Der Isenheimer Altar
und seine Botschaft
Leben und Offenbarungen der heiligen Brigitta
Nach der Übersetzung von Ludwig Clarus (1888) digitalisiert und bearbeitet von Gertrud Willy
Die den Texten Brigittas selbst vorangestellte Darstellung ihres Lebens ist in ihrer Art schon selbst wieder ein historisches Dokument. Die Zeit der Entstehung ist bei diesem Text selbstredend zu berücksichtigen. Nichtsdestoweniger soll er hier vollständig wiedergegeben werden.
- Einleitung.
- I. Geburtsort und Familie der heiligen Brigitta.
- II. Brigittas Geburt und Jugend.
- III. Brigitta wird Gattin und Mutter. - Von ihren Kindern.
- IV. Brigittas Leben im Ehestande.
- V. Brigittas Stellung zum schwedischen Königshause und zu den öffentlichen Angelegenheiten ihres Vaterlandes.
- VI. Reisen Brigittas an heilige Orte des In- und Auslandes.
- VII. Wulfs (Ulfos) Tod. Veränderung der Lebensweise Brigittas. Ihr Aufenthalt in Alvastra.
- VIII. Brigitta empfängt von Christo die Regel für den Orden des Welterlösers. Wesentliche Bestimmungen desselben.
- IX. Brigitta begiebt sich aus Schweden nach Rom.
- X. Aufenthalt Brigittas in Rom. Ihre Weissagungen und Bemühungen, den heiligen Stuhl wiederum nach Rom zu bringen, ihre Teilnahme für die öffentlichen Angelegenheiten.
- XI. Brigitta wird zu Rom von ihrer Tochter Katharina besucht. - Ihre Bemühungen um anderer Heil.
- XII. Brigittas Lebensweise zu Rom. - Ihre Reise nach Assisi.
- XIII. Brigittas Reise nach Neapel. Ihr Verhältnis zur Königin Johanna. Sie wirkt verschiedene Wunder.
- XIV. Brigittas Rückkehr nach Rom. Sie bemüht sich um die Bestätigung des Klosters zu Wadstena und des Ordens vom Welterlöser.
- XV. Brigitta tritt auf höheres Geheiß ihre Wallfahrt nach Jerusalem an. Ihre Ankunft in Cypern.
- XVI. Brigittas Reise von Cypern nach Palästina, Besuch der heiligen Orte daselbst und Rückkehr über Cypern nach Neapel.
- XVII. Brigitta langt krank zu Rom an, wird von ihrem bevorstehenden Tode benachrichtigt und stirbt.
- XVIII. Brigittas irdische Überreste werden nach Schweden übergeführt; Wunderereignisse bei denselben. Ihre Tochter Katharina betreibt die Heiligsprechung der Mutter und erlangt die Bestätigung des Erlöserordens.
- XIX. Papst Bonifacius II. spricht endlich Brigitta heilig.
- XX. Von der Verehrung und den Reliquien der heiligen Brigitta.
- XXI. Von den Offenbarungen der heiligen Brigitta.
- XXII. Von den Tugenden der heiligen Brigitta.
- XXIII. Brigittas herzinnige Andacht zur Jungfrau Maria. Ihr Eifer für die Ehre Gottes und ihr Bemühen um das Heil der Seelen.
- XXIV. Brigittas Werke der Frömmigkeit und Geduld in Widerwärtigkeiten.
- XXV. Brigittas Gehorsam gegen ihre geistlichen Väter und von ihrem geistlichen Leben.
- XXVI. Brigittas Keuschheit, Fasten und Bußübungen.
- XXVII. Über die Gnaden und Gnadengaben,
- Bulle der Heiligsprechung der seligen Brigitta aus dem Königreiche Schweden, der ehrenreichen Braut Christi, welche erlassen hat Papst Bonifacius IX.
- Bestätigung der Heiligsprechung der seligen Brigitta durch Papst Martin V.
Leben der heiligen Brigitta.
Einleitung.
Die heilige Brigitta war durch Geburt, Stand und vielfache Reisen zu ihrer Zeit eine so hervorragende und bekannte Persönlichkeit, daß kaum über andere Heilige so vielfache und vollständige Nachrichten aufgezeichnet werden konnten und aufgezeichnet sind. Leider sind eine große Menge derselben durch Mißgunst der Zeiten und Sorglosigkeit der Menschen verloren gegangen Die durch Regierungsmaßregeln erfolgte Einführung der Reformation in Schweden, dem Vaterlande der heiligen Brigitta, und das dadurch hervorgerufene Bestreben, die katholischen Erinnerungen und Überbleibsel zu beseitigen und der Verehrung der Menschen zu entziehen, haben uns um viele Monumente, welche bei einer Lebensbeschreibung dieser merkwürdigen Frau benützt werden könnten, gebracht. Doch ist glücklicherweise durch höhere Fügung so viel an ihren Schriften und Nachrichten über dieselbe gerettet und erhalten worden, daß daraus ein ziemlich vollständiges Bild vom Leben und Wirken der Heiligen sich entwerfen läßt, zumal sie selbst in ihren Schriften eine Menge Beiträge zur Entwerfung eines solchen hinterlassen hat, welche die Männer, denen die Zusammenstellung ihres, wenn ich so sagen darf, litterarischen [sic!] Nachlasses zugefallen war, mit gewissenhafter Pietät aufbewahrt und hervorgehoben haben. 5
Kaum hatte Brigitta ihren irdischen Wandel beschlossen, als man sorgfältig zu sammeln anfing, was an authentischen Nachrichten über die Ereignisse ihres Lebens und namentlich über die von ihr verrichteten Wunder aufzutreiben war. Schon ihre Tochter, die heilige Katharina, hinterließ eine ziemlich starke, durch beigefügte urkundlich ausgefertigte Zeugnisse von weltlichen und geistlichen Herren und Frauen aus allen Teilen Europas höchst glaubwürdige Zusammenstellung solcher Ereignisse und Wunder, welche sie nach der Versicherung des fast gleichzeitigen Ulfo, der ihr Leben beschrieben hat, in Rom hinterlegt hatte. Aus derselben, sowie aus den über die 1375-1389 gewirkten Wunder zusammengebrachten Nachrichten erwuchs das sogenannte "Buch der Zeugnisse" (liber attestationum), welches Magnus Persson, ein Enkel von Brigittas Bruder Israel, mit der Bitte um deren Kanonisation 1390 nach Rom brachte und samt einer Handschrift der Revelationen seiner Großtante dem Papste Bonifaz IX. überreichte. Magnus Persson ließ vom liber attestationum sechzehn Abschriften fertigen und jedem Kardinale eine derselben zustellen, damit unter diesen ein jeder daraus als Vorbereitung zur Verhandlung des Kanonisationsprozesses sich informieren möchte. Dieses Buch liber attestationum ist ohne Zweifel eines mit einem anderen Buche, legendae S. Brigittae genannt, welches Petrus von Alvastra in seinen Anmerkungen zu Brigittas Revelationen aufführt, und wovon Alfonso, der Eremit und ehemaliger Bischof von Jaen, im Kapitel III seiner Vorrede zum achten Buche von Brigittas Offenbarungen spricht. Leider aber ist dieses Buch, der ursprünglichen Vervielfältigung ungeachtet, verloren gegangen. Schon der Brigittinermönch Johann Michael van der Ketten stellte im siebzehnten Jahrhunderte in mehreren Klöstern seines Ordens vergebliche Forschungen danach an. Auch in Rom, wo noch im sechzehnten Jahrhunderte in der Herberge des Brigittinerordens ein Exemplar existierte, ist neuerdings jede Spur dieses Buches verloren gegangen.
Hiernächst wird eines Lebens der heiligen Brigitta erwähnt, das Nikolaus Hermanni, Bischof von Linköping, ihr Zeitgenosse, welcher auch 1384 die Nonnen zu Wadstena einführte, hinterlassen hat. Dasselbe ist jedoch nicht mehr vorhanden und überhaupt zweifelhaft, ob es nicht ein bloßer Hymnus auf die heilige Brigitta gewesen. 6
Ebensowenig ist die Lebensbeschreibung Brigittas, welche der genannte Bischof Alfonso von Jaen hinterlassen haben soll, auf die Nachwelt gekommen. Manche bezweifeln sogar, ob eine solche vorhanden gewesen.
Von einer anderen Lebensbeschreibung, welche von einem Zeitgenossen Brigittas herzurühren scheint, sind dem Herausgeber des Kommentars über die heilige Brigitta in den Actis Sanctorum nur unbedeutende Fragmente zugekommen. Sie scheint nur das Original eines noch später in niederländischer Sprache vorhanden gewesenen Lebens Brigittas zu sein.
Die älteste vollständige, auf die Gegenwart gekommene Lebensbeschreibung Brigittas verdanken wir Birger Gregorsson, welcher von 1366 bis an seinen Tod 1383 den erzbischöflichen Stuhl von Upsala einnahm. Er war ein Zeitgenosse und Landsmann Brigittas, deren Heiligsprechung er mit großem Eifer betreiben half. Er war durch seine Stellung und die Nähe des Schauplatzes der schwedischen Wirksamkeit Brigittas, sowie durch die Bekanntschaft und Verbindung mit mehreren anderen Geistlichen, welche über deren Leben und Wunder sorgfältige Forschungen angestellt, in der günstigen Lage, Verbürgtes über sie melden zu können. Eine Handschrift desselben, welche von dem Pater van der Ketten in dem clevischen Kloster Marienboom aufgefunden worden, ist in den Actis Sanctorum zum ersten Male veröffentlicht.
Ein anderes wichtiges Dokument für einen Lebensbeschreiber der heiligen Brigitta ist die Kanonisationsbulle Bonifaz IX. von 1391, da sie viele Nachrichten über das Leben und Wirken Brigittas enthält, welche aus dem liber attestationum und den Atten des Kanonisationsprozesses entnommen sein dürften.
Eine ältere kurze Lebensbeschreibung hat auch Simon Hörmann, ein bayerischer Brigittinermönch, vor seiner Ausgabe der Revelationen abdrucken lassen. Sie enthält nichts Neues und ist ein Auszug aus den in die Revelationen verwebten Nachrichten und aus der vom Erzbischofe Birger verfaßten Lebensbeschreibung.
Ein Utrechter Codex einer Lebensbeschreibung Brigittas scheint nur ein Auszug ans Birgers Werke zu sein, enthält wenigstens ein mehreres nicht, als was in diesem zu lesen ist.
Auch der bekannte Kartäuser Surius hat in seiner Sammlung 7 von Lebensbeschreibungen der Heiligen eine Biographie der heiligen Brigitta veröffentlicht, ohne dabei die Quelle anzugeben. Allem Vermuten nach ist diese Lebensbeschreibung nur eine wenig abweichende Bearbeitung derjenigen Vita, welche in der 1485 zu Löwen gedruckten Historia Sanctorum mit enthalten ist. Ob man hierbei etwa die Lebensbeschreibung des Nikolaus von Linköping hat, ist von dem Verfasser des Kommentars über die heilige Brigitta in den Actis Sanctorum wohl gefragt, aber nicht beantwortet worden.
Aus den Akten des Kanonisationsprozesses und späteren Nachrichten hat ein römischer Brigittinermönch, Bertholdo, welcher im Kloster zum Paradiese bei Florenz lebte, ein ziemlich umfangreiches Leben der heiligen Brigitta bearbeitetet, das im Kloster Maria zum kalten Wasser bei Herzogenbusch aufgefunden und nach einer im Kloster des heiligen Alto in Bayern entdeckten Handschrift in den Actis Sanctorum zum ersten Male abgedruckt ist. Die Abfassung dieser Schrift dürfte in die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts fallen.
Der Brigittinermönch Hörmann hat in seiner Ausgabe der Revelationen auch noch verschiedene, in alten Handschriften aufbewahrte Nachrichten über Wunder, welche Brigitta vor und nach ihrem Tode gewirkt, veröffentlicht. Diese bilden sechs Aufsätze. Der fünfte, welcher die bei Überführung von Brigittas Reliquien nach Schweden geschehenen Wunder meldet, scheint von einem Begleiter des Leichenzuges herzurühren, da der Schreiber von sich als einem Mitreisenden spricht. Der letzte Aufsatz ist, nach der darunter befindlichen Angabe, von der Hand eines Mönches, Nikolaus Meißner, auch Vogeler genannt, welcher sich 1377 in Rom aufhielt und diese Aufzeichnungen wohl zum Gebrauche beim Kanonisationsprozesse zu Papier brachte.
Außer den vorgedachten Hilfsmitteln sind für die Bearbeitung einer zuverlässigen Lebensbeschreibung der heiligen Brigitta noch die gelegentlich über sie mitgeteilten Nachrichten unentbehrlich, welche wir drei Männern verdanken, die einen jahrelangen, ununterbrochenen Verkehr mit unserer Heiligen gepflogen haben, und von denen zwei sogar für Verfasser von verloren gegangenen Lebensbeschreibungen Brigittas gehalten worden. Diese Männer sind: Matthias, Domherr zu Linköping, welcher eine Vorrede zu mehreren Offenbarungen 8 Brigittas schrieb; Petrus, Prior des Cistercienserklosters Alvastra, welcher mehrere Revelationen zu Papier brachte, erläuterte und dieselben mit dem Buche, das die Extravaganten genannt wird, vermehrte, und der ,schon genannte Bischof Alfonso von Jaen. In seiner Vorrede zum achten Buche der Revelationen sind mehrere Nachrichten über die Lebensumstände Brigittas enthalten. Matthias war von edler Abkunft, hatte sich früh den Wissenschaften gewidmet, auswärtige Universitäten besucht und ward nachmals Beichtvater Brigittas, welche ihm ihre Offenbarungen mitteilte. Er wird in denselben nicht selten erwähnt, z. B. in III. und LII. Kapitel des ersten Buches, in den letzten Fragestücken des V. und LXXV. bis LXXXIX. Kapitels des sechsten Buches und anderwärts. Matthias starb 1350 in Stockholm, wo er bei den Dominikanern begraben ward. Er hinterließ verschiedene Schriften, unter anderen eine Copia exemplorum; mehrere Konkordanzen über die ganze Bibel, welche im Kloster zu Wadstena in drei großen Bänden aufbewahrt waren, ein Buch unter dem Titel: Homo conditus; eine Schrift über die Apokalypse und einen tractatus de modis loquendi. Wegen seines frommen Wandels erfreute er sich des Beinamens der Selige. Possevin hat seine Gebeine noch in Wadstena gesehen, wohin sie aus Stockholm gebracht sein müssen. Nach seiner Stellung, seinem Charakter und seiner Bildung war Matthias ein Mann, auf dessen Mitteilungen über Brigitta ein besonderes Gewicht gelegt werden darf.
Als nicht minder gewissenhaft und zuverlässig ist der Prior Petrus Olafson von Avastra zu erachten, welcher am 9. April 1390 nach einem frommen und arbeitsreichen Leben starb. Er war dreißig Jahre lang Brigittas Beichtvater gewesen und hatte dieselbe auch nach Jerusalem begleitet. Er übersetzte die acht Bücher ihrer Offenbarungen aus dem Schwedischen ins Lateinische. Nicht zu verwechseln ist er mit Petrus, dem ersten Generalbeichtiger des Klosters Wadstena, welcher gleichfalls Brigittas Beichtvater gewesen war. Petrus von Alvastra schrieb, wie gedacht, Erklärungen zu einigen Revelationen Brigittas und vermehrte dieselben durch das Buch der Extravaganten, wie aus dem Eingange desselben erhellt. Auch er ward nach einem lauteren, vor Gott einfältigem Wandel mit der auszeichnenden Benennung des Seligen beehrt, und muß daher 9 als ein gewissenhafter Zeuge hinsichtlich dessen angesehen werden, was er über Brigitta meldet.
Alfons von Jaen galt schon sogleich nach Brigittas Tode für einen zuverlässigen Gewährsmann und Zeugen in Bezug auf sie, denn er ward zweimal, 1377 von Gregor XI. und 1379 von Urban VI., mit Prüfung ihrer Revelationen beauftragt. Daß er Brigitta sehr nahe gestanden und sie auf ihren Reisen begleitet, geht aus den Kapiteln XVI und XXXI des siebenten Buches ihrer Revelationen und aus Kapitel XLVIII ff. der Extravaganten hervor. Von ihm ist noch ein Bruchstück von der Beschreibung einer Reise nach Jerusalem vorhanden. Sein Vater war Fernando Rodriguez, ein Senenser, und seine Mutter eine geborene Martinez aus Segovia gewesen. Wie sein Vater, welcher ein Spanier war, nach Siena gekommen, ist nicht bekannt. An der Nationalität Alfonsos als Spanier wird nirgends gezweifelt. Auf sein Bistum von Jaen hatte er 1368 Verzicht geleistet, war dann nach Rom gegangen und dort mit Brigitta in Verbindung getreten. Er gab sich viele Mühe, dem Schisma in der Kirche entgegenzuwirken, und schrieb deshalb eine Verteidigung der Wahl Urbans VI. zum Papste. Er starb am 19. August 1388 im Kloster Quartano zu Genua, das er selber gestiftet zu haben scheint.
Die bisher angeführten Quellen haben den Herausgebern des IV. Bandes der Acta sanctorum vom Oktobermonat zur Grundlage des von ihnen gelieferten Lebens der heiligen Brigitta gedient. Diese schöne, durch die hinzugefügten noch ungedruckten Nachrichten höchst schätzbare Arbeit hat dem Herausgeber der gegenwärtigen Beschreibung des Lebens der heiligen Brigitta zum Hauptanhalte gedient. Von neueren Lebensbeschreibungen der Heiligen hat er nur diejenige des Weltpriesters Giuseppe Moreoni und diejenige des Jesuiten Etienne Vinet gelesen, beide jedoch bloß in deutschen Übersetzungen. Die Moreonische Arbeit liegt ihm in einer 1792 von einem Priester des Brigittenordens bearbeiteten ziemlich schlechten Verdeutschung handschriftlich vor. Diese Moreonische Biographie, vorausgesetzt, daß der Übersetzer außer seinen Sprachbarbarismen nichts hinzugethan, ist ein sehr dürftiger, geistloser Auszug aus den Bollandisten, wie sie sich denn auf dem Titel ehrlicherweise auch als nichts anderes denn einen Auszug ankündigt. Sie ist dem 10 Herausgeber auch ohne Nutzen gewesen. Eine in ihrer Art geistvolle Arbeit dagegen ist die Binetsche Lebensbeschreibung, welche von dem Brigitta-Ordenspriester Andreas Megerle nicht übel verdeutscht ist. Die Übersetzung ist 1652 in klein Duodez zu Köln bei Wilhelm Friessen erschienen. Diese Lebensbeschreibung ist aber mehr ein Erbauungsbuch und nach den älteren, vor der Lebensbeschreibung der Bollandisten zugänglich gewesenen Nachrichten mit Geschick gearbeitet. Neue Aufschlüsse gewährt das Büchlein nicht und verschwinden die Thatsachen in der allzu ausführlichen Erbauung. Doch soll diese Bemerkung dem guten Binet kein Vorwurf sein; denn derselbe hat weniger den Lebenslauf der Heiligen und die in denselben verflochtenen Ereignisse vollständig erzählen, als dieselben zu frommen Betrachtungen und Nutzanwendungen verarbeiten wollen. Der Herausgeber ist so weit entfernt, diesem Werklein zu nahe zu treten, daß er vielmehr wünscht, dasselbe möge in einer zeitgemäßen, die Erbauungsabhandlungen etwas beschränkenden Form in verständlichem Deutsch von neuem der frommen Betrachtungen zugänglichen Lesewelt sich zeigen, da an derartigen Schriften bei aller anscheinenden Fülle noch immer gerade kein Überfluß ist.
Der Herausgeber der gegenwärtigen Lebensbeschreibung der heiligen Brigitta hatte bei seiner Arbeit einen anderen Zweck, als Binet, und ist mehr beflissen gewesen, die Thatsachen zusammenzustellen, und alles, was darüber berichtet worden, in möglichster Vollständigkeit zu geben, wobei er nur, so weitläufig der von ihm gelieferte Wunderbericht auch aussieht, doch gerade hierin den üppigen Zuwachs der ihm sich darbietenden Nachrichten beschnitten hat. Er glaubt, hierin fast noch nicht genug gethan zu haben, weil er wohl nicht zu irren hofft, es werden mit ihm viele Leser einverstanden sein, daß der Glaubwürdigkeit der echten Wunder nichts nachteiliger ist, als das früher leider nur zu sehr üblich gewesene Bemühen, der Erzählung jeder, frommen Einfalt von einer scheinbar auf natürlichem Wege nicht erklärbaren, Thatsache den Wunderstempel aufzudrücken.
Die Kanonisationsbullen sind als ein unentbehrlicher Anhang in neuer Übersetzung der gegenwärtigen neuen Lebensbeschreibung hinzugefügt. 11
I. Geburtsort und Familie der heiligen Brigitta.
Eine Meile von der Stadt Norrtelje entfernt liegt in der schwedischen Provinz Upland der Ort Finsta oder Finstad. Daselbst befindet sich ein adeliger Hof. Dieser war am Ende des dreizehnten Jahrhunderts Eigentum des Lagman ⋅1⋅ (Landvogt) Birger Pedersson, eines erlauchten und gar frommen Herrn. Durch seinen Vater Andreas von Mohammer stammte er von den Königen Swerker II. und Erich dem Heiligen ab. Seine Frömmigkeit legte er durch den Bau vieler Kirchen und Klöster an den Tag. Unter den letzteren ist das Cistercienser-Nonnenkloster Skoo am berühmtesten geworden. ⋅2⋅ Auch Wallfahrten nach Rom, Jerusalem und anderen heiligen Orten unternahm der fromme Birger zu seiner Erbauung. Vermählt hatte sich der edle Herr mit der nicht minder frommen und erlauchten Ingeborg, des Reichsrates und Provinzialrichters Magnus Minnessköld und Ingridis Ylfwa zu Ulfasa ⋅3⋅ Tochter. Auch Ingeborg stammte aus dem Geschlechte des Königs Swerker und ein noch älterer Ahnherr von ihr war König Kanut. In einer gottgefälligen Ehe zeugten die würdigen Ehegatten Birger und Ingeborg ⋅4⋅ drei Söhne (Peter, Benedikt und Israel) und vier Töchter, deren jüngste unsere Heilige ist, welche 1302 geboren und Brigitta getauft ward. ⋅5⋅) Ihre älteren Schwestern hießen Ingridis, Margareta und Katharina. 12
Über die Schicksale Peters, Benedikts und der Ingridis schweigt die Geschichte. Margareta hat sich, wie man weiß, mit Nikolaus Ingwaldson zu Hammerstad vermählt, Katharina dagegen hatte der Lagman von Ostgotland, Magnus Gudenarson, als Gemahlin heimgeführt. - Brigittas Bruder Israel Birgersson war ein gar gottesfürchtiger Mann. Nur auf die Bitten seiner heiligen Schwester folgte er dem Rufe seines Königs in hohe Staatsämter, wurde Lagman von Upland und gehörte während der Abwesenheit König Magnus Smeeks in Norwegen im Jahre 1342 zu den Reichsverwesern. Später schlug er die ihm angetragene schwedische Königskrone aus und ging nach Liefland, wo er an den Kämpfen gegen die Ungläubigen teilnahm. In Riga erkrankte er gefährlich. Er fühlte, daß es zum Tode gehe, und ließ sich von seinen Reise- und Streitgenossen in die Hauptkirche der Stadt geleiten. Daselbst war eine Statue der Jungfrau Maria in hohen Ehren gehalten. Israel zog einen kostbaren Ring von seinem Finger und steckte solchen dem des Bildes auf, wobei er sprach: "Du bist mir Gebieterin gewesen, und die allerlieblichste; dessen mache ich Dich selber zur Zeugin, daher hinterlasse ich Deiner Vorsehung und Barmherzigkeit meine Seele." Hierauf empfing er die heiligen Sakramente und starb eines erbaulichen Todes 1363. - Brigittas Vater, Birger Pedersson, starb 1328. Im ehemaligen Nikolai- und Katharinenchor der Domkirche zu Upsala befindet sich noch gegenwärtig das alte Grabmal von Birgers Familie, welche in dem Braheschen Geschlechte noch heute fortdauert. Auf dem schwarzen Marmor sind Birgers und Ingeborgs Bildnisse fein und zierlich eingehauen, architektonische Ornamente im gotischen Stile umgeben die Bilder. Zur Rechten des Birgerschen Bildes befinden sich die kleineren Bilder seiner drei Söhne, und Ingeborgs Bilde zur Linken die ebenfalls kleineren Bilder der Töchter. Hier, wie bei den Söhnen, ist der Name jedes einzelnen über dem Haupte desselben angegeben. um das Monument her läuft die Inschrift: Hic jacet nobilis miIes Dominus Birgerus Petri filius Legifer Uplandiarum et ejus uxor Do- 13 mina Ingiburgis cum filiis eorum; quorum animae requiescant in pace. Orate pro nobis. (Hier ruhen der edle Kriegsheld Herr Birger Pedersson, Lagman von Upland, sowie seine Gemahlin Frau Ingeborg mit ihren Kindern; mögen ihre Seelen in Frieden ruhen. Betet für uns.) - Dieses Denkmal dürfte schon vor dem Jahre 1391 errichtet worden sein, weil bei dem Namen Brigitta, welche in diesem Jahre heilig gesprochen ward, kein darauf hindeutendes Zeichen angebracht ist, was sicherlich nicht unterblieben sein würde, falls die Heiligsprechung zur Zeit der Errichtung bereits erfolgt gewesen wäre. Die Anverwandten, welche sich um Brigittas Heiligsprechung so sehr bemühten, dürften dieselbe auf ihrem Grabmale sicherlich nicht unerwähnt gelassen haben.
II. Brigittas Geburt und Jugend.
Wie man erzählt, war Brigittas künftige Heiligkeit deren Mutter bereits vor der Geburt dieser Tochter geoffenbart. Als sich diese würdige Frau einst im Stoo-Kloster auf Besuch befand, nahm eine der dortigen Klosterjungfrauen Anstoß an dem prächtigen Aufzuge Ingeborgs, als ob sie durch diese Kleidung der Hoffart fröhnen wolle. In der folgenden Nacht erschien der Klosterfrau eine wunderbare Person und sprach zu ihr: "Was beargwohnst Du meine Dienerin und sprichst, sie sei hoffärtig, was doch nicht wahr ist? Von ihr will ich eine Tochter ausgehen lassen, mit welcher ich meinen Vertrag errichten werde, nach welchem ihr so viel Gnade erwiesen werden soll, daß alle Nationen der Welt nicht genug darüber sollen staunen können." Während sie mit Brigitta gesegneten Leibes ging, machte Ingeborg eine Seefahrt. Das Fahrzeug, das sie trug, erlitt Schiffbruch. Viele der Mitreisenden ertranken. Herzog Erich, Birgers Bruder, aber rettete Ingeborg ans Gestade von Oeland. In der folgenden Nacht erschien der Geretteten eine ehrwürdige Person in schimmerndem Gewande und sprach: "Du bist um des Guten willen, das Du in Deinem Schoße trägst, erhalten worden; ziehe es deshalb auf, denn es ist Dir von Gott auf besondere Weise gegeben." 14
Auch Brigittas Geburt begleiteten außerordentliche Umstände. Kaum hatte sie den mütterlichen Schoß verlassen, so erblickte ein frommer Priester, welcher in der nahe belegenen Pfarrkirche nächtlicherweile dem Gebete oblag, eine helle Wolke. In der Mitte dieser Wolle saß eine Jungfrau, welche ein Buch in der Hand hielt und zu ihm sprach: "Dem Birger ist jetzt eine Tochter geboren, deren Stimme wunderbar durch die ganze Welt hin vernommen werden wird."
Schon als ein Kind entsprach Brigitta den durch solche Verkündigungen an sie geknüpften Hoffnungen. Nachdem sie drei Jahre lang sprachlos gewesen, ward ihre Zunge gelöst. Ohne erst gestammelt zu haben, wie andere Kinder, war sie, da sie zu sprechen anfing, schon der Rede vollkommen mächtig. Ihre Tugenden eilten ihren Jahren voraus, Reinheit des Leibes und der Seele, Nüchternheit, Bescheidenheit, Einfalt, Demut, Gehorsam, Geduld und Liebe waren in frühem Alter bei ihr schon in ausgebildeter Weise zu bemerken. Eifrigst lag sie von Jugend auf dem Gebete ob und faßte eine inbrünstige Liebe für den Heiland, der auch für sie gelitten. Brigitta war, als ihre Mutter Ingeborg 1310 starb, sieben Jahre alt. Ingeborgs Ende war sehr erbaulich. Sie wußte ihren Tod voraus und sah mit Ruhe demselben entgegen. Als sie die bei ihr Anwesenden, namentlich ihren Gemahl, trauern sah, sprach sie: "Was klaget ihr? Habe ich nicht genug gelebt, und sollen wir uns nicht freuen, daß ich zu einem mächtigern Herrn gerufen werde?" Brigittas Vater Birger übergab das verwaiste Kind einer Schwester seiner verstorbenen Gemahlin zur Erziehung. Bei dieser Anverwandten mag es wohl gewesen sein, wo die kleine Brigitta eine nächtliche Vision hatte. Ihrem Bette gegenüber erblickte sie nämlich einen Altar. Auf demselben zeigte sich die seligste Himmelskönigin, eine kostbare Krone in der Hand haltend, in schimmerndem Gewande. Dieselbe sprach: "Komm', Brigitta!" Das Kind sprang aus dem Bette auf und eilte an den Altar. Die Erscheinung sprach: "Willst Du diese Krone haben?" Als es Brigitta bejahte, ward ihr die Krone aufs Haupt gesetzt. Sie fühlte, wie der Reif sich um ihre Schläfe legte. Hierauf kehrte sie zwar ins Bett zurück, konnte aber diese Vision nimmer vergessen. Wie hier Maria, so erschien in einer spätern Vision, welche sie, zehn Jahre alt, hatte, Christus 15 selber der jungen Brigitta, deren Liebe zu ihrem Heilande dadurch mächtigen Zuwachs erhielt. Mit dieser Erscheinung hatte es folgende Bewandtnis. Eines Tages wohnte Brigitta in der Kirche einer Predigt vom Leiden Christi bei, deren Inhalt sie sorgfältig einschrieb in die Tafeln ihres Herzens. In der darauffolgenden Nacht erblickte sie Christum, wie wenn er eben gekreuzigt wäre. Derselbe sprach: "Siehe, wie man mich geschlagen hat!" Brigitta, in der Meinung, das sei eben erst geschehen, fragte: "Ach, Herr, wer hat Dir solches gethan?" Christus antwortete: "Die, welche mich verachten und meine Liebe vernachlässigen." Nachdem Brigitta wieder zu sich gekommen war, empfand sie von der Zeit an einen so inbrünstigen Zug nach dem Leiden Christi, daß sie, selten ohne Thränen, sich der Betrachtung desselben widmete.
Immer schöner, leiblich wie geistig, sich entwickelnd, hatte Brigitta ihr zwölftes Jahr erreicht. Da war sie eines Tages wie ihre Altersgenossinnen an einer Stickarbeit beschäftigt. Es ergriff sie eine Bangigkeit, daß sie ihre Arbeit nicht nach Wunsch möchte vollenden können. In dieser Angst richtete sie ihres Herzens Augen auf den, welcher heilig ist in allen seinen Werken, und siehe, Wunder! Als ihre Base ins Zimmer trat, wo Brigitta arbeitete, sah sie eine ihr unbekannte Jungfrau ihrer Nichte gegenübersitzen und ihr bei der Arbeit helfen, Diese Jungfrau verschwand nach dem Eintreten der Tante. Als diese fragte, wer die Gehilfin gewesen, wußte Brigitta nichts davon, daß ihr geholfen worden und versicherte, niemand gesehen zu haben. Die Tante, wie alle, welche die Arbeit sahen, waren über deren Feinheit erstaunt, welche einem so jungen Mädchen nicht beigemessen werden konnte. Die Tante bewahrte diese Arbeit als etwas Übernatürliches unter anderen Reliquien getreulich auf.
Eines Nachts, während die anderen Mädchen schliefen, erhob sich Brigitta von ihrem Lager, um in vertrauensvoller Stille ihrem Herrn ganz insgeheim zu dienen, und in Kälte und Entblößnng ihren Leib zu züchtigen. So begann sie, vor ihrem Bette ein Kruzifix unter reichlichem Thränenergusse zu verehren. In diesem Augenblicke trat die Base in das Schlafzimmer und sah Brigitta halb entblößt vor dem Kruzifixe auf den Knieen liegend und vor Kälte bebend. Sie hielt dieses für einen leichtfertigen Jugendleicht- 16 sinn und wollte die unbesonnene Nichte mit einer Rute züchtigen. Kaum aber führte sie den ersten Streich auf die unschuldigen Schultern, so zerbrach die Rute in kleine Stückchen. Nun ward die Base noch mehr aufgebracht und sprach: "Was hast Du gethan, Brigitta? haben die Weiber Dich trügliche Gebete gelehrt?" "Nein," erwiderte weinend in Demut das junge Mädchen, "sondern ich bin aufgestanden, um den zu loben, der mir immer hilft." - "Wer ist's?" fragte die Tante weiter. "Der Gekreuzigte, den ich neulich gesehen," antwortete Brigitta. Von diesem Tage an begann die Base, ihre Nichte mit größerer Inbrunst zu lieben, da sie sich überzeugt hatte, daß Brigitta das alles nicht menschlicherweise und infolge menschlicher, sondern aus göttlicher Anregung thue.
Den Teufel verdroß das Aufblühen einer solchen Lilie des Himmels. Er suchte ihrem Wachstume zu wehren und erschien ihr, als sie mit ihren Altersgenossinnen im Spiele begriffen war, als ein überaus mißgestaltetes Ungeheuer mit tausend Händen und Füßen. Erschreckt eilte Brigitta zu ihrer Lagerstätte und empfahl sich voll Demut dem Gekreuzigten. Auch hier zeigte sich ihr der Teufel, sprach aber: "Ich kann Dir nichts anhaben, wenn der Gekreuzigte es nicht zuläßt."
Als ihre Base diese und andere Versuchungen erfuhr, gebot sie der Nichte, dergleichen geheim zu halten, empfahl ihr, ihre Hoffnung vielmehr ganz auf Gott zu setzen, den gekreuzigten Christum über alles zu lieben, und zu glauben, daß unser Leben während dieser unserer Wanderschaft von Versuchung nicht frei sein könne, und daß niemand seine Schwachheit anders, als durch Versuchung recht zu erkennen vermöge, auch die Krone nicht empfangen werde, bevor er überwunden habe.
III. Brigitta wird Gattin und Mutter. - Von ihren Kindern.
Brigitta war ungefähr dreizehn Jahre alt, als ihr Vater sie dem Lagman von Nerike, Wulf (Ulfo) Gudmarson, verlobte, der ein gar christlicher, keuscher Jüngling, damals achtzehn Jahre alt und aus angesehener Familie war. Die Vermählung folgte dem Verlöbnisse alsbald. Wie der junge Tobias und seine Sara lebten 17 sie das erste Jahr in ehelicher Enthaltsamkeit und führten sodann in frommer Einfalt und Liebe eine keusche, Gott gefällige Ehe. Sie flehten Gott an, er möge sie bei ihren Zusammenkünften vor sündigen Gedanken und Empfindungen bewahren und ihnen Kinder schenken, welche ihn nicht beleidigten. So erzielten sie acht Kinder, vier Söhne und vier Töchter. - Die Söhne waren: Karl, Birger, Benedikt und Gudmar. Die Töchter dagegen Margareta, Cäcilia, Katharina und Ingeborg.
Brigittas Sohn Karl war ein tapferer Kriegsmann. Über ihn sind das Kapitel XIII des zweiten Buches und das Kapitel LXXIV des vierten Buches ihrer Offenbarungen nachzulesen. Er begleitete seine heilige Mutter auf deren letzten Reisen und starb, als dieselbe nach Jerusalem zu reisen beabsichtigte, in Neapel. Darüber sind Kapitel XIII und XIV im siebenten Buche der Offenbarungen Brigittas zu vergleichen. Karl war dreimal vermählt. Von seinen Gemahlinnen hießen die erste und letzte Katharina, die zweite war eine Norwegerin und ihr Name Gonda oder Gydda. Karl war eine heitere, lebenslustige. ritterliche Natur, dabei aber der Jungfrau Maria in tiefster Andacht ergeben, und zwar so, daß er oft äußerte, er wolle lieber ewige Qual erleiden, als die Gottesmutter auch nur ein weniges aus der Nähe Gottes entfernt sehen. Nachdem seine Mutter einige Jahre in Rom geweilt hatte, ließ sie ihre beiden Söhne Karl und Birger zu sich kommen und stellte sie dem heiligen Vater vor. Birger erschien in bescheidener, wenn auch vornehmer Tracht, Karl aber als ein prachtliebender Ritter ausstaffiert. Der Papst sprach zum ersten: "Du bist Deiner Mutter Sohn," und zu Karl: "Du aber der Welt Sohn." Als Brigitta nach Jerusalem von Rom aufbrach, folgten ihr ihre Kinder Karl, Birger und Katharina. In Neapel wurden sie durch ihre Mutter der grausamen und wollüstigen Königin Johanna vorgestellt. Wie Karl bei dieser Gelegenheit beim Gruße die Königin zu küssen wagte, und was daraus erfolgte, wird gehörigen Ortes ausführlicher gemeldet werden.
Brigittas Sohn Birger war, als er seine Mutter nach Jerusalem begleitete, schon Witwer einer gewissen Beneditta, erhielt am heiligen Grabe den Ritterorden und brachte später mit seiner Schwester Katharina die irdischen Überreste der heiligen Mutter 18 nach Schweden, wo er bei der feierlichen Beisetzung ihrer Gebeine in der Art thätig mitwirkte, daß er einer der Träger ihres Sarges war. Er verheiratete sich bald darauf zum zweiten Male und starb in Ringstadholm 1391 als Pfleger und Schirmvogt des Klosters Wadstena.
Brigittas dritter Sohn Benedikt starb als Knabe und ward im Kloster zu Alvastra begraben. Von seinem Tode ist eine liebliche Erzählung aufbehalten. Er lag lange krank zu Alvastra. Seine Mutter pflegte ihn unter reichlichen Zährenergüssen, weil sie die Krankheit über die Maßen betrübte und sie sich einbildete, das geliebte Kind leide um der Sünden seiner Eltern halber. Da erschien ihr der Teufel und sprach: ,;Weib, was schwächst Du Deine Sehkraft mit so vielem Wasser und mühest Dich vergeblich? Kann dieses Wasser in den Himmel emporsteigen?" Alsbald aber erblickte Brigitta Christum an ihrer Seite, welcher sprach: "Die Krankheit dieses Kindes ist nicht von den Sternen verhängt, noch eine Folge seiner oder der Sünden seiner Eltern, sondern der Beschaffenheit seiner Natur, und damit er eine herrlichere Krone empfange. War es bisher Benedikt geheißen, so wird es hinfort Sohn der Thränen und des Gebetes genannt werden und ich werde seiner Not ein Ende machen." Fünf Tage später ertönte ein lieblicher Gesang wie von Vögeln neben dem Bette des Knaben und derselbe verschied.
Auch Brigittas vierter Sohn Gudmar starb, als er die Schule zu Stockholm besuchte, schon als Knabe.
Margareta, ihre erste Tochter, ward an Herrn Siwid Ribbing vermählt, einen gewaltthätigen Mann, der in Brigittas Offenbarungen als Räuber auftritt. Nach seinem Tode ward Margareta die Gemahlin Canut Algots und starb in Norwegen als Hofmeisterin der Königin Margareta.
Brigittas zweite Tochter, Cäcilia, welche anfangs in das Kloster Scheningen gegangen war, hatte sich hernach dreimal vermählt, zuerst mit einem Arzte Laurentius, später mit einem Ritter Benedikt und starb 1399 zu Wadstena.
19 ihrem Gatten in Keuschheit, der sie auch nach dessen Tode treu blieb. Sie selbst starb 1381 im Kloster zu Wadstena.Deren Schwester und Brigittas vierte Tochter Ingeborg starb als Nonne im Kloster Rieseberg in Nerike nach einem heiligen Leben. Mehrere Zweige von Brigittas Familie blühen noch in Schweden als angesehene Geschlechter, dazu gehört namentlich die gräflich Brahe'sche Familie, welche auch im Besitz des Stoo-Klosters am Mälar ist, das Brigittas Mutter gründete, dessen Gebäude zwar verschwunden, aber durch ein prachtvolles Schloß ersetzt sind, das den Namen fortführt.
