichzeitig auch der, der am Ende das Heil erlangen wird.

Der Unterschied zwischen beiden Ebenen zeigt sich im Verlauf der Geschichte Israels. Nach jeder Heimsuchung verstehen die Propheten unter dem "Rest" die Schar der Überlebenden:

  • die Bewohner, die in Israel oder in Juda nach dem Fall Samarias oder dem Feldzug Sanheribs übriggeblieben sind (Am 5,15; Jes 37,31-32),
  • die Verbannten in Babylon nach der Zerstörung Jerusalems (Jer 24,8)
  • oder etwa die aus dem Exil nach Palästina heimgekehrte Gemeinde (Sach 8,6. 11. 12; Esra 9,8. 13-15).

Diese Schar ist aber in jedem Zeitabschnitt gleichzeitig der Spross, der Wurzelstock, eines neuen heiligen Volkes, dem die Zukunft verheißen ist. ⋅8⋅

Diese Zukunft wird ein Zeitalter unerhörten Glückes sein. Die Verstreuten Israels und Judas (Jes 11,12-13; Jer 30-31) kehren heim in das Heilige Land, das mit wunderbarer Fruchtbarkeit gesegnet ist (Jes 30,23-26; 32,15-17), und das Volk Gottes nimmt Rache an seinen Feinden (Mi 4,11-13; 5,6-8).

Aber diese Erwartung materieller Fruchtbarkeit, Blüte und Macht ist nicht das Wesentliche. Sie begleitet nur das Kommen des Gottesreiches.

b. Das Kommen des Gottesreiches

Das Gottesreich setzt eine Lebenssphäre voraus, die ganz von der Sittlichkeit und ebenso von einer Geistigkeit durchdrungen ist:

Um sein Reich auf Erden zu errichten und zu regieren, wird Jahwe, der König, einen Stellvertreter haben, seinen Messias, d. h. seinen "Gesalbten", der durch die Salbung mit Königswürde bekleidet wird. Diese Erwählung vorausschauend, hatte Gott dem David durch den Mund Natans die Fortdauer seines Geschlechtes verheißen (2 Sam 7).

c. Die Messiasgestalt bei den Propheten

Was sagen die Propheten nun über den Messias?

  • Der Messias wird in der Tat der Nachkommenschaft Davids entstammen (Jes 11,1; Jer 23,5 = 33,15).
  • Wie David wird er aus Betlehem in Efrata hervorgehen (Mi 5,1).
  • Ihm werden die höchsten Titel verliehen (Jes 9,5)
  • und auf ihm ruht der Geist Jahwes mit dem ganzen Gefolge seiner Gaben (Jes 11,1-5).
  • Für Jesaja ist er עִמָּנוּ אֵל ["<immanu>el"], d. h. "Gott mit uns" (Jes 7,14)
  • für Jeremia יְהוָה צִדְקֵנוּ ["jahwe zidkenu"], d. h. "Jahwe, unsere Gerechtigkeit" (Jer 23,6), zwei Namen, in denen das reine Messiasideal zusammengefasst ist.

Diese große Hoffnung überlebte das Scheitern der Träume von Weltherrschaft und die bittere Lehre des Exils. Gerade in dieser Zeit stellen die Propheten den neuen David jedoch nicht so sehr als mächtigen König, denn als Mittler oder Hirten dar (Ez 34,23-24), der sich vor allem durch Demut auszeichnet (Sach 9,9).

Vor allem der Knecht Jahwes im zweiten Teil des Jesajabuches, erscheint als der Lehrer seines Volkes und das Licht der Völker, auch wenn er nicht ausdrücklich den Titel Messias trägt.

  • In Milde verkündet er das Gottesrecht;
  • ohne Ansehen wird er sein,
  • von den Seinen verworfen,
  • er aber bringt ihnen um den Preis seines eigenen Lebens das Heil. ⋅9⋅

Daniel schließlich sieht einen wie einen Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen, der von Gott die Herrschaft über alle Völker empfängt. Diese Herrschaft wird die Herrschaft über ein Reich sein, das nicht vergeht (Dan 7).

Von dieser Messiaserwartung ist die ganze Geschichte Israels durchzogen. Von ihr ist vor allem der nachexilische Glaube Israels getragen.

All die prophetischen Texte

  • über den Messias, aus dem Geschlecht Davids,
  • geboren zu Betlehem,
  • über den Friedenskönig des Sacharja
  • und den Leidensknecht des Deuterojesaja,
  • über das Immanuel-Kind, das Jesaja angekündigt,
  • und auch den Menschensohn himmlischen Ursprungs, den Daniel geschaut hatte,

alle diese prophetischen Texte hat dann das Neue Testament auf Jesus bezogen.

Wie jetzt die Messiasvorstellung Israels genauerhin zu denken ist, wird im einzelnen im Zusammenhang mit den Zentralthemen des Alten Testamentes näher beleuchtet werden müssen.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Alfons Deissler, Anton Vögtle (Hrsg.), Neue Jerusalemer Bibel (Freiburg / Basel / Wien 1985) 1009-1012. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Hos 2,7-15; Jer 2,5-13. 27-28; 5,7; 16,20. Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: Jes 40,19-20; 41,6-7. 21-24; 44,9-20; 46,1-7; vgl. Jer 10,1-16, und später der Brief des Jeremia, Bar 6, sowie Dan 14. Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: Jes 6 und öfter: 14; 5,19. 24; 10,17. 20 usw., aber auch Hos 11,9; Js 40,25; 41,14. 16. 20 usw.; Jer 50,29; 51,5; Hab 1,12; 3,3. Zur Anmerkung Button

5 Vgl.: Jes 2,6-22; 5,18-20; Hos 5,9-14; Joel 2,1-2; Zeph 1,14-18. Zur Anmerkung Button

6 Vgl. Dtn 24,16. Zur Anmerkung Button

7 Vgl. Ez 33,10-20. Zur Anmerkung Button

8 Vgl.: Jes 11,10; 37,31; Mi 4,7; 5,6-7; Ez 37,12-14; Sach 8,11-13. Zur Anmerkung Button

9 Vgl.: Jes 42,1-7; 49,1-9 50,4-9 und vor allem 52,13-53,12. Zur Anmerkung Button