Der Isenheimer Altar
und seine Botschaft
Leben und Offenbarungen der heiligen Brigitta
Nach der Übersetzung von Ludwig Clarus (1888) digitalisiert und bearbeitet von Gertrud Willy
Nachträglich hinzugefügte Offenbarungen, welche man die Extravaganten zu nennen pflegt.
- Vorrede.
- Kapitel I. - In betreff des zweiten Kapitels der Regel des heiligen Welterlösers befiehlt Christus dem Schreiber der Regel, die Stufen der wahren Demut zu erklären und auszulegen.
- Kapitel II. - Als Prior Peter beim dritten und vierten Kapitel der Regel des heiligen Welterlösers im Zweifel war, ob etwas über die Schlafstellen oder die Anzüge hinzuzufügen, befahl Christus, er solle hinzusetzen, was nützlich und notwendig sei.
- Kapitel III. - Bei Gelegenheit des fünften Kapitels der Regel des heiligen Welterlösers, betreffend die Tagzeiten, den Gottesdienst, Gesang u. s. w., vergleicht Christus die menschliche Natur mit einer belagerten Stadt, welche ein Armer, nämlich die heiligste Jungfrau Maria, durch ihre Weisheit entsetzte; Unterscheidung der Armen am Geiste von den Armen an Gütern, und nicht am Geiste. Er sagt auch, daß der Gesang der Brüder in seinem Kloster dem Gesange der Schwestern vorausgehen soll, und daß die Schwestern die Zeit in acht nehmen und ihren Gesang etwas leiser und langsamer anstimmen sollen, als die Brüder.
- Kapitel IV. - Christus sagt, daß im Gesange der Schwestern vom Orden des Welterlösers kein Fürwitz herrschen, sondern derselbe ein Lied wohllautenden Lobes sein solle.
- Kapitel V. - Wie sehr Magister Petrus bei der Feier der Messe und beim Angeben des Gesanges der Schwestern vom Erlöser Gott gefallen, erhellt aus folgender Offenbarung.
- Kapitel VI. - Die Jungfrau Maria erzählt hier, wie lieb Gott und ihr der Magister Petrus, der heiligen Brigitta Beichtvater, sei, und lobt den Gesang der Schwestern des heiligen Welterlösers.
- Kapitel VII. - Die Mutter Gottes zeigt der seligen Brigitta, wie angenehm Gott und ihr der Gesang der Schwestern vom Orden des heiligen Welterlösers sei.
- Kapitel VIII. - Christus befiehlt der Braut, nach Rom zu gehen. Sie weilte daselbst fünfzehn Jahre lang in großer Trübsal, ward aber durch Christum und die Jungfrau Maria getröstet. Wie die Anordnung getroffen worden, daß der Gesang: Ave maris stella im im Orden des heiligen Welterlösers nach der Vesper der Brüder gesungen werden soll.
- Kapitel IX. - Christus sagt, wie die Schwestern und Brüder alle Freitage die sieben Bußpsalmen lesen sollen.
- Kapitel X. - Christus erklärt, weshalb man in den Klöstern vom Orden des heiligen Welterlösers durchaus keine Orgeln haben solle.
- Kapitel XI. - In Bezug auf das sechste, siebente und achte Kapitel der Regel des heiligen Welterlösers sagt Christus, wie die Äbtissin mit den Handwerksleuten im Kloster in Kürze reden möge, und um welcher Ursachen willen die Äbtissin oder Schwestern und der Beichtvater oder die Brüder außerhalb des Klosters sich begeben können.
- Kapitel XII. - Eine andächtige Unterweisung, durch welche die Äbtissin mit den Schwestern und der Beichtvater mit den Brüdern des Ordens vom heiligen Welterlöser belehrt wird, die Zeit, welche zwischen den Tagzeiten an den Feiertagen inne liegt, weislich hinzubringen.
- Kapitel XIII. - In Bezug auf das neunte Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser, nämlich das Fasten, sagt Christus, daß ihm Demut und besonnene Bescheidenheit besser gefalle, als Fasten, und daß denen, welche bei Brot und Wasser fasten, Gemüse zu essen erlaubt ist.
- Kapitel XIV. - Christus unterscheidet drei Stufen von Sündern und sagt, daß in der neuen Regel des Ordens vom heiligen Welterlöser, die er selber eingegeben, alle Liebe, Demut und Bescheidenheit gewahrt werden soll.
- Kapitel XV. - Daß auch gesunden Personen aus dem Orden des heiligen Welterlösers aus gewissen Ursachen und zu gewissen Zeiten Bäder nicht verboten werden sollen.
- Kapitel XVI. - Zum zehnten Kapitel der Regel des heiligen Welterlösers, in Bezug auf die Weise der Prüfung, Aufnahme und Weihe der Personen.
- Kapitel XVII. - Eine schöne Lehre, nach welcher sich die Jungfrauen und auch andere, welche sich zur Regel vom heiligen Welterlöser bekennen wollen, achten und bei Befolgung der Regel halten sollen.
- Kapitel XVIII. - Zum zwölften Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser, welches von den Tagzeiten der Brüder und der Zahl der Brüder und der Schwestern handelt.
- Kapitel XIX. - Als die selige Brigitta sich um die Personen kümmerte, welche in den Orden vom heiligen Welterlöser eintreten sollten, hörte sie von der seligen Jungfrau, daß von Gott für dieselben gesorgt sei, daß aber einige von ihnen sich wider Christi Worte auflehnen würden.
- Kapitel XX. - Beim vierzehnten Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser, nämlich bezüglich der Wahl der Äbtissin, unterscheidet der Sohn Gottes drei ihm am meisten gefallende Stände unter den Menschen. Auch will er nicht, daß eine Schwester, die in einer außerehelichen Verbindung geboren, zur Äbtissin erwählt werde.
- Kapitel XXI. - Christus sagt, daß die Äbtissin eine reine und bewährte Jungfrau und exemplarisch von Wandel sein soll, und daß in Ermanglung einer solchen Jungfrau eine demütige und bewährte Witwe zur Äbtissin genommen werden kann.
- Kapitel XXII. - Christus sagt, weshalb und wie die Äbtissin vom Orden des heiligen Welterlösers segnen soll.
- Kapitel XXIII. - Zum fünfzehnten Kapitel der Regel des heiligen Welterlösers, daß die Brüder dem göttlichen Predigtamte, dem Studieren und Gebete obliegen sollen. Christus zeigt, wie und was man dem Volke predigen soll.
- Kapitel XXIV. - Gesicht zum zwanzigsten Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser, Wie die Jungfrau Maria mit dem Teufel gestritten und den Ort Wadstena rechtlich ersiegt, um dort ihr Kloster zu gründen; Christus hat denselben mit vielen Gnaden ausgestattet und ihr zuerkannt und geschenkt.
- Kapitel XXV. - Christus erklärt der heiligen Brigitta, weshalb die Stadt Jericho zerstört worden, und stellt eine Art Vergleichung mit der Stätte ihres Klosters Wadstena und dessen Bewohnern an.
- Kapitel XXVI. - Christus redet zur Braut vom Ungehorsame eines Königs von Schweden, daß derselbe nämlich nicht zum Papste gegangen wegen Lossprechung von seinen Sünden, noch wider die Heiden, auch spricht er von der Stadt Jericho und dem Orte und Kloster Wadstena.
- Kapitel XXVII. - Der Sohn Gottes zeigt der seligen Brigitta, wie ein König um seiner Sünden willen nicht würdig war, sich ein Haus, nämlich das Kloster zu Wadstena, zu erbauen.
- Kapitel XXVIII. - Christus zeigt hier der heiligen Brigitta die Lage, die Ausdehnung und Anordnung der Kirche des Klosters Wadstena und des Chores der Brüder, des Sprechraumes zwischen Schwestern und Brüdern, die Gewölbe, Altäre, Türme, Kreuzgänge, Säulen des Chores der Schwestern, der Fenster und des Sprachzimmers für die Weltleute.
- Kapitel XXIX. - Gesicht, welches die heilige Brigitta über die Einrichtung und Lage der Räume hatte, worin die Schwestern und Brüder einander und mit Weltlichen sprechen können; von der Wohnung der Brüder, vom Obstgarten der Schwestern, und der Krankenräume.
- Kapitel XXX. - Christus teilt der heiligen Brigitta die Einrichtung seines Hauses mit, unter welchem besonders das Kloster Wadstena und der Orden vom heiligen Welterlöser verstanden wird u. s. w.
- Kapitel XXXI. - Christus sagt hier, was für Gemälde im Kloster vom heiligen Welterlöser sein sollen, und daß die Kirche drei Pforten haben müsse. Von der geheimnisreichen Bedeutung derselben.
- Kapitel XXXII. - Christus begehrt von der Reichsgemeinde einige Hilfe zur Vollendung des Klosters von Wadstena.
- Kapitel XXXIII. - Daß die Äbtissin vom Orden des heiligen Welterlösers vier gut beleumundete Männer zu Brüdern außerhalb des Klosters annehmen soll. Von der Kleidung und Weise derselben, zu leben.
- Kapitel XXXIV. - In betreff des achtzehnten Kapitels der Regel vom heiligen Welterlöser unterscheidet Christus dreizehn Altäre, welche den dreizehn Aposteln nach ihren dreizehn hervorragenden Tugenden gewidmet werden sollen.
- Kapitel XXXV. - Zum zwanzigsten Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser sagt Christus, daß die Schwestern vier Köchinnen, und ähnlicherweise die Brüder zwei Köche in der Klausur haben dürfen, um der Arbeit willen u. s. w.
- Kapitel XXXVI. - Zum einundzwanzigsten Kapitel der Regel vom Welterlöser bemerkt Christus, wie die Ordensgenossen das Gewürz gebrauchen sollen.
- Kapitel XXXVII. - In betreff des zweiundzwanzigsten Kapitels der Regel vom heiligen Welterlöser nennt sich Christus einen Vater aller Erschaffenen und Neuerschaffenen und derer, welche seine Gebote halten. Er nennt auch Maria seine Mutter und Tochter, die Schwestern vom Orden des heiligen Welterlösers seine und Marias Töchter. Er gestattet ihnen, seinen Leib zu haben, und im Falle der Not, jedoch nur mit Genehmigung der geistlichen Vorgesetzten, zu den Kranken zu tragen, und lobt gar sehr die jungfräuliche Keuschheit.
- Kapitel XXXVIII. - Christus ordnet hier an, was für ein Estrich in seinem Kloster sowohl für die Welt-, als für die Klosterleute sein soll; wie derselbe, wenn dort einige begraben worden, wieder herzustellen, und wer in der Kirche zu begraben.
- Kapitel XXXIX. - Aus Anlaß des sechsundzwanzigsten Kapitels der Regel vom heiligen Welterlöser zeigt die Jungfrau Maria dreierlei Beschaffenheiten der in diesen Orden eintretenden Personen an. Die ersten sind, welche von Liebe entzündet die Wohlthaten Gottes betrachten. Die zweite Art sind diejenigen, welche wegen ihrer Sünden Buße thun. Die dritte Art sind die, welche mehr die Werke des Fleisches, als des Geistes, mehr die Welt, als Gott lieben. Sie wünscht auch diesem Orden und den ihm ergebenen Andächtigen verschiedenen Segen Gottes, und fügt den Grund hinzu, weshalb der Tempel der Juden nicht wieder auferbaut werden wird.
- Kapitel XL. - Christus unterscheidet hier dreierlei Früchte, d. h. dreierlei Stände von Personen, welche sich unter der Regel vom heiligen Welterlöser befinden werden.
- Kapitel XLI. - Christus gebietet der heiligen Brigitta, mach Rom zu gehen, und verheißt den Fortgang der Regel vom heiligen Welterlöser.
- Kapitel XLII. - Christus befiehlt der heiligen Brigitta, wegen Bestätigung der Regel vom heiligen Welterlöser an den Kaiser zu schreiben.
- Kapitel XLIII. - Christus zeigt durch die heilige Brigitta einem Könige, welcher ungehorsam gegen ihn ist, den Weg, auf dem er versöhnt werden kann.
- Kapitel XLIV. - Eine Offenbarung vom Ablasse zu St. Peter in den Ketten und der Bestätigung der Regel vom Welterlöser.
- Kapitel XLV. - Christus befiehlt durch die heilige Brigitta dem Prior Petrus zu Alvastra, die Regel vom Orden des heiligen Welterlösers niederzuschreiben.
- Kapitel XLVI. - Christus befiehlt der heiligen Brigitta, dem Herrn Petrus, Prior von Alvastra, zu sagen, was für eine Regel man im Kloster des heiligen Welterlösers haben soll, und fügt den Grund hinzu, weshalb er hierüber mit ihr, aber nicht mit anderen rede.
- Kapitel XLVII. - Wie die heilige Brigitta göttliche Offenbarungen zu haben angefangen, und warum.
- Kapitel XLVIII. - Ein Gesicht, wie Christus den Herrn Petrus, damaligen Subprior von Alvastra, zum Schreiber gegenwärtiger Offenbarungen bestellt, und als er dieses ablehnte, gestraft hat, bis er einwilligte; es wird die Ursache vorangeschickt, weshalb diese Dinge geoffenbart sind.
- Kapitel XLIX. - Christus vergleicht sich, indem er diese Offenbarungen giebt, einem Bildhauer, und sendet dieselben nachher an den Herrn Bischof Alfonso, welcher damals Einsiedler war, um dieselben zu erläutern; er sagt auch, wie der heilige Geist seine Auserwählten zuweilen sich selber überläßt.
- Kapitel L. - Die Jungfrau Maria preist hier Christum auf fünffache Weise. Christus rühmt sie seinerseits, und meldet weiter von der Erschaffung und dem Falle der Engel, und der Erneuerung der Menschen und seiner Menschwerdung, wobei er sich mit einem Vogel vergleicht, der nichts genießt, als ein frisches, Herz.
- Kapitel LI. - Christus zeigt hier einem Erzbischofe, weshalb er diese Worte hat offenbaren wollen. Er beklagt sich über alle Stände der Menschen, legt den Verlauf seines Leidens dar und sagt, daß dieses vernachlässigt, er selber aber verachtet werde. Er befiehlt auch diesem Erzbischofe, für diese Offenbarungen zu arbeiten, dem Könige von Schweden aber, wider die Heiden zu ziehen, und dem Bischofe von Abo, die Angelegenheit vor den Papst zu bringen. Er fügt hinzu, daß es dreierlei Arten von Teufeln giebt, durch welche die Menschen besessen werden.
- Kapitel LII. - Die heilige Brigitta schuldigt sich hier vor der seligen Jungfrau wegen Nichtbezähmung und Unbeständigkeit des Willens an. Trostreiche Antwort der Jungfrau.
- Kapitel LIII. - Christus verwirft durch sein Leiden die Sorgfalt in Einrichtung der Gebäude und die fleischliche Lust.
- Kapitel LIV. - Ein geistliches Gesicht von einem Topfe und einer angenehmen Speise, und einem kleinen Feuer unter dem Topfe. Von einem in Gold gekleideten Manne, der um den Topf her arbeitete, und was darunter verstanden wird.
- Kapitel LV. - Eine Erzählung vom herrlichen Verdienste der Heiligkeit der heiligen Brgitta, welche der Bruder Gerrechinus vom Kloster Alvastra, ein Mann von großer Heiligkeit, geschaut und vorausverkündigt hat.
- Kapitel LVI. - Herr Wulf Gudmarson, seligen Gedächtnisses, weiland der seligen Brigitta frühverstorbener Gemahl, erschien ihr und zeigte ihr die Ursachen, weshalb er sich im Fegfeuer befinde, erklärte ihr auch die Mittel seiner baldigen Erlösung.
- Kapitel LVII. - Als die Braut Christi einst vom Geiste-der Unmäßigkeit versucht ward, gab ihr der Engel eine Norm und Vorsichtsmaßregel, solchen Versuchungen zu entgehen.
- Kapitel LVIII. - Die Jungfrau Maria sagt, daß alles Fasten und andere verdienstliche Werke in Gehorsam und mit Klugheit zu vollbringen sind. Sie sagt auch, daß drei Dinge beim Fasten sein sollen.
- Kapitel LIX. - Man soll die Reliquien der Heiligen in Ehren halten.
- Kapitel LX. - Christus erklärt hier, wie die Bäder oder andere körperliche Arzneien, wenn sie von den Auserwählten mit Klugheit gebraucht werden, Gott nicht mißfallen.
- Kapitel LXI. - Daß ein frommer Brauch um des Gehorsams willen geändert werden darf.
- Kapitel LXII. - Wie die heilige Brigitta sich vom Teufel hinweg und gänzlich Gott zugewendet hat und wie groß die Bosheit des Teufels wider Gott ist.
- Kapitel LXIII. - Worte der heiligen Brigitta zur Jungfrau Maria von ihrer Liebe gegen sie, und der Jungfrau liebevolle Erwiderung.
- Kapitel LXIV. - Die heilige Brigitta beweist hier, daß die Jungfrau Maria in zweifacher Weise die liebreichste Frau sei. Von fünf Versuchungen, welche geistlich Gesinnten Hindernisse zu bereiten pflegen.
- Kapitel LXV. - Christus offenbart hier der Braut für sich und ihr Hausgesinde eine Art, nach der Regel zu leben.
- Kapitel LXVI. - Hier wird der heiligen Brigitta zu sehen verstattet, wie Christus gewesen ist.
- Kapitel LXVII. - Sehr tröstliche Worte, welche die Jungfrau Maria an die selige Brigitta während deren letzten Krankheit gerichtet hat.
- Kapitel LXVIII. - Die heilige Jungfrau erklärt hier, was es heißt, geistlich sterben oder leben.
- Kapitel LXIX. - Ein Gebet der heiligen Brigitta an die heilige Maria, und Antwort der Jungfrau, worin sie die Tochter der Braut, die selige Katharina, lobt.
- Kapitel LXX. - Christus verheißt, er wolle für seine Braut und die Ihrigen um der Liebe willen Vorsorge tragen.
- Kapitel LXXI. - Der heilige Johannes der Täufer redet mit der seligen Brigitta von einem, den man für den Magister Petrus Olafson, ihren Beichtvater, hält, von welchem oben die Rede gewesen ist.
- Kapitel LXXII. - Der heilige Botvid hat der der seligen Brigitta die Gnade verdient, Geistliches zu schauen.
- Kapitel LXXIII. - Daß um der bösen Fürsten willen zuweilen Königreiche zerstört werden, und wie ein König sich gegen Gott verhalten soll.
- Kapitel LXXIV. - Eine schwere Drohung Gottes in Bezug auf die Kriegsverfassung eines Königreiches. Wie aber um dreier Dinge willen die Gerechtigkeit Gottes gemildert werden kann.
- Kapitel LXXV. - Christus zeiht eine Frau schwerer Übertretungen und zeigt ein Gericht, das dieselben verdienen, und wie er um der Buße und Genugthuung willen die Gerechtigkeit in Barmherzigkeit verwandelt.
- Kapitel LXXVI. - Es folgt eine andere Offenbarung.
- Kapitel LXXVII. - Schwere Bedrohung des Königreiches Schweden.
- Kapitel LXXVIII. - Von fünf Königen dreier Königreiche, welche unvernünftigen Tieren ähnlich sind, und wie der sechste König erhoben und gestürzt werden wird. Drohung Christi über Städte und Königreiche.
- Kapitel LXXIX. - Christus redet von zweien, welche in unähnlicher Weise ein bischöflicher Stoff genannt worden. Er giebt hier den Bischöfen eine sehr gute Lehre, sich in der Gnade zu erhalten und die Versuchungen zu fliehen.
- Kapitel LXXX. - Die selige Jungfrau giebt hier den Fürsten eines Reiches etliche Ratschläge, um den König dieses Reiches von seinen Übertretungen abzuhalten.
- Kapitel LXXXI. - Erklärung einer besonderen Gnade der seligen Brgitta.
- Kapitel LXXXII. - Christus ermahnt die Menschen barmherziglich zur Betrachtung seiner Werke und ladet die Sünder unter Androhung schrecklicher Strafe und ewigen Wehes zur Buße ein.
- Kapitel LXXXIII. - Aus dreierlei Dingen erkennt man, daß Christus bei seinem Tode wahrer Gott und Mensch gewesen, und daß Christus drei Freunde in der Welt gehabt, die sich nun von ihm abgewandt haben.
- Kapitel LXXXIV. - Christus will an die Stelle der schlechten Christen die Heiden erwählen, wie der Thonbildner, wenn ihm ein Bild mißrät, ein anderes macht.
- Kapitel LXXXV. - Drei Dinge sind am Leibe und dreierlei an der Seele nötig, wie auch im himmlischen Heere ein dreifaches Gut ist. Von einem Bischofe, einem Freunde Christi und der Jungfrau Maria. Wie sich der in Erquickung seines Leibes zu verhalten hat, der auch diese Worte Christi den bösen Christen überbringen soll.
- Kapitel LXXXVI. - Weshalb die Freude am Weltlichen und die falsche Sicherheit gefährlich ist.
- Kapitel LXXXVII. - Der Gnade des heiligen Geistes sind diejenigen nicht würdig, welche von den Sünden nicht ablassen wollen.
- Kapitel LXXXVIII. - Den Dürftigen Geld leihen, aber ohne Zinsen, ist verdienstlich.
- Kapitel LXXXIX. - Ein Gesicht, wie die Mutter Christi allen denen hilft, welche sich mit Gott versöhnen wollen, und denen die Pein verkürzt, welche verdammt werden sollen. Und von der Bosheit des Teufels wider die Menschen.
- Kapitel XC. - Christus lobt den heiligen Franziskus, straft aber dessen Brüder, und fügt hinzu, daß er ihm den Ablaß gegeben habe, welcher zu Assisi ist.
- Kapitel XCI. - Alle Worte der Bibel sind von Gott ausgegangen und wie kostbare Edelsteine.
- Kapitel XCII. - Wie der heilige Dionysius die Braut Christi tröstet, als ihr Gemahl auf einer Pilgerfahrt erkrankt war.
- Kapitel XCIII. - Als der Teufel sie mit dem Adel ihres Geschlechtes und der Liebe Gottes versuchte, antwortete die heilige Brigitta und sprach:
- Kapitel XCIV. - Wie die heilige Brigitta die Haare der seligen Jungfrau Maria erhalten.
- Kapitel XCV. - Gesicht von einem Topfe über einem Feuer, einem Knaben, der dasselbe anblies, und der überflüssigen Liebe gegen die Kinder.
- Kapitel XCVI. - Daß der Gehorsam zum Himmel einführt.
- Kapitel XCVII. - Christus nennt eine Hütte eine Kammer des Heiles und gebietet der heiligen Brigitta, darin zu wohnen.
- Kapitel XCVIII. - Standhaftigkeit der heiligen Brigitta beim Tode ihrer Tochter. Wer wahrhaft eine Mutter und eine Stiefmutter ist, und wie Töchter erzogen werden sollen.
- Kapitel XCIX. - Christus erläßt seiner Braut das Gelübde des Fastens im Advent des Herrn.
- Kapitel C. - Wie ein Bildnis des Gekreuzigten einer Frau, welche die selige Brigitta wie auf einer Säule stehen sah, ihr Ende voraussagte.
- Kapitel CI. - Einer gewissen Dame Wallfahrt, Tod und Errettung, welche der Teufel, da sie noch lebte, gereinigt hat.
- Kapitel CII. - Wie ein Bischof, welcher die Welt liebte und vom Teufel betrogen worden, ohne Frucht gestorben ist.
- Kapitel CIII. - Christus tröstet die Braut, als sie wegen Bezahlung ihrer Schulden in Unruhe war, und sagt ihr voraus, es werde ein Bote mit Geld kommen.
- Kapitel CIV. - Christus offenbart der heiligen Brigitta die Gedanken eines Bischofs, der sie verurteilt, weil sie ißt, aber dennoch ein Freund der Jungfrau Maria ist.
- Kapitel CV. - Worte Christi, welche die heilige Brigitta dem Abte von Farfa mitteilte, damit er sich bessern möchte.
- Kapitel CVI. - Wie die Braut Christi ein Stücklein vom wahren Kreuze Christi erhalten, das, jetzt verachtet, schrecklich erscheinen wird.
- Kapitel CVII. - Wie Christus seine Braut durch den Mangel eines Unterkommens für sich und die Ihrigen in Rom einen Monat lang in Trauer ließ, nachher sie aber tröstete.
- Kapitel CVIII. - Vom seligen Briaulph, einem Bischofe von Skara. Wie angenehm derselbe Gott und der Jungfrau Maria gewesen.
- Kapitel CIX. - Wie der Schreiber gegenwärtiger Offenbarungen von einem langwierigen Kopfweh geheilt worden.
- Kapitel CX. - Daß von den Durstigen dasjenige, was ihnen gereicht wird, mit Dank angenommen werden soll.
- Kapitel CXI. - Die Güter der Geistlichen sind ein Eigentum Christi, Derselbe will, daß die Armen davon unterhalten werden sollen.
- Kapitel CXII. - Wie übel es ist, die Freunde Gottes zu beunruhigen.
- Kapitel CXIII. - Daß der Gesang der Schwestern vom Orden des heiligen Welterlösers und die Tagzeiten, welche Magister Petrus, der Beichtvater der heiligen Brigitta, angegeben, sowie die Lektion in der Frühmette und die Regeln vom heiligen Geiste sind.
- Kapitel CXIV. - Der heilige Geist erleuchtet in zweifacher Weise des Menschen Verstand, und die Lesung und der Gesang der Schwestern des Ordens vom heiligen Welterlöser sind aus dem heiligen Geiste.
- Kapitel CXV. - Noch von demselben Magister Petrus.
- Kapitel CXVI. - Wie süß und lieb Gott der heiligen Brigitta gewesen, und sie Gott.
Nachträglich hinzugefügte Offenbarungen, welche man die Extravaganten zu nennen pflegt.
Vorrede.
Nachdem der vormalige Bischof von Jaen und später gar fromme Einsiedler Don Alfonso auf Christi Befehl die himmlischen, an die heilige Brigitta ergangenen Offenbarungen in Bücher abgeteilt hatte, brachte der Herr Pater Prior von Alvastra, der erste Aufschreiber dieser Offenbarungen, einige andere Offenbarungen, welche in den Originalhandschriften ausgelassen waren, auf Zetteln und Blättern zusammen. Dieselben übergab er in Gegenwart des ehrwürdigen Vaters seligen Andenkens, des Herrn Nikolaus, damaligen Bischofs von Linköping, und sehr vieler anderer geistlichen und weltlichen Herren, den ersten Brüdern des Klosters Wadstena, und beteuerte beim Worte der Wahrheit, wie diese und mehrere andere Offenbarungen, welche er in seinem Kloster Alvastra aufbewahrt behalten, der seligen Brigitta von Gott eröffnet und durch ihn aus ihrem Munde getreulich übersetzt und niedergeschrieben worden. Einige dieser Offenbarungen sind wegen der Übereinstimmung, welche sie mit den in der Originalsammlung enthaltenen zeigen, nach sorgfältiger Erforschung der Originalsammlung, in frommer Absicht hier und da einverleibt. Die übrigen aber sind 121 sorgfältig in ein besonderes Buch zusammengetragen und in aufeinanderfolgender Zahl, wie nachstehend zu ersehen, geordnet. Obwohl nun diese Offenbarungen von Einigen Extravaganten, d. h. nachträglich zusammengetragene genannt werden, weil dieselben anfänglich in die Originalsammlung der himmlischen Offenbarungen nicht aufgenommen worden, so glaubt man doch frommerweise, daß sie aus eben der Quelle der Weisheit Gottes, woher auch, wie wir wissen, die anderen alle geflossen, wirklich hervorgegangen sind. Weil aber die meisten dieser Extravaganten entweder ganz oder zum Teil die Regel des heiligen Welterlösers betreffen, werden dieselben in der nachfolgenden Zusammenstellung als der Regel näher den anderen vorangestellt. Die übrigen jedoch, welche die verschiedenen Stände der Menschen abmahnen von Mißbräuchen und Fehlern, oder Vorbilder im Wandel und den Tugenden aufstellen, folgen ausführlicher bis an das Ende des Buches nach. Die Wahrheit dieser Offenbarungen aber, und daß dieselben von Gott geschehen sind, wird nach den Zeugnissen des Herrn Priors Petrus und der seligen Katharina, der Tochter der heiligen Brigitta, welche dieselben bei der Heiligsprechung der oft gedachten heiligen Brigitta abgelegt haben, wohl meist einem jeden, welcher die Zeugnisse mit treuem Sinne in Betracht zieht, einleuchten.
Kapitel I.
In betreff des zweiten Kapitels der Regel des heiligen Welterlösers befiehlt Christus dem Schreiber der Regel, die Stufen der wahren Demut zu erklären und auszulegen.
Christus sprach: "Wenn jemand ein schönes Gefäß hat und sagt, es seien wohlriechende Spezereien darin, wer glaubt es ihm, oder was nützt es, wenn er dieselben nicht auslegt und ihre Art und Kräfte sehen läßt? So ist es auch mit den Tugenden. Es predigte einer: Die Demut ist eine Tugend. Was nützt es aber dem, welcher dieses hört, wenn ihm nicht ihre Wurzeln und Stufen gezeigt werden, noch auch, wie man dieselbe sich aneignet und erhält? Darum und weil die Demut eine vollkommene Tugend ist, die ich an mir selber habe sehen lassen, soll Dein Beichtvater mit wenigen 122 Worten die Grade der Demut erklären, welche er aus der Regel meines Benedikt gelernt, auf daß die Töchter meiner Mutter den Anfang der Tugenden, auf welchem sie ihren Bau befestigen sollen, lernen mögen."
Kapitel II.
Als Prior Peter beim dritten und vierten Kapitel der Regel des heiligen Welterlösers im Zweifel war, ob etwas über die Schlafstellen oder die Anzüge hinzuzufügen, befahl Christus, er solle hinzusetzen, was nützlich und notwendig sei.
Der Sohn Gottes sprach: "Weshalb weiß der Bruder nicht, was wegen der Schlafstellen und Kleider anzuordnen ist. Habe ich ihm denn nicht durch Dich gezeigt, wie mein Diener Benedikt seinen Leib wie einen Sack behandelte und wie das Gewand des Benedikt beschaffen sein muß? Darum soll er um der Schwachen willen manches hinzusetzen, was ihm nützlich und notwendig ist und geduldet werden mag, jedoch nichts Überflüssiges; jene aber, denen ich die Gnade größeren Abbruches geben werde, werden die Kälte nach Maßgabe der inneren Wärme mildern."
Kapitel III.
Bei Gelegenheit des fünften Kapitels der Regel des heiligen Welterlösers, betreffend die Tagzeiten, den Gottesdienst, Gesang u. s. w., vergleicht Christus die menschliche Natur mit einer belagerten Stadt, welche ein Armer, nämlich die heiligste Jungfrau Maria, durch ihre Weisheit entsetzte; Unterscheidung der Armen am Geiste von den Armen an Gütern, und nicht am Geiste. Er sagt auch, daß der Gesang der Brüder in seinem Kloster dem Gesange der Schwestern vorausgehen soll, und daß die Schwestern die Zeit in acht nehmen und ihren Gesang etwas leiser und langsamer anstimmen sollen, als die Brüder.
"Die Schrift, welche ihr die Bibel nennt, und wir die goldene heißen, meldet, daß ein Armer eine Stadt, die durch einen Mächtigen belagert worden, durch seine Weisheit entsetzt, daß aber dieses Armen nachmals niemand gedacht habe. Diese Stadt ist die mensch- 123 liche Kreatur, welche der Teufel an vier Seiten belagert, denn er hält den Menschen mit einer vielfachen Sünde umlagert: mit dem ungehorsame gegen das göttliche Gebot, mit der Übertretung des natürlichen Gesetzes, mit schädlicher Begierlichkeit, mit Verhärtung des Herzens. Diese Kreatur hat auf gewisse Weise meine heiligste Mutter befreit, als sie allen ihren Willen in meine Hände überantwortet und lieber alle Trübsal deshalb, damit die Seelen errettet würden, hat leiden wollen. Denn das ist die wahre göttliche Weisheit, sein ganzes Wollen und Können Gott befehlen und auch an widerwärtigen Dingen um Gottes willen einen Gefallen finden. Um dieses Willens halber bin ich, Gott, von Ewigkeit her der Sohn Gottes, Mensch in der Jungfrau geworden, deren Herz gleichsam mein Herz war, und deshalb kann ich wohl sagen, daß meine Mutter und ich den Menschen gleichsam mit einem Herzen erlöst haben, ich durch das Leiden im Herzen und Fleische, sie durch den Schmerz des Herzens und durch die Liebe. Diese Jungfrau war fürwahr arm, denn sie begehrte nichts vom Reichtume der Welt, und an ihrem Geiste haftete nicht die mindeste Sünde. Es giebt solche, die arm an Gütern, aber voll im Geiste sind, d. h. von Begierlichkeit und Hoffart; diese sind nicht die Armen, welche ich im Evangelium bezeichnet habe. Andere sind reich an Gütern, aber arm im Geiste; diese sind es, welche in Betracht ziehen, daß sie Staub sind und sterben werden; sie begehren, bei Gott zu sein, und haben nur zur eigenen Notdurft und zum Nutzen des Nächsten Reichtümer. Diese sind wahrhaft arm, aber reich in Gott. Zu ihnen gehörte meine Mutter. Aber dieser meiner Mutter und Jungfrau Weisheit und Armut sind nun fast vergessen worden; denn wenn auch etliche wenige sie mit dem Munde loben, rufen sie doch nicht mit dem ganzen Herzen zu ihr, und folgen nicht den Fußstapfen ihrer Liebe. Weil nun in der Kirche Gottes zu Gottes Ehre von vielen siebenmal, nach Gewohnheit der früheren Väter, täglich gesungen wird, so will ich jetzt, daß erstlich die Brüder ihre Tagzeiten zu den schuldigen Zeiten singen sollen; die Schwestern sollen sodann das tägliche Offizium ziemlich langsam verrichten und wird ihnen die Siebenzahl nicht nach dem Laufe der Sonne vorgeschrieben, sondern sie sollen es thun mit Einhaltung der Zeit, soweit sie es können. Dieses ordne ich, der ich die Regel einge- 124 geben, deshalb an, damit auch die Heiden, welche bekehrt werden sollen, wissen, mit welcher Ehre Gott seine Mutter geehrt haben will. Und weil sie das Haupt und die Gebieterin dieses Klosters ist, durch welche ich auch den Sündern gnädig sein will, und damit die Schrift erfüllt werde, welche spricht: Ich will Gott loben zu aller Zeit und mein ganzes Leben lang! - deshalb soll ihnen dieses Privilegium gewährt sein, weil es einem allgemeinen Gebrauche nicht zum Nachteile gereicht, auch ist deshalb der löbliche Brauch der Väter nicht zu verwerfen, sondern es gefällt mir, daß auch in anderen Kirchen zuerst die Tagzeiten von meiner Mutter gelesen, und sodann die Tagzeiten in den dazu geordneten Stunden gesungen werden."
Kapitel IV.
Christus sagt, daß im Gesange der Schwestern vom Orden des Welterlösers kein Fürwitz herrschen, sondern derselbe ein Lied wohllautenden Lobes sein solle.