IV. Brigittas Leben im Ehestande.
Nach diesem Vorausgriffe in künftige Zeiten kehren wir in Brigittas Häuslichkeit zurück. Der Apostel Paulus hatte zwar gesagt: Ein unverheiratetes Weib und eine Jungfrau ist auf das bedacht, was des Herrn ist, damit sie an Leib und Geist heilig sei; die Verheiratete aber ist auf das bedacht, was der Welt ist, wie sie dem Manne gefallen möge. Aber Brigitta befliß sich, darzuthun, daß der große Apostel in dem letzten Satze keine allgemeine, ausnahmslose Regel habe aufstellen wollen, sondern zeigte, daß der Ecclesiasticus recht habe, wenn er (XXVI, 24.) sagt: "Wie der Grund, auf festen Stein gelegt, ewig ist, so die Gebote Gottes im Herzen eines heiligen Weibes." Brigitta hatte nur Verkehr mit sittlich bewährten Personen, und litt kein Gesinde im Hause, das nicht durch Wort und That den Herrn bekannte. Ihre Mägde mußten fleißig sein wie sie selber und die Regel beobachten: Bete und arbeite! weil deren Befolgung den Nachstellungen des Teufels den sichersten Damm entgegenwirft. Oft sah man sie in der Mitte ihrer Mägde mit Arbeiten, wie diese selber, beschäftigt. Sie hatte . sich die Bibel und die Lebensbeschreibungen von Heiligen in das Schwedische übersetzen lassen und las fleißig darin, wie sie denn auch mit unermüdeter Gewissenhaftigkeit dem Gottesdienste abwartete und Fasten und andere fromme Übungen beobachtete. Sie beichtete aufs fleißigste, wohl wissend, daß die Beicht der Hölle den Rachen verschließt, dagegen des Paradieses Pforten öffnet. Ihr Beichtvater 20 urteilte schon damals, als sie noch im Frühlinge ihres Lebens stand: An der Frau Brigitta muß dieses als ein Zeichen einer künftigen Gnade betrachtet werden, daß sie selbst ganz leichte Sünden so tief beklagt, wie andere die allerschwersten, und jedes ihrer Worte, jede ihrer Handlungen in der heiligen Beicht mit aller Demut offenbart. - Nicht minder fromm war auch Herr Wulf (Ulfo), Brigittas Gemahl. An jedem Freitage pflegte derselbe zu beichten. Brigitta setzte ihre Ehre darein, ihren Beichtigern Gehorsam und Ehrerbietung zu erweisen. Namentlich wußte sich dessen der Magister Petrus zu rühmen, welcher länger als dreißig Jahre hindurch ihr unzertrennlicher Begleiter, Beichtiger und Gewissensrat war. Welche Andacht Brigitta zum heiligen Sakramente des Altars gehabt, und mit welcher frommen Begierde sie häufig den Leib des Herrn empfing, ist in der Kanonisationsbulle des Nähern zu lesen. Auch im Gebete hatte sie eine hohe Vollkommenheit erreicht. Stunden-, öfter auch tagelang lag sie in ihrem Kämmerlein dem Gebete ob, wobei ihr die Gabe der Thränen im reichlichen Maße beschert war. War ihr Gemahl abwesend, so widmete Brigitta ganze Nächte anhaltendem und inbrünstigem Gebete. Gott selbst lehrte sie einige Weisen zu beten, sowie einige Gebete. Eines derselben hatte sie sich wörtlich gemerkt und aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben. Dasselbe war ihr so erquicklich, daß sie es täglich las. Die allerheiligste Jungfrau zeigte sich darüber sehr erfreut und verhieß Brigitta noch mehrere Besuche und Gnadenerweise seitens ihres Sohnes. Oftmals ward Brigitta über dem Beten verzückt und außer sich. Sie hatte dann Erscheinungen, namentlich der heiligen Jungfrau und Christi, und schaute zahlreiche Gesichte, wie die Bücher ihrer himmlischen Offenbarungen, welche deren eine große Mannigfaltigkeit enthalten, darthun. Bei solcher gottseligen Gesinnung und so frommem Wandel war nichts anderes zu erwarten, als daß Brigitta ihren Kindern eine Erziehung gab, bei welcher der Gesichtspunkt leitend war, daß sie diese Kinder für das Reich Gottes geboren habe, und die Erziehung das Mittel werden müsse, dieselben diesem Reiche zuzuführen. Nach diesen Grundsätzen wurden auch die Lehrer für Wulfs (Ulfos) und Brigittas Kinder gewählt. Unter diesen hat sich der nachmalige Bischof Hermann von Linköping besonders hervorgethan. 21 Brigitta führte ihre Kinder in die öffentlichen Krankenhäuser, um ihnen zu zeigen, wie christliche Liebe armen Mitbrüdern, welche krank darniederliegen, helfen soll. Die Kinder mußten selbst dort in der Krankenpflege Beistand leisten. Nicht minder führte Brigitta ihre Kinder in die Privatwohnungen Dürftiger, um sie in der Almosenspende zu unterweisen und ihnen darin ein Vorbild zu werden, denn sie spendete reichlich und mit Liebe. Sie unterhielt selber ein Haus, in welches Arme aufgenommen wurden, und in welchem sie mit ihrem Gesinde die notwendigen Dienste in Person verrichtete, namentlich den Armen häufig die Füße wusch. ' Noch bei Wulfs (Ulfos) Leben speiste sie täglich zwölf Arme an ihrem Tische. Auch Hospitäler legte sie. an verschiedenen Orten an oder ließ in Verfall geratene wieder herstellen. So freigebig und freundlich sie gegen andere war, so streng und karg war sie .gegen sich selbst. Kleidung und Lagerstätte waren aufs einfachste eingerichtet, letztere bestand oft im bloßen Erdboden ohne weiche Unterlagen, wie in der Kanonisationsbulle näher nachgelesen werden mag. Ihrem Gatten widmete Brigitta die liebevollste Sorgfalt. Zwei im Fleische waren beide Ehegatten Eins in Christo. Beide gelobten einander zeitweise Enthaltsamkeit, deren Zeiträume immer länger wurden, und die zuletzt, nachdem die frommen Gatten von ihrer Pilgerfahrt nach St. Jago von Compostella zurückgekehrt waren, eine ununterbrochene wurde. Sie war die Folge eines Gelübdes, welches sie unterwegs machten, als der Gemahl Ulfo von einer Krankheit befallen und wunderbar davon geheilt wurde. Er nahm später seinen Aufenthalt im Kloster Alvaftra und starb darin eines glücklichen Todes in seinen besten Jahren.
Als Brigitta einst in Kindesnöten lag und sich so krank fühlte, daß sie selbst an ihrem Leben verzweifelte, empfahl sie sich mit innigster Hingebung der heiligen Jungfrau. Es war eben Nacht. Vor den Augen der mit Brigitta wachenden Weiber trat eine majestätische Frau in weißem, seidenem Gewande herein, ging auf Brigitta zu und berührte ihre Glieder einzeln. Die Frau verschwand, nachdem alle sie gesehen, und Brigitta ward mit Leichtigkeit 22 hatte Brigitta noch bei Lebzeiten ihres Gemahles mehrere. So erschien ihr die heilige Jungfrau drei Jahre vor Wulfs (Ulfos) Tode und kündigte Brigitta an, wie sie derselben ihren Sohn in seiner Menschheit und in seinem Leiden zeigen werde.
V. Brigittas Stellung zum schwedischen Königshause und zu den öffentlichen Angelegenheiten ihres Vaterlandes.
Brigitta war dem schwedischen, Königshause anverwandt und namentlich dem regierenden Könige von Schweden und Norwegen, Magnus Smeek. Nicht minder als durch Geburt, war sie durch hohe Bildung und feine Lebensart befähigt, bei Hofe zu erscheinen. Als Magnus sich 1335 mit Blanka, einer Namur'schen Grafentochter, vermählt, berief er Brigitta als Obersthofmeisterin an die Spitze des Hofstaates seiner jungen Gemahlin. Diese hielt Brigitta in hohen Ehren und schenkte derselben ein elfenbeinernes Kästchen mit kostbaren Reliquien, wovon im LIX. Kapitel der Extravaganten die Rede ist. Bis zu ihrer Berufung an den Hof hatte Brigitta in Ulfasa ihren Wohnsitz gehabt, wo ihr Gemahl sein Amt als Lagman von Nerike verwaltete. Brigitta unterließ, seitdem sie ihr Amt angetreten, nicht, durch Gebete für des Landes Wohl und durch heilsame Ratschläge, die sie erteilte, für ihr Vaterland sich nützlich zu machen. Magnus Smveks Regierung war, solange er den 1346 verstorbenen Matthias Kettelmund zum Ratgeber hatte, eine glückliche. Aus Kapitel XXXI des achten Buches ihrer Revelationen ergiebt sich, daß Brigitta zu diesen günstigen Verhältnissen wohl vieles beigetragen haben dürfte. Nach dieser Zeit aber ergab sich Magnus einem lasterhaften Wandel, regierte schlecht und ward seinen Unterthanen verhaßt. Über diese Wandlung sind im XXXI. Kapitel gar bittere Äußerungen zu lesen. Auch Königin Blanka verließ den guten Weg, auf welchem sie bis dahin gewandelt. Aus dem IV. Kapitel des vierten Buches der Offenbarungen erhellt, wie Brigitta die Königin ermahnt habe, ihr weltliches Treiben aufzugeben und einen christlichen Wandel zu führen. Brigitta war in einem Gesichte der innere Zwiespalt gezeigt worden, in dem die Königin sich befand, indem der gute Geist 23 sie zu einem christlichen Leben, der böse aber zu einem weltlichen, wollüstigen Treiben hinzuziehen suchte. Brigitta erhielt in der Vision den Auftrag, der Königin gewisse Vorhaltungen zu machen. Ungeachtet ihres freien Wandels fühlte Blanka auf Brigittas Vermahnungen den Trieb, in sich zu gehen und bei Brigitta sich Rats zu erholen, wie aus Kapitel XIV des achten Buches der Offenbarungen sich ergiebt, wo Christus Brigitta die für Blanka bestimmten Ratschläge erteilt, welche mit einer schweren Drohung endigen. Königin Blanka schenkte diesen Worten kein Gehör. Die angedrohte göttliche Strafe ließ nicht auf sich warten. Denn bei der Vermählung ihres Sohnes Haquin, Königs von Norwegen, mit des Dänenkönigs Waldemar nachmals so berühmt gewordenen Tochter Margareta kam sie durch in einem Tranke ihr beigebrachtes Gift um, von welchem auch ihr Gemahl genossen hatte und da durch dem Tode nahegebracht ward. Dies geschah 1363. - Die Königin, die im X. und XII. Kapitel des achten Buches der Offenbarungen erwähnt wird, ist eben diese Blanka.
Nicht minder bemühte sich Brigitta, auch den König Magnus Smeek wieder auf den rechten Pfad zu führen. Als er einst die Unterthanen seines ganzen Reiches mit neuen Auflagen beschweren wollte, um die Mittel für seine üppige Hofhaltung zu erlangen, stellte ihm Brigitta mit männlichem Eifer das Unrecht vor, das er damit zu thun im Begriffe stehe. "Laß ab hiervon," sprach sie, "nimm vielmehr hier meine beiden Söhne und setze sie zu Geiseln und Bürgen, bis Du bezahlen kannst. Beleidige Gott und Deine Unterthanen nicht." - Wie für Blanka, so erhielt Brigitta auch Offenbarungen für deren Gemahl, worin ihm vorgeschrieben ward, wie er einen gottgefälligen Wandel führen könne und müsse (Offenbarungen VI, 26 und Kapitel LXXX der Extravaganten). Aber auch bei ihm predigte Brigitta häufig tauben Ohren. Sie ließ jedoch nicht ab, mit ihren Mahnungen und ernsten Ansprachen immer wieder zu kommen und ihm seinen ärgerlichen Wandel, die, Unterdrückung seiner Unterthanen, die Verachtung der Gebote und des Bannes der Kirche strafend vorzuhalten (Offenbarungen, Kapitel LXXIV, LXXVI, LXXVII der Extravaganten). Magnus verachtete aber die Ratschläge Brigittas und Christi, welcher sie ihm durch. jene eröffnen ließ, und setzte sein anstößiges, gottloses 24 Leben öffentlich fort. Das mit großem Geldaufwande für Schweden erworbene Schonen und Holland ließ er wieder in andere Hände übergehen und erschöpfte Land und Leute durch unbillige und schwere Lasten und Auflagen. Er maßte sich Gelder an, welche dem apostolischen Stuhle gehörten, und verachtete den deshalb gegen ihn ausgesprochenen Bann. Ja, er machte Scherze über Brigittas Gesichte und Offenbarungen. So sprach er einmal zu Brigittas Sohne Birger: "Mein Lieber, was hat unserer Base, Euerer lieben Mutter, unserer Freundin, in dieser Nacht von uns geträumt?" Der König, welcher der heiligen Frau nicht hatte glauben wollen, nahm, bethört, seine Zuflucht zu den treulosen Schismatikern. Seine Vermessenheit blieb nicht lange unbestraft. Im Kriege mit den Tartaren und Russen erlitt er empfindliche Niederlagen und ward selbst nur wie durch ein Wunder gerettet. Ferner überzog Schweden eine furchtbare, Verderben bringende Pest. Diese hatte Brigitta (Kapitel LXXIV der Extravaganten) dem Könige vorausverkündigt. Zuletzt, als Magnus alle Warnungen in den Wind geschlagen hatte, ward er auf schmähliche Weise seines Reiches beraubt, sieben Jahre lang schimpflich im Kerker festgehalten und ertrank dann im norwegischen Meere.
VI. Reisen Brigittas an heilige Orte des In- und Auslandes.
Brigitta verließ, nachdem sie das Amt einer Obersthofmeisterin der Königin Blanka nur wenige Jahre verwaltet, den Hof. Ob nun die Überzeugung von ihrem Unvermögen, am Hofe mit ihren Unvermögen bessere Zustände herzustellen, oder die Sehnsucht nach einem ruhigeren Leben, oder beide Gründe, oder welcher andere sonst sie zu dem Entschlusse bewog, sich zurückzuziehen, darüber findet sich nichts verzeichnet. Auch ihr Gemahl Wulf (Ulfo) verließ, wie es scheint, fast gleichzeitig seine öffentliche Laufbahn. Beide fromme Ehegatten unternahmen nun verschiedene Pilgerreisen an verschiedene heilige Orte. Namentlich wallfahrteten sie nach Norwegen zum Grabe des heiligen Olaf (Olaus) zu Drontheim. Dabei machte Brigitta, obwohl mit einem Reittiere versehen, den größten Teil des Weges auf steinigen Pfaden zu Fuß. Eine zweite 25 Pilgerfahrt stellte Brigitta in Gemeinschaft mit ihrem Gemahle nach Compostella in Spanien an. Auf dieser Reise begleitete sie der Bruder Petrus von Alvastra. Es wurden von Wulf und seiner Gemahlin gelegentlich derselben nebenher noch eine Menge anderer, Heiliger besucht. Auf der Rückreise war es, wo Herr Wulf (Ulfo) in Arras, wie bereits gemeldet worden, erkrankte. Auf Brigittas Gebet um Hilfe erschien derselben der heilige Dionysius und tröstete sie mit folgenden Worten: "ich bin Dionysius und von Rom in diese Gegend Frankreichs gekommen, das Wort Gottes zu predigen. Dir, die Du mir mit besonderer Andacht zugethan bist, sage ich, daß Gott auch durch Dich der Welt bekannt werden will. Du bist meiner Hut und meinem Schutze übergeben. Deshalb will ich Dir allezeit beistehen. Dies zu beweisen, versichere ich Dir, daß Dein Gemahl an seiner gegenwärtigen Krankheit nicht sterben wird." - Und also geschah es- Nachdem er bereits die Sterbsakramente empfangen, genas Wulf (Ulfo). Diese Reise fiel wahrscheinlich um das Jahr 1340. Während derselben hatte Petrus von Alvastra ein Gesicht, in welchem er Brigitta mit sieben Kronen gekrönt und die Sonne ganz verfinstert erblickte, dabei aber die Worte vernahm: "Diese verfinsterte Sonne bedeutet den Fürsten eueres Landes (Magnus); der vorhin als eine Sonne geleuchtet hat, wird bei den Menschen in die größte Schmach und Verachtung fallen. Und diese Frau, welche Du siehst, wird den Geist der siebenfachen Gnaden haben. Dieser wird durch die sieben Kronen bedeutet, welche Du gesehen hast." - In Arras war es auch, wo Brigitta ein Gesicht hatte, worin sie ihre Reisen nach Rom und Jerusalem und wie sie aus dieser Welt scheiden würde, voraussah. - Auf dieser oder einer besonderen Reise besuchte Brigitta auch das Grab der heiligen drei Könige in Köln. - Von den übrigen Pilgerfahrten, welche Brigitta mit ihrem Gemahle gemacht, ist ebensowenig eine nähere Kunde aufbehalten, als darüber, welche andere heilige Orte sie unterwegs noch besucht haben mögen. Nicht unwahrscheinlich ist, daß sie auch Aix, Marseille und Tarrascon besucht haben mögen, wo die heiligen Geschwister, Lazarus, Magdalena und Martha, gestorben sind und vorzüglich verehrt waren. 26
VII. Wulfs (Ulfos) Tod. Veränderung der Lebensweise Brigittas. Ihr Aufenthalt in Alvastra.
Nach der Rückkehr von ihrer Wallfahrt nach Compostella hatten Brigitta und ihr Gemahl sich vorgenommen, den Rest ihres Lebens dem Klosterleben zu widmen, Brigitta hatte wahrscheinlich schon unterwegs Offenbarungen über den neuen Orden empfangen, den sie stiften sollte. Wulf (Ulfo) ordnete seine weltlichen Angelegenheiten und begab sich in das Cistercienser-Mönchskloster von Alvastra. Ob er selbst Mönch geworden oder nur mit den Mönchen, ohne zu ihnen zu gehören, gelebt habe, ist nicht bekannt. Doch scheint nach einigen Andeutungen in der Kanonisationsbulle angenommen werden zu müssen, daß Wulf (Ulfo) zwar damit umgegangen, in den Orden einzutreten, vom Tode aber vor Ausführung dieses Vorhabens heimgerufen ward, was am 12. Februar 1344 geschah. Er hatte das fünfzigste Jahr seines Alters noch nicht erreicht. Sein lauterer Wandel; seine Frömmigkeit, seine Liebe zur Kirche und anderen christlichen Tugenden erwarben ihm bei verschiedenen Cistercienserschriftstellern das Prädikat des Seligen. Allein er ist niemals officiell von der Kirche selig gesprochen worden. In einem Gesichte (Kapitel LVI der revelatt. extravagg.) erscheint Wulf (Ulfo) seiner Witwe und sagt, daß er noch im Fegfeuer leiden müsse. Er erklärt ihr auch auf ihre Fragen, was alles ihm aus seinem Leben jenseits zum Verdienste angerechnet worden.
Nach ihrer bisherigen Lebensweise und dem schon bei Lebzeiten Wulfs (Ulfos) gefaßten Entschlusse, sich klösterlicher Einsamkeit zu widmen, wird es nicht befremden, daß Brigitta nach dem Ableben ihres Gemahles sich dem heiligen Witwenstande widmete und denselben in keuscher Beharrlichkeit fortführte bis ans Ende ihres irdischen Daseins. Hiermit hängt zusammen, daß sie sich vollkommen an Christum hingab. Vorerst nahm sie ihren Aufenthalt im Kloster zu Alvastra, wo sie von 1344-1346 weilte. Vorher verteilte sie alle ihre Güter unter ihre Kinder und die Armen. So entäußerte sie sich alles Zeitlichen, um mit Maria den besseren Teil zu erwählen, und veränderte ihre Lebensart und Kleidung. Die 27 bisher bei Wulfs (Ulfos) Leben geübte Strenge in der Lebensweise genügte Brigitta nicht mehr und sie verschärfte dieselbe vielfach. Die ganzen dreißig Jahre hindurch, welche sie noch lebte, trug sie nichts Leinenes mehr, den Schleier ausgenommen. Mit einem rauhen Eilicium zähmte sie ihr Fleisch, damit solches dem Geiste nicht widerstrebe. Ihr Bett bestand in einer einfachen Decke mit einem Kissen unter dem Haupte. Ein Kleid oder Mantel diente ihr zur Bedeckung. Auf die Frage: wie sie bei der großen Kälte, welche in Schweden herrscht, mit dieser leichten Bedeckung ausreiche, erwiderte Brigitta: "Ich empfinde eine solche Hitze, daß ich die äußere Kälte nicht achte." Ohne Zweifel war die Dienerin Gottes entzündet von jener Glut des göttlichen Feuers, von welchem David spricht, wenn er sagt: "Mein Herz ist warm geworden in mir und in meiner Betrachtung wird das Feuer entzündet werden." Einen Beweis dieser großen Glut der Liebe, welche sie gegen äußere Kälte völlig unempfindlich zu machen schien, lesen wir auch im LXXXIV. Kapitel des sechsten Buches ihrer Offenbarungen. Denn als sie einst bei der in Schweden gewöhnlich sehr strengen Kälte eine Schiffahrt machte und zu einer Insel kam, alle Leute daselbst aber bereits schliefen, wollte sie niemand stören und blieb die ganze Nacht über trotz der Kälte an Bord. Während ihre Leute über die Maßen von der Kälte litten, empfand sie solche Hitze, daß alle, welche sie ansahen und berührten, sich gar sehr verwunderten.
Nicht zu beschreiben ist, wie streng Brigitta ihre Lebensweise einrichtete. Sie vollzog tagtäglich so viele Kniebeugungen, Niederwerfungen zur Erde und Beugungen mit dem Oberleibe, daß ihr Biograph, Erzbischof Birger von Upsala, sein Erstaunen nicht verbergen kann, wie eine so zarte Person solche Beschwerden habe aushalten können. Sie pflegte überdies an jedem Freitage heißes Wachs von einer brennenden Kerze auf ihren entblößten Arm hinabträufeln zu lassen. Waren die hierdurch entstandenen Wunden am nächsten Freitage etwa einmal zugeheilt, so riß Brigitta dieselben mit ihren Nägeln wieder auf, so daß sie niemals wundenlos war. Das that sie um des Leidens Christi willen. Sie trug einen Gürtel voll Knoten um ihren Leib, von welchem sie sich auch nachts nicht trennte. Hierzu trieb sie die Erwägung, daß unser Sinn sich niemals vollkommen zur Liebe der ewigen Dinge entzünde, wenn 28 das Fleisch nicht auch in erlaubten Dingen gezügelt werde. Zum Gedächtnisse des Leidens Christi und des bitteren Trankes, welcher dem sterbenden Heilande gereicht ward, pflegte sie jeden Freitag ein bitteres Kraut, die Gentiana, in ihren Mund zu nehmen und darin zu behalten. Das that sie auch an anderen Tagen, wenn sie ein unbesonnenes Wort sich hatte entschlüpfen lassen. In Papst Bonifazius IX. Kanonisationsbulle ist von der strengen Behandlung, welcher Brigitta ihren Leib unterwarf, noch ausführlicher die Rede, namentlich aber von ihrem Fasten, Wachen und Beichten. Die göttliche Güte zögerte nicht, Brigitta die Opfer zu vergelten, welche diese ihr gebracht. Nachdem sie ihren leibIichen Gatten verloren, würdigte der göttliche Bräutigam sie seiner Liebe und trat zu ihr in ein nahes, durch gegenseitige Liebe getragenes Verhältnis. - Es waren erst einige Tage seit ihres Eheherrn Tode verflossen, als Brigitta in Sorgen über ihren nunmehrigen Zustand, im Geiste verzückt, ähnlich wie einst die heilige Hildegard bei ihrer ersten Erleuchtung, eine leuchtende Wolke erblickte, aus welcher sie folgende Stimme vernahm: "Ich bin Gott, der mit Dir reden will." Sie erschrak und hatte Furcht, daß die Erscheinung ein Blendwerk sein möchte. Da hörte sie weiter: "Fürchte Dich nicht; denn ich bin der Schöpfer aller Dinge und kein Betrüger, Du mußt wissen, daß ich nicht um Deinetwillen allein rede, sondern zum Heile aller Christen. Höre also, was ich Dir sage, und gehe zu dem Magister Matthias, welcher Erfahrung hat im unterscheiden der zweierlei Geister. Sage ihm von meiner Seite, wie ich Dir gesagt, daß Du meine Braut und mein Kanal sein sollst, Geistliches hören und sehen wirst und mein Geist bei Dir bleiben wird bis an Deinen Tod." (Vgl. Kapitel XLVII der revelatt. extravagg.) So ward Brigitta ein besonders ausgewähltes Rüstzeug Gottes und blieb es bis an ihr seliges Ende. Der Magister Matthias, an welchen sie gewiesen wurde, war, wie schon erwähnt, ein edler Schwede, welcher von Jugend auf der Frömmigkeit und dem Studium der Wissenschaften sich ergeben, im Auslande seine Studien gemacht hatte und nachmals Domherr in Linköping war. Er wurde gewürdigt, Mitwisser der an Brigitta geschehenden göttlichen Offenbarungen und auf längere Jahre ihr Beichtvater zu sein. Der Teufel legte seiner scharfen Verstandeskraft Fallstricke, 29 indem er ihn zu ketzerischen Irrlehren verführen wollte, allein mit Hilfe Christi überwand Matthias alle Glaubenshindernisse und Versuchungen und blieb dem echten katholischen Glauben treu.
Vor allen Dingen suchte Brigitta, nachdem sie sich zur Erwählten Christi auserkoren wußte, durch Demut und Selbsterniedrigung eine Nachfolgerin ihres himmlischen Bräutigams zu werden und diese Gesinnung auch durch ihren äußeren Anzug auszudrücken. Sie erweckte sich unter ihren bisherigen Standesgenossen dadurch viele Feinde und Spötter, und mußte namentlich aus ihrem adeligen Umgange her ihr Beginnen Thorheit und Aberwitz nennen hören. Sie entrüstete sich darüber nicht im mindesten, sondern gab sanftmütig zur Antwort: "Dieses neue Leben habe ich nicht um eueretwegen begonnen, werde es auch eueretwegen nicht verändern. Betet für mich, daß ich in Beständigkeit ausharren möge." Sie wußte wohl, daß, wie das böse Gewissen durch fremdes Lob nicht geheilt wird, also, auch durch anderer Schmähworte das gute nicht versehrt wird. - Dergleichen Schmähungen mag Brigitta, als sie in Alvastra weilte, nicht wenige vernommen haben; denn sie lebte dort doch nicht so einsam, daß sie nicht zuweilen auf Befehl Gottes und zu der Nächsten Frommen in die Welt, ja sogar an den königlichen Hof sich hätte begeben müssen. Einer dieser Besuche bei Hofe war merkwürdig. Brigitta erhielt eines Tages von Gott den ausdrücklichen Befehl, sich an des Königs Magnus Hof zu begeben. Sie war darüber bestürzt; denn sie wußte nicht, was sie dort thun und sagen sollte. Da hörte sie Gottes Stimme also: "Wenn Du vor dem Könige stehst, wirst Du Deinen Mund öffnen und ich werde meine Worte auf Deine Lippen legen." - Im Glauben gestärkt, gehorsamte Brigitta der Stimme Gottes. Sofort beim Eintritte in des Königs Schloß nahm sie wahr, wie sie von Gott erleuchtet worden, und wußte, was sie zu reden hatte, Sie sagte dem König strafende Worte, verkündigte ihm den Zorn Gottes, welcher unfehlbar über sein Reich kommen werde, wenn von gewissen Fehlern und Sünden keine Besserung einträte. Die anwesenden Großen und Minister des Königs, welche die Finsternis mehr liebten, als das Licht, nahmen solche Reden sehr übel, murrten gegen Brigitta und schürten den Haß des Königs. Ohne den Einflnß ihrer angesehenen Verwandten würde der Haß gegen sie zu heftigen Aus- 30 brüchen gekommen sein. So aber mußten sich die Widersacher begnügen, Brigitta zu verspotten und als eine Hexe, Betrügerin, Verführerin zu verleumden. Den Söhnen Brigittas war solche Beleidigung ihrer Mutter unerträglich, und sie begehrten von den Spöttern Genugthuung. Aber was geschah? Brigitta, die Beschimpfte, bat ihre Söhne demütiglich, sich zu beruhigen und die Sache nicht weiter zu verfolgen. "Gott ist mein Zeuge," sprach sie, "daß ich aus Liebe zu Jesu Christo lieber zeitlebens dergleichen Unbilden leiden, als die Königskrone auf meinem Haupte tragen möchte. Lasset jene; denn sie sind Blinde und Führer der Blinden." Ähnliche Züge von Brigittas Demut sind noch mehrere aufbewahrt, doch sind dieselben zu verschiedener Zeit hervorgetreten. - Hier einige davon. Ein Graf zu Stockholm bemerkte, wie der König, dessen täglicher Genosse er bisher gewesen, auf Brigittas Ermahnen schon mehrmals ihn nicht empfangen hatte, und sich von ihm loszumachen suche. Der Graf ward darob auf Brigitta sehr erzürnt und schüttete, als diese einmal vor seiner Wohnung vorüberzugehen hatte, Wasser auf sie hinunter. Sie ertrug diese Unbill mit aller Geduld, eingedenk des Gebotes ihres Lehrmeisters: Betet für jene, die euch verfolgen und verachten, und sprach: "Es ist recht und billig, daß ich dergleichen erleide; Gott verschone ihn und strafe ihn nicht in jener Welt!" Als Brigitta am nämlichen Tage sich ins Gebet begeben hatte, sprach Christus zu ihr: "Weil der Kriegsmann, welcher Dir die Unbill zugefügt, Wasser auf Dich zu gießen, Durst nach Blut hat, so verlangt er die Erde und redet kühnlich wider mich. Daher mag er sich wohl hüten, daß er nicht mit Vergießung seines Blutes sterbe!" Als Brigittas Bruder Israel jenem Grafen dieses mitteilte, gab er zur Antwort: "Auf Träume gebe ich nichts; Gott ist barmherzig und verdammt niemand." Nach kurzer Zeit bekam er einen nicht zu stillenden Blutfluß aus seiner Nase und endete sein Leben, wie Christus Brigitta verkündet. - (Vgl. den Zusatz zum CXXII. Kapitel des vierten Buches der Revelationen.)
In der schwedischen Stadt Arboga in Westmanland lebte ein anderer angesehener Kriegsmann, welcher beim Könige in hohen Gnaden stand. Auch dieser hatte einen Haß auf Wulfs edle Witwe geworfen. Er getraute sich denn aber doch nicht, denselben persön- 31 lich an ihr auszulassen. Darum steckte er sich hinter einen anderen, um sie mit Worten zu beschimpfen. Als Brigitta bei einem Edelmann zu Tafel saß, ging dieser andere, welcher sich berauscht stellte, in den Speisesaal und sprach zu Brigitta: "O Frau, Ihr träumt und wacht zu viel; Ihr müsset mehr schlafen und trinken. Niemals ließ Gott fromme Leute im Stiche, Eitelkeit ist es, Eueren Worten Glauben beizumessen." Alle Anwesenden wurden über das schmähliche Betragen des Eindringlings erzürnt und wollten Rache an ihm nehmen. Allein Brigitta litt solches nicht, sondern sprach sanftmütig: "Lasset ihn gehen; denn Gott hat ihn geschickt. Fürwahr! Ich habe in meinem Leben oft nur mein Lob gesucht und meinen Gott gelästert; warum sollte ich nun nicht anhören, was er mir mit Recht zu meiner Beschämung sagen läßt? Denn jener hat die Wahrheit geredet." Durch diese Worte entwaffnete sie die Anwesenden, welche, von ihrer Gelassenheit höchlich erbaut, den Elenden ungestraft ließen. Dieser aber ging selber in sich, fühlte Reue und bekannte vor allen Anwesenden sein Unrecht.
Brigitta hatte, wie gemeldet, dem König oft angelegen, die Verwaltung seines Landes fleißig zu untersuchen und vorgefundene Mißbräuche und Ungerechtigkeiten abzustellen. Ein ansehnlicher Mann, dem die Steuereinziehung oblag, war infolge der Bedrückungen in einer Gemeinde seines Amtes entsetzt und maß die Schuld hiervon Brigitta bei, deren Ermahnungen an den König er kannte. Er konnte ihr jedoch nicht anders schaden, als durch Verleumdung und üble Nachrede, die er auch fleißig übte. Da begab es sich, daß dieser Verleumder samt Brigitta und viele andere angesehenen Leute des Königreichs mit dem Könige sich auf einem Schlosse desselben befanden. Absichtlich stellte er sich neben sie und stieß, indem er that, als ob er von anderen gedrängt worden, so heftig gegen seine Nachbarin, daß dieselbe, wofern andere sie nicht unterstützt hätten, niedergesunken sein würde. Der König, Angenzeuge dieser Mißhandlung, erkannte die Böswilligkeit jenes Mannes und begann, denselben zu schelten. Da fiel Brigitta vorm Könige auf ihre Kniee, bat demütig um Schonung und entschuldigte den Bösewicht nach bestem Vermögen. Allein derselbe ward nicht gerührt, sondern verließ voll Ingrimm das Schloß, starb aber nach dreißig Tagen, doch 32 nicht, ohne gebeichtet und bereut zu haben, daß er sich an der frommen Frau so schwer versündigt.
Während ihres Aufenthaltes im Kloster zu Alvastra verfiel Brigitta in eine schwere Krankheit. Die Ärzte konnten nur für den Fall Genesung in Aussicht stellen, wenn die Kranke gewisse Bäder gebrauchen würde. Brigitta kam dieses schwer an, weil sie sich der Bäder zu enthalten gelobt und nach dem Tode ihres Gatten den Genuß einer solchen Annehmlichkeit für unpassend hielt. Als ihr Beichvater, Matthias, diese Bedenken erfuhr, gebot er ihr kraft des ihm schuldigen Gehorsams, alles, was die Ärzte verordneten, unverweigerlich zu thun, damit sie sich der Gesundheit des Leibes erfreuen und durch sie andere die Gesundheit der Seele empfangen möchten. Freudig erfüllte Brigitta das Gebot und bemerkte, daß dessen einfacher Ausspruch ohne die Anfügung der Folgen schon genügt haben würde, sie willig zu machen, sich dem Verordneten zu fügen. - Zwei Tage darauf erschien ihr Christus und sprach: "Wisse, wie diejenigen, welche im Alten Bunde den Schein hatten, geistlich gesinnt zu sein, Pharisäer hießen. Dieselben hatten dreierlei! Sie wuschen sich fortwährend, um rein zu scheinen; sie fasteten und beteten öffentlich, um Heilige genannt zu werden; sie lehrten und geboten vieles, das sie selbst keineswegs thaten. Es nützte ihnen aber wenig bei Gott, weil ihre Absicht verderbt und ihre Seele unrein war. Wie nun der Seele das Waschen des Fleisches ohne Gewissensreinigkeit nichts half, so schadet der reinen Seele auch das Waschen des Fleisches nicht, wenn man es nur duldet, ohne Vergnügen daran zu finden- Darum hat es mir besser gefallen, daß Du lieber Deinem Führer wider Deinen Willen gehorsamt hast, als wenn Du Deinem Willen wider sein Gebot gefolgt wärest. Denn es hat viele von mir Auserwählte gegeben, welche keine leiblichen Arzneien hatten und mir gefielen; andere aber haben nach Umständen von Zeit und Ort, sowie nach Verschiedenheit der Krankheiten Arzneien gebraucht, ohne mir darum zu mißfallen, kurz, der Gehorsam, welcher den eigenen Willen von sich abthut, gefällt mir besser, als ein großes Opfer."
Aus Liebe zur Nüchternheit und in verehrender Erinnerung an den bitteren Trank des leidenden Christus lehnte Brigitta ab, außer einer bestimmten Zeit zu trinken. Es geschah nun einmal, 33 daß sie außer dieser Zeit einen ganz unerträglichen Durst empfand. Als dem Magister Matthias dieses bekannt ward, befahl er ihr, zu trinken; so schwer es ihr ward, der bisherigen festen Gewohnheit entgegenzuhandeln, so bereitwillig entsprach sie doch sogleich der väterlichen Weisung und vernahm im Geiste die Worte: "Warum fürchtest Du Dich davor, Deine Lebensart zu ändern? Bedarf ich etwa Deines Guten, oder wirst Du durch Dein Verdienst eingehen in den Himmel? Gehorche also Deinem Führer; denn er hat ebenfalls den Widerstreit zweier Geister, nämlich des Geistes der Wahrheit und des Truges, erfahren. Wenn Du auch zehnmal an einem Tage äßest und tränkest, thätest es aber aus Gehorsam, so wird es Dir hoch angerechnet werden."
Der Prior des Klosters von Alvastra berichtet: Er habe eines Tages in Gegenwart Brigittas aus einem Buche, das den Titel Jungfrauenspiegel führt, und in welchem ein fremder Mönch mit einer Jungfrau, Theodora, sich über alle Tugenden unterredet, vorgelesen; da sei vor seinen Augen Brigitta in Verzückung geraten, habe sich zu ihm gewendet und gesprochen: "Ich habe eben im Geiste eine Stimme vernommen, welche zu mir sprach, daß die Jungfräulichkeit die Krone verdient, der Witwenstand Gott näher bringt, die Ehe vom Himmel nicht ausschließt und der Gehorsam alle zur Herrlichkeit leitet." - Die Jungfrau Maria zieht ebenfalls den Gehorsam den übrigen Tugenden vor, indem sie im XXVI. Kapitel des vierten Buches der Offenbarungen unter Aufstellung eines Beispieles von zwei Männern zu Brigitta spricht: "Siehe, da sind zwei Männer, einer steht unter dem Gehorsam, der andere ist in freier eigener Gewalt. Fastet derjenige, welcher frei ist, so wird er einfachen Lohn empfangen; wenn aber derjenige, welcher unter dem Gehorsam ist, an diesem Tage der Anordnung seiner Regel zufolge und aus Gehorsam Fleisch ißt, jedoch lieber fasten möchte, wenn ihn der Gehorsam daran nicht verhinderte, so wird er einen doppelten Lohn haben, den einen seines Gehorsams halber, den anderen wegen Aufgabe seines Verlangens und der Nichterfüllung seines Willens." 34
VIII. Brigitta empfängt von Christo die Regel für den Orden des Welterlösers. Wesentliche Bestimmungen desselben.
Zwei Jahre lang vom Tode ihres Gemahls brachte Brigitta im Kloster Alvastra zu. Immer häufiger und wichtiger waren die Offenbarungen, welche ihr hier zu teil wurden. Sie erweiterte, berichtigte und vertiefte hier ihre Ansichten vom Klosterleben und Klosterberufe, faßte auch den Plan, einen neuen geistlichen Orden - den Orden des Welterlösers - zu stiften; denn Christus hatte ihr seinen Willen geoffenbart, mit ihrer Hilfe sich einen neuen Weinberg durch Errichtung eines neuen Klosterordens anzulegen. Die Regel zu demselben soll ihr schon 1344 oder in einem der beiden folgenden Jahre wörtlich von Christo eingegeben worden sein. Nicht Ein Wort soll Brigitta aus ihrem Eigenen hinzugethan haben. Sie sagt: "Gott, der Schöpfer aller Dinge, hat mir unwürdigen Person mit seinem gesegneten Munde alle Worte dieser Regel auf eine so wunderbare Weise und in einer so kurzen Zeit mitgeteilt, daß ich es jemand zu erzählen nicht imstande bin." Es ist auch ohne sinnliches Gleichnis keinem begreiflich zu machen, in wie kurzer Zeit so viele Worte haben ausgesprochen und gefaßt werden können. - Brigitta giebt dieses Gleichnis also an: Gesetzt, es wären in einem Behälter viele und kostbare Dinge, die nun auf einmal ausgeschüttet würden und es vermöchte jeder, der sie ansähe, im Augenblicke einen jeglichen der kostbaren Gegenstände vom anderen zu unterscheiden. Die Sachen sollen auch so lange vor ihm bleiben, daß er eine jede für sich in seinen Schoß sammeln kann. Auf ähnliche Weise geschah es, daß, sobald Jesus Christus mir erschien, seine gebenedeiten Lippen öffnete und zu reden begann, sofort in kürzester Zeit alle Artikel der Regel samt allen in denselben enthaltenen Worten vor mir waren, aber nicht auf Papier geschrieben. Auf welche Weise es geschehen, weiß allein der, von welchem sie auf eine so wunderbare Weise ausgingen. Vermöge seiner wunderbaren Kraft konnten sie begriffen werden und ließ sich jegliches Wort vom anderen in meinem Verständnisse unterscheiden. Nach dieser Vision war mein Herz so von Jubel und Inbrunst erfüllt 35 daß in dasselbe nichts weiter hineinzugehen vermochte, wenn ich das Leben länger behalten sollte, sondern daß es vor Freude zersprungen sein würde. Mein Herz war auch einige Tage hindurch wie eine vom Winde aufgeblähte Blase, bis ich alle Artikel der Regel und alle Worte derselben einem frommen Manne, einem Freunde Gottes, mitgeteilt hatte, der alles schnell niederschrieb. Nachdem alles vollständig niedergeschrieben worden, kehrten mein Herz und mein Körper in ihren natürlichen Zustand allmählich zurück.
Als Brigitta den Befehl erhielt, durch Petrus von Alvastra (dieser war jener fromme Mann) die Regel aufschreiben zu lassen, ward ihr dazu bemerkt, sie solle sich sorgfältig hüten, mittels ihres Privatgeistes etwas hinwegzunehmen oder hinzuzusetzen. Das hinderte jedoch nicht, daß Petrus von Alvastra einzelnes ändern durfte, wie denn auch dem Papste die Bestätigung vorbehalten bleiben mußte. Daß diese Regel Brigitta direkt von Christo mitgeteilt worden, versichert sie an verschiedenen Stellen (z. B. Kapitel CXXXVII im vierten Buche der Offenbarungen, Kapitel LI im siebenten Buche). Die Päpste Urban V. und Urban VI., sowie Martin V. lassen diese Entstehungsart der Regel dahingestellt sein, fügen aber bei Angabe derselben in ihren, die Bestätigung betreffenden Bullen hinzu: "Wie man frommerweise glaubt, ist dieselbe göttlich geoffenbart." Brigitta mußte diese Regel auf Christi Befehl dem Papste Urban V. vorzeigen. "Gehe hin," sagte Christus (revelat. IV, 137), "und sage ihm (dem Papste) von meiner Seite, daß ich Dir die Regel des Ordens gegeben, welche eingesetzt und angefangen werden soll im Orte Wadstena in Schweden."
