Der Isenheimer Altar

und seine Botschaft


Zurück-Button Das Schriftband an der Paradiesespforte des Breisacher Münsters

Die Entschlüsselung dieses Textes ist Mischa von Perger zu verdanken, dem im Vergleich mit elektronisch aufbereiteten Quellentexten die Zuordnung dieses anonymen Zitates gelang. Die Inschrift lautet:

"HUC OMNES PARITER UENITE CAPITI,
QUOS FALLAX LIG (AT) IMPROBIS CATENIS
TERRENAS HA(B)ITANS LI(BIDO) ME(NTES:
HAEC) ERIT UOBIS REQUIES LABORUM
HIC PORTUS PLACIDA MANENS QUIET(E,
H)ANC QUISQUIS POTERIT NOT(ARE LUCEM)
CANDIDOS P(HOEBI RADIOS NEGABIT)"

Zu Deutsch:

"Hierher kommt alle gleichermaßen, ihr Gefangenen
Die ihr in schändlichen Ketten gebunden seid
durch die trügerische Begierde, die im irdischen Denken wohnt.
Hier werdet ihr von den Mühen ausruhen
Hier der Hafen, der in lieblicher Ruhe bleibt
Wer hier dieses Licht wahrzunehmen vermag
der wird leugnen die Strahlen von Phöbus"

Der Text stammt aus einer der berühmtesten spätantiken Schriften, der "Philosophiae Consolatio" - "Trost durch die Philosophie" - des Boethius (480-546 n. Chr.). In fünf Büchern beschreibt er, wie er verbannt wurde, in Arrest kam und das Todesurteil gesprochen bekam. Da besucht ihn eine Frau: die Philosophie. Sie führt ihn zum Glauben an die unumschränkte Güte Gottes zurück.

Die auf dem Breisacher Wandgemälde zitierten Verse gehören zum 10. Gedicht des 3. Buches. Die Inschrift erläutert im neuen Zusammenhang des Gemäldes vom Jüngsten Gericht, woher die Menschen kommen, die zur Paradieses-Pforte aufsteigen. Sie haben sich von der Knechtschaft unter die Begierde gelöst. Das "pariter" - "gleichermaßen" - meint dabei, dass hier Männer und Frauen, die verschiedensten Stände, alle Menschen ohne Unterschied, angesprochen sind.

Auch wird das Paradies näher umschrieben: Es ist Platz zum Ausruhen von den Mühen des Lebens, ein überirdisch lichter göttlicher Frieden.

Zurück-Button Literaturhinweise

Vergleiche zu den Inschriften:
Mischa von Perger, Die Inschriften in Martin Schongauers "Jüngstem Gericht" im Breisacher Münster, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 63, Heft 2, 2000, 153ff.
Die Ergebnisse sind zusammengefasst in:

Erwin Grom, Was bedeuten die Inschriften in Martin Schongauers "Jüngstem Gericht"?, in: Hermann Metz, Erwin Grom, Unser Münster - Die Informationsschrift des Münsterbauvereins Breisach e. V. (2003/2) 3-5.