Der Sohn Gottes sprach: "Hast Du nicht gelesen, wie Maria, Mosis Schwester, wegen der besonderen That Gottes im roten Meere mit den Jungfrauen und Frauen hinausgegangen und Gott mit Pauken und Cymbeln ein Freudenlied gesungen? Also sollten die Töchter meiner Mutter ausgehen von dem roten Meere, d. h. von der Begierlichkeit und weltlichen Lust, sollen in den Händen haben die Pauken ihrer guten Werke und der Enthaltung von der fleischlichen Wollust, und die Cymbeln des wohllautenden Lobes. Ihr Gesang soll nicht nachlässig, nicht abgebrochen und zerstreut, sondern ehrbar, ernsthaft und gleichförmig sein, auch durchgängig demütig; sie sollen dem Gesange derer nachfolgen, welche man Kartäuser nennt, deren Gesang mehr Lieblichkeit des Gemütes, Demut und Andacht atmet, als ein gewisses hoffärtiges Großthun; das Gemüt ist nicht frei von Schuld, wenn den Sänger mehr die Note, als die Sache, welche gesungen wird, erfreut, und es ist durchaus abscheulich vor Gott, wenn die Stimme mehr um der Zuhörer als um Gottes willen erhoben wird." 125
Kapitel V.
Wie sehr Magister Petrus bei der Feier der Messe und beim Angeben des Gesanges der Schwestern vom Erlöser Gott gefallen, erhellt aus folgender Offenbarung.
Eines Tages, als Herr Petrus, seligen Andekens, der Beichtvater der heiligen Brigitta, die Messe in der Kapelle vor ihr las, sprach Gott der Vater zu seines Sohnes Braut: "Obwohl wenig Personen in der Welt persönlich bei dieser Messe zugegen gewesen, so sind doch das ganze himmlische Heer und alle Seelen im Fegfeuer dadurch getröstet worden. Sage doch auch diesem Priester, er solle den Hymnus: Sponsae jungendo filio, so bleiben lassen, wie er denselben gesetzt hat; denn da die heilige Kirche alle Seelen Bräute meines Sohnes nennt, kann noch weit mehr die Seele Mariens seine Braut genannt werden."
Kapitel VI.
Die Jungfrau Maria erzählt hier, wie lieb Gott und ihr der Magister Petrus, der heiligen Brigitta Beichtvater, sei, und lobt den Gesang der Schwestern des heiligen Welterlösers.
Die Mutter Gottes redete zur Braut Christi: "Dein Magister ist durch einen verwundet worden, welcher wider Gott redete; weil er die Wunde um der Liebe Gottes willen erhalten, so wollen wir dieselbe nicht heilen, sondern ein Pflaster darauf legen, damit sie noch größer wird. Sage außerdem Deinem Magister, welcher die heilige Dreieinigkeit aus allen Kräften liebt, daß ich ihn in der Liebe derselben heiligen Dreieinigkeit so weit gefördert habe, daß er selbst einer von denjenigen Priestern ist, die Gott am meisten in der Welt liebt. Darum ist ihm gewährt worden, jenen Gesang anzugeben, welcher Gold ist, das vielen zum Troste gereichen wird." 126
Kapitel VII.
Die Mutter Gottes zeigt der seligen Brigitta, wie angenehm Gott und ihr der Gesang der Schwestern vom Orden des heiligen Welterlösers sei.
"Sage dem mein Lob, der meinen Gesang nicht seines Lobes und Lohnes willen schreibt." Siehe das weitere im XXXII. Kapitel des vierten Buches. (Bd. II. S. 71.)
Kapitel VIII.
Christus befiehlt der Braut, nach Rom zu gehen. Sie weilte daselbst fünfzehn Jahre lang in großer Trübsal, ward aber durch Christum und die Jungfrau Maria getröstet. Wie die Anordnung getroffen worden, daß der Gesang: Ave maris stella im im Orden des heiligen Welterlösers nach der Vesper der Brüder gesungen werden soll.
Christus redete zur Braut, die sich im Kloster von Alvastra befand, und sprach: "Gehe nach Rom und bleibe dort, bis Du den Papst und den Kaiser gesehen und mit ihnen von meiner Seite die Worte geredet haben wirst, welche ich sagen will." Die Braut Christi ging also im zweiundvierzigsten Jahre ihres Alters nach Rom, und blieb dort in Gemäßheit der göttlichen Gebotes fünfzehn Jahre, bevor der Papst, nämlich Urban V., und der Kaiser Karl, der Böhme, dorthin kamen. Diesen überreichte sie die Offenbarungen wegen Reform der Kirche und die Regel. Denn sie hatte in den fünfzehn Jahren, während welcher sie vor der Ankunft des Papstes und Kaisers in Rom weilte, viele Offenbarungen über den Zustand der Stadt gehabt, in denen unser Herr Jesus Christus die Ausschweifungen und Sünden der Bewohner der Stadt unter Androhung schwerer Strafe tadelt. Als diese Offenbarungen zur Kenntnis der Bewohner der Stadt Rom gekommen waren, gaben sie Anlaß zu einem wütenden Hasse wider die selige Brigitta. Einige unter ihnen drohten, sie lebendig zu verbrennen; andere lästerten sie als eine Landstreicherin und Wahrsagerin. Die selige Brigitta selbst jedoch ertrug geduldig ihre Drohungen und Schand- 127 reden. Aber sie fürchtete, daß ihr Gesinde und einige ihrer Verwandten und Freunde, welche mit ihr in Rom waren, an diesen Widerwärtigkeiten und Schandreden ein Ärgernis nehmen und abfallen möchten. Deshalb beschloß sie, auf eine Zeit lang sich der Wut der Boshaften zu entziehen, wollte aber nicht ohne besonderes Gebot Christi irgendwo anders eine Unterkunft suchen; sie hat sich überhaupt achtundzwanzig Jahre lang, nachdem sie sich aus ihrem Vaterlande entfernt, in keinerlei Stadt, Provinz und selbst an Stätten Heiliger nicht ohne Befehl Christi begeben. Als deshalb die selige Brigitta in ihren Gebeten hierauf eine Antwort erwartete, sprach Christus zu ihr: "Du begehrest, meinen Willen zu wissen, ob Du in Rom bleiben sollst, wo Du viele Feinde hast, welche auf Deinen Tod sinnen, oder für eine Zeit lang ihrer Bosheit weichen mögest. Ich antworte Dir, daß, wenn Du mich hast, Du niemand fürchten darfst. Ich werde mit dem Arme meiner Macht ihre Bosheit im Zaume halten, so daß sie nicht vermögen, Dir zu schaden. Und obschon unter meiner Zulassung meine Feinde mich gekreuzigt haben, werden sie doch keineswegs Dir zu schaden oder Dich zu töten imstande sein." - Zu der nämlichen Zeit erschien ihr auch die glorwürdige Jungfrau Maria und sprach: "Mein Sohn, der da mächtig ist über alle Menschen und Teufel und über jedes andere Geschöpf, hält unsichtbarerweise jeden Versuch ihrer Bosheit zurück. Und ich will der Schild des Schutzes für Dich und die Deinigen wider alle Anläufe Deiner geistlichen und leiblichen Feinde sein. Deshalb will ich, daß Du und Dein Gesinde alle Abende zusammenkommet, um den Hymnus Ave maris stella zu singen, und ich will in allen eueren Nöten Hilfe reichen." - Infolgedessen haben Herr Petrus Olafson, welcher neunundzwanzig Jahre hindurch ihr Beichtvater war, und ihre Tochter Katharina, heiligen Andenkens, angeordnet, täglich diesen Hymnus zu singen, und nachmals versichert, wie die selige Brigitta selber befohlen, daß dieses auf Befehl derselben glorwürdigen Jungfrau geschehen solle; denn die glorwürdige Jungfrau selber hatte verheißen, daß sie diesen Orden, der ihr von ihrem Sohne zugeeignet worden, mit besonderer Gnade schirmen und bei den Segnungen der Süßigkeit des heiligen Geistes erhalten wolle. 128
Kapitel IX.
Christus sagt, wie die Schwestern und Brüder alle Freitage die sieben Bußpsalmen lesen sollen.
Der Sohn Gottes sprach: "Alle Freitage sollen die Schwestern ihren Umgang halten und die sieben Bußpsalmen lesen, nach Beendigung derselben in ihren Chor eintreten und knieend die Litanei beten. Ähnlicherweise sollen die Brüder ihre Umgänge halten."
Kapitel X.
Christus erklärt, weshalb man in den Klöstern vom Orden des heiligen Welterlösers durchaus keine Orgeln haben solle.
Der Sohn Gottes sprach: "Die Kinder Israel hatten, weil sie fleischlich waren und im Schatten des Gesetzes dienten, viele Mittel, um sich zur Andacht anzuregen. Sie hatten Posaunen, Orgeln und Harfen, womit sie zum Lobe Gottes entflammt wurden. Sie hatten auch Ceremonien und Gebote, wodurch sie zur Verehrung Gottes Erleuchtung erhielten. Sie hatten auch das Gesetz und Strafbestimmungen, wodurch sie von den Lastern abgehalten und zu ihren Pflichten angeleitet wurden. Weil nun aber die Wahrheit gekommen ist, die in den Vorbildern vorbedeutet war, nämlich ich, der wahre Gott selber, so ist es billig, daß man mir in Wahrheit und mit ganzem Herzen diene. Obwohl es nun gut und lieblich ist, Orgeln zu hören, solches auch den guten Sitten nicht widerstreitet, sollen dieselben doch in den Klöstern meiner Mutter durchaus nicht gehalten werden; in ihnen soll eine gewisse Verwendung der Zeit, Ernst im Gesange, Reinheit der Herzen, Pflege des Stillschweigens, Stetigkeit des göttlichen Wortes, und vor allen Dingen wahre Demut und unverzüglicher Gehorsam zu finden sein." 129
Kapitel XI.
In Bezug auf das sechste, siebente und achte Kapitel der Regel des heiligen Welterlösers sagt Christus, wie die Äbtissin mit den Handwerksleuten im Kloster in Kürze reden möge, und um welcher Ursachen willen die Äbtissin oder Schwestern und der Beichtvater oder die Brüder außerhalb des Klosters sich begeben können.
Der Sohn Gottes sprach: "Die Äbtissin wird im Kloster kurzes Gespräch mit den Handwerkern pflegen dürfen, wenn Baufälliges wieder hergestellt oder etwas neu gebaut werden soll. Nie soll sie im Kloster mit Weltleuten aber anders reden, als am Gitter. Auch soll weder sie, noch irgend eine von den Schwestern jemals hinausgehen, ausgenommen, wenn etwa ein neues Kloster gebaut werden soll. Alsdann sollen die Äbtissin, der Beichtvater und der Konvent betagte Schwestern dahin aussenden. Der Beichtvater aber soll mit einem Gefährten zu gunsten der Feststellung der Regel und der regelentsprechenden Disciplin mit dm Obern hinausgehen dürfen, auch wenn ein Ärgernis aufzuheben, üble Nachrede für das Kloster, wenn, was Gott verhüte, solche stattfinden sollte, zu verhindern, wenn Ketzer notwendigerweise zu widerlegen sind, oder wenn er zum Nutzen der heiligen Kirche von den geistlichen Vorgesetzten gerufen worden, oder wenn solche Geschäfte vorfallen, welche durch die Schaffner des Klosters nicht füglich wohl ausgeführt werden können."
Kapitel XII.
Eine andächtige Unterweisung, durch welche die Äbtissin mit den Schwestern und der Beichtvater mit den Brüdern des Ordens vom heiligen Welterlöser belehrt wird, die Zeit, welche zwischen den Tagzeiten an den Feiertagen inne liegt, weislich hinzubringen.
"An den Festtagen soll die Äbtissin den Schwestern den Stand des Hauses und der Einkünfte und die obwaltenden Schwierigkeiten vorlegen, ihnen auch einige Kapitel aus der Regel vorlesen, und 130 wo sie darin abgebrochen, soll sie am nächsten Festtage weiter lesen, bis das Lesen zu Ende geführt worden, damit keine sich mit Unkenntnis der Regel entschuldigen möge. Sie soll auch erbauliche Gespräche mit ihnen halten und bei Ausschreitungen, welche sie wahrnimmt, Ermahnungen eintreten lassen. Danach soll sie ihnen Gespräche untereinander verstatten, während sie im Garten lustwandeln. Auf ähnliche Weise sollen auch die Priester lesen, sich unterhalten und studieren, wie an anderen Tagen, wenn nicht etwa der Beichtvater über den Zustand des Klosters und vorfallende Geschäfte sie befragt, oder ihnen Rat giebt. Außerdem mögen sie, wenn sie wollen, mit Erlaubnis des Beichtvaters spazieren gehen und sich ergötzen."
Kapitel XIII.
In Bezug auf das neunte Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser, nämlich das Fasten, sagt Christus, daß ihm Demut und besonnene Bescheidenheit besser gefalle, als Fasten, und daß denen, welche bei Brot und Wasser fasten, Gemüse zu essen erlaubt ist.
Der Sohn Gottes sprach: "Obwohl meine Mutter die vollkommenste Mäßigkeit geübt, hat sie ihren Leib doch so weislich beherrscht, daß derselbe weder durch Überfluß noch gewaltsame Beschränkung geschwächt ward. Und obwohl die Pharisäer und auch noch jetzt unter den Ordensgeistlichen viele keinen Wein trinken, kommen sie mir darum doch nicht nahe; denn sie haben die Grundlage der Enthaltsamkeit, nämlich die Demut und besonnene Bescheidenheit nicht. Wenn daher manche höhere Dinge vorgelegt und geboten werden, müssen sie von den Schwachen erwogen und erörtert werden, damit sie nicht thun, wie viel sie wollen, sondern was ihnen nützlich und erlaubt ist. So ist z. B. bei Wasser und Brot zu fasten für die Gesunden gut, es ist aber nicht das höchste Gute, das höchste Gute ist die Liebe, ohne welche kein Heil ist; es kann auch ohne Fasten bei Wasser und Brot doch jedermann selig werden, wenn Vollkommenheit des Glaubens und bescheidene Besonnenheit und gerechter Grund vorhanden sind. Weil nun jetzt die Zeiten anders, die Stätten kalt, die Herzen lau und die Gefäße schwach geworden sind, deshalb wird der Rebensetzer das Rauhe mildern und das 131 Trockene mit Naß befeuchten. Dieses ist so zu verstehen, daß denen, welche bei Wasser und Brot fasten, erlaubt ist, Gemüsefrüchte und Wassersuppe zu genießen; denn das Brot ohne Gemüse ist trocken und von elender Beschaffenheit, und das Wasser ist hart und kalt, wenn es nicht mit Graupen oder Gerste gekocht wird."
Kapitel XIV.
Christus unterscheidet drei Stufen von Sündern und sagt, daß in der neuen Regel des Ordens vom heiligen Welterlöser, die er selber eingegeben, alle Liebe, Demut und Bescheidenheit gewahrt werden soll.
Der Sohn Gottes sprach: "Jedes göttliche Gesetz wird angeordnet entweder, um die Kühnheit der Übertreter zu unterdrücken, oder den Mutwillen der Ausgelassenen zu beschränken, oder um das, was man thun oder lassen soll, bekannt zu machen. Daher empfängt bei jedem Gesetze derjenige, welcher aus Schwäche oder unerträglicher Not sündigt, Erlaß; wer wider seinen Willen und aus Mangel an Überlegung sündigt, wird glimpflicher beurteilt; wer aber mit Fleiß und Beharrlichkeit sündigt, erhält keine Entschuldigung. Ähnlich war es mit meinen Jüngern. Als ich noch im Fleische wandelte, wurden dieselben, weil sie an meinem Sabbath Körner rieben und aßen, von jüdischen Heuchlern gerichtet. Ich aber, der ich ihre Einfalt und Schwachheit kannte, habe sie entschuldigt und Davids Beispiel angezogen, welcher unterwegs aus Not von den Broten der Priester gegessen, was im Gesetze verboten war. (Lukas VI.) Nun habe ich, Gott selber, die von wir aufgestellte neue Regel meinen Freunden gesendet. Es soll danach alle Liebe, Demut und Bescheidenheit in acht genommen werden. Man soll auch, wie mit den Kranken, so mit den Gesunden Mitleid haben; denn kein Gesetz, das nicht in Liebe, Demut und Bescheidenheit vollzogen wird, verdient Lob. Wenn ich daher auch gleich in der Regel gesagt habe, alle Gesunden sollten zu bestimmten Zeiten fasten, so darf ihnen doch die Dispense nicht versagt werden, wenn ihnen eine jähe Veränderung oder Krankheit zustößt, oder die Zeit der Arbeit Nachsicht erfordert. Die Bestimmung darüber soll nun in der Hand der Äbtissin und des Beichtvaters und dessen Anord- 132 nung gelegt sein, dem es übertragen ist, zu bestimmen, wie oft es den Gesunden zuträglich ist, die Fasten zu brechen und Erquickung zu sich zu nehmen. Darum soll denen, welche sich nach dem Aderlasse schwach fühlen, den von plötzlicher Krankheit Ergriffenen und übergroßer Arbeit Ermüdeten Dispens erteilt werden."
Kapitel XV.
Daß auch gesunden Personen aus dem Orden des heiligen Welterlösers aus gewissen Ursachen und zu gewissen Zeiten Bäder nicht verboten werden sollen.
Der Sohn Gottes sprach: "Die Lehrer des Gesetzes und die Priester schmähten meine Jünger, weil dieselben mit nichtgewaschenen Händen aßen. Ich habe denselben geantwortet, die Reinigung des Fleisches nütze nichts, wenn das Herz unrein ist. (Matth. XV. Mark. VII.) Ein reines Herz ist also Gott angenehm und das Waschen und die Sorge für das Fleisch schadet nichts, wenn ein gerechter und vernünftiger Grund vorhanden. Darum sollen den Gesunden bei gewissen Anlässen und zu Zeiten die Bäder nicht verboten werden, weil auch die Gesundheit bewahrt werden muß, auf daß sie nicht schwach werden. Bäder soll man daher verstatten, so oft es den Kranken nützt; den Gesunden einmal im Monate, oder alle vierzehn Tage, wenn es für die Gesundheit nützlich ist."
Kapitel XVI.
Zum zehnten Kapitel der Regel des heiligen Welterlösers, in Bezug auf die Weise der Prüfung, Aufnahme und Weihe der Personen.
Der Sohn Gottes sprach: "Ich habe Dir vorhin von dem Probejahre gesagt, das man halten soll. Dies sollst Du in Betracht ziehen bei Personen, deren Leben und Wandel weniger bewährt und bekannt ist. Deshalb erlaube ich, daß, wenn eine, die um Aufnahme in den Orden bittet, von solchem Ansehen und solchem Ernste ist, daß man wegen eines Mangels an Beharrlichkeit und wegen Unbeständigkeit ihrerseits nicht in Furcht zu sein braucht, und welche die Anfechtungen des Fleisches und die Nachstellungen 133 des Teufels zu unterscheiden weiß, und deren Alter und Leben bewährt sind, eine solche etwa nach einem halben Jahre in die Genossenschaft aufgenommen werden dürfe, nachdem man ihr die Strenge der Regel und die Satzungen vorgehalten, damit sie wisse, wozu sie komme."
Kapitel XVII.
Eine schöne Lehre, nach welcher sich die Jungfrauen und auch andere, welche sich zur Regel vom heiligen Welterlöser bekennen wollen, achten und bei Befolgung der Regel halten sollen.
"Alle, welche Bräute Gottes zu sein oder zu werden verlangen, müssen sich mehr bemühen, den Willen Gottes zu vollbringen, als auf ihren Nutzen oder Erfüllung ihres Willens bedacht zu sein. Sie sollen sein wie Bräute, welche von ihren Besitzungen weit entfernt sind, sich auf der Reise befinden, und auf des Bräutigams Erbe herbergen müssen. Ihre Besitzung ist die Freiheit des Leibes und der weltliche Wandel, samt allem, was ihnen gehört und wovon sie sich mit vollem Willen unwiderruflich scheiden müssen. Sie müssen sich auch hochzeitliche Kleider anlegen, nämlich Demut, Geduld und Gehorsam, welche die Seele zieren und vor Gott schön machen. Sie müssen sich auch erheben und fortschreiten, um vor dem Bräutigam und vor den von ihm Eingeladenen zu erscheinen. O, wie ehrbar und gesittet müssen sie vor den Augen deren, welche auf sie schauen, in Wort und Wandel einherschreiten, zumal die Jungfrau und Mutter Gottes Maria samt dem ganzen himmlischen Heere zur Hochzeit geladen sind und ihre Blicke auf sie richten! Der Bräutigam aber, welcher ihrer begehrt, ist der wahre Gott, der König der Könige, der Herr der Herren, der über alle Geschöpfe Mächtige. Aufgestanden sind sie dann, wenn sie ihre Beicht in bescheidener Verfassung, mit wahrer Demut und dem Willen, nicht weiter zu sündigen, abgelegt haben, fortgeschritten sind sie, wenn sie alle weltlichen Dinge freiwillig aufgegeben haben, sich um deren Besitz nicht kümmern, auch keinen eigenen Willen zu haben besorgt sind. Alsdann aber sind sie ihres Bräutigams geweihte Bräute, wenn sie versprechen, die Regel und ihr Gelübde 134 unverletzt zu beobachten, und gehen dann den richtigen Weg zum Brautgemache des Bräutigams, wenn sie ihre Regel und ihr Gelübde, so gut sie es vermögen werden, halten. Mit Ablegung des Gelübdes aber beginnt der erste Tag der Hochzeit und endet, wenn die Seele zum Leibe hinausgeht. Darum sollen sie diesen Tag ausfüllen mit weiser Furcht, andächtiger Freude und brünstiger Liebe."
Kapitel XVIII.
Zum zwölften Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser, welches von den Tagzeiten der Brüder und der Zahl der Brüder und der Schwestern handelt.
Jesus Christus, der Sohn Gottes, sprach: "Die goldene Schrift sagt, daß zum Schmucke des Tabernakels in der Wüste die einen Gold und Silber ,und kostbare Steine, andere Felle und Ziegenhaare zu den Zelten geopfert haben, und alles Geopferte sei Gott angenehm gewesen nach der Verfassung und dem Willen des Opfernden. (Exodus XXV.) Also ist es auch mit dem Gebete und der Lesung der Gläubigen; die einen, welche sich über die Liebe der Welt erhoben haben, bieten Gott ein ganz reines Herz wie lauteres Gold dar, andere, vom Geiste der göttlichen Weisheit entflammt, reden und singen die Worte der göttlichen Weisheit, welche wie geläutertes Gold sind. Andere wissen kaum das Vaterunser, jedoch opfern sie aus zerknirschtem Herzen und in Werken der Buße Gott im vollkommenen Glauben das wenige auf, das sie wissen und vermögen, z. B. Ziegenhaare. Alle diese gefallen mir in ihren Gebeten, wenn Absicht und Wille gut sind. Weil es den alten Priestern schwer ist, das Gewohnte zu verlassen und sich an Neues zu gewöhnen, wird ihnen gestattet, das Offizium der Kathedralkirche, in deren Sprengel ihr Kloster gelegen, zu verrichten, die Schwestern aber sollen das festgesetzte Offizium durchaus nicht ändern." 135
Kapitel XIX.
Als die selige Brigitta sich um die Personen kümmerte, welche in den Orden vom heiligen Welterlöser eintreten sollten, hörte sie von der seligen Jungfrau, daß von Gott für dieselben gesorgt sei, daß aber einige von ihnen sich wider Christi Worte auflehnen würden.
Als die Braut Christi einmal im Gebete sich befand, überfiel sie der Gedanke vom Zustande dieses Ordens in der Zukunft und wie man so viele Personen beiderlei Geschlechts dazu werde finden können. Da erschien die Mutter Gottes und sprach: "Meine Tochter, Du bist bekümmert um Personen, welche künftig in diesen Orden eintreten sollen. Du sollst wissen, wie mein Sohn, welcher in Person diese Regel eingegeben hat, tausend Personen für jede Person, von der Du weißt und hoffst, daß sie in den Orden eintreten wird, vorher kennt." Die Braut antwortete ihr: "O meine Frau, leicht mögen sich Weiber finden, welche sich dem Orden unterwerfen; schwer aber werden Männer gefunden werden, welche sich der Obhut eines Weibes untergeben wollen, weil es unter den Regularpriestern viele giebt, welche die Wissenschaft aufbläht und welchen die Welt mit Ehren, Reichtum und Vergnügen schmeichelt." Darauf entgegnete die Mutter Gottes weiter: "Es werden ohne Zweifel solche kommen, welche die Worte meines Sohnes mit Süßigkeit aufnehmen und dieselben zum Nutzen ihrer Seele und zu Ehren Gottes gebrauchen werden, andere dagegen werden kommen, die nicht weniger den Worten meines Sohnes und der einfältigen Regel, welche Dir geoffenbart worden, widerstreben werden, als jene Ungläubigen, welche den Worten Gottes und Mosis in der Wüste widerstrebten, indem sie die Worte Gottes nach ihrem Willen auslegten. Gleichwohl sollst Du wissen, daß die Worte dieser Regel zur Ausbreitung wohl geeignet sind und bis ans Ende Frucht dringen werden. Auch sollst Du, meine Tochter, nicht bekümmert sein um Personen, welche in diesen Orden eintreten werden, denn mein Sohn weiß, welche er rufen und nach seinem Willen zur Arbeit in diesem Kloster abordnen wird; freilich werden ihrer etliche sich nach ihrer menschlichen Meinung wider die Worte meines 136 Sohnes auflehnen und hoffärtigerweise die Einfalt der Worte gering achten, gleichwie die Weltweisen sich vermessen, ihre Meinungen zuweilen dem göttlichen Willen vorzuziehen, wodurch sie den wahren Verstand fälschen und Irrtum herbeiführen."
Kapitel XX.
Beim vierzehnten Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser, nämlich bezüglich der Wahl der Äbtissin, unterscheidet der Sohn Gottes drei ihm am meisten gefallende Stände unter den Menschen. Auch will er nicht, daß eine Schwester, die in einer außerehelichen Verbindung geboren, zur Äbtissin erwählt werde.
Der Sohn Gottes sprach: "Obwohl der Sohn nicht des Vaters Missethat tragen wird, so müssen doch, weil es drei Stände giebt, welche mir am meisten gefallen: der jungfräuliche, der Witwen- und der Ehestand, diese drei vorgezogen und vor den übrigen geehrt werden, sowohl weil sie Zeichen einer großen Reinheit und Ehrbarkeit sind, als weil meine Mutter dieselben an sich vollzogen hat. Denn sie ist in, nach und vor der Geburt die reinste Jungfrau gewesen, sie war wahrhaft Mutter und Jungfrau, war auch nach meiner Himmelfahrt Witwe, weil sie meiner leiblichen Gegenwart beraubt war. Deshalb soll, wenn eine Äbtissin zu erwählen ist, eine aus diesen drei Ständen gewählt werden. Eine Schwester aber, welche von anderer (unehelicher) Abstammung ist, soll zur Äbtissin nicht gewählt werden, sei sie auch noch so enthaltsam und tadellos."
Kapitel XXI.
Christus sagt, daß die Äbtissin eine reine und bewährte Jungfrau und exemplarisch von Wandel sein soll, und daß in Ermanglung einer solchen Jungfrau eine demütige und bewährte Witwe zur Äbtissin genommen werden kann.
Jesus Christus sprach: "Es ist eine schöne Vereinigung und geziemende Verbindung, daß eine Jungfrau Vorsteherin der Jungfrauen sei. Denn unter allen Dingen hat die Reinigkeit des Fleisches und Herzens den Vorzug, von welcher und durch welche 137 ich, Gott, habe das Fleisch annehmen wollen. Weil nun aber meine Mutter eine Jungfrau war und Mutter, letzteres jedoch nicht, weil sie von einem Manne erkannt, sondern von meinem und des Vaters Geiste angehaucht worden, und mich, wahren Gott und wahren Menschen, geboren hat, deshalb ist dieser neue Orden meiner Mutter gewidmet. Und es ist notwendig und löblich, daß eine jegliche, welche Jungfrauen vorstehen will, eine reine Jungfrau, bewährt an Sitten und ein Vorbild in den Tugenden sei. Wenn aber in dem Vereine eine solche Jungfrau sich nicht befinden möchte, welche das Amt der Jungfrau meiner Mutter ausfüllen könnte, so mißfällt es mir nicht, wenn statt einer hoffärtigen Jungfrau eine demütige Witwe von bewährtem Leben das Amt der Demut und Vorstandschaft übernimmt. Wenn es dann Gott gefällt, das Demütige zu erhöhen und aus Notwendigkeit den Witwenstand zu erheben, wird dadurch der löblichen Gewohnheit der Jungfrauen nichts genommen, da in Gott alles Demütige zu erhöhen sich herabläßt. Denn was ist demütiger gewesen, als meine Mutter? Was giebt es, das die vollkommene Demut nicht verdiente? Um der Demut willen bin ich, Gott und Gottes Sohn, der Jungfrau wahrer Sohn geworden, und ohne Demut ist kein Weg zum Himmel."
Kapitel XXII.
Christus sagt, weshalb und wie die Äbtissin vom Orden des heiligen Welterlösers segnen soll.
Christus sprach: "Wer das Amt eines zeitlichen Fürsten hat, muß mit irgend einem Zeichen bezeichnet werden, auf daß ihm von allen gehorcht und Ehre erwiesen werde. So ist es mit der Äbtissin, weil sie das Amt und die Stelle meiner Mutter auf Erden versieht. Deshalb soll sie zum Zeichen einer größeren Sorgfalt und Mehrung der geistlichen Gnade vom Bischofe die Gabe des Segens empfangen, damit sie von den übrigen unterschieden und geehrt werden möge, nicht um ihrer Erhöhung, sondern um meiner und meiner Mutter Ehre willen. Der Segen der Äbtissin soll nach dem Brauche der Äbtissinnen des heiligen Benedikt geschehen, und ohne den zuvor gesegneten Stab und Ring." 138
Kapitel XXIII.
Zum fünfzehnten Kapitel der Regel des heiligen Welterlösers, daß die Brüder dem göttlichen Predigtamte, dem Studieren und Gebete obliegen sollen. Christus zeigt, wie und was man dem Volke predigen soll.
Christus sprach: "Diejenigen, welche meine Wahrheit predigen, sollen wenige und einfache Worte haben, welche sich auf Lesen der heiligen Schrift gründen, damit Menschen, welche weit herkommen, sie zu fassen vermögen und der Weitläufigkeit und des Vortrages überflüssiger Worte nicht überdrüssig werden. Sie sollen auch nicht nach Art der Schmeichler künstlich gedrechselte Worte hervorbringen, auch nicht vielfache Abschnitte und Unterscheidungen der Kapitel oder subtile, bilderreiche Reden halten, sondern alles nach der Fassungskraft der Hörenden einrichten, denn was das einfältige Volk nicht versteht, darüber pflegt es sich mehr zu verwundern, als davon erbaut zu werden. Wenn es daher Sonntag ist, sollen diejenigen, welche in diesem Orden predigen, das Evangelium des Tages, dessen Auslegungen, die Bibel und diese meine und meiner geliebten Mutter und meiner Heiligen Worte, das Leben der Väter, die Wunder der Heiligen, das Glaubensbekenntnis, die Mittel gegen Versuchungen und Laster vortragen, je nachdem es jeder zu fassen vermag. Denn meine geliebteste Mutter war gar einfältig, Petrus ungelehrt, Franziskus ein Mann aus dem Volke, und gleichwohl haben sie den Seelen mehr genützt, als beredte Magister, weil sie zu den Seelen eine vollkommene Liebe getragen."
Kapitel XXIV.
Gesicht zum zwanzigsten Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser, Wie die Jungfrau Maria mit dem Teufel gestritten und den Ort Wadstena rechtlich ersiegt, um dort ihr Kloster zu gründen; Christus hat denselben mit vielen Gnaden ausgestattet und ihr zuerkannt und geschenkt.
Der Braut kam es vor, als wäre sie in einem weitläufigen Hause und dort ein großes Heer zusammengekommen. Da sprach 139 die selige Jungfrau zum Könige des Himmels: "Mein Sohn, gieb mir den Ort Wadstena." Alsbald war der Teufel bei der Hand und sprach: "Dieser Ort gehört mir, denn ich besitze denselben mit dreifachem Rechte. Das erste Recht besteht darin, daß ich den Stiftern dieses Ortes den Willen eingegeben habe, zu bauen, und die Vornehmsten bei diesem Baue sind meine Diener und Freunde gewesen. Das zweite Recht besteht darin, daß dieser Ort eine Stärke der Strafen und des Zornes ist, und meine Freunde, welche ganz nach meinem Willen grausam waren, hier ihre Untergebenen ohne alles Erbarmen gestraft haben, und deshalb, weil ich ein Herr der Strafen und ein Fürst des Zornes über diesen Ort bin, darum ist er mein. Das dritte Recht besteht darin, daß, weil diese Stätte viele Jahre hindurch mein gewesen, daselbst mein Sitz ist und mein Wille vollzogen wird." Da sprach die selige Jungfrau weiter zu ihrem Sohne: "Mein Sohn, ich suche Gerechtigkeit bei Dir. Wenn vielleicht einer den anderen seiner Güter und seines Geldes beraubt hätte und ließe ihn außer seinem Schaden nun auch noch mit eigener Arbeit von dem Gelde, das er ihm geraubt, ein Haus bauen, wessen wäre, o mein Sohn, der gebaute Ort?" Der Herr antwortete: "Geliebte Mutter! derjenige ist der rechtmäßige Besitzer des Hauses, welcher das Geld besessen und die Arbeit geleistet hatte." Da sprach die selige Jungfrau zum Teufel: "Darum hast du an diesem Hause kein Recht." Weiter richtete die selige Jungfrau an den Richter die Frage: "Mein Sohn und mein Herr, wenn in jemandes Herzen Grausamkeit und Zorn herrschte, und nun Barmherzigkeit und Gnade darin einzögen, wer müßte dann fliehen?" Der Richter antwortete: "Grausamkeit und Zorn müssen fliehen und der Barmherzigkeit weichen." Und die Jungfrau sprach zum Teufel: "So mußt du denn fliehen, weil du ein Herr der Strafen, ein Fürst des Zornes bist, ich aber bin die Mutter der Barmherzigkeit und die Königin des Himmels, weil ich mich aller erbarme, welche mich anrufen." Zum dritten fragte die selige Jungfrau den Richter: "Mein Sohn, wenn ein Knecht in einem Hause sich befindet oder sitzt, und sein Herr träte ein, und wollte in demselben Hause und auf demselben Sitze Platz nehmen, was wird der Knecht thun?" Der Richter antwortete: "Es ist recht, daß der Knecht aufsteht und sein Herr, wo es ihm beliebt, Platz nimmt." 140 Da sprach die Jungfrau zum Teufel: "Weil du ein Knecht meines Sohnes bist, und ich Gebieterin bin über dich, so ist es recht, daß du fliehest und ich meinen Sitz nehme, wo ich will." Darauf sprach der Richter zur Jungfrau: "Meine Mutter, Du hast diesen Ort mit gutem Rechte erstritten, deshalb gebührt er Dir von Rechts wegen, und darum spreche ich denselben Dir zu. Und wie nun an dieser Stätte bisher Thränen und Seufzer der Elenden gehört worden, deren Blut und Jammer von der Erde zu mir rief und in meinen Ohren erschollen ist, so wird fortan die Stimme derer, welche Dich loben, aufsteigen zu meinem Ohre. Und gleichwie an diesem Orte eine Stätte der Strafen und Beschwernis des Landes gewesen ist, so werden sich jetzt an dieser Stätte die versammeln, welche Barmherzigkeit und Verzeihung für Lebende und Verstorbene verlangen, und mich in Bezug auf den Stand des Königreiches versöhnen werden." Hierauf fuhr der Richter fort, zur Jungfrau zu reden: "Meine Mutter, Dein Feind ist lange Zeit Herr an diesem Orte gewesen, aber fortan wirst Du hier Gebieterin und Königin sein."
Kapitel XXV.
Christus erklärt der heiligen Brigitta, weshalb die Stadt Jericho zerstört worden, und stellt eine Art Vergleichung mit der Stätte ihres Klosters Wadstena und dessen Bewohnern an.