Im Kapitel LI des achten Buches der Revelationen sagt Christus: "Schreibe dem Kaiser (Karl IV.) von meiner Seite diese Worte: Ich bin das Licht .... wisse auch Du, der Du das Kaisertum besizest, daß ich, der Schöpfer aller Dinge, eine Regel für Klosterfrauen zu Ehren der liebreichsten Jungfrau, meiner Mutter, angegeben und solche diesem Weibe mitgeteilt habe. Lies sie und thue Dein Bestes beim Papste, daß die gedachte Regel, welche ich mit eigenem Munde gegeben, durch den, welcher in der Welt mein Statthalter ist, auch vor den Menschen gutgeheißen werde, nachdem ich, Gott, dieselbe vor meinem himmlischen Heere 36 gutgeheißen habe." Urban V. und Gregor IX. haben zwar die Regel untersuchen lassen, aber noch nicht bestätigt. Die Bulle Urbans V., welche sich mit dem Gegenstande beschäftigt, hat hauptsächlich die Erlaubnis zur Stiftung und Erbauung des Marienklosters Wadstena und dessen Besetzung mit dem von Brigitta gestifteten Orden unter der Regel St. Augustinus zum Zwecke. Der Papst bezeugt, wie Brigitta mit den ihr von Gott gegebenen Gütern das Kloster aus göttlicher Eingebung gestiftet, und daß sie dasselbe bereits zu bauen angefangen und für sechzig Jungfrauen angelegt. Außerdem genehmigt Urban die Anlegung eines abgesonderten Mönchsklosters zu Wadstena für siebzehn Priester, durch welche die Äbtissin und die Frauen im anderen Kloster mit der Speise des göttlichen Wortes gelabt und in geistlichen Nöten unterstützt werden sollten. Diese Priester sollten durch acht Laienbrüder bedient werden. Der Papst beauftragt die Bischöfe zu Strengnäs und Wexiö, über die stiftungsmäßige Vollendung beider Klöster zu wachen. Von einer Bestätigung der Regel selber enthält die Bulle nichts. Auch die Kanonisationsbnlle Bonifaz IX. verbreitet sich darüber nicht. Erst Urban VI. sprach die eigentliche Bestätigung in einer Bulle vom 3. Dezember 1378 aus. Nach einer Einleitung heißt es in dieser Bulle, daß Brigitta, als sie noch lebte, "aus göttlicher Anordnung, wie man glaubt," einige Satzungen gemacht und Anordnungen getroffen habe, wie man nach der Regel zu leben und wie man sich geistlicherweise im Kloster zu Wadstena zu verhalten habe; diese Satzungen habe nach Brigittas Tod ihre Tochter Katharina dem Papste Gregor XI. zur Approbation vorgelegt und habe dieser die Prüfung derselben wohl befohlen, sei aber vor deren Beendigung gestorben, woraus Katharina an seinen Nachfolger, Urban VI., das Ansuchen um Fortsetzung der Sache gestellt habe. Urban habe nun neue Untersuchungen der Satzungen angeordnet, und da dieselben zu gunsten des Antrages ausgefallen, spreche er die Bestätigung aus. Die Einrichtung des neuen Ordens des Erlösers besteht nach Brigittas Festsetzung wesentlich in folgendem: Der Orden steht zugleich unter der Regel des heiligen Augustin. Er ist eingesetzt hauptsächlich zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria für sechzig Klosterfrauen und fünfundzwanzig Brüder. Regiert wird der Orden von einer Äbtissin, wie Maria nach ihres Sohnes Himmelfahrt 37 das Haupt der Apostel und Jünger Christi gewesen. Ebenso soll der Orden auch das Abbild des apostolischen Kollegiums sein und aus fünfundachtzig Personen bestehen, d. h. den dreizehn Aposteln (einschließlich des heiligen Paulus) und zweiundsiebzig Jüngern. Daher zählt er sechzig Klosterfrauen, dreizehn Priester, vier Diakonen und acht Laienbrüder. Alle Ordenspersonen tragen ein besonderes Zeichen des heiligen Leidens Jesu Christi, z, B. die Klosterfrauen einen goldenen Ring an ihrem Finger zum Zeichen ihres Verlöbnisses mit dem göttlichen Bräutigam, und auf dem Haupte eine weiße Krone mit fünf kleinen roten Flecken zum Gedächtnis der fünf Wunden und der Dornenkrone. Die dreizehn Priester, unter denen einer Oberer ist und den Titel: Generalbeichtiger aller Brüder und Schwestern führt, müssen strengen Chordienst üben, allein dem göttlichen Amte und Gebete obliegen, Sonntags das Evangelium auslegen und an allen gebotenen Feiertagen öffentlich predigen. An ihren Mänteln tragen sie zu Ehren des Leidens Christi auf der linken Seite ein Kreuz von rotem Tuche und in dessen Mitte einen weißen Fleck in Form einer Hostie. - Die vier Diakonen, welche auch Priester sein können, tragen auf ihren Mänteln einen weißen Ring von Tuch, in Anspielung auf die unergründliche Weisheit der vier großen Kirchenväter: Ambrosius, Augustinus. Gregorius, Hieronymus, deren Zahl sie darstellen. In diesen Ring sind vier Stückchen wie vier Zungen eingenäht, in Beziehung auf die Erleuchtung und Entflammung durch den heiligen Geist. Die acht Laienbrüder tragen auf ihren Mänteln als Sinnbild der Unschuld ein weißes Kreuz, auf welchem sich fünf runde Flecke zur Erinnerung an die fünf Wunden Christi befinden. - Die Priester haben die kanonischen Tageszeiten nach dem römischen Brevier zu beten. Die Klosterfrauen haben täglich ein besonderes Offizium zu Ehren der Jungfrau Maria abzusingen, wie auch an allen Feier- und Wochentagen die Messe der Mutter Gottes von den Schwestern zu singen und durch einen der dreizehn Priester zu halten ist, und ebenso von seiten der Brüder. Es finden mithin in jedem solchen Kloster täglich zwei gesungene Konventualmessen statt. In jedem nach dieser Regel errichteten Kloster befinden sich zwei, durch hohe Mauern gesonderte Konvente, einer für Schwestern, der andere für Brüder. Die Kirche ist gemeinschaftlich. In der- 38 selben sind zwei abgesonderte Chöre, so daß die Schwestern die Messen und Gottesdienste zwar sehen und ihre Tageszeiten gehört, sie selber aber nicht gesehen werden konnten. Die Tageszeiten müssen wechselweise gesungen werden. Die Brüder beginnen morgens ihre Matutin und Laudes und nachher die Schwestern die ihrige. So wird vom frühen Morgen bis mittags das kanonische Lob Gottes wechselweise gesungen, wobei nur die beiden erwähnten Konventualämter eine Ausnahme bilden. Ähnlich ist es am Abend mit der Vesper, Komplet und anderen Gebeten. Der Orden ist nicht eximiert, sondern die Klöster stehen unter dem Bischofe, in dessen Sprengel sie belegen sind, und der Landesherr ist ihr Schirmvogt.
IX. Brigitta begiebt sich aus Schweden nach Rom.
Nachdem Brigitta ungefähr zwei Jahre oder etwas darüber als Witwe im Kloster zu Alvastra zugebracht, und als auserwählte Braut Christi ein leiblich strenges, wegen der himmlischen Betrachtungen aber süßes und trostvolles Leben geführt, und nachdem ihr die eben mitgeteilte Ordensregel geoffenbart worden, erhielt sie von Gott den Befehl, sich unverweilt nach Rom zu begeben. "Ziehe nach Rom," sprach er (vgl. Kap. VIII der revel. extrav.), "und bleibe daselbst, bis Du den Papst und Kaiser gesehen, und rede mit ihnen meinerseits die Worte, welche ich Dir sagen werde." - Brigittas Biograph, Erzbischof Birger, fügt hinzu, wie ihr auch noch gesagt worden: "Gehe nach Rom, wo die Straßen mit Geld belegt und vom Blute der Heiligen gerötet sind, wo durch die Ablässe, welche die heiligen Päpste mit ihren Gebeten verdient haben, ein naher Weg zum Himmel führt." - Brigitta war zweiundvierzig Jahre alt, als sie im Jahre 1346 ihre Pilgerfahrt aus Alvastra nach Italien antrat. Ihre Reisegefährten waren insbesondere Petrus von Alvastra und Petrus Olafson, unter denen der erste nachmals Beichtvater des Klosters von Wadstena ward; nachdem er dreißig Jahre hindurch Brigittas unzertrennlicher Begleiter gewesen. Vermutlich war auch Magnus Pedersson auf der Fahrt nach Rom Brigittas Reisegefährte, welcher später des Petruo Olafson 39 Nachfolger als Generalbeichtiger in Wadstena ward und nach Brigittas Tode deren Heiligsprechung eifrig mitbetrieb. Er war ein Witwer und auf Brigittas Anregen in den Orden eingetreten. Nach Brigittas Tode stiftete er das Brigittenkloster in Florenz, unb starb als dessen Vorsteher 1400 im siebzigsten Jahre seines Alters. Er hat Brigitta auch nach Jerusalem begleitet. Auf der Reise nach Rom war auch vielleicht Gudmar Friedrichsson Brigittas Begleiter, der ihr gleichfalls nach Palästina folgte. Eine schwedische Dame, deren Namen nicht bekannt, hatte sich dem Reisezuge angeschlossen, ward aber in Mailand krank und starb daselbst. Bei ihrer Abreise aus Schweden hatte diese Dame, welche ihres Gemahls Unbeständigkeit fürchtete, sich an Brigitta mit der Bitte gewendet, für ihren Gemahl zu beten. Brigitta that's. Da erschien ihr Christus und sprach: "Ziehet hin; lasset euch von euerer Reise und euerem heiligen Vorsatze nicht abhalten; ich werde dieser Frau die Reise schon abkürzen. Ich will den Leib zurüsten, daß, wenn der Behälter erschöpft worden, die Seele mit Süßigkeit erfüllt werde, der Mann aber wird haben, was er begehrte." - Nachdem diese Dame in Mailand begraben worden, ward Brigitta beim Beten im Geiste entzückt und hörte den Teufel klagen, daß ihm jene Seele nicht zugesprochen worden. Christus sprach: "Hebe Dich hinweg! Nachdem Du sie durch die Peinigung ihres Leibes gereinigt hast, will ich nun ihre Seele in Besitz nehmen und ehren" (revelat. extrav. Cap. CI).
Es war Brigitta nicht leicht angekommen, Vaterland, Kinder, Verwandte und traute Verhältnisse zu verlassen, um eine lange, beschwerliche Reise zu unternehmen. Allein sie überwand Fleisch und Blut, welche ihr die Abreise widerrieten, um dem göttlichen, an sie ergangenen Befehle zu gehorchen. Kurz vor ihrer Abreise wagte der Teufel noch einen letzten Angriff, um dieselbe zu verhindern. Brigitta empfand mit einem Male eine ganz ungewöhnlich heftige Liebe zu ihren Kindern und ein schweres Leid, daß sie dieselben gleichsam als Waise zurücklassen solle. Außerdem wandelte sie eine schwere Angst an, die Kinder möchten während ihrer Abwesenheit Gott durch Sünden beleidigen, weil sie jung, reich, angesehen und mithin der Versuchung sehr ausgesetzt waren. Während dieser Bedrängnis erblickte Brigitta in einer Vision einen Topf 40 am Feuer stehen. Vor dem Feuer stand ein Knabe, welcher die Kohlen anblies, damit dieselben glühend werden und den Topf ins Kochen bringen möchten. Brigitta fragte den Knaben, weshalb er sich so bemühe, den Topf ins Sieden zu bringen? Jener antwortete: "Damit die Liebe Deiner Kinder in Dir desto mehr entzündet und entflammt werde." Auf die weitere Frage: Wer er sei? antwortete der Knabe: "Ich bin ein Geschäftemacher." Nun merkte Brigitta, daß in ihrem Herzen eine ungeordnete Liebe zu ihren Kindern Platz gegriffen und ging in sich, um der Liebe Christi vor jeder anderen den Vorzug zu geben (Extravag. Cap. XCV). Es gelang ihr, fünf Jahre lang ohne den Anblick eines der Ihrigen zuzubringen. Nach Ablauf derselben sah sie zuerst ihre Tochter Katharina wieder, von welcher sie in Rom aufgesucht ward. - Der Weg, welchen Brigitta nach Rom von Schweden aus eingeschlagen, ist nicht genau bekannt. Soviel aber scheint gewiß, daß ihre Reise über Deutschland und Frankreich ging. Der Sage zufolge hat sie auch Schwäbisch-Hall berührt, wohin sie über Köln gelangt sein wird. In Genua ward Brigitta einige Zeit durch ihres Beichtvaters, Petrus, Krankheit aufgehalten. Von hier ging sie nach Mailand, um die Reliquien des heiligen Ambrosius zu verehren. Dieser erschien ihr zweimal und beklagte sich über den damaligen Erzbischof, welcher ein größerer Liebhaber der Welt, als sorgfältiger Verwalter seiner Kirche war. Er verkündigte Brigitta auch, daß die Strafe Gottes dafür bereits im Anzuge sei, wofern sich jener nicht baldigst bessern würde. Brigitta beeilte sich, den Erzbischof zu warnen. Allein sie fand bei dem durch Hochmut verhärteten Manne kein Gehör.
X. Aufenthalt Brigittas in Rom. Ihre Weissagungen und Bemühungen, den heiligen Stuhl wiederum nach Rom zu bringen, ihre Teilnahme für die öffentlichen Angelegenheiten.
Wie Brigitta in Schweden nach Kräften sich eine wohlthätige Einwirkung auf die öffentlichen Angelegenheiten zur Aufgabe gestellt, suchte sie auch in Rom, nachdem sie dort die Verhältnisse kennen gelernt, in ähnlicher Weise zu wirken. Sie hatte verschiedene Offenbarungen bezüglich einer Kirchenverbesserung und des Zustandes der 41 Stadt Rom insbesondere. Nach fünfzehnjährigem Aufenthalt in dieser Stadt hatte sie Gelegenheit, dem Papste Urban V. und dem Kaiser Karl IV., welche nach Rom gekommen waren, ihre Offenbarungen samt der ihr geoffenbarten Ordensregel zur Einsicht zu überreichen. -- Als ihre Offenbarungen über Rom, in denen die Fehler und Sünden der Bewohner dieser Stadt scharf mitgenommen sind, in Rom bekannt wurden, entstand eine große Feindseligkeit gegen Brigitta, namentlich unter den vornehmen Römern. Einige bedrohten sie mit einem öffentlichen Feuertod, andere lästerten sie als eine Betrügerin, als eine aberwitzige, falsche Wahrsagerin. Brigitta trug zwar alle diese Schmach mit sanftmütiger Ergebung, fürchtete aber doch, daß ihre Hausgenossen und andere, welche aus ihrer Freundschaft und Verwandtschaft aus Schweden nach Rom gekommen waren, ein Ärgernis an diesen Unbilden nehmen und wankend werden möchten. Sie entschloß sich daher, der öffentlichen Wut auf eine Zeit lang aus dem Wege zu gehen, jedoch nicht, ohne vorher zum Weggange eine besondere Weisung Gottes erhalten zu haben. Solange sie nämlich aus ihrem Vaterlande abwesend war, hatte sie nie eine Ortsveränderung ohne Christi Befehl vorgenommen. Als sie demselben ihr jetziges Anliegen, ob sie der Bosheit eine Zeit lang ausweichen solle, vorgetragen, antwortete Christus, daß, wenn er bei ihr sei, sie niemand anderen zu fürchten brauche. - Auch die allerseligste Jungfrau sagte Brigitta ihren Schutz zu, und befahl ihr, allabendlich mit ihren Hausgenossen sich zu vereinigen, um den Hymnus Ave maris stella zu singen (Extrav. Cap. VIII).
Was den damaligen Zustand der Christenheit betrifft, so war derselbe unter Papst Klemens VI. ein wahrhaft beklagenswerter. Vielfältig und grausam waren die Anfälle der Türken auf Europa. Rom stand verwaist, während seine Herrscher von der französischen Politik in Avignon festgehalten wurden. Zwischen Philipp von Frankreich und Eduard von England war ein blutiger Krieg ausgebrochen. Unter diesen Umständen gebot Christus Brigitta schon, als sie noch in Schweden war, sie solle in seinem Namen den Papst Klemens VI. zur Erfüllung seiner Pflichten ermahnen, namentlich, daß er zwischen England und Frankreich Frieden stifte und den päpstlichen Stuhl nach Rom zurückversetze, den Gläubigen das 42 heilige Jahr verkündige und solches von hundert auf fünfzig Jahre heruntersetze (Offenbarungen, sechstes Buch, Kapitel LXIII), auch ward ihm geboten, sein eigenes Leben zu bessern. Brigitta entledigte sich dieses Auftrages, indem sie dem Papste den Inhalt ihres Gesichtes schriftlich meldete und durch den Bischof Heinrich von Abo überreichen ließ. Ganz ohne Frucht scheint die Ermahnung nicht geblieben zu sein; denn Klemens bemühte sich (wie er es allerdings auch schon früher gethan hatte), den Frieden zwischen den Königen von England und Frankreich zu vermitteln. Er hat auch ein Jubeljahr in Rom abhalten lassen und die Wiederholung desselben nach je fünfzig Jahren angeordnet. Zu einer Rückversetzung des heiligen Stuhles nach Rom ließ er sich aber nicht bewegen. Mit Rücksicht hierauf hatte Brigitta (Offenbarungen, sechstes Buch, Kapitel XCVI) ein anderes Gesicht. Es geschah nämlich, daß zu St. Peter in Rom die Glocken durch Feuer zerstört wurden. Brigitta erschrak, als sie dies vernahm, und begab sich ins Gebet, wo Christus zu ihr sprach: "Sie solle sich nicht verwundern; denn zuweilen zeigten auch die Elemente in ihrem Laufe die Zeichen künftiger Ereignisse an; so verkündige denn das Zerstörtwerden der Glocken den nahen Tod eines Papstes, dem ein schweres Gericht bevorstehe, wenn er sich nicht zuvor zu Gott bekehren werde." Dies ist geschehen, und Klemens VI. starb, mit Gott versöhnt, demütig und bußfertig eines friedlichen Todes am 6. Dezember 1352, wenige Tage, nachdem Brigitta das Gesicht gehabt hatte. Ihm folgte bis 1362 Innocenz VI., auf welchen sich die im vierten Buche, Kapitel CXXXVI, enthaltene Offenbarung bezieht. Auch dieser verließ Avignon nicht. Erst sein Nachfolger Urban V. kam auf Gottes Geheiß 1367 nach Rom. Nach kurzer Zeit aber faßte auch er den Entschluß, nach Avignon zurückzukehren und begab sich einstweilen nach Montesiascone. Hier sollte der von Brigitta angegangene Kardinal Belfort (nachmaliger Papst Gregor) dem Papste die von ihr infolge höherer Eingebung aufgesetzte schriftliche Vorstellung gegen seine Abreise überreichen. Belfort hatte hierzu den Mut nicht. Deshalb ging Brigitta selbst nach Montesiascone und überreichte dem Papste eigenhändig ihre Bittschrift, welche eine Offenbarung enthielt, wie es Gottes Wille sei, daß Urban Italien nicht verlasse, sondern daselbst bis an seinen Tod bleibe; wenn er nach 43 Avignon zurückkehre, werde er alsbald sterben und Gott dafür Rechenschaft zu geben haben. Urban folgte nicht. Er machte sich alsbald auf die Reise nach Avignon, wo er wenige Tage nach seiner Ankunft tödlich erkrankte und sich nun Brigittas Verkündigung erinnerte. Er nahm sich vor, falls er genesen sollte, nach Italien zurückzukehren, starb aber auch demnächst mit diesem Vorsatze. Hierüber ist das CXXXVVII. Kapitel des vierten Buches der Offenbarungen nachzulesen. In Avignon ward Gregor XI. an Urbans Stelle zum Papste erwählt. Auch an diesen ließ Brigitta viele ihrer Offenbarungen gelangen. In einer bald nach seiner Thronbesteigung erfolgten Offenbarung wurde Brigitta eröffnet, wie es Gottes Wille sei, daß Gregor nach Rom komme und dort die Schäden der Kirche zu heilen suche. Gregor traute dieser ihm gemeldeten Offenbarung nicht recht, sondern ließ durch seinen Legaten zu Rom Brigitta näher ausforschen. Brigitta begab sich ins Gebet und hatte eine Erscheinung der allerseligsten Jungfrau Maria, welche die Aufforderung zur Rückkehr Gregors wiederholte, ihm einen Termin dazu setzte und üble Folgen in Aussicht stellte, wenn er ferner unfolgsam sich zeige. Brigitta sandte diese Offenbarung durch den Grafen von Nola schriftlich nach Avignon. Von Fleisch und Blut beraten blieb Gregor in Avignon sitzen und ließ die gesetzte Frist verstreichen. Er sandte den Grafen von Nola nach Neapel, wo Brigitta eben weilte, um dieselbe nochmals um Rat zu fragen, sie auch zu bitten, daß sie nach Avignon kommen und mit dem Papste selber die Sache besprechen möge. Dies geschah, nachdem Brigitta aus Jerusalem zurückgekehrt war. Sie trug die Sache Gott in ihrem Gebete vor. Christus erschien der Betenden, machte ihr eine furchtbare Bestellung an den Papst Gregor, daß er augenblicklich nach Rom kommen, seine schlechten Ratgeber entlassen, dagegen gute annehmen und mitbringen solle. Für den Fall ferneren Ungehorsams bedrohte Christus den Papst mit einem schrecklichen Gerichte. Diese Offenbarung (Kapitel CXLII und CXLIII, viertes Buch der Offenbarungen) brachte der Graf von Nola dem Papste, wurde aber nochmals an Brigitta zurückgesandt, um neue Aufschlüsse zu erhalten. Diese wurden ihm zwar im Juli 1373 kurz vor Brigittas Tode; allein es währte doch bis 1377, ehe Gregor nach Rom kam. Die Wahrheit von Brigittas Offenbarungen erwies der Erfolg. 44 Wie sich Brigitta in aller Weise für die Rückkehr des heiligen Stuhles nach Rom thätig erwies, so suchte sie auch allen Feindseligkeiten der Könige von Frankreich und England entgegenzutreten.
Als es 1372 zwischen Barnabo Visconti von Mailand und Papst Gregor XI. zum Kriege gekommen war, war Brigitta auf alle Weise bestrebt, den Papst auf friedliche Gedanken zu bringen (vgl. viertes Buch, Kapitel CXLIII revel.). Den Kaiser Karl IV. ermahnte Brigitta, die alten Tugenden im deutschen Reiche wieder herzustellen und die eingerissenen Laster zu beseitigen (Offenbarungen,viertes Buch, Kapitel XLV).
XI. Brigitta wird zu Rom von ihrer Tochter Katharina besucht. - Ihre Bemühungen um anderer Heil.
Als Brigitta nach Rom gekommen war, hatte sie sich in einem Hause unweit St. Lorenz in Damaso eine angemessene Wohnung gemietet. Das Haus gehörte zu einem Kardinalat. Der Stadtteil, worin sie wohnte, war der XII. Bezirk, gewöhnlich di Parione genannt. Nach vierjährigem Wohnen in diesem Hause kündigte ihr der Kardinalvikar die Miete binnen Monatsfrist. Diese Kündigung versetzte Brigitta in Betrübnis und Verlegenheit, weil sie eben ihre Tochter Katharina, deren Schönheit, beiläufig gesagt, die Augen aller Römer auf sich zog, und welche sie zu besuchen I350 nach Rom gekommen war, beherbergte. In dieser Bedrängnis wandte Brigitta sich an Christum. Dieser gebot ihr, den ganzen Monat . hindurch sich in Rom nach einer passenden Wohnung umzusehen. Von diesem Monate waren nur noch zwei Tage übrig und Brigitta hatte eine Wohnung noch nicht gefunden. Sie schnürte daher ihr Bündel, um schlimmsten Falls in einen öffentlichen Gasthof einzuziehen, wandte sich aber zuvor noch einmal an ihren Himmelsbräutigam. Derselbe hieß sie guten Mutes sein und vertröstete sie auf baldige, fröhliche Nachrichten. unmittelbar darauf trat ein Bote ein. Derselbe überbrachte einen Brief vom Herrn ihrer bisherigen .Wohnung, welcher sie tröstete und freundlichst aufforderte, sich derselben auch ferner, so lange es ihr beliebe, zu bedienen. Es war dieser Herr der Kardinal Hugo Roger, Papst Klemens VI. 45 Bruder, und eben in Frankreich abwesend. Brigitta freute sich um ihrer Tochter willen dieses Ausganges gar sehr. Vermutlich hatte diese aus Anlaß des 1350 ausgeschriebenen Jubeljahres die Reife nach Rom angetreten, um gleichzeitig die immer stärker sich regende Sehnsucht nach ihrer Mutter bei dieser Gelegenheit zu stillen. Es befanden sich 1350 mehrere vornehme schwedische Herren und Damen in Rom und war Katharina vermutlich in deren Gesellschaft angekommen. Als sie in Rom eintraf, befand sich ihre Mutter mit ihrem Gefolge im Kloster zu Farfa, wo sie dem Abte und Konvente ins Gewissen geredet und sich behufs deren Belehrung über das, was ihnen not that, auf Christi Befehl längere Zeit aufgehalten hatte. Über diesen Konvent und dessen Abt ist in den Kapiteln XCVII und CV der revelat. extravag. näheres zu ersehen. Acht Tage lang hatte Katharina vergeblich nach ihrer Mutter in Rom umhergefragt, ohne sie ausfindig machen zu können. Da traf sie den Begleiter und Beichtvater ihrer Mutter, Petrus Olafson, im St. Petrus-Dome, der auf einen Tag von Farfa nach Rom zurückgekehrt war. Er nahm Katharina mit sich nach Farfa, wo diese ihre Mutter nach fünf Jahren zum ersten Male wieder erblickte. Katharina blieb fortan beständig bei Brigitta und kehrte erst 1374 mit deren irdischen Überresten in ihr Vaterland zurück.
Im Jahre 1350 war es auch, wo Petrus Olafson vom Stellvertreter des Papstes zu Rom die Ermächtigung erhielt, den um des Jubeljahres willen nach Rom gekommenen Schweden die Beichte abzunehmen und ihnen den Ablaß zu erteilen. Einer dieser Schweden benannte seinem Landsmanne Petrus so abscheuliche und ungeheuere Sünden, daß Petrus Bedenken trug, die Absolution zu erteilen. Der Reuige wandte sich nun an Brigitta und bat um ihre Verwendung bei dem gemeinschaftlichen Beichtvater. Die Heilige begab sich ins Gebet für Petrus und den Sünder. Allein die göttliche Stimme, welche sich ihr vernehmlich machte, gab dem Petrus recht. - Der päpstliche Vikar, welcher ,dem Petrus die erwähnten Vollmachten gegeben, scheint der Bischof von Orvieto gewesen zu sein, von welchem im CII. Kapitel der Extravaganten die Rede ist. Er hatte auf die ihn betreffenden und ihm mitgeteilten Offenbarungen nicht geachtet, weshalb Christus Brigitta 46 sein nahes Ende voraussagte, das auch in der von ihm angegebenen Weise eintrat.
Katharina nahm sich am Leben und Wandel ihrer heiligen Mutter ein Vorbild und begann ein wahres Klosterleben unter der Aufsicht derselben zu führen. Nach dem Beispiele der Mutter beobachtete sie zu gewissen Zeiten Stillschweigen, um ihrer Zunge einen Zaum anzulegen und desto mehr ihr Inneres inzwischen geistlich zu pflegen. Sie verkehrte mit Armen und Fremden und behandelte dieselben sanftmütig und fürsorglich. Wenn ihre Mutter nachts auf dem bloßen, harten Estrich schlief, stand Katharina in liebender Sorgfalt häufig auf und breitete der Schlafenden ihren Mantel unter. - Wie um Katharina, so trug Brigitta auch um ihre in Schweden zurückgebliebenen Kinder eine zärtliche Sorge. Die Ermahnungen, welche sie für ihren Sohn Birger niederschrieb, sind dessen ein Zeugnis.
XII. Brigittas Lebensweise zu Rom. - Ihre Reise nach Assisi.
Zum Teil erhellt schon aus dem bisherigen, welche Lebensweise Brigitta zu Rom innegehalten. Sie erhielt den innerlichen Befehl, sich in der lateinischen Sprache zu unterrichten, wozu ihr die heilige Agnes als Führerin beigesellt wurde - und nicht allein, daß sie diese Sprache bald verstand, wenn andere darin vor ihr sprachen, sondern sie wußte sie auch selbst zu reden. Die Aufforderung der heiligen Jungfrau Maria zum Studium der lateinischen Sprache an Brigitta finden wir im CV. Kapitel des sechsten Buches ihrer Offenbarungen. Der nachmalige Beichtvater von Wadstena, Petrus, war Brigittas Lehrer. Neben diesem Lerneifer und der durch denselben gebotenen Thätigkeit ließ Brigitta in nichts ab in ihrem frommen Eifer. Sie besuchte fleißig und unausgesetzt die Kirchen Roms, Auf dem Wege zu denselben redete sie grundsätzlich mit niemand und machte nur, wenn sie gefragt ward, eine Ausnahme, wobei sie dann aber die Antwort in möglichst wenigen Worten erteilte. Sie schlug unterwegs auch nicht einmal die Augen auf. Namentlich machte Brigitta den Kirchen der Apostel ihre Besuche. Weder Hitze, noch Kälte, weder Regen, noch Kot oder andere 47 Hindernisse konnten hierbei ihrem Eifer auch nur zeitweise Beschränkungen abzwingen. Während dieser Kirchenbesuche wurden Brigitta nicht wenige Gnadenerweise zu teil. So erblickte sie (vgl. Kapitel II des siebenten Buches ihrer Offenbarungen), als sie einst am Feste Mariä Reinigung die Kirche Maria Maggiore besuchte und daselbst verzückt ward, die Huldigungen, welche Maria, der Himmelskönigin, jenes Tages von den Engeln dargebracht wurden. Ein anderes Mal, als sie die Kirche St. Paul außer der Stadt besuchte und daselbst Reliquien der heiligen Anna zum Geschenke erhalten hatte (vgl. Kapitel CIV des sechsten Buches ihrer Offenbarungen), erschien ihr Anna und sprach: "Meine Reliquien, welche Du hast, werden denen, die da lieben, zum Troste gereichen, bis es Gott gefallen wird, dieselben bei der Auferstehung noch höher zu ehren." ⋅1⋅ - Als Brigitta einst am Grabe des heiligen Stephanus in der St. Lorenzkirche betete, erschien ihr Stephanus und sagte ihr ihre Reise nach Jerusalem voraus.
Auf einem dieser Kirchgänge stand Brigitta und ihrer sie begleitenden Tochter eine schwere Gefahr bevor, indem ein gewisser Graf sie auf dem Wege nach eben dieser außerhalb der Stadt belegenen St. Lorenzkirche mit Gewalt zu entführen beabsichtigte. Der Räuber aber ward auf eine wunderbare Art mit Blindheit geschlagen. Auf das Gebet der beiden heiligen Frauen erhielt er, wie er selbst vor Urban V. (1362-1370) bekannt hat, sein Gesicht auf eine ebenso wunderbare Weise wieder. Katharina hatte 48 ihre Mutter vor jener, von dem Grafen ihr drohenden Gefahr gewarnt. Allein Brigitta, welche durch Gott belehrt worden, daß sie sicher gehen könne, trat unerschrocken ihren Weg nach der gedachten Kirche an.
Ein gewisser Johannes von Poraccio, welcher eines Tages die Kirche St. Johann im Lateran besuchen wollte, begegnete Brigitta. Ihr Haupt und ihr ganzer Körper waren von einem unbeschreiblichen Glanze umgeben. Außerdem erschien sie ihm schwebend über der Erde, und wie von einer unsichtbaren Tragkraft fortgeführt. Eine gleiche Erscheinung bemerkte derselbe ein anderes Mal an Brigitta, als er mit derselben, auf dem Wege nach Santa Maria maggiore, zusammentraf. Daß Brigitta während des Gebetes öfters mannshoch von dem Boden emporschwebte, bezeugt auch die Kanonisationsbulle Bonifaz IX. Eine solche Erhebung hatte schon während ihres Aufenthaltes im Kloster von Alvastra der Mönch Gerrechinus (vgl. Erklärung zum CXXI. Kapitel im vierten Buche der Offenbarungen) an ihr wahrgenommen, wobei er einen Strom aus ihrem Munde gehen sah und eine Stimme vernahm, welche sprach: "Dies ist das Weib, das von den Enden der Erde kommt und unzähligen Völkern Weisheit zu trinken giebt. Ein Zeichen dessen wird sein, daß sie Dir Deines Lebens Ende voraussagen wird."
Zwei eigentümliche Eigenschaften offenbarten sich in Rom an Brigitta, einmal, daß sie, wenn sie etwas sprach, was Gott beleidigen konnte, eine ungemeine Bitterkeit in ihrem Munde verspürte, wodurch sie selbst oft erst inne ward, daß, was sie gesagt hatte, nicht recht gewesen sei; zweitens, daß, wenn ein anderer Gott Mißfälliges redete, sie einen abscheulichen Gestank vor ihrer Nase verspürte. Einen solchen Gestank nahm sie auch wahr, wenn sich ihr ein Mensch näherte, welcher einen unreinen und hoffärtigen Geist hatte, was sich ihr gleichfalls durch einen bitteren Geschmack im Munde ankündigte. Einst, als sich ein solcher Mensch neben sie hingesetzt hatte und sie fragte: "Wie verhält es sich mit dem Geiste, welchen Du, wie die Leute sagen, hast? Ist derselbe von Dir, oder einem anderen, oder etwa gar vom Teufel?" vermochte Brigitta, den Gestank, welcher vom Frager ausging, kaum zu ertragen und sprach: "Du hast einen stinkenden Einwohner und alles, was aus 49 Deinem Munde hervorgeht, stinkt. Thu' also Buße, damit die Rache Gottes Dich nicht überrasche." Voll Ingrimm entfernte sich jener Mann. Als er bald darauf in Schlaf verfallen war, hörte er Stimmen unzähliger Teufel, welche riefen: "Laßt uns diesen Menschen hinzerren an den Ort, wo die Schweine sich befinden; denn er verachtet die Mahnungen des Heiles." Zu sich selber gekommen, besserte er mit Gottes Hilfe sein ruchloses Leben.
Einst saß Brigitta mit einem Bischofe und anderen angesehenen Leuten zusammen. Da ward sie mit einem Male einen garstigen Geruch, wie von faulen Fischen inne, ohne daß die anderen davon etwas wahrnahmen. In diesem Augenblicke trat ein Mann herein, der im Kirchenbanne lebte, welcher aber seiner äußeren hohen Stellung wegen sich daraus nichts machte (sechstes Buch, Kap. LXXXVII der Offenbarungen).
Brigittas Gehorsam war so vollkommen, daß sie fast nichts ohne Zustimmung ihres Beichtvaters that, ja kaum ohne dessen Einwilligung die Augen aufzuheben wagte. Auch war ihr nichts, was ihr kraft des Gehorsams auferlegt worden war, zu schwer. Sie besuchte auch keine Kirche außerhalb Roms, ohne sich zuvor mit Gott über solchen Ausgang zu beraten.
Nicht minder befleißigte sich Brigitta der freiwilligen Armut auf gründlichste Weise. Alles, was sie besaß, gab sie anderen, um es zu verteilen, und bat dieselben, wenn sie selber etwas bedurfte, in Jesu Namen, als wenn sie von einem Fremden etwas erbetteln müßte. Sie kam durch ihre Freigebigkeit mehrmals in Geldnot, und es ist auch in den Offenbarungen (sechstes Buch, Kap. XLVI) von einem Darlehen die Rede, das Brigitta aufnehmen wollte, um ihres Hauses Unterhalt zu bestreiten. Einmal kam ein Schwede nach Rom, ein Schneider, welcher die Absicht hatte, nach Jerusalem zu wallfahrten. Brigitta befand sich gerade auch in Geldverlegenheit und borgte von diesem Manne in der Art, daß sie ihn an ihre Verwandten in Schweden verwies, um sich das Geliehene von ihnen zurückerstatten zu lassen. Der Mann ging deshalb nach Schweden, kam mit dem erhaltenen Gelde zurück und setzte seine Wallfahrt fort. - Einst erkrankte Katharina, Brigittas Tochter, zu Rom. Ein vomehmer Römer wollte sie besuchen. Die Hausgenossen schämten sich, ihn vorzulassen, denn Katharina lag auf 50 Streu, hatte nur ein Kissen unter dem Haupte und war mit einem alten geflickten Mantel bedeckt. Der vornehme Mann fand aber alles aufs anständigste eingerichtet und äußerte später zu Brigittas Leuten: "Euere Damen gelten für arm und nehmen häufig Geld auf Borg, um ihre notwendigen Lebensbedürfnisse zu kaufen. Es wäre besser, wenn sie unterließen, eine so prächtige häusliche Einrichtung zu unterhalten; sie sollten dieselbe lieber verkaufen, um nicht Mangel an Kleidern und Nahrung zu haben." - Brigitta mischte sich häufig unter die Bettler, flickte und säuberte ihnen die Kleider, ja, ließ sich mit ihnen Almosen geben. So saß sie oft unter den Armen vor der Pforte des St. Lorenzklosters in Panisperna, und bat mit ihnen um das Almosen, speiste mit ihnen an der Pforte, und küßte das empfangene Brot.
Nachdem Brigitta einige Jahre in Rom zugebracht hatte, ward ihr vom Herrn geboten, nach Neapel und Sicilien zu gehen, um die vielen Orte zu besuchen, wo heilige Leiber verehrt werden, namentlich das Grab des heiligen Thomas. Es ward ihr die Eröffnung noch anderer Geheimnisse an Ort und Stelle zugesagt. Bevor sie diese Reise antrat, hatte Brigitta 1350 den oben erwähnten kuzen Ausflug nach Farfa, und später eine Reise nach Assisi gemacht, wohin der heilige Franziskus sie eingeladen, als sie in seiner Kirche in Transtevere sein Fest begehen half und er ihr dabei erschienen war und zu ihr gesagt hatte: "Komm' in meine Zelle, um mit mir zu speisen und zu trinken." Brigitta machte sich in Gesellschaft ihrer Tochter Katharina alsbald auf den Weg nach Assisi, wo sie fünf Tage verweilte. Am Ende ihres Aufenthaltes begab sie sich in die Kirche Portiunkula, um sich und die Ihrigen dem heiligen Franziskus zu empfehlen. Dieser erschien ihr, belobte sie, daß sie gekommen, machte ihr aber bemerklich, daß, wenn er sie eingeladen, in seine Zelle zu kommen und bei ihm Speise und Trank einzunehmen, er damit nicht seine Kirche gemeint habe, sondern sein Haus sei der wahre Gehorsam, seine Speise aber sei die Bekehrung des Nächsten von der Eitelkeit der Welt zum Gehorsame Gottes, sein Trank dagegen die Freude, welche er über des Nächsten Bekehrung zu Gott empfinde. Zu beidem lud er Brigitta ein und munterte sie auf. Auf der assisischen Reise war es auch, wo Brigitta und Katharina des Weges verfehlten, und bei begin- 51 nender Nacht in einer elenden Hütte Aufnahme suchen mußten. Bald nach ihnen trat daselbst eine Anzahl Räuber ein. Von Katharinas Schönheit entflammt, dachten sie auf Unzüchtiges wider sie. Als sie um Mitternacht ihren Plan auszuführen im Begriffe und Mutter und Tochter im Gebete waren, ertönte auf Gottes Veranstaltung plötzlich Waffengeräusch vor der Hütte. Die Räuber, welche sich verfolgt wähnten, entflohen. Sie wagten zwar nicht, in der Nacht noch zurückzukommen, legten sich aber am folgenden Tage an dem nach Assisi führenden Wege auf die Lauer. Obwohl es heller Tag war, passierten Brigitta und ihre Begleiter die Stelle, ohne von den Wegelagerern bemerkt zu werden. Die Gesellschaft kam höchst erbauet von der Reise wohlbehalten wieder in Rom an.
XIII. Brigittas Reise nach Neapel. Ihr Verhältnis zur Königin Johanna. Sie wirkt verschiedene Wunder.
Der Zweck dieser Reise Brigittas war hauptsächlich der Besuch der Hauptkirchen und der Stätten, wo heilige Leiber ruhten. Als ., Brigitta hierzu die Weisung empfing, war sie anfangs erschreckt; denn sie war bereits in ihren Jahren vorgerückt und glaubte, daß es ihr an Kräften zur Vollendung der Reise fehlen werde; auch mangelten ihr die Reisemittel. Auf diese Reise bezieht sich die im CVII. Kapitel des vierten Buches der Offenbarungen enthaltene Auffordrenng an Brigitta, von Neapel nach Amalfi zu gehen, das Grab des Apostels Andreas zu besuchen, und dann nach Neapel zurückzukehren, Außer Amalfi besuchte Brigitta von Neapel aus noch mehrere Orte. Sie ging nach Benevent, wo der heilige Bartholomäus hauptsächlich verehrt wird, dessen Gebeine eine Zeit lang daselbst aufbewahrt gewesen. Hier ward ein Bischof, wahrscheinlich Thomas von Wexiö, der in Brigittas Begleitung dahingekommen war, durch Befolgung eines ihm von ihr gegebenen Rates von der Steinkrankheit befreit. Von diesem Bischofe ist im XII. Kapitel des dritten Buches der Offenbarungen die Rede. - Auch nach Ortona, wohin des Apostels Thomas Reliquien aus Indien, respektive Mesopotamien, gebracht waren, machte Brigitta 52 eine Reise (vgl. Kap. IV des siebenten Buches der Offenbarungen). Auf der Reise dahin mußte sie einmal mit ihren Begleitern nachts unter freiem Himmel im Regen zubringen. Bei Tagesanbruch sprach Christus zu Brigitta: "Aus dreierlei Gründen erfahren die Menschen Widerwärtiges: entweder zu größerer Demütigung, wie König David getrübsalt ward, oder zu größerer Furcht und Vorsicht, wie Sarah, Abrahams Weib, welche vom Könige weggenommen ward, oder zum Troste und zur Ehre des Menschen. So ergeht's jetzt auch euch. Ich habe euch angeregt, eines Tages nicht weiter zu gehen; allein ihr habt mir nicht glauben wollen. Deshalb habt ihr ausstehen müssen, was ihr jetzt erleidet. Nun gehet ein in meine Stadt, mein Apostel Thomas wird euch geben, was ihr begehrt." In Ortona war es, wo aus der Lade, welche die Überreste des heiligen Thomas umschloß, eine Partikel der Reliquien auf unbegreifliche Weise in Brigittas Hände flog, wie Bonifacius IX. in der Kanonisationsbulle anführt.
Der Berg Gargano in Apulien, berühmt durch eine Erscheinung des Erzengels Michael, erfreute sich ebenfalls eines Besuches der heiligen Brigitta. Sie ward traurig bei der Wahrnehmung, daß die Andacht zu diesem Wunder und die Verehrung des heiligen Erzengels bei den Leuten abgenommen habe und betete, daß es hiermit unter ihnen anders werden möge. Gott antwortete ihr (Offenbarungen, viertes Buch, Kap. CXXXI.): "Diese Leute seien an Schmutz gewöhnt, und nicht anders, als durch Schläge zu erziehen."