Christus redete zur Braut und sprach: "Was hast Du heute in Deinem Buche gelesen?" Sie sprach: "Ich habe gelesen und mich verwundert, daß die verfluchten Mauern Jerichos beim Schalle der Posaunen und dem Umgange der heiligen Lade auf Dein Geheiß niedergestürzt sind." Der Geist antwortete: "In jener Stadt und aus jener Stadt ist viel Übles geschehen, und keiner war darin, der mir gefiel. Darum verdiente sie keine Verzeihung, war auch nicht wert, von meinem Volke bewohnt zu werden. Weil aber mein Volk, in der Wüste mürbe und matt geworden, nun das verheißene Erbe in Besitz nehmen sollte, mußte es zuvor durch Worte, Vorbilder und Wunder erzogen werden. Deshalb nun ist eine wunderbare und gerechte Verteilung und Vergeltung in dieser Stadt 141 geschehen, auf daß das wunderbar aus dem Wasser herausgeführte Volk auch Wunder zu Lande sehen, und also Gott, wenn es die Wunder geschaut, desto tiefer in sein Herz möchte eingeprägt werden, es selber aber lerne, Größeres zu hoffen, und zu Größerem angereizt würde. Diese Stätte nun war zur Betrübnis meiner Freude die Wohnung der Teufel, aber meine Mutter hat den Ort aus dreifachem Rechte erlangt, nämlich durch Liebe, Gebet und Änderung der Beschäftigungen in der Zukunft." Darauf sprach sie zu ihm: "O Herr, zürne nicht, wenn ich rede. Du hast gesagt, in Deinem Hause müsse alle Demut sein. Soll dieser Bau wohl beständig bleiben an diesem Orte?" Der Geist antwortete: "Jenes unglückselige Jericho war für mein Volk eine bequeme Stätte, mußte aber zuerst vom Feuer gereiniget werden, damit es mein Volk bewohnen und die Arbeit der Heiden übernehmen konnte. Weil denn nun dieses Haus vom Schweiße der Armen zur Hoffart der Reichen auferbaut worden, so werden dasselbe meine Armen bewohnen und alles, was überflüssig und prächtig ist, allein zur Demut und zum Nutzen ordnen. Doch soll man sich hüten, daß, was die göttliche Macht aus einem besonderen Grunde zugelassen, für die Hoffärtigen als ein Beispiel angezogen werde."
Kapitel XXVI.
Christus redet zur Braut vom Ungehorsame eines Königs von Schweden, daß derselbe nämlich nicht zum Papste gegangen wegen Lossprechung von seinen Sünden, noch wider die Heiden, auch spricht er von der Stadt Jericho und dem Orte und Kloster Wadstena.
Der Sohn Gottes sprach: "Siehe, der König hat meinen zweiten Rat verachtet, gleichwie den ersten, und deshalb sind meine Feinde eingefallen in die Stätten meiner Mutter, und haben Zerstörung und Verwüstung angerichtet, wie Du gehört, und deshalb ruft Stein und Holz Rache über den König. Gott aber schafft sich aus der Bosheit der Menschen Ehre, und der Teufel wird von dort, wo er die Oberhand zu gewinnen glaubt, verstoßen und zu Schanden gemacht. Wären jene hohen Gebäude stehen geblieben, so würden dieselben für die Nachkommen ein Anlaß zur Hoffart 142 und stolzer Erhebung geworden sein, wären sie aber mit Fleiß zerstört worden, so würde der Leichtfertigkeit der Schaden zuzuschreiben sein. Nun aber will ich Dir aus Anlaß des Schadens und der Bosheit der Menschen zeigen, wie man Gott eine angenehme Niedrigkeit aus hoher Hoffart aufbauen kann und wie eine unnütze und prachtvolle Erhebung der Mauern erniedrigt werden soll. Die hohen Häuser und Wände werden zuerst niedergeworfen und das wird Gott zur Ehre, den Einwohnern wohl geraten, für die, welche es ansehen, ein Jubel und ein großer Beweis von Demut sein. Wie das aber geschehen soll, soll in der Hand und im Rate derjenigen beruhen, welche die Gebäude zu erhöhen wissen würden." Ferner redete der Sohn Gottes: "Ich habe Dir jüngst von der Stadt Jericho erzählt, welche ich mit der Stätte dieses Klosters verglichen habe, und wie die schon zubereiteten Gebäude zwar stehen bleiben, aber auf das Demütige und allein Notwendige zurückgeführt werden sollten. Dieses habe ich meinen Freunden versprochen, wenn der König dieselben nach meinem Rate versammelt haben würde. Darum sollen jetzt diejenigen, welche sich versammelt haben, sich Mühe geben und alles Überflüssige hinwegwerfen, sich dagegen mit dem Notwendigen und Demütigen allein begnügen und dessen rühmen."
Kapitel XXVII.
Der Sohn Gottes zeigt der seligen Brigitta, wie ein König um seiner Sünden willen nicht würdig war, sich ein Haus, nämlich das Kloster zu Wadstena, zu erbauen.
Der Sohn Gottes sprach: "Weil dieser König meine Wärme nicht sucht, sondern in der Kälte verharrt, auch das Ärgernis aus seinen Händen nicht fahren läßt, so wird er mir kein Hans bauen, wie Salomo, noch einen Lebensausgang haben, wie David. Aber es wird auch seiner nicht gedacht werden, wie meines geliebten Olaf, noch er gekrönt werden, wie mein Freund Erich, sondern er wird die Gerechtigkeit empfinden, weil er die Barmherzigkeit nicht gewollt hat, und ich werde das Land pflügen in Gericht und Trübsal, bis die Einwohner um Barmherzigkeit zu bitten lernen. Was 143 für eine Person aber diejenige sein wird, welche mein Kloster auferbauen wird, und wann dieselbe kommen wird, wird Dir noch bekannt werden, ob aber noch in diesem Leben, geziemt Dir nicht, zu wissen."
Kapitel XXVIII.
Christus zeigt hier der heiligen Brigitta die Lage, die Ausdehnung und Anordnung der Kirche des Klosters Wadstena und des Chores der Brüder, des Sprechraumes zwischen Schwestern und Brüdern, die Gewölbe, Altäre, Türme, Kreuzgänge, Säulen des Chores der Schwestern, der Fenster und des Sprachzimmers für die Weltleute.
Der Sohn Gottes sprach: "Der Chor der Kirche muß gegen Niedergang am See sein, und eine hohe Mauer von Mitternacht, von dem Ziegelsteinhause am See bis zum Ende des Hofes der Geistlichen laufen. Zwischen dieser Mauer und dem Chore soll ein Raum von achtzehn Ellen zur Einrichtung eines Sprechraumes sein, welchen mittendurch der Länge nach eine Mauer vom Brüderchor bis zur Mauer neben dem See scheiden soll. In diesem Sprechraume können die Brüder und Schwestern miteinander von notwendigen Dingen reden. In der Scheidewand zwischen den Brüdern und Schwestern dürfen keine Fenster sein, damit keines vom anderen gesehen werde. Ingleichen sollen in dieser Mauer zwei Drehladen sein, wie in dergleichen Klöstern zu sein pflegen. Der Chor der Brüder muß zweiundzwanzig Ellen lang sein, und unter einem Gewölbe von der westlichen Wand an bis zum Hochaltare, so daß der Hochaltar unter dem Gewölbe steht; die Geistlichen sollen ihren Stand zwischen dem Hochaltare und der westlichen Wand haben. Das Gewölbe sei zwanzig Ellen breit. Diejenige Wand aber, welche sich hinter dem Gestühl der Schwestern gegen Mitternacht befindet, wird fünf Fenster nahe am Boden haben, an denen die Schwestern ihre Beichten ablegen und den Leib des Herrn empfangen sollen. Die Kirche selbst ferner soll fünf Gewölbe in der Länge haben und drei in der Breite. Jedes Gewölbe sei zwanzig Ellen breit und zwanzig Ellen lang. Die drei Gewölbe zunächst hinter dem Hochaltare, gegen Morgen, sollen quer durch die Mitte 144 der ganzen Kirche dem Chore der Geistlichen angefügt werden. Sechs Stufen müssen vom Hochaltare herabführen, quer unter den gedachten drei Gewölben. Und jede dieser Stufen soll zwei Altäre tragen, so daß sechs zur Rechten, und sechs zur Linken des Hochaltares sind. und jeder Altar soll dem anderen in der Quere gegenüberstehen, und solches zunächst auf der ersten Stufe, nächst dem Hochaltare auf beiden Seiten der Fall sein. Der Hochaltar muß fünf Ellen Länge und drittehalb Ellen Breite haben. Jeder andere der zwölf übrigen Altäre wird eine Länge von drittehalb Ellen und eine Breite von anderthalb Ellen haben. Zwischen jedem der zwölf Altäre muß ein Zwischenraum von zwei Ellen sein. Jede Stufe soll ungefähr die Höhe von der Breite einer Hand haben. Die Wand gegen Morgen wird unter den beiden letzten Gewölben zwei Thüren haben. Unter dem Mittelgewölbe darf keine Thür sein. Eine jegliche Thür wird sechs Ellen in der Breite haben, und in der Höhe sollen sie bis an die Bretter oder den Boden reichen, welcher unter den Füßen der Schwestern ist. In der Mitte zwischen diesen beiden Thüren soll an der Wand gegen Osten der Altar der seligen Jungfrau sich befinden, welcher vier Ellen lang und drei Ellen hoch sein muß. Der Chor um den Altar herum soll zehn Ellen in der Länge und zehn Fuß in der Breite haben, auch mit eisernen Gittern umgeben sein. Es muß auch ein Kreuzgang sein um die Kirche, innerhalb neben den Wänden, welcher mit eisernen Gittern eingefaßt zu sein hat. Derselbe soll eine Breite von vier Ellen zwischen der Mauer und dem Gitter haben, damit die Geistlichen oder Brüder umherwandeln können, ohne daß sie mit dem Volke zusammenkommen. Über beiden Thüren soll auf Stufen der Eingang zum Chore der seligen Jungfrau hinaufführen, und keine andere Thür weiter in diesem Chore befindlich sein. Es darf auch im eisenvergitterten Kreuzgange der Kirche nur die eine, neben dem Hochaltare befindliche Thür vorhanden und soll dieselbe stets mit einem Schlosse verwahrt sein; ausgenommen, wenn eine Person in den Orden treten will, oder so oft der Bischof das Kloster besuchen wird. In der Mitte der Wand, gegen Mittag, innerhalb des eisernen Kreuzganges, soll ein Altar des heiligen Michael sein, so daß der Priester sich nach Mittag wenden muß. In der Mitte der Wand, gegen Mitternacht, muß sich ein Altar 145 des heiligen Johannes des Täufers befinden, so daß der Priester sich nach Mitternacht zu wenden hat. Außerhalb des eisernen Kreuzganges sollen Altäre erbaut sein, vor denen die ankommenden Priester Messe lesen können. Die Säulen sollen vom Pflaster der Kirche an bis zu den Balken oder dem Fußboden im Chore der Schwestern elf Ellen Höhe haben Über den Balken soll ein Fußboden aus Brettern, aus Lehm und Ziegelsteinen gelegt werden. Hierauf werden die Schwestern stehen; unter die Bretter sind Kupferbleche zu befestigen, auf daß das Feuer keinen Schaden thue. Die Säulen müssen durch den Fußboden der Schwestern hindurchgehen, und vier Ellen oder ungefähr so hoch über den Boden hinaufreichen, bevor die Gewölbe beginnen oder erreicht werden. Alle Gewölbe über dem Chore und der ganzen Kirche sollen eine gleiche Höhe haben. Das Dach aber soll eine solche Höhe haben, als es haben kann oder nötig sein mag. An den Thüren, Fenstern, Säulen oder Wänden soll keine feine Skulpturarbeit sich befinden, sondern alles soll glatt, demütig und stark gearbeitet sein. Die Glasfenster dürfen nur von weißer oder blauer Farbe sein. Das Haus, worin die Schwestern mit Leuten aus der Welt reden sollen, muß gegen Morgen liegen, zwischen dem großen Ziegelsteinhause und der Kirche. Darin sollen die Fenster so sein, daß die Personen nicht voneinander gesehen werden können. Die Kirche ist aus Steinen aufzuführen, welche aus Felsen herausgehauen oder in der Erde gefunden sind, nicht aber aus Ziegelsteinen, desgleichen die Gewölbe."
Hierauf erblickte ich jenseits des Sees eine dieser ähnliche Kirche mit ihren Gebäuden, welche allenthalben eine lange, starke und hohe Mauer umgab, und vernahm im Geiste: "Die Häuser und Kirchen, welche man nach dieser Kirche bauen wird, sollen in ähnlicher Weise gebaut werden, wie Du es jetzt siehst." 146
Kapitel XXIX.
Gesicht, welches die heilige Brigitta über die Einrichtung und Lage der Räume hatte, worin die Schwestern und Brüder einander und mit Weltlichen sprechen können; von der Wohnung der Brüder, vom Obstgarten der Schwestern, und der Krankenräume.
"Ich erblickte ," so sprach die selige Brigitta, "vom großen Steinhause an bis an den Friedhof, welcher gegen Mittag am breiten Wege liegt, eine lange, breite Mauer. Sodann sah ich innerhalb der Mauern eine Kirche, deren Grundlage, Wände, Fenster, Länge und Breite ich sorgfältig in Obacht nahm. Ferner erblickte ich vom Flügel des nämlichen Hauses an eine große Mauer bis an die Sakristei, wobei mir vom Geiste gesagt ward: Von dieser Mauer an soll eine andere Mauer gebaut werden, wo der Sprechraum der Brüder und Schwestern sein wird; in diesem müssen zwei Fenster sein, damit Brüder und Schwestern miteinander reden und die Brüder ihren Lebensunterhalt empfangen können. Ferner sah ich von dieser Mauer an eine dritte, welche sich bis an das kleine Steinhaus erstreckte, und wovon mir gesagt ward: Hier sollen die Wohnungen der Geistlichen sein. Vom südlichen Flügel des kleinen Hauses an erhob sich eine Mauer, welche sich bis an diejenige erstreckte, die am Friedhof stand. Und ich vernahm im Geiste: In dieser Mauer wird eine kleine Pforte sein, wodurch die Bedürfnisse der Brüder, z. B. Holz und dergleichen, eingenommen werden. Dort soll auch zur Beaufsichtigung und Heilung der Kranken ein Haus sein. Von der Mauer sodann, welche am Friedhof zu stehen schien, erstreckte sich eine andere Mauer bis an das steinerne Haus, welches gegen Morgen steht, allein sie erreicht das Hans nicht ganz, denn es war ein kleiner Raum dazwischen, weil von der Südwand der Kirche eine andere Mauer ausging, welche sich mit der Mauer verband, die vom Friedhof ausging, und beide Mauern zusammenfügte. Dabei ward mir gesagt: Hier soll der Raum zum Sprechen der Brüder mit Leuten aus der Welt sein. Vom Abendhügel gegen Mitternacht des großen steinernen Hauses sah ich eine Mauer, welche um den Obstgarten lief, nach der Stellung der alten Bäume, 147 und welche nach dem Herumgehen um den Obstgarten sich wieder zurückbog nach dem Morgenflügel des großen Hauses. Hiernächst sah ich eine Mauer heraufgehen vom Morgenflügel, welche sich geradezu auf die Wand der Kirche hin erstreckte. Und da vernahm ich im Geiste: An dieser Mauer werden die Häuser sein. Eines sei reicher gebaut; darin können die Bischöfe und fürstliche Personen die Schwestern hören; das andere soll zur Aufnahme von Bedürfnissen, das dritte zur Beaufsichtigung der Kranken und deren Heilung dienen. - Hierauf erblickte ich jenseits des Sees eine Kirche, welche dieser gleich war, mit ihren Gebäuden. Dieselbe umgab auf allen Seiten eine lange Mauer. Da vernahm ich im Geiste: Sowohl das Haus, als die Kirche, welche nach dieser Kirche werden erbaut werden, sollen in ähnlicher Weise gebaut werden, wie Du jetzt siehst."
Kapitel XXX.
Christus teilt der heiligen Brigitta die Einrichtung seines Hauses mit, unter welchem besonders das Kloster Wadstena und der Orden vom heiligen Welterlöser verstanden wird u. s. w.
"In meinem Hause muß alle Demut herrschen, welche jetzt durchaus verachtet ist. Darin muß eine starke Mauer zwischen Männern und Weibern sein." (Das weitere siehe im XVIII. Kapitel des ersten Buches.)
Kapitel XXXI.
Christus sagt hier, was für Gemälde im Kloster vom heiligen Welterlöser sein sollen, und daß die Kirche drei Pforten haben müsse. Von der geheimnisreichen Bedeutung derselben.
Der Sohn Gottes sprach: "An den Kirchenwänden sollen sich keine anderen Bilder befinden, als allein meine Leiden und das Andenken meiner Heiligen. Denn häufig haben die in die Kirche Eintretenden mehr Freude am Anblicke der Bilder an den Wänden, als an den Wohlthaten Christi. Es ist auch zu merken, daß man 148 in der Kirche drei Pforten haben soll. Die erste soll heißen: die Pforte der Vergebung; durch dieselbe sollen alle Weltleute hereintreten. Denn ein jeglicher, welcher mit reuigem Herzen und dem Willen, sich zu bessern, durch diese Pforte eintritt, wird eine Erleichterung in seinen Anfechtungen, Stärke zum Vollbringen des Guten und Vorsicht beim Handeln erlangen. Deshalb soll diese Pforte gegen Morgen sein, weil den Eintretenden die göttliche Liebe aufgehen und das Licht des Glaubens in denselben gestärkt werden wird. Die zweite Pforte wird die Pforte der Versöhnung und Wiedervereinigung heißen, und durch dieselbe sollen die Brüder in ihren Chor eintreten; denn durch ihr Gebet und ihren Glauben werden die Sünder sich Gott nahen, der Zustand des Königreichs gebessert und der Zorn Gottes besänftigt werden. Deshalb soll diese Pforte nach Niedergang führen, weil durch ihr Gebet in vielen die Macht des Teufels untergehen und abgeschnitten werden wird, daß er nicht die Übermacht erlange, zu versuchen, soviel er will. Die dritte Pforte soll die Pforte der Herrlichkeit und der Gnade heißen. Durch dieselbe sollen die Schwestern eintreten; eine jegliche Schwester, welche durch diese Pforte mit reuigem Herzen und der alleinigen Absicht, Gott zu gefallen, eintritt, wird in dieser Zeit Gnade empfangen, von einer Tugend zur anderen fortzuschreiten, Erquickung in den Anfechtungen und die Herrlichkeit in der Zukunft zu erlangen. Deshalb soll diese Pforte gegen Mitternacht sein. Denn gleichwie vom Teufel alle Kälte der Bosheit herrührt, so wird denen, welche in diese Pforte eintreten, die Fülle des Segens und die Wärme des Geistes eingegossen werden, und in ihnen die Glut der göttlichen Liebe sich mehren."
Kapitel XXXII.
Christus begehrt von der Reichsgemeinde einige Hilfe zur Vollendung des Klosters von Wadstena.
Christus sprach: "Ich bins [sic!], der dem Abraham geboten, seinen Sohn zu opfern, nicht daß mir das Gut seines Gehorsams vorher unbekannt gewesen, sondern weil ich gewollt, daß sein guter Wille auch den Nachkommen zur Befolgung in ähnlicher Weise bekannt 149 werden solle. So will ich denn nun jetzt, daß der Landesfürst ein Kloster zu Ehren meiner Mutter baue, damit die Sünden des Reiches gemindert werden. Zur Vollendung dieses Klosters begehre ich von der Reichsgemeinde Hilfe, jedoch nicht als ein armer Dürftiger, da ich der Herr aller Dinge bin, sondern damit die Bereitwilligkeit ihres guten Willens auch anderen bekannt werde. Darum soll ein jeglicher, der zu den Jahren der Unterscheidung gelangt, und sich vorsetzt, in der Jungfräulichkeit zu verharren, sei es Mann oder Frau, einen Groschen gebräuchlicher Münze spenden; und ähnlicherweise, wer im Witwenstande lebt. Wer aber im Ehestande ist, soll für sich und seine Frau zwei Groschen zum Baue dieses Klosters meiner Mutter beisteuern. Diejenigen jedoch, welche Söhne und Töchter haben, die zu den Jahren der Unterscheidung gekommen, nämlich sechzehn Jahre alt geworden sind, sollen für jedes einen Groschen beisteuern, auf daß in ihnen meine Liebe und die Furcht des Gehorsams vermehrt werde. Die Religiosen aber, welche sich und das Ihrige mir zu geben schuldig sind, und die Geistlichen, die mein Los sind, mögen frei bleiben. Ähnlicherweise soll das im Dienste befindliche Gesinde frei sein, weil sie ihr Brot im Schweiße essen, und nicht ihre eigenen Herren sind."
Kapitel XXXIII.
Daß die Äbtissin vom Orden des heiligen Welterlösers vier gut beleumundete Männer zu Brüdern außerhalb des Klosters annehmen soll. Von der Kleidung und Weise derselben, zu leben.
Christus sprach: "Die goldene Schrift sagt, daß, als Moses für sein Volk gebetet, Aaron und sein Genosse dessen Hände gestützt haben, damit er von dem beständigen Ausstrecken derselben nicht ermüdet werden möchte. Aber wozu das? Hätte Gott, der ihm die Kraft des Gebetes gab, ihn nicht auch stärken können? Er hätte freilich gekonnt. Allein es war ein Zeichen für diejenigen, welche, indem sie alles verachten, Gott allein anhangen, daß die menschliche Natur schwach ist und des Beistandes bedarf. Damit nun die Freunde Gottes bestehen mögen, und nach der geistlichen Betrachtung nicht mit Zeitlichem sich beflecken, werden ihnen äußere 150 Trostmittel verliehen, damit sie desto kräftiger sich zum Göttlichen erheben mögen. Darum sollen vier Männer von gutem Zeugnisse, Leben und Alter am Hofe zu Beamten angenommen werden, welche an die Armen Almosen und Kleider austeilen und bereit sein sollen, der Schwestern und Brüder Worte anzunehmen und die Antworten zurückzubringen, auch in Klosterangelegenheiten mit den weltlichen Herren zu reden und der Äbtissin eifrig zu Diensten stehen sollen, um ihre Lasten zu erleichtern. Zu dem Ende aber, und damit die besagten Bruder die erhaltenen Aufträge getreulich vollziehen, sollen sie vom Kloster leben und aller geistlichen Güter, welche das Kloster besitzt, teilhaftig sein. Sie sollen auch enthaltsam leben, und zum Zeichen der göttlichen Freundschaft und Liebe ein rotes Kreuz auf den Kleidern neben dem Herzen tragen; auch in die Hand der Äbtissin Gehorsam in weltlichen, und dem Beichtvater in geistlichen Dingen versprechen; in gleicher Liebe und Regel, in gleichen Sitten, in Gehorsam und der Zucht leben, wie die innerhalb des Klosters sich Befindenden, damit weder in den Sitten, noch im Essen und Trinken, noch im Strafen ein Unterschied sei, keines anderen Geheiß sollen sie dem Befehle der Äbtissin oder des Beichtvaters vorziehen. Wenn aber einiges Unregelmäßige oder so Abscheuliches von ihnen begangen werden sollte, wodurch der Orden beschmutzt würde, oder das Kloster in üble Nachrede geriete, sollen sie in das Klostergefängnis eingesperrt werden. Wenn der Beichtvater es nicht bessern kann, soll Rat und Hilfe beim Bischofe gesucht, aber in allen Stücken die Fortsetzung der heiligen Regel beobachtet werden. Der Beichtvater soll darüber wachen, wie sie fasten und in welchen Stunden sie Mahlzeit oder Stillschweigen halten und wann sie schlafen sollen, und wie und welcher Art sie aus dem Kloster oder zu dem Herrn des Landes gehen sollen. Gleicherweise soll er auch für ehrbaren Anzug, für Lesung der Tagzeiten und wo sie in den Kirchen stehen und den Leib Christi empfangen sollen, Sorge tragen. Auch soll ihnen ein Ort bestimmt werden, wo sie essen und schlafen mögen; desgleichen sollen sie einen besonderen Beerdigungsplatz haben. Unter den vier Männern, welche das Kreuz tragen, können einer oder zwei Priester sein, so jedoch, daß sie in allen Stücken der Äbtissin und dem Beichtvater gehorchen. Wenn aber Arbeitsleute oder Handwerker sich der Regel unterwerfen wollen, sollen sie das- 151 selbe Gesetz und die nämlichen Satzungen haben, nur nicht das Kreuz tragen; einer von den vieren soll ihr Meister sein, durch welchen sie geleitet und nach dem Rate und der Vorschrift der Äbtissin und des Beichtvaters in geistlichen Dingen unterwiesen werden."
Kapitel XXXIV.
In betreff des achtzehnten Kapitels der Regel vom heiligen Welterlöser unterscheidet Christus dreizehn Altäre, welche den dreizehn Aposteln nach ihren dreizehn hervorragenden Tugenden gewidmet werden sollen.
Der Sohn Gottes sprach: "Ich habe Dir vorhergesagt, man solle dreizehn Altäre in der Kirche auf den dreizehn Stufen haben, je nach der Berufung und der einem jeglichen der Apostel verliehenen Inbrunst meines Geistes. Der erste und vornehmste Altar nun soll Petrus, dem Fürsten der Apostel, geweiht sein, weil er der erste in der Berufung und Erwählung gewesen ist, ingleichen der erste in der Würde der Gewalt und einer gewissen Ähnlichkeit meines Todes. Zur Rechten des Altares des Apostelfürsten Petrus soll der Altar des Paulus sein, welcher, obwohl er mich nicht im Fleische wandeln sah, mich doch in einem geistlichen Gesichte erblickt, auch gar vollkommen vom Eifer für die Seelen entzündet worden und in Liebe am meisten gearbeitet hat, weshalb er auch Namen, Leben und Würde der Apostel erlangt hat. Der zweite Altar zur Rechten gehöre dem Jakobus, dem Sohne des Zebedäus, welcher durch Geduld und Predigteifer am ersten vor anderen verherrlicht zu werden verdiente. Der dritte Altar zur Rechten sei dem Evangelisten Johannes geweiht, welcher durch seine Liebe zur Keuschheit eine besondere Freundschaft bei mir gefunden, kraft deren er in höherer Weise die evangelische Wahrheit geschrieben. Der vierte Altar zur Rechten gehöre dem Bartholomäus, welcher als Verächter des Reichtums und Liebhaber der Armut die ihm auferlegte Pein geduldig ertrug. Der fünfte Altar zur Rechten sei dem Philippus gewidmet, welcher die Geburt des Fleisches verachtet, aber viele zum ewigen Leben wiedergeboren hat. Der sechste Altar zur Rechten sei dem Thomas geweiht, welcher in meiner Seite den vollkommenen 152 Glauben erkannt und in vollkommener Liebe verharrt hat. Zur Linken vom Altare des Apostelfürsten aber sei der erste Altar dem Andreas gewidmet, welcher mir, seinem Meister, nachgefolgt ist und sich der Schande des Kreuzes nicht geschämt hat. Der zweite Altar zur Linken gehöre dem Matthäus, welcher den Gewinn der Welt verlassen hat und ein Meister der Seelen geworden ist. Der dritte Altar werde dem Jakobus, des Alphäus Sohne, gewidmet, welcher mir dem Fleische nach gar ähnlich, so nun auch mir im Himmel in gewisser Weise gleich geworden ist. Der vierte Altar werde des Simon, seines Bruders, welcher die fleischlichen Eltern verachtet und mit der himmlischen Weisheit erfüllt zu werden verdient hat. Der fünfte soll des Thaddäus sein, welcher durch die Reinheit des Herzens den Teufel mannhaft bekriegte. Der sechste Altar gebührt dem Matthias, welcher vor der Begehrlichkeit meines Verräters einen Abscheu gehabt, und durch wahre Demut die Stätte der ewigen Herrlichkeit verdiente. - Jetzt, meine Tochter, wirst Du fragen können, weshalb ich den Johannes und die übrigen zur Verwandtschaft meines Fleisches gehörigen Apostel nicht dem Petrus in der Würde vorgezogen habe? Ich antworte Dir: Die vollkommene Liebe zu Gott ist diejenige, wenn der Mensch sich nichts von sich selber zurückläßt, sondern sich zu jeglicher Tugend und Vollkommenheit erweitert. Die vollkommene Liebe zum Nächsten besteht aber darin, wenn der Mensch den Bösen, auch wenn sie ihn mit Zorn erbittern, Gutes thut, den Guten aber noch Besseres erweiset, vorzüglich denen, welche er in guten Werken als die Bessern findet. Weil nun Petrus brünstiger in der Liebe war und nichts als sein eigen erachtete, als was ewig bei ihm bleiben würde, so ward, damit das Fleisch nicht dem Geiste vorgezogen werden möge, Petrus zum Papste erwählt. Wenn aber an Johannes größere Erweise der Liebe sich offenbarten, so verdienten seine Keuschheit und seine künftige Standhaftigkeit solches. Denn Gott erwählt, um die Süßigkeit seiner Güte auszubreiten und seine Liebe anzudeuten, zuweilen, um den Glauben zu erhöhen, Zeit und Personen, in denen er von seinen Geschöpfen verherrlicht werden will. Zuweilen macht er, wie ein Schmied, feurig, was stumpf und kalt ist, um das Schwache zu erheben und das Hoffärtige zu erniedrigen, damit Gott überall geehrt werden möge." 153
Kapitel XXXV.
Zum zwanzigsten Kapitel der Regel vom heiligen Welterlöser sagt Christus, daß die Schwestern vier Köchinnen, und ähnlicherweise die Brüder zwei Köche in der Klausur haben dürfen, um der Arbeit willen u. s. w.
Der Sohn Gottes sprach: "Als ich mit den Aposteln in der Welt wandelte, war meine Absicht nur auf den Gewinn der Seelen gerichtet, weil es sich nicht zusammenreimte, noch erfreulich war, den Seelen und der Welt zu dienen. Darum reichten getreue Männer und Frauen das Leibliche dar, welche doch keine Apostel waren, noch so genannt wurden, sondern Verwalter und Erleichterer der Arbeit derjenigen waren, welche mir ganz im geheimen dienten und beistanden, nämlich der Apostel, So ist es auch jetzt. Ich habe Dir früher von der Zahl der Töchter meiner Mutter geredet, welche, ihr näher befreundet, als andere, ihr nahe stehen müssen. Einige derselben hatten feinere Speisen, andere waren schwach und alt, andere an Arbeit minder gewöhnt, andere mehr der göttlichen Betrachtung ergeben. Wenn es daher not thut und der Ort es erfordert, wird der Äbtissin erlaubt, vier Küchenfrauen in die Klausur aufzunehmen, welche nach Alter und Wandel vorsichtig und von gutem Rufe sind. Dieselben sollen das Feuer besorgen, Holz und Wasser eintragen, aus dem Kloster die Unreinlichkeiten hinwegräumen, und den minder starken Schwestern in ihren Ämtern helfen. Diese Küchenfrauen dürfen um der Arbeit willen in die Kirche und an die übrigen Orte im Kloster gehen. Sie sollen ihre Behausung in der Nähe der Pforte und Küche haben, um allezeit bereit zu sein, aufzunehmen und hineinzutragen, was in den Arbeitsraum geschafft werden muß. Doch sollen sie dem Konvente weder im Chor, noch im Speise- oder Schlafraume zugesellt werden, sondern, wenn sie nichts zu thun haben, außerhalb des Chores sich aufhalten. Sie sollen auch nicht mit dem Konvente gespeist werden, sondern vom Almosen der Schwestern oder der Pfründe leben, welche ihnen die Äbtissin übertragen. Sie sollen der Äbtissin Gehorsam leisten und mögen, wenn die Schwestern ihre Mahlzeit gehalten haben, in der Stube essen. Zum Erkennungszeichen sollen sie ein Skapulier ohne 154 Kapuze tragen. Wenn aber in der Küche einiges unvermeidlicherweise durch die Hände von Weltleuten geschehen muß, dann sollen eine oder zwei Küchenschwestern dabei sein und darauf sehen, daß nichts wider die Regel geschehe. Ähnlicherweise sollen die Brüder zwei Küchenleute haben, wenn es für sie nützlich und notwendig ist. Diese Küchenbrüder sollen keine Kutte tragen, sondern einen Mantel über den Rock; daran soll eine kleine Kapuze festgenäht sein, wie bei anderen Ordensleuten. Wenn sie arbeiten, sollen sie den Mantel ablegen und eine hierzu besonders bestimmte Kapuze tragen, wie die Laienbrüder vom Orden des heiligen Benedikt oder Bernhard, desgleichen einen Gürtel von schwarzem Leder."
Kapitel XXXVI.
Zum einundzwanzigsten Kapitel der Regel vom Welterlöser bemerkt Christus, wie die Ordensgenossen das Gewürz gebrauchen sollen.
Der Sohn Gottes sprach: "Weil erhitzende Dinge ein Zunder der Üppigkeit sind, so ist es gut, wenn die Gesunden im Kloster nicht beständig Pfeffer, Ingwer und dergleichen Gewürze genießen. Sie mögen sich vielmehr der gemeinen Kräuter bedienen, welche das Land, in welchem sie wohnen, hervorbringt. An den Festen, wo neun Lektionen stattfinden, kann ihnen in Betracht der Arbeit gestattet werden, sich jener Gewürze zur Erholung zu bedienen; den Kranken und Schwachen aber sollen solche Dinge, so oft sie ihnen dienlich sind, nicht verweigert werden."
Kapitel XXXVII.
In betreff des zweiundzwanzigsten Kapitels der Regel vom heiligen Welterlöser nennt sich Christus einen Vater aller Erschaffenen und Neuerschaffenen und derer, welche seine Gebote halten. Er nennt auch Maria seine Mutter und Tochter, die Schwestern vom Orden des heiligen Welterlösers seine und Marias Töchter. Er gestattet ihnen, seinen Leib zu haben, und im Falle der Not, jedoch nur mit Genehmigung der geistlichen Vorgesetzten, zu den Kranken zu tragen, und lobt gar sehr die jungfräuliche Keuschheit.
Jesus Christus, der Sohn Gottes, sprach: "Wie der ein Vater genannt wird, welcher mittels der wechselseitigen Verbindung des 155 Fleisches einen Sohn erzeugt, so bin ich, Gott, der Vater aller, weil ich dem Leibe eine Seele eingieße und dieselbe, wenn sie verunstaltet worden, durch mein Leiden und die Wirksamkeit der göttlichen Eingebung wieder erzeuge und erneuere. Wie ich demnach ein Vater aller derer bin, welche erschaffen und in der Taufe von neuem erschaffen worden, so bin ich auch ein Vater aller derer, welche dem Wege meiner Demut nachwandeln, und den Pfad meiner Gebote verfolgen. Darum kann Maria, die Mutter meiner Menschheit, sowohl Mutter, als Tochter genannt werden: eine Mutter, weil sie mein Fleisch geboren, eine Tochter, weil sie meinem Willen gefolgt ist. Denn die Ähnlichkeit ihres Leibes kam gleichsam in meinem Fleische wieder zum Vorscheine, und die Ähnlichkeit aller Tugenden glänzte auf vollkommene Weise in ihrem Herzen und Wirken wieder. Weil nun meine Mutter sich Töchter erwählen will, deren Unterweiser und Regierer ich bin und denen ich durch Dich eine neue Satzung gezeigt habe, deshalb will ich ihr Vater sein und heißen, und zum Zeichen dessen gebe ich ihnen zwei besondere Vorrechte. Das eine besteht darin, daß sie das Sakrament meines Leibes stets auf ihrem Altare in einem schicklichen Gefäße von Saphir oder Krystall ausgestellt haben dürfen, auf daß sie mich, den sie täglich unter einer fremden Gestalt schauen, brünstiger begehren, bis sie mit der wirklichen Wahrheit ersättigt werden. Das zweite besteht darin, daß, wenn irgend eine Schwester mit einer so schweren Krankheit heimgesucht wird, daß sie des Erbrechens halber das Sakrament meines Leibes nicht zu nehmen vermag, oder damit sie nicht nachts ohne Wegzehrung sterben möge, ich, der Gott aller Dinge, zugebe, daß die Äbtissin, oder wem sie es auftragen würde, in Begleitung des Konvents das Sakramentsgefäß zur Kranken trage, und derselben mein Leib gezeigt werde, den sie aber nicht berühren darf, wobei jedoch gesagt werden soll: Dein Glaube gereiche dir zum Heile und ewigen Leben!"
Die heilige Brigitta antwortete: "O Herr, Du Eingeber aller Gnade, zürne nicht, wenn ich rede. Wahrlich, mit reichlichem Überflusse gießest Du Dich über uns aus; ja, wofern es recht ist, so zu sprechen, Du vergeudest Dich vor Verlangen nach uns. Wer kann wohl Deine so große Güte und Süße jemals glauben, wenn er nicht von Deinem Geiste zuvor berauscht worden? Denn es steht 156 geschrieben, daß diejenigen, welche im Gesetze Mosis die heilige Lade, welche Dich bedeutete, berührten und sahen, starben. (I. Kön. VI.) Und jetzt lässest Du Dich selbst berühren, der Du die Wahrheit selber bist, welche alle Zeichen nur vorbildeten. O, wie rein muß der sein, welcher sich dem höchsten Gott naht!" Gott antwortete: "Was verwunderst Du Dich, meine Tochter, wenn ein Gefäß sich dem anderen naht; wenn, will ich sagen, ein jungfräuliches Gefäß sich dem Gefäße des unvergänglichen Schatzes naht? Denn wie beim Einzuge der Lade Mosis die unreinen Mauern niederstürzten und das Götzenbild zertrümmert ward, so wird durch jungfräuliche Liebe des Teufels Hoffart zu Schanden gemacht, des Herzens Härtigkeit erweicht und die Unreinigkeit des Fleisches vernichtet. Denn wie soll es dem wunderbar sein, sich von einer Jungfrau berühren zu lassen, welcher sich herabgelassen, auch von einer Jungfrau geboren zu werden? Alles vermag ja die jungfräuliche Liebe mit Gott, wenn sie mit der wahren Demut vereinigt ist. Damit aber der Geistlichkeit und sonst den Weisen kein Nachteil geschehe, übertrage ich diese Gnade der Herrschaft und Macht den geistlichen Vorgesetzten. Denn es wurden auch Moses und die Propheten nicht ohne Urteil und vorgängige Untersuchung durch die Hohenpriester gelesen, und ebenso dürfen meine Worte nicht ohne die Gutheißung und Billigung der Päpste ans Licht treten, denen ich die Macht gegeben habe, zu binden und aufzulösen; wer sie verachtet, verachtet mich selber."
Kapitel XXXVIII.
Christus ordnet hier an, was für ein Estrich in seinem Kloster sowohl für die Welt-, als für die Klosterleute sein soll; wie derselbe, wenn dort einige begraben worden, wieder herzustellen, und wer in der Kirche zu begraben.
Der Sohn Gottes sprach: "Ich habe Dir zuvor gesagt, wie die Schwestern und Brüder begraben werden sollen. Nun füge ich weiter hinzu, daß, wenn die Kirche vollendet worden, die Um- und Kreuzgänge innerhalb des Gitters mit behauenen reinen Steinen, oder mit Ziegelsteinen gepflastert werden sollen, damit den Reinen alles rein werde. Darum soll innerhalb der großen Mauer, da, 157 wo es am passendsten geschehen kann, ein Beerdigungsplatz eingerichtet werden, auf welchem die Schwestern zu begraben sind. Sollen dieselben aber in den Kreuzgängen begraben werden, so muß man sorgfältig darauf achten, daß keine Verunstaltung oder Unebenheit im Estrich erscheine, sondern derselbe nach dem Begräbnisse wieder in seine frühere Schönheit und Gestalt gebracht werde. Ähnlicherweise soll auch der Estrich der Kirche aus geraden und reinen Steinen bestehen, damit die Eintretenden nicht an den Vertiefungen und der Unebenheit der Steine Anstoß nehmen, sondern eine reine, für das göttliche Gebet geschmückte Stätte haben mögen. wenn aber geistliche und solche Personen, welche eine Würde bekleideten, in die Kirche begraben werden müssen, soll sorgfältig achtgegeben werden, daß nach Beisetzung der Leichen der Estrich wieder in seine frühere schöne Verfassung und Gestalt gebracht werde."
Kapitel XXXIX.
Aus Anlaß des sechsundzwanzigsten Kapitels der Regel vom heiligen Welterlöser zeigt die Jungfrau Maria dreierlei Beschaffenheiten der in diesen Orden eintretenden Personen an. Die ersten sind, welche von Liebe entzündet die Wohlthaten Gottes betrachten. Die zweite Art sind diejenigen, welche wegen ihrer Sünden Buße thun. Die dritte Art sind die, welche mehr die Werke des Fleisches, als des Geistes, mehr die Welt, als Gott lieben. Sie wünscht auch diesem Orden und den ihm ergebenen Andächtigen verschiedenen Segen Gottes, und fügt den Grund hinzu, weshalb der Tempel der Juden nicht wieder auferbaut werden wird.
Die Mutter Christi sprach: "Ein jeglicher, der da sitzt auf einem erhöhteren Sitze, wird das Licht in Mittag sehen. Wer aber zur Rechten sitzt, wird früh vom Schlafe erwachen, der zur Linken Sitzende jedoch vor dem Hauch der Nacht erstarren. So soll ein jeglicher, welcher in dieses Haus eintritt, sorgfältig darauf achten, daß er nicht das Leben für den Tod, die Kälte statt der Hitze liebe. Auch soll sich derjenige, der in mein Haus eingeht, vor dem Feinde hüten, welcher vor der Thüre ist. Deshalb soll er die Vernunft zum Führer und Gott zum Leiter haben. Das Haus, von welchem ich Dir zuvor gesagt habe, soll wie ein Feuer sein, das sich zunächst im Stroh und auf dem Boden ausbreitet 158 und hernach das Dach und das ganze Haus dergestalt anzündet, daß diejenigen, welche draußen sind, nichts davon erfahren, als bis das ganze Haus in Feuer sieht. Dieses Haus muß im heiligen Geiste gestärkt werden, wie Elias, welcher Brot aß und Wasser trank, und durch diese Speise gestärkt vierzig Tage und Nächte ging. So sollen alle, welche in dieses Haus eingehen, gestärkt werden und mit jeglichem Tage zunehmen, und es soll ihnen die Kraft des Geistes und die Inbrunst des Gaubens [sic!] und der Liebe wachsen. Gott möge auch bei denen bleiben, welche in dieses Haus eingehen, wie er mit Jakob war, welcher aus seines Vaters Hause allein ausging, aber mit einer zahlreichen Schar heimkehrte und Joseph erzeugte, welcher Heil des Volkes genannt ward, weil er sein Volk errettete. (Genesis XXXII. und XLI.) Gott bewahre auch dieses Haus und diejenigen, welche hineingehen, wie er seinen Apostel bewahrte, daß derselbe in dem fetten Öle nicht verbrannte; möge er auch denen, welche ihn lieben, geben, daß sie im Fette der Liebe der Welt nicht verbrennen, auch bei deren Widerwärtigkeit nicht schwach werden, oder erliegen. Es mögen auch alle, welche in dieses Haus eingehen, Frucht bringen wie das Korn, das aus sich hundertfältige Frucht hervorbringt, und wie der Ölkrug der Witwe, damit sie fortschreiten von einer Tugend zur anderen, bis sie den Herrn in seiner Seligkeit anschauen. Dies Haus soll auch bewehrt sein mit einer Mauer geistlicher Hut, welche so stark und so groß ist, daß der Feind, welcher dieselbe durchgraben wollte, sagen müßte, er habe nicht Zeit genug, sie zu unterwühlen, noch Werkzeuge, mit denen er an die Grundmauer gelangen könne, noch viel weniger aber an die Mauer selbst. Gott wolle auch auf dieses Hans sehen, wie er auf sein Volk gesehen, als er dasselbe aus Agypten [sic!] hinausführte und ihm den Weg am Tage mittels einer Wolken- und Nachts mittels einer Feuersäule zeigte. Überdies wolle er die in dies Haus Eintretenden segnen, wie er seine Apostel und mich, seine Mutter, segnete, als er uns den heiligen Geist gab und versprach, bei uns zu bleiben bis ans Ende der Welt. (Apostelgesch. II. Matth. XXVIII.) Es soll in diesem Hause auch eine Pforte sein, durch welche allen erlaubt ist, einzutreten; die Eintretenden müssen zu den Schafen meines Sohnes gehören, welche die Stimme desjenigen hören, 159 welcher seine Seele für sie hingegeben. Der Vater möge sie bewahren mit seiner Macht, der Sohn lenken mit seiner Weisheit, der heilige Geist entflammen mit seiner Liebe, damit, wenn ein Wolf in Schafskleidern hereingekommen, dieses den Schafen zu größerem Verdienste gereichen, er selbst aber hinunterfahren müsse an den ihm bereiteten Ort." Weiter sprach die Mutter Gottes: "Du sollst auch wissen, wie dem Propheten Gottes befohlen worden, dem undankbaren Volke die Schilderungen von der Verwüstung des Tempels vorzutragen, welche er im geistlichen Gesichte geschaut (Ezechiel LXIII.); nicht daß das Leibliche als wie vom Himmel gewesen wäre, sondern weil unter dem Leiblichen das Geistliche zu verstehen ist, damit das ungehorsame Volk seine Undankbarkeit erkennen, von seinem Bösen ablassen und sich vorbereiten möchte, die Verheißung Gottes zu empfangen. Dasselbe ist deshalb der Verheißungen Gottes beraubt worden, weil es in seiner Bosheit verharrte und seinen Willen nicht hat zum Guten wandeln wollen; auch der Tempel ist nicht wieder aufgebaut worden und wird es auch in Ewigkeit nicht werden. In meinem Hause aber werden nicht allein die materiellen Wände aufgeführt werden, sondern es werden auch die Seelen der Gerechten darin meinem Sohne gefallen. Es hat sich an ihm geistlicherweise die Beschreibung des Tempels erfüllt, welchen der Prophet Gottes im Geiste erblickte."
Kapitel XL.
Christus unterscheidet hier dreierlei Früchte, d. h. dreierlei Stände von Personen, welche sich unter der Regel vom heiligen Welterlöser befinden werden.
Der Sohn Gottes sprach: "Dreierlei Frucht wird unter meiner Regel sein. Die erste wird hervorgehen aus der Furcht, welche nach Art einer Braut will und nicht will, die, nachdem sie den Willen und die Lust des Bräutigams gekostet, wünscht, daß des Bräutigams Wille sich nach dem ihrigen richte. Diese Frucht wird die Lust des Bräutigams nicht vollkommlich kosten, weil sie sich nicht ganz bemüht, die volle Süße des Bräutigams zu erfassen. Die zweite Frucht ist, welche nach Gott verlangt und an seiner Freude teilzunehmen begehrt, aber in Trauer verfällt, wenn sie 160 seine Widerwärtigkeiten ertragen soll. Diese ist einem Kriegsmanne ähnlich, welcher, der Gerechtigkeit und der Erlangung der Krone uneingedenk, in der Zeit des Glückes eine große Belohnung sucht, seinem Herrn aber zur Zeit der Widerwärtigkeit nicht hat folgen mögen. Die dritte Frucht ist, welche sich und alles das Ihrige nicht allein in die Hände Gottes überläßt, sondern alles von sich entfernt, was sie versteht, wie ein seinem Besitzer willfähriges Tier, und allem die Süßigkeit ihres Herrn sucht, in Widerwärti6keitrn voll Freude, im Glücke demütig und furchtsam ist. Diese Frucht verdient, daß Gott in seiner Barmherzigkeit sich aufmacht und daß die verheißene Freude erlangt oder erstiegen werde, in welcher die Heiden sich erfreuen, die Lauen erwärmt und die Kalten entzündet werden."
Kapitel XLI.
Christus gebietet der heiligen Brigitta, mach Rom zu gehen, und verheißt den Fortgang der Regel vom heiligen Welterlöser.
Christus, der Sohn Gottes, sprach: "Nun ist die Regel geschrieben, nun sind ihre Blumen hinzugesetzt und die Farben geordnet. Ziehe nun hin an den Ort, wo Du den Papst und den Kaiser sehen sollst. Denn diese Regel wird vorwärtsschreiten, wie ein Licht und eine Leuchte, sich auch in enge Schranken ziehen, auf daß sie zunehme, bis die dritte Frucht zum Vorscheine kommt, welche die Ähre zermalmen und das reine Korn in ihre Scheuer bergen wird."
Kapitel XLII.
Christus befiehlt der heiligen Brigitta, wegen Bestätigung der Regel vom heiligen Welterlöser an den Kaiser zu schreiben.
Christus redete zur Braut und sprach: "Schreibe von meiner Seite an den Kaiser folgende Worte: Ich bin das Licht u. s. w." Siehe den Verfolg im LI. Kapitel des siebenten Buches. 161
Kapitel XLIII.
Christus zeigt durch die heilige Brigitta einem Könige, welcher ungehorsam gegen ihn ist, den Weg, auf dem er versöhnt werden kann.
Der Sohn sprach: "Weil der, welchen ich meinen Sohn genannt, ungehorsam und einem ungezogenen Jungen ähnlicher geworden, als einem gehorsamen Sohne; weil er ferner den ersten Weg, nämlich den Zug gegen die Heiden, nicht gemacht hat, darum zeige ich ihm einen zweiten Weg; wenn er diesen inne hält, wird er glücklich sein. Dieser Weg besteht darin, daß er zum Papste ziehe, denn die schwersten Verschuldungen müssen beim höchsten Herrn, durch die Ratschlüsse des höchsten Herrn, geheilt werden. Zieht er aber hin, so soll er sich nicht schämen, ihm darzulegen, wie er ein Räuber der Gemeinde, ein Verräter der Seelen, ein Verächter der Kirche, ein Verletzer des Eides und des öffentlichen Gesetzes, ein verschwenderischer Vergeuder und Entfremder der königlichen Krone und der Schätze derselben ist. Überdies soll er sich die Verzeihung seiner Sünden und die Bestätigung meiner Regel erwirken, welche ich in seinem Reiche geoffenbart habe, auf daß die Bienen, welche an den bereits zubereiteten und zu hoffenden Stätten versammelt werden sollen, durch ihre Segnungen befestigt werden. Er zögere daher nicht, hinzuziehen, damit nicht etwa, wenn er verzieht, Heuschrecken und dergleichen Ungeziefer die den Bienen zubereiteten Stätten einnehmen und durch ihr Geschmeiß verunehren und verwüsten, so daß die Mühe, den Ort zu reinigen und zu erneuern, größer ist, als diejenige gewesen, denselben neu zu bauen."
Kapitel XLIV.
Eine Offenbarung vom Ablasse zu St. Peter in den Ketten und der Bestätigung der Regel vom Welterlöser.
Der Sohn Gottes sprach zur Braut: "Wer ein von Faden gewickeltes Knäuel hat u. s. w." Siehe das weitere im CXXXVII. Kapitel des vierten Buches. 162
Kapitel XLV.
Christus befiehlt durch die heilige Brigitta dem Prior Petrus zu Alvastra, die Regel vom Orden des heiligen Welterlösers niederzuschreiben.
Der Sohn Gottes sprach: "Sage jenem, er solle die Regel aufschreiben, welche von meinem Geiste eingegeben worden. Aber hüte Dich sorgfältig, daß Du nicht aus eigenem Geiste davon hinwegthuest, oder etwas hinzusetzest, sondern schreibe nur das, was von mir gesagt worden. Sollte aber der Schreiber etwas aus den Regeln der Väter hinzufügen, wo er es dem Gegenstande angemessen sieht, auch merkt, daß dabei der bekannte Hauch meines Geistes in ihm zugegen ist, da ist mir's nicht unangenehm; denn Benediktus, Franziskus und andere Väter haben nach Art der Bienen aus den Vätern in ihren Regeln vieles aufgestellt, und solches ist mir lieb gewesen, weil sie meinen Geist gehabt haben, und ihr Wille ist meinem Willen entsprechend gewesen. Darum ist mir alles lieb gewesen, was sie angeordnet haben."
Kapitel XLVI.
Christus befiehlt der heiligen Brigitta, dem Herrn Petrus, Prior von Alvastra, zu sagen, was für eine Regel man im Kloster des heiligen Welterlösers haben soll, und fügt den Grund hinzu, weshalb er hierüber mit ihr, aber nicht mit anderen rede.
"Ich will Dir zeigen, was für eine Regel man im Kloster meiner Mutter haben soll. Auch die Einsiedler und heiligen Väter hatten Eingebungen von meinem Geiste. Darum melde alles, was Du von meinem Geiste hören wirst, dem Schreibenden, und hüte Dich auf alle Weise, daß Du auch nicht ein Wort von Deinem Geiste meinen Worten hinzufügst. Du wirst Dich aber wundern können, weshalb ich, der Schöpfer aller Dinge, nicht zu einem Gelehrten, oder in einer solchen Sprache rede, welche von jedermann verstanden oder erkannt zu werden vermag. Ich antworte: Ich habe viele Propheten gehabt, welche meines Geistes Worte nur 163 durch einen Dolmetscher und Vermittler haben aussprechen können, und gleichwohl zum Lichte und zur Erkenntnis gekommen sind. Denn, wenn einem die Gabe Gottes anvertraut wird, wird Gott noch weit mehr verherrlicht; so ist es auch mit Dir, denn ich habe wohl Freunde, durch welche ich meinen Willen rede; allein Dir, als einem neuen Werkzeuge, will ich Neues und Altes zeigen, damit die Hoffärtigen gedemütigt und die Demütigen geehrt werden."
Kapitel XLVII.
Wie die heilige Brigitta göttliche Offenbarungen zu haben angefangen, und warum.
Als einige Jahre seit dem Tode ihres Eheherrn verflossen waren und die selige Brigitta um ihren Stand in Sorgen war, ergoß sich der Geist des Herrn um sie und entzündete sie. Im Geiste verzückt, erblickte sie eine leuchtende Wolke und aus der Wolke vernahm sie eine Stimme, welche zu ihr sprach: "Ich bin Dein Gott und will mit Dir reden." Als jene aus Furcht, es möchte eine Verblendung des Feindes sein, erschrocken war, vernahm sie ferner: "Fürchte nicht, denn ich bin der Schöpfer aller Dinge, aber kein Betrüger. Wisse, daß ich nicht Deinetwegen allein rede, sondern auch zum Heile aller Christen. Vernimm also, was ich Dir sage. Du wirst meine Braut und mein Kanal sein, Du wirst Geistliches und geheimes Himmlisches hören und sehen und mein Geist wird bei Dir bleiben bis zu Deinem Tode. Glaube deshalb festiglich, daß ich es selber bin, der von einer reinen Jungfrau geboren worden, der zum Heile aller Seelen gelitten hat und gestorben ist; ich bin's auch, der von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist und der jetzt mittels meines Geistes mit Dir redet." 164
Kapitel XLVIII.
Ein Gesicht, wie Christus den Herrn Petrus, damaligen Subprior von Alvastra, zum Schreiber gegenwärtiger Offenbarungen bestellt, und als er dieses ablehnte, gestraft hat, bis er einwilligte; es wird die Ursache vorangeschickt, weshalb diese Dinge geoffenbart sind.
Als die selige Brigitta betete, erschien ihr Christus und sprach: "Sage meinesteils dem Bruder Subprior, daß ich einem Herrn ähnlich bin, dessen Söhne, an eine harte Säule gefesselt, gefangen gehalten wurden. Er schickte seine Gesandten aus, damit sie seine Söhne befreiten, auch andere warnten, daß sie nicht in die Hände ihrer Feinde fielen, welche sie für ihre Freunde hielten. So habe ich, Gott, viele Kinder, nämlich Christen, welche in den schwersten Fesseln des Teufels festgehalten werden. Deshalb sende ich ihnen aus Liebe die Worte meines Mundes, welche ich durch eine Frau rede. Vernimm also Du, Bruder Petrus, dieselben und schreibe in lateinischer Sprache die Worte, welche sie Dir meinerseits sagt, und ich werde Dir für jeden Buchstaben nicht Gold oder Silber, sondern einen Schatz geben, der nicht altern wird." Diese Offenbarung gab die Frau Brigitta alsbald in Christi Auftrage dem gedachten Prior zu wissen, welcher damals Subprior war. Dieser wollte sich die Sache näher bedenken und war, während er sich abends in der Kirche befand, mit seinen Gedanken bei sich im Streite. Nachdem er endlich aus Demut sich entschlossen hatte, die gedachten göttlichen Offenbarungen nicht anzunehmen und zu schreiben, da er sich derselben für unwürdig hielt, auch zweifelhaft war, ob nicht ein Teufelsblendwerk vorhanden sei, traf ihn aus göttlicher Hand ein solcher Backenstreich, daß er alsbald wie tot hinfiel und des Gebrauches der Sinne und leiblichen Kräfte beraubt ward; jedoch blieb der Verstand in seinem Inneren gesund. Da ihn nun seine Mönche also auf der Erde liegend fanden, trugen sie ihn in seine Zelle und legten ihn auf das Bett. So lag er eine lange Zeit während der Nacht wie halbtot da. Endlich kam ihm mittels göttlicher Eingebung folgender Gedanke in den Sinn: Vielleicht, so sprach er, leide ich das, weil ich der Offenbarung 165 und den mir durch Frau Brigitta von seiten Christi eröffneten Befehlen nicht habe gehorchen wollen. Und er sprach in seinem Herzen also: O Herr Gott! ist es darum, so schone meiner; denn siehe! ich bin bereit, will gehorchen und alle Worte schreiben, welche sie mir von seiten Deiner sagen wird. In dem Augenblicke, als diese Einwilligung in seinem Herzen erfolgt war, wurde er unverzüglich gesund. Er begab sich eilends zur Frau Brigitta und erbot sich, alle Offenbarungen niederzuschreiben, welche sie ihm von seiten Christi sagen würde. Ferner sagte der Prior, wie er nachmals von der Frau Brigitta gehört, Christus habe in einer anderen Offenbarung folgende Worte zu ihr gesprochen: Ich schlug ihn, weil er nicht gehorchen wollte, und danach habe ich ihn gesund gemacht, weil ich der Arzt bin, der den Tobias und den König in Israel gesund gemacht hat. Sage ihm also: Greife zu und lies, und lies abermals das Werk der Schriften meiner Worte und schreibe, denn ich werde Dir einen Lehrer meines Gesetzes zum Gehilfen geben,Wisse auch auf das zuverlässigste, daß ich ein solches Werk durch meine Worte, welche Du aus dem Munde dieser Frau niederschreibst, ausführen will, daß die Mächtigen gedemütigt werden und die Weisen verstummen sollen. Glaube ferner nicht, daß die Worte, welche dieses Weib mit Dir redet, vom bösen Geiste kommen, weil ich, was ich Dir sage, mit Werken beweisen werde. Und alsbald begann der Prior, dieses zu schreiben und alle Gesichte und göttlichen Offenbarungen, welche der Frau Brigitta zu teil wurden, nach deren Vorschrift niederzuschreiben.
Gleichwohl hat auch Herr Petrus einiges davon aufgeschrieben, ihr Reisegefährte, Beichtvater und während dreißig Jahren bis zu ihrem Tode ihr Schreiber in den gedachten Offenbarungen. Christus selbst befahl nachher noch vor ihrem Tode, daß dieselben dem Herrn Alfonso, einem spanischen Einsiedler, der vormals Bischof von Jaen gewesen, übergeben werden sollten. Auf diese Art sind die Bücher der himmlischen Offenbarungen niedergeschrieben worden. 166
Kapitel XLIX.
Christus vergleicht sich, indem er diese Offenbarungen giebt, einem Bildhauer, und sendet dieselben nachher an den Herrn Bischof Alfonso, welcher damals Einsiedler war, um dieselben zu erläutern; er sagt auch, wie der heilige Geist seine Auserwählten zuweilen sich selber überläßt.
Der Sohn Gottes redete zur Braut und sprach: "Ich bin gleich einem Bildhauer, der aus einem Stücke Holz, das er im Walde geschlagen hat, ein schönes Bild verfertigt, und solches mit Farben und Malereien ziert. Wenn nun seine Freunde das Bild sehen, und wie es mit noch schöneren Farben geziert werden könne, so setzen sie auch noch ihre Farben darauf und malen dieselben darüber. So habe ich, Gott, aus dem Walde meiner Gottheit meine Worte gebildet und dieselben in Dein Herz getragen; meine Freunde aber haben dieselben nach Maßgabe der ihnen verliehenen Gnade in Bücher geordnet und ihnen Farben und Schmuck gegeben. Damit sie nun in mehrere Sprachen übertragen werden, übergieb alle Bücher dieser Offenbarungen meiner Worte meinem Bischofe, dem Eremiten, welcher sie zusammenstellen, erläutern und den katholischen Sinn meines Geistes darin festhalten soll, denn mein Geist überläßt zuweilen meine Auserwählten sich selber, damit sie meine Worte in ihrem Herzen wie auf einer Wage abwägen und erörtern, auch nach langem Sinnen dieselben deutlicher auslegen und das Beste auslesen. Denn wie Dein Herz nicht allezeit fähig und eifrig im Hervorbringen und Schreiben dessen ist, was Du empfindest, sondern wie Du in Deinem Geiste dasselbe hin- und wiederkehrest und erwägst, dann schreibst und wieder schreibst, bis Du zum eigentlichen Sinne meiner Worte gekommen bist, so stieg mein Geist bei den Evangelisten und Lehrern auf und ab; denn bald setzten sie etwas hin, das wieder zurückgenommen werden mußte, bald wurden sie von anderen einer Prüfung unterzogen und getadelt und noch kamen nachher andere, welche geistvolle Erörterungen anstellten und ihre Worte in ein helleres Licht stellten. Gleichwohl haben alle meine Evangelisten die Worte, welche sie redeten und schrieben, vom heiligen Geiste gehabt. Sage darum jenem Eremiten weiter, er solle das Amt eines Evangelisten verrichten und ausfüllen." 167
Kapitel L.
Die Jungfrau Maria preist hier Christum auf fünffache Weise. Christus rühmt sie seinerseits, und meldet weiter von der Erschaffung und dem Falle der Engel, und der Erneuerung der Menschen und seiner Menschwerdung, wobei er sich mit einem Vogel vergleicht, der nichts genießt, als ein frisches, Herz.
Maria redete und sprach: "Gebenedeit seist Du, mein teuerster Sohn, ohne Anfang und ohne Ende. In Dir sind drei Herrlichkeiten: Macht, Weisheit und Kraft. Deine Macht hast Du bei Schöpfung der Welt gezeigt, welche Du aus nichts erschaffen; Deine Weisheit bei der Anordnung der Welt, als Du alles im Himmel, auf Erden und im Meere weislich und vernünftig geordnet; Deine Kraft aber hast Du hauptsächlich gezeigt, als Du von demjenigen gesandt worden, welcher Dich in meinen Schoß sendete. Noch zwei Herrlichkeiten hast Du neben diesen dreien: Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Alle Weisheit hast Du ähnlicherweise sehen lassen, als Du alles barmherziglich geordnet, als Du mit dem Starken gestritten und weise gesiegt hast. Auch Deine Kraft hast Du in aller Barmherzigkeit und Gerechtigkeit sehen lassen, als Du von mir hast geboren werden und den erlösen wollen, welcher durch sich wohl fallen, ohne Dich aber nicht zurückkehren konnte." Der Sohn antwortete: "Gebenedeit seist Du, Mutter des Königs der Herrlichkeit und Gebieterin der Engel! Deine Worte sind süß und sehr wahr. Du hast wohl gesprochen, denn alles thue ich in Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Das hat sich im Anfange der Erschaffung der Welt an den Engeln gezeigt, welche in demselben Augenblicke, wo sie erschaffen worden, in ihrem Gewissen sahen, welcher Art ich bin, obwohl sie es noch nicht gekostet hatten. Die einen unter ihnen machten dann von der Freiheit ihres Willens einen guten Gebrauch und faßten in ihrem Gewissen den festen Vorsatz, aus Liebe fest zu beharren in meinem Willen; andere ober überhoben sich, und wendeten ihren Willen wider mich und die Vernunft. Darum war es recht, daß die Hoffärtigen fielen, die Gerechten aber meine Süßigkeit kosteten und desto mehr befestigt 168 wurden, um sodann meine Barmherzigkeit zu zeigen, und damit die Stätte derer, welche fielen, nicht leer bleiben möchte, habe ich aus Liebe den Menschen auf Erden gemacht. Aber auch dieser fiel durch die eigene Freiheit und verlor das erste Gut. Er ward aus der Süßigkeit vertrieben, aber doch wegen meiner Barmherzigkeit nicht gänzlich verlassen. Die Gerechtigkeit bestand darin, daß, wie er mittels seines freien Willens von der ersten Ordnung gewichen war, er durch seinen freien Willen zurückkehren mußte, und zwar mittels desjenigen, der keine Sünde, sondern die höchste Reinheit hatte. Allein es ward keiner gefunden, welcher genügte, seine Gerechtigkeit zur eigenen Zahlung hinzugeben, geschweige denn zur Erlösung anderer. Auch war niemand geboren, welcher von der durch den ersten Ungehorsam bewirkten Sünde frei gewesen wäre. Gleichwohl hat Gott aus Barmherzigkeit in den Samen des Menschen eine von der Gottheit erschaffene Seele gesendet, damit sie warten und bleiben solle, bis der Beste und Reinste käme, welcher mit seiner Freiheit hinreichende Macht hätte, den Gefallenen aufzurichten, damit der Teufel nicht in Ewigkeit sich über seinen Fall freue. Deshalb gefiel es, als die ewig vorausgesehene angenehme Zeit erschien, Gott, dem Vater, mich, seinen Sohn, samt sich selber und dem heiligen Geiste, in Deinen gesegneten Schoß zu senden, und aus doppeltem Grunde von Dir sein Fleisch und Blut anzunehmen: erstens, damit der Mensch keinem anderen dienen möge, als Gott, seinem Schöpfer und Erlöser, und sodann, damit ich meine Liebe zeigen könne, welche ich zu dem Menschen trug, und meine Gerechtigkeit; denn da ich, der ich nicht gesündigt, aus Liebe gestorben bin, war es recht, daß derjenige, welcher mit Recht gefangen gehalten ward, erlöst wurde. Deshalb, meine teuerste Mutter, hast Du wohl gesprochen, daß ich alles in Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gethan habe. Gebenedeit seist Du, weil Du so süß gewesen, daß es der Gottheit gefallen, zu Dir zu kommen und sich nimmer von Dir zu trennen. Du bist so rein gewesen, wie das reinste Haus, duftend vom Wohlgeruche der Tugenden und mit jeglicher Schönheit geschmückt. Du bist so im Feuer gewesen, wie ein brennender und heller Stern, der doch nicht verzehrt wird. So hast Du in Liebe, die niemals verzehrt wird, zu mir vor allen gebrannt. Du heißest mit Recht die Liebe und Barmherzigkeit, 169 weil viele allen durch Dich blühte und alle durch Dich Barmherzigkeit finden, weil Du in Dir den Quell der Barmherzigkeit eingeschlossen gehabt hast, aus dessen Überflusse Du auch Deinem ärgsten Feinde, d. h. dem Teufel, Barmherzigkeit erweisen würdest, wenn er demütig darum bitten würde, Deshalb wird Dir gegeben werden, was Du willst und warum Du bittest." Die Mutter antwortete: "Mein Sohn! meine Bitte ist Dir von Ewigkeit her bekannt. Deshalb und damit jene Deine Braut das Geistliche erkennen möge, bitte ich Dich, daß Deine Worte, welche Du zu zeigen Dich herabgelassen, in den Herzen Deiner Freunde wurzeln und vollkommen erfüllt werden mögen." Der Sohn antwortete: "Gebenedeit seist Du vom ganzen himmlischen Heere. Du bist wie die Morgenröte, welche in der Klarheit der ganzen Kraft aufgeht. Du bist wie ein der Sonne vorauswandelndes Gestirn, weil Du mit Deiner Liebe meiner Gerechtigkeit vorausgehest. Du bist eine weise Mittlerin, weil Du Frieden machst zwischen denen, die uneinig sind, nämlich dem Menschen und Gott. Deshalb wird Deine Bitte erhört und werden Deine Worte, wie Du willst, erfüllt werden. Weil Du aber alles in mir siehst und weißt, deshalb zeige Deiner Tochter, meiner Braut, wie diese Worte ausgehen sollen in die Welt, und wie sie mit Barmherzigkeit und Gerechtigkeit verkündigt werden sollen. Ich bin wie jener Vogel, welcher zur Speise nichts begehrt, als das frische Herz der Vögel, der nichts trinken mag, als das reine Blut aus dem Herzen der Vögel, auch so scharfen Gesichtes ist, daß er während des Fluges der Vögel erkennt, ob das Herz frisch oder verdorben ist, weshalb er dann auch nur Vögel fängt, welche ein frisches Herz haben. Ich bin ein solcher Vogel. Ich begehre nichts, als das frische Herz, d. h. die mit guten Werken und göttlichen Neigungen erfrischte Seele des Menschen, das Blut derjenigen, von deren Liebe ich zu trinken begehre. Meine Erquickung ist eine brünstige Liebe zu Gott und eine von Sünden gereinigte Seele. Weil ich denn liebreich und gerecht bin und keinen begehre, als wer in Liebe brennt, deshalb müssen meine Worte in Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in die Welt treten; in Gerechtigkeit, damit der Mensch mir nicht aus Furcht vor meinen Worten diene, auch nicht gleichsam durch eine gewisse fleischliche Süßigkeit zum Dienen gezogen werde, sondern aus göttlicher Liebe, welche 170 aus innerlichster Betrachtung meiner Werke und der Erinnerung an die Sünden hervorgeht. Wer diese beiden Dinge häufig bedenkt, findet die Liebe und wird auch mich alles Guten würdig finden, denn meine Worte müssen auch mit Barmherzigkeit eingehen, auf daß der Mensch betrachte, wie bereit ich bin, Barmherzigkeit zu gewähren; damit er seinen Gott erkenne, den er verachtet hatte und der die Sünder bessert."
Kapitel LI.
Christus zeigt hier einem Erzbischofe, weshalb er diese Worte hat offenbaren wollen. Er beklagt sich über alle Stände der Menschen, legt den Verlauf seines Leidens dar und sagt, daß dieses vernachlässigt, er selber aber verachtet werde. Er befiehlt auch diesem Erzbischofe, für diese Offenbarungen zu arbeiten, dem Könige von Schweden aber, wider die Heiden zu ziehen, und dem Bischofe von Abo, die Angelegenheit vor den Papst zu bringen. Er fügt hinzu, daß es dreierlei Arten von Teufeln giebt, durch welche die Menschen besessen werden.