Vom Berge Gargano ging Brigitta über Bari nach Manfredonia. Unterwegs ereignete sich, was im dritten Buche, Kapitel XII der Offenbarungen, gemeldet worden, daß der Bischof von Wexiö, dessen Heilung oben schon erwähnt ist, bei einem Sturze vom Pferde zwei Rippen zerbrach, aber auf Brigittas Gebet soweit hergestellt ward, daß er sie nach Rom zurückbegleiten konnte. Aus dem Umstande, daß der bald darauf nach Schweden zurückgekehrte Bischof den König Magnus Smeek nicht mehr auf dem Throne fand, läßt sich schließen, daß diese Reise Brigittas um das Jahr I365 stattgefunden haben mag. - In Bari verehrte Brigitta die Reliquien des heiligen Nikolaus, weiland Bischofs von Myra in Cilicien, welche Kaufleute aus Bari, die nach der Gegend von Myra 53 Handel trieben, nach der Eroberung dieser Stadt durch die Türken in ihre Vaterstadt nach Italien gerettet hatten. An Nikolaus Grabe hatte Brigitta die im CIII. Kapitel des sechsten Buches ihrer Offenbarungen gemeldete Vision. Sie sah auch das heilige Öl, das aus den Gebeinen dieses Heiligen ausfließt, mit eigenen Augen. - Infolge der auf der Reise ausgestandenen Entbehrungen und Strapazen wurden mehrere von Brigittas Begleitern in Bari krank. Hier ward Brigitta und ihren Reisegefährten, trotz der Adventsfasten, das Fleischessen erlaubt, worüber Kapitel XCIX der Extravaganten nachzulesen.
Auf ihrer Weiterreise kam Brigitta nach Salerno, wo ein großer Teil der Reliquien des Apostels Matthäus aufbewahrt wurde. Hier hatte sie in einem Gesichte die Erscheinung dieses Apostels. Nachdem Brigitta in Amalfi den Gebeinen des Apostels Andreas ihre Verehrung dargebracht, kehrte sie gegen Weihnachten nach Neapel zurück.
Ihre Begleiter auf der neapolitanischen Reise waren ihre Kinder Birger und Katharina, Petrus Olafson, der Kapellan Magnns, Alfons, Bischof von Jaen, der Bischof von Wexiö und mehrere Frauen. In Neapel beeilten sich viele angesehene Leute, Brigitta in ihren Häusern Obdach und Herberge anzubieten. Sie zog aber vor, in einer öffentlichen Herberge mit ihren Gefährten einzukehren. Während ihres Aufenthaltes in Neapel erhielt Brigitta von einer Nonne Klara aus dem heiligen Geistkloster eine Botschaft, indem sie ihr sagen ließ: "Von der Königin Sancha (Gemahlin Königs Robert von Cicilien) habe ich einige Haare der heiligen Jungfrau zum Geschenke erhalten. Mir ist geoffenbart worden, daß ich dieselben Dir zukommen lassen soll. Ein Zeichen, daß ich wahr rede, sei Dir die Mitteilung, daß ich binnen wenigen Tagen sterben und zu meinem Herrn kommen werde, den meine Seele über alles liebt." - Obwohl diese Nonne wenige Tage darauf starb, war Brigitta dennoch zweifelhaft, ob die Haare echt seien. Da erschien ihr, während sie betete, die Jungfrau Maria und sprach zu ihr: "Wie es wahr ist und als wahr geglaubt wird, daß ich Anna's und Joachims Tochter bin, so wahr ist es, daß diese Haare auf meinem Haupte gewachsen sind."
Während ihres Aufenthaltes zu Neapel wirkte Brigitta an 54 vielen Seelen reiche Frucht. Im V. Kapitel des siebenten Buches der Offenbarungen geschieht eines Elziarius oder Eleazar Erwähnung, des Sohnes einer Gräfin von Ariano, welcher sich Brigittas Gebeten empfohlen hatte. Diese erteilte ihm nicht allein heilsame Ratschläge, sondern offenbarte ihm auch Geheimnisse feines Herzens und Begegnisse, die seiner warteten. Er ward dadurch erschüttert, wendete sich beharrlich dem Guten zu, und starb als Kardinal der Kirche.
Einem Spanier Gomez empfahl Brigitta, den Hof der Königin Johanna von Neapel zu meiden, und bewirkte, daß er sein Leben besserte. Welche Ratschläge sie ihm erteilt, ist im XI. Kapitel des siebenten Buches der Offenbarungen zu lesen. Auch auf die sittenlose Königin Johanna suchte Brigitta nach Kräften einzuwirken, um eine Besserung ihres Sinnes herbeizuführen. Doch hatte solches nur vorübergehende Folgen. Namentlich widerriet Brigitta der Königin die weitere Beförderung ihres Günstlings Antonio Carlet (oder Coletto), und machte ihr bemerklich, daß, wenn sie damit fortfahren sollte, dieses üble Folgen haben dürfte. Johanna folgte Brigitta nicht und deren Prophezeiung erfüllte sich. Sie hatte zwar vor Brigitta die höchste Achtung und nach ihrem Tode schrieb sie an deren Tochter Katharina noch einen sehr anerkennenden Brief. Brigitta hatte in Bezug auf die Königin mancherlei Gesichte, z. B. Kapitel XI im siebenten Buche der Offenbarungen. Die letztgedachte Offenbarung, welche für die Königin Johanna die ärgsten Vorwürfe enthält, sendete Brigitta durch den Bischof Alfons von Jaen der Königin zu. Obgleich deren Laster darin in der grellsten Weise geschildert erscheinen, war Johanna Brigitta danach doch keineswegs abhold, sondern verehrte sie nur noch mehr und empfahl sich auf das angelegentlichste ihren Gebeten, ja, sie bat Brigitta, ihr die Art und Weise ihres Verhaltens vorzuschreiben, um den Schaden, den sie durch ihre bisherige Handlungsweise erfahren, wieder gut zu machen. Brigitta schrieb ihr vor, eine Generalbeicht aller ihrer Sünden abzulegen, und den ernsten Vorsatz zu fassen, vom bisherigen Sündenleben abzustehen, durch welches sie den Haß Gottes und der Menschen auf sich geladen, ferner, alle ihre Schulden zu bezahlen und zu erstatten, was sie ungerechterweise an sich gebracht, desgleichen, daß sie die unerschwinglichen Abgaben der 55 Unterthanen mindern solle. Nächst alledem forderte Brigitta Johanna auf, dem Leiden Christi eine besondere Andacht zuzuwenden. - Diese und andere Ermahnungen hörte Johanna zwar gern an und solange Brigitta in ihrer Nähe weilte, schien sie auch in ihrem Verhalten ganz umgewandelt. Allein nachdem Brigitta Neapel verlassen, verfiel sie wieder in ihr altes Sündenleben.
Nicht minder als Johanna erwies der Erzbischof Bernhard von Neapel Brigitta alle mögliche Verehrung. Er nahm in einigen Zweifeln seine Zuflucht zu der frommen Frau und bat sie um ihre Fürbitte bei Gott, daß er seine Herde, wie es Gott gefalle, fahren möge. In einer langen Offenbarung ward Brigitta zur Mitteilung an Bernhard eröffnet, was dieser in seinem geistlichen Regimente zu beobachten habe. Bernhard befolgte, was ihm zu seinem Heile geoffenbart worden war, und genoß reichen Segen davon. Er ließ sogar Brigittas Offenbarungen in seiner Kirche öffentlich vorlesen.
Auch verschiedene Wunder wirkte Brigitta in Neapel. Ein zehnjähriger Knabe, ein Enkel des Großmarschalls der Königin Johanna, litt an einem Zehrfieber und war von den Ärzten bereits aufgegeben. Seine Mutter wandte sich mit vollem Vertrauen an Brigitta mit der Bitte, daß sie über ihren sterbenden Sohn - das Zeichen des heiligen Kreuzes machen wolle. Brigitta begab sich zu dem Kranken, berührte dessen Stirn, segnete ihn mit dem heiligen Kreuze und Wunder! in demselben Augenblicke war der Knabe wieder gesund.
In Neapel war ein Weib, das von einem unsauberen Geiste über die Maßen gequält ward. Derselbe. hatte ihren Leib so aufgetrieben, als wenn sie jeden Augenblick gebären müßte. Dann war wieder mit einem Male die Geschwulst vergangen. Das hatte sich viele Jahre lang wiederholt. Brigitta, an welche die Leidende sich wendete, erkannte sogleich die Ursache und offenbarte ihr, wie sie in der Beicht eine schwere Sünde verschwiegen und unwürdig kommuniziert habe. Dadurch habe der böse Feind Gewalt über sie bekommen; sie solle nun schleunig diese Sünde nachträglich beichten und reumütig kommunizieren. Kaum war dieses geschehen, so verschwand der unsaubere Geist wie ein Rauch.
In Neapel war es auch, wo Brigitta, in das Haus einer adeligen Dame Jakoba aufgenommen, derselben den nahen Tod 56 ihres Bruders Nikolaus Acciajolo vorhersagte. Jakoba, dadurch erschreckt, eilte nach ihres Bruders Wohnung. Derselbe befand sich eben anscheinend in bester Gesundheit bei der Königin, welcher er in Staatsangelegenheiten Vortrag hielt. Jakoba war erfreut und hielt sich überzeugt, daß Brigitta falsch berichtet gewesen. Nikolaus aber erkrankte am folgenden Tage und war am vierten eine Leiche. Dies geschah 1366.
XIV. Brigittas Rückkehr nach Rom. Sie bemüht sich um die Bestätigung des Klosters zu Wadstena und des Ordens vom Welterlöser.
Es war um die Fastenzeit des Jahres 1366, als Brigitta von ihrer neapolitanischen Reise nach Rom zurückkehrte. Hier betrieb sie nun mit allem Eifer die Errichtung des Klosters zu Wadstena und die Stiftung des Ordens vom Welterlöser, dessen Plan sie schon von Schweden mitgebracht hatte. Die Regel des Ordens hatte sie, wie gedacht, bereits von Christo selber erhalten, nur fehlten ihr .noch die Lektionen, welche im neu zu errichtenden Kloster gelesen werden sollten. Sie wandte sich deshalb mit ihrem Anliegen an Christum. Dieser erschien Brigitta und verhieß ihr seinen Engel, welcher ihr offenbaren werde, was sie lesen lassen solle. Brigitta hatte im Hause des Kardinals nahe bei der Lorenzkirche in Damaso ein Zimmer, aus welchem ein Fenster den Blick auf den Altar der Kirche und das Allerheiligste gewährte. Hier saß sie, mit der Feder in der Hand, der Erscheinung des Engels gewärtig, welcher ihr als der Überbringer der Lektionen angekündigt war. Derselbe erschien mehrere Tage lang hintereinander und nahm neben ihr eine solche Stellung ein, daß er mit ehrerbietigem Blicke nach dem Altare hinschaute. Er diktierte Brigitta in ihrer Muttersprache deutlich und in der Ordnung die Lektionen, welche vornehmlich dem Ruhme der Vortrefflichkeit der allerseligsten Jungfrau gewidmet sind. Brigitta schrieb die Lektionen wörtlich nieder und Petrus von Alvastra übersetzte dieselben nachmals ins Lateinische. An manchen Tagen blieb der Engel aus und sie antwortete dem Pater Petrus auf seine Frage: "Was sie heute geschrieben?" voll 57 Demut: "Mein Vater, heute habe ich nichts geschrieben; ich habe lange auf den Engel Gottes gewartet, damit er mir diktiere; er ist aber heute nicht gekommen-" So entstand der sogenannte Sermo angelicus, welcher auch von dem Engel selber abgeteilt ward, wie er in der Matutin gelesen werden sollte.
Nachdem alles vorbereitet worden war, um die Bestätigung des Papstes zu bewerkstelligen, legte Brigitta das Werk dem heiligen Vater vor, wie es ihr in der Vision befohlen worden war (achtes Buch der Offenbarungen, Kapitel Ll). Auch dem Kaiser Karl IV. stellte Brigitta die neue Ordensregel zu und bat ihn, dieselbe fördern zu helfen. Als Urban V. und der Kaiser Karl zur Krönung des letzteren in Rom zusammentrafen, verhandelte Brigitta ihre Angelegenheit mit denselben auch mündlich. Sie hatte zur Förderung derselben um 1367 noch ihre Söhne Karl und Birger nach Rom kommen lassen. ⋅1⋅ Die Audienz, welche Brigitta beim Kaiser hatte, muß zwischen dem 21. Oktober und 1. November stattgefunden haben. Was Brigitta mit dem Papste verhandelt, mag im CXXXVII. Kapitel des vierten Buches der Offenbarungen nachgesehen werden. Lange Zeit waren Brigittas Bemühungen erfolglos. Endlich erhielt sie 1370, als Urban in Montefiascone weilte, die gewünschten Bestätigungen der Regel sowohl, als des Nonnen- und Mönchsklosters zu Wadstena. Die Bestätigungsbulle ist vom 5. August 1370 datiert. Erneuerte Bestätigungen erhielt diese Regel des Brigittaordens durch die Päpste Gregor XI. und Urban VI. Wadstena, wo das Kloster errichtet ward, liegt an einem Busen des Wettersees, ein und eine viertel Meile von Motala und fünfundzwanzig Meilen von Stockholm. Der Ort war zur Zeit der Klosterstiftung noch ein Flecken und ward erst 1390 zur Stadt erhoben. ⋅2⋅ Die Ansehnlichkeit und Pracht des Klosters 58 muß wenigstens für Schweden ausgezeichnet gewesen sein. Selbst Urban V. nennt es claustrum sumtuosum (ein mit vielem Aufwande errichtetes, ein prachtvolles Kloster). Der schwedische Dichter Messenius versichert sogar, "daß in der ganzen Welt kein Gebäude sich an ausgezeichneter Bauart dem Kloster Wadstena an die Seite stellen könne." Den Plan zu diesem Kloster mag Brigitta schon in Schweden gefaßt, auch einen Teil ihres Vermögens für diese Stiftung bestimmt haben. Wie sie das Vorhaben lange mit sich herumgetragen, ergiebt sich aus den Kapiteln XXVIIIX, XXIX, XXXI, XXXIV und XXXVIII der revelat. extravag. Aller Wahrscheinlichkeit nach begann der Bau 1369. Johannes Pedersson, welcher Brigittas Gesellschafter in Rom war, hatte von ihr den Auftrag zur Führung des Baues erhalten, und zuverlässige Nachrichten melden, daß der Bau fünf Jahre vor dem Einzuge der irdischen Überreste Brigittas in ihr Kloster ausgeführt worden. Da nun die Einführung dieser Reliquien 1374 erfolgte, so muß 1369 59 jenes fünfte Jahr vorher gewesen sein. Im Jahre 1374 war das Kloster bereits bewohnt; denn Katharina, welche den Leichnam ihrer Mutter überbrachte, fand schon Mönche und Klosterfrauen vor, und es heißt in der alten darüber vorhandenen Nachricht (bei Ulfo), daß die gesamte Kongregation der Brüder und Schwestern den Leib ihrer Stifterin in Empfang genommen. Eingesetzt in den Besitz wurde der Erlöserorden aber erst 1380, und die feierliche Einführung der Mönche und Nonnen durch den Erzbischof von Upsala und die Bischöfe von Linköping und Strengnäs fand 1384 statt. Erst 1388 trat Ingegrid, eine Tochter Margaretas und Kanut Algots, also eine Enkelin Brigittas, ihr Amt als erste Äbtissin des Klosters Wadstena an. Zur Dotation des Klosters steuerte auch Albrecht von Mecklenburg bei, welcher nach Vertreibung des Königs Magnus Smeek 1363 den schwedischen Königsthron bestiegen hatte.
Die Meinung einiger Schriftsteller, daß Brigitta außer dem Klosterorden des Welterlösers noch einen geistlichen Ritterorden gestiftet, ist eine irrige. Sie beruht auf Kapitel VII des vierten Buches und Kapitel XXXII des achten Buches der Offenbarungen Brigittas, wo allerdings von Rittern und der Gelübdeformel, mittels deren sie sich der Kirche widmeten, die Rede ist. Man will selbst wissen, dieser Orden sei 1366 gestiftet, habe aber bald nach Brigittas Tode wieder sein Ende genommen. Man giebt sogar seine Tracht an und beschreibt die Regel als der Regel der Malteser sehr ähnlich. Allein an allen diesen vortrefflichen Nachrichten ist leider nur auszusetzen, daß es an jedem historischen Erweise ihrer Richtigkeit fehlt. -
XV. Brigitta tritt auf höheres Geheiß ihre Wallfahrt nach Jerusalem an. Ihre Ankunft in Cypern.
Die Wallfahrt nach Jerusalem, womit Brigitta ihre irdische Laufbahn gewissermaßen beendete, war ihr in ihren Gesichten schon verschiedentlich im voraus angekündigt. Im I. Kapitel des siebenten Buches ihrer Offenbarungen spricht Maria zu Brigitta: "ich verkündige Dir, daß Du, wenn es meinem Sohne gefallen wird, 60 eine Pilgerfahrt nach Jerusalem unternehmen wirst." Im VI. Kapitel daselbst erscheint ihr Christus und fordert sie auf, sich zur Reise nach Jerusalem zu rüsten, um sein Grab und andere heilige Orte zu besuchen. Diese Erscheinung fand am 25. Mai 137I statt, einige Jahre nach Brigittas Rückkehr aus Neapel. Auch der heilige Stephanus sagt (Kapitel CVIII im nämlichen Buche der Revelationen) Brigitta voraus, sie werde nach Jerusalem und an die Stätte seines Leidens kommen. Brigitta weilte, näherer Winke gewärtig, zu Rom, Da erschien (Offenbarungen, siebentes Buch, Kapitel IX) im Mai 1372 Christus ihr wieder und gebot ihr, nun von Rom aufzubrechen. Brigitta erschrak, weil sie schon alt war und sich einer solchen Reise nicht mehr gewachsen glaubte. Christus aber entgegnete: Er, der Schöpfer der Natur, werde doch wohl auch einer Schwachen Stärke verleihen können, und verhieß ihr wohlbehaltene Heimkehr nach Rom. Nun rüstete Brigitta sich ernstlich zur Abreise. Zu Reisegefährten erwählte sie ihre Tochter Katharina, ihren Beichtvater Petrus Olafson und Peter von Alvastra, ihren Kapellan Magnus, ihre Söhne Karl und Birger, ingleichen den Bischof Alfons von Jaen. Noch vor ihrer Abreise erhielt sie die Offenbarung, daß ihre Begleiter mit Ausnahme eines einzigen mit ihr zurückkehren würden, und zwar werde sie, wie sie selbst einem Freunde vertraute, den liebsten ihrer Begleiter verlieren. Latinus Orsini gab der abreisenden Gesellschaft auf dem Wege nach Neapel das Geleite. In Neapel angekommen, stellte Brigitta ihre Söhne der Königin Johanna vor, welche damals im Witwenstande lebte. Es war Sitte, daß man vor den irdischen Majestäten sich aufs Knie niederließ und ihnen die Füße küßte. Karl in seiner Kühnheit näherte sich der Königin aber noch mehr und küßte Johanna auf die Lippen. Dieser Kuß und Karls stattliches, ritterliches Wesen versetzte die Königin in verzehrende Flammen. Sie dachte an nichts, als Karl zu ihrem Gemahle zu machen, und verweigerte ihm die Abreise. Brigitta arbeitete mit allen Kräften dagegen und stellte Johanna vor, daß ihr Sohn schon eine Frau daheim habe. Als die Königin sich taub gegen alle Vorstellungen und entschlossen zeigte, zu thun, was sie sich vorgenommen, nahm Brigitta ihre Zuflucht zum Gebete und bat Gott, lieber ihren Sobn aus der Welt abzurufen, ehe das Unheil geschähe, das die Königin 61 beabsichtigte. - Brigitta ward erhört. Ein hitziges Fieber ergriff ihren Sohn Karl und raffte ihn in wenigen Tagen dahin. Er starb am 12. März 1372 in den Armen seiner Mutter, welche Gott dankte, daß er ihn mit allen Sakramenten versehen und so wohl vorbereitet zu sich genommen. Johanna kam in Person zu Brigitta, derselben ihr tiefes Beileid zu bezeigen. Um ihre Teilnahme an den Tag zu legen, folgte Johanna mit ihrem Hofe dem Leichenzuge in die bischöfliche Kathedralkirche. Bald darauf erschien die Himmelskönigin Brigitta und sprach: "Ich habe, ehe er seinen Geist aufgab, neben Deinem Sohne gestanden, damit er nicht fleischliche Liebe im Sinne haben und so etwas Gott Mißfälliges unterlassen möge" (Offenbarungen, siebentes Buch, Kapitel XI). Im XIII. Kapitel daselbst wird auch erzählt, wie Brigitta am Himmelfahrtstage sah, wie Karls Seele zum Himmel hinaufgetragen wurde.
Bei ihrer diesmaligen Anwesenheit in Neapel war es, wo Brigitta auf Bitten des Erzbischofs Bernhard sich ins Gebet begab und von Christo für denselben Ratschläge und Ermahnungen erbat und auch erhielt.
Diese teilte sie dem Erzbischofe mit, wie dieser nach ihrem Tode bezeugt hat.
Bei dieser Anwesenheit Brigittas zu Neapel erfolgte auch die Befreiung der Nolanerin Picciotella von einem bösen Geiste, deren die Kanonisationsbulle gedenkt. - Auch die Prophezeiung an Maria, die Gemahlin des Spaniers Alfons, daß sie ihre Tochter (welche sie dem Klosterleben entzogen hatte) niemals vermählt sehen würde, ⋅1⋅ fällt in diese Anwesenheit Brigittas zu Neapel. Marias Tochter starb wenige Tage nach dieser Vorhersage Brigittas. Am Palmsonntage 1372 schiffte sich Brigitta mit ihrer Gesellschaft, welche durch die genannte Spanierin Maria vermehrt worden war, in Neapel ein. In einigen Tagen erreichte das Schiff Messina, wo 62 die Gesellschaft bis zum Karfreitage zubrachte. An diesem Tage ward die Fahrt weiter fortgesetzt und am vorletzten Tage des Märzmonates erreichte man Cephalonia. Nun verloren die Schiffer, wie es scheint, die Richtung und irrten im griechischen Meere umher. Endlich landete man in Famagusta auf Cypern. Auf der ganzen Reise und bis hin nach Jerusalem hatte Brigitta die lange Offenbarung, welche im XIII. Kapitel des siebenten Buches beschrieben worden. In derselben wurde ihr gezeigt, wie über die Seele ihres Sohnes Karl Gericht gehalten ward. Das Gericht dauerte von der Abreise aus Neapel an (welche sogleich nach der Bestattung von Karls Leiche erfolgt war) bis zu Brigittas Eingange ins heilige Grab, wo sie Karls Seele aus den Peinen des Fegfeuers schon erlöst und in der ewigen Herrlichkeit sah.
Königin Eleonora von Cypern, eine Tochter Pedros von Aragonien, war die hinterbliebene Witwe König Peters von Lusignan, welcher die Insel Cypern beherrscht hatte, und regierte nun unter der Aufsicht der Vettern ihres Gemahles, Johann und Jakob, das Land, welches durch einen ausgebreiteten Handel mit Venedig in blühendem Zustande sich befand. Eleonora fragte Brigitta nicht allein in wichtigen Staatsangelegenheiten um Rat, sondern vertraute ihr auch ihre Privatgeheimnisse. Christus empfahl Eleonora durch Brigitta, weder in ihre Heimat zurückzukehren, noch eine andere Ehe wieder einzugehen (Kapitel XVI, siebentes Buch der Offenbarungen), ihres Mannes Tod nicht zu rächen und ihrem Sohne Petrinus getreue Räte zur Seite zu geben. Auch diesem seIbst gab Brigitta gute Ratschläge. Im folgenden Jahre ward Cypern von den Genuesern erobert und Petrus II. (obiger Petrinus) erhielt das Reich nur gegen Versprechung eines Tributes wieder zurück. Er starb schon 1384. Sein Oheim Jakob folgte ihm, ebenfalls den Genuesern tributbar. Dieser starb 1398. Johann, den zweiten Oheim, der an der Ermordung seines Bruders, des Gemahles der Königin EIeonora, schuld war, ließ diese aus Rache 1375 umbringen. Auf diesen Johannes bezieht sich, was Kapitel XVI, siebentes Buch der Offenbarungen, von einem Herzoge (dux) zu lesen, welcher Mitwisser am Morde seines Bruders war. - Brigitta verkündigte übrigens den Einwohnern von Famagusta, deren Sittenverderbnis sie zu ihrem Leide wahrnahm, die Nieder- 63 lage voraus, welche ihnen im nächsten Jahre durch die Genueser bevorstand. Obgleich Brigitta bei den Einwohnern Cyperns in hoher Verehrung stand, so hatten ihre Vermahnungen an dieselben doch geringen Erfolg. Wahrscheinlich war dies der Grund, weshalb Brigitta ihren Aufenthalt in Cypern abkürzte und nur einige Wochen daselbst zubrachte.
XVI. Brigittas Reise von Cypern nach Palästina, Besuch der heiligen Orte daselbst und Rückkehr über Cypern nach Neapel.
Als Brigitta Cypern verließ, ward ihr geraten, auf der ferneren Reise ihre Kleider zu ändern und sich das Gesicht zu schwärzen, um so unerkannt zu bleiben und den Beleidigungen der Saracenen besser zu entgehen. Im Vertrauen auf die Verheißungen ihres himmlischen Bräutigams, und in der Überzeugung, daß er ihr bester Schutz sein würde, verschmähte Brigitta die empfohlene Sicherheitsmaskerade. Im XVI. Kapitel des siebenten Buches ihrer Offenbarungen hat sie die tadelnden Äußerungen Christi über den ihr erteilten Rat verzeichnet. Brigittas Fahrt ging von Cypern nach Joppe. Ehe die Gesellschaft den Hafen erreichte, richtete ein heftiger Sturm das Fahrzeug also zu, daß es nur eben bis zum Lande zusammenhielt, dann aber auseinanderfiel. Die Habseligkeiten der Reisenden wurden so ein Raub des Meeres. Brigitta ertrug diesen Verlust mit himmlischem Gleichmute. Voll Freude, daß sie in dem Schiffbruche keines der Ihrigen verloren, eilte Brigitta nach Jerusalem. Hier konnte sie nun bei den Minoriten auf dem Berge Sion, oder in der öffentlichen, für christliche Pilger errichteten Herberge Einkehr nehmen. Sie legte ihrem himmlischen Bräutigam die Frage vor, wo sie einkehren solle. Die Jungfrau Maria erschien ihr (Kapitel XVII im siebenten Buche der Offenbarungen) und befahl ihr, im öffentlichen Hospitale zu herbergen, um den Lauen und Weichlichen ein Vorbild zu geben und denselben zur Erbauung zu gereichen. Die Minoriten auf dem Berge Zion bedurften einer solchen Anregung nicht. Brigitta, welche in Neapel die ärmlichen Herbergen den Palästen der Großen, die ihr zur Wohnung angeboten waren, vorzuziehen gewußt hatte, ward es 64 nicht schwer, sich in die Unbequemlichkeiten und Entbehrungen zu finden, welche ihr der Aufenthalt im Hospitale zu Jerusalem auferlegte.
Sofort nach ihrer Ankunft in Jerusalem begann Brigitta ihre demütigen Besuche der Stätten, welche durch die Geburt, das Leben, die Predigten und das Leiden des Gottmenschen geheiligt sind und der frommen Verehrung sich darbieten. Wenn Brigitta von zartester Jugend an dem leidenden Christus mit der ganzen Stärke ihrer frommen Empfindungen zugethan gewesen, wenn diese Liebe durch die unausgesetzte Vergegenwärtigung der Leiden Christi im Fortgange ihrer Jahre an Wachstum zugenommen, und wenn Brigitta fortwährend durch auserlesene Gnaden in dem Bewußtsein ihrer ununterbrochenen Verbindung mit dem göttlichen Dulder erhalten ward, so wird man begreifen können, welche Nahrung ihrer Inbrunst der Anblick der durch seine leibliche Anwesenheit geweihten Stätten, das Verweilen an denselben, und die Erinnerungen und Gefühle, welche jene wach riefen, zuführen mußte. Hier waren Christi Füße gestanden, hier hatte er seine Wege gewandelt, hier seine göttliche Rede vernehmen lassen, hier den Boden mit dem Schweiße seiner Mühsal und Angst genetzt, ja mit seinem teuren Blute gerötet. Welche Gedächtniswecker, welche Aufforderungen, sich in heilige Erinnerungen zu vertiefen, umgaben die fromme Matrone!
Nichts Eiligeres hatte Brigitta zu thun, als sogleich am Tage nach ihrer Ankunft zu Jerusalem (es war der 6. Mai und Himmelfahrtsfest) das Grab des Erlösers zu besuchen. Die Gnaden, welche die Heilige bei diesem Besuche erfuhr, sind im XIV. Kapitel des siebenten Buches ihrer Offenbarungen verzeichnet. Christus verkündigte ihr die Erlösung mehrerer Seelen aus ihrer Verwandtschaft (unter denen auch die ihres Sohnes Karl sich befand) und deren Eingang in die Herrlichkeit. Diese Ansprache erfüllte sie mit himmlischem Troste. Alle Angst und Drangsale, welche sie erlitten, waren vergessen und heiliger Jubel erfüllte ihre Seele. Am folgenden Tage (einem Freitage) besuchte Brigitta das heilige Grab wiederum. Hier ward ihr die ganze Folge der Leiden Christi in einem großen Gesichte gezeigt, während sie in der Kapelle des Kalvarienberges betete. Dies Gesicht ist im XV. Kapitel des 65 siebenten Buches ihrer Offenbarungen beschrieben. Die Aufeinanderfolge der einzelnen Scenen dieses leidvollen Schauspieles und das einzelne derselben stellt sich hier anders dar, als es in den Gesichten anderer erleuchteter Seher sich gezeigt. Nehme doch niemand hieran Anstoß und Grund zu Zweifeln an dem Werte solcher Erzählungen begnadigter Personen von ihren Gesichten her! Man soll bei solchen Abweichungen vor Augen haben, was die gottselige Emmerich darüber gesagt hat. "Aber es ist unmöglich," spricht sie, "das wieder zu sagen; denn es ist ganz unendlich viel, und ich bin dabei so voll Schmerz, Leid und Betrübnis über meine und aller Welt Sünden, und so zerrissen vom bitteren Leiden Jesu, daß ich gar nicht weiß, wie ich das wenige, was ich erzähle, noch zusammenbringe. Viele Dinge, besonders Erscheinungen und Thätigkeiten von Teufeln und Engeln, welche von anderen Seelen, die das Leiden Christi schauend betrachtet haben, in die Erzählung eingeflochten werden, sind einzelne Stücke solcher inneren, damals unsichtbaren, geistigen Wirkungsbilder, welche nach der Seelenrichtung der Schauenden bald so, bald anders behalten und mit der Erzählung verbunden werden. Daher oft Widersprüche, weil sie verschiedenes vergessen, verschiedenes übergehen, verschiedenes anmerken. Da alle Bosheit an Christo gepeinigt, alle Liebe in ihm gelitten hat, da er die Sünden der Welt, als das Lamm Gottes, auf sich genommen; wer kann da nicht unendliche Dinge des Greuels und der Heiligkeit erzählen? Wenn daher die Gesichte und Betrachtungen vieler frommen Leute nicht ganz übereinstimmen, so rührt dieses daher, daß sie nicht aus gleicher Gnade schauten, erzählten und verstanden wurden.", - Wer wollte sich nun an solchen Abweichungen stoßen, welche etwa auch in Brigittas Gesichten sich finden möchten? Geraten nicht selbst die Erzählungen bei den Evangelisten, wenn man sie streng in der Zeitfolge nehmen müßte, in Widerstreit miteinander? Müssen wir nicht festhalten, daß die Evangelisten, immer vorzugsweise auf die Hauptsache sehend, die Einzelheiten nicht immer ein jeder vollständig, noch auch in strenger Reihenfolge erzählen?
AIs Brigitta in der Kapelle des Kalvarienberges das Gesicht vom Leiden Christi hatte, vernahm sie auch, wie Christus sich über die Fürsten und Prälaten der Kirche und viele andere beschwerte, 66 daß sie so in Vergessenheit seiner Leiden dahinlebten und lieber die Vergnügungen der Welt aufsuchten, als die Betrachtung seiner Passion. - Unter den Gnaden, welche Brigitta in Jerusalem zu teil wurden, vergaß sie derer nicht, welche sich ihren Gebeten empfohlen hatten. Namentlich erstreckte sich ihre betende Fürsorge auf die Königin Eleonora von Cypern, deren Sohn, den König Petrus und das ganze cyprische Reich. Es wurden der Betenden sechs Ratschläge geoffenbart, deren Befolgung das Reich Cypern vom Untergange werde retten können, und welche sie dem Könige und dem Reichsverweser Johannes schriftlich zu melden angewiesen ward. Dieselben sind im XVIII. Kapitel des siebenten Buches der Offenbarungen enthalten. - Brigitta sandte noch ein zweites Schreiben nach Cypern, welches nicht sowohl Ratschläge, als Drohungen an die Cyprier für den Fall enthielt, daß sie sich nicht bessern sollten. Diese Zuschrift ist im XIX. Kapitel des siebenten Buches der Offenbarungen enthalten. Brigittas Voraussagungen gingen, da die verlangte Besserung nicht erfolgte, schon im folgenden Jahre, wo, wie gedacht, die Genueser die Insel Cypern eroberten, in Erfüllung. Die Insel verlor damit ihre Selbständigkeit; 1428 fiel ihr König sogar als Sklave in die Hände des Sultans von Egypten [sic!] und Cypern ward 1571 durch die Türken unterjocht. - Nicht minder verkündigte Brigitta auch den Untergang des oströmischen Reiches voraus, wofern es sich nicht unter die Kirchengewalt des Papstes zurückbegeben würde (vgl. das gedachte Kapitel XIX im siebenten Buche der Offenbarungen). - Brigitta hatte verlangt, daß ihr Schreiben an die Cyprier denselben öffentlich bekannt gemacht würde. Dies war unterlassen, und so las Brigitta selbst bei ihrer Rückkehr nach Famagusta am 8. Oktober 1372 das Schreiben daselbst öffentlich vor. - Wie ihr .bereits 1358 von der Jungfrau Maria verheißen worden (Kapitel I des siebenten Buches der Offenbarungen), kam Brigitta auch nach Bethlehem. Dort erschien ihr die seligste Jungfrau und zeigte ihr, wie und wo sie ihren göttlichen Sohn geboren, was im XXI. Kapitel des siebenten Buches von Brigittas Offenbarungen zu lesen. Auch die Offenbarungen in den folgenden fünf Kapiteln beziehen sich auf Brigittas Aufenthalt in Bethlehem.
Am Geburtstage der Jungfrau Maria, 8. September 1372, 67 pilgerte Brigitta in das Thal Josaphat, wo das Grab der Gottesmutter gezeigt wird (vgl. Kapitel XXVI, siebentes Buch der Offenbarungen). Hier erschien ihr dieselbe und machte Brigitta mit ihren letzten Augenblicken in einer Erzählung bekannt, welche übrigens von anderen Nachrichten abweicht. - Nachdem die heilige Brigitta vier Monate lang ihrer Sehnsucht nach den heiligen Stätten, welche sie über die Meere dahingetrieben, Spielraum gelassen, dachte sie, von der seligsten Jungfrau daran erinnert, am Ende des Septembermondes an ihre Heimkehr. Wie erwähnt, war sie am 8. Oktober in Famagusta. Am Ende des Jahres 1372 oder spätestens im ersten Anfange des Jahres 1373 kam Brigitta nach Neapel zurück. Am 26. Januar hatte sie daselbst die Offenbarung in Bezug auf die Rückkehr Papst Gregors XI. nach Rom und im Februar die zweite, denselben Gegenstand betreffend, welche sie durch den Bischof Alfons von Jaen nach Avignon sandte. Der Papst entging den vorausgesagten Gerichten, indem er nach Rom zurückkehrte, doch nicht auf Brigittas alleinigen Betrieb; denn sie hatte nur begonnen, die Heimkehr vorzubereiten. Ihr Werk setzte die heilige Katharina von Siena fort. Bei ihrer letzten Anwesenheit in Neapel war Brigitta nicht minder sorglich für das ewige Wohl von Land und Leuten, als bei ihrem früheren Auftreten daselbst. Königin Johanna und Erzbischof Bernhard ersuchten sie, für das Wohl der Neapolitaner, welche von einer schlimmen Pest heimgesucht waren, zu beten. Sie that's, da erschien ihr Christus und gab ihr eine Schilderung der allgemein herrschenden Laster, sowie des Verhaltens. das zu beobachten sei, wenn die dafür drohenden Strafgerichte abgehalten werden sollten. Brigitta teilte ihre Offenbarung (welche im XXVII. Kapitel des achten Buches enthalten ist) dem Erzbischofe mit, welcher dieselbe öffentlich in der Kirche verlesen ließ. Das Volk aber schenkte den Ermahnungen kein Gehör und ward deshalb von der Pest noch ärger heimgesucht, denn vorher. Außer der eben erwähnten hatte Brigitta jetzt noch eine andere Offenbarung in Neapel welche sich auf das Verhalten verschiedener Herrschaften gegen ihre Diener, auf Zauberer und Wahrsager bezog. Dieselbe ist im XXVIII. Kapitel des siebenten Buches enthalten. - Brigittas jetziger Aufenthalt zu Neapel muß nicht kurz gewesen sein, wenigstens versichert der Graf von Nola 68 in einer Handschrift, Brigitta habe lange in Neapel verweilt. Auch jetzt wirkte sie noch vieles zum Nutzen der Stadt und werden auch einige Wunder aus dieser Zeit gemeldet. Ein zu Neapel ansässiger Kaufmann ging nach Salerno zum Markte, wohin ihm aus Neapel geschrieben wurde, sein zurückgebliebener Bruder liege im Sterben. Der Kaufmann wandte sich im Gebete zu Gott und flehte, daß, wenn anders Brigitta so heilig sei, als wofür man sie halte, sein Bruder durch ihr Gebet und Verdienst die Gesundheit wieder erlangen möge. Die Heilung des Kranken erfolgte nun, ohne daß der Betende es wußte, auf der Stelle.
Als des Grafen von Nola Sohn, Roberto, sich zu Brigitta begab, um ihr zu der glücklichen Rückkehr aus Jerusalem Glück zu wünschen, kam man unter anderem auf die Rückkehr des Papstes nach Rom zu sprechen. Da sagte Brigitta: "Roberto! sei versichert, daß Du den Papst selber in Rom sehen wirst." Das geschah auch. Nach fünf Jahren begleitete jener Roberto selber den Papst nach Rom und teilte demselben mit, wie Brigitta, was jetzt geschähe, vorausgesagt gehabt.
Brigitta wollte nun ihre Rückreise nach Rom antreten. Da ihr aber die Mittel dazu fehlten, nahm sie Anstand; aufzubrechen. In dieser Verlegenheit erhielt sie von unbekannter Hand (man glaubt, durch die Königin Johanna) eine Summe Geldes, nahm jedoch das Geld erst an, nachdem Christus ihr gesagt, Freundschaft müsse nicht mit Feindschaft vergolten werden.
Nachbem Brigitta an allen Orten, die sie berührt, den Samen des göttlichen Wortes ausgestreut und Ermahnungen zum gottseligen Wandel und zur Erlangung der ewigen Seligkeit hinterlassen, kehrte sie nach Rom zurück, um daselbst ihre irdische Laufbahn zu beschließen.
XVII. Brigitta langt krank zu Rom an, wird von ihrem bevorstehenden Tode benachrichtigt und stirbt.
Es war nach Ablauf des Februars, als Brigitta nach Rom zurückreiste. Schon seit längerer Zeit und vor ihrer Wallfahrt nach Jerusalem litt sie an einer Schwäche des Magens und am Fieber. 69 Als sie aber in Rom angekommen war, verschlimmerte sich ihr Zustand immer mehr. Für die Höflichkeit, welche ihr Latino Orsini bei ihrer Abreise nach Neapel durch sein Geleit gegeben, übte Brigitta dadurch Wiedervergeltung, daß sie denselben bei ihrer Rückkehr, ihres leidenden Zustandes ungeachtet, gleich zuerst besuchte. Als sie in Orsinis Haus trat, hielt sich Brigitta die Nase zu und sprach kein Wort. Orsini hatte sich im Streite mit seinen Vasallen einer Ungerechtigkeit schuldig gemacht.
Etwas ähnliches geschah, als Brigitta mit ihrer Tochter Katharina und ihrem Kapellan Magnus im Hause des Giordano Marino zu Rom dessen Gemahlin besuchte. Mit einem Male empfand sie einen ganz abscheulichen Gestank, den sie kaum auszuhalten vermochte. Giordano Marino verwunderte sich hierüber gar sehr. Durch den Beichtvater Petrus erfuhr er, daß Brigitta, wenn eine Person in ihre Nähe kam, welche eine Todsünde begangen, allemal einen unerträglichen Schwefelgestank röche. - Diesen Geist, welcher Brigitta die Herzensgeheimnisse derer offenbarte, die ihr nahe kamen, erfuhr auch noch in Brigittas letzten Tagen ein gewisser Gomez von Spoleto. Als derselbe vernahm, daß Brigittas Kräfte abnähmen und man ihr baldiges Ende fürchtete, machte er sich mit Weib und Kind auf den Weg nach Rom, um sich noch einmal den Gebeten Brigittas, zu welcher ihn eine fromme Freundschaft hinzog, zu empfehlen. Hier in Rom lud er eines Tages Brigitta mit ihrer Tochter Katharina, ihrem Sohne Birger und den Beichtvater zu einer Mahlzeit in seine Wohnung ein. Gomez redete bei dieser Gelegenheit von geheimen Seelenangelegenheiten, welche er ganz zu offenbaren Bedenken trug. Da zeigte sich nun, daß Brigitta von seinen geheimen Gedanken und Empfindungen weit mehr wußte, als er ihr hatte offenbaren wollen. Auch die Kanonisationsbulle Bonifaz IX. erkennt diese Gabe Brigittas, in die Herzen anderer zu schauen, an. - Ihren letzten Aufenthalt in Rom benutzte Brigitta, um nach Kräften für das Wohl der Kirche zu wirken. Noch im Juli 1373 ließ sie ihre letzte Offenbarung in Bezug auf den Krieg mit Barnabo Visconti und die Zurückverlegung des päpstlichen Stuhles nach Rom durch Alfons, Bischof von Jaen, an den Papst befördern.