"Ich bin's, der von dem, welcher mich gesandt hat, in den jungfräulichen Schoß gesandt worden bin und Fleisch angenommen habe und geboren worden bin Aber wozu? Fürwahr, damit ich mit Worten und Werken den Glauben zeigte. Darum bin ich gestorben, daß ich den Himmel öffnete. Darum bin ich begraben worden und wieder auferstanden, und werde kommen, um zu richten. Weil denn nun die Bischöfe zusammengekommen sind, so sage dem Erzbischofe: Du verwunderst Dich, weshalb ich meine Worte rede. Hebe Deine Augen auf und schaue. Merke mit Deinen Ohren auf und höre. Öffne Deinen Mund und frage, wie ich von allen vernachlässigt worden bin; schlage Deine Augen auf und siehe, wie ich von allen verstoßen bin; siehe, wie mich niemand in seiner Liebe zu haben begehrt. Richte Deine Ohren auf und höre, wie vom Aufgange bis zum Niedergange der Sonne des Menschen Herz begehrlich und hart ist in Vergießung des Blutes seines Nebenmenschen um seiner Begehrlichkeit willen. Höre, wie sie alle ihre Glieder aus Hoffart schmücken. Vernimm, wie die Lust der Menschen unvernünftig ist, gleich derjenigen der Tiere. Öffne Deinen Mund 171 und frage, wo die Verteidiger des Glaubens sind, wo diejenigen sich finden, welche die Feinde Gottes bestreiten, wo die sind, welche ihr Leben einsetzen für ihren Herrn. Forsche fleißig danach, und Du wirst sehr wenige als meine Freunde finden. Bedenke das und Du wirst erfahren, wie ich nicht ohne Ursache rede. Forsche weiter und vernimm, wie der römische Hof beschaffen ist, der mein Sitz sein sollte; denn gleichwie an einem Stuhle vier Stützen sind, welche denselben halten, und ein Mittelstück, auf welchem der Sitzende ruht, so sollten auch an meinem Stuhle, den ich den Päpsten hinterlassen habe, vier Stützen sein: die Demut, der Gehorsam, die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit, und ein Mittelstück, nämlich die göttliche Weisheit mit der göttlichen Liebe. Dieser Stuhl aber ist umgewandelt und ein neuer angenommen worden, an welchem statt der Demut die Hoffart, der eigene Wille statt des Gehorsams, die Geldliebe statt der Gerechtigkeit, Zorn und Neid statt der Barmherzigkeit sind, das Mittelstück aber weise und Meister nach der Welt sein heißt. Siehe, also umgeworfen und gewandelt worden ist mein Sitz. Schaue aber noch weiter und durchforsche des Hauptes übrige Glieder und die ganze Geistlichkeit und Du wirst finden, daß ich, Gott und Schöpfer aller Dinge, ihnen zur Last bin wie ein Stein; ich schmecke ihnen wie Gift; ihrer Gefräßigkeit bin ich wie ein kleiner Bissen. Siehe, wie verworfen ich bin! Siehe, welch ein Lohn mir für meine Liebe wird! Ich habe sie erschaffen und mit so großer Billigkeit und Gerechtigkeit erlöst, als wenn, um mittels eines Bildes zu reden, eine Wage vor mich hingestellt wäre, auf welche ich, damit richtig darauf gewogen werden möchte, nichts anderes als mein eigenes Herz gelegt hätte. Ich bin geboren und beschnitten worden. Ich habe verschiedene Trübsale und Beschwerden ertragen. Ich habe die garstigsten Worte und Schandreden gehört, bin gefangen genommen und gegeißelt, bin mit Stricken gebunden und wie in einer Presse gequetscht worden; meine Nerven sind auseinandergezerrt, meine Adern zerrissen, alle Gewebe auseinandergegangen. Darauf wurden mein Scheitel und mein ganzes Haupt mit Dornenstichen zerrissen. Das herniederrinnende und geronnene Blut entstellte mir das ganze Antlitz und meinen Bart. Mund und Zunge wurden gleicherweise mit Blut besudelt; das Zahnfleisch schwoll auf von den Schlägen. Als ich 172 darauf am Kreuze ausgespannt hing, hatte mein Nacken keine andere Lehne, als meine Schultern. Meine Arme wurden an die Löcher des Stammes mit Stricken gezerrt, die Füße abwärtsgezogen; mit zwei Nägeln durchbohrt, hatten dieselben keine andere Stütze, als die Nägel. Mein ganzes Innere war ausgedorrt und zusammengezogen. Mein Herz war voll von Schmerz; weil dasselbe von sehr kräftiger und trefflichster Beschaffenheit war, zog sich der Schmerz zuweilen von den Nerven nach dem Herzen und wiederum vom Herzen nach den Nerven, und so ward der Schmerz erhöht und der Tod verlängert. Als ich nun so in Schmerzen dahing, öffnete ich meine Augen und sah meine Mutter weinend dastehen; ihr Herz war voll Bitternis, alle ihre Glieder waren erstarrt und erbleicht; ihr Weh und ihre Bitternis peinigten mich mehr, als meine eigenen. Ich sah auch, wie meine Freunde in größter Angst waren. Einige von ihnen zweifelten gleichsam, andere bewahrten zwar die Treue, waren aber über die Maßen beunruhigt. Als ich mich aber in solchem Schmerze befand und in so großem Weh verharrte, brach mir endlich das Herz vor der Heftigkeit des Leidens, und die Seele nahm ihren Ausgang. Nachdem sie ausgefahren, richtete sich das Haupt ein wenig empor und alle Glieder zitterten. Die Augen öffneten sich halb, das ganze Gewicht des Leibes sank auf die Füße, und ich hing da wie ein mißgestaltetes Tuch. Siehe! solches habe ich, Dein Schöpfer, gelitten, und solches nimmt sich niemand zu Herzen. Darüber beklage ich mich vor Dir, damit Du betrachten mögest, was ich gethan habe und wie mir vergolten wird. Weiter bitte ich, Du wollest mit mir arbeiten. Ein jeglicher, der ein Werk ausführen will, muß drei Dinge haben. Erstens einen Stoff, aus welchem das Werk gemacht werden soll; zweitens Werkzeuge, mit denen es gefertigt wird; drittens sorgfältigen Vorbedacht, damit es mit Weisheit gemacht werde. Der Stoff bin ich, die Weisheit selber, von welcher und durch welche jegliche Weisheit ist, weil ich meine Worte in die Welt gesendet habe. Die Werkzeuge sind meine Freunde. Nimm deshalb meine Worte an und schaue, ob sie frisches Leben haben oder Modergeruch aushauchen, ob sie nach dem rechten gesunden Glauben schmecken und goldwürdig sind. Betrachte, ob sie von der Liebe der Welt zur Liebe Gottes, vom Wege zur Hölle nach des Himmels Höhe hinaufführen. Und wenn 173 Du es so findest, so wirke mit meinen Freunden, als guten Werkzeugen, meine Ehre. Wirke, sage ich, weislich als ein weiser Mann, arbeite mannhaft wie ein tapferer Mann, arbeite eifrig wie ein Freund des Herrn. Sodann gebiete ich Dir als der Herr, daß Du vollendest, was Du begonnen. Du bist meinen Weg gewandelt, hast Deinen Pflug in ein kleines Stück Landes eingesetzt und zu pflügen angefangen. Jetzt befehle ich Dir, wende öfter um und vernichte die Wurzeln und Dornen, und erbaue dort Kirchen aus den Gütern Deiner Kirche. Diesen Teil des Landes überantworte ich in Deine Hände, diesen fordere ich von Dir. Deshalb arbeite eifrig und emsig. Dem Könige gebiete ich, daß er, sobald er kann, gegen die Feinde ziehe; wenn er meint, dasjenige, was er für mich thut, sei Großes, so habe ich doch noch Größeres für ihn gethan, weil ich meines Lebens um seinetwillen nicht geschont habe. Ihm will ich drei zu Gesellen geben; zwei, welche Einsicht haben in geistlichen Dingen, den dritten, welcher das Gesetz der Kirche kennt. Dem Bischofe soll er sein Königreich empfehlen; dieser wird sich einen Weltlichen zugesellen, welcher für die Gerechtigkeit kein Geld annimmt, im Gerichte sich vor keinem Menschen fürchtet, der nicht Gold für Erz ausgiebt, und für den Himmel keinen Kot annimmt. Dem Bischofe von Abo gebiete ich, daß er die Angelegenheit vor den Papst bringe. Diesem gebiete ich, nichts zu mindern; gestatte aber, hinzuzuthun, was zu meiner Ehre und zum Heile der Seelen gereicht.
Man wundert sich, weshalb der Geist nicht ausfährt vom Besessenen. Hieran können sie meine überaus große Gerechtigkeit ermessen. Ich thue dem Teufel kein größeres Unrecht, als dem Engel im Himmel, denn die Gerechtigkeit ist, daß, wie etwas kommt, also es auch wieder geht. Dieser Geist ist von weitem herbeigekommen, so wird er auch in die Weite wieder hinweggehen. Es giebt dreierlei Gattungen von bösen Geistern. Eine Art ist wie die Luft, welche leicht hineinschlüpft und das Gewissen des Menschen verschattet, so daß er Schamloses redet und handelt. Dieser Geist kommt und fährt mit Leichtigkeit aus. Ein solcher war in jenem Knaben, wie Dir früher gezeigt worden. Die zweite Art ist wie ein Feuer, das den ganzen Leib und das Fleisch mit Ungeduld quält, und dem Menschen das Leben so bitter macht, daß 174 er lieber sterben, als leben möchte; und vor Ungeduld wird er zu allem hingerissen, was dieser unreine Geist ihm eingiebt. Wie derselbe leicht kommt, so fährt er auch leicht aus; es bleibt jedoch eine Leibesschwäche zurück. So war es bei dem bewußten Weibe. Die dritte Gattung ist wie ein Rauch. Wie der Rauch, wo er eingeht, alles verunreinigt und sich mit allem mischt, so hat sich diese Gattung mit der Seele und dem Leibe dieses Mannes gänzlich vermischt. Wie aber der Rauch, wenn er irgend eine Öffnung findet, allmählich entweicht und weit abzieht, also wird dieser Geist, der schon angefangen hat, auf das Wort hin auszufahren, allmählich ganz entweichen, bis jener gereinigt worden. Wenn aber so viele Thränen vergossen worden und so viele Enthaltsamkeit geübt ist, wie hierzu erforderlich und recht ist, dann wird er vollständig ausfahren und der Besessene sich für gereinigt erkennen; denn wie jener Geist allmählich und von weitem herbeigekommen, so wird er auf ähnliche Weise und wenn die Gerechtigkeit es erfordert, abziehen."
Kapitel LII.
Die heilige Brigitta schuldigt sich hier vor der seligen Jungfrau wegen Nichtbezähmung und Unbeständigkeit des Willens an. Trostreiche Antwort der Jungfrau.
"Gebenedeit seist Du, Königin des Himmels, Du, die Du keinen Sünder verachtest, der Dich aus vollem Herzen anruft. Höre mich, obwohl ich unwürdig bin, meinen Mund aufzuthun, um Dich zu bitten. Denn ich weiß, daß, wenn ich mich nicht auf Deine Hilfe lehne, ich mich selber nicht regieren kann, weil mein Leib wie ein ungebändigtes Tier ist, das, wenn ihm kein Gebiß in den Mund gelegt wird, an alle Orte läuft, an denen es seine Lust zu haben pflegte. Mein Wille ist wie ein Vogel, der beständig dem Fluge seiner Gedanken folgen und sie auf ihrem Fluge begleiten will. Deshalb bitte ich, daß meinem Leibe ein Zügel angelegt werde, sobald er irgendwohin eilen wollte, wo es Deinem Sohne mißfällt. Führe ihn dahin, wo er den Willen Deines Sohnes wird vollbringen können. Lege auch dem Vogel, welcher mein Wille 175 ist, ein Band an, daß er nicht weiter hinwegfliegen mag, als es Deinem geliebtesten Sohne gefällt." Die Jungfrau antwortete: "Ein aus andächtigem Herzen zur Ehre Gottes ergossenes Gebet verdient erhört und erfüllt zu werden. Deshalb frommt es Dir, die Du bittest, daß Deinem Leibe ein Zügel angelegt werde, auf daß er nach dem Willen Gottes regiert werde, daß demselben jetzt eine Last auferlegt werde, die er zur Ehre des Herrschenden weiter fördern muß, da ja Dein Wille so beschaffen ist, daß Du lieber zu schweigen, als mit Leuten aus der Welt zu reden, und daß Du lieber Armut in Deinem Hause zu leiden, als allen Reichtum der Fürsten in deren Palästen zu schauen verlangest; Du achtest auch die Feindschaft derselben nicht, wenn Du Gottes Freundschaft Dir verdienen kannst. Darum lege ich Dir jene Last auf, daß Du Worte reden sollst, welche Gott gefallen."
Kapitel LIII.
Christus verwirft durch sein Leiden die Sorgfalt in Einrichtung der Gebäude und die fleischliche Lust.
Es begab sich einst, daß, als die selige Brigitta noch bei Lebzeiten ihres Eheherrn durch einen Schreiner eine Bettlade mit größerer Pracht und sorgfältigerer Arbeit, als gewöhnlich, für das Haus auf ihrem Landgute Ulfasa hatte arbeiten lassen, sie von einer Hand mit solcher Kraft an den Kopf geschlagen ward, daß sie sich kaum vor Schmerz zu bewegen vermochte. Nachdem sie in einen anderen Teil des Hauses geführt worden, vernahm sie wie aus der Wand eine Stimme, welche also sprach: Ich stand nicht, sondern hing am Kreuze, und mein Haupt hatte keine Stätte, wo es sich anlehnte, Du aber suchest Dir eine solche Bequemlichkeit und Ruhe. Nachdem sie diese Worte gehört, ward die Frau Brigitta in Thränen aufgelöst und auf der Stelle gesund. Und hernach schlief sie, wenn sie konnte, lieber auf Stroh und auf einer Bärenhaut, als im Bette." 176
Kapitel LIV.
Ein geistliches Gesicht von einem Topfe und einer angenehmen Speise, und einem kleinen Feuer unter dem Topfe. Von einem in Gold gekleideten Manne, der um den Topf her arbeitete, und was darunter verstanden wird.
Als einst die heilige Brigitta sich im Gebete befand, erblickte sie in einem geistlichen Gesichte ein kleines Feuer vor sich, und über dem Feuer stand ein kleiner Topf, und in demselben war eine liebliche Speise. Sie sah auch einen Mann, in Gold und Purpur auf glänzende Weise gekleidet. Dieser bewegte sich auf den Knieen um den Topf herum, wobei er bald das Feuer anblies, bald das Holz zurückzog und solchergestalt um den Topf her beschäftigt war. Endlich redete er die an, welche dieses mit anschaute, und sprach: "Hast Du, die Du dieses schauest, schon je einen so demütigen Menschen gesehen, als mich? Ich bin zwar, wie Du siehest, mit goldbesetzten Kleidern angethan, verrichte aber doch bei diesem Topfe so viele Dienste. Ich rutsche auf den Knieen um denselben herum, beuge mein Haupt zur Erde, blase das Feuer an. Ich lege und richte auch das Holz zusammen; bisweilen auch ziehe ich dasselbe wieder auseinander und scheue mich keiner Arbeit und darum sollst Du mich für sehr demütig ansehen. Allein ich muß Dir zeigen, was dieses bedeutet. unter dem Topfe verstehe ich Dein Herz; unter der Speise, welche im Topfe ist, die überaus süßen Worte, welche Dir von Gott droben gegeben werden; unter dem Feuer die Inbrunst der Liebe, welche Du von Gott hast. Ich bin aber der Teufel, der Dich um Deinen Trost beneidet. Deshalb erweise ich mich so demütig dienend, indem ich bald nicht nur so stark blase, damit das Feuer stärker brenne, sondern auch, damit die Asche, d. h. die Neigung zu irdischen Dingen, in den Topf, d. h. in Dein Herz, emporsteige, so daß jene wohlschmeckende Speise, d. h. die Worte des heiligen Geistes, die Dir eingegossen worden, ein wenig den Geschmack verlieren mögen. Ich bewege die Brände und das Holz, damit der Topf, d. i. Dein Herz, zur Erde, d. h. zu einigen irdischen Bekannten oder Nächsten, sich neigen möge, auf daß Gott weniger geliebt werde." 177
Kapitel LV.
Eine Erzählung vom herrlichen Verdienste der Heiligkeit der heiligen Brgitta, welche der Bruder Gerrechinus vom Kloster Alvastra, ein Mann von großer Heiligkeit, geschaut und vorausverkündigt hat.
"Ein Mönch von heiligem Lebenswandel, im nämlichen Kloster Alvastra, erzählte unter Thränen und mit einem Eide dem Prior Petrus, daß, als die Frau Brigitta im gedachten Kloster eingetroffen war, um daselbst ihren Aufenthalt zu nehmen, er, der Mönch, sich in seinem Herzen verwundert und im Eifer für die Regel und die Heiligkeit im Herzen gesprochen habe: Warum wohnt diese Dame hier im Mönchskloster wider unsere Regel, und führt einen neuen Brauch ein? Danach ward derselbe Bruder während des Gebetes innerlich verzückt, und vernahm eine Stimme, welche zu ihm sprach: Diese Frau ist eine Freundin Gottes und zu dem Ende in das Kloster gekommen, damit sie auf diesem Berge Blumen sammle, aus denen alle Völker, auch jenseits des Meeres und an der Welt Enden, Arznei empfangen sollen. Dieser Bruder hieß Gerrechinus. Derselbe war von so heiligem Leben und Wandel, daß er in vierzig Jahren niemals aus dem Kloster ging, sondern Tag und Nacht dem Gebete oblag, und von Gott die besondere Gnade erhalten hatte, die neun Chöre der Engel fast ununterbrochen im Gebete vor sich zu sehen. Er erblickte auch während der Elevation des Leibes Christi Christum in Gestalt eines Knaben."
Zusatz.
Ferner sah der nämliche Bruder Gerrechinus einmal im gedachten Kloster Alvastra die Frau Brigitta sich in die Luft erheben, und aus ihrem Munde ging ein Strom aus. Er selber betete damals und vernahm eine Stimme im Geiste, welche also sprach: "Dies ist die Frau, welche von den Enden der Erde kommt und den Völkern Weisheit zu trinken giebt. Ein Zeichen dessen wird sein, daß sie aus Gottes Munde Dir Deines Lebens Ende voraussagen wird und Du wirst Dich erfreuen an ihren Worten und über ihre Ankunft. Und gar bald wird Dein Verlangen gestillt werden, 178 auf daß Du die Übel nicht sehen magst, welche Gott über dieses Haus bringen wird."Von diesem Bruder wird auch erzählt, daß ihm einmal der Abt befahl, er solle denen, welche in der Bäckerei waren, helfen, er, der in der Backkunst unerfahren war. Da sprach er zu einem an die Wand gemalten Marienbild, das er zu verehren pflegte, also: "Gar liebe Frau! Der Vater Abt hat befohlen, daß ich mit den Bäckern arbeiten solle. Du aber weißt, daß ich vom Backen nichts verstehe; gleichwohl will ich nach Deinem Willen thun." Das Bild antwortete ihm: "Thue, was Du bisher gethan! und ich will für Dich in der Bäckerei dienen." Und also geschah es; diejenigen, welche dort arbeiteten, wußten nicht anders, als daß Bruder Gerrechinus persönlich mitgearbeitet hätte, während er doch, im Gebete versunken, unbeweglich in der Kirche geblieben war. Von demselben Bruder ist auch im XXI. Kapitel des vierten Buches die Rede, wo es heißt: Der Teufel erschien und sprach u. s. w.
Kapitel LVI.
Herr Wulf Gudmarson, seligen Gedächtnisses, weiland der seligen Brigitta frühverstorbener Gemahl, erschien ihr und zeigte ihr die Ursachen, weshalb er sich im Fegfeuer befinde, erklärte ihr auch die Mittel seiner baldigen Erlösung.
Ein gewisser Verstorbener erschien und sprach: "Ich hatte die Gerechtigkeit des Richters an mir erfahren, nun aber wird die Strenge allmählich gemindert werden und die Barmherzigkeit mehrt sich. Denn während meines Lebens habe ich auf fünffache Weise gesündigt, und habe deshalb am letzten Ende nicht genugsam Buße gethan. Erstens habe ich es wohl mit jenem wahnwitzigen Knaben, den Du kennst, übertrieben, indem ich seinen abgeschmackten Einfällen meinen Beifall gegeben und mich darüber gefreut, auch an seinen Narrheiten ergötzt habe. Zweitens habe ich eine Witwe für die vor meinem Tode von ihr erkauften Güter nicht befriedigt und das hatte in meiner Nachlässigkeit seinen Grund und damit Du erfährst, daß ich die Wahrheit rede, wird sie morgen zu Dir kommen; gieb ihr wieder, was sie begehrt, weil sie um nichts bittet, als was sie zu fordern hat. Drittens habe ich im Leichtsinne meines Herzens einem Manne versprochen, ihm in allen schwierigen 179 Lagen beizustehen. Durch dieses Versprechen allzukühn geworden, hat er sich wider den König und das Gesetz aufgelehnt. Viertens habe ich mich im Lanzenspiele und in den Eitelkeiten der Welt mehr um mich zu zeigen geübt, als um einigen Nutzens willen. Fünftens habe ich bei der Verbannung eines Edelmannes mich zu halsstarrig und unerbittlich benommen, und obwohl derselbe der Verurteilung würdig war, bin ich doch weniger barmherzig gewesen, als ich gesollt hätte." Darauf antwortete die Frau: "O glückliche Seele! was nützt Dir zunächst zu Deinem Heile? Oder was ist es, was Dir jetzt zu Deiner Erlösung nützen kann?" Er antwortete: "Sechs Umstände waren es, die mir genützt haben. Erstens meine Beicht, welche ich alle Freitage, wenn ich Gelegenheit dazu fand, verrichtet habe, indem ich den festen Vorsatz hatte, was mir auferlegt worden, zu thun. Zweitens habe ich, wenn ich zu Gericht saß, nicht aus Liebe zum Gelde oder Gunst gerichtet, sondern alle meine Urteile sorgfältig geprüft, bereit, meine Fehler zu bessern und was weniger gut gethan worden, zurückzunehmen. Drittens, weil ich meinem geistlichen Führer gehorcht, welcher mir empfohlen, mich der Beiwohnung zu enthalten, nachdem ich gewahr geworden, daß die Frucht Leben erhalten. Viertens, daß ich, so viel ich vermochte, Vorsicht anwendete, um nicht für mich selbst oder für die Meinigen bei Beherbergung der Armen undankbar, lästig oder verschwenderisch zu sein, noch daß ich Schulden machte, wenn ich nicht voraussah, wovon dieselben wieder bezahlt werden könnten. Fünftens, daß ich mich der Enthaltsamkeit auf der Pilgerfahrt nach St. Jakob befleißigte, denn ich hatte mir vorgesetzt, nicht außer der Mahlzeit zu trinken. Durch diese Enthaltsamkeit ist das lange Sitzenbleiben bei Tische, die Geschwätzigkeit und die Übertretung ausgetilgt worden, und nun bin ich meines Heiles gewiß, obwohl ich der Stunde meiner Erlösung nicht versichert bin. Sechstens, daß ich das Gericht jenen übertrug, die ich für gerecht hielt, daß sie bezahlten, was ich schuldig war, und weil ich mich fürchtete, in Schulden verwickelt zu werden, so habe ich bei meinen Lebzeiten dem Könige seine Landschaften zurückgestellt, auf daß meine Seele nicht Gottes Gerichte auszuhalten haben möchte. Nun aber, weil mir gegeben worden, um Hilfe zu bitten, bitte ich Dich, Du wollest ein ganzes Jahr hindurch unausgesetzt die Messen von unserer Retterin, der heiligsten Maria, von 180 den Engeln und allen Heiligen und für die Verstorbenen feiern lassen; außerdem vom Leiden Christi, unseres Seligmachers, weil ich so schneller erlöst zu werden hoffe. Vorzüglich sollst Du auch besorgt sein um die Armen, und Dich nicht scheuen, Geschirre, Pferde und anderes zu verteilen, woran ich meine Lust gehabt und am meisten gesündigt habe. Unterlasse auch nicht, wofern Du vermagst, einige Kelche Gott zum Opfer darzubringen, weil sie der Seele sicherlichst zum Heile gedeihen. Die unbeweglichen Güter aber überlasse den Kindern, denn mein Gewissen fühlt sich nicht beschwert, daß ich einiges übel erworben oder behalten habe, oder hätte behalten wollen."
Kapitel LVII.
Als die Braut Christi einst vom Geiste der Unmäßigkeit versucht ward, gab ihr der Engel eine Norm und Vorsichtsmaßregel, solchen Versuchungen zu entgehen.
Einstmals ward die selige Brigitta im Kloster Alvastra von der Eßbegierde dergestalt angefochten, daß sie vor Hunger kaum etwas anderes denken konnte. Zuletzt, da sie betete, erschienen ihr im Geiste zwei Personen, nämlich ein Mohr, welcher in der Hand einen Bissen Brotes hatte und ein gar schöner Jüngling, welcher ein vergoldetes Gefäß trug. Der Jüngling sprach zum Mohren: "Was beunruhigst Du diejenige, welche meiner Hut anvertraut worden?" Der Mohr antwortete: "Weil sie sich der Enthaltsamkeit rühmt, welche sie nie gebabt hat, denn sie hört nicht auf, sich den Bauch zu füllen, bis derselbe voll des köstlichen Kotes ist, deshalb reiche ich ihr meinen Bissen dar, damit ihr das Gröbere süß werde." Der Jüngling antwortete ihm: "Du weißt wohl, daß sie keine körperlose Natur hat, wie wir, sondern wie ein Sack von Erde ist, und weil sie hinfällige und ruhelose Erde ist, bedarf sie steter Labung." Der Mohr entgegnete darauf: "Euer Christus hat einst gefastet und nichts gegessen und die Propheten haben Brot gegessen und das Wasser mäßig getrunken; deshalb haben sie hohe Dinge verdient. Wie soll aber diese sich ein Verdienst erwerben, welche immerdar Sättigung empfindet?" Der Engel antwortete: "Ist er 181 nicht auch Dein Christus, wie der unsrige?" Der Mohr sprach: "Mit nichten; denn ich will mich niemals vor ihm demütigen, sondern ihm entgegentreten, weil ich nicht wieder in seine Herrlichkeit kommen werde." Der Jüngling antwortete: "Christus hat fasten gelehrt, so jedoch, daß der Leib nicht über die Maßen geschwächt, sondern nur gedemütigt würde, auf daß er sich nicht auflehne wider die Seele. Unser Christus sucht auch nicht, was der Natur unmöglich ist, sondern Mäßigkeit; er frägt auch nicht, was und wie viel einer nehme, sondern mit welcher Absicht und mit welcher Liebe." Der Mohr entgegnete ihm: "Es ist recht, daß diese Frau im Alter empfinde, was sie in der Jugend nicht erfahren hat." Dagegen der Jüngling: "Für junge Leute ist es löblich, sich der Sünde zu enthalten, auch schließen vom Himmel nicht Purpur, noch zartes, in der Liebe Gottes genossenes Fleisch aus, denn die Gewohnheit einer guten Erziehung muß man zuweilen mit Danksagung festhalten, damit das Fleisch nicht zu sehr geschwächt werde." Danach aber in derselben Stunde erschien derselben Frau Brigitta die Jungfrau Maria mit einer Krone auf dem Haupte, und sprach zum Mohren: "Verstumme, Du neidischer Händelsucher, denn diese ist mir überantwortet." Und der Mohr sprach: "Wenn ich nichts anderes werde thun können, will ich wenigstens einen Stechdorn in den Saum ihrer Kleider werfen." Die Jungfrau sprach zu ihm: "Ich aber werde ihr helfen, und so oft Du ihn auswirfst, wird er Dir ins Antlitz zurückgeworfen und ihre Krone erhöht werden."
Kapitel LVIII.
Die Jungfrau Maria sagt, daß alles Fasten und andere verdienstliche Werke in Gehorsam und mit Klugheit zu vollbringen sind. Sie sagt auch, daß drei Dinge beim Fasten sein sollen.
Maria sprach zur Braut: "Alles, was Du vornimmst, sollst Du mit Gehorsam und Klugheit thun. Denn meinem Sohne ist es lieber, wenn gegessen, als wider den Gehorsam gefastet wird. Deshalb sollst Du Dich beim Fasten vor drei Fehlern hüten. Erstens, daß Du nicht vergeblich fastest, wie diejenigen, welche ihre Fasten in der Absicht sehen lassen, um anderen im Fasten und Arbeiten 182 gleich und ähnlich zu sein; dieses ist unvernünftig, denn das Fasten muß der Stärke des Leibes angemessen und zur Zähmung der Begierde nach unerlaubten Regungen gemäßigt werden. Zweitens sollst Du nicht unweise fasten, wie diejenigen, welche in ihrer Krankheit sich im Fasten wider die Kraft der Natur so üben wollen, wie in der Gesundheit. Diese mißtrauen der Barmherzigkeit meines Sohnes, als habe er ihre Schwachheit nicht wollen für das Werk oder den Willen annehmen; faste also mit Vorsicht, meine Tochter, und so oft Dir eine Krankheit zustößt, sei ein wenig milder gegen Deinen Leib, indem Du Mitleid mit ihm hast, wie mit einem unvernünftigen Tiere, damit er der Beschwerde nicht erliege. Drittens hüte Dich, daß Du nicht unvernünftig fastest, wie diejenigen, welche mehr als andere in der Absicht fasten, um einen größeren Lohn und größere Ehre als andere davonzutragen. Diese sind gleichsam wie diejenigen, welche sich den Lohn ihrer Arbeit selber bestimmen; deshalb faste im übrigen, damit Du meinem Sohne gefallen mögest und wie es Deine Natur zu ertragen vermag. Halte deshalb Maß in Dir selber nach der Stärke Deiner Kräfte und vertraue allezeit auf meines Sohnes Barmherzigkeit. Glaube, daß Du zu allem unwürdig seiest, und denke nicht, daß irgend eine Deiner Bemühungen wert sei, die Vergebung Deiner Sünden zu erlangen, noch weniger aber die ewige Belohnung, wofern nicht mein Sohn an Dir seine Barmherzigkeit übt."
Kapitel LIX.
Man soll die Reliquien der Heiligen in Ehren halten.
Zur Zeit als die selige Brigitta Oberhofmeisterin der weiland Königin von Schweden, Blanka, war, erhielt sie von derselben ein sehr schönes elfenbeinernes Behältnis, in welchem die Reliquien von vielen Heiligen eingeschlossen waren; auch vom heiligen Ludwig, dem Könige von Frankreich, welche die Königin selber aus Frankreich mitgebracht hatte. Nun begab es sich zufälligerweise, daß dieses Behältnis von den Dienern an einen minder geeigneten Ort gestellt und vergessen ward. Da sah die selige Brigitta im Geiste aus diesem Behältnisse ein glänzendes Licht hervorgehen. Nachdem 183 sie sich darüber gewundert, vernahm sie eine Stimme, welche also sprach: "Siehe, der Schatz Gottes, den man in den Himmeln ehrt, wird auf Erden verachtet. Lasset uns deshalb nach anderen Orten hinüberwandeln." Als die Frau dieses hörte, ließ sie den Behälter in ehrender Weise auf den Altar stellen.
Kapitel LX.
Christus erklärt hier, wie die Bäder oder andere körperliche Arzneien, wenn sie von den Auserwählten mit Klugheit gebraucht werden, Gott nicht mißfallen.
Als die selige Brigitta sich im Gebete befand, erschien ihr Christus und sprach: "Wisse, daß diejenigen, welche geistliche Leute zu sein schienen, im alten Gesetze Pharisäer genannt wurden und drei Gewohnheiten hatten. Sie wuschen sich beständig, um rein zu erscheinen; sie fasteten und beteten öffentlich, um Heilige genannt zu werden; sie lehrten und geboten viele Dinge, welche sie selber am wenigsten thaten. Allein dies half ihnen bei Gott wenig, weil ihre Absicht verderbt und ihre Seele unrein war. Wie nun einer unreinen Seele das Waschen des Fleisches ohne Reinigung des Gewissens nichts hilft, so schadet auch einer reinen Seele das Waschen des Fleisches nicht, wenn es nur aus vernünftigem Mitleid und ohne Lust geschieht. Deshalb hat es mir mehr gefallen, daß Du Deinem Meister wider Deinen Willen gefolgt bist, als wenn Du Deinem Willen wider sein Gebot gefolgt wärest. Denn es hat viele meiner Heiligen gegeben, welche keine Arzneien für den Leib, noch andere Gemächlichkeiten des Fleisches gehabt haben und dieselben haben aber mir gefallen; andere haben nach Verhältnis der Zeiten und Orte und verschiedener Krankheiten Arzneien gebraucht und auch diese haben mir nicht mißfallen, weil sie alles gethan haben, um mir zu dienen. Darum gefällt mir der Gehorsam, welcher nichts vom eigenen Willen an sich hat, besser, als ein großes Opfer." 184
Kapitel LXI.
Daß ein frommer Brauch um des Gehorsams willen geändert werden darf.
Die Frau Brigitta hatte es an der Gewohnheit, außer der Mahlzeit nicht zu trinken. Eines Tages begab sich's, daß sie kaum zu reden vermochte. Als Magister Matthias, ihr geistlicher Vater, dieses wahrnahm, gebot er ihr zu trinken, und obwohl es ihr schwer vorkam, alle frühere Gewohnheit zu ändern, gehorchte sie nichtsdestoweniger. Sie vernahm darauf im Geiste: "Was fürchtest Du, Dein Leben zu ändern? Bedarf ich denn Deiner Verdienste, oder wirst Du durch Deine Verdienste eingehen in den Himmel? Folge deshalb Deinem Meister. Er hat den Streit zweier Geister erfahren, der Wahrheit nämlich und der Täuschung; denn wenn Du auch zehnmal an einem Tage um des Gehorsams willen gegessen und getrunken hättest, wird es Dir nicht zur Sünde angerechnet werden."
Kapitel LXII.
Wie die heilige Brigitta sich vom Teufel hinweg und gänzlich Gott zugewendet hat und wie groß die Bosheit des Teufels wider Gott ist.
Es erschienen Engel. unter ihnen befand sich ein böser, der zur Braut Christi sprach: "Deine Seele hat jetzt eine andere Haltung, denn zuvor. Deine Amme entfernt sich bereits von Dir - die Hoffart, welche ich bin. Weshalb redest Du nicht und bist mir hold wie früher?" Jene antwortete in ihrer Seele: "Das ist, weil du Gott nicht liebst. Wenn du auch meine Seele mit jeglicher Süßigkeit weidetest, meinen Leib mit Golde bekleidetest, so werde ich dich nicht lieben, weil du meinen Gott verachtest, denn ich würde lieber Gott in die Pein, als dir in alle Süßigkeit folgen und weil du Gott hassest, ist mir alles verhaßt, was dein ist. Wenn du aber dein Gemüt Gott zuwenden willst, so will ich dich gewiß lieb haben und deinen Willen thun." Der Teufel antwortete: "Fürwahr, könnte ich einen sterblichen Leib annehmen, so möchte ich 185 in demselben lieber alle Pein ertragen, und obendrein alle Strafen der Hölle, als meine Liebe Gott zuwenden." Darauf antworteten die beiden guten Engel: "Wenn unser Herr dein Gott und Schöpfer ist, weshalb willst du dich ihm nicht unterwerfen?" Jener antwortete: "Weil ich mein Gemüt und meinen Willen, den ich nicht ändern will, also verhärtet habe, daß mir Gott verhaßt ist." Darauf sprach der eine der guten Engel: "Herr, obwohl Du alles weißt, so führe ich Dir doch, weil es Dir also gefällt, ein Wort vor das Gemüt. Du hast früher von Deiner neuen Braut gesagt: Wenn ich mich gegen Mittag wende, wendet sie sich nach Abend. Nun aber kannst Du sagen: Wohin Du Dich wendest, dahin folgt Dir nach ihrem Maße Deine Braut." Der Herr antwortete: "Der Braut geziemt es, zu gehorchen und sich so vor ihrem Gotte zu demütigen."
Kapitel LXIII.
Worte der heiligen Brigitta zur Jungfrau Maria von ihrer Liebe gegen sie, und der Jungfrau liebevolle Erwiderung.
"Gebenedeit seist Du, o Maria, Mutter Gottes, und gebenedeit sei derselbe Gott, Dein Sohn Jesus Christus, für alle Freude, welche er mir deshalb gegeben, weil Du seine Mutter bist. Derselbe weiß auch, daß Maria, die Tochter Joachims mir lieber ist, als die Kinder Wulfs und Brigittens. Ich wollte lieber, daß Brigitta, Birgers Tochter, niemals geboren worden wäre, als daß Maria, Joachims Tochter, ungeboren geblieben wäre, und leichter würde es mir sein, zu wählen, daß Brigitta in der Hölle, als daß Maria, Joachims Tochter, nicht die Mutter Gottes im Himmel wäre. Die selige Jungfrau antwortete ihr: Tochter, Du sollst für gewiß wissen, daß jene Maria, Joachims Tochter, Dir nützlicher sein wird, als Du, Birgers Tochter, Brigitta, Dir selber. Dieselbe Tochter Joachims, welche die Mutter Gottes ist, will auch den Kindern Wulfs und Brigittens Mutter sein. Bleibe daher standhaft und gehorche der Agnes in den Ratschlägen, welche sie Dir in der geistlichen Vision giebt und Deinem Magister, welche Dich beide in einerlei Geiste unterweisen; wenn Du einem unter ihnen gehorchst, gehorchst Du beiden. Sage auch diesem Deinem 186 Magister, er solle nichtsdestoweniger thun, was ihm obliegt, wenn er auch infolgedessen in leibliche Trübsale hineingerät, denn die Trübsale, welche wider gute Werke sich in den Weg legen, sind nichts als Fallstricke des Teufels. Darum soll er tapfer über die Stricke hinüberspringen, weil der Weg, welchen der Mensch unter größerer Trübsal zur Ehre Gottes wandelt, ihm bei Gott zum größeren Lohne und zur Krone gereichen wird, als derjenige, welcher unter geringerer Trübsal zurückgelegt wird. Und ein jeglicher Schritt wird ihm vom Herrn zur Krone gerechnet werden."
Kapitel LXIV.
Die heilige Brigitta beweist hier, daß die Jungfrau Maria in zweifacher Weise die liebreichste Frau sei. Von fünf Versuchungen, welche geistlich Gesinnten Hindernisse zu bereiten pflegen.
"Gebenedeit seist Du, die Du Jungfrau und Mutter bist. Maria ist Dein Name. Du hast Jesum Christum geboren. Ich habe einst ein Gleichnis vernommen, worin viele edle und weise Leute einem Zeugnis gaben, daß er liebreich und barmherzig wäre, und eine Schar Armer stand von fern und bestätigte die Wahrheit ihres Zeugnisses. O meine teuerste Frau; also ist es, dünkt mich, mit Dir; denn alle Heiligen, welche zugleich edel und weise waren, geben Dir Zeugnis, daß Du fürwahr die liebreichste und barmherzigste Frau bist. Ich aber, die ich zur Schar der Armen gehöre, habe von mir selber nichts Gutes und rufe und sage, daß das Zeugnis jener sehr wahr sei. Deshalb bitte ich Dich, Du liebreichsie Frau, daß Du Dich herablassen wollest, Dich meiner zu erbarmen. Denn mich dünkt, daß es mit mir gar gefährlich steht, weil es mir vorkommt, als stehe ich an der Schwelle zwischen zwei Häusern, von denen das eine sehr hell, das andere überaus dunkel ist Wenn ich aber die Augen nach dem dunkeln Hause hin aufschlage, erscheint mir alles, was ich in dem hellen Hause gesehen habe, wie ein in der Nacht erblickter Traum. Die selige Jungfrau antwortete: Sage mir, obwohl ich alles weiß, was hast Du besonders in dem dunkeln Hause gesehen? Ich antwortete: Es schien mir, als ob gleichsam ein Eingang in das finstere Haus hineinführe, 187 und hinaus ein enger Ausgang, außerhalb des Ausgangs aber war eine gewiße helle Klarheit, in welcher alles erfreulich war. Vom Eingange an führten viele Wege zum Ausgange, und auf jedem Wege standen fünf Todfeinde aller derer, welche auf anderen Wegen vorüberwandelten. Der erste Feind sprach in freundlichen Worten zu ihnen, blies aber in das Gehirn derer, welche ihm ihre Ohren liehen, eine brennende Flamme hinein. Der zweite hielt Blumen und anderes, was die Erde an Früchten hervorbringt und was bald vergeht, in der Hand. Wer aber die Augen mit dem Verlangen darauf richtete, dieselben zu besitzen, ward durch sie mit einer sehr scharfen Lanze in die Augen gestoßen. Der dritte Feind hatte ein mit Gift angefülltes Gefäß, dessen äußerer Rand obenauf mit ein wenig Honig bestrichen war, goß aber jenes allen, welche aus dem Gesäße kosteten, in den Schlund. Der vierte hatte verschiedene und kostbare Kleinodien von Gold und Silber und kostbaren durch Menschenhände bearbeitenden Steinen. Wenn jemand seine Hand mit dem Verlangen daran legte, etwas davon zu besitzen, ward er von einer sehr giftigen Schlange verletzt. Der fünfte legte den Vorüberwandelnden sehr weiche Kissen unter die Füße; sobald aber einer Lust hatte, darauf zu ruhen, entzog ihm der Feind das Kissen und so fiel, wer da zu ruhen vermeinte, sehr tief auf ganz harte Steine nieder."
Kapitel LXV.
Christus offenbart hier der Braut für sich und ihr Hausgesinde eine Art, nach der Regel zu leben.
Christus sprach: "Ich rate euch, daß ihr vier Stunden vor und vier Stunden nach Mitternacht zum Schlafen verwendet. Wer das nicht vermag, möge den Willen haben, und es wird ihm von statten gehen. Kann jemand vernünftigerweise am Schlafe etwas abbrechen, so daß es an seinen leiblichen Sinnen oder Kräften keine Abnahme herbeiführt, so mag es ihm zum größeren Verdienste und Lohne gereichen. Danach sollet ihr vier Stunden haben, um zu beten und andere andächtige und nützliche Werke zu verrichten, so daß keine Stunde ohne Frucht vergehen mag. Sodann möget ihr 188 zwei Stunden bei Tische sitzen. Macht ihr es aber kürzer, so werdet ihr dafür den Lohn von Gott empfangen, aber ohne vernünftige Ursache sollt ihr diese Zeit durchaus nicht verlängern. Demnächst sollet ihr sechs Stunden verwenden, um notwendige Werke zu verrichten, die euch gestattet oder auferlegt werden. Ferner sollet ihr zwei Stunden für die Vespern und Komplett und andächtigen Gebete haben. Hernach zwei Stunden zur Nacht zu essen und zu trinken, nebst ehrbarer Ergötzung, zur Erleichterung des Leibes. Wenn ihr euch vom Lager erhoben, sollet ihr vier Stunden Stillschweigen beobachten, so daß ihr nichts ohne Erlaubnis redet, auch das Notwendige nur mit gar wenigen Worten, wenn ihr auf eine an euch gerichtete Frage zu antworten habt. Nachher ist euch gestattet, ehrbarem Troste zur Erquickung und körperlichen Erfrischung euch hinzugeben. Nach der Danksagung sollet ihr Schweigen beobachten, bis ihr die euch auferlegten und angeordneten Gebete hergesagt. Sechs Stunden aber sollet ihr nach eueres Meisters Vorschrift verwenden, um entweder etwas Nützliches zu lernen oder zu wirken, und dann könnet ihr, mit wem ihr wollet, Dinge reden, welche ehrbar und nicht wider Gott sind. Während der Vespern und in der Komplet sollet ihr Stillschweigen beobachten. In der kleinen Stunde, die alsdann bis zum Nachtmahle verläuft, könnet ihr miteinander ehrbare Unterredungen führen, und euch bis zum Schlafengehen trösten. Ich habe im Evangelium gesagt, daß, wer in meinem Namen einen Becher kalten Wassers gegeben, seines Lohnes nicht verlustig gehen wird. Ebenso verdient jeder, auch der mindeste Abbruch, wenn er zu meiner Ehre unternommen und andächtig vollzogen wird, gebührenden Lohn. Weiter wisset ihr wohl, wie ihr unterwegs euer Fasten halten sollet. Wäret ihr in einem Kloster, so hättet ihr vielleicht größere Muße oder Überfluß. Nehmet daher den Unterhalt des Leibes mit kluger Sparsamkeit zu euch, genießet Zuspeise von einerlei Art, sei es Kohl oder jegliche andere genießbare Kost, das meiste aber sollet ihr um Gottes willen stehen lassen. Fleisch und Fisch jedoch soll euch in doppelter Art bei Tische zu haben erlaubt sein. Was darüber ist, sollet ihr aus Liebe zu mir fahren lassen. Das Brot, das euch vorgesetzt wird, sollet ihr essen und wenn ihr mehr, als euch vorgesetzt wird, bedürfet, möget ihr es in meinem Namen von euerem 189 Meister begehren. Dasselbe Gesetz, das hinsichtlich der Brotes gegeben worden, soll auch beim Trinken stattfinden. Wisset auch, wie ein Kranker die Regel nicht ebenso befolgen kann, wie ein Gesunder und an Kräften Starker. Darum kann er fordern, was er notwendig hat, und es darf ihm gereicht werden, was vorhanden ist. Weil ihr ferner nichts zu besitzen entschlossen seid, dürfet ihr auch ohne Erlaubnis nichts geben, noch was euch gegeben worden, ohne Erlaubnis annehmen, ich warne euch, weil der Teufel euch stündlich Stricke und Nachstellungen legt. Deshalb rate ich euch, daß ihr euch die Worte merkt, die ihr zu der dem Stillschweigen gewidmeten Zeit unvorsichtig gesprochen, thut eine aufrichtige Beicht darüber und leistet schuldige Genugthuung dafür. Und wenn in den Worten eine unnütze und nicht klüglich erwogene Rede oder Antwort gefunden wird, muß die Buße und Genugthuung um so größer sein. Wenn aber jemand aus einer jähen Bewegung oder im Zorne dem anderen entgegenredet, sollet ihr, sobald es geschehen kann, einen geeigneten Ort aufsuchen und ein Ave Maria beten und von Gott demütig Verzeihung erbitten. Ferner sollet ihr an jedem Freitage mit dem Willen in das Kapitel kommen, daß ihr von eueren Fehlern, Schulden nichts verbergen, noch dieselben wiederbegehen, sondern alles, je nachdem es euch auferlegt wird, bessern wollet."
Kapitel LXVI.
Hier wird der heiligen Brigitta zu sehen verstattet, wie Christus gewesen ist.
Maria sprach: "Ich bin die Königin des Himmels und die Mutter der Armen; ich will Dir zeigen, wie mein Sohn in seiner Menschheit beschaffen gewesen, und wie als er am Kreuze litt; und dieses soll Dir ein Zeichen sein, daß Du an die Orte lo#en wirst, an denen ich leiblich gewandelt habe; dort wirst Du auch mit Deinen leiblichen Augen meinen Sohn schauen." 190
Kapitel LXVII.
Sehr tröstliche Worte, welche die Jungfrau Maria an die selige Brigitta während deren letzten Krankheit gerichtet hat.
Kurz vor dem Tode der seligen Brigitta erschien derselben die Jungfrau Maria und sprach: "Wenn ein Weib gebärt, während sie krank ist, so erkranken alle Kinder, welche sie gebärt. Du aber wiest starke und gesunde, Gott ergebene Kinder gebären, auch gesünder werden, als Du je früher gewesen, und nicht sterben und Du wirst an die Dir verheißene und bereitete Stätte kommen. Auch der heilige Franziskus war lange krank, und hat dennoch Frucht gebracht und den Willen Gottes gethan, später ist er gesund geworden und that und thut noch Größeres, als da er trank war. Allein Du kannst fragen, weshalb Deine Krankheit sich so sehr in die Länge zieht und Deine Natur und Stärke verzehrt wird? Ich antworte Dir: daß mein Sohn und ich Dich lieben. Erinnerst Du Dich nicht, wie mein Sohn Dir zu Jerusalem gesagt, daß Deine Sünden, als Du in die heilige Kirche seines Grabes eingetreten, Dir vergeben worden, als wie wenn Du damals aus der Taufe gehoben worden wärest? Allein er hat Dir nicht gesagt, daß Du nichts leiden solltest, solange Du in der Welt lebst; deshalb ist es der Wille Gottes, daß die Liebe des Menschen der Liebe Gottes entspreche, und daß die früheren Vernachlässigungen durch Geduld und Krankheit aufgehoben werden. Erinnere Dich auch, wie ich Dir sehr oft gesagt, daß meines Sohnes Worte in geistlicher und leiblicher Weise verstanden werden können, wie ich Dir in der Stadt Stralsund gesagt, daß, wenn Du vor Erfüllung der göttlichen Worte, welche in den himmlischen Büchern begriffen und Dir von Gott gegeben worden sind, aus der Welt gerufen sein würdest, Du alsdann wegen Deines guten Willens für eine Klosterfrau zu Wadstena erachtet, und alles dessen, was Dir von Gott verheißen worden, teilhaftig geworden wärest." 191
Kapitel LXVIII.
Die heilige Jungfrau erklärt hier, was es heißt, geistlich sterben oder leben.
Die Jungfrau Maria erschien der heiligen Brigitta am sechsten Tage vor deren Tode und sprach also: "Was sagen die Ärzte? Sagen sie nicht, Du würdest nicht sterben? Wahrlich, meine Tochter, sie geben nicht acht darauf, was sterben ist. Denn es stirbt derjenige, welcher sich von Gott trennt und wer in der Sünde verhärtet, die Unreinigkeit der Sünden nicht durch die Beicht ausspeit. Auch der ist tot, der nicht an Gott glaubt und seinen Schöpfer liebt. Aber derjenige lebt und stirbt nicht, welcher allezeit Gott fürchtet, wer durch häufige Beicht sich von seinen Sünden reinigt, wer zu seinem Gott zu gelangen begehrt. Weil aber der Gott der Natur mit Dir redet, welcher auch wider die Natur etwas anordnen kann und Dein Leben erhält, so ist in den Arzneien weder Heil, noch Leben. So hast denn auch Du jetzt nicht nötig, Dich auf die Arznei zu verlassen; denn wenig Zeit bedarf wenig Speise."
Kapitel LXIX.
Ein Gebet der heiligen Brigitta an die heilige Maria, und Antwort der Jungfrau, worin sie die Tochter der Braut, die selige Katharina, lobt.
Die Braut Christi betete zur Jungfrau und sprach: "O meine teuerste Frau, ich bitte Dich um der Liebe Deines geliebten Sohnes halber, daß Du mir helfen wollest, ihn von ganzem Herzen zu lieben, wie ich müßte. Deshalb bitte ich Dich, Mutter der Barmherzigkeit, Du wollest mich wert erachten, seine Liebe an mein Herz zu binden; ziehe dasselbe mit aller Macht zu Deinem Sohne und scheide es von aller fleischlichen Liebe und ziehe um so stärker, je schwerer es ist." Die selige Jungfrau antwortete: "Gebenedeit sei derjenige, welcher solche Gebete eingiebt. Allein obwohl Dir jetzt meine Ansprache süß vorkommt, so gehe doch hin und nähe Deiner Tochter den Rock zusammen, welche sich über den alten und geflickten Rock mehr freut, als über einen neuen, welche mehr 192 Lust hat zu grauem, groben Tuche, als zu seidenen und anderen köstlichen Kleidern. Selig ist die, welche so freiwillig das Weltliche aufgegeben hat. Sie hat ihren Mann mit dessen gutwilliger Zustimmung verlassen, dessen Leib sie geliebt hat, wie sich selber, und seine Seele mehr, als ihrer beiden Leiber. Sie verließ auch ihre Brüder, Schwestern, Anverwandten und Freunde leiblicherweise, um ihnen auf geistliche Weise Beistand leisten zu können. Sie kümmerte sich nicht um die Besitztümer der Welt. Darum sind ihr für die Dahingabe ihrer Verwandten alle ihre Sünden erlassen; sie bleibt nun fortan standhaft. Denn für irdischen Besitz wird ihr das Reich des Himmels und Jesus Christus selber zum Gemahle gegeben werden. Und alle diejenigen, welche sie lieben, werden um ihretwillen zu Gott gefördert werden."
Kapitel LXX.
Christus verheißt, er wolle für seine Braut und die Ihrigen um der Liebe willen Vorsorge tragen.
Als sich die selige Brigitta in der Nähe von Lodöse, im Königreiche Schweden, befand, begegnete ihr ein Armer von ihrem Hausgesinde und bat sie, sich seiner zu erbarmen, weil er vorhatte, seiner verlobten Tochter die Hochzeit auszurichten, dazu aber aus Armut unvermögend war. Als nun die Frau Brigitta von ihrem Hausverwalter erfahren, wie viel Geld er bereit habe, antwortete sie und sprach: "Gieb diesem Armen den dritten Teil von dem, was Du hast, auf daß seine Tochter getröstet werde und für uns bete." Als sie nun in die Stadt gekommen waren, fanden sie an der Thüre der Herberge genannter Frau Brigitta Arme versammelt, denen sie Almosen zu verabreichen befahl. Der Verwalter erwiderte, was er habe, reiche durchaus nicht zu, die Zahlung in der Herberge zu leisten, wofern er nicht von jemand das Geld leihe. Wie könnt Ihr doch das Geld so reichlich ausgeben? Wahrlich, eine große Vollkommenheit ist es, an die Armen Geld zu verteilen, das man von anderen entlehnen muß! Die Frau Brigitta antwortete ihm: "Lasset uns geben, solange wir haben, denn der gütige Gott hat im Überflusse, um uns zu geben, wenn wir bedürfen. Diesen 193 Armen bin ich vorbehalten, weil sie keinen anderen Trost haben. Ich aber verlasse mich in meiner Not auf den Willen Gottes." Als die selige Brigitta nun eine Messe in der Kirche hörte und betete, hörte sie Christum zu ihr sprechen: "Unsere Tochter ist wie diejenige, welche so brünstig zum Bräutigam eilt, daß sie Vater und Mutter und alles vergißt, was sie hat, bis sie den findet, den sie sucht. Was wird nun der Bräutigam thun? Er wird ohne Zweifel seine Diener schicken und bewirken, daß der Braut alles folge, was ihr gehört. So wollen wir Deiner Liebe halber für Dich und die Deinigen sorgen, o Tochter! Denn wie die Liebe mich auf unaussprechliche Weise in den Schoß der Jungfrau eingeführt hat, also führt die mitleidige Liebe zu den Menschen Gott in seine Seele."
Kapitel LXXI.
Der heilige Johannes der Täufer redet mit der seligen Brigitta von einem, den man für den Magister Petrus Olafson, ihren Beichtvater, hält, von welchem oben die Rede gewesen ist.
"O Tochter, Du sollst Dich nicht über den Sieg Deines geistlichen Freundes beunruhigen. Er ist ein Streiter und Freund Gottes und erstritt über den Feind Gottes einen schönen Sieg. Der Feind fiel ihn unversehens von hinten an und wollte ihn darin beschädigen, daß er sich wider die Räuber, welche ihn ausgeplündert, erzürnen sollte. Er aber sprang auf den Speer des Feindes ein und zerbrach denselben. Auch durchstach er ihn mit seinem eigenen Spieße, indem er unter Beseitigung aller Zornesaufregung zu den Räubern, nachdem sie ihm alles genommen, sprach: Meine Freunde, wenn euch zu trinken beliebt, so habe ich noch Wein in der Flasche. Mit einem anderen Spieße hat er ihn zum zweiten Male durchstochen, indem er jenen, nachdem sie ihm den Mantel genommen, ohne einige Ungeduld auch den Rock gab. Mit dem dritten Spieße durchbohrte er ihn dadurch, daß er, nachdem jene gewichen waren und er nackt zurückgeblieben dasaß, voll Freuden Gott für seine Trübsal dankte und für seine Beschädiger mit Liebe betete. Als er sodann seinen Weg fortsetzte, hat er sich seiner Ent- 194 blößung durchaus nicht geschämt. Seines Sieges hat sich unser ganzer himmlischer Hof gefreut."
Kapitel LXXII.
Der heilige Botvid hat der der seligen Brigitta die Gnade verdient, Geistliches zu schauen.
Im vierten Jahre vor ihrem Tode erschien der Frau Brigitta gleichsam in einer Verzückung ihres Herzens ein heiliger Mann aus dem Reiche Schweden, Namens Botvid, und sprach: "Ich habe Dir nebst anderen Heiligen diese Gnade Gottes verdient, Geistliches zu hören, zu sehen und zu empfinden, und der Geist Gottes wird Deine Seele entzünden."
Kapitel LXXIII.
Daß um der bösen Fürsten willen zuweilen Königreiche zerstört werden, und wie ein König sich gegen Gott verhalten soll.
Der Sohn Gottes sprach: "Wie um der Liebe des Menschen willen zuweilen ein Reich gerettet wird, so sind öfter aus Anlaß der neu ausgesonnenen Bedrückungen Reiche zu Grunde gegangen. So will ich Dir von einem Reiche ein Beispiel melden. Der König verließ sich mehr auf das Geld, das er vom Volke und Durchreisenden mit Betrug und erheuchelter Gerechtigkeit erpresset, als auf Gott. Deshalb verlor er sein Leben und ließ sein Reich in Trübsal zurück und seine neuen Erfindungen sind zu einer Gewohnheit und gleichsam zu einem Gesetze geworden. Vertraut der Fürst aber auf Gott und bittet er mit Liebe die Gemeinde um Hilfe, so ist Gott vermögend, mit wenigem Rettung zu gewähren und um der Liebe willen den Frieden gar schnell zurückzuführen. Will daher der König sein Glück machen, so halte er sein Versprechen gegen Gott und die Wahrheit mit seiner Gemeinde und hüte sich vornehmlich, Neuerungen einzuführen und sich auf Kniffe zu verlegen. In schwierigen Lagen aber soll er den Ratschlägen derer, die Gott fürchten und nicht denen der geldgierigen Leute folgen, 195 weil es besser ist, einige Widerwärtigkeiten der Welt zu leiden, als wissentlich wider Gott und seine Seele zu sündigen."
Kapitel LXXIV.
Eine schwere Drohung Gottes in Bezug auf die Kriegsverfassung eines Königreiches. Wie aber um dreier Dinge willen die Gerechtigkeit Gottes gemildert werden kann.
Der Sohn Gottes sprach: "Ich habe Dir zuvor gesagt: Ich wollte über das kriegerische Wesen dieses Königreiches Heimsuchung halten mit Schwert, Speer und Zorn. Aber sie antworteten: Gott ist barmherzig; es wird nichts Übles kommen; lasset uns unseren Willen thun, unsere Zeit ist kurz. Deshalb vernimm, was ich Dir jetzt sage. Siehe, ich will mich erheben und nicht des Jünglings und des Greises, nicht der Reichen, noch der Armen, nicht der Gerechten, noch der Ungerechten schonen; sondern ich werde mit meinem Pfluge kommen und die Halme und Bäume vernichten, so daß, wo tausend waren, kaum hundert übrig bleiben und die Häuser ohne Bewohner sein werden. Es wird auch eine Wurzel voll Bitterkeit herauswachsen und die Mächtigen werden abfallen, die Raubvögel mit ihren Krallen werden Erfolg haben und verzehren, was nicht ihnen gehört. Doch kann um dreier Dinge willen meine Gerechtigkeit besänftigt und gemildert werden. Weil drei Sünden in diesem Reiche überflüssig im Schwange sind, nämlich Hoffart, Gefräßigkeit und Begehrlichkeit, so soll Demut, Ehrbarkeit in der Kleidung, Mäßigkeit im Trinken, Zügelung in den Begierden der Welt an ihre Stelle treten, damit mein Zorn sich besänftige. Auch der Fürst des Landes soll, weil er lässig in der Gerechtigkeit gewesen und sich vielerlei angeeignet hat, in dem Orte, den ich Dir bestimme, ein Kloster zu Ehren meiner Mutter bauen; thut er das, so werde ich ihm helfen und meine Liebe an ihm und allen seinen Mitgehilfen mehren, wo nicht, so werde ich ihm die Krone nehmen und nach Maßgabe seiner Herrlichkeit werden seine Trübsale sich vermehren; sein Königreich wird verachtet werden und die Einwohner werden sich nicht freuen." 196
Kapitel LXXV.
Christus zeiht eine Frau schwerer Übertretungen und zeigt ein Gericht, das dieselben verdienen, und wie er um der Buße und Genugthuung willen die Gerechtigkeit in Barmherzigkeit verwandelt.
Christus sagte zu einer, so daß die Braut es hörte: "Deine Augen waren neugierig, Vergnügliches, zu schauen; die Ohren aber, Dein, Lob und Possen zu hören; Dein Mund war zu Ehrabschneidungen und unnützen Reden bereit; Dein Bauch allezeit voll Wollust und Du versagtest ihm nicht, was er wollte. Du schmücktest Deinen Leib über die Maßen zu seinem, aber nicht zu meinem Lobe mit Kleidern. Meine Freunde aber standen draußen elend, hungrig und nackt und riefen, Du jedoch erhörtest sie nicht; sie begehrten Einlaß und Du wurdest unwillig. Du warfst ihnen ihr Elend vor und verhöhntest sie, und Deine Seele hatte kein Mitleid mit ihnen. Alles, was Du zu Ehren Deines Leibes thatest, dünkte Dich leicht, alles aber, was Du für mich thatest, über die Maßen schwer. Du lagst und saßest, wenn Du wolltest, und fragtest nichts nach meiner Gerechtigkeit. Du suchtest alles, was schön war, in der Welt, und um mich, den Schöpfer der Welt, der schöner ist, als alles, hast Du Dich sehr wenig bekümmert. Wenn ich daher mit gerechtem Urteile für die Hoffart Deines Mundes und aller Deiner Glieder wider Dich vorgehen wollte, so würde es recht sein, daß alle Dich verabscheuten und Dich öffentlich mit aller Schmach und Schande beschämten. Für Deine Unkeuschheit wärest Du wert, daß sich die Gewebe aller Deiner Glieder auflösten, Dein Fleisch durch Fäule verzehrt würde, Deine Haut vor Geschwulst zerrisse, Deine Augen ausgerissen würden, Dein Mund sich verzerrte, daß man Dir Hände und Füße abhiebe und alle Deine Glieder beständige Verstümmelungen erführen. Für die Verachtung der Armen und meiner Freunde aber und für Deinen Geiz wäre es recht, wenn ein solcher Hunger Dich ergriffe, daß Du Deine Glieder, als wären sie ein Stück Fleisch, gern verschlingen, Deinen Kot fressen und Deinen Harn trinken müßtest, ohne jenen gleichwohl stillen zu können. Für Deine Ruhe und Trägheit verdientest Du keine Ruhe, sondern 197 überall Elend und Traurigkeit zu haben. Für die Gunst der Menschen, welche Du mehr suchtest, als mich, wärest Du einer solchen Verachtung aller wert, daß auch Deine Kinder und teuersten Freunde Dich fliehen müßten und Du in ihren Augen und Nasen wie übelriechendes Fleisch und Menschenkot stinken müßtest. Sie müßten hundertmal lieber hören, daß Du tot seiest, als Dich lebendig sehen wollen. Dafür aber, daß Du Deinen Nächsten Schaden zufügtest und, Deine Hoffart zu erweitern, fremde Güter gehabt und an Dich behalten hast, wäre es recht, daß alle Deine Glieder und Deine Gebeine gliederweise zerschnitten würden, eine sehr scharfe Säge Dein Fleisch unaufhörlich zerrisse, weil der Arme gepeinigt ward und Du kein Mitleid mit ihm hattest. Für den Neid und den Zorn, wovon Du überflossest, wäre es recht, daß Dich die Teufel mit ihren Rachen gänzlich verschlängen und mit den Zähnen wie Mehl zerrieben, so daß Du den Tod wünschtest und nicht zu sterben vermöchtest, aber immer hin und her gezerrt würdest und immer lebtest, um die nämliche Pein zu erdulden. Weil ich jedoch barmherzig bin und keine Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit thue, und auch keine Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit, so bin ich bereit, mich aller zu erbarmen, welche Buße thun, so jedoch, daß ich die Gerechtigkeit nicht verlasse, sondern die Größe der Gerechtigkeit in Leichteres umwandle, weil ich den Teufeln ebensowenig unrecht thue, als den Engeln im Himmel. Wie Du nun also in allen Deinen Gliedern gesündigt hast, so mußt Du mit allen genugthun, und wirst für eine mäßige Arbeit eine große Süßigkeit haben. Es enthalte sich also Dein Mund des Vielschwätzens und jeglichen mühigen Wortes. Deine Ohren mögen sich vor dem Ehrabschneiden und Deine Augen vor überflüssigem Umherblicken verschließen. Deine Hände sollen sich aufthun, um den Armen Almosen zu geben. Deine Kniee sollen sich beugen, um ihnen die Füße zu waschen. Dein Leib müsse sich der Lüste enthalten und nur so viel Erquickung zu sich nehmen, um in meinem Dienste zu bestehen, ohne geil zu werden. An Deinen Kleidern soll kein Faden sein, an welchem Hoffart gefunden wird, sondern alles soll nur zum Nutzen, zur Notdurft, aber nicht zum Überflusse sein." 198
Kapitel LXXVI.
Es folgt eine andere Offenbarung.
Christus sprach: "Sage Deinem Meister, er solle nicht aufhören, zu rufen und seine Stimme zu erheben, weil ich bald komme. Glücklich werden sein, welche zur wahren Demut ihre Zuflucht nehmen."
Kapitel LXXVII.
Schwere Bedrohung des Königreiches Schweden.
Der Sohn Gottes sprach: "Ich will dieses Land pflügen in Gericht und Trübsal, bis die Einwohner lernen, Gott um Barmherzigkeit zu bitten."
Kapitel LXXVIII.
Von fünf Königen dreier Königreiche, welche unvernünftigen Tieren ähnlich sind, und wie der sechste König erhoben und gestürzt werden wird. Drohung Christi über Städte und Königreiche.
Der Sohn Gottes sprach: "Ich habe Dir zuvor fünf Könige und deren Reiche gezeigt. Der erste ist ein gekrönter Esel, weil er aus der Art guter Fürsten geschlagen und seinem Ruhme eine Makel beigefügt hat. Der zweite ist ein unersättlicher Wolf, welcher seinen unversehenen Fall nicht erkannt hat, um seinen Feind reich zu machen. Der dritte ist ein hochfliegender Adler, welcher die übrigen verachtet; der vierte ein stößiger und zerstörender Widder, der da zunimmt aus Gerechtigkeit Gottes; der fünfte ein geschlachtetes Lamm, aber nicht ohne Makel, dessen Blut vielen ein Anlaß der Trübsal und des Verderbens gewesen ist. Nun zeige ich Dir am sechsten Könige, daß derselbe Land und Meer in Unruhe gesetzt hat und die Einfältigen betrüben, auch das Land meiner Heiligen entehren und unschuldiges Blut vergießen wird, der die 199 Zeit meiner Rache in die Kühnheit seiner Hände gelegt hat. Wenn er daher nicht schnell aufmerkt, so werden sich meine Gerichte nahen; er wird sein Reich in Trübsal zurücklassen und es wird geschehen, wie geschrieben steht: Wollust und Wind säen sie aus, Trübsal und Schmerz werden sie ernten. Und nicht allein dieses Reich werde ich heimsuchen, sondern auch noch reiche und große Städte. Denn ich werde einen Hungrigen erwecken, welcher verschlingen wird, was sie Angenehmes haben; die einheimischen aber werden nicht aufhören und Zwietracht wird im Überflusse vorhanden sein; die Thoren werden herrschen und die Greise und Weisen ihr Haupt nicht erheben. Die Ehre und Wahrheit werden daniederliegen, bis derjenige kommen wird, welcher meinen Zorn besänftigen, seine Seele aber aus Liebe zur Gerechtigkeit nicht schonen wird."
Kapitel LXXIX.
Christus redet von zweien, welche in unähnlicher Weise ein bischöflicher Stoff genannt worden. Er giebt hier den Bischöfen eine sehr gute Lehre, sich in der Gnade zu erhalten und die Versuchungen zu fliehen.
Der Sohn Gottes sprach: "Erinnere Dich, daß ich Dich zu einem Magister gesendet habe, von dem ich gesagt habe, daß er das Zeug zu einem Bischofe habe, und daß ich gesagt habe, man solle aus vier Gründen ersprießlich um ihn nachsuchen. Er ist jedoch nicht zum Bistume gelangt, weil die Ratschlüsse der Menschen anders ausfallen, als die Ratschlüsse Gottes und weil es Gott so haben wollte, daß er die Verachtung der Welt nicht zu leiden hätte. Jetzt will ich Dir von einem anderen erzählen, von dem ich gleichfalls gesagt habe, daß er zu einem Bisehofe geeignet sei, und dessen Leib ich selber stärken und aus den Fallstricken des Teufels erretten werde. Sein Gewissen wird die Hinterlist des Teufels nicht verdunkeln und seine Seele wird meine Mutter mir darreichen. Ich begehre drei Dinge von ihm. Erstens, daß er behutsam vorwärtsgehe und auf dem Wege nicht weiter, als er muß, vorschreite. Zweitens, daß er über Mauern und Gräben springe und mir, was mir am liebsten ist, nämlich Seelen, darbiete. Drittens soll er nicht den linken Fuß vor den rechten setzen, noch den einen Fuß früher 200 ausheben, bevor nicht der andere feststeht. Was bedeutet das behutsame Vorwärtsgehen auf dem Wege anderes, als daß er in den Versuchungen vorsichtig sein und sich nicht zu viel abbrechen soll, damit die Natur durch das Arbeiten nicht geschwächt werde, auch dem Leibe nicht mehr, als recht ist, nachgebe, auf daß das Fleisch sich nicht auflehne wider die Seele. Zweitens soll er über Mauern und Gräben springen. Diese Mauern sind die Hindernisse und Widerwärtigkeiten, durch welche mein Freund verhindert und überdrüssig wird, die Seelen zu gewinnen. Diese Hindernisse aber sind: Furcht vor den Mächtigen, die Gunst der Schmeichler, das Drohen der Bösen, die Schande und der Schaden der Welt, die Freundschaft fleischlicher Freunde und die Ruhe des Privatinteresses. Über diese wird mein Freund mittels der Beständigkeit des Glaubens, mittels der Süßigkeit des himmlischen Lebens und seines Verlangens danach hinwegspringen. Die Gräben aber sind die Versuchung der Fleischeslust, die Anfechtung unreiner Geister, die Verzagtheit des Herzens, zügellose Freude, ungemäßigte Traurigkeit, Verhärtung und Kälte des Gemütes. aber diese soll mein Bischof hinwegsteigen mittels des Trostes der heiligen Schrift, durch Vorbilder aus dem Leben der Heiligen, durch die Betrachtung der Schuld und der ihm widerfahrenen Barmherzigkeiten, durch Reue und Leid, durch beständiges Beichten, Erforschung des göttlichen Ratschlusses und die Furcht vor dem ungewissen Tode. Wenn der Bischof über diese Mauern und Gräben hinübergestiegen ist, dann wird er einen für mich kostbaren Schatz, das heißt, mir Seelen gewinnen können, und ich, Gott, werde mit ihm sein in seinem Herzen und Munde, und werde seinen Leib bewahren, auf daß nicht die Geschosse der Boshaften an sein Herz gelangen. Gleichwohl wird er den Angriffen des Teufels nicht entgehen, ich werde sie aber von ihm abwenden. Die beiden Füße aber sind die beiden Begierden, zu gefallen, die eine Gott, um das ewige Leben zu erlangen, die andere, daß er den Menschen zu gefallen suche, um zu Gott Fortschritte zu machen. Daher also soll der Bischof den linken Fuß ausstrecken, d. i. den Menschen gefallen, nämlich dieselben ermahnen, mit ihnen umgehen und mit den Irrenden Mitleid haben, damit er Gott und dessen Geboten nicht mißfalle. Also soll er auch den rechten Fuß ausstrecken, d. h. Barmherzigkeit üben, damit er nicht die Gerech- 201 tigkeit vergessen möge, weil es vor Gott rühmlicher ist, von einer mäßigen Barmherzigkeit, als von einem Überflusse an Gerechtigkeit Rechenschaft zu geben. Daß aber der Bischof den einen Fuß nicht eher aufheben soll, bis der andere feststeht, bedeutet, daß er die Neigung und den Eifer gegen die Sünder nicht eher üben soll, als bis er zuvor die Wahrheit erkannt und fleißig erwogen hat. Denn er ist nicht heiliger, als David, welcher auch gefehlt in Vollziehung der Gerechtigkeit, aber nachdem er gefehlt und die Wahrheit erkannt, sich nach dem göttlichen Rate gebessert hat."