Einige Zeit vor ihrem Tode gingen Brigitta mit einem Male 70 die bis dahin so reichlich empfangenen göttlichen Tröstungen aus. Ihr göttlicher Bräutigam wollte ihre Geduld und Standhaftigkeit noch einmal hart prüfen. Allein er ließ sie nicht lange in dieser schweren Prüfung verweilen. Einige Tage vor ihrem Tode erschien ihr Christus vor dem Altare, welchen sie in ihrem Zimmer hatte, mit heiterem und gütigem Antlitz und sprach zu ihr: "Ich habe es mit Dir gemacht wie ein Bräutigam, welcher sich vor seiner Braut verbirgt, um desto sehnlicher von ihr verlangt zu werden. So habe ich Dich in diesen Tagen nicht mit meinem Troste heimgesucht, weil es die Zeit Deiner Prüfung war. Nun bist Du geprüft und kannst heimgehen. Rüste Dich dazu. Lege vor meinem Altare ein Nonnengewand an, denn Du sollst nicht allein zu meiner Braut, sondern auch zu einer Nonne und Mutter in Wadstena geweiht werden." - Hieraus ergiebt sich, daß Brigitta selber in ihrem Leben niemals Ordensschwester gewesen ist, obwohl man sie immer im Gewande ihres Ordens abgebildet erblickt. Sie ward aber in Ordenstracht nachmals zur letzten Ruhe bestattet, weshalb die Nachricht, daß sie als eine Franziskanerin im Gewande des Ordens des heiligen Franziskus bei dessen Klarissinnen beigesetzt worden, auf einem Irrtum beruht, welcher durch den Umstand erzeugt sein wird, daß sie in einem Franziskanerinnenkloster ihre Ruhestätte gefunden.
Nachdem sie jene Erscheinung Christi gehabt, erfreute sich Brigitta auch noch eines Besuches der allerseligsten Jungfrau Maria, welche zu ihr sprach: "Wenn ein krankes Weib Kinder gebärt, werden auch die Kinder krank, welche sie zur Welt bringt. Du aber wirst starke, gesunde und Gott ergebene Kinder gebären und gesünder sein, als Du je zuvor gewesen, und an den Dir bereiteten Ort kommen. Auch der heilige Franziskas ist lange krank gewesen und hat gleichwohl Frucht gebracht und den Willen Gottes erfüllt. Nachmals ist er gesund geworden und that und thut Größeres, als da er krank war. Du kannst aber fragen, weshalb Deine Krankheit sich also verlängere und Deine Natur und Kraft verzehre. Ich antworte Dir, daß mein Sohn und ich Dich lieben. Erinnerst Du Dich nicht, wie Dir mein Sohn in Jerusalem gesagt, Deine Sünden seien Dir erlassen worden, da Du in die Kirche seines Grabes eingegangen, als ob Du eben erst aus der Taufe gehoben 71 worden? Er hat Dir aber nicht gesagt, daß Du nicht mehr leiden solltest, solange Du in dieser Welt lebst. Darum ist es Gottes Wille, daß des Menschen Liebe der Liebe Gottes entspreche, und daß die begangenen Vernachlässigungen durch Geduld und Krankheit gereinigt werden. Denk' auch daran, wie ich Dir vielmals gesagt, daß meines Sohnes und meine Worte geistlicher- und leiblicherweise verstanden werden können, und wie ich Dir in der Stadt Stralsund gesagt habe, daß, wenn Du vor Vollendung der in den himmlischen Büchern (Offenbarungen) enthaltenen Worte, welche Dir von Gott gegeben worden, aus der Welt abgerufen sein werdest, Du alsdann wegen Deines guten Willens unter die Nonnen von Wadstena gerechnet, und alles dessen, was Dir von Gott versprochen worden, teilhaftig sein werdest."
Am 18. Juli 1373 erschien Maria Brigitta noch einmal und erklärte den zwiefachen Verstand ihrer Worte, d. h. was geistlicherweise sterben sei, indem sie also sprach: "Was sagen die Ärzte? Sagen sie etwa, daß Du sterben wirst? Wahrlich, meine Tochter, sie begreifen nicht, was sterben ist- Denn derjenige stirbt, welcher sich von Gott scheidet, in der Sünde verhärtet und die Unreinigkeit der Sünden nicht durch die Beicht ausspeit. Derjenige ist tot, welcher an Gott nicht glaubt und seinen Schöpfer nicht liebt. Aber der lebt und stirbt nicht. wer allezeit Gott fürchtet, durch häufiges Beichten seine Sünden reinigt und zu seinem Gotte zu kommen verlangt. Weil aber der Gott der Naturen mit Dir redet, der auch zugleich wider die Natur Anordnungen trifft und Dein Leben festhält, darum ist für Dich in den Arzneien weder Heil noch Leben und Du hast nicht nötig, Dich jetzt auf die Arzneien zu stützen; denn wenig Zeit bedarf wenig Speise."
Auch Christus hatte Brigitta auf ihr nahes Ende aufmerksam gemacht; denn er hatte bei der letzten Erscheinung also gesprochen: "Wisse, daß Du Deinen Leib hier in Rom ablegen wirst, bis er an die ihm bereitete Stätte kommen wird; es gefällt Gott, Dich ferneren Beschwerlichkeiten zu überheben und Deinen Willen für die That zu nehmen." - Dabei bezeichnete ihr Christus die Personen, welche sie zu ihrem Sterben um sich versammeln sollte, und äußerte noch mancherlei, was nicht aufgeschrieben worden, wie das Ende des XXXI. Kapitels des siebenten Buches von Brigittas 72 Offenbarungen ergiebt. Darauf sprach der Herr weiter: "Am fünften Tage in der Frühe. nachdem Du die Sakramente empfangen, berufe die Personen, welche ich eben benannt habe, einzeln nacheinander und sage ihnen, was sie thun sollen, alsdann wirst Du unter ihren Worten und Händen in Dein Kloster kommen, d. h. zu meiner Freude eingehen, und Dein Leib wird in Wadstena beigesetzt werden."
Mit Anbruch des fünften Tages erschien Christus Brigitta abermals und tröstete sie. Es ward dann vor ihr die Messe gefeiert und Brigitta empfing die Sakramente, worauf sie auf die in der Kanonisationsbulle näher beschriebene Weise unter den Worten: "In Deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist," verschied. - Dies geschah am 23. Juli 1373, als Brigitta ihr einundsiebzigstes Lebensjahr angetreten hatte. Über den Ort, wo Brigitta gestorben, sind verschiedenartige, einander widersprechende Berichte vorhanden. Man muß sich aber hier an die Angaben der Kanonisationsbulle halten, welche doch auf Grund sorgfältiger Untersuchungen niedergeschrieben sind, wonach Brigitta im Kloster der Klarissinnen zu St. Lorenz in Panisperna gestorben ist. ⋅1⋅
Brigitta. welche eine Feindin alles öffentlichen Aufsehens war, hatte auf ihrem Sterbelager verordnet, daß ihr Leichnam heimlich nachts ohne alles Gepränge im Kloster Panisperna beigesetzt werde. Allein es kam ganz anders, wie die Kanonisationsbulle des weiteren meldet, und das Leichenbegängnis ward unter einem ungeheuren Zudrange des Volkes begangen, nachdem zwei Tage lang ein unaufhörliches Zuströmen der Menge zur Verehrung des heiligen Leibes stattgefunden hatte. Die Beisetzung erfolgte am 26. Juli in einem hölzernen, mit Siegeln verschlossenen Sarge. in einer marmorenen Gruft. ⋅2⋅
Brigittas Tod und Begräbnis waren von verschiedenen wunderbaren Erscheinungen begleitet. Nach dem Zeugnisse ihres Bio- 73 graphen, des Erzbischofs Birger von Upsala, sah man im Augenblicke ihres Todes durch weißgekleidete Gestalten ihre Seele zum Himmel emporgetragen werden. - Noch war sie nicht beigesetzt, als ein Fräulein, Agnes, welches an einem entsetzlich dicken Halse litt, ihren Gürtel mit Brigittas Händen in Berührung brachte und sich sodann um den Hals legte, worauf dessen Geschwulst augenblicklich verschwand.
Franziska de Sabellis litt seit zwei Jahren heftig am Magen und war fast immer bettlägerig. Sie ließ sich an die Bahre bringen, auf welcher Brigittas Leiche ruhte, und brachte die ganze Nacht neben derselben zu, wobei ihr eifrigstes Gebet .dahin ging, sie möge insoweit gesunden, daß ihr möglich sei, mit den übrigen Nonnen dem Gottesdienste beizuwohnen. Am folgenden Tage hatte sie bereits nicht nur, was sie erbeten, sondern ihre volle Gesundheit. - Auch als Brigitta schon beigesetzt worden, geschahen noch viele Wunder an ihrem Grabe.
XVIII. Brigittas irdische Überreste werden nach Schweden übergeführt; Wunderereignisse bei denselben. Ihre Tochter Katharina betreibt die Heiligsprechung der Mutter und erlangt die Bestätigung des Erlöserordens.
Brigitta hatte zwar die Beisetzung ihrer Leiche bei den Klarissinnen in Panisperna angeordnet, doch aber auch auf Christi Geheiß ihren Kindern Katharina und Birger den Auftrag erteilt, dafür zu sorgen, daß dieselbe schließlich nach Wadstena zur Ruhe gebracht werde. Schon fünf Wochen, nachdem Brigitta bestattet worden, dachten ihre Hinterbliebenen an die Ausführung dieses Wunsches der Verewigten. Weil man aber fürchtete, der Zustand der Verwesung, in welchem sich die Leiche befinden mußte, werde den Transport unthunlich machen, so war man willens, das Fleisch von den Gebeinen zu lösen und diese in kostbare Wohlgerüche zu hüllen. Eine Gesellschaft von Chirurgen, Ärzten und erforderlichen Zeugen begab sich nach dem Kloster Panisperna, um jenes Geschäft vorzunehmen. Nachdem alle Werkzeuge in Bereitschaft gesetzt worden, schreitet man zur Eröffnung des Grabes und Sarges, und 74 findet, o Wunder! von dem Fleische nichts mehr vor, sondern nur die Gebeine und unversehrten Leichenumhüllungen, während ein lieblicher Duft dem Sarge entsteigt. Man nahm die kostbaren Reliquien und verschloß dieselben behufs der Überführung nach Schweden in einen besonderen Schrein. Mit diesem begab sich Katharina auf die Reise, welche durch Kärnthen, Steiermark, Österreich, Mähren, Polen, Danzig über das Meer, wo ein heller Stern den Schiffern voranschwebte, nach Söderköping führte. Hier langte Katharina am 29. Juni 1374 an. Als man in Schweden die Ankunft der Überreste der heiligen Landsmännin erfuhr, brachen große Scharen von Männern und Frauen, Adeligen und Volk, Geistlichen und Laien, namentlich aus Ostgotland, auf, vereinigten sich mit dem Zuge und geleiteten die Gebeine Brigittas nach Wadstena. Bei Linköping ging Bischof Nikolaus mit allen seinen Geistlichen in feierlicher Prozession der Heiligen entgegen. Die Glocken läuteten und der feierliche Klang vielstimmig gesungener Lieder erhöhte das Festliche dieser Begegnung. Nikolaus war der Erzieher von Brigittas Söhnen gewesen. Sie hatte ihm vorausgesagt, daß durch ihn die erste Einführung von Nonnen im Kloster Wadstena geschehen werde. Dies war wirklich geschehen, aber eine ganz verschiedene Einführung nahm er jetzt vor, indem er der heiligen Patronin die letzte Ruhestätte bereitete. Am 4. Juli 1374 langte der Zug in Wadstena an. Mit großen Freuden wurden die heiligen Gebeine von den Brüdern und Schwestern des Klosters empfangen und am folgenden Tage zu achttägiger Verehrung in der Klosterkirche, welche in der Zwischenzeit von andächtigen Besuchern nie leer ward, ausgestellt. Am 12. Juli erfolgte die feierliche Beisetzung.
Brigittas Reliquien sind indessen nicht vollständig nach Schweden gekommen. Mehrere blieben, wie auch die Kanonisationsbulle. bezeugt, zu St. Lorenz in Panisperna zurück. Später zeigten die dasigen Klarissinnen den linken Arm Brigittas, welcher vermutlich bei Abführung ihrer Gebeine zurückbehalten war. ⋅1⋅ Eine Menge von Wundern geschah während des Transportes der Reliquien durch 75 Schweden und zu Wadstena, welche Bischof Nikolaus von Linköping durch mehrere Priester aus Wadstena niederschreiben ließ. Diese Schrift, welche sich auf eigene Forschungen an Ort und Stelle und auf Zeugenvernehmungen gründete, ward Brigittas Tochter Katharina im folgenden Jahre nach Rom mitgegeben, welche dieselbe später, 1377, dem heiligen Stuhle zum Gebrauche beim Verfahren über die Heiligsprechung überreichte, zu welchem Behufe sie auch eine Lebensbeschreibung und die Offenbarungen ihrer Mutter mit vorlegte. Ihre Genossen in dem Bestreben, die Heiligsprechung Brigittas herbeizuführen, waren Petrus, der Prior von Alvastra, und Petrus Olafson. Der König selbst, die Bischöfe und die Großen des Reiches Schweden waren die eigentlichen Urheber des Planes, zu dessen Ausführung man eben keine geeigneteren Persönlichkeiten finden zu können glaubte, als Katharina und die beiden genannten Geistlichen. Gregor XI., welcher inzwischen seinen Sitz wieder in Rom genommen hatte, übergab die sämtlichen Verhandlungen einigen Kardinälen zur Prüfung und Begutachtung. Unter diesen stellte Johannes, ein spanischer Kardinal, zuerst den Antrag auf Heiligsprechung Brigittas. Eine Verzögerung erfuhr der Kanonisationsprozeß durch den am 27. März 1378 erfolgten Tod Gregors XI. Bei seinem Nachfolger, Urban VI., wiederholten Katharina, Petrus von Alvastra, der Bruder Andreas (Olafson) und Magnus Petrus, der Generalbeichtiger in Wadstena, die früher gethanen Schritte zur Heiligsprechung Brigittas. Urban ernannte zur Prüfung der Sache neue Examinatoren. Diese gelangten zu demselben Ergebnisse wie die früheren, und der Bischof Nikolaus von Orvieto, bei Merciari, stellte im versammelten Konsistorium den Antrag, Brigitta heilig zu sprechen; aber der Ausbruch des Schisma durch Aufstellung eines Gegenpapstes, der sich Klemens VII. nannte, verhinderte auch jetzt das weitere Verfahren. Katharina legte nun die Dokumente zu Rom verwahrlich nieder, in Erwartung, daß zur Wiederaufnahme der Verhandlungen bald bessere Zeiten kommen würden. Dagegen hatte sie inzwischen bei Gregor XI. und Urban VI. die Bestätigung der Regel des Welterlöserordens erlangt. Beide hatten ihres Vorgängers, Urban V., bestätigende Erklärung anerkennend wiederholt. 76
XIX. Papst Bonifacius II. spricht endlich Brigitta heilig.
Katharina verließ 1380 Rom und starb 1381 am 24. März im Kloster zu Wadstena. Im April desselben Jahres erließ Urban VI. ein Schreiben an den Bischof Nikolaus von Linköping, worin er, ungeachtet der Kirchenspaltung, Aussicht zur Heiligsprechung Brigittas eröffnete, doch scheint von 1381-1389 die Sache geruht zu haben. während welcher Zeit Urban viel unterwegs war. Im Jahre 1389 zurückgekehrt, dachte er wieder ernstIicher an Aufnahme der Kanonisationsverhandlungen und berief den Beichtiger des Klosters von Wadstena, Magnus Pedersson, nach Rom. Dieser ging im September 1390 mit erneuerten Vorstellungen der Königin Margareta, des Bischofs von Linköping und der Großen des Reiches, welche das ungeduldige Verlangen nach baldiger Kanonisation ihrer heiligen Landsmännin aussprachen, nach Rom. Johann Swensson und Andreas Olafson ⋅1⋅ begleiteten den Beichtvater Magnus Pedersson. Dieser fand Urban VI. nicht mehr unter den Lebenden, sondern Bonifacius IX. auf dem päpstlichen Stuhle. Letzterer nahm nun das Kanonisationsverfahren zum dritten Male auf und ließ die Untersuchung zu Ende führen. Magnus überreichte vor einer glänzenden Versammlung, in welcher sich auch alle Kardinäle befanden, zwei Bände Handschriften, deren einer Brigittas Offenbarungen, der andere, liber attestationum (Zeugnisbuch) genannt, die Geschichte von Brigittas Familie, ihr Leben und ihre Wunder enthielt. Von dem letzteren; der sechzehnmal abgeschrieben war, wurde jedem der sechzehn mit der Untersuchung betrauten Kardinäle ein Exemplar zugestellt. Sodann ließ der Papst durch öffentlichen Anschlag verkündigen, daß er Brigitta in das Verzeichnis der Heiligen einzutragen beabsichtige; Einwendungen dagegen sollen binnen acht Tagen angebracht werden. Nach acht 77 Tagen versammelte sich eine große Menge von Leuten um die Kardinäle, welche des Widerspruches, der erhoben werden möchte, gewärtig waren. Es fanden sich aber nur zwei Subjekte, welche dergleichen beabsichtigten, konnten jedoch ihre Absicht nicht durchführen. Der eine ward so bündig widerlegt, daß er mit Schande abziehen mußte; der andere hatte sich in der Stille von selbst davongemacht. Bonifacius erließ demnach am 7. Oktober die Bulle von Brigittas Heiligsprechung, welche dieser Lebensbeschreibung in wörtlicher, deutscher Übersetzung als Anhang beigegeben ist. In einer würdigen Sprache, welche beweist, daß auch in der verrufenen Zeit des vierzehnten Jahrhunderts die römische Kurie mit Geschick im großartigen Stile sich vernehmen lassen konnte, ist diese Bulle abgefaßt. Die Feierlichkeit, welche bei der Heiligsprechung stattfand, beschreibt ein Augenzeuge also: Am Vorabende ließ der Papst ein allgemeines Konsistorium für den folgenden Tag (es war ein Samstag) ansagen und befahl, daß das ganze apostolische Kollegium sich versammeln solle. An diesem Vorabende gegen die Komplett und am folgenden Tage gegen die Terz wurden alle Glocken der großen Stadt Rom geläutet. Die päpstliche Kapelle, worin der Akt vor sich gehen sollte, war mit duftenden Blumen geschmückt und durch 100 große Wachskerzen,. jede zu 8 Pfund, sowie 200 dergleichen, jede zu 4 Pfund, und 300 zu 1 Pfund beleuchtet. Dazu brannten 50,000 Ampeln. Am 7. Oktober in der Frühe hörte der Papst eine Privatmesse vom heiligen Geiste. Sodann begab er sich, mit Pluvial und Inful angethan, unter Voraustritt der Kardinäle und Prälaten in die erwähnte große Kapelle und nahm Platz auf seinem Throne. Nachdem ihm daselbst die Kardinäle ihre Ehrerbietung erwiesen, verfügte er sich auf einen anderen, ihm mitten vor dem Altare zubereiteten Platz, mit dem Gesichte gegen das Volk; vor ihm saßen tiefer die beiden ältesten Kardinaldiakonen. Unter allgemeinem Schweigen sprach der Papst: "Die Witwen will ich da segnen, über ihr aber wird aufblühen meine Heiligung" (Psalm CXXXI, V. 15 und 18), worauf er eine Ansprache hielt und die Versammelten aufforderte, Gott zu bitten, er wolle nicht zulassen, daß bei der vorseienden Handlung ein Fehler begangen werde. Nach einer ausdrücklichen Verwahrung, daß er bei diesem Akte nicht das mindeste wider die heilige römische Kirche zu voll- 78 ziehen beabsichtige, erhob er sich von seinem Sitze, legte die Inful ab und stimmte den Gesang: Veni; Creator Spiritus, an. Sodann warf er sich auf die Kniee und blieb so bis zum dritten Verse, wo er aufstand und dann solange stehen blieb, als dieser Gesang währte. Nach Beendigung desselben sprach er das Dominus vobscum und das Gebet: Deus qui corda fidelium. - Nachdem er die Inful sich wieder aufgesetzt, verkündigte er sitzend die Heiligsprechung Brigittas, und erteilte allen denen Ablaß, welche heute und am folgenden Tage die Kirchen St. Peter und Lorenz in Panisperna besuchen würden u. s. w. Die Prokuratoren der neuen Heiligen baten dann um Ausfertigung der Urkunden über den Akt. Nachdem die Kirchenfürsten und Geistlichen dem Papste ihre Huldigung von neuem dargebracht, legte dieser die Inful wiederum ab und stimmte das Te Deum an. Dann wurden die Kerzen ausgeteilt und eine förmliche Prozession durch die Kapellen gehalten. Der Papst nahm hierauf seinen Platz vor der Mitte des Altares wieder ein. Ein zur Rechten stehender Diakonus sang: Ora pro nobis Sancta Brigitta Alleluja, und der Papst sprach: Dominus vobiscum und ein anderes Gebet zu Ehren der seligen Brigitta. Nachdem die Sänger das Benedicamus Domino gesungen, sprach ein Diakonus zur Linken das Confiteor, und der Papst erteilte in gewöhnlicher Weise den Segen. Da er an diesem Tage die feierliche Messe der neuen Heiligen wegen Unpäßlichkeit nicht zu halten vermochte, so mußte sie auf den folgenden Tag verschoben werden. An diesem nun, dem 8. Oktober, einem Sonntage, begab sich der Papst nach einer stillen Messe bei guter Frühe im Pluvial und einer mit Perlen besetzten Inful samt allen Kardinälen und zwei Patriarchen, wovon auch der zu Konstantinopel, und dem gesamten Klerus nach St. Peter. Hier empfing ihn die ganze Geistlichkeit dieser Kirche in Pluvialen mit Fahnen in Prozession, unter Glockengeläute und dem Absingen des Te Deum laudamus und führte den heiligen Vater zum Altare. Daselbst verrichtete dieser ein Gebet und begab sich auf den Thron, wo ihm die Kardinäle und alle Prälaten ihre gewöhnliche Reverenz darbrachten. Es ward zugleich die Terz gesungen, dann erfolgte die Messe der heiligen Brigitta mit Kommemoration des Sonntags. Nach dem Evangelium sprach ein Diakonus zur Linken das Con- 79 fiteor und nach dem Credo in unum Deum und dem Offertorium setzte sich der Papst auf einen niedrigeren Stuhl. Nun kamen die drei Kardinäle, welche Kanonisationskommissarien waren, mit ihren Opfern aus der Sakristei. Der erste Kardinal von Frankreich machte sein Opfer mit zwei großen vergoldeten und angezündeten Wachsfackeln, wobei er Sr. Heiligkeit Hand und Fuß küßte. Der Kardinal von England opferte zwei Brote, auf welchen die Wappen und Schildlein der heiligen Brigitta und der drei Kardinäle abgedruckt waren. Der Kardinal von Bari opferte zwei Fäßchen Malvasierwein, mit denselben Wappen und Schildlein versehen, und küßte gleichfalls dem Papste Hand und Fuß. Schließlich kamen die fünf Prokuratoren der Heiligen mit dem Advokaten, deren jeder eine schön gezierte Pfundkerze samt einem zierlich gearbeiteten Körbchen opferten, in welchem zwei weiße und zwei Turteltauben sich befanden. - Nach beendigter Messe begab sich der Papst samt allen Kardinälen und Prälaten auf die Loggia neben dem Turm, welche auf eine Promenade hinaussieht, ließ den schon erwähnten Ablaß von neuem verkündigen und erteilte dem zahlreich versammelten Volke den Segen.
Durch gleichzeitig ergangene Erlasse sicherte Bonifacius IX. denen, die künftig den 23. Juli, 7. Oktober und 28. Mai andächtig im Andenken der Heiligen begehen würden, Indulgenzen zu. Der letzte Tag soll dem Andenken der Überführung von Brigittas Reliquien nach Schweden gewidmet sein. Es ist nicht recht aufgeklärt, was gerade dieses Datum für eine Rolle in der Geschichte Brigittas spielt.
Am Tage der Heiligsprechung Brigittas geschahen mehrere Wunder, welche man auf sie bezog. Eine Frau, welche auf dem einem Auge zwanzig, auf dem anderen sieben Jahre blind gewesen war, erhielt an diesem Tage ihre Sehkraft wieder. Ein Kardinal, welcher sich inmitten der Feinde Gottes und der heiligen Kirche befand und deshalb nachts zu reisen gezwungen war, um den Nachstellungen zu entgehen, kam von seinen Reisegefährten ab, welche gleichfalls alle, jeder einzeln, sich verirrten. Aus Furcht vor den Feinden wagte keiner von ihnen den anderen zu rufen. In dieser Not erschien ihnen eine große leuchtende Fackel, welche einen zum anderen geleitete und sie endlich alle vereinigte, sodann aber wieder verschwand. 80
So war denn nun Brigitta durch das Oberhaupt der Kirche feierlich in die Zahl der Heiligen aufgenommen. Da aber Bonifaz IX. nicht von der gesamten Christenheit als ihr Oberhaupt anerkannt worden war, indem ein Teil derselben den zu Avignon gewählten Gegenpäpsten, welche sich Klemens VII. und Benedikt XIII. nannten, anhing, so glaubten die Völlkr des Nordens der Allgemeingültigkeit der Kanonisation nicht sicher sein zu können und brachten, nachdem die Kirche wieder von dem Schisma befreit worden, die Bestätigung der Kanonisation zur Sprache. Schwedische, dänische und norwegische Abgeordnete beantragten die Wiederholung der Heiligsprechung auf dem Konzile zu Kostnitz. Es fehlte freilich daselbst nicht an Leuten, welche, wie der berühmte Kanzler Gerson ⋅1⋅ diese Wiederholung von Kanonisationen nicht billigten. Gleichwohl nahm Johann XXIII. 1415 am Tage der Reinigung Mariä die neue Kanonisation im Beisein von neunundzwanzig Kardinälen, siebenundvierzig Erzbischöfen, hundertundsechzig Bischöfen und einer Menge anderer geistlicher und weltlicher Herren vor, und sein Nachfolger Martin V. bestätigte diese Kanonisation auf demselben Konzile feierlichst in einer Balle vom Jahre 1419, welche der gegenwärtigen Biographie in deutscher Übersetzung vom Herausgeber beigefügt ist. Der in dieser Bulle erwähnte König Erich war ein großer Gönner des Klosters zu Wadstena, wohin er 1413 eine Wallfahrt zu Fuß unternommen hatte. Er versprach bei dieser Gelegenheit den Wadstenaer OrdensIeuten, in Laland ein Brigittenkloster zu errichten. Erst hatte man seinem Besuche im Kloster Schwierigkeiten entgegengesetzt, welche jedoch dahin ausgeglichen wurden, daß Erich allein mit dem Erzbischofe von Lund dasselbe betreten dürfte. Er kam mit großen inneren Tröstungen erfreut wieder heraus und betrieb von da an die Bestätigung von Brigittas Heiligsprechung auf dem Konzile zu Kostnitz. Seine hinterbliebene Witwe Philippa, eine Schwester Heinrichs V. von England, brachte ihre letzte Lebenszeit im Kloster Wadstena zu, wo sie 1430 starb. Durch sie gelangte der Brigittenorden nach England, wo Heinrich V. ihm drei Klöster errichtete und war es dieser König, 81 auf dessen Betrieb Martin V. die Konstitutionen des Ordens im Jahre 1419 von neuem bestätigte. Wer von den Lesern dieser Biographie in Shakespears vortrefflichen Dramen Heinrich IV. und Heinrich V., den letzteren König als Freund des dicken Hans Falstaff kennen gelernt hat, wird sich sehr wundern, denselben hier als eifrigen Beschützer des Brigittenordens wieder zu finden. ⋅1⋅
XX. Von der Verehrung und den Reliquien der heiligen Brigitta.
Nach der Verordnung des Papstes Bonifacius IX. waren Brigitta drei Festtage im Jahre gewidmet: der 28. Mai als Fest der Überführung ihrer Reliquien nach Schweden, der 23. Juli. als ihr 82 Geburtstag im Himmel und der 7. Oktober als Fest ihrer Heiligsprechung. ⋅1⋅ Seit 1392 hatte sie einen mit Indulgenzen des Papstes Bonifaz IX. ausgestatteten Altar. Am Trinitatissonntage 1393 wurden Brigittas Reliquien erhoben und dem Volke feierlichst gezeigt, welches zahlreich mit vielen Geistlichen sich eingefunden hatte. Auf dem 1396 zu Arboga gefeierten schwedischen Nationalkonzile ward beschlossen, daß der 7. Oktober in ganz Schweden als ein Festtag gefeiert werden solle. Nach einem alten schwedischen Missale ward die Messe an diesem Feste also gelesen:
Introitus: Gaudeamus omnes in Domino etc.
Oratio: Gott, dem es gefallen hat, Deine Kirche durch die selige Brigitta mit weisen Ratschlägen und Lehren zu erleuchten, gewähre gnädig, daß wir, was Du zur Reinigung von unseren Ausschreitungen geoffenbart hast, mit andächtigem Herzen vollziehen.
Epistel: Optavi et datus est mihi sensus etc.
Graduale: Propter veritatem et mansuetudinem etc.
Sequentia: Es steigt, wenn sich die Welt abends hinabneigt, wie ein Stern am Äther glänzend Brigitta, ein Gefäß der Gnade, eine Rose der Reinigkeit hervor. Stark im Bündnisse der Liebe, erhebt sie sich, Christum würdig in ihrem Herzen mit süßem Verlangen aufzunehmen. Nichts Süßes, nichts dem Fleische, der Welt oder eitler Ruhmsucht Liebliches sucht sie. Ihr demütiges Herz ruhet in Christi Schoße. Stark trat sie dem Feinde aufs Haupt, wuchs zugleich im Guten, und brennt, ihres Bräutigams Christi sich glücklich zu erfreuen. Häufig unterweist der Bräutigam seine Braut und giebt ihr eine neue Weise des Lebens an, auf daß er seiner Braut, wie es ihm zusagt, sich erfreuen möge. Angenehmer Liebe sich erfreuend, eilt sie und verlangt des Bräutigams Joch zu tragen, bekennt sich auch gern und bereitwillig zu dem, was er festgesetzt hatte. Ihr Wandel ist im Himmel, sie erfreut sich eines wunderbaren Strahles der Tugenden und erquicke sich an der Unterhaltung mit Gottes Heiligen. Nachdem endlich ihres Lebens Lauf vollendet, wird sie aus dem Schiffbruche der Welt hinübergetragen und in des Himmels höchster Genossenschaft gekrönt. Sei uns 83 gnädig, Brigitta! Wunderbare Zeichen leuchten vor Dir und das Volk bekennt freudig die Großthaten Gottes. O Maria, süßer Schutz! wirke durch Brigittas Gönnerschaft, daß das erwünschte Ziel im Himmel von uns erreicht werde. Amen.
Evangelium: Nemo accendit lucernam.
Offertorium: Diffusa est gratia.
Sekreta: Die Opfer des Lobes bieten wir Dir dar, o Herr, und bitten Dich flehentlich, daß Du dieselben durch die uns zu Hilfe kommende Fürbitte besänftigt aufnehmen und zu unserem Heile gereichen lassen wollest.
Communio: Diffesu est gratia.
Postcommunio: Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, daß die himmlischen Sakramente, welche wir zu uns genommen, durch Vermittelung der heiligen Brigitta unsere Schuld reinigen und in uns bewirken mögen, daß wir recht leben.
Die Päpste Bonifaz IX., Innocenz VII. und Alexander V. bewilligten für die Feste der heiligen Brigitta neue Gnaden der Kirche, letzterer namentlich für die im Kloster zu Wadstena der heiligen Brigitta geweihte Kapelle. Bei dieser Kapelle ist eines merkwürdigen Wunders Erwähnung zu thun, welches mit einem Bischofe Robert sich ereignete, der, vom Papste aus Rom nach Schottland gesandt, auf dieser Reise einen Abstecher nach Schweden machte. Am Tage des heiligen Klemens befand sich dieser Bischof mitten auf dem Meere zwischen Preußen und Schweden, wohin das Schiff, das ihn trug, seinen Lauf nahm. Da erhob sich ein so heftiger Sturm, daß Schiffer wie Reisende am Davonkommen verzweifelten. Die Schiffer wollten bereits die Ladung des Schiffes über Bord werfen, aber Robert verhinderte es, indem er sagte: "Empfehlen wir uns, meine Brüder, der heiligen Brigitta und machen wir das Gelübde, falls wir nach Schweden gelangen, sie an ihrem Grabe zu verehren." Alle stimmten ihm in diesem Gelöbnisse bei. Er selbst aber ward (wobei er weder wachte, noch schlief) im Geiste entrückt, und fand sich in einer Kapelle wieder, wo ein Priester am Hochaltare die Messe feierte. Rechts vom Altare gewahrte er eine Matrone wie eine Witwe gekleidet in einem schwarzen Mantel, grauem Rocke, einem weißen Schleier auf dem Haupte. Hinter ihr standen betende Schwestern und Brüder. Er selber empfing 84 eine brennende Kerze, stieg einige Stufen zum Altare hinan, befestigte seine Kerze an der Seite desselben und stieg wieder hinab. In diesem Augenblicke kam er wieder zu sich und fand, daß der Sturm sich gänzlich gelegt hatte, worüber er Gott und dessen glorreiche Braut pries. Als Robert nach Wadstena gekommen war, erkannte er in Brigittas Kapelle die nämliche, in welche er im Geiste entrückt gewesen war.
Wie der heilige Franziskus für sein Kirchlein Portiunkula von Christo gewisse Indulgenzen erhalten hat, so wird erzählt, daß auch Brigitta von Christo dieselben Indulgenzen für Wadstena erhalten habe, welche die Kirche St. Peter in den Ketten zu Rom besitzt. Kapitel XXIV der Extravaganten und Kapitel CXXXVII des vierten Buches der Offenbarungen lassen eine solche Auslegung zu. Allein es findet sich nirgends eine päpstliche Bestätigung dieser Brigitta angeblich geschehenen Gewährung, wie solche der heilige Franziskus vom Papste Honorius III. empfangen. Gerade das Stillschweigen der Päpste Gregor XI. und Urban VI., welche bei Gelegenheit der Zusicherung der Ablässe für die Kirche zu Wadstena am Festtage Petri Kettenfeier von einer an Brigitta geschehenen Verheißung einer Gleichstellung der Kirche zu Wadstena mit der St. Petri den Ketten zu Rom nichts erwähnen, beweist, daß jene Sage nicht begründet war, und es entsteht der Verdacht, daß die allerdings sehr prägnante Stelle im Kapitel CXXXVII des vierten Buches der Revelationen von jemand interpoliert worden, welcher zur Geschichte der Indulgenzen für die Portiunkula ein Seitenstück zu liefern wünschte. Dagegen ist ohne Zweifel, daß von den genannten Päpsten die Indulgenzen der Kirche zu St. Petrus in den Ketten in Rom auf die Kirche zu Wadstena ausgedehnt sind.
Im Jahre 1403 wurde ein zur Aufbewahrung von Brigittas Gebeinen zu Stockholm gefertigter kostbarer Schrein, wozu neunundzwanzig Mark reinen Silbers verwendet waren, nach Wadstena gebracht. Von 1430 ab ward das bis dahin nur der Jungfrau Maria geweiht gewesene Kloster zu Wadstena auch Brigitta gewidmet. - Die Könige Schwedens unternahmen häufig Wallfahrten an Brigittas Grab. Also thaten im Jahre 1403 die Königin Margareta; im Jahre 1415 Philippa, König Erichs Gemahlin (welche sich auch im Chor der Klosterkirche begraben ließ); 1442 und 1446 85 König Christoph, im Jahre 1448 König Karl, welcher 1455 nochmals kam, um seine Tochter Brigitta dem Kloster als Nonne zuzuführen.
In den Martyrologien sind die Festtage Brigittas abweichend angegeben.
Solange in Schweden der katholische Glaube herrschend war, wurden Brigittas Reliquien in hoher Verehrung gehalten. Schon König Albrecht hatte dieselben 1383 in einen kostbaren Schrein legen lassen, wobei eine Feierlichkeit stattfand, welcher auch Brigittas Sohn Birger beiwohnte. Später wurden sie in den neuen, noch kostbareren Schrein, dessen oben gedacht worden, gelegt. 1575 ließ König Johann, welcher sich damals in dringender Geldnot befand, den Schrein hinwegnehmen, um aus dem daran befindlichen Silber Münzen schlagen zu lassen. Sechs Jahre später ersetzte er denselben durch einen anderen ähnlichen.
Nachdem der Orden vom Welterlöser oder der Brigittenorden sich weiter verbreitet hatte, wurden durch das Kloster zu Wadstena Partikeln von den Gebeinen Brigittas an andere Klöster geschenkt.
So haben dergleichen mehrere Klöster in Finnland, Norwegen, Dänemark, England, Flandern, Bayern, Mecklenburg, Pommern, Preußen, Rußland, Litthauen, Polen erhalten. In der Domkirche zu Linköping ward ein Knochen vom Arme und einer vom Finger Brigittas aufbewahrt. Auch Kurfürst Rudolf, Herzog von Sachsen und Lüneburg, widmete Brigitta im Brandenburgischen eine Kapelle, in welcher er die 1402 aus Wadstena erhaltenen Reliquien Brigittas aufbewahren ließ. Die Nürnberger erhielten 1407 gleichfalls dergleichen, ferner Bischof Heinrich von Brandenburg, König Heinrich von England u. s. w. Während König Sigismunds Regierung ließ der Usurpator Karl IX. 1595 die Nonnen aus Wadstena vertreiben. Magnus Abraham, der zum sogenannten Erzbischof von Upsala gemacht worden war, nahm alle Reliquien aus dem Kloster von Wadstena an sich und ließ dieselben heimlich, damit die Katholiken dieselben nicht finden möchten, auf dem Friedhofe zu Wadstena verscharren. König Sigismund veranstaltete vor der Schlacht bei Stangebro, worin er seinem Gegner Karl unterlag, eine Nachforschung nach den vergrabenen Gebeinen. Dieselben 86 waren jedoch nicht aufzufinden. Karl IX. ließ 1599 mit besserem Glücke nach den Reliquien Brigittas, Katharinas und Ingrids suchen. Nachdem dieseIben gefunden waren, barg er sie heimlich in das Schloß von Wadstena. Daneben schienen noch andere Reliquien bei Linköping verscharrt worden zu sein. Im Jahre 1678 pflügte ein Landmann in der Nähe dieser Stadt silberne Kostbarkeiten aus der Erde heraus. Einige davon wurden geschmolzen, andere blieben unbeschädigt und wurden aufbewahrt. Es befanden sich hierunter zwei silberne Arme mit Gold belegt, ein schöner Hostienschrein, ein Kelch, eine Patene, eine vergoldete Statuette der heiligen Katharina von Silber. Karl XI. brachte diese Gegenstände käuflich an sich und ließ sie in einem königlichen Schlosse aufbewahren. Von den beiden silbernen Armen enthielt der eine einen Knochen des heiligen Äschylus (?), ⋅1⋅ der andere einen Armknochen der heiligen Brigitta, wie aus den Inschriften erhellte. Auch ein Fingerknochen fand sich in diesem silbernen Arme eingeschlossen. Was später aus diesen, sowie aus den von Karl IX. in Verwahrung genommenen Reliquien geworden, ist nicht ersichtlich. - Im Flecken Tourson unweit Auxerre in Burgund wurden im vorigen Jahrhundert noch Reliquien der heiligen Brigitta verehrt. Darunter befand sich das Haupt. Diese Reliquien waren 1653 einem Herrn de la Thuilerie, Ritter und Grafen von Courson, der eine Gesandtschaft des Königs von Frankreich an die Königin Christine von Schweden auszurichten gehabt. von der Königin geschenkt, und er hatte dieselben der Kirche seines Ortes verehrt.
Ehemals ist auch im Kloster Quartano bei Genua ein Finger der heiligen Brigitta aufbewahrt worden, welcher von deren Freunde, dem Bischofe Alfonso, dem Kloster verehrt sein soll. - Auch in der St. Stephanskirche zu Bologna zeigte man Reliquien der heiligen Brigitta, desgleichen bei den Nonnen von der dritten Regel des heiligen Franziskus zu Köln. Ein Oberkleid der heiligen Brigitta wird im Dome des heiligen Donatian zu Brügge aufbewahrt.
Als Schreiber dieses im September 1844 die Domkirche in 87 Upsala besuchte, wurden in der über der neuen Sakristei befindlichen Kleiderkammer in einer besonderen Lade unter Glas als ehemalige Angehörigkeiten der heiligen Brigitta gezeigt: ein mit dünnem vergoldeten Silberblech überzogenes Stirnband mit kleinen echten Perlen, einigen Ametisten und Granaten, eine kleine Schürze, woran eine seidene Schnur und kleine Knöpfe von Golddraht, ein Scherenfutteral mit Perlen besetzt und ein Nadelkissen von rotem Samt mit kleinen silbernen Blättern.
XXI. Von den Offenbarungen der heiligen Brigitta.
Von den Anfängen der Gesichte Brigittas ist bereits oben die Rede gewesen. Bald ward sie immer häufigerer Offenbarungen gewürdigt. Sie selbst war keineswegs geneigt, denselben sogleich Glauben zu schenken. Als sie zum ersten Male ein Gesicht hatte, wobei ihr eine leuchtende Wolke erschien und sie die Worte vernahm: "Weib, höre mich!" fürchtete sie, daß dies ein Blendwerk des Satans sein möchte, und nahm ihre Zuflucht zu einem als fromm und tugendhaft bewährten Beichtvater, dem Magister Matthias. Dieser Mann, welcher sich auf Zustände der Art, wie sie an Brigitta hervortraten, verstand, verordnete ihr Fasten und Gebet, und reichte ihr, nachdem er sie Beicht gehört, den Leib Christi. - Nachdem sie, obwohl bei solchem Verhalten beharrend, eine zweite Erscheinung dieser Art gehabt hatte, vermehrte sie auf den Rat des Magisters Matthias ihre Gebete und andere Übungen. Sie erblickte nunmehr zum dritten Male eine Wolke und in derselben schied sich ein Bild ab, welches Christo, dem Sohne Gottes, glich. Sie vernahm zugleich eine Stimme, welche also sprach: "Weib, höre mich, ich bin Dein Gott, der mit Dir reden will. Ich bin der Schöpfer aller Dinge und kein Betrüger, ich rede mit Dir nicht bloß um Deinetwillen, sondern auch wegen des Heiles anderer" (dgl. Kapitel XLVII der Extravaganten). Brigitta war erschreckt, da sie fürchtete, der Böse möge seine Hand bei der Sache im Spiele haben. Aber sie vernahm zum zweiten Male die Aufforderung: "Fürchte Dich nicht." Das Kapitel II des ersten Buches von Brigittas Revelationen bezieht sich vielleicht auf eine dritte Vision. 88 Christus verkündigt hier der Seherin, daß er sie zu seiner Braut erwählt und angenommen, um ihr, weil es ihm also beliebt, seine Geheimnisse mitzuteilen.
Weil nach den ihr gemachten Eröffnungen die Offenbarungen nicht bloß für Brigitta, sondern auch für andere sein sollten, so ergab sich die Notwendigkeit, dieselben aufzuschreiben, von selbst. Brigitta schrieb ihre Offenbarungen auch in ihrer Muttersprache nieder, wie es Christus ihr ebenfalls geboten. Um aber diesen Offenbarungen eine noch größere Verbreitung zu geben, befahl der Herr deren Übersetzung ins Lateinische. Diese Arbeit führte der Cistercienserprior Petrus von Alvastra aus, welchem dieselbe nach einer Offenbarung Brigittas aufgetragen war, wie er selbst im XLVIII. Kapitel der von ihm zusammengetragenen revelationes extravagantes meldet. Da er sich anfangs gegen diese Arbeit gesträubt, erhielt er von unsichtbarer Hand einen so heftigen Backenstreich, daß er halbtot hinfiel und erst dann sich erholte, als er den Entschluß zur Übersetzung der Revelationen gefaßt hatte. Sobald er sich an diese Arbeit begeben, ward er von einem Kopfschmerz, der ihn seit seinem Knabenalter periodisch gar heftig gequält hatte, befreit, blieb auch die ganzen dreißig Jahre hindurch, während deren seine Verbindung mit Brigitta dauerte, frei davon, worüber Kapitel CIX der Extravaganten nachzulesen. Er starb 1390. Doch war dieser Petrus nicht der alleinige Übersetzer von Brigittas Offenbarungen, sondern einen Teil derselben übersetzte der andere Petrus, welcher nachher Generalbeichtiger im Kloster zu Wadstena war (vgl. Kapitel XLVIII der Extravaganten). Noch bei Brigittas Lebzeiten kamen diese Offenbarungen in die Hände des oft genannten Alfons von Jaen, wozu die Veranlassung im XLIX. Kapitel der Extravaganten dahin angegeben wird, daß Alfons dieselben zusammenstellen und den Geist derselben nach katholischem Verständnis darlegen sollte. Alfons teilte die Offenbarungen in acht Bücher ab. Die Zusätze und Erklärungen, welche sich an mehreren Stellen finden, rühren aber nicht von ihm, sondern von Petrus von Alvastra her, welcher den acht Büchern nachmals das von ihm gesammelte Buch der Extravaganten hinzufügte, worüber in der Vorrede dazu das Nähere zu finden. Dieses Buch übergab Petrus unter Beteuerung seiner Wahrheit und Echtheit dem Kloster zu 89 Wadstena in Gegenwart des Bischofs Nikolaus von Linköping. Einige dieser Extravaganten sind wegen der Beziehung, welche sie zu Offenbarungen haben, die in den Originalen der acht Bücher enthalten sind, mit frommer Vorsicht in diese hineingeschoben, was die Mönche von Wadstena, welche auch die Vorrede zu den Extravaganten verfaßt haben dürften, gethan zu haben scheinen. Diese Mönche besorgten auch die erste Lübecker Ausgabe, wie in der Klosterchronik von Wadstena zum Jahre 1491 zu lesen ist, wo gesagt worden, daß die Brüder Peter Ingemarson und Gerhard nach Lübeck gegangen, um daselbst den Druck zu besorgen, welcher in achthundert Exemplaren auf Papier und in sechzehn auf Pergament erfolgte. Extravaganten wurden die Offenbarungen des letzten Buches deshalb genannt, weil sie ursprünglich mit den Originaloffenbarungen nicht verbunden waren und ihre Glaubwürdigkeit ihren Grund mehr in einem frommen Vertrauen hat, das man in die Versicherungen des Priors Petrus und Brigittas Tochter Katharina, welche die Echtheit bezeugen, setzen muß.
Wie bereits gedacht, unterwarf Brigitta ihre Offenbarungen dem Urteile des Magisters Matthias. Als dieselben immer häufiger wurden, begnügte sich Brigitta nicht hiermit, sondern teilte ihre Visionen noch anderen erfahrenen Männern mit, namentlich dem Erzbischofe von Upsala (entweder ihrem nachherigen Lebensbeschreiber Birger oder seinem Nachfolger Heinrich) und den anderen Bischöfen, ingleichen einem sehr frommen Abte, welche alle damals zu Rom waren, und endlich auch dem Bischofe Alfons von Jaen. Alle gelangten nach sorgfältigster Prüfung zur Überzeugung, daß der Geist der Wahrheit, nicht aber der Geist der Lüge Brigitta ihre Offenbarungen eingegeben.
Eine ebenso genaue Prüfung erfuhren Brigittas Visionen nach ihrem Tode. Im Jahre 1377 wurden dieselben in mehreren Exemplaren dem Papste Gregor XI. übergeben. Dieser teilte sie dreien Kardinälen und noch mehreren anderen einsichtsvollen Geistlichen mit, welche eine sorgfältige Prüfung der Offenbarungen vornahmen und dem Papste hierauf anzeigten, wie sie nach sorgfältiger nochmaliger Lesung und fleißigem Nachdenken nichts Verwerfliches oder auch nur Verdächtiges darin hätten antreffen können, vielmehr alles darin Enthaltene deutlich, wahr, heilig und vollkommen sei. 90
Nachdem Gregor XI. am 27. März 1378 gestorben war, wurde im Jahre 1379 unter seinem Nachfolger urban VI. das ganze Kanonisationsverfahren, zu welchem natürlich auch die Prüfung der Offenbarungen gehörte, von neuem und vom Anfange an wiederholt. Katharina, Brigittas Tochter, Petrus von Alvastra, Bruder Andreas (Olafson?) und Magnus Pedersson überreichten die Handschriften der Offenbarungen (welche ihnen unter Gregor XI. zurückgegeben sein mochten) dem neuen Kirchenoberhaupte, welches die anderweite Prüfung einer neuen Kommission von Kardinälen und anderen Geistlichen übertrug. Auch diese fand die Offenbarungen echt, voll Wahrheit und wirklich von Gott eingegeben, auch sehr geeignet, weiter verbreitet zu werden, um bei den Lesern und Hörern Andacht zu erwecken. Infolge dieser Erklärung regte sich von vielen Seiten her ein Verlangen, in den Besitz dieser Revelationen zu kommen, welche zu dem Ende fleißig abgeschrieben wurden. Fürsten und Vornehme schickten besondere Gesandten nach Rom, um die Bücher von Brigittas Offenbarungen zu erlangen. So erhielten Kaiser Wenzel, Karl V. von Frankreich, die Königin von Castilien, die Königin von Cypern, die Königin von Neapel Exemplare dieser Bücher. - Ein noch höheres Ansehen erlangten diese Schriften durch die Heiligsprechung ihrer Verfasserin. Wie es denen erging, welche diese Schriften herabsetzten, ist Kapitel XC und XCII im sechsten Buche der Offenbarungen zu lesen. Außerdem sind von den übeln Folgen, welche das Verachten und Schmähen von Brigittas Offenbarungen nach sich zog, mannigfaltige Nachrichten aufgezeichnet. Die Doktoren an den Schulen zu London und Oxford erklärten und erläuterten Brigittas Offenbarungen in ihren Vorlesungen.
Indes blieben die Offenbarungen, nachdem sie eine weite Verbreitung gefunden, nicht unangefochten. Der Streit darüber fand auch unter die auf dem Kostnitzer Konzile versammelten Väter Eingang, und wie bereits angeführt, gab derselbe dem berühmten Gerson zu seinem Tractatus de probatione spirituum im Jahre 1415 Anlaß, worin er nicht sonderlich zu gunsten Brigittas auftritt. Durch die Anerkennung ihrer Kanonisation mittels des Papstes Martin auf dem Konzile selbst ward der Streit allerdings einstweilen unterdrückt, tauchte aber sofort wieder im Baseler Konzile 91 auf. Um eine Entscheidung treffen zu können, wurden der Beichtvater und die Äbtissin des Klosters zu Wadstena nach Basel vor das Konzil citiert und ihnen aufgegeben, die Dokumente über Brigittas Revelationen mitzubringen. Nachdem einige Artikel aus den Schriften der Heiligen, über welche Petrus Olafson Deklarationen geschrieben hatte, als Irrtümer bezeichnet worden waren, beauftragte das Konzil 1355 eine Kommission mit Untersuchung dieser Artikel. Zu der Kommission gehörte der Kardinal Torquemada. Gervin, der Beichtvater von Wadstena, und Acho, der nachmalige Bischof von Westeras, baten den Kardinal, seine Ansicht über die Revelationen niederzuschreiben. Die Folge dieses Ansuchens war die Ausarbeitung der gewöhnlich vor Brigittas Revelationen abgedruckten Abhandlung des Kardinals, worin er darzuthun sucht, daß die Revelationen nichts den Lehren der Kirche und der Meinung der Kirchenlehrer Widerstreitendes enthielten, und ebensogut in den Kirchen gelesen werden. könnten, als die Schriften anderer Doktoren und die Legenden der Heiligen. Der Meinung Torquemadas trat auch die Mehrzahl der übrigen Kommissarien, sowie das Baseler Konzil selber bei. Seitdem sind diese Gesichte ungehindert in den Händen der Gläubigen gewesen und unverschränkt gelesen worden.
Für die Revelationen waren König Erich von Schweden und die Bischöfe des Nordens in die Schranken getreten, und hatten in diesem Sinne am 3. Juli 1434 an das Konzil geschrieben.
Als anstößig wegen angeblich irrtümlichen Inhaltes waren bezeichnet: 4 Stellen im ersten Buche, 15 im zweiten, 9 im dritten, 22 im vierten, 14 im fünften, 35 im sechsten, 6 im siebenten, 8 im achten Buche der Revelationen, 12 in der Regel des Erlöserordens, 5 in den Gebeten Brigittas, 30 in der Englischen Rede. Bei den Brigittinermönchen zu Rom befindet sich ein großer Band, welcher 1596 in. Altomünster, dem Kloster des heiligen Alto in Bayern, geschrieben worden, und der nicht nur die einzelnen verdächtigen Artikel, sondern auch deren Verteidigung enthält.
Vor dem Baseler Konzile hatten schon folgende Männer zu gunsten von Brigittas Revelationen ihre Feder geführt: Adam, Kardinal von England, Gottfried von Ballaland, ein Engländer, und Johann von Basel, Augustiner-Eremitenordens. Aus dem Bisherigen erhellt, daß Brigittas Revelationen, namentlich die acht 92 ersten Bücher aufs sorgfältigste geprüft und die Zustimmung von Päpsten und Kirchenversammlungen erhalten haben. Durch diese Anerkennung der Kirche ist nicht alles und jedes einzelne, das diese Offenbarungen enthalten, als unumstößliche Wahrheit anerkannt, sondern nur die Gewähr geleistet, daß sie nichts enthalten, was der Wahrheit und deren Geiste widerstreitet, oder was dem Glauben oder den Sitten gefährlich ist. Auch soll den Offenbarungen nicht ein göttlicher, sondern nur ein menschlicher Glaube zugewendet werden, so daß man, wenn dazu ausreichender Grund vorhanden ist, unter Umständen von einzelnen das Gegenteil annehmen kann; denn, wenn man auch, wie die Kirche thut, annimmt, ein Mensch erfreue sich göttlicher Einsprachen und Gesichte, so folgt daraus nicht, daß alles, was er vermöge der gewordenen Offenbarungen ausspricht, auf göttlichen Glauben Anspruch machen könne. Hier spielt die Möglichkeit der Täuschung, welche sich beim Menschen, eben weil er Mensch ist, seinen Auffassungen selbst von göttlichen Dingen ansetzt, oft eine gefährliche Rolle, und eine solcher Gnaden gewürdigte Person wird dadurch noch nicht jeglichen eigenen oder Zeitirrtums ledig. Es ist daher keine Inkonsequenz, wenn der Kardinal Torquemada, der eifrigste Verteidiger von Brigittas Revelationen, in einigen Punkten von Brigittas Auffassungen abwich, indem er sich die Freiheit eigenen Urteils vorbehalten konnte, weil die Offenbarungen eben kein kanonisches Ansehen haben. Darum ist auch niemals gezweifelt worden, daß dergleichen Offenbarungen, trotz der anerkennenden Äußerung der Kirche der wissenschaftlichen Erörterung unterzogen und ihr Inhalt durch Beweisführung widerlegt werden könne. Geschieht dies mit Erfolg, so wird das Ansehen der Kirche nicht geschmälert, eben weil diese nicht die Bürgschaft für das Einzelne des Inhaltes hat übernehmen wollen, ebensowenig als sie durch eine Heiligsprechung erklären will, daß der Heilige in allem und jedem, was er gedacht und gethan, ein Engel gewesen. Sie würde die Lehre von der Erbsünde leugnen, wenn die Heiligsprechung einer Erklärung gleich zu achten sein sollte, daß der Heilige niemals in Gedanken, Worten und Werken gesündigt. An dem Werte von Brigittas Gesichten im ganzen dürften daher selbst einzelne Irrtümer, welche man darin nachzuweisen vermöchte, nicht irre zu machen haben. Ebensowenig sind, diese Absicht zu 93 erreichen, jene Versuche geeignet, welche man gemacht hat, die Revelationen der heiligen Brigitta abzusprechen und dieselben für Träume des Petrus von Alvastra und Alfons von Jaen auszugeben. Zu einer so verwegenen Behauptung konnten sich nur diejenigen erdreisten, welche nicht wußten oder nicht wissen wollten, daß, als vor der Heiligsprechung Brigittas deren Revelationen zu Rom mehrfach verschiedenen Kommissionen zur Prüfung übergeben worden, noch eine Menge Leute daselbst lebten, welche aus dem Verkehre mit der Heiligen bezeugen konnten und wirklich bezeugten, daß sie diejenige sei, welche diese Offenbarungen gehabt. Es waren Männer genug vorhanden, welche von ihr mit der Übersendung der in ihren Gesichten empfangenen Botschaften an die, welche die Botschaft betraf, betraut gewesen waren. Wollen denn die Zweifler an der Echtheit der Gesichte Brigittas das Zeugnis von Brigittas Tochter Katharina, welche so oft die Revelationen ihrer Mutter überreichte, um mit auf Grund derselben deren Heiligsprechung zu erlangen, ganz unberücksichtigt lassen? Hoffentlich war niemand mehr imstande, zu beurteilen, ob die Gesichte echt, oder nur Träume des Petrus von Alvastra und Alfons von Jaen gewesen, als Katharina, welche so lange Jahre in der nächsten Umgebung ihrer heiligen Mutter hingebracht hatte und Zeugin dessen gewesen war, was ihr auf wunderbare Weise fortwährend begegnete. Es würde die Voraussetzung eines gar zu großen und handgreiflichen Betruges dazu gehören, wenn man der Annahme einer Erdichtung solcher Revelationen unter Brigittas Augen und auf ihren Namen Raum geben wollte.
Man würde nicht begreifen, wie der bekannte abtrünnige Prämonstratensermönch Oudin auf solche verkehrte Annahmen verfallen konnte, wenn man nicht den Schlüssel darin zu suchen hätte, daß Oudin seinen Abfall aus dem Mönchsorden in die reformierte Kirchengesellschaft durch Heruntersetzung des Kirchentumes. dem er den Rücken wandte, sowie der Erscheinungen, welche dasselbe darbietet, zu beschönigen, sich getrieben fühlte. Damit mag indes nicht geleugnet werden, daß in die Darstellung derjenigen Revelationen, welche nicht Übersetzungen dessen sind, was Brigitta in ihrer Muttersprache niedergeschrieben, durch subjektive Auffassungen, Auslegungen oder gar Darstellungen ihres Aufschreibers Modifkationen sich ein- 94 geschlichen haben mögen, welche dem ursprünglichen Gesichte fremdes enthalten. Das ist aber keine Besonderheit gerade dieser Revelationen, sondern wird bei allen Aufzeichnungen vorkommen, welche man nach den Mitteilungen eines anderen macht. Ich habe bereits oben darauf hingedeutet, in wie verschiedener Auffassung Christus in den vier Evangelien erscheint, und doch waren die Evangelisten göttlich inspiriert bei ihrem Schreiben. Sollte es nun Wunder nehmen, wenn nicht inspirierte Schreiber mündlich mitgeteilter und nicht selbst erlebter Offenbarungen ihrer persönlichen Anschauung beim Niederschreiben zu starke Rechnung getragen hätten? Am allermeisten aber geht Oudin fehl, wenn er sagt, die Revelationen Brigittas könnten deshalb nicht echt sein, weil sie Beleidigungen der römischen Kirche und der Päpste enthielten, die von einer Frau nicht herrühren könnten, welche aus Liebe zu Rom und aus Ehrfurcht vor dem Stuhle der Apostel sich an den Mittelpunkt der Christenheit begeben hätte. Oudin teilt hier den allgemein unter den Protestanten verbreiteten Irrtum, daß sie alle, welche über Rom, gegen die Päpste und wider den Klerus ungehaltene oder vorwurfsvolle Äußerungen haben fallen lassen, ohne Unterschied für Glaubensgenossen, und sofern solche vor Luther lebten, für Reformatoren vor der Reformation angesehen wissen wollen. Sie vergessen dabei gänzlich, daß die meisten jener Leute, welche für Mißbräuche im Kirchenregiment und in der Kirchenverwaltung ein offenes Auge hatten und darüber sich offen und unbefangen äußerten, doch keineswegs für nötig erachtet haben, deshalb die Kirchengemeinschaft, an welcher sie jene Mängel rügten, zu verlassen, weil sie etwa vermeinten, durch das Verbleiben darin an ihrer Seligkeit verkürzt zu werden. Gerade der Tadel von Mißbräuchen beweist, wie sehr solchen Personen das Heil der Kirche am Herzen gelegen. Weit richtiger würde man jene für Reformatoren vor der Reformation zu halten haben, welche sich durch abweichende und von der Kirche verworfene Lehren aus dem Verbande der Kirche schieden und auf eigene Faust mit der Leuchte der Bibel in der Hand, in welcher ihnen nur ihr eigenes Licht brannte, ihre Privatwege der Vervollkommnung suchten, wobei sie aber in jene große und lichtlose Irre und Düsternis versanken, in welcher die Unglücklichen unrettbar verloren gingen. Wer weiß, wie bald die Reformation Luthers, 95 welche sich übrigens so wenig ähnlich geblieben ist, daß Luther sich entsetzen würde, sie für sein Werk anzuerkennen, bei diesem Stadium angekommen sein wird? ⋅1⋅ Im Gegenteile hiervon finden wir gerade die heiligsten, die größten Seelen unter jenen angeblich vorreformatorischen Richtern der Mißbräuche der Klerisei. Sie haben aber hierbei nichts weniger beabsichtigt, als die römische Kirche zu beleidigen oder derselben sich feindselig zu erweisen. Am allerwenigsten kann eine solche Absicht bei einer Seherin wie Brigitta vorausgesetzt werden, welche nur aussprach, was der Geist Gottes ihr eingab. Oder war Brigitta etwa auch eine Rebellin, eine Feindin der Königswürde, als sie dem König Magnus Smeek, als sie der Königin Johanna von Neapel, als sie der Königin Eleonore von Cypern die Fehler vorrückte, welche sie begingen? Wer das zu behaupten wagt, mag sie immerhin auch eine Protestantin nennen. Er ist in beiden Stücken dann nur - in einem dicken Irrtume. Hätten die Beteiligten, hätte die römische Kirche, hätten die Päpste und die übrigen Kirchenfürsten, hätten die Könige und Regenten Brigitta nicht eine bessere Absicht beigemessen, als lutherische, zwinglische, kalvinische oder sonst akatholische Injurien, welche Oudin in ihren Offenbarungen finden will so würden weder Könige noch Päpste so eifrig sich um ihren Rat beworben, so energisch ihre Heiligsprechung betrieben haben. Nicht mit den Reformatoren und anderen Verwegenen, welche die Einheit der Kirche aufhoben, soll man Brigitta vergleichen, wenn sie wider die Großen der Kirche und der Welt sich ereifert. Man soll vielmehr sich, wenn man nach Vergleichen sucht, vergegenwärtigen, welche Aufträge die Propheten des Alten Bundes an die Könige, Priester und Herren auszurichten hatten. So bitter und vorwurfsvoll ihre Missionen für die irdisch Mächtigen auch waren, so wenig hat man doch daraus die Folgen gezogen, sie seien Rebellen, oder umgekehrt geschlossen, sie könnten die Äußerungen, welche in ihren Prophezeiungen vorliegen, nicht gethan haben, weil sie mit ihrer Anhänglichkeit an das Königtum, ihrer Ehrfurcht vor der Priesterschaft sich nicht vertrügen. Erwägt man dieses, so wird man aus der Freimütigkeit der heiligen Brigitta 96 wohl schwerlich noch den Schluß zu ziehen wagen, ihre Äußerungen vertrügen sich nicht mit ihrer Ergebenheit gegen die Kirche und deren Diener, mithin seien die Offenbarungen, welche solche Äußerungen enthalten, unecht und untergeschoben.
Ebensowenig kann, wie der genannte Oudin gethan, aus dem Umstande gegen die Echtheit von Brigittas Revelationen ein stichhaltiger Grund hergenommen werden, daß Petrus von Alvastra, den jener durchaus zum Urheber dieser Schriften machen will, an einigen Orten, z. B. im LV. Kapitel der Extravaganten, Mitteilungen eingeflochten, welche ihm nicht Brigitta, sondern ein anderer gemacht hatte. Aber gerade der Umstand, daß Petrus von Alvastra solche Erzählungen von den Gesichten der Heiligen ausdrücklich unterscheidet und dieselben fast immer durch die Überschrift: Erklärung oder Zusatz zu den Revelationen näher bezeichnet, bricht dem Oudinschen Argumente die Spitze ab und beweist, daß Petrus Brigitta nichts wollte sagen lassen, was sie nicht wirklich selbst gesagt, und daß er nichts weniger als die Absicht gehabt hat, seine eigenen Gedanken, Nachrichten und Aufzeichnungen der Heiligen unterzuschieben. Jedenfalls ist anzunehmen, daß Brigittas Zeitgenossen, die gleichzeitigen Päpste und die Kirchenversammlungen von Kostnitz und Basel besser unterrichtet sein konnten und waren, als der ausgetretene Mönch Oudin, welcher durch diese und ähnliche Lukubrationen der Kirche und dem Mönchsstande, den er verlassen, eines und das andere anhängen mußte, um seinen neuen Glaubensgenossen zu beweisen, daß er gründlich mit seiner Vergangenheit gebrochen und im Ernste einer der Ihrigen geworden sei. ⋅1⋅ 97
Weit mehr, als alles, was Oudin gegen die Echtheit und den Wert der Offenbarungen Brigittas vorgebracht, könnte denselben anscheinend zum Nachteile gereichen, was Gregor XI. bei seinem Tode geäußert haben soll, falls es erweislich gemacht werden könnte. So beruht es aber nur auf einer Äußerung des mehr gedachten Kanzlers Gersom in der dritten Betrachtung seiner Prüfung der Lehren (de eximinatione doctrinarum), wo er davor warnt, sich leichtfertig auf das zu verlassen, was Männer oder Frauen unter dem Vorwande einer religiösen Vision einem zutragen, und auf Gregor XI. hinweist, welcher auf seinem Sterbebette, ein Kruzifix in der Hand, die Umstehenden beschworen, sich nicht durch solche Gesichte, welche aus dem eigenen Kopfe derer, die sie gehabt haben wollten, entsprungen, täuschen zu lassen; er selber habe, indem er, unter Verachtung guter Ratschläge, welche die Seinigen ihm erteilt, sich auf solche Visionen von Männern und Frauen verlassen, sich und die Kirche der Gefahr der bevorstehenden Kirchenspaltung zugeführt. Abgesehen aber davon, daß gar nicht nachgewiesen worden, woher Gerson diese Äußerung genommen, welche übrigens, soviel dem Schreiber dieses bekannt, kein anderer gleichzeitiger Schriftsteller meldet, und daß es daher an einem Erweise der Wahrheit derselben fehlt, so ist doch auch nicht ersichtlich, daß er eben Brigitta mit den Weibern gemeint, die ihm täuschende Visionen zugetragen. Es ist vielmehr gerade das Gegenteil anzunehmen, indem die Befolgung von Brigittas Ratschlägen gerade aus dem Schisma herausführen mußte. Denn Brigitta lag wohl kaum etwas so sehr am Herzen, als die Heilung dieses tödlichen Übels, an welchem die Kirche litt. Auch ist gar nicht ersichtlich, inwiefern ihre, aus Visionen geschöpften Ratschläge, wenn sie richtig befolgt wurden, das Unheil hätten vermehren können. Aber wenn auch Gregor bei seiner angeblichen Äußerung Brigitta im Sinne gehabt haben sollte, so würde damit noch gar nicht erwiesen sein, daß seine Meinung, durch das Gehör, das er ihren Offenbarungen geschenkt, samt der Kirche in die angegebene Gefahr geraten zu sein, richtig gewesen 98 sei. Soweit nämlich zu ermitteln gewesen ist, sind die Weissagungen und Drohungen, welche Brigitta diesem Papste zugehen ließ, alle wohl begründet und richtig gewesen, und könnte nur die Nichtbefolgung ihrer Ratschläge die bösen Folgen verschuldet haben.
XXII. Von den Tugenden der heiligen Brigitta.
ist zwar schon in der Erzählung von ihrem Leben beiläufig mehrfach die Rede gewesen. Allein dieselben sind doch so ausgezeichnet, daß es eine Schuldigkeit gegen das Andenken der Heiligen erscheint, davon noch ausführlicher besonders zu handeln, was nach Anleitung der von dem Brigittinermönche Berthold aus dem Kloster zum Paradiese bei Florenz hinterlassenen Lebensbeschreibung Brigittas geschehen soll.
Vor allem zeichnete sich Brigitta in der Demut und durch eine tiefe Liebe zu Gott aus. Diese Tugenden bildeten die Grundlage ihrer übrigen und ihres ganzen Wandels, wie auf entgegengesetzter Seite (Ekklesiastikus X, V. 15) die Hoffart aller Sünde Anfang ist. Es ist schon bemerkt, wie Brigitta, obwohl eine Prinzessin von königlichem Geblüte, sich nicht scheute, armen Leuten die Füße zu waschen, die Hospitäler zu besuchen, sich mit den Kranken zu unterhalten, ihre Wunden auszuwaschen und dieselben zu verbinden. Sie flickte häufig die Kleider ihrer Diener und Dienerinnen, sowie anderer Personen, und verschmähte es nicht, an dem Kloster, in welchem sie anfangs ihre Ruhestätte nach vollendetem Pilgerlaufe fand, sich unter den Bettlern einzufinden und teilzunehmen am gespendeten Almosen, auch dafür den Dankeskuß zu geben. Tadelte ihr Beichtvater oder irgend jemand anderer etwas an ihr, mochte es nun mit Grund oder ohne Grund sein, so ließ sie sich vor demselben sogleich auf die Kniee nieder und bat um Verzeihung. Täglich beichtete sie, nicht selten mehr als einmal, und alle Sonntage wie an jedem Fest- und Feiertage empfing sie in Demut den Leib Christi. Trotz des Ergusses aller Gnaden über sie hielt sie sich für die niedrigste, unwürdigste Sünderin. Als Christus ihr befahl, die neue Regel ihres Ordens, die er ihr selber eingegeben, dem Papste in Person vorzulegen, verglich sie sich mit einer sehr kleinen 99 Ameise neben großen Kamelen, welche zu ihres Herrn Vorteil und Ehre große Lasten tragen. "Wie kann denn nun ," fuhr sie fort, "der Papst glauben. daß Du, der Herr aller Dinge, eine solche Ameise an ihn abschicken wirst?" Oftmals finden wir in den Revelationen Brigittas verwundernden Ausruf darüber, daß der Herr sie dieser oder jener Gnade gewürdigt, z. B. im XVIII. Kapitel des zweiten Buches und im LII. Kapitel des sechsten Buches ihrer Offenbarungen. Sie war soweit davon entfernt, auf die Gnaden, welche sie von Gott empfangen, stolz zu sein, daß sie vielmehr fürchtete, es stehe ihr aus Anlaß derselben ein schwereres Gericht bevor. - Gleichwohl ward die Braut Christi zuweilen vom Satanas versucht, welcher ihr vorstellte, von wie vornehmem Geschlechte und wie sehr geliebt von Gott sie sei. Dann antwortete Brigitta: "Verfluchter Teufel, Du bist um Deiner Hoffart willen gefallen; worauf aber soll ich stolz sein, da das Fleisch einer Königin nicht besser ist, als das der Magd, vielmehr alles gering und Erde ist? Weshalb soll ich mich nicht demütigen, da ich auch nicht den mindesten guten Gedanken von mir selbst haben könnte, wofern mir der Herr denselben nicht schickte?" - Einst hatte ein Mönch in Alvastra Brigitta nachgesagt, es sei nicht richtig in ihrem Gehirn, sie sei eine Träumerin. Als man ihr dies hinterbrachte, sprach sie: "Gebenedeit sei jener Bruder, der mich und meine Fehler kennt. Er sagt mit Wahrheit, daß ich nicht bei richtigem Verstande bin, da ich die Welt mehr als meinen Gott geliebt habe; nun aber und fortan will ich nichts anderes so sehr lieben wie Gott, und wünsche, niemand so wie Gott zu gefallen; dann hoffe ich, im Hirne zu gesunden, Gott gefällig, der Welt aber mißfällig zu werden. Bittet nur jenen Bruder, daß er für mich bete." - Als Magister Matthias in seinen Predigten Brigittas Tugenden lobend erwähnt hatte, bat sie ihn um Gottes willen, dergleichen künftig zu unterlassen. Sie behauptete, vor Gott nicht besser zu sein, als eine Ameise, und sprach: "Wenn ein großer Herr an einen Freund seinen Boten sendet, wer anders, als der Herr, muß da gelobt werden?" Als Matthias einwendete, daß Männer und Frauen, welche anderen zum Vorbilde dienen, gelobt werden müßten, entgegnete Brigitta: "Noch ist mein Schiff auf den Wogen, deshalb bedarf ich des Gebe es; wir sehen nur noch den Anfang, aber erst das Ende mag 100 gelobt werden." - Einst sprach der Graf von Nola mit Brigitta über die Offenbarungen, welche sie vom Himmel erhielt. Da äußerte sie: "Glaubt nicht, daß die mir eingegebenen Worte die Wirkung einer besonderen göttlichen Liebe sind! Denn ich bin dazu zu gering. Ich bin ja nur wie ein niedriger Bote, welcher, wenn er die Schreiben seines erlauchten Fürsten voll wichtigen Inhaltes überbringt, in nichts deren Inhalt verdirbt oder verfälscht. Er weiß es, der alles weiß, und der auch gesagt hat, daß ich nichts von meinen Worten hinzusetzen, noch von den seinigen hinwegnehmen solle." - Dieses Bild eines Boten, der Briefe eines hohen Herrn überbringt, muß Brigitta in seiner Anwendung auf sie sehr passend erschienen sein, da sie es noch bei mehreren anderen Gelegenheiten wiederholte.
Wenn sie von jemand in einer Bedrängnis andächtig um ihr Gebet angegangen ward, brach sie fast immer in folgende Worte aus: "Ich bin eine Sünderin und unwürdig, für euch zu beten. Bittet ihr vielmehr Gott, daß er mir Gnade gewähren wolle; ich werde gern an euer Anliegen denken, und vielleicht wird Gott, welcher in der Höhe wohnt und auf das Niedrige aus seinem Himmel herabsieht, zu euerer Demut sich neigen, und ohne Rücksicht darauf, daß ich es nicht verdiene, mich für euch erhören."
Als sie ihren Tod nahen fühlte, beunruhigte sie in ihrer Demut der Gedanke, daß sie mit Aufsehen begraben werden könnte. Sie verordnete sich daher ein heimliches, nächtliches Begräbnis. Wie wenig dieser Verordnung nachgelebt werden konnte, ist oben erzählt.
Die vorherrschende Empfindung in Brigittas Seele war aber eine alle übrigen Gefühle überwältigende Liebe zu Christo, welche ihr ganzes Herz, ihre ganze Seele und alle ihre Kräfte erfüllte. Glaubte sie, durch irgend etwas gegen diese Liebe verstoßen zu haben, oder hatte sie wahrgenommen, daß irgend jemand ihren himmlischen Bräutigam geringgeschätzt, so wußte sie sich anfangs nicht zu beruhigen. Nicht einen Augenblick lang mochte sie von ihm getrennt leben, immer sollte ihr Mund erfüllt sein vom frommen Gebete, ihr Sinn von unausgesetzten Gedanken an Christum und ihr Herz von ungefälschter Liebe. Eine süße Weide war ihrem Herzen das Vernehmen der göttlichen Einsprachen, worüber sie sich im
hier isses 101 LXXVII. Kapitel des vierten Buches der Offenbarungen sehr schön ausspricht. Es beseelte sie ein brennendes Verlangen, den Willen ihres Bräutigams in allen Stücken zu thun und zu erfüllen, auch ihm zuliebe Krankheit, Ärgernis, Schmerz, Armut, Trübsal, ja, wenn es sein könnte, ewige Strafen zu erdulden und seinetwegen jeglichen irdischen und himmlischen Trostes zu entbehren. Ihre Dankbarkeit für alles Gute, das sie von ihm empfing, war daher grenzenlos und kommen davon vielfache Äußerungen in ihren Revelationen vor, z. B. im XIII. Kapitel des siebenten Buches und im LXIV. Kapitel des fünften Buches. Wie ganz und sehr Brigitta Christo angehörte, mußte selbst der Teufel zugestehen, als Christus ihn (Kapitel XXXIV, erstes Buch) darum befragte. Die Liebe zu Christo ging bei Brigitta so weit, daß sie neben ihm nichts Irdisches lieben zu können schien. Als ihr Gemahl Wulf im Sterben lag, zog er sich einen Ring ab, den er stets getragen, drückte denselben seiner Gemahlin an den Finger und bat sie, durch den Anblick, desselben sich an ihn erinnern zu lassen. Einige Tage nach ihres Gemahls Tode that Brigitta den Ring von sich. Als ihr bemerklich gemacht wurde, das sei ein Zeichen geringer Liebe zu ihrem Gatten, sprach sie: "Als ich meinen Gemahl der Erde übergeben, habe ich mir vorgenommen, alle irdische Liebe mit ihm zu beerdigen; obwohl ich ihn wie mein eigenes Herz geliebt habe, möchte ich ihn auch nicht um einen Groschen wider Gottes Willen mir zurückkaufen. Als ich aber meinen Ring am Finger hatte, war er mir zur Last, da ich, wenn ich denselben anblickte, meiner früheren Liebe gedachte. Damit meine Seele sich erhebe in der Liebe Gottes, will ich Ring und Gatten entbehren und mich Gott anbefehlen.
XXIII. Brigittas herzinnige Andacht zur Jungfrau Maria. Ihr Eifer für die Ehre Gottes und ihr Bemühen um das Heil der Seelen.
Ihre andächtige Verehrung der Mutter Gottes verließ Brigitta keinen Augenblick ihres Lebens. Stärker ausgedrückt hat sie diese Empfindung wohl nie, als da sie in Bethlehem an der Geburtsstätte Christi stand und Maria versicherte, wie sie keine größere 102 Freude kenne, als Maria Christi Mutter zu wissen. Sie versicherte ihr,. daß sie, die Mutter Christi, ihr teurer sei, als ihre eigenen, mit Wulf erzeugten Kinder. Sie wünschte, nicht geboren zu sein, wenn Maria nicht geboren wäre, sie wollte lieber in der Hölle sein, wenn nicht Maria, die Mutter Gottes, im Himmel wäre (vgl. Kapitel I des siebenten Buches). Ihre Hingebung an die Himmelskönigin giebt Brigitta in unzählig vielen Stellen ihrer Offenbarungen zu erkennen, z. B. im XXIX. Kapitel des dritten Buches und XVIII. Kapitel des vierten Buches, auch in mehreren sehr schönen, an die heilige Jungfrau gerichteten Gebeten.
Brigittas größtes Verlangen war das Heil aller Seelen, welches aus dem ihr immer gegenwärtigen Gedanken Nahrung nahm, daß Christus ja doch zu aller Heile gestorben, und sein Tod daher allen zu statten kommen müsse. Brigitta trug dieses Verlangen Christo in zahllosen Gebeten vor. Fast alle ihre an Bischöfe, an Könige und andere Große der Erde gerichtete Schreiben und Botschaften hatten am Ende den großen Zweck, für das Heil der Seelen zu wirken. Darum trat sie auch furchtlos vor die Mächtigen hin und machte ihnen Vorhaltungen zu ihrem und dem Besten derer, welche von ihnen abhingen. Sie war die unerschrockene Überbringerin von Offenbarungen, welche von denen, an welche sie ergangen waren, menschlicherweise für Beleidigungen angesehen werden und für die Überbringerin von den übelsten Folgen sein konnten. Schonungslos griff sie das Verhalten des Königs Maguns Smeek, der Königin Johanna von Neapel und der Königin Eleonore von Cypern an und zeigte ihnen die göttlichen Strafgerichte für den Fall, daß sie verhärtet blieben. Die Liebe für die Nächsten und die Sorge
für deren Heil machten sie unempfindlich gegen die übeln Folgen, welche ihre Freimütigkeit erzeugte, indem sie den Haß Übelwollender erntete und sich einer Menge von Verleumdungen und Unannehmlichkeiten aussetzte. Solchen Anfechtungen stellte Brigitta eine unerschütterliche Geduld und Sanftmut entgegen. In Rom nahm sie sich der gefallenen Mädchen an, welche aus der Unzucht ein Gewerbe gemacht hatten. Um sie vor Rückfällen zu bewahren, nahm sie dieselben in ihr eigenes Haus auf, leitete ihre Buße und gab ihnen persönlich Anleitung zu einem lautern Wandel, sorgte auch, wenn sie diese Märchen zum Leben in einem Kloster nicht 103 tauglich fand, für eine angemessene Ausstattung und Verheiratung derselben. - Den erwähnten spanischen Heern, Gomez mit Namen, bewog Brigitta zu einem geistlichen Leben. Er fühlte sich, nachdem er mit ihr gesprochen, wie er selbst versicherte, in einen ganz anderen Menschen verwandelt. So gab es auch noch eine Menge anderer Männer, auf deren Sinnesänderung und Lebenswandelung Brigitta in ihrem Feuereifer für das Seelenheil ihrer Nächsten den entschiedensten Einfluß dauernd übte. Dies war namentlich der Fall mit dem Minoriten Martin aus Arragonien, den Brigitta zu Famagusta als Geheimschreiber der Königin von Cypern fand, und welcher sie nach Jerusalem begleitete. In Wohlleben und Überfluß hatte er ganz vergessen, daß Armut und Enthaltsamkeit die ersten Forderungen des heiligen Franziskus an seine Söhne sind. Durch Brigitta gebessert, ward er ein wahrer und würdiger Sohn des heiligen Franziskus. Daß Brigitta bei solcher Hingabe an die Thätigkeit, anderer Heil zu fördern, den häufig und von vielen Personen an sie gerichteten Bitten, für sie zu beten, gern und reichlich entsprochen, dürfte sich von selbst verstehen und braucht nicht näher auseinandergesetzt zu werden. Angesprochen ward sie um ein solches Gebetalmosen wirklich sehr oft.
XXIV. Brigittas Werke der Frömmigkeit und Geduld in Widerwärtigkeiten.
Aber nicht allein das Seelenheil ihrer Nächsten lag Brigitta am Herzen, sondern auch ihrer gegenwärtigen und leiblichen Not suchte sie nach Kräften abzuhelfen. Namentlich hatten die Armen an ihr eine allezeit hilfwillige Freundin. Es ist bereits erwähnt, wie sie noch zu Lebzeiten ihres Gemahls Wulf (Ulfo) in ihrem Hause zwölf Arme gespeist, denselben dabei aufgewartet und ihnen die Füße gewaschen hat. Sie errichtete Hospitäler, namentlich eines auf ihrem Landgute Ulfasa, das sie zum Teil in Person bediente. Es ist auch bereits erzählt, wie sie ihre Kinder in die Krankenhäuser geführt und dieselben an der Aufwartung der armen Kranken hat teilnehmen lassen. Sie fertigte diejenigen entschieden ab, welche aus weichlicher Fürsorge der frommen Mutter zum Vorwurfe machen 104 wollten, daß sie ihre Kinder an Stätten führe, wo sie durch Ansteckung erkranken könnten u. s. w. Brigitta ward eine Mutter aller Gefangenen, Betrübten, Armen, Waisen und Unmündigen. Zu Rom, wohin sie in zahlreicher Begleitung gekommen war, litt sie mit derselben oft selber Mangel, weil sie sich zum Besten der Armen aller Mittel des eigenen Bedarfes entäußert hatte. Oft mußte ihr Beichtvater ihrem Wohlthun Einhalt gebieten, damit sie nebst den Ihrigen nicht selber in Not geraten möchte; er nahm deshalb auch ihre Mittel in Verwahrung und machte gleichsam den Hausvater, und Brigitta gehabte sich nicht anders, als wäre sie eine Dienerin von ihm, und bat ihn wie eine selbst Bedürftige um das, was ihr doch selbst gehörte. Wurde ihr das Erbetene versagt, so ertrug sie den abschlägigen Bescheid mit aller Sanftmut. Während sie anderen neue Schuhe besorgte, trug sie alte geflickte. Einst hatte sie sich, als sie sich bei Lodösa in Schweden aufhielt, aller Mittel entäußert, damit die Tochter eines ihrer Diener sich verheiraten könne. Kaum hatte sie das Geld hinweggegeben, als sich ein Schwarm Hungernder ihr darstellte, welchen sie eine Mahlzeit auszurichten befahl. Der Hausmeister versicherte, zur Herstellung der Mahlzeit keine Mittel zu besitzen, und machte ihr Vorwürfe, daß sie das Ihrige so unbedachtsam hinweggebe. Sie antwortete: "Wir müssen geben, solange wir haben; denn auch wir haben einen großmütigen Geber, wenn es uns gebricht. Ich bin nun einmal für jene Armen aufbehalten; in meinem eigenen Bedarfe stelle ich mich ganz Gott anheim." Dieser verließ sie denn auch nicht, wenn sie durch Wohlthatsspenden ihre Mittel erschöpft hatte, und gab ihr Kraft, den Mangel zu ertragen, sowie andere Mittel, woher sie dieselben nicht erwartet hatte.
Brigittas Tugend der Geduld ist in der Kanonisationsbulle mit Recht ganz besonders hervorgehoben. Ihre Krankheiten und die Verluste der liebsten irdischen Güter trug sie mit einer himmlischen Gelassenheit. Am herrlichsten bewährte sich ihre Geduld den Verleumdungen gegenüber, welchen sie sich ausgesetzt sah. Man schalt sie eine Hexe, eine Verführerin des Hofes, und verfolgte sie nicht selten mit den furchtbarsten Drohungen. Als ihre Söhne wider die boshaften Verleumder sich erheben wollten, wehrte ihnen die sanftmütige Mutter, indem sie vor ihnen auf die Kniee fiel 105und sie flehentlich bat, nichts wider ihre Feinde zu unternehmen; sie versicherte, daß die Schmachreden ihrer Neider ihr lieber wären, als der Schmuck eines königlichen Diadems. Wie sie die Schmach ertragen, welche ihr ein vornehmer Schwede anthat, indem er ihr, da sie durch die Straßen ging, Wasser über den Kopf goß, ist schon weiter oben erzählt; ingleichen, wie sie gegen jenen Mann sich benommen, welcher, als sie bei Tische saß, sich betrunken stellend, Brigitta durch schmähliche Reden zu beleidigen trachtete. - Am Sterbebette ihres Sohnes Karl zu Neapel bezeigte sie eine solche Festigkeit, daß, als die Geistlichen seine Seele Gott empfohlen, sie weder Thränen vergoß, noch irgend einer anderen Äußerung des Schmerzes Raum verstattete. Eben so ruhig und würdevoll wohnte sie dem Leichenbegängnisse bei, zu welchem, in Schmerz aufgelöst und fast ungebärdig, auch die Königin Johanna sich eingefunden hatte. "Gehe," sprach sie hier, "gehe, mein Sohn, zu dem, welcher Dich mit seinem kostbaren Blute erkauft und nun gerufen hat."
Als Brigitta den Tod ihrer geliebten Tochter Ingeborg, welche eine Klosterfrau geworden war, erfuhr, pries sie Christum, welcher sie ans den Fallstricken dieser jammervollen Welt erlöst hatte. Hierauf ging sie in ihre Kapelle und trauerte, daß sie das heimgegangene Kind nicht besser in Gottes Geboten unterwiesen, ihm zu oft das Vorbild der Hoffart gegeben und seine Fehler nicht liebevoll genug getadelt. - Bei ihren eigenen Krankheiten zeigte Brigitta stets eine heldenmütige Ergebung. Auf ihrer Reise nach Jerusalem litt sie unaussprechlich an Fiebern und dem Magenübel, welches ihr auch nachher den Tod zuzog. Niemand aber hörte jemals eine Klage darüber von ihr. Sie dankte vielmehr dem Herrn, daß er sie zur Mitgenossin seiner Leiden gemacht. - Als Brigitta einst, da sie noch in Schweden war, gemeldet ward, daß eines ihrer Schlösser samt allem, was darin war, namentlich den Vorräten an Getreide, ein Raub der Flammen geworden, sprach sie: "Gelobt sei Gott, welcher mich mit Recht lohnt; denn ich habe Gottes Gaben mißbraucht und es gegen den Geber derselben am schuldigen Danke fehlen lassen." - Ebenso gelassen ertrug sie den Verlust aller Habseligkeiten, die sie mit sich nach Palästina genommen, durch den Schiffbruch, den sie, noch ehe sie die Küste erreicht, erlitten, und freute sich nur, daß niemand von der Reisegesellschaft sein Leben verloren hatte. 106
XXV. Brigittas Gehorsam gegen ihre geistlichen Väter und von ihrem geistlichen Leben.
Kaum zu glauben ist es, wie demütig Brigitta ihren geistlichen Vätern folgte, wie eifrig sie denselben diente, wie pünktlich sie gehorchte und wie vollkommen sie ihnen gegenüber auf ihren freien Willen verzichtete. Sie konnte sich nie entschließen, ohne ihren Willen aus dem Hause zu gehen oder sonst die geringste Sache vorzunehmen. Wenn sie die Heiligtümer Roms besuchte, wagte sie nicht einmal, den Blick vom Boden aufzuheben oder gar jemand anzusehen. Sie wollte in ihrer Andacht durch nichts Äußerliches gestört werden. Ihre Gesichte und Offenbarungen, ihre Gedanken und Eingebungen, sowie ihre Versuchungen meldete sie getreulich ihren geistlichen Vätern. Sie behielt und verwarf, was sie befahlen oder verboten. Ihre ganze Lebenseinrichtung machte sie von dem Willen dieser Väter abhängig, welche auch immer in ihrer Umgebung sein mußten. Diesen folgte sie, wenn ihre Befehle auch gänzlich ihrem Wunsche und ihrer Empfindung zuwiderliefen. So ist bereits gemeldet, wie sie in einer Krankheit, an welcher sie im Kloster zu Alvastra litt, auf Befehl des Magisters Matthias sich dem Gebrauche der Bäder unterzog, obwohl sie dagegen die größte Abneigung empfand. Ebenso trank sie auf dessen Geheiß, als es ganz wider ihren Willen und ihre Gewohnheit war. - Nach dem Tode ihres Gemahles Wulf (Ulfo) im Jahre 1344 entäußerte sie sich aller weltlichen Pracht und diente im Kloster Alvastra, wo derselbe bestattet war, Gott in einem demütigen Gewande, beichtete fleißig und brachte viele Nächte im Gebete zu; sie wartete pünktlich alle Klostergottesdienste ab. - In Rom war ihre Lebensordnung folgende: Nachdem sie die Vigilien und nächtlichen Gebete gehalten, legte sie morgens, bevor sie aus dem Hause ging, ihre Beicht ab. Mit dem Morgenrot besuchte sie die Heiligtümer. Um neun Uhr kehrte sie heim und setzte sich zu Tische, wobei sie eine bestimmte Ordnung beobachtete, die sie niedergeschrieben hatte und sich auf den Tisch vor Augen legen ließ, um sich ja keiner Überschreitung schuldig zu machen. Dreimal gedachte sie am Tische des Leidens 107 ihres Erlösers. Doch war dies nicht immer äußerlich bemerkbar. Während der Mahlzeit beobachtete sie ein ununterbrochenes Schweigen. Vom Tische aufgestanden, begab sie sich in ihre Zelle oder Kapelle und übte sich in irgend einem frommen Werke leiblich. Dann ging sie nach St. Peter oder einer anderen heiligen Stätte. Kam sie zurück und es war nicht gerade ein Festtag, so sprach sie zuerst das Kompletorium und die übrigen Gebete und speiste alsdann erst zu Nacht. War aber Festtag, so nahm sie mit ihren Beichtvätern und ihrer Tochter einen Imbiß und verrichtete ihre Gebete und Lobgesänge Gottes. Sodann begab sie sich mit ihrer Tochter in ihre Zelle und beobachtete bis zum nächsten Tage Stillschweigen.
Von Brigittas Reisen an heilige Orte ist bereits ausführlich die Rede gewesen. Auch sie sind redende Beweise ihrer frommen Andacht zu den Heiligen und deren Reliquien. Im IV. Kapitel des siebenten Buches der Revelationen ist von dem Schatze, den die Erde in diesen Reliquien besitzt, ausführlicher die Rede, und man wird danach den Eifer ermessen, womit Brigitta sich diesen Heiligtümern zu nähern beflissen war. Nicht selten hatte sie in der Nähe solcher Reliquien Erscheinungen von deren ehemaligen heiligen Besitzern. Als Brigitta noch Obersthofmeisterin der Königin Blanka war, erhielt diese einen sehr schön gearbeiteten elfenbeinernen Kasten mit Reliquien, zu welchen Blanka eine Reliquie vom heiligen Ludwig hinzuthat, die sie aus Frankreich mitgebracht hatte. Die Dienerin der Königin hatten das Kästchen an einen nicht ganz schicklichen Ort gestellt. Da sah Brigitta im Geiste aus dem Schreine einen strahlenden Glanz hervorgehen und vernahm eine also sprechende Stimme: "Siehe, der Schatz Gottes, welcher in den Himmeln geehrt wird, wird verachtet auf Erden, deshalb wollen wir anderwärts hinwandern." Sofort sorgte Brigitta für Aufstellung des Schreines auf einem Altare.
XXVI. Brigittas Keuschheit, Fasten und Bußübungen.
Brigitta hatte in ihrer Jugend gewünscht, ihr Leben lang unvermählt Gott in keuscher Ergebenheit zu dienen. Sie wäre damals, wie sie später ihrer Tochter Katharina mitteilte, lieber in 108 den Tod als in den Ehestand gegangen. Nur ungern gab sie daher dem Wunsche ihrer Eltern nach, sich mit Herrn Wulf (Ulfo) zu vermählen. Wie sie, nachdem sie dessen Gemahlin geworden, ihn zu keuscher Enthaltsamkeit zu bewegen wußte, ward bereits oben erzählt. In der Fastenzeit genügte Brigitta die Sonderung von ihrem Gemahle noch nicht, sondern sie nahm ihr Lager auf einer harten Bank, über welche nur ein Teppich gebreitet ward. - In allen ihren Gebärden, Bewegungen und Blicken sprach sich eine keusche Züchtigkeit aus. Nachdem ihr Gemahl das Zeitliche gesegnet, wandte Brigitta ihre ganze Neigung Christo ungeteilt zu, dessen Braut sie durch treue Liebe zu werden verdient hatte, worüber Kapitel II und XXXVIII des ersten Buches der Revelationen zu vergleichen. Alle Bücher ihrer Offenbarungen beweisen ihre innige Hingabe an Christum und die Gunst, in welcher sie bei dem Herrn stand. Auch die Jungfrau Maria hat diesen Revelationen zufolge ein großes Wohlgefallen an Brigitta. Sie verheißt ihr kurz vor ihrem Tode (Kapitel LXVII der Extravaganten), daß sie gesunden, nicht sterben, sondern an einen ihr bereiteten Ort kommen werde. Die Freuden ihrer keuschen Liebe zu ihrem himmlischen Bräutigam sind sehr lieblich im XXXII. Kapitel des ersten Buches geschildert.
Brigitta ließ es niemals an Züchtigung ihres Fleisches fehlen und nötigte dasselbe, dem Geiste zu dienen, indem sie mit dem Apostel ihren Leib in die Zucht nahm und dienstbar machte, auf daß, während sie anderen predigte, sie nicht selber verworfen würde. Darum kreuzigte sie ihr Fleisch mit Fasten, Wachen und anderen Bußübungen, um dasselbe Gott als ein lebendiges, wohlgefälliges Opfer darzubringen. In der Kanonisationsbulle ist näher angegeben, wie sie ihren Leib gezüchtigt und kasteiet, indem sie einen knotigen Strick um den Leib und harte, die Haut quälende Kleider getragen. An jedem Freitage fastete Brigitta zu Ehren des Leidens Christi, indem sie sich mit Wasser und Brot begnügte. Dergleichen Fasten hielt sie häufig auch an anderen Tagen, und übernahm freiwillige Körperschmerzen dadurch, daß sie brennendes Wachs auf das bloße Fleisch träufeln ließ, wie dies bereits anderwärts näher angegeben worden, wo auch erwähnt ist, wie sie fortwährend die bittere Wurzel der Gentiana im Munde führte. Weder Kälte noch 109 Hitze, weder Regen noch Schnee, kein Schmutz auf den Gassen konnte sie bewegen, ihre täglichen bestimmten Stationsreisen durch die Kirchen Roms zu unterlassen, dieselben abzukürzen oder zu verändern. Alle diese Besuche machte sie, selbst bei schon sehr geschwächter Körperkraft, nur zu Fuß. Als ihrem Gemahle das Fasten bei Wasser und Brot nicht zusagte, ließ sie ihm zu Gefallen sich dieselben Speisen vorsetzen und aß anscheinend von denselben, während sie ein silbernes verdecktes Gefäß vor sich hatte, das nur Wasser enthielt, von dem sie genoß, so daß sie in der That nur Wasser und Brot zu sich nahm; so vermied sie es, ihre Werke und Übungen. offenbar werden zu lassen und von dem üblichen Brauche abzuweichen. Wenn sie daher mit Vornehmen bei Tische saß, nahm sie von den einzelnen Gerichten, führte davon aber nur wenig zum Munde und indem sie den Schein bewahrte, von allem zu essen, fastete sie im Grunde nichts desto minder. Brigitta trieb es mit den Abstinenzen jeglicher Art so weit, daß ihr (Kapitel XCI im sechsten Buche) befohlen werden mußte, ihrem Leibe eine größere Pflege zuzuwenden. Früher weniger hart gegen ihren Leib, hatte sie sich in den ersten Zeiten ihrer Ehe mit Wulf (Ulfo) auf dem Schloß Ulfasa eine Bettstelle mach lassen, welche stattlicher war, als man sie gewöhnlich hatte; da erhielt sie einen heftigen Schlag an den Kopf, so daß sie sich vor Schmerz kaum zu rühren vermochte, und vernahm, wie aus der Wand heraus, eine Stimme, welche zu ihr sprach: "Ich stand nicht, sondern hing am Kreuze; mein Haupt hatte keine Lehne, und Du suchest Dir auf eine so ausgedachte Weise Ruhe !" Nun begann Brigitta bitterlich zu weinen und schlief fortan lieber auf der Streu, als in einem Bette.
XXVII. Über die Gnaden und Gnadengaben,
welche der heiligen Brigitta zu teil geworden, ließe sich, wenn man alle Erweise derselben melden wollte, ein großes Buch schreiben. Um nicht zu ausführlich darüber zu werden, bedarf es einer weisen Beschränkung des Stoffes. - Bestätiget werden diese Gnadengaben 110
1) durch die Zeugnisse vieler Personen.
In Alvastra befand sich ein Mönch, Gerbin (oder wie er Kapitel CXXI im vierten Buche der Revelationen genannt wird: Gerrechinus), welcher durch seine Ascese so gefördert war, daß er fast täglich während seiner Gebete neun Chöre der Engel schaute, und bei der Erhebung des Leibes Christi Christum selber häufig in der Gestalt eines Knäbleins erblickte. Dieser Mönch empfand, als Brigitta im Kloster zu Alvastra auf ungewöhnliche Weise ihren Aufenthalt nahm, über diese Neuerung einen verwundernden Unwillen und sprach in seinem Herzen: "Wozu wohnt diese Dame unter Mönchen und nimmt sich heraus, damit eine neue Weise gegen unsere Regel einzuführen?" Da ward er im Geiste verzückt und hörte eine Stimme, welche sprach: "Wundere Dich nicht; diese ist eine Freundin Gottes und kömmt, um am Fuße dieses, Berges Blumen zu sammeln, aus welchen vielen diesseits und jenseits des Meeres und bis an der Welt Ende Arznei bereitet werden wird."Ein anderes Mal erblickte dieser Bruder Brigitta von der Erde emporgehoben und vernahm im Geiste folgende, schon oben erwähnte Worte: "Dies ist die Frau, welche von den Enden der Erde kömmt und den Völkern Weisheit zu trinken giebt. Ein Zeichen dessen wird sein, daß sie Dir Deines Lebens Ende voraussagen wird."
In einem Cistercienser-Nonnenkloster in der Diöcese Strengnäs befand sich eine Nonne, Katharina, welche dadurch begnadigt war, daß ihr nicht selten die Mutter Gottes erschien und mit ihr redete. Diese stand im freundschaftlichen Verkehre mit Brigitta und sprach einst zu derselben: "Höre, Brigitta, ich sage es nicht, um Dich zu rühmen oder mich zu loben, sondern habe dabei nur Gottes Ehre im Auge; ich habe während meines Betens eine Stimme vernommen, welche also sprach: Wisse, die glückliche Brigitta soll, wenn sie auch jetzt auf Erden verachtet wird, im Himmel geehrt werden; die da noch erst geboren werden, werden ihren Namen preisen. Darum sei standhaft; denn ohne Zweifel wird erfüllt, was ich Dir gesagt habe." - Im ersten Monate von Brigittas Anwesenheit im Kloster von Alvastra erschien ihr im Gebete eine schon verstorbene Dame, welche sie im Leben näher gekannt hatte, und verkündigte Brigitta, daß ihr Einsicht in geistliche Dinge werde ge- 111 geben werden, sagte ihr auch voraus, daß sie über das Meer gehen und in Rom sterben werde.
Eine vornehme Schwedin machte eine Wallfahrt nach Compostella in Spanien. Hier erblickte sie an einer Wand ein Christusbild, das ihre besondere Aufmerksamkeit auf sich zog, und zu dem sie eine ausgezeichnete Andacht faßte. Sie betete, voll Mitleid mit des Erlösers Leiden, innigst vor demselben. Da vernahm sie eine Stimme, welche sprach: "Wo Du dieses Bild wieder sehen wirst, da wirst Du bleiben und sterben." Als sie später eine Reise nach Rom machte, erblickte sie zu Montefiascone im Hause einer Dame ein Bild, das dem in Spanien gesehenen durchaus glich. Dasselbe sprach zu ihr: "Hier sollst Du einziehen und bleiben; ich werde das Gemüt dieser Frau bewegen, daß sie Dir Wohnung gebe." Also geschah es, und sie führte nun ein gottseliges, beschauliches Leben. Hier hatte sie eine Erscheinung, indem sie eine Säule erblickte, auf welcher eine Frau von mittelmäßiger Größe stand; viele Menschen befanden sich umher und schauten bewundernd nach der Frau. Aus dem Munde derselben kam es heraus wie Tau und weiße und rote Rosen, deren Duft die Leute erquickte. Als sie in der folgenden Nacht erwachte, erklärte ihr eine Stimme, daß die Frau, welche sie gesehen, Brigitta sei, welche in Rom lebe und weit her mit Rosen gemischten Wein bringen und den dürstenden Fremdlingen reichen werde. Dieses Gesicht erzählte sie auch der heiligen Brigitta, als diese mit Petrus von Alvastra später nach Montefiascone kam.
Rächmund, ein Prior des Predigerordens, konnte sich nicht entschließen, an die Brigitta verliehene Gnade der Offenbarungen zu glauben. Da sah er im Traume, wie Feuer vom Himmel auf Brigitta herabfiel. Er verwunderte sich, erwachte und nahm das Gesicht für eine Täuschung. Wieder eingeschlafen, sah er, wie jenes Feuer, aus Brigittas Munde wieder hervordringend, die Umstehenden hell entflammte. Dabei vernahm er eine Stimme, welche sprach: "Wer vermag jenem Feuer zu wehren, daß es nicht hinausbringe? Ich, die göttliche Macht selber, will jenes Feuer nach allen Himmelsgegenden hin ausgehen lassen." Fortan zweifelte der Prior nicht mehr an Brigittas Gabe. Er bestätigte und verteidigte dieselbe, wo sie angegriffen ward. 112
Von Brigittas ekstatischen Erhebungen vom Boden ist bereits Erwähnung geschehen. Eine solche ward auch durch den Bruder Angelus, einen Spanier, beobachtet, welcher zu Rom im nämlichen Hause sich befand, und der auch ihr Antlitz von einem überirdischen Glanze strahlen sah, welcher so lange anhielt, als Brigitta mit ihm redete.
Ein Bischof von Abo, welcher als schwedischer Gesandter nach Frankreich und England geschickt worden war, hatte auch den Auftrag, den Königen dieser Länder gewisse Eröffnungen zu machen, von denen in einigen Kapiteln des vierten Buches der Revelationen die Rede ist. Da diese nicht zum Besten aufgenommen wurden, war er sehr verstimmt und beunruhigt. Nun erschien ihm Brigitta im Traume, verwies ihm seine Verzagtheit und verhieß ihm auch eine glückliche Heimkehr.
2) Durch verschiedene wunderbare Heilungen,
welche der Brigittinermönch Berthold, der ihr Leben beschrieben hat, zu melden weiß. Der kleine Karl, das Söhnlein einer vornehmen Dame, Namens Katharina, hatte zwei Jahre lang an der Epilepsie gelitten. Die Mutter schrieb an Brigitta nach Rom und bat, daß dieselbe für den Sohn beten möge. Brigitta antwortete ihr . sie solle sich über des Knaben Krankheit nicht weiter ängstigen, dieselbe werde dem kleinen Karl nicht länger nachteilig sein. Also geschah's. In derselben Stunde, wo Brigitta zu Rom diesen Brief schrieb, genas das Knäblein in Schweden.
Zu Rom fand Brigitta eines Tages vor der Thür der Kirche der heiligen Praxedes ein norwegisches Weib halbtot liegen. Sie machte den Versuch, die Kranke allein nach dem nahen Hospitale San Antonio zu schaffen, vermochte es aber nicht, weshalb sie ihren Kapellan Magnus dabei zu Hilfe nahm. Später nahm Brigitta das Weib in ihre eigene Wohnung und erkannte, daß sie an der Epilepsie litt. Sie gab der Kranken ihren Rosenkranz und sofort verließ sie die Krankheit.
Ein Sohn Latino's von Orsini zu Rom litt an einer langwierigen Dysenterie mit ununterbrochenen akuten Fiebern. Alle Ärzte hatten denselben aufgegeben. Niemand glaubte, daß er davon- 113 kommen werde. Als die Mutter des Kranken die Hoffnungslosigkeit seines Zustandes erfuhr, dachte sie bei sich: "Ach, wenn doch nur Brigitta käme! Berührte sie meinen Sohn, so würde er gesund werden." Und Brigitta kam unverhofft, trat in das Krankenzimmer, und nachdem die Anwesenden auf ihr Geheiß sich entfernt hatten, begab sie sich in ein eifriges Gebet. Dann trat sie auf das Lager des Knaben zu, bedeckte denselben mit dem Saume ihres Kleides, legte ihr Gesicht auf das seinige, erhob sich dann wieder und sprach: "Schlaf ein, mein Sohn, schlaf ein." Hierauf rief sie die Mutter wieder in das Zimmer und sprach: "Der Knabe stirbt nicht, er schläft nur." Kaum hatte sich Brigitta entfernt, als der Knabe erwachte, von seinem Bette aufstand und sich ankleidete, um aus dem Hause zu gehen und mit seinen Kameraden zu spielen.
Ein ehemaliger Kanonikus zu Neapel, nachmals Cisterciensermönch, Namens Robert, war, wie man glaubte, infolge übertriebener Abstinenz geisteskrank geworden, genas aber auf Brigittas Gebet. Es ist von diesem Robert und Brigittas Gebete für ihn in deren Offenbarungen weiter die Rede.
Ein Notarius zu Florenz war in so heftige Raserei verfallen, daß ihm, um zu verhindern, daß er Schaden anrichte, Ketten hatten angelegt werden müssen. Er genoß aber lichte Augenblicke, in deren einem er an Brigitta nach Rom schrieb und um deren Gebet für ihn bat. Es erschien ihm hierauf der heilige Johannes mit einem ehrwürdigen Alten zu seiner Seite, welcher sprach: "Die Frau, welche in Rom für Dich bittet, ist ans fernen Landen. Danke Gott, Du wirst genesen." Also geschah es.
In Sermonetta, einem Orte in dem Gebiete der Grafen von Fondi, ward auf der Reise eine Magd der Braut Gottes, Katharina aus Flandern, schwer krank. Sie litt an heftigen Fiebern und Seitenstechen. Ihr Leiden war so schlimm, daß man sie bereits aufgegeben hatte, Katharina, Brigittas Tochter, bat ihre Mutter, für die Kranke zu beten, und auch der Beichtvater Petrus befahl ihr ein solches Gebet. Brigitta legte sich in Kreuzesgestalt auf den Boden nieder, näherte den Mund der Erde, verrichtete ein kurzes Gebet und rief, indem sie aufstand. die Magd beim Namen, welche sogleich ganz geheilt sich erhob und mit den übrigen die Reise fortsetzte. 114
Auf einer anderen Reise ward Brigittas Kapellan Magnus auf dem Pferde von so furchtbarem Kopfweh befallen, daß er nicht weiter zu reiten vermochte. Brigitta hatte Eile, weil sie glaubte, die mitgenommenen Lebensmittel würden für die Gesellschaft nicht ausreichen. Magnus bat, ihn nicht hier zwischen den wilden Tieren allein zurückzulassen, ihm vielmehr die Hand aufs Haupt zu legen und für ihn zu beten. Brigitta that's und sofort war Magnus seinen Schmerz los und befand sich munterer als zuvor.
Ebenso heilte Brigitta ihren Beichtvater Petrus von Alvastra, als dieser infolge seiner Weigerung, Brigittas Offenbarungen ins Lateinische zu übersetzen, von einem heftigen Schlage getroffen, in der Kirche bewußtlos niedergesunken war und infolgedessen sich sehr krank fühlte.
3) Von bösen Geistern
hat die heilige Brigitta eine Menge von Personen befreit. Einige Fälle sind hier zu erwähnen. Zuerst der in der Kanonisationsblle berührte! In Nola wohnte eine in Jahren bereits vorgeschrittene Frau, welche nichts weniger als schön war. Diese wurde von einem bösen Geiste, einem Incubus, geplagt, welcher als starker, ansehnlicher Mann fast allmächtlich erschien und sie zwang, ihm zu willen zu sein, wovon am Morgen die augenscheinlichsten Spuren wahrgenommen werden konnten. Dieser Geist war greifbar. Die Frau hatte niemals das Gesicht der ihr nahenden Gestalt gesehen, weil der Unbekannte, bevor er sich zu ihr legte, immer das Licht auslöschte. Die Frau kam allmählich in üble Nachrede, gegen welche sie sich vergeblich durch Beteuerungen ihrer Unschuld zu wehren suchte. Sie verrammelte nachts ihre Thüre, bat Nachbarinnen, bei ihr zu wachen, um den Eindringling kennen zu lernen. Diese kamen zwar, schliefen aber ein. Der unheimliche Gast erschien und that, wie zuvor, ohne daß die Frau, während er sie vergewaltigte, schreien konnte. Nun nahm sie ihren Schwiegersohn ins Haus und ihre Tochter, dessen Frau, zu sich ins Bett. Der junge Mann suchte dem Schlafe mit allen Kräften zu widerstehen und auch die Frauen wach zu erhalten. Wirklich brachte er auch die Nacht wachend zu. Der böse Geist aber drang mit Getöse in das Haus 115 ein, löschte das Licht aus und machte alle durch Schrecken starr, warf die Leute zu Boden und that an der Frau wie gewöhnlich. Die Frau kam nun zu der Überzeugung, daß sie es mit einem bösen Geiste zu thun habe, wandte sich zu Gott, beichtete und kommunizierte mehrmals. Gleichwohl ließ der böse Geist nicht nach. Gute Freunde rieten der Frau zu magischen Mitteln. Um durch den Gebrauch derselben die Frau auf dem Wege der Verdammnis immer weiter zu locken, ließ der Geist, als ob die Mittel angeschlagen, ein wenig von seinen Verfolgungen ab, jedoch nicht gänzlich, so daß sie sich endlich ihrem Gerichtsherrn, dem Grafen Nikolaus von Nola, anvertraute, welcher über die Sache mit Alfons, Brigittas Freunde, der eben zu Nola war, Rücksprache nahm. Dieser sandte die Frau nach Neapel zu Brigitta, welche sich eben dort aufhielt. Nachdem die Frau der Heiligen ihre Geschichte erzählt, fragte dieselbe, ob sie von den gebrauchten magischen Dingen nichts bei sich führe. Als die Frau solches verneinte, entgegnete Brigitta, vom heiligen Geiste erleuchtet: "Du lügst, an den Haaren hast Du, was Christen nicht haben dürfen." Nun gestand die Frau, daß sie ein Zauberband besitze, machte dasselbe los und warf es hinweg. Brigitta gebot ihr, wiederholt eine reumütige Beichte abzulegen, am folgenden Tage das heilige Abendmahl zu nehmen und inzwischen dem Fasten und Beten obzuliegen. Die Frau that es; Brigitta betete eifrig für sie. Der böse Geist wich und ließ die Frau fortan unangetastet.
Von einem anderen besessenen Weibe, dessen Bauch unnatürlich aufgeschwollen, und von einem dreijährigen besessenen Kinde, welche beide Brigitta befreite, ist Kapitel LXXX und LXXXI des sechsten Buches der Offenbarungen die Rede. Ebenso ist Kapitel XXXIV daselbst eines Mannes gedacht, welchen Brigitta gleichfalls von seiner Besessenheit erlöste.
Einst befiel der böse Geist auch einen Boten Brigittas, so daß dieser, unter dem Vorwande, Briefe für sie zu holen, zu ihr ins Zimmer drang und sie ermorden wollte. Da er nichts ausrichtete, machte er einige Tage hindurch schreckliche Gebärden, ward aber auf seiner Herrin Gebet bald wieder frei. - Als Brigitta sich noch in Upland aufhielt, ward ihr ein besessenes Weib gebracht, von welchem der böse Geist schon nach dem ersten Gebete Brigittas wich. 116
Ein Mönch Nikolaus litt, vom Satan geplagt. viele Jahre lang an solchem Hunger, daß er es kaum zu ertragen vermochte. In einer Weihnachtsnacht ward es so schlimm mit ihm, daß er Brigitta um ihre Fürbitte anging. Um die Zeit, als sie betete,schlief er ein und sah im Traume eine Frau auf sich zukommen, welche seine Lippen und seine Zunge berührte und sprach: "Siehe, Du bist gesund, stehe auf!" Nachdem er erwacht war, litt er niemals wieder an jener Anfechtung. - Ein anderer Mönch wurde zwölf Jahre lang beim Genusse des hochwürdigsten Gutes versucht und konnte den Namen Maria nie ohne schmutzige, gotteslästerliche Gedanken aussprechen, weshalb er sich auch lange des englischen Grußes enthielt. Auch er wandte sich an Brigitta und erlangte durch deren Fürbitten, daß er Christi Leib ungestört genießen und mit den lautersten Gefühlen Marias Namen hören und sprechen konnte.
Ein der gewerblichen Unzucht ergeben gewesenes Frauenzimmer ward von Brigitta bekehrt, aber nachmals zu Zeiten vom bösen Geiste angegriffen, der sie aus dem Bette zerrte und ihr die Augen zudrückte. Das Weib ward hierüber ungeduldig und begann zu fürchten, bei so gewaltsamen Angriffen ihren Tod zu finden. Ich will mich, dachte sie, lieber leiblich vergnügen, als in den Tod begeben, und fiel so in ihr früheres Sündenleben zurück. Im Geiste erleuchtet, erkannte Brigitta dieses alles, strafte in Gegenwart des Beichtvaters den Geist und hieß ihn ausfahren. Das Weib verstummte eine Zeit lang und starrte auf die Erde nieder; dann richtete sie sich auf und sprach zu Brigitta: "Gepriesen seist Du. o Frau! in scheußlicher Gestalt sah ich den Teufel ausfahren." Das Weib bekehrte sich vollständig und der Geist kam nicht wieder.
Wie Brigitta an dem üblen Geruche Anwesender deren heimliche Sünden erkannte, ist bereits mehrfach erwähnt. Diese Gabe erprobte sich auch, als Brigitta in Cypern mit dem Dominikaner Simon, welcher der Beichtvater des Reichsverwesers und ein großer Astrolog und Theologe war, vieles wußte und kannte, nur sich selber nicht, zusammenkam. Er wollte sie erforschen, welche Bewandtnis es mit ihren Offenbarungen habe und ob sie auf Wahrheit beruhen. Während sie mit ihm redete, empfand sie einen fast unerträglichen Schwefelgestank, wovon sie dergestalt unangenehm be- 117 rührt ward, daß alle Anwesenden es bemerken konnten. Ein anderer derartiger Fall ist im LXXXVII. Kapitel des sechsten Buches der Offenbarungen erwähnt.
Wenn Brigitta zuweilen ein Gott verhaßtes Wort, das ein anderer gesprochen, unbedachtsam wiederholte oder erzählte, empfand sie auf der Zunge und im Schlunde eine nicht geringe Bitterkeit, woran sie erkannte, daß sie Gott beleidigt habe, weshalb sie das Wort auf eine oder die andere Weise sogleich widerrief. Als Brigitta auf ihren Reisen im Königreiche Neapel nach Aversa kam, bat sie ein dortiger Wechsler, Antonio de Corbeto, um ihre Fürsprache bei der Königin wegen Verleihung eines Zolldienstes. Brigitta sagte ihm ihre Verwendung sogleich zu, ohne die Sache näher überlegt, ohne sie im Gebete dem Herrn vorgetragen, ohne ihren Beichtvater darum befragt zu haben. Augenblicklich empfand sie einen bitteren, schwefeligen Geschmack auf der Zunge, woraus sie erkannte, daß sie mit ihrer Zusage Gott mißfallen habe, und begab sich ins Gebet. Christus erschien ihr und befahl, das Gegenteil von dem zu thun, was sie dem Antonio zugesagt hatte, vielmehr der Königin von Vergebung des Postens an denselben abzuraten und ihm zu empfehlen, von seiner Bewerbung abzustehen, wenn er nicht weltlichen und ewigen Schaden leiden wolle. Antonio folgte nicht, erreichte aber erst in sechs Jahren, was er begehrte. Als er demnächst Rechnung über seine Amtsführung ablegen sollte, fand sich ein solcher Defekt, daß alle seine Habe kaum ausreichte, denselben zu decken, und er als ein Bettler den Posten aufgeben und umherirren mußte.
Noch höhere Gaben erscheinen an Brigitta, wenn man ihre Offenbarungen liest, in denen ihr nicht nur Verborgenes aufgedeckt, Fernes in Zeit und Raum gezeigt, sondern sogar die heilige Schrift erklärt ward, in denen sie Aufträge an Fürsten, Päpste und andere Große der weltlichen Reiche und der Kirche von Gott erhielt. Über die Verleihung aller dieser Gnadengaben sind folgende Stellen von Brigittas Offenbarungen zu vergleichen: Bd. II, Kap. 18. VI, 52. II, 15 und 16 u. s. w. - Daß diese Eingebungen nicht von einem bösen Geiste herrühren, wie Brigitta häufig fürchtete, wird ihr wiederholt versichert (vgl. Buch I, Kap. 4. IV, 14. IV, 77 und 78). 118
4) Durch den Geist der Weissagung,
der sich in ihr in so vielfältiger und mannigfacher Weise äußerte, daß die Zusammenstellung dieser Äußerungen schon ein Buch füllen würde. Sie schaute das Verborgene der Gegenwart und Vergangenheit so gut wie der Zukunft, und schloß nicht selten die Geheimnisse verstockter Herzen auf.
Sehr vieles davon ist in ihren Büchern der Offenbarungen enthalten, namentlich im siebenten. Besonders merkwürdig ist die Brigitta durch den heiligen Petrus mitgeteilte Offenbarung über die Stadt Rom im V. Kapitel des vierten Buches, welche genau in Erfüllung ging. Als Brigitta noch in Alvastra war, erfuhr sie schon, daß sie nach Rom gehen und dort sein würde, wenn Papst und Kaiser daselbst Einzug hielten, wie es auch nachmals wirklich geschah, obwohl Brigitta anfänglich über ihre Mitteilung verlacht ward, weil jedem eine solche Zusammenkunft unwahrscheinlich vorkam. Ebenso sah sie das neue Schisma voraus, in weichem Klemens VII. als Gegenpapst auftrat (vgl. Kapitel LXXVIII im vierten Buche).
Die Weissagungen an die Herrscher und Einwohner von Cypern, welche Brigitta ihnen in ihren Strafreden zu erkennen gab, gingen gleichfalls genau in Erfüllung.
Brigitta gab in Rom um dieselbe Zeit, wo er in Schweden starb, den Tod des Magisters Matthias kund. Ihr Beichtvater Petrus notierte sich Tag und Stunde und fand, als die Nachricht von Matthias Tode aus Schweden in Rom einlief, dieselbe ganz übereinstimmend mit seiner Aufzeichnung.
Nicht minder gab Brigitta in Rom ihrer Tochter Katharina Nachricht von dem eben in Schweden erfolgten Tode ihres Gatten. und stellte ihr sogleich die Wahl, ob sie wieder zu einer Ehe schreiten oder dem heiligen Witwenstande treu bleiben wolle.
Ein ruchloser Mensch hatte einen kranken Judenknaben geraubt und trieb sich mit demselben in den Kirchen Roms umher, um Mitleid für den Kranken zu erregen und von den demselben erwiesenen Wohlthaten Nutzen zu ziehen. Einmal fand er sich in der Kirche des Lateran mit dem Knaben ein, als Brigitta auch dort war, welche ihn beim Betteln antraf. Sie erkannte sofort 119 das begangene Verbrechen und sprach: "Weshalb hast Du diesen Knaben bei Dir? Er ist ganz zweifellos ein Jude, Du hast denselben geraubt." Der Kerl erschrak heftig und wollte davonlaufen, ward aber von den Anwesenden festgehalten und bekannte nun, daß alles, was Brigitta gesagt, die Wahrheit sei. - Von dem Innewerden der verborgenen Missethaten anderer durch Brigitta geben auch die Erklärung zum III. Kapitel im sechsten Buche und das LXXVI. Kapitel desselben Buches Kunde.
Nicht minder sagte Brigitta das baldige Ende Haquins voraus, der ein Bruder des Königs in Schweden war.
Einem Bischofe, welcher in Neapel zu ihr kam, als sie dort erkrankt war, entdeckte sie seines innersten Herzens Geheimnisse, die er noch niemand geoffenbart hatte. Dasselbe that sie dem Spanier Gomez, der mit ihr in Rom zusammentraf.
Eines Tages, als sie noch in Schweden weilte, trat Brigitta ihr Sohn Karl entgegen. Sie erkannte, daß er Heimliches im Innern verbarg. "Geh'," rief sie ihm zu, "und beichte augenblicklich die Todsünde, welche Du begangen." Der junge Mensch legte sich aufs Leugnen. Seine Mutter aber beteuerte, wie sie gewiß wisse, daß er eine Todsünde begangen. Endlich mußte er zugestehen, daß seine Mutter recht habe.
Ein vornehmer Mann war ermordet worden. Unter seinen Blutsverwandten und den Mördern entstand eine blutige Feindschaft. Die Frau des Ermordeten, Margareta, fürchtete, ihre Söhne möchten zu deren Verderben mit in den Streit hineingezogen werden. Um dieses zu verhüten, wendete sich die betrübte Mutter an Brigitta. Wie war sie erstaunt, als diese ihr selber eröffnete, was sie zu ihr führe, und sich so unterrichtet vom Zwecke ihres Kommens zeigte, daß die Bittstellerin nichts hinzuzufügen hatte. "Gehe heim," sagte Brigitta, "und sei voll Trostes; morgen vor der dritten Stunde wirst Du zuverlässigen Frieden mit den Feinden haben." Also geschah's. Mit Anbruch des Tages fanden sich die beiderseitigen Widersacher vor Margareta ein und schlossen in ihrer Gegenwart einen dauerhaften Frieden. 120
5) Von den Wundern,
welche Brigitta auch noch im Tode gewirkt und deren fast zahllose Menge vielleicht noch nicht vollständig zusammengestellt worden, muß hier doch auch noch Erwähnung gethan werden.
Ein vornehmer Herr, welcher nach dem Faustrechte handelte, fing einen gewissen Petrus ein, indem er behauptete, daß einer von dessen Leuten einen seiner Bauern verwundet hätte. Obwohl Petrus einwandte, daß sein Diener allein die Verantwortung trage, befahl jener Herr, dessen Habgier Petrus nicht entsprechend befriedigen konnte, daß derselbe gefoltert werde. Da gelobte der Geängstigte für den Fall, daß er befreit würde, Brigittas Grab zu Wadstena zehn Jahre hindurch jährlich zu besuchen und daselbst gewisse Opfer darzubringen. Die Folter ward angewendet und Petrus zuletzt an einem Galgen aufgeknüpft; der grausame Herr fürchtete nämlich nichts Gutes, wenn Petrus wieder frei würde. Dieser hing vom Mittag bis zum Abend am Galgen. Ein Dieb trug Gelüste zu seinen Stiefeln und anderen Kleidungsstücken und wollte ihm dieselben abnehmen. Ein in der Nähe befindlicher dreizehnjähriger Knabe, der seinen Anschlag wahrnahm, rief ihm zu, sich zu hüten, denn eine Frau im weißen Gewande, welcher die Haare bis auf die Brust hinabreichten, halte den Gehängten in der Schwebe. Da sprach der andere: "Möchte doch die heilige Frau, deren Überreste jüngst in dieses Land übergeführt sind, und deren Koch ich drei Jahre hindurch gewesen bin, jenem Menschen zum Heile helfen! Aus Ehrfurcht vor ihr werde ich den Strick durchschneiden." Er that's und legte den Gehängten auf den Boden. Nachdem derselbe bis in die Nacht hinein entseelt dagelegen war, stellte sich leichtes Atmen ein, er schlug die Augen auf und kam allmählich wieder zu sich. Da ihm jedoch die Hände vor der Brust zusammengeschnürt waren, wollte er die Binde mit den Zähnen zernagen. Sobald er seinen Mund daran brachte, verging der Strick wie ein morscher Faden. Er machte sich nun auf, ging heim, ward beim Könige klagbar, und dieser verbannte den Thäter mit seinen Helfershelfern aus dem Reiche.
Ein Landmann aus der Gegend von Westeras galt bei den Verwandten seiner Gattin für einen tödlichen Feind derselben, weil 121 er sie einige Male geschlagen hatte. Eines Nachts fand er die Frau, welche sich gesund niedergelegt hatte, tot neben sich im Bette. Der Mann flehte Gott und die heilige Brigitta an, daß er dem Argwohn der Verwandten seiner Frau, welche ihn des Mordes an seiner Frau bezichtigen würden, entgehen könne. Die Verwandten kamen herbei und hielten den Mann im Ernste für den Mörder seiner Frau. Während nun der Mann Gott und der heiligen Brigitta sein Anliegen, daß seine Unschuld an den Tag kommen möge, im Gebete vortrug, belebte sich die Frau wieder und pries Gott, welcher auf Brigittas Fürbitte sie noch einmal ins Leben habe zurückkehren lassen. Sie versicherte auch ihren Verwandten, wie ihr Mann an ihrem Tode nicht im entferntesten schuld sei. Sodann verlangte die Frau einen Priester, ließ sich die Sterbsakramente reichen und starb nun wie eine Christin eines erbaulichen Todes.