Kapitel LXXX.
Die selige Jungfrau giebt hier den Fürsten eines Reiches etliche Ratschläge, um den König dieses Reiches von seinen Übertretungen abzuhalten.
Die Jungfrau Maria, die Mutter Gottes, redete mit, der Braut Christi: "Ich bin diejenige, zu welcher der Engel gesprochen hat: Sei gegrüßt, voll der Gnaden! Und darum erweise ich weine Gnade allen denen, welche dieselbe in der Not haben wollen. Ich erzeige der Regierung des Königreiches, in welchem Du geboren worden, meine Hilfe wider die leiblichen und geistlichen Feinde Gottes. Die Einwohner desselben ermahne ich, einmütig zu arbeiten, einen König zu erlangen, welcher sie zu andächtigen Werken und ehrbarem Wandel anleiten wolle. Ich thue ihnen auch zu wissen, wie die göttliche Gerechtigkeit vorhat, den König und sein ganzes Geschlecht von der Leitung dieses Reiches zu entfernen; ein anderer, der im Reiche geboren worden, wird zum Könige erwählt und wird nach dem Rate der Freunde Gottes und zum Nutzen des Reiches herrschen. Daher sollen euer vier nach meinem Rate thun, damit ihr noch mehrere zu euch herbeiziehen könnt. Haltet aber diesen Rat geheim mit den Freunden Gottes und bewahrt ihn vor meinen Feinden verborgen, auf daß die Ehre Gottes vermehrt, die gute Gewohnheit erneuert und was der Krone entwendet worden, dem Reiche erstattet werden möge. Es möge demnach einer oder auch mehrere zum Könige gehen und zu ihm sprechen: Wir haben Euch etwas, das Euerer Seele Heil betrifft, zu sagen, das wir Euch unter dem Siegel der Beicht behalten zu wollen bitten. Ihr möget 202 auch, je nachdem es euch nützlich scheint, noch mehr Worte hinzufügen, deren Sinn etwa folgender sein mag: Ihr habt einen gar übeln Ruf im ganzen Reiche, denn es heißt, Ihr triebt eine unnatürliche Vermischung und Unzucht mit Männern wider die Ordnung der Natur. Dies ist deshalb wahrscheinlich, weil Ihr wider Gott und Euere Seele einige Männer mehr liebt, als Euere eigene Gemahlin. Zweitens darf gezweifelt werden, ob Ihr den rechten Glauben habt, weil Ihr, durch die Kirche vom Anhören der Messe ausgeschlossen, gleichwohl in die Kirchen gekommen und Messen gehört habt. Drittens seid Ihr ein Räuber der Krone und der Güter des Reiches. Viertens seid Ihr ein Verräter Euerer Diener und Unterthanen, welche Euch und Euerem Sohne getreulich dienten, und die Ihr von freien Stücken samt der ganzen Landschaft Schonen in die Hände ihres ärgsten Feindes verraten habt; vor seiner Bosheit und Arglist werden sie, solange er lebt, nimmer sicher sein können. Wenn Ihr den Entschluß gefaßt haben werdet, dieses zu bessern und die entfremdeten Landschaften wieder zu erobern, werden wir Euch dienen. Wo nicht, so befehlt Euerem Sohne unter dem geleisteten Eide, er solle die entfremdeten Länder wieder erobern, die Gemeinde lieben, seinen Kriegsleuten treu sein, und alles nach den Gesetzen des Vaterlandes gerecht und fromm regieren und lenken. Wisset aber, ihr vier, daß Gott sich für die Zukunft einen anderen König vorgesehen hat, welcher solchergestalt mit minderem Schaden und Gefahr öffentlich hervortreten kann, denn der Herr ist vermögend, sowohl das Leben des Jüngeren, als des Älteren abzukürzen, oder sie sonst aus dem Reiche zu vertreiben und alles nach seinem Willen zu ordnen, zu verkürzen und auch zu verlängern. Wenn aber jener nicht gehorchen will, so befragt insgeheim einige von den Fürsten und Kriegsleuten des Reiches um Rat, und wenn ihr etliche findet, die mit euch zu einerlei Willen geneigt, auch getreu sind, so sagt ihnen öffentlich, was ihr zuvor dem Könige insgeheim gesagt habt, daß ihr keinem Ketzer oder Verräter dienen wollet, ja auch seinem Sohne nicht, wenn derselbe entschlossen ist, dem Laster seines Vaters zu folgen. Nachdem dieses geschehen, sollet ihr einen zum Fürsten annehmen, welcher Namens der Krone die Kriege des Reiches wird führen können. Ist derselbe nun erwählt und vollkommen im Guten, so wird er mein Freund sein; wo aber nicht, wird er bald vertilgt 203 werden. Ihr sollet Geld und dergleichen hergeben; ich will ein männliches Herz und Kühnheit hinzufügen, so daß, wer nicht freiwillig gehorchen will, wider Willen dazu getrieben werden wird. Wenn der König aber aus dem Reiche weichen wollte, sollet ihr euch hüten, daß niemand unter euch seinen Fußstapfen folge."
Kapitel LXXXI.
Erklärung einer besonderen Gnade der seligen Brigitta.
Diese große Gabe hat die Braut Christi von der Gnade des heiligen Geistes gehabt, daß, so oft sich ihr Menschen mit unreinem, hoffärtigem Geiste näherten, sie alsbald einen solchen Gestank empfand und im Munde einen so bitteren Geschmack hatte, daß sie es kaum zu ertragen vermochte. Als sich daher einer, der voll Sünden war, neben sie gesetzt und sie gefragt hatte: "Was hat es mit dem Geiste für eine Bewandtnis, den Du, wie man sagt, hast; ist derselbe von Dir, oder jemand anders, oder etwa vom Teufel?" da antwortete sie, welche seinen Gestank kaum auszuhalten imstande war: "Du hast einen stinkenden Einwohner und was aus Deinem Munde hervorgeht, stinkt. Thue also Buße, auf daß die Rache Gottes nicht über Dich komme." Er aber zürnte heftig darob und entfernte sich. Als er sich dem Schlafe hingegeben hatte, vernahm er die Stimmen unzähliger Teufel, welche sprachen: "Lasset uns diesen in die Schweinställe zerren, weil er die Ermahnungen des Heiles verachtet." Er ging nun in sich und besserte durch Gottes Gnade sein lasterhaftes Leben. Und nachmals kehrte, nachdem der Gestank aufgehoben war, der gute Geruch wieder.
Kapitel LXXXII.
Christus ermahnt die Menschen barmherziglich zur Betrachtung seiner Werke und ladet die Sünder unter Androhung schrecklicher Strafe und ewigen Wehes zur Buße ein.
Christus sprach: "Ich bin der Gott aller Dinge, dessen Stimme Moses im Dornenbusche (Exodus III.), Johannes am Jordan 204 (Matthäus III. Markus I.), Petrus auf dem Berge (Matth. XVII. Lukas lX.) vernahm. Ich rufe nach dir, o Mensch, voll Barmherzigkeit, der ich für dich unter Thränen am Kreuze gerufen habe. Erhebe deine Ohren und höre mich; öffne deine Augen und siehe mich. Siehe mich, denn ich, der ich rede, bin der Mächtigste, der Stärkste, der Weiseste, der Kräftigste, der Gerechteste, der Liebevollste und bei alledem der Allerschönste. Siehe und erforsche meine Macht im Alten Gesetze, und du wirst dieselbe in der Erschaffung aller Geschöpfe wunderbar und furchtbar finden. Du wirst auch meine Stärke bei den widerspenstigen Königen und Fürsten finden, meine Weisheit in der Erschaffung und Würde des menschlichen Bildnisses und in der Weisheit der Propheten. Forsche nach meiner unvergleichlichen Kraft und du wirst dieselbe in der Verkündigung des Gesetzes und meines Volkes Befreiung finden. Schaue auch meine Gerechtigkeit am ersten Engel und am ersten Menschen, schaue sie in der Sündflut, schaue sie in der Zerstörung der übrigen Städte und Staaten. Meine Liebe siehe in Ertragung und dem Dulden meiner Feinde und in der Ermahnung durch die Propheten. Siehe endlich und beherzige meine Schönheit an der Schönheit und Wirksamkeit der Elemente, an der Verklärung Mosis, und führe Dir zu Gemüt, wie recht es ist, daß du mich erwählest und lieben mußt. Siehe außerdem, wie ich derselbe bin, der ich im Neuen Gesetze geredet habe, der Allermächtigste und Allerärmste; der Allermächtigste bei Anbetung der Könige und der Anzeige des Sterns, der Allerärmste, da ich in Windeln eingewickelt und in die Krippe gelegt ward. Siehe mich ferner, den Allerweisesten, der für den Unweisesten erachtet ward; den Weisesten, dem die Gegner nicht zu antworten vermögen, den Unweisesten, als ich der Lüge beschuldigt und wie ein Schuldiger verurteilt ward. Siehe mich auch, den Allerkräftigsten und den Verworfensten; den Allerkräftigsten bei Heilung der Kranken und Austreibung der Teufel, den Verworfensten bei Geißelung aller Glieder. Siehe in mir den Allergerechtesten, der für den Ungerechtesten erachtet worden; den Allergergerchtesten in Einsetzung der Wahrheit und Gerechtigkeit, für den Ungerechtesten erachtet in der Verurteilung zum schmählichen Tode. Siehe mich auch, den Liebevollsten und lieblosesten Behandelten; den Liebevollsten bei der Erlösung und Verdammung der Sünder, den am lieblosesten Behan- 205 delten, weil am Kreuze Mördern hinzugesellt. Siehe mich endlich als den Allerschönsten auf dem Berge, den Allerhäßlichsten am Kreuze, weil ich weder Schönheit, noch Schmuck gehabt. Siehe mich und betrachte, wie ich, der ich um deinetwillen litt, jetzt mit dir rede. Siehe mich nicht mit den Augen des Fleisches, sondern des Herzens; siehe, was ich dir gegeben habe, was ich von dir fordere und was du mir zu vergelten hast. Ich gab dir eine fleckenlose Seele, gieb mir dieselbe fleckenlos wieder. Ich litt für dich, auf daß du mir folgen möchtest. Ich habe dich gelehrt, daß du leben solltest nach mir, nicht nach deinem Willen. Höre ferner meine Stimme, womit ich im Fleische zu dir gerufen habe: Thut Buße! Höre meine Stimme, womit ich am Kreuze zu dir rief: Mich dürstet! Höre jetzt noch lauter, daß, wenn du nicht Buße thun wirst, Weh über dich kommen und von diesem Weh dein Fleisch vertrocknen, deine Seele vor Schrecken verschmachten und alles Mark verdorren, die Stärke entkräftet werden, die Schönheit vergehen wird; das Leben wird zum Überdrusse gereichen, die Flucht versucht, aber nicht gefunden werden. Deshalb nimm eilends deine Zuflucht in den Schlupfwinkel meiner Demut, damit das Weh nicht komme, welches angedroht wird, weil es darum angedroht wird, damit es geflohen werden könne, wenn du von Herzen glaubst; wo nicht, so wird die That den Worten Glauben verschaffen. Forsche jedoch bei den Weisen; was ich verheißen habe, werde ich nicht unterlassen, obwohl ich in Geduld geduldig des Duldens Frucht erwarte."
Kapitel LXXXIII.
Aus dreierlei Dingen erkennt man, daß Christus bei seinem Tode wahrer Gott und Mensch gewesen, und daß Christus drei Freunde in der Welt gehabt, die sich nun von ihm abgewandt haben.
Maria redete und sprach: "Auf dreifache Weise konnte beim Tode meines Sohnes erkannt und abgenommen werden, daß er wahrer Gott und wahrer Mensch war. Erstens, weil die Erde erzitterte und die Felsen zersprangen. (Matth. XXVII.) Zum anderen, weil er gesprochen: Die Schrift ist erfüllt. Drittens, als 206 er zum Schächer sprach: Heute wirst Du mit mir im Paradiese sein. Denn dies hätte kein Heiliger versprechen können."
Darauf redete der Sohn zu seinem Heere, das umherstand, und sprach: "Meine Freunde! meine Worte sind ewig, und ihr wisset und sehet alles in mir; wegen dieser aber, welche hier steht, rede und klage ich, was sie ohne Gleichnis nicht zu verstehen vermag vor euch. Ich hatte drei Freunde in der Welt. Der erste liebte mich, weil er meine Werke empfand, denn er dachte bei sich: Gott giebt mir Frucht aus der Erde und von den Bäumen und Fische ans dem Meere; er giebt mir außerdem Leib und Seele und daneben Gesundheit und alle Notdurft; darum hat er mich mit dem Glauben und den Werken der Liebe, mit Almosen und Fasten geliebt. Und so waren alle gute Laien. Auch der zweite liebte mich, weil er mich empfunden und gesehen hat; denn er nahm wahr, wie die Erde Frucht, der Himmel Regen gab; er sah auch in der Schrift, wie er leben solle, wie der Weg und die Lehre meiner Heiligen beschaffen war, und dachte bei sich: Die Menschen sind wie blind und gleichsam tot; weil Gott mir Erkenntnis gab, will ich sie unterweisen. Und so waren die Gelehrten und Geistlichen, welche mich mit dem Werke lobten und ehrten, indem sie einen guten Wandel führten, denn sie empfanden und liebten mich, und trieben mit ihrer Rede andere an und lehrten dieselben. Der dritte empfand, sah und erkannte mich vollkommen in seiner Betrachtung. Er empfand wie der erste Freund, welchen Nutzen ihm die Erde und der Himmel, durch den er erleuchtet ward, brachte. Er hat auch mit dem zweiten aus der Schrift ersehen, was er meiden und was er thun solle, drittens aber hat er auch aus innerstem Herzen betrachtet, wie große Liebe ich ihm erwiesen habe. Deshalb hat er sich um dreier Dinge willen, welche er betrachtete, dreifach ans Liebe betrübt: er hat meine Nacktheit und Armut betrachtet, deshalb die Welt verlassen und die Einsamkeit aufgesucht, er hat zweitens die Geduld in meiner Trübsal betrachtet und deshalb sich die Enthaltsamkeit angeeignet; er hat meinen Gehorsam bis zum Tode am Kreuze betrachtet und deshalb seinen Willen in die Hände anderer übergeben; so waren fromme Klosterleute. Diese meine drei Freunde riefen täglich in meine Ohren, und ihre Stimme war süß für mich wie ein guter Trank und lieblich für 207 den Dürstenden. Nun aber haben diese meine Freunde sich hinweggewendet von mir, und ihre Stimme ist mir ein Greuel geworden, wie das Geschrei der Frösche. Denn der erste, die Laienwelt, spricht: Ich werde das Land bauen, weil es mir Frucht bringt von meiner Arbeit nach meinem Gefallen; meine Arbeit ist es, daß ich etwas habe; mein Fleiß, daß ich etwas besitze, denn wenn ich nicht arbeitete, würde ich nichts haben. Sie danken mir nicht, daß ich ihnen das Leben und die Gesundheit gebe, sie beachten nicht, daß ich ihnen die Zeiten zu ihrem Nutzen ordne und eine passende Luft vom Himmel, sie betrachten auch nicht, weshalb ich sie erschaffen und daß sie mir von ihren Werken Rechenschaft ablegen sollen; darum eignen sie sich selber das Lob zu und leben nach ihren Gelüsten. Außerdem berauben sie mich auch meines Rechtes, weil sie mir den Zehnten nicht zahlen. Der zweite aber spricht: Was ich habe, ist von meinem Fleiße; ich habe es mit einem gewissen Rechte und deshalb will ich nach meinem Willen leben. Ich will mir die Weisheit der Menschen erwerben, weil die göttliche Weisheit eine Thorheit ist, ihre Gebote lästig sind und ihr Beispiel schwer nachzuahmen ist. Ich bin vielmehr zu Ehren berufen; deshalb will ich dahin arbeiten, wie ich von den Menschen geehrt werden könne; denn das ist weine Freude, in der Welt groß zu sein. Der dritte spricht: Ich will in mein Kloster gehen, um eine größere Freude zu erlangen, als die übrigen; ich will, wohin ich komme, unter den ersten sitzen; statt der Armut spricht er: Ich will, daß mir nichts fehle; anstatt der Enthaltsamkeit sagt er: Ich will nach eigenem Willen leben; statt des Gehorsams sagt er: Ich werde den Menschen zu meinem Nutzen gehorsam sein, mich aber nicht darum kümmern, Gott zu gehorsamen. Vermag ich den Menschen zu gefallen, so genügt mir's. So klingt jetzt ihr vermaledeites Geschrei an meine Ohren und so stehen sie vor mir." 208
Kapitel LXXXIV.
Christus will an die Stelle der schlechten Christen die Heiden erwählen, wie der Thonbildner, wenn ihm ein Bild mißrät, ein anderes macht.
"Ich bin wie ein Bildner in Thon, welcher daraus ein schönes Bild formt und es danach auf edle Weise vergoldet. Nach Verlauf einiger Zeit sieht der Bildner nach seinem Bilde, findet dasselbe feucht und durch die Feuchtigkeit wie veranstaltet; denn der Mund ist anstatt seiner schönen Form gleichsam zu einem Hundsrachen verzerrt, die Ohren hängen herab, die Augen sind herausgetrieben, Stirn und Wangen eingesunken. Nun spricht der Meister: Du bist nicht wert, mit meinem Golde bekleidet zu werden. Er ergreift das Bild und zerbricht es und macht ein anderes, das seines Goldes würdig ist. Ich bin dieser Bildner, und habe den Menschen zu dem Ende gemacht, um ihn mit dem Golde meiner Gottheit zu zeichnen. Nun aber hat ihn die Liebe seiner Lust und Begierde so verunstaltet, daß er mein Gold nicht wert ist. Der Mund, welcher zu meinem Lobe erschaffen worden, redet nichts, als was ihm gefällt, dem Nächsten aber schädlich ist. Die Ohren vernehmen nur Irdisches, die Augen erblicken nur Wollüstiges. Die Stirn der Demut ist niedergesunken und die Hoffart aufgerichtet. Darum will ich mir die Armen erwählen, d. h. die verachteten Heiden, und zu ihnen sprechen: Tretet ein und ruhet im Arme meiner Liebe. Ihr aber, die ihr mein sein solltet, habt dies verachtet und lebt nach euerer Lust zu euerer Zeit; und zu meiner Zeit, nämlich der des Gerichtes, will ich zu euch sprechen: Sehet, man wird euch um so viel Pein mehr auferlegen, als ihr euere Wollust mehr geliebt habt, denn eueren Gott. Jener aber kommt zu mir wie ein Hündlein, legt sein Haupt und seinen Hals in die Schlinge und bekennt sich schuldig. Darum ist ihm seine Sünde vergeben." 209
Kapitel LXXXV.
Drei Dinge sind am Leibe und dreierlei an der Seele nötig, wie auch im himmlischen Heere ein dreifaches Gut ist. Von einem Bischofe, einem Freunde Christi und der Jungfrau Maria. Wie sich der in Erquickung seines Leibes zu verhalten hat, der auch diese Worte Christi den bösen Christen überbringen soll.
Maria sprach: "Im Heere des Königs der Engel findet sich ein dreifaches Gut. Erstens, daß es Überfluß hat und sich nicht vermindert. Zweitens, daß es beständig ist und nicht umkehrt. Drittens, daß es leuchtend ist und sich nicht verdunkeln läßt. So müssen auch drei Dinge im Leibe und in der Seele sein. Das erste, woran die Seele Überfluß haben und das nicht gemindert werden soll, ist die Gabe des heiligen Geistes, welche der Seele gegeben wird; obwohl sie zwar sich selbst und ihrer Kraft vollauf hat, wird sie doch durch die Sünde vermindert. Das zweite soll die Beständigkeit im guten Werke sein, daß sie nicht durch den bösen Willen umgewandt werde. Das dritte soll glänzend sein von Schönheit und dem Fortschritt in guten Werken, so daß sie nicht verdunkelt werde durch die Farbe der bösen Lust oder der Begierlichkeit. Der Leib soll auch diese drei Dinge haben: Erstens Erquickung, zweitens Arbeit, drittens Bezwingung der Lust und fleischlichen Zustimmung, also erstens Sättigung im Schlafe und Wachen und mäßige Erholung, so daß deren weder zu wenig, noch zu viel sei, sondern so viel, daß der Leib im Dienste Gottes zu bestehen vermöge; zweitens Ausdauer in der Arbeit mit aller Klugheit; drittens einen fröhlichen Willen im Dienste Gottes und zur Bezwingung der bösen Lust, wodurch die Seele erleuchtet wird. Weil nun mein Freund durch sein Gelübde seine Hände bindet, damit sein Leib dem Fortschritte der Seele nicht entgegentrete, deshalb löse ich, die ich die Königin des Himmels und meinem Sohne die Teuerste und Nächste bin, sein Gelübde, weil es meinem Sohne also gefällt. Ich bin diejenige, von welcher er seine Predigt anfängt, und gehe ihm vor meinem Sohne mit meinem Gebete wie ein Gestirn der Sonne voraus und leite ihn und folge ihm dann nach. Deshalb gestatte 210 ich ihm, daß er, wie es der Natur angemessen und nützlich ist, seinem Leibe nachsehe und an den Fleischtagen Fleisch und an den Fischtagen Fische esse. Außerdem verschaffe ich ihm drei Wohlthaten: Erstens eine sichere Weise für gute Werke, zweitens reichliche Weisheit im Gewissen, drittens eine große Freude zur Verkündigung des göttlichen Wortes. Außerdem wende ich ihm auch jene Furcht, die er vor dem Übermaße im Genusse von Speisen hat, zum Guten, so daß die Speise, welche er zu sich nehmen wird, ihm zur leiblichen und geistlichen Stärkung gereicht, und ihn zum Fortschritte der Seele geeignet macht."
Darauf erschien der Sohn und sprach: "Ihm ist das Amt der Apostel aufgetragen; darum gestatte ich ihm, die Speise der Apostel zu haben; denn die Apostel aßen, was ihnen vorgesetzt ward. (Lukas X.) So soll er sich bei der Erquickung seines Leibes wie ein Apostel halten. Ich sende ihn ja nicht zu den Heiden, wie meine anderen Freunde, sondern zu bösen Christen. Denn gleichwie es schwieriger ist, eine Vermählte, welche böswilligerweise aus der Gemeinschaft mit ihrem Gemahle geschieden ist, zurückzurufen, um wieder bei ihrem Manne zu wohnen, als eine andere, welche des Mannes Lust noch nicht gekostet, so ist es für böse Christen schwerer, zu Gott zurückzukehren, als für solche, welche noch nicht die Worte Gottes und die Süße seiner Güte gekostet haben. Weil er nun mein Freund ist und ich ihn innigst liebe, lege ich ihm als einem Freunde eine beschwerlichere Last auf; doch wird ihm alles, was er angreifen wird, durch meine Gnade leicht werden. Am nächstfolgenden Osterfeste mag er sehen, daß er bereit sei, mein Werk in Angriff zu nehmen; da wird er den Kern in fette Erde legen und derselbe wird in vielen treiben und Frucht bringen. Dieser Kern sind meine Worte, die fette Erde aber ist meine heilige Kirche, welche, durch die Weisen gepflügt, fruchtbar werden wird. Darum möge er sicher dahin gehen, ich werde bei ihm sein in seinem Herzen und Munde." 211
Kapitel LXXXVI.
Weshalb die Freude am Weltlichen und die falsche Sicherheit gefährlich ist.
Maria sprach: "Eine kleine Freude nur gewährt das Lachen, von dem man auf das gewisseste weiß, daß Weinen folgen werde. So ist es mit dem Lachen der weltlich Gesinnten, wonach, die Menschen wissen es, Schmerzen in allen Gliedern folgen, das Herz brechen und die Freude sich in Trauer wandeln wird. Es ist auch eine große Gefahr, wenn man nicht darauf achtet, sich mit dem Richter zu versöhnen, bevor das Schwert den Kopf vom Leibe trennt. Eine solche Gefahr steht dem Menschen bevor, welcher verabsäumt, sich mit der Gerechtigkeit Gottes zu versöhnen, bevor der Tod die Seele vom Körper scheidet."
Kapitel LXXXVII.
Der Gnade des heiligen Geistes sind diejenigen nicht würdig, welche von den Sünden nicht ablassen wollen.
Maria sprach: "Es ist der Brauch bei euch, daß, wenn jemand mit einem geeigneten Sacke oder reinem Geschirre kommt, man ihm etwas hineingiebt; allein wenn derjenige, welcher den Sack trägt, aus Faulheit denselben nicht öffnen mag, und wenn sein Geschirr unrein und dem Kote ähnlicher, als einem gereinigten Gesäße ist, der Träger auch keineswegs den Vorsatz hat, dasselbe zu reinigen, wer sollte ihm dann seine kostbarsten Sachen hineingeben, da er dessen nicht wert ist? Ebenso verhält es sich auch geistlicherweise: Wenn der Wille sich zu dem Vorsatze, die Sünde aufzugeben, nicht entschließen kann, dann ist es nicht recht, wenn ihm der Becher des heiligen Geistes gereicht wird. Und wenn der Wille nicht im Herzen ist, die Sünde zu bessern, so darf ihm die Speise des heiligen Geistes nicht beigebracht werden, er sei König oder Kaiser, oder Geistlicher, reich oder arm." 212
Kapitel LXXXVIII.
Den Dürftigen Geld leihen, aber ohne Zinsen, ist verdienstlich.
"Wenn jemand von Dir im Namen Gottes Geld zu leihen verlangt, von dem Du weißt, daß er davon keinen gottlosen Gebrauch machen will, so frage ihn, an welchem Tage er's zurückerstatten will, und nachdem Du überschlagen und zurückbehalten hast, was Du und die Deinigen zum täglichen Bedarfe nötig hast, so leihe ihm, soviel Du vermagst und er bedarf. Wenn er es auch am bestimmten Tage erstattet, wirst Du nichtsdestoweniger vom Herrn für jeglichen Pfennig Deinen Lohn empfangen. Hat er das Geld aber zur festgesetzten Zeit nicht zurückgegeben, so kannst Du von ihm verlangen, was nach den Gesetzen Deines Vaterlandes Dein ist und nichtsdestoweniger wirst Du Deinen Lohn für Deine Mühe und Dein Darlehen vom Herrn empfangen. So kannst Du mit Deinem Gelde weit mehr geistlichen Gewinn erwerben, als wenn Du es in Kisten verborgen liegen hättest. Aber hüte Dich soviel als möglich, daß Du auch nicht einen Heller als Zins annimmst, wenn anders Du für Dein Darlehen einigen Lohn von Gott zu haben begehrst."
Kapitel LXXXIX.
Ein Gesicht, wie die Mutter Christi allen denen hilft, welche sich mit Gott versöhnen wollen, und denen die Pein verkürzt, welche verdammt werden sollen. Und von der Bosheit des Teufels wider die Menschen.
Es bedünkte die Braut Christi, die selige Brigitta, als wenn die Jungfrau Maria, die Mutter Gottes, bei ihr stünde und ihr zur Rechten verschiedene Werkzeuge lägen, mit denen sie sich in allen Gefahren verteidigen könnte; zur Linken aber Waffen, diejenigen zu strafen geeignet, welche sich durch bösen Willen zur Pein verdammt hatten. Darauf sprach die Jungfrau zur Braut: "Wie Du verschiedene Werkzeuge erblickst, deren jegliches zu seinem besonderen Werke notwendig ist, so will ich mit meinen Werkzeugen allen 213 denen zu Hilfe kommen, welche meinen Sohn fürchten und lieben und mannhaft wider die Anfechtungen des Teufels streiten. Diese sitzen gleichsam zwischen Festungsmauern und kämpfen täglich wider die Nachstellungen der bösen Geister, aber ich komme ihnen mit meinen Waffen zu ihrer Verteidigung zu Hilfe. Während die Feinde sich bemühen, die Mauer zu untergraben und zu zerstören, setze ich eine Stütze darunter; wenn sie sich bemühen, mit Leitern hinaufzusteigen, so stoße ich sie mit Gabeln zurück; sind sie bemüht, Öffnungen in die Mauerwände zu machen, so stelle ich dieselben mittels meiner Maurerkelle wieder her und fülle die Löcher aus. Auf diese Weise komme ich mit meinen Schutzwaffen allen denen zu Hilfe, welche sich mit meinem Sohne versöhnt haben und fortan wissentlich niemals mehr wider ihn sündigen wollen. Und obwohl ich nur drei Werkzeuge genannt habe, helfe ich doch meinen Freunden mit zahllosen Waffen, womit ich dieselben verteidige. Von den Werkzeugen, welche zu Deiner Linken sichtbar sind, will ich Dir drei nennen. Das erste ist mein Schwert, welches aber schärfer ist, als das Schwert des Henkers, das zweite ist ein Fallstrick, das dritte sind Hölzer, womit diejenigen verbrannt werden, welche mit dem Willen, mit Ausnahme des letzten Augenblickes bis ans Ende zu sündigen, vor dem Tode sich selber zur ewigen Pein verdammt haben; denn wenn der Mensch in seinem Sinne entschlossen ist, bis ans Ende wider Gott zu sündigen und nicht eher aufzuhören, als bis er nicht mehr zu sündigen vermag, dann muß er von der göttlichen Gerechtigkeit zu ewigen Strafen verurteilt werden. Und wie bei denen, welche für verschiedene Verbrechen hingerichtet werden sollen, mancherlei Todesarten auf Erden angewendet werden, so werden auch an den zur Hölle Verdammten verschiedene Arten von Strafen ihrer Sünden halber vollzogen. Wenn der Mensch daher so lange, als er lebt, zu sündigen gedenkt, so ist es recht, daß der Teufel Gewalt über seinen Leib und seine Seele erhalte, und wie das Fleisch von den Knochen geschnitten wird, so würde dem Teufel das Recht zustehen, Leib und Seele jenes Menschen mittels einer so bitteren Pein zu trennen, als wenn Fleisch und Knochen mit einem stumpfen Kieselsteine zerschnitten würden, solange es der elende Leib in solcher Bitternis auszuhalten vermöchte. Wisse jedoch auf das bestimmteste, daß, wenn einer auch wegen 214 der Größe seiner Laster an Leib und Seele von Gott dem Gerichte des Teufels übergeben worden wäre, ihm doch, solange er lebt und Verstand hat, die Gnade der Buße niemals entzogen wird; solchen aber, welche die Buße nicht ergreifen, wird mein Schwert einige leibliche Pein vor ihrem Tode verkürzen, damit der Teufel nicht über den Leib, solange derselbe in der Welt lebt, eine volle Gewalt habe, wie er in der Hölle Macht hat; denn wie jemand seinem Feinde zu dessen größerer Qual mit einer Säge den Hals abschneiden möchte, so durchschneidet der Teufel die lebende Seele mit seinem Schwerte im ewigen Tode. - Der Strick bedeutet den Schmerz, den eine verdammte Seele nach dem Tode empfinden wird. Derselbe wird in der Hölle um so größer sein, je länger das Leben in der Welt war, darum wäre es des Teufels Wunsch, daß der Mensch, welcher den Willen hat, solange er lebt, zu sündigen, recht lange leben möchte, damit er nach dem Tode desto längere Schmerzen haben möge. Meine Gnade nun zerreißt den Strick, welchen Du siehst, d. h. verkürzt das Leben des elenden Fleisches wider den Willen des Teufels, damit der Schmerz aus dem Gerichte der Gerechtigkeit nicht so schrecklich werden möge, wie der Feind begehrt; denn der Teufel zündet das Feuer in den Herzen seiner Freunde, die in Wollust leben, an, und obwohl ihnen ihr Gewissen sagt, das sei wider Gott, so verlangen sie doch so heftig, ihre Lust zu befriedigen, daß sie unbekümmert wider Gott sündigen, und deshalb hat der Teufel das Recht, das Feuer der Pein in der Hölle bei ihnen so oft anzuzünden und zu vermehren, als er sie mit verkehrter Wollust in der Welt erfüllt hat."
Kapitel XC.
Christus lobt den heiligen Franziskus, straft aber dessen Brüder, und fügt hinzu, daß er ihm den Ablaß gegeben habe, welcher zu Assisi ist.
Als die selige Brigitta in der Kirche der Brüder zu Assisi war, hörte und sah sie Christum, welcher sprach: "Mein Freund Franziskus ist vom Berge der Freuden hinabgestiegen in die Höhle, wo sein Brot die göttliche Liebe, sein Trank beständige Thränen, und sein Lager die Betrachtung meiner Werke und meiner Gebote 215 waren. Jetzt aber steigen seine Brüder auf den Berg der Sorgen und der Lust der Welt und sehen nicht an die Demut und den Trost ihres Vaters und meines Freundes. Aber sage mir, obwohl ich schon alles weiß, was ist in Deinem Herzen, wodurch Du betrübt wirst?" Und jene sprach: "Ich bin betrübt, weil einige sagen, dieser Heilige habe sich diesen Ablaß erdichtet, und andere werfen ihm vor, daß derselbe nichtig sei." Christus antwortete: "Wer etwas erdichtet, ist wie ein Rohr, das sich neigt nach der Gunst der Schmeichler; mein Freund aber ist wie ein feuriger, brennender Stein gewesen, weil er mich in sich hatte, der ich das göttliche Feuer bin. Und wie Feuer und Stroh nicht zusammengehören, so findet auch die Lüge da keine Gemeinschaft mit der Wahrheit und dem Feuer der göttlichen Liebe. Mein Freund aber hat die Wahrheit gehabt und geredet und weil er die Lauigkeit der Menschen gegen Gott und ihre Begierde zur Welt sah, empfand er heftigen Schmerz. Deshalb hat er von mir ein Zeichen der Liebe begehrt, durch welches der Mensch zur Liebe entzündet und die Begierlichkeit gemindert werden möchte, und da er aus Liebe gebeten, habe ich, der ich die Liebe selber bin, ihm ein Zeichen gegeben, nämlich, daß alle, welche arm an seine Stätte kommen würden, mit meinem Segen erfüllt und von ihren Sünden befreit werden sollten." Die Frau entgegnete weiter: "Mein Herr, soll dann der Nachfolger widerrufen, was Du, der Geber aller Macht und Gnade, gegeben hast?" Christus antwortete: "Was ich zu Petrus und dessen Nachfolgern gesprochen, bleibt fest: Was Du binden wirst, das soll gebunden bleiben. Doch werden um der Menschen Bosheit willen viele Gaben entzogen und wegen des Glaubens und der Verdienste die schon gewährten Gnaden vermehrt."
Kapitel XCI.
Alle Worte der Bibel sind von Gott ausgegangen und wie kostbare Edelsteine.
Gott der Vater redete mit der Braut des Sohnes und sprach: Höre Du, die Du Dich über die Worte verwunderst, welche Du in der Bibel geschrieben liesest. Sei auf das gewisseste überzeugt, daß jedes darin geschriebene Wort von mir ausgegangen ist und 216 seine eigene Kraft und Wirksamkeit hat, wie Du siehst, daß die Edelsteine in der Welt ihre natürlichen Kräfte haben, wie z. B. der Magnet seine anziehende Kraft hat, mittels welcher er das Eisen anzieht. Einige Steine mahlen die Körner und verwandeln dieselben in Mehl, andere werden in Mörtel gewandelt und besitzen die Kraft, andere Steine zu verbinden, andere machen das Eisen scharf, wie der Schleifstein, und so hat eine jegliche Gattung von Steinen ihre Kraft. In der nämlichen Weise haben alle Worte, die von mir ausgegangen sind, ihre Kräfte und alle stehen mit ewiger Schönheit im Himmel und leuchten vor meinem ganzen himmlischen Heere wie die köstlichsten Steine mit der lieblichsten Farbe im hellsten Golde. Und ein jeglicher, der im Himmel ist, kennt die vorzügliche Kraft eines jeden derselben."
Kapitel XCII.
Wie der heilige Dionysius die Braut Christi tröstet, als ihr Gemahl auf einer Pilgerfahrt erkrankt war.
Als der Gemahl der heiligen Brigitta sich bereits auf der Rückkehr von seiner Pilgerfahrt nach St. Jakob befand, ward er zu Arras krank. Und als die Krankheit zunahm, ward die Braut Christi in große Seelenangst versetzt, aber wert befunden, durch den heiligen Dionysius getröstet zu werden. Derselbe erschien ihr im Gebete und sprach: "Ich bin Dionysius und von Rom aus in diese Gegenden von Frankreich gekommen, das Wort Gottes in meinem Leben zu predigen. Weil Du mich nun mit einer besonderen Andacht liebst, deshalb sage ich Dir voraus, daß Gott durch Dich der Welt bekannt werden will. Du bist meiner Hut und meinem Schutze anvertraut. Deshalb will ich Dir allezeit beistehen und gebe Dir dessen zum Zeichen an, daß Dein Gemahl an dieser Krankheit nicht sterben wird." So hat sie der nämliche selige Dionysius auch noch viele andere Male in ihren Offenbarungen besucht und getröstet. 217
Kapitel XCIII.
Als der Teufel sie mit dem Adel ihres Geschlechtes und der Liebe Gottes versuchte, antwortete die heilige Brigitta und sprach:
"O Teufel! du bist durch deine Hoffart gefallen. Weshalb aber soll ich Hoffart suchen, da doch das Fleisch der Königin nicht besser als das der Magd, vielmehr alles schlecht und Erde ist? Weshalb aber soll ich mich nicht demütigen, da ich nicht Einen guten Gedanken von mir selber haben kann, es sei denn, daß Gott mir denselben eingebe?" Darauf erschien ihr Christus und sprach: "Die Demut ist eine Leiter, mittels derer man von der Erde zum Herzen Gottes hinaufsteigt."
Kapitel XCIV.
Wie die heilige Brigitta die Haare der seligen Jungfrau Maria erhalten.
Als die heilige Brigitta sich eine Zeit lang in der Stadt Neapel aufhielt, schickte eine Schwester, Klara mit Namen, im Kloster der Klosterfrauen zum heiligen Kreuze zu ihr, und ließ ihr sagen: "Ich habe Reliquien von den Haaren der Mutter Gottes, welche mir von einer heiligen Königin verehrt sind. Diese will ich Dir jetzt geben, weil es mir von Gott eingegeben worden, daß ich sie Dir überantworten soll. Und das Zeichen, daß ich wahr rede, soll Dir sein, daß ich bald sterben und zu meinem Herrn kommen werde, den meine Seele über alles liebt. Nachdem sie also gesprochen, lebte sie nur noch wenige Tage und gab nach Empfang der Sakramente der Kirche ihren Geist auf. Da nun die selige Brigitta zweifelte, ob diese Haare von den Haaren der Jungfrau Maria seien, oder nicht, erschien ihr dieselbe Mutter Gottes im Gebete und sprach: "So wahr es ist und geglaubt wird, daß ich Annas und Joachims Tochter bin, so wahr ist es, daß diese Haare auf meinem Haupte gewachsen sind." 218
Kapitel XCV.
Gesicht von einem Topfe über einem Feuer, einem Knaben, der dasselbe anblies, und der überflüssigen Liebe gegen die Kinder.
Es begab sich einmal im Kloster zu Alvastra, daß das Gemüt der seligen Brigitta, da sie nach Rom gehen wollte, von Liebe zu ihren Kindern erfüllt wurde und es sie schmerzte, dieselben zu verlassen, da sie gleichsam des mütterlichen Trostes beraubt würden. Sie fürchtete auch, sie möchten Gott nach ihrer Entfernung in irgend etwas kecker beleidigen, weil sie jung, reich und mächtig waren. Da erblickte sie in einem Gesichte einen Topf über dem Feuer stehen und einen Knaben, welcher die Kohlen anblies, damit der Topf erhitzt werden möchte. Die selige Brigitta sprach zu ihm: "Weshalb bemühst Du Dich so sehr, daß der Topf Feuer erhält?" Der Knabe erwiderte: "Damit die Liebe zu Deinen Kindern in Dir stärker entzündet und entflammt werde." Die selige Brigitta entgegnete: "Wer bist Du?" "Ich bin," antwortete jener, "einer, der Geschäfte machen will." Nun erkannte sie, daß in ihrem Herzen einige ungeordnete Liebe gegen ihre Kinder bestehe und besserte sich alsbald, so daß sie der Liebe Christi nichts vorzog.
Kapitel XCVI.
Daß der Gehorsam zum Himmel einführt.
Als eines Tages die selige Brigitta sich aus einem Buche, der Jungfrauenspiegel genannt, vorlesen ließ, ward sie im Geiste verzückt. Wieder zu sich gekommen, sprach sie: "Ich habe im Geiste eine Stimme vernommen, welche mir sagte, daß die Jungfräulichkeit die Krone verdiene, der Witwenstand Gott näher bringe, die Ehe vom Himmel nicht ausschließe, der Gehorsam aber jedermann in den Himmel führe." 219
Kapitel XCVII.
Christus nennt eine Hütte eine Kammer des Heiles und gebietet der heiligen Brigitta, darin zu wohnen.
Christus gebot seiner Braut, von Rom nach dem neuen Schlosse der Abtei Farfa zu gehen, und er sprach: "Gehe, denn es ist Dir eine Kammer zubereitet." Als sie nun mit ihrem Beichtvater, dem Herrn Petrus, und ihren Hausgenossen dorthin gekommen war, erhielt sie mit äußerster Schwierigkeit von den Brüdern jenes Klosters eine schlechte Hüte zum Bewohnen, indem jene sich darauf beriefen, es sei bei ihnen nicht Brauch, mit Weibern zusammenzuwohnen. Demnächst erschien ihr Christus und sprach: "Dies ist eine Kammer des Heiles, in welcher Du hohe Dinge wirst verdienen und lernen können. Wie Du früher in hohen und schönen Häusern gewohnt, so kannst Du jetzt lernen, was meine Heiligen, welche in Höhlen wohnten, erlitten." Sie erfüllte Christi Vorschriften und gehorchte denselben.
Kapitel XCVIII.
Standhaftigkeit der heiligen Brigitta beim Tode ihrer Tochter. Wer wahrhaft eine Mutter und eine Stiefmutter ist, und wie Töchter erzogen werden sollen.
Als die Braut Christi vernahm, daß ihre Tochter Ingeborg, eine Nonne im Kloster Risaberg, gestorben sei, sprach sie freudenvoll: "O Herr Jesu Christe, o mein Liebhaber! gebenedeit seist Du, weil Du sie gerufen, bevor die Welt sie in ihre Netze zog." Sogleich ging sie in ihr Betzimmer und vergoß so viele Thränen, und stieß so viele Seufzer aus, daß es von den Umstehenden vernommen werden konnte, und die Anwesenden sprachen: "Sehet, sie weint um ihre Tochter." Da aber erschien ihr Christus und sprach: "Weib, was weinest Du? Ich weiß zwar alles, will es aber doch aus Deinem Munde hören." Jene antwortete: "O Herr! ich weine nicht, weil meine Tochter gestorben ist; nein, ich freue mich, weil 220 sie, wofern sie länger gelebt, eine größere Rechenschaft vor Dir abzulegen gehabt haben würde. Ich weine vielmehr deshalb, weil ich sie nicht nach Deinen Geboten unterwiesen, weil ich ihr das Vorbild der Hoffart gegeben und sie, wenn sie fehlte, zu gelind gestraft habe." Christus antwortete ihr: "Jegliche Mutter, welche weint, wenn ihre Tochter Gott beleidigt, und dieselbe nach ihrem besten Gewissen unterweist, ist eine wahre Mutter der wahren Liebe und eine Mutter der Thränen und ihre Tochter ist eine Tochter Gottes um ihrer Mutter willen. Die Mutter aber, welche sich darüber freut, daß ihre Tochter sich nach der Welt zu schicken weiß und sich um ihren Wandel nicht kümmert, wenn sie nur von der Welt erhöht und geehrt wird, ist keine Mutter, sondern eine Stiefmutter. Darum soll Deine Tochter um Deiner Liebe willen und wegen Deines guten Willens auf einem kurzen Wege zur Krone der Herrlichkeit hinübergehen."
Kapitel XCIX.
Christus erläßt seiner Braut das Gelübde des Fastens im Advent des Herrn.
Als die selige Brigttia von Rom zum Grabe des heiligen Apostels Andreas zog, konnte sie infolge verschiedener Krankheiten nicht nach dem Königreiche Sicilien hinübergelangen, sondern nur bis zur Stadt Bari. Als nun die Zeit des Advents des Herrn eintrat, in welcher sie zu fasten gewohnt war, sich in ihrer Gesellschaft aber mehrere Kranke befanden und auf dem Wege keine Fische zu finden waren, bat sie Gott, er wolle sich ihrer erbarmen, damit sie Gott nicht beleidigten, oder dem Nächsten, wenn sie äßen, kein Ärgernis gäben, noch daß die Kranken durch Fasten schwach würden. Darauf erschien Christus und sprach: "Die Fische sind sehr kalt und das Wetter ist nicht sehr warm, der Weg beschwerlich und steinig und ihr seid krank, esset deshalb, was sich findet, denn ich bin über alle Gelübde. Und was zur Ehre Gottes und zur mäßigen Unterhaltung des Fleisches ist, wird nicht zur Sünde gerechnet werden." 221
Kapitel C.
Wie ein Bildnis des Gekreuzigten einer Frau, welche die selige Brigitta wie auf einer Säule stehen sah, ihr Ende voraussagte.
Eine gewisse hohe Dame aus dem Königreiche Schweden sah, als sie sich in der Nähe des heiligen Jakobus in Galizien befand, in einer Kirche ein Bild des Gekreuzigten, welches an die Wand gemalt war. Sie schaute dasselbe voll Andacht und Mitleid an, und vernahm alsdann eine Stimme, welche zu ihr sprach: "Wo Du dieses Bildnis reden, sehen und hören wirst, da wirst Du bleiben und sterben." Als sie nach ihrer Heimkehr ins Vaterland sich wieder auf die Reise nach Rom begeben hatte und in die Stadt Montefiascone gekommen war, erblickte sie im Hause einer gewissen Dame ein ähnliches Bild, wie sie in Spanien gesehen hatte. Dies Bild sprach zu ihr: "Hier wirst Du einkehren und verbleiben. Ich aber werde das Herz der Frau dieses Hauses bewegen, daß sie Dir allhier Wohnung gebe." Jene zog sich nun hierher zurück, blieb allda und führte unter Thränen, Fasten und Gebeten ein exemplarisches und wunderthätiges Leben. Sie erblickte einstmals eine Säule; auf derselben stand eine Frau von mittelmäßiger Statur, welche viele umherstehende Scharen anblickten und bewunderten. Aus ihrem Munde kam es wie Tau und weiße und rote Rosen, an deren Duft die zuschauenden Leute sich erfreuten. Als sie in der folgenden Nacht erwachte, erblickte sie ähnliches und vernahm eine Stimme, welche also sprach: "Die Frau, welche Du siehst, ist die Frau Brigitta, welche sich zu Rom befindet und aus fernen Landen Wein mit Rosen vermischt bringen und den dürstenden Fremden reichen wird."
Kapitel CI.
Einer gewissen Dame Wallfahrt, Tod und Errettung, welche der Teufel, da sie noch lebte, gereinigt hat.
Eine gewisse Dame aus Schweden, welche der seligen Brigitta nach Rom folgte und die Unbeständigkeit ihres Gemahls fürchtete, 222 bat die selige Brigitta, daß sie zu Gott für ihren Gemahl beten möge. Als Brigitta dieses that, erschien ihr Christus und sprach: "Ziehet hin und lasset euch von euerer Reise und heiligen Vorsatze nicht zurückhalten, denn ich will dieser Frau die Reise abkürzen. Ich will ihren Leib bereiten, auf daß, wenn der Sack ausgeleert worden, die Seele mit Süßigkeit erfüllt werde; der Gemahl aber wird haben, was er begehrt." Als sie nun nach Mailand gekommen waren, ward sie Dame krank und verschied in Frieden. Als sie begraben worden, ward die Frau Brigitta während des Gebetes im Geiste verzückt und vernahm, wie der Teufel sich beklagte, daß sie ihm nicht zugesprochen worden. Christus antwortete diesem und sprach: "Gehe hinweg! denn nachdem du den Sack gepeinigt und sie so gereinigt hast, will ich jetzt die Seele, welche darinnen lag, in Besitz nehmen und ehren."
Kapitel CII.
Wie ein Bischof, welcher die Welt liebte und vom Teufel betrogen worden, ohne Frucht gestorben ist.
Ein gewisser Bischof von Orvieto, welcher damals der Statthalter des Papstes Klemens in der Stadt Rom war, hatte einige Offenbarungen, welche der seligen Brigitta von Gott geschehen waren, bei sich, achtete derselben aber wenig. Da erschien der seligen Brigitta, als sie im Gebete war, Christus, und sprach folgende Worte: "Höre, Brigitta, weil mein Wille ist, daß Dir einige künftige Dinge der Menschen geoffenbart werden mögen, so wisse, daß jener Bischof niemals dasjenige erlangen wird, was er zeitlicherweise mit allen Kräften und Neigungen seines Herzens begehrt; das, was er gesammelt hat, wird er verlassen und an einem Orte sterben, der nicht sein ist, und es wird ihm ergehen wie einem Hunde. Wenn diesen der Mensch betrügen will, so bestreicht er zuvor ein Eisen mit fettem Fleische; wenn der Hund dieses verschlingen will, wird er von dem Eisen erwürgt. So zeigt der Teufel diesem Bischofe, wie die Freuden der Welt im Herzen süß seien und daß alles, was er hat, seinem Stande gebühre. Darum hat er sich vorgenommen, von seinen Belustigungen nichts seiner 223 Seele wegen aufzugeben, bis er, vom Tode gedrängt, alles ohne Frucht zurücklassen wird. Warte daher und Du wirst alles das sehen, was ich Dir gesagt habe." Wenige Tage danach ging der Bischof nach Avignon, wo er sein Leben beschloß und wider seinen Willen seine Schätze zurückließ.
Kapitel CIII.
Christus tröstet die Braut, als sie wegen Bezahlung ihrer Schulden in Unruhe war, und sagt ihr voraus, es werde ein Bote mit Geld kommen.
Es begab sich vor dem Feste Allerheiligen, daß die selige Brigitta, als sich dieselbe zu Rom befand, wegen Mangels an Geld dergleichen von mehreren als Darlehen aufnehmen mußte, da sie in drei Jahren aus ihrem Vaterlande kein Geld empfangen hatte. Deshalb war sie in großer Angst um ihrer Gläubiger willen, welche sie täglich angingen, ihnen das geliehene Geld zurückzuzahlen. Da sprach Christus zu ihr: "Borge kühnlich Geld und tröste Deine Gläubiger; verheiße, am ersten Sonntage nach der Oktave der Erscheinung des Herrn, wenn man das Schweißtuch des Herrn zeigt, alles erstatten zu wollen; denn alsdann wird ihnen alles bezahlt werden." Also hat sie es auch gethan und um die Vesper des genannten Sonntags kam ein Bote aus ihrem Vaterlande, welcher Geld brachte und an demselben Tage wurden die Gläubiger befriedigt.
Kapitel CIV.
Christus offenbart der heiligen Brigitta die Gedanken eines Bischofs, der sie verurteilt, weil sie ißt, aber dennoch ein Freund der Jungfrau Maria ist.
Als die Braut Christi einmal bei einem Bischofe von Abo, dem Herrn Hemming, bei einer Gasterei zu Tische saß, aß sie zur Ehre Gottes von den ihr vorgesetzten köstlichen Speisen. Darob sprach der Bischof in seinem Herzen: Weshalb enthält diese Frau wenn sie die Gabe des Geistes hat, sich der köstlichen Speisen nicht? Während sie nun von solchen Gedanken nichts wußte, ver- 224 nahm sie, als sie im Gebete war, im Geiste eine Stimme, welche sprach: "Ich bin es, der einen Hirten mit dem Geiste der Weissagung erfüllt hat. Geschah dies etwa seines Fastens halber? Ich bin es, der die Eheleute gemacht hat; was verdienten dieselben? Ich habe einem Propheten befohlen, eine Ehebrecherin zum Weibe zu nehmen. (Osee I.) Ist er nicht gehorsam gewesen? Ich bin es, der mit Job geredet, sowohl während seines Freudenlebens, als da er auf dem Miste saß. Deshalb, weil ich wunderbar bin, thue ich ohne vorausgegangene Verdienste alles, was mir gefällt." Diese Offenbarung teilte Brigitta sofort dem Bischofe mit und als er dieselbe vernahm, ging er in sich und bekannte, daß er solche Gedanken bei Tische gehabt; deshalb demütigte er sich von Herzen, bat sie um Verzeihung und forderte sie auf, für ihn zu beten. Danach am dritten Tage erschien der Frau Brigitta die seligste Jungfrau Maria und sprach: "Sage diesem Bischofe, daß, weil er alle seine Predigten mit meinem Lobe anzufangen pflegt, und weil er durch sein Urteil Dich bei Tische zwar gerichtet hat, dieses Urteil aber ein Urteil der Liebe und nicht des Neides gewesen, verdient es seine Liebe, daß er getröstet werde. Sage ihm also, ich wolle ihm Mutter sein und seine Seele Gott darstellen, auch will ich ihm jetzt auseinandersetzen, daß er unter den Dir früher gezeigten Tieren das siebente ist; auch, daß er die Worte Gottes vor die Könige und Priester tragen wird." (Vergl. viertes Buch, CXXV. Kapitel.)
Kapitel CV.
Worte Christi, welche die heilige Brigitta dem Abte von Farfa mitteilte, damit er sich bessern möchte.
Christus sprach: "Du, Herr Abt, solltest ein Spiegel der Ordensmänner sein, Du bist aber das Haupt der Huren. Das zeigt sich an den Kindern, wegen derer Du berüchtigt bist. Du solltest ein Vorbild der Armen, ein Spender an die Dürftigen sein, aber Du giebst zu erkennen, daß Du vom Almosen ein großer Herr geworden bist, das wird daran sichtbar, daß Du lieber in Schlössern, als im Kloster wohnst. Du solltest ein Lehrer, eine Mutter Deiner 225 Brüder sein und bist ein Stiefvater, eine Stiefmutter geworden. Du spielst in Wollust und Pracht, jene aber werden getränkt und murren den ganzen Tag. Wenn Du Dich daher nicht besserst, werde ich Dich absetzen von Deinen Schlössern und Du wirst mit den geringsten Brüdern keine Gemeinschaft haben, nicht, wie Du meinst, in Dein Vaterland zurückkommen, noch in mein Vaterland eingehen." Also ist nachmals auch alles eingetroffen.
Kapitel CVI.
Wie die Braut Christi ein Stücklein vom wahren Kreuze Christi erhalten, das, jetzt verachtet, schrecklich erscheinen wird.
Ein junger Mann in Schweden, aus dem Linköpinger Sprengel, hatte aus der väterlichen Erbschaft ein goldenes Kreuz erhalten, in welchem Reliquien vom wahren Holze des heiligen Kreuzes eingeschlossen waren. Aus Not und Armut verkaufte er das Kreuz und gab das Holz vom Kreuze einer frommen Frau. Diese fürchtete sich, dasselbe zu behalten und schenkte es der heiligen Brigitta. Als diese in Zweifel war, ob es vom wahren Holze des Kreuzes wäre, oder nicht, sprach Christus zu ihr: "Jener junge Mann hat einen unlöblichen Tausch getroffen; denn er nahm Kot und gab die köstlichste Perle hinweg. Er empfing verächtliches Gold und ließ das Holz von sich, mit welchem er die Widersacher hätte besiegen können. Was seine Augen verlangten, hat er bekommen, wonach die Engel verlangen, hat er verloren. Deshalb kommt die Zeit, in welcher das Holz, das jetzt verachtet wird, erschrecklich erscheinen wird, denn wenige denken daran, wie schmerzlich ich an jenem Holze gehangen, als mein Herz zerbarst und meine Nerven aus ihrem Gewebe gingen." Deshalb ließ die selige Brigitta jenes Holz des heiligen Kreuzes auf ehrenvolle Weise in einen Behälter legen, damit es nicht von Unwürdigen getragen werden möchte. 226
Kapitel CVII.
Wie Christus seine Braut durch den Mangel eines Unterkommens für sich und die Ihrigen in Rom einen Monat lang in Trauer ließ, nachher sie aber tröstete.
Als die selige Brigitta zu Rom in einem Kardinalatshause, neben der Kirche des heiligen Laurentius in Damaso, vier Jahre lang gewohnt, sagte ihr des Kardinals Stellvertreter, sie müsse binnen Monatsfrist ausziehen und sich ein anderes Haus suchen. Als sie dieses hörte, ward sie gar sehr betrübt, weil sie ihre schöne, junge, edle Tochter bei sich hatte, die anzuschauen eine Lust war. Sie fürchtete nun, kein ähnliches Haus für die Erhaltung ihrer, und der Ehre ihrer Tochter zu finden. Unter Thränen betete sie zu Gott um geeignete Abhilfe. Dieser wollte seine Magd prüfen und sprach zu ihr: "Gehe und forsche diesen Monat hindurch, indem ihr, Du und Dein Beichtvater, in der Stadt umhergehet, ob Du vielleicht ein anderes für euch taugliches Hans finden magst." Sie gehorsamte und ging mit ihrem Magister und geistlichen Vater den ganzen Monat hindurch mit Schmerz und Pein in der Stadt umher, vermochte aber kein geeignetes Haus zu finden. Als ihre Tochter, die Frau Katharina, die Nöten ihrer Mutter sah und für ihre Ehre besorgt war, weinte sie häufig. Zwei Tage vor dem letzten Termine des Monats ließ sie ihr Gepäck zurüsten und zusammenbündeln, um das Haus zu verlassen und in eine öffentliche Fremdenherberge einzuziehen; von Schmerz betrübt, begab sie sich ins Gebet und flehte unter Thränen den Himmel um Hilfe an. Da erschien ihr Christus und sprach: "Du bist beunruhigt, weil Du für Dich kein geeignetes Haus hast finden können. Wisse nun, daß ich dieses zu Deinem Frommen und zur Erhöhung Deiner Krone zugelassen habe, damit Du durch Erfahrung die Armut und die Schmerzen, welche die armen Pilger erlangen, die außerhalb ihres eigenen Vaterlandes wallfahrten gehen, empfindest und wissest, mit ihnen Mitleid zu fühlen. Wisse aber, daß Du aus diesem Hause nicht vertrieben werden wirst; sondern Du wirst von seiten des Hausherrn die Nachricht erhalten, daß Du getrost in diesem 227 Hause verbleiben kannst, wie Du es bisher in gutem Frieden und Ruhe mit Deiner ganzen Familie gewesen. Und Du und Deine Hausgenossen und alle die Deinigen werden da sicher sein, und es wird euch niemand weiter stören können." Frau Brigitta ging, fröhlich zum Herrn Petrus, ihrem geistlichen Vater, um demselben diese Offenbarung mitzuteilen. Alsbald klopfte ein Bote an die Thür des Hauses, welcher Briefe vom Herrn desselben, voll tröstlichen Inhaltes für sie, überbrachte, worin er ihr schrieb, daß sie nicht aus dem Hause zu gehen brauche, sondern fest darin sitzen und beständig in allem Frieden und geruhig darin wohnen bleiben möge.
Kapitel CVIII.
Vom seligen Briaulph, einem Bischofe von Skara. Wie angenehm derselbe Gott und der Jungfrau Maria gewesen.
Es begab sich, daß, als am Tage von Mariä Reinigung die selige Brigitta in der Kirche zu Skara sich befand, sie einen gar süßen und ungewohnten Geruch verspürte. Als sie hierüber in Verwunderung war, ward sie alsbald im Geiste verzückt und erblickte die selige Jungfrau Maria, und bei derselben einen Mann von wunderbarer Schönheit, angethan mit bischöflichen Gewändern. Die Jungfrau Maria sprach zu ihr: "Wisse, meine Tochter, daß dieser Bischof mich in seinem Leben ehrte und die Ehre durch die That bekräftigt hat. Wie angenehm sein Leben Gott gewesen, hat der Wohlgeruch dargethan, den Du empfunden hast. Aber obwohl seine Seele jetzt vor dem Angesichte Gottes ist, liegt doch sein Leib hier ungerecht in der Erde. Und so liegt meine geliebte Perle unter den Schweinen."
Von diesem Bischofe ist auch im XXX. Kapitel des zweiten Buches die Rede. 228
Kapitel CIX.
Wie der Schreiber gegenwärtiger Offenbarungen von einem langwierigen Kopfweh geheilt worden.
Der Herr Prior Petrus erzählt, daß, nachdem er von seiner Kindheit auf beständig am heftigsten Kopfweh gelitten, er die im Kloster Alvastra weilende selige Brigitta gebeten, daß sie deshalb für ihn beten möge. Als sie betete, erschien ihr Christus und sprach: "Gehe und sage dem Bruder Petrus, daß er von seinem Kopfschmerz befreit wird. Er soll daher mutig die Bücher der Worte meiner Offenbarungen an dich aufschreiben, weil er Helfer haben wird. Und von dieser Zeit an hat er dreißig Jahre lang keinen Kopfschmerz mehr empfunden."
Kapitel CX.
Daß von den Durstigen dasjenige, was ihnen gereicht wird, mit Dank angenommen werden soll.
Als die selige Brigitta aus der heiligen Stadt Jerusalem nach Rom zurückkehrte, sendete ihr eine Königin eine Summe Geldes aus Mitleid nach der Stadt Neapel als Beihilfe. Als Brigitta zweifelte, ob sie ein solches Geschenk annehmen dürfe, erschien ihr Christus und sprach: "Soll man Freundschaft mit Feindschaft, oder Gutes mit Bösem vergelten? Oder soll man den Schnee in ein kaltes Gefäß legen, damit er noch kälter werde? Wenn also nun auch die Königin, was sie Dir angeboten, aus kaltem Herzen gegeben hat, sollst Du es gleichwohl mit Liebe und Ehrerbietung empfangen, und für sie bitten, daß sie zur göttlichen Wärme gelangen möge. Denn es steht geschrieben: Der einen Überfluß hat, soll der Armen Mangel abhelfen. (II. Korinth. VIII. 14.) Und: Kein gutes Werk wird vor Gott vergessen werden." 229
Kapitel CXI.
Die Güter der Geistlichen sind ein Eigentum Christi, Derselbe will, daß die Armen davon unterhalten werden sollen.
Als die selige Brigitta einmal auf einer Wallfahrt das Geld, das sie mit sich genommen, zur Ehre Gottes verwendet hatte, und nun Mangel litt, erschien ihr Jesus Christus, für dessen Liebe sie das Ihrige anderen reichlich gespendet hatte und nun selber darbte, und sprach, da sie betete, zu ihr: "Obwohl die Welt mein ist und ich allen geben kann, so ist mir doch, was mir aus Liebe angeboten wird, angenehmer, und ich fordere am liebsten, was mein eigen ist. Nun aber, da ihr euer Gut fröhlich mir zu Ehren verspendet habt, so werdet ihr zur Zeit euerer Not von dem Meinigen empfangen. Lasse deshalb dem Erzbischofe dieser Stadt also sagen: Wie alle Kirchen mein sind, so sind auch alle Almosen mein. Gieb deshalb mir und meinen Freunden von demjenigen, was mein ist, weil, wie angenehm es mir auch ist, daß die Mauern der Kirchen aufgerichtet werden, mir es doch eben so angenehm ist, meine bedürftigen Freunde zu unterstützen, welche aus Liebe zu mir ihre Güter verwendet haben. Erinnere dich, daß ich Elias zu einer armen Witwe gewiesen, den ich zuvor durch die Raben hatte speisen lassen, - (III. Kön. XXVII.) nicht, daß es zu jener Zeit nicht reichere Leute gegeben, oder daß ich ohne die Witwe den Propheten, welcher vierzig Tage ungespeist geblieben war, nicht hätte ohne Nahrungsmittel erhalten können; sondern ich that dies, weil ich die Liebe der Witwe versuchen wollte, die ich, der ich, Gott, die Herzen und Nieren erforsche, recht wohl kannte, aber anderen kundthun wollte. Du also, der Du ein Vater und Herr der Witwe bist, thue den Witwen mit dem Meinigen Gutes. Denn obwohl ich ohne Dich alles vermag, Du aber ohne mich nichts, so will ich doch inzwischen Deine Liebe an ihnen wahrnehmen." 230
Kapitel CXII.
Wie übel es ist, die Freunde Gottes zu beunruhigen.
Als die heilige Brigitta zu Rom war, redete ihr Koch sie boshafterweise also an: "Frau! eben ist Euer Sohn Karl gehenkt worden." Sie antwortete ihm und sprach: "Das verhüte Gott! von wem hast Du das vernommen?" Und jener: "Pilger haben mir's gesagt." Später, gegen das Ende des Jahres, that dieser Koch Buße, beichtete und starb. Die selige Brigitta war sorgfältig um das Heil seiner Seele bemüht und begab sich ins Gebet. Nachdem sieben Tage verflossen waren, ward sie in eine geistliche Vision verzückt und erblickte einen Balken quer über die Hölle hinübergelegt, auf dessen Mitte die Seele des vorgedachten Toten saß. Da erschien die Jungfrau Maria und sagte zu ihr: "Kein Mensch glaubt, in wie großer Furcht diese Seele hier sitzt und zwar deshalb, weil sie, während sie im Leibe war, die Freunde Gottes beunruhigte. Gleichwohl sollst Du wissen, daß sie unter die Zahl derer gehört, welche gerettet werden sollen."
Kapitel CXIII.
Daß der Gesang der Schwestern vom Orden des heiligen Welterlösers und die Tagzeiten, welche Magister Petrus, der Beichtvater der heiligen Brigitta, angegeben, sowie die Lektion in der Frühmette und die Regeln vom heiligen Geiste sind.
Maria sprach zur heiligen Brigitta: "Sende jenem meinem Freunde meine Tagzeiten und sage ihm, daß sie derselbe eingegeben hat, welcher die Regel eingab, und daß der nämliche Geist, welcher Dir gegeben hat, die Lektionen zu schreiben, ihm offenbarte, wie er den Gesang in wunderbare Weisen anzugeben habe; denn er fühlte in seinen Ohren ein so starkes Wehen, daß ihm Haupt und Brust erfüllt wurden und sein Herz zur Liebe Gottes entzündet ward, und so, wie das Wehen es ihm angezeigt, hat seine Zunge den Gesang und die Worte hervorgebracht. Deshalb darf daran nichts gekürzt 231 werden. Aber sage ihm, er soll sie meinem geliebten Freunde Hemming, dem wahren Bischofe, zeigen, daß derselbe, sofern er will, Zusätze oder Erläuterungen machen möge. Alles aber, was dort von meiner Kindheit geschrieben worden, ist wahr, und die Kirche kann dem nicht widersprechen. Und obwohl darin kein meisterhaftes Latein ist, gefallen sie mir doch aus dem Munde dieses meines geliebten Freundes besser, als aus dem Munde irgend eines weltlichen Magisters. Demnächst aber sollen die Tagzeiten samt der Regel im Kloster Alvastra aufbewahrt werden, bis die Stätte meines Klosters vollendet worden."
Kapitel CXIV.
Der heilige Geist erleuchtet in zweifacher Weise des Menschen Verstand, und die Lesung und der Gesang der Schwestern des Ordens vom heiligen Welterlöser sind aus dem heiligen Geiste.
Die Jungfrau Maria redete mit der Braut Christi: "Für Gott ist es ebensowenig schwer, etwas zu thun, als zu reden. Er hat die giftigen Würmer erschaffen, daß sie wissen, wohin sie nach ihrer Nahrung zu gehen haben, lieber aber neigt er sich zum Menschen, um sein Gewissen, je nachdem es ihm gefällt, mit dem Verstande seiner Worte zu erleuchten. Und das thut er auf zweierlei Weise. Erstens, daß es Dir vorkömmt, als wenn gleichsam eine Person Dir zeigte, was gesagt werden soll, zweitens daß es Deinem Magister bedünkte, als würden seine Ohren und sein Mund mit Luft erfüllt, welche das Herz ihm von brennender Liebe gegen Gott entzündete, wodurch er erlangte, Worte zu wissen, welche er früher nicht kannte, wie er nämlich die Responsorien, Antiphonen und Hymnen machen und den Gesang ordnen müsse. Und deshalb darf nichts davon abgekürzt, noch etwas hinzugethan werden. Es wird jedoch gestattet, daß irgend ein Wort, wenn es vielleicht dunkel erscheint, erläutert werde:" 232
Kapitel CXV.
Noch von demselben Magister Petrus.
Ein Engel redete mit der heiligen Brigitta und sprach: "Sage Deinem Meister, daß wir beide, er und ich, ein Glied Gottes sind; er ein äußeres, ich ein inneres. Er soll daher die Worte schreiben, welche ich Dir sage, und was ihm gefällt, kann er davon thun oder hinzusetzen. Denn wir werden beide von Einem Geiste regiert."
Kapitel CXVI.
Wie süß und lieb Gott der heiligen Brigitta gewesen, und sie Gott.
Die selige Brigitta redete mit der Gottheit und sprach:. "O Du, mein süßester Gott! wenn Du mich würdigst, mein Herz zu besuchen, so können sich meine Arme nicht enthalten, meine Brust vor der vergöttlichenden Liebessüße zu umfassen, die ich alsdann in meinem Herzen empfinde. Es kömmt mir vor, Du werdest in meine Seele also eingedrückt, daß Du wahrhaft ihr Herz und ihr Mark und ihr ganzes Innere wärest. Und deshalb bist Du mir teurer, als beide, d. h. als Leib und als Seele. Glücklich würde ich sein, wenn ich thun möchte, was Dir gefällt. Gewähre mir daher, teuerster Herr, Hilfe und Vermögen, in allen Dingen Deine Ehre zu wirken." Gott antwortete: "Meine Tochter! wie Wachs in ein Siegel eingedrückt wird, so wird Deine Seele eingedrückt werden in den heiligen Geist, so daß nach Deinem Tode von vielen gesagt wird: Sehet, jetzt sehen wir, daß der heilige Geist mit ihr gewesen. Und meine Glut muß der Deinigen zugesellt werden, so daß alle, welche sich nahen, dadurch erwärmt, erleuchtet und gestärkt werden." 233