Einem anderen Manne aus derselben Gegend starben, nachdem sie bis dahin ganz munter gewesen, eines Morgens, als er aufstehen wollte, seine beiden kleinen Söhne unter erschrecklichem Geheul. Er fürchtete, für deren Mörder angesehen zu werden. Die Mutter aber trat an die eine kleine Leiche und gelobte, den Sohn mit Opfergaben nach Wadstena zu bringen, wenn derselbe ihr zum Leben zurückgegeben würde. Wie der Geist bei Sterbenden allmählich entweicht, so kehrte derselbe umgekehrt nach und nach in das Knäblein zurück. Des wurde die Mutter über die Maßen froh und ließ in ihrer Pfarrkirche eine Dankmesse darbringen. Nach etlichen Stunden, als der Glaube im Herzen der Frau noch mächtiger gewachsen war, wendete sie sich an die glorwürdige Witwe und bat um ihre Verwendung bei Gott, daß auch dem zweiten Knaben das Leben wieder geschenkt werden möchte. Dies geschah auch, und nun brachte die überglückliche Mutter die beiden Knaben nach Wadstena, wo sie der froherstaunten Menge das Wunder unter Freudenthränen verkündigte.
Eine Frau in Skeninge verlor nach einer schweren Geburt den neugeborenen Knaben sogleich wieder, indem derselbe nach wenigen Minuten starb. Sie war untröstlich, daß derselbe die heilige Taufe nicht hatte erhalten können. Samt allen Anwesenden wandte sie sich im Gebete an die heilige Brigitta mit der Bitte, ihr behilflich zu sein, dem Kinde nur so lange Leben wieder zu verschaffen, daß 122 an demselben noch die heilige Taufe vollzogen werden könne. Zu aller Erstaunen belebte sich das Kind vor ihren Augen wieder. Es blieb munter und die Mutter brachte es einige Wochen später nach Wadstena und verehrte daselbst ein Kinderbild von Silber zum Opfer. Als aber auch jetzt der Knabe drei Stunden lang leblos dalag und die erschreckte Mutter das Gelübde machte, daß ihr Sohn künftig die Kirche zu Wadstena fleißig besuchen solle, kehrte das Leben aufs neue in das Kind zurück.
Eine Frau Margareta aus Ecken im Sprengel des Bischofs von Westeras gebar einen toten Knaben, welcher ganz schwach war, dessen Zunge aus dem Munde hing und schon wie eine Kohle erschien. Derselbe ward mehr für ein Ungetüm, als für einen Menschen angesehen. Nachdem ein Gelübde für die heilige Brigitta und eine Wallfahrt nach Wadstena gelobt worden, kam Leben in das Kind und dasselbe erhielt seine natürliche Farbe und Gestalt.
Ein dreijähriges Mädchen, Katharina, aus der Diöcese Strengnäs fiel in ein stehendes Gewässer und ertrank. Neun Stunden suchte man vergeblich nach der Leiche. Jetzt erst erfuhr des Kindes Mutter dessen Verlust. Sie lief an das Wasser, kniete nieder und gelobte eine Wallfahrt nach Wadstena mit dem Kinde. Dies erschien mit einem Male auf der Oberfläche des Wassers, gab, nachdem es ans Ufer gebracht worden, das eingeschluckte Wasser von sich und kam wieder zur Besinnung.
Zwei Blinde, deren einer seit der Geburt, der andere seit acht, Jahren des Lichtes der Augen beraubt war, erhielten zu Wadstena am Feste Petri Kettenfeier, für welches der Kirche große Indulgenzen bewilligt waren, während der Anwesenheit einer großen andächtigen Menge ihr Gesicht wieder.
In einer norwegischen Stadt war einem Mädchen von zwölf Jahren ein Fell über die Augen gewachsen und dadurch eine völlige Blindheit erzeugt. Eine Menge von Ärzten ward vergeblich zu Rate gezogen, das Kind blieb erblindet. Die Mutter gelobte, mit demselben den Reliquien Brigittas einen Besuch abzustatten, und die Erfüllung des Gelübdes hatte das Verschwinden des Felles vom Auge des Mädchens zur Folge.
In ähnlicher Weise erhielten ein alter Mann, Namens Petrus, eine Frau Margareta, eine Witwe Erispina, der Finnländer Olaus 123 auf ihr andächtiges Gebet an Brigittas Grabe, namentlich am Feste von Petri Kettenfeier, ihr Gesicht wieder.
Als Brigittas irdische Überreste nach Wadstena geführt wurden, folgte denselben das Volk in großen Zügen und schlug in einer Nacht Zelte auf einer Wiese auf, um darunter zu ruhen. Ein elfjähriger bis dahin stummer Knabe kroch unter die Bahre, worauf der Schrein mit Brigittas Gebeinen stand, um sich vor dem herabfallenden Regen zu schützen. Von Stunde an erhielt er den ihm fehlenden Gebrauch der Sprache.
Ein vierzigjähriger stummer Bäcker, Nikolaus, ward durch das Gerücht von dieser wunderbaren Heilung nach Wadstena gezogen und auch er kehrte mit dem Gebrauche der Sprache begnadigt heim.
In gleicher Weise erhielt eine taube Frau, welche Brigitta an deren Grabe ihre Verehrung darbrachte, ihr Gehör wieder.
An einem Pfingstfeste erhielt ein Knabe, Olaf, aus der Gegend von Lund, welcher lahm und stumm und auf dem Rücken nach Wadstena getragen war, weil er nicht gehen konnte, die ungehinderte Bewegung seiner Glieder und seine Sprache an Brigittas Grabe wieder. Vor aller Augen ging und sprang er fröhlich umher.
Ein gichtbrüchiger Pfarrer aus der, Diöcese Linköping begab sich in der Zeit der Fasten nach Wadstena. Er genas dort so bald, daß er während der Ostertage ungehindert alle Messen lesen und fortan seinem Amte mit Erfolg wieder vorstehen konnte.
Ein vornehmer Herr, Namens Reginald, war von der Gicht so gelähmt, daß er sich nicht rühren und auch nicht sprechen konnte. Seine Gemahlin und der Pfarrer machten für ihn, da er selbst es nicht vermochte, das Gelübde einer Wallfahrt nach Wadstena, wofern er dazu imstande sein werde; Es währte nicht lange, so war er es imstande und machte seine Wallfahrt zu Fuße.
Eine Frau in der Diöcese Drontheim war so kontrakt, daß sie wie ein regungsloser Stock im Bette lag. Als sie einst schlief, erschien ihr eine Frau in ehrfurchtgebietendem Gewande und sprach: "Ich bin Brigitta von Wadstena und werde Dich von Deiner Krankheit heilen. Wenn Du dann geheilt bist, wirst Du mir's damit vergelten, daß Du zu meiner Stätte gehest und daselbst Deine Genesung öffentlich verkündigst." - Hierauf bestrich sie der Kranken die Glieder wie mit einem lindernden Balsam. Als die Frau 124 erwachte, fühlte sie sich im ungehinderten Gebrauche derselben und war auch wieder in den Besitz der Sprache gekommen. Sie eilte nach Wadstena und verkündigte dort in der Kirche laut das an ihr geschehene Wunder.
Ein Mann aus Westeras litt heftig an der Epilepsie, welche ihn an jedem dritten Tage ergriff. Auch er genas nach dem Gelübde einer Wallfahrt nach Wadstena.
Lorenzo Colonna, ein Sohn des Herrn Colonna in Rom, litt ebenfalls heftig an der Epilepsie. Als ihn einst das Übel ergriff, und er sich wendete und krümmte wie ein Besessener, holte seine Großmutter Lätitia ein Stück von dem Rocke Brigittas, das sie besaß, herbei und berührte damit die Stirn des Knaben, welcher sogleich beruhigt ward und genas. Mit derselben Reliquie berührt, genas auf der Stelle das Töchterchen einer Amme des Oddo Agapito von der gleichen Krankheit.
In Neapel erkrankte ein Kaufraann Palmerio tödlich. Seine Frau hatte eine besondere Andacht zur heiligen Brigitta, flehte dieselbe um ihre Fürbitte an, und gelobte für den Fall der Genesung ihres Gatten, nach St. Maria von Karmel, wo sich ein Bild Brigittas befand, zu wallfahrten. Hierauf hatte der Kranke eine Vision, in welcher ihm deuchte, Brigitta beuge sich über ihn hin. Wieder zu sich gekommen, sagte er: "Ich bin gesund, die heilige Brigitta hat mich geheilt;" und so befand sich's auch. Man merkte ihm nicht mehr an, daß er krank gewesen.
Das Söhnlein einer vornehmen Dame zu Rom litt an einem beständigen Fieber und einer damals epidemisch herrschenden Dysenterie, an welcher viele Kinder starben. Durch ein Brigitta gethanes Gelübde ward der Knabe gesund.
Ein vornehmer römischer Knabe hatte an der Lende ein schlimmes Geschwür, das kein Arzt hinwegzubringen vermocht hatte. Da ward ein in Seide gewickeltes Stückchen von einem Gewande Brigittas über die Wunde gebunden, und es trat unverzüglich Heilung ein. Mit dieser Zeugpartikel wurden noch mehrere schwere Krankheiten in derselben Familie, welche dieselbe besaß, vollkommen geheilt. Ganz ähnliche Heilungen, durch Berührung von Zeugstücken, die Brigitta getragen, weiß der Mönch Berthold noch mehrere zu melden. 125
Die Gabe der Gewalt über böse Geister, welche Brigitta im Leben geeignet hatte, offenbarte sich auch noch nach ihrem Tode. Ein Knabe, der neunmal täglich von einem nichtswürdigen Geiste gequält wurde, erhielt seine Freiheit von demselben an Brigittas Grabe, wohin ihn seine Mutter gebracht hatte, wieder.
Die Frau eines Glöckners in dem Sprengel des Bischofes von Strengnäs war schon sechzehn Jahre lang von einem bösen Geiste geplagt, welcher sie der Gesundheit des Leibes und Geistes beraubt hatte. Sie vernahm von diesem Geiste schreckliche Worte: "Ich will Dir das Herz aus dem Leibe reißen, Du sollst eines scheußlichen Todes sterben" u. s. w. In einer Vision erblickte sie eine schöne Frau, welche ihr riet, das Kloster zu Wadstena und das Grab der heiligen Brigitta zu besuchen, worauf sie gesund werde. Schon als sie zuerst auf Händen und Knieen kriechend. weil sie nicht zu gehen vermochte, sich auf den Weg nach Wadstena aufgemacht, empfand sie eine Besserung, richtete sich bald auf, und kam allmählich gesund und ganz genesen an jenem Orte an.
Ein Landmann, Namens Olaf, in dem Sprengel des Bischofes von Westeras, sah drei Tage hintereinander zwölf scheußliche Geister in garstigem Aufzuge in seiner Umgebung, welche ihm versprachen, sie wollten ihn zum reichen Manne machen, wofern er ihnen zu Willen wäre; wogegen sie ihn, wenn er sich dessen weigere, auf schauderhafte Art umbringen und in die Hölle befördern würden. Er antwortete: "Ich will Gott zu Willen sein und der heiligen Brigitta, zu welcher ich zu wallfahrten gelobt habe, und diese wird unter Gottes Beistand mir helfen, den Schrecken euerer Drohungen zu überwinden. Ich will sie dann auch alle Tage mein Leben lang verehren." Die bösen Geister ließen hierauf von dem Manne ab, und er konnte sein Gelübde vollbringen.
Ein Weibsbild kehrte um die Zeit der Komplet aus einer leichtfertigen Tanzgesellschaft zurück. Da packte sie auf der Straße der Teufel und bearbeitete sie so, daß sie an allen Gliedern wie zerschmettert und krank an allen Sinnen war. Sie brachte eine klägliche Nacht hin. In der Morgendämmerung wurden zwei Priester zu ihr gerufen, welche mit einigen Freunden der Geplagten eine Wallfahrt für sie nach Wadstena gelobten, worauf sie sich alsbald frei fühlte. 126
Auch in anderen irdischen Bedrängnissen zeigte die in Anspruch genommene Vermittlung der heiligen Brigitta, oder die Berührung mit ihren Reliquien, sich wirksam.
Einer Frau, die lange in schweren Kindesnöten lag und ihrer Bürde nicht ledig werden konnte, half ein anwesender Bischof durch Auflegung einiger Haare der heiligen Brigitta, worauf sofort die Geburt erfolgte.
Als Brigittas irdische Überreste beim Hinüberführen in ihr Geburtsland durch Polen gebracht wurden, ließen die Träger an einer Klosterkirche ihre heilige Last stehen, um daselbst die Messe zu hören. In der Nähe lag eine Frau schon lange in Kindesnöten, und konnte ihre Bürde nicht los werden. Sobald die Reliquien der heiligen Brigitta in ihre Wohnung getragen wurden, hatte die Not ein Ende.
Das Gleiche widerfuhr einer anderen Wöchnerin, welche in ähnlicher Bedrängnis mit ihrer ganzen Familie nach Wadstena an Brigittas Ruhestätte zu pilgern gelobt hatte.
Eine Gesellschaft auf der See fahrender Schweden hatte einen großen Sturm zu bestehen, welcher so entsetzlich wütete, daß alle in der See ihr Grab zu finden fürchteten. Sie wendeten sich an die Fürbitte der heiligen Brigitta, und wie durch eine unsichtbare Hand gehoben, ward mit einem Male das Schiff aufs Ufer gesetzt. Jetzt wurde ein mit an Bord gewesener Knabe vermißt. Alle fielen auf die Kniee und flehten um Erhaltung des Lebens dieses Vermißten. Sofort führte eine Woge ihn unverletzt ans Gestade.
Eine andere Gesellschaft schwedischer Pilger kehrte von einer Wallfahrt nach Aachen in die Heimat zurück. Ein Blitzstrahl entzündete den Mast des Schiffes, auf dem sie fuhren. Einen Brand des ganzen Schiffes fürchtend, sanken alle auf dem Verdecke auf die Kniee und flehten um Brigittas Beistand. Der brennende Teil des Mastes ward wie von unsichtbarer Hand ins Meer geschleudert und die Gesellschaft ihrer Not enthoben.
Der Abt des Klosters Julita im Nykiöpinger Sprengel fuhr über den Mälarsee, um nach Strengnäs zu gelangen. Das Schiff stieß auf eine Klippe, das Steuerruder zerbrach und es zeigte sich ein Riß im Schiffe. In diesem Augenblicke rannte dasselbe gegen einen anderen Felsen, und die Gesellschaft gab sich verloren. In 127 dieser Not gelobte der Abt, eine Messe zu Ehren der heiligen Brigitta abzuhalten und trotz seiner völligen Zerbrochenheit hörte das Schiff gleichwohl auf, Wasser einzulassen, und hielt noch die Rückreise nach Stockholm aus, nachdem es notdürftig geflickt worden.
Zehn Männer befanden sich mit einem Knaben auf einer Eisscholle im Wettersee, an dem Wadstena gelegen ist. Da vernahmen sie aus der Tiefe des Sees jenes ihnen wohlbekannte merkwürdige Geräusch, welches dem Aufbruche des Eises voranzugehen pflegt. Sechs der Männer eilten mit Zurücklassung der gefangenen Fische und ihrer Gerätschaften nach dem Lande. Die vier anderen mit dem Knaben wollten ihre Habseligkeiten retten, hielten sich aber dabei zu lange auf. Da entstand zwischen ihnen und den schon weiter entfernten Gefährten ein ungeheuerer Riß im Eise, und die Scholle setzte sich in eine furchtbare Bewegung. In der Angst vor dem nahen Tode riefen sie Brigitta an, indem sie ihre Augen nach Wadstena richteten. Da trieb der Wind ihre Scholle dicht an das am Ufer noch still liegende Eis, und gestattete ihnen, über dasselbe ans Land zu ihren Genossen zu gelangen. Nur der Knabe war zurückgeblieben und fiel, als die Scholle nun in den See zurücktrieb, ins Wasser. Die geretteten Männer, unvermögend, dem Knaben zu helfen, sanken vereint auf die Kniee und flehten Brigitta um Hilfe an, und wie von einer unbegreiflichen Kraft aus dem Wasser emporgehoben kam der Knabe unbeschädigt ans Land.
Ebenso wurde die Norwegerin Theoberg, welche mit ihrem Manne über ein brechendes Eis wanderte, und beim Einsinken Brigitta anrief, mit ihrem Manne gerettet, indem eine gewaltige Kraft sie über das geborstene Eis auf unbegreifliche Weise ans Gestade entrückte.
Auch von den wunderähnlichen Erscheinungen, zu welchen die Heimführung von Brigittas Gebeinen durch ihre Kinder Birger und Katharina Anlaß gab, sollen hier einige angeführt werden. -
Als Birger und Katharina bei dieser Überführung in der Mark Ancona angekommen waren, stürzte eine von Brigittas ehemaligen Dienerinnen, Maria mit Namen, plötzlich wie tot zur Erde nieder, verlor die Sprache, verdrehte die Augen und lag bewußtlos wie eine Leiche da. Auf den Rat der Beichtväter nahm Katharina von den Haaren und Gebeinen ihrer Mutter, und be- 128 rührte damit die Augen und andere leidende Teile Marias, welche auf der Stelle gesundete, und nach Schweden gelangt, in Wadstena Nonne ward.
Als der Zug nach Deutschland gekommen war, geriet er in Mähren in die Nähe einer Räuberbande, welche ihm nachstellen und ihn berauben wollte. Die Reisenden sahen, wie die Räuber von den Bergen bereits auf die Straße hinabstiegen, um sie zu überfallen. Voll Sorgen empfahlen sich Birger und Katharina Gott und ihrer heiligen Mutter. Da wurden die Räuber mit augenblicklicher Blindheit geschlagen, vernahmen zwar die Schritte Vorüberziehender, erblickten aber niemand. In der folgenden Nacht erschien Brigitta einem der Mitreisenden, und eröffnete ihm, wie sie die Räuber geblendet, damit der Zug ungehindert durch sie hindurchkommen möchte.
Das erste Wunder, welches in Schweden nach Ankunft von Brigittas Reliquien sich begab, war folgendes:
Ein vornehmer Schwede, Haquin, ward in der Pfingstwoche des Jahres 1374 von seinen Feinden zum Gefangenen gemacht, gefesselt und ans Ufer geführt, um nach Deutschland hinübergeschafft zu werden, da man von ihm eine größere Summe zu seiner Loskaufung zu erpressen hoffte. Als er am Ufer stand und vernahm, daß Brigittas irdische Überreste eben in Schweden angekommen und unfern von ihm rasteten, rief er die Heilige an, daß sie seine Entführung aus dem Vaterlande nicht leiden möge. Es brach alsbald aus einem nahegelegenen Schlosse eine Schar Bewaffneter hervor, welche den Haquin befreiten. Und doch waren diese keineswegs seine Freunde, hatten es vielmehr bis dahin mit seinen Feinden gehalten. Haquin schloß sich nun sogleich dem Leichenzuge an, und begleitete denselben bis Wadstena. Der König sprach ihn auch von jeder Zahlung seines Lösegeldes frei.
Eine sehr vornehme Dame lag, als Brigittas Überreste in Schweden ankamen, so gliederlahm danieder, daß sie mit Maschinen emporgewunden werden mußte, wenn sie sich aufrichten wollte. Als sie von der Ankunft jener Heiligtümer vernahm, richtete sie sich, so schwer es auch anfangs ging, auf, um zu den Reliquien zu gelangen. Sie vermochte alsbald zu gehen, und legte den Weg dahin mit Leichtigkeit zurück. 129
Ein Weib, das einen Mann bis zum Wahnsinn liebte, ohne dessen Gegenliebe gewinnen zu können, wollte dies durch folgendes abscheuliche Mittel erzielen. Sie ging zum Tische des Herrn, genoß aber die Hostie nicht, sondern nahm sie wieder aus dem Munde und that sie in einen Trank, welchen sie dem sie verschmähenden Geliebten beibringen wollte, um ihn zu unreiner Liebe für sie zu entflammen. Da dies Mittel das erste Mal nichts half, kommunizierte sie zum zweiten Male und wickelte die empfangene Hostie in ein Tuch. Als sie aber dieselbe in den Trank thun wollte, war sie plötzlich verschwunden. Infolgedessen konnte das erbarmungswürdige Weib zehn Jahre hindurch weder den Leib Christi sehen, noch ein Vaterunser in der Kirche beten, obwohl sie außerhalb derselben einigermaßen zu beten imstande war. Sie wagte niemand ihre Missethat zu beichten. Als Brigittas sterbliche Überreste angekommen waren, unternahm das Weib eine Wallfahrt zu denselben. Kaum hatte sie den über die Reliquien gebreiteten Mantel berührt, so brach sie in Thränen aus und konnte beichten, und nun vermochte sie auch des Herrn Leib anzusehen und zu beten.
Ein Mann hatte in vierzig Jahren nicht gebeichtet. Von Brigittas Rufe angeregt, ging er zur Beicht, sagte aber, daß er nicht gesündigt habe. "Dann spreche ich Dich auch nicht los," entgegnete der Priester. Er kam noch einmal, schämte sich aber wieder, zu bekennen. Als er sich nun erheben und wieder abtreten wollte, erblickte er den Teufel in scheußlichster Gestalt. Erschreckt über diesen Anblick fiel er wie tot zur Erde, und konnte über eine halbe Stunde lang kein Wort herausbringen. Nachher erblickte er eine vornehme Frau in golddurchwirkten Kleidern, welche sprach: "O Mann, Du bist schwer krank!" Er antwortete: "Ja wohl, nur zu wahr ist das." Jene fuhr fort: "Gehe zu den Reliquien der heiligen Brigitta, da ist Arznei für Dich. Ich, die ich mit Dir rede, bin die Mutter der Barmherzigkeit." Der Mann stand auf, beichtete alle Sünden, welche er von Jugend auf begangen, und dankte Gott.
Eine fromme Frau in der Nähe von Alvastra hatte seit zehn Jahren an heftigen Schmerzen im linken Arm gelitten Nachdem sie vertrauensvoll sich an die Fürbitte der heiligen Brigitta gewendet hatte, erschien ihr dieselbe in jenem Gewande, womit sie 130 die Heilige in Alvastra bekleidet früher öfters gesehen hatte und sprach zu ihr: "Du bittest mich um Deine Gesundheit; bitte vielemehr Gott, der alles vermag, ich will mit Dir bitten, und bin versichert, daß er uns erhören wird." Die Frau fühlte sich sogleich frei von allem Schmerze.
Wie übel im Himmel Lästerungen gegen seinen Liebling Brigitta vermerkt worden, ergiebt sich aus folgenden Erzählungen:
Als Brigittas Überreste in Schweden angekommen waren, lästerte ein vornehmer Herr über die Heilige. Es ergriff ihn aber augenblicklich eine solche Wahnsinnswut, daß er eine Menge von Teufeln erblickte. Er verschloß sich in eine Kirche, züchtigte seinen Leib mit Ruten und Stöcken, und zerstieß sich den Kopf auf grausame Weise mit Steinen. Seine Freunde, welche dies vernahmen, bahnten sich durch die Fenster einen Eingang und wollten ihn herausholen. Er aber biß sie in die Finger und schrie: "Verfluchte Spitzbuben! ihr habt von der Frau Brigitta eben so übel geredet, als ich, und darum verdient ihr ebenso der Teufel Gesellschaft, wie ich." Als er endlich wieder etwas zur Ruhe gekommen war, gelobte er, zu Brigittas Reliquien nach Wadstena zu wallfahrten, nur wollte er eine früher gelobte Pilgerfahrt nach Aachen vorher ausführen. Als er diesen Vorsatz gefaßt, ward er ärger als vorher von den bösen Geistern gequält. Er nahm sich nun vor, zuerst nach Wadstena zu gehen. Anfangs wurde ihm der Weg sehr schwer, bald aber fanden sich allmählich seine Kräfte immer mehr wieder, und er konnte die Reise barfuß vollenden.
In ähnlicher Weise kam ein Weib, das auf Brigitta lästerte, um ihren Verstand; ihr Mann, der den Zusammenhang erkannte, gelobte, mit seiner Frau nach Wadstena zu wallfahrten. Infolgedessen erhielt die Frau ihren Verstand wieder.
Ein Mann, welcher sich ähnliche Lästerungen zu schulden kommen ließ, ward alsbald aufs Krankenlager geworfen und fiel in solche Verzweiflung, daß er sich selber das Leben nehmen wollte. Da erschien ihm im Traume eine ehrwürdige Frau und gebot ihm, die Zunge auszustrecken, worauf er genesen werde, sie sei die, welche er gelästert habe. Nachdem sie seine Zunge wie mit Balsam bestrichen hatte, fiel er in Schlaf und war beim Erwachen von seinem Leiden befreit. 131
In ähnlicher Weise gestraft und entsühnt wurden: ein vornehmer Herr Pino aus Orebro, der Goldschmied Jakob, eine gewisse Gertrud und die Nonne Margareta zu Risaberg, in der Nähe von Strengnäs, der Minoritenbruder Johannes, welche alle Brigitta gelästert hatten, wie beim Berthold des näheren ersehen werden kann. Hierher gehört auch die im Kapitel XC im sechsten Buche der Revelationen erzählte Geschichte von einem Klostergeistlichen, welcher darüber ungehalten war, daß Brigitta, eine Dame aus der hohen Welt, Gnaden erlangt haben sollte, welche selbst den Enthaltsamen und Abgeschlossenen, die sich Gott zu gefallen in Klöster einschließen lassen, versagt geblieben. Nicht minder kommt die im XCII. Kapitel daselbst mitgeteilte Geschichte eines Mönchs in Betracht, welcher die Besorgnis ausgesprochen, Brigitta möge sich bei ihren Offenbarungen Täuschungen hingegeben haben.
Mit diesen, nur ausführlicher von ihm gestellten Anführungen schließt Berthold seine Mitteilungen über Brigittas Wirken im Leben und nach dem Tode.
Die Bearbeiter von Brigittas Leben in den Actis Sanctorum haben ihrer Arbeit noch einen Anhang von den Wundern der heiligen Brigitta hinzugefügt, welche teils in Schweden, teils in Neapel, teils in Nola und Rom gewirkt sind, und der mit der Zusammenstellung einer Menge von den Mönchen in Wadstena aufgezeichneten Wunder schließt.
Der Herausgeber gegenwärtiger Lebensbeschreibung muß sich versagen, auch noch diese Wunder zu berichten, weil er, nachdem er schon so viele Wunder erzählt, wohl fühlt, daß durch die Menge ganz ähnlicher wunderbarer Begebenheiten weniger die Andacht gehoben, als zerstreut und ermüdet wird, da die Geschichte aller nur kurz und anekdotenartig erzählt ist Nicht wenige der in diesem Anhange verzeichneten Wunder sind auch bereits in unseren Mitteilungen enthalten. Der geneigte Leser, welcher noch vollständigere Nachrichten zu lesen wünscht, wird an die Acta Sanctorum verwiesen.
Endlich glaubt der Herausgeber der Schriften Brigittas in einer neuen Verdeutschung seiner nur schon zu lang gewordenen biographischen Einleitung in dieselben, welche auch als besondere Schrift erscheint, hiermit ein Ziel setzen zu müssen.
Gott wolle dieser Arbeit seinen Segen verleihen! 132
Bulle der Heiligsprechung der seligen Brigitta aus dem Königreiche Schweden, der ehrenreichen Braut Christi, welche erlassen hat Papst Bonifacius IX.
Bischof Bonifacius, ein Knecht der Knechte Gottes, entbietet seinen ehrwürdigen Brüdern, den Patriarchen, Erzbischöfen, Bischöfen und seinen geliebten, auserwählten Söhnen, wie auch den Kapiteln der patriarchalischen Dom- und Hauptkirchen, sie mögen eingesetzt sein, wo sie wollen, seinen Gruß und apostolischen Segen. - Vom Anfange der Welt an nach dem Falle des ersten Vaters, um dessen willen das ganze Menschengeschlecht dem ewigen Tode unterworfen war, hat der alles vermögende und barmherzige Gott aus der Höhe Fürsorge getragen, daß der Mensch, den er erschaffen, nicht gänzlich zu Grunde ginge, sondern seiner Gottheit teilhaftig würde. Nachdem er ans Eingebung des heiligen Geistes die ersten Väter und die begeisterten Propheten als Verkündiger der Herabkunft seines Sohnes ins Fleisch mittels vorbildlicher Geheimnisse 133 und göttlicher Offenbarungen vorausgesendet hatte, entließ er diesen nämlichen einzigen Sohn, den er vor Ewigkeit der Zeit gezeugt, als die Fülle der Zeiten erschienen war, von seiner Seite in den Schoß der vorhererwählten Jungfrau, feiner Mutter, welche mittels einer unerforschlichen Beschattung des heiligen Geistes während der Verkündigung des Engels empfing. Von derselben Jungfrau geboren, begann derselbe, fortgeschritten in der Zeit, zu wirken und zu lehren, auch allen darzuthun, wie den aus der Quelle der heiligen Taufe Wiedergeborenen der Weg aus dem ewigen Tode zum Leben offenstehe, und, nachdem er sich Jünger gesammelt, hat er, damit kein Gläubiger sich vor den Beschwerden und Verdrießlichkeiten dieses vergänglichen und flüchtigen Lebens, oder vor den Peinen des bitteren zeitlichen Todes zur Erlangung des ewigen Lebens entsetzen möchte, sich nach vollendetem, aus Gehorsam übernommenen Leben als ein fleckenloses Opfer auf dem Altare des Kreuzes durch blutigen Tod Gott, dem Vater, dargebracht und die streitende Kirche mit seinem kostbaren Blute gegründet, geweiht und ewiglich befestigt. Endlich aber, im Begriffe, aus der Welt zum Vater zu gehen, hat er dem Fürsten der Apostel, dem himmlischen Schlüsselträger, und auf die Personen seiner Nachfolger, der obersten Bischöfe, durch Übergabe der Schlüssel die Macht übertragen, zu binden und zu lösen, und ihm das höchste Priesteramt, ingleichen die besondere Besorgung und allgemeine Leitung seiner Herde anvertraut. Und bei alledem versprach er, seine Kirche in Ewigkeit nicht verlassen zu wollen. Zu reichlichem Nutzen derselben spendete er durch den heiligen Geist Gnadenausteilungen an seine Gläubigen, denn dem Apostel zufolge (I. Kor. XII) wird einem jeglichen die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben. Dem einen wird durch den Geist verliehen das Wort der Weisheit, dem anderen aber das Wort der Wissenschaft nach demselben Geiste; einem anderen der Glaube in demselben Geiste; einem anderen die Gabe, zu heilen in demselben Geiste; einem anderen, Wunder zu wirken; einem anderen Weissagung; einem anderen Unterscheidung der Geister; einem anderen mancherlei Sprachen; einem anderen Auslegung der Reden. Dieses alles aber bewirkt ein und derselbe Geist, der einem jeden zuteilt, wie er will. - Und diese streitende Kirche hat der Vater des Lichtes in dem nämlichen heiligen 134 Geiste mittels eines wunderbaren Baues von kostbaren Steinen, geziert mit bewunderungswürdiger Mannigfaltigkeit auf dem obersten Ecksteine: Jesus Christus, aus denen aufgeführt, welche er vor dem Anfange der Welt auserwählt hatte, dem Ebenbilde seines Sohnes gleichförmig zu werden, damit derselbe der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. In ihm hat er auch diejenigen durch Verleihung der besten Gnaden begnadigt, welche durch ihr Beispiel einen ausgezeichneten Weg zeigen sollten. Infolgedessen sind nun die heiligen Apostel durch die ganze Welt hingeschritten und haben das menschliche Geschlecht, das unterm Joch der Sünde gehalten wurde, zum Leben und Heil aufgemuntert, mit der festesten Standhaftigkeit das Wort Gottes gepredigt, daß ihr Schall ausging in alle Lande und ihre Worte an der Welt Ende. So haben auch die leuchtenden Märtyrer, angethan mit dem Harnisch des Glaubens und umgürtet mit dem Gürtel unerschütterlicher Beständigkeit, ihre Kleider im Blute des unschuldigen Lammes gewaschen und sind Jesu Christo gefolgt im leuchtenden Heereszuge zum Bau Jerusalems in der Höhe, d. h. der triumphierenden Kirche, indem sie nach herrlichem Siege, Palmen in den Händen tragend, sich als lebendige Steine einfügten und ein ehrwürdiges Beispiel, ein ewiges und würdiges Gedächtnis in der streitenden Kirche zurückließen. Hervorgegangen sind auch die glänzenden Lehrer, welche sich den falschen Christen und falschen Propheten, die sich erdreisteten, abergläubige und mancherlei Meinungen in den katholischen Glauben einzuführen und den Glauben selber zu untergraben, widersetzten und mit wunderbarer Beredsamkeit und starken und wahren Aussprüchen die Irrtümer solcher Leute widerlegten, wobei der heilige Geist den Glauben selber wirkte. Sie erleuchteten auch die streitende Kirche; durch sie befestigt, schreitet diese Kirche vor wie die emporsteigende Morgenröte, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie ein geordnetes Heertreffen. Es folgten auch die leuchtenden Bekenner, geschmückt mit Edelsteinen und schimmernd in Tugenden, und treten vor den Herrn, welcher Rechenschaft fordert über die anvertrauten Pfunde. Sie aber haben sich im beständigen und wachsamen Wirken heiliger Werke geübt, und bringen, wie getreue und gute Knechte, die durch ihr Arbeiten vervielfältigte Frucht herbei und legen ihre Gabe in die Lade nieder. 135 Auch die Einsiedler und Liebhaber der Einöde flohen die schmeichelnden und eitlen Schauspiele der betrügerischen und vergifteten Welt und begaben sich, um sicher zum Vaterlande zu gelangen, in heimliche Schlupfwinkel, verbargen sich in Höhlen, schwächten durch geringe. und rohe Nahrung und einen schlechten Trunk Quellwassers ihr eigenes Fleisch, und um den Stachel des Satans zurückzudrängen, bekleideten sie sich mit grober Hülle oder Decke, gingen meist barfuß, erquickten ihre ermüdeten Glieder durch Schlaf auf unsauberem Boden oder einem Strohlager, und ergaben sich heiliger Betrachtung und dem Lobe der Majestät droben. Nachdem sie endlich aus diesem Thränenthale und aus diesem Gewühle des Jammers in die Gegenwart Gottes gerufen worden, genießen sie unvergängliche Freuden. Es sind dort auch herrliche Jungfrauen, welche mit reinem Leibe und aufrichtigem Herzen ein heiliges, freiwilliges Gemüt und Öl in ihren Gefäßen mit sich führen, dem nahenden Bräutigam hinaus- und entgegengehen und demselben vermählt werden, der da ist schön vor allen Menschenkindern. Die frommen und enthaltsamen Witwen aber und andere Personen beiderlei Geschlechtes, die stets auf fromme und heilige Werke bedacht gewesen, stellen sich vor Gottes Richterstuhl mit vollen Garben dar und singen mit den Engeln: Ehre sei Gott in der Höhe, und wünschen Frieden auf Erden den Menschen, die eines guten Willens sind. Dies alles fürwahr wirkt der nämliche Geist, von dem oben geredet worden, durch eine vielfach zu bewundernde Thätigkeit. Auch hat Christus seiner heiligen Verheißung zufolge diesen seinen Weinberg, die streitende Kirche, nach seiner wunderbaren Himmelfahrt bis auf den heutigen Tag mit solchen Arbeitern und Arbeiterinnen heimgesucht, gepflegt, verteidigt, gefestigt, unterstützt und vermehrt, und wird es durch seine Gnade auch in künftigen, demnächst folgenden Zeiten thun. In den jüngsten Tagen aber hat, damit auch aus dem Lande der Mitternacht Gutes komme, jener himmlische Weingärtner, als er diesen seinen Weinberg nach seiner Art besuchte, von weitem her und von den entferntesten Grenzen ein starkes Weib erweckt, das ihren Wert mit sich führte, um beim Anbau dieses Weinberges thätig zu sein, nämlich die selige Witwe Birgitta, welche ihre Landsleute Brigitta nennen, damit sie der heiligen, oben beschriebenen Versammlung zugesellt würde, oder richtiger: der sie schon 136 zugesellt ist. Ihrerwegen geben wir uns jetzt die Mühe, ihren Ursprung, ihr Leben, ihren Wandel, ihre Verdienste, wie auch ihre Wunder, welche zur Belohnung ihrer Heiligkeit dem gebenedeiten Gott wohlgefällig waren, der Welt zu offenbaren, kürzlich zu durchlaufen, damit die gegenwärtige Zeit über eine so gefeierte Frau nicht in Unkunde bleibe und von der Nachkommenschaft der Undankbarkeit oder Übertreibung nicht beschuldigt werde. Aus vielem haben wir nur weniges, das nicht mit Stillschweigen, übergangen werden darf, ausgezogen und wollen es euerer Liebe in nachfolgender Reihenfolge zu wissen thun.
Diese ehrenreiche Frau nun hat ihr Dasein empfangen von ihrem Vater Birger und ihrer Mutter Sigrid, die einander geehelicht hatten und von dem durchlauchtigsten königlichen Geschlechte der katholischen Könige Schwedens abstammten, und welche nicht weniger durch ihre Rechtgläubigkeit, Seelenbeständigkeit und Tugenden, als durch ihren Adel sich auszeichneten. Als ihre Mutter mit ihr guter Hoffnung war, erlitt dieselbe auf dem Meere Schiffbruch. Während das Ungewitter bei diesem Schiffbruche gar viele Personen beiderlei Geschlechtes verschlungen hatte, war sie wohlbehalten ans Ufer gelangt. In der folgenden Nacht stellte sich im Gesichte eine Person neben sie, welche in einem wunderbaren Gewande glänzte, und, damit die Geburt einer nachmals so verehrungswürdigen Witwe nicht ohne Vorausverkündigung wäre, zu ihr sprach: "Du bist um des Guten willen erhalten worden, das Du unter Deinem Herzen trägst. Zieh' es darum in göttlicher Liebe auf, weil es Dir von Gott geschenkt worden." - Als nun das Mägdlein Brigitta eben aus dem Mutterleibe zur Welt gekommen war, erblickte ein Pfarrgeistlicher, ein wohlbetagter Mann von bewährtem Wandel, während er nachts dem Gebete oblag, eine glänzende Wolke; in der Mitte dieser Wolle saß eine Jungfrau, welche ein Buch in der Hand hielt und zu ihm sprach: "Dem Birger ist eine Tochter geboren, deren wunderbare Stimme durch die Welt hin gehört werden wird." Das Kind schien bis ans Ende des dritten Jahres nach seiner Geburt noch wie sprachlos zu sein; von da an redete sie aber wider den natürlichen Verlauf, nicht in der stammelnden Weise kleiner Kinder, welche nachsprechen wollen, was sie vernommen haben, sondern sie gab vollkommene und deutliche Worte über dasjenige von 137 sich, was sie gehört und gesehen hatte. Während sie nun an Jahren zunahm, verlebte sie ihre Kindheit in wunderbarer Andacht unter Gebet und Fasten, und war auch sonst niemals träge in guten Werken. Obgleich zuletzt ihr ganzes Verlangen darauf gerichtet war, im jungfräulichen Stande dem Herrn zu dienen, reichte sie dennoch, von ihren Eltern dazu genötigt, dem Wulf (Ulfo) von Upsala (Ulfasa), einem Fürsten von Nerike, einem gar edeln und überaus christlichen jungen Manne, die Hand als Gemahlin. und als sie nun zu einander kommen sollten, folgten sie, obwohl für eheliche Umarmungen reif (denn der Mann war achtzehn und die Braut dreizehn Jahre alt), im übereinstimmenden Willen dem jüngeren Tobias und Sarah, Raguels Tochter, nach, und enthielten sich ein ganzes Jahr lang und darüber des Beischlafes, wobei sie Gott demütig baten, daß, wenn es gut wäre, daß sie zusammenkämen, sie dabei nicht sündigen möchten, und Gott ihnen eine Nachkommenschaft gewähren möge, die zu seinem Dienste wäre. Darauf kamen sie zusammen in Furcht und Zittern, indem sie nicht der Lust, sondern der Nachkommenschaft gedachten. Inzwischen unterließ die fromme Frau weder Fasten noch Gebet, noch andere gewohnte andächtige Werke. Hauptsächlich war sie immer der seligen Jungfrau in Andacht zugethan. Als sie im weiteren Verlaufe während der Geburtsnöten in Gefahr schwebte, und Hebammen und Wartefrauen umherstanden, und an ihrem Leben verzweifelten, erschien eine majestätische, aber unbekannte Frau, angethan mit weißen seidenen Kleidern, trat in das Gemach, stellte sich neben das Bett, und berührte die einzelnen Gijeder der Daliegenden. Kaum war hierauf diese Frau verschwunden, erfolgte die Geburt des Kindes ohne weitere Schmerzen. Obgleich die frommen Ehegatten noch jung und kräftig waren, faßten sie dennoch den Entschluß, - der Mann, dessen Herz keiner Gewalt bedurfte, durch Ermahnungen seiner glückseligen Gattin dazu bewogen, - freiwillig in beständiger Enthaltsamkeit zu leben. In gleicher Weise wurden die in Gottes Liebe andächtigen Gatten immer eifriger in der Liebe des Nächsten, und besuchten pilgerweis aus gemeinsamem Gelübde das Grab des seligen Apostels Jakobus in Compostella. Nachdem sie in die Heimat zurückgekehrt waren, beschlossen sie, um nach Verschiedenheit des Geschlechtes sich freier der Andacht hingeben zu können, in 138 verschiedene Klöster einzutreten. Der fürstliche Gemahl ist unter solchem Entschlusse in dem Herrn entschlafen. Die heilige Witwe aber, welche vom Anfange ihres beginnenden Lebens an Gott sich geweiht hatte und jetzt nach Lösung der Ehe selbständig geworden, unermüdlich dem Fasten und Beten oblag, ging wie ein Kauffahrteischiff, das von fern her seine Nahrung bringt, vom heiligen Geiste ermahnt, aus ihrem Vaterlande und ihrer Verwandtschaft hinweg, und reiste nach dieser ehrwürdigen Stadt und nach Jerusalem, besuchte auch mit ausgezeichneter und ehrwürdiger Andacht die einzelnen Orte, wo unser Erlöser Jesus Christus verkündigt, geboren, erzogen und getauft worden, wo er, Wunder wirkend, gewandelt, verspottet, gekreuzigt und begraben, und zum Himmel aufgefahren ist. Nachdem sie auch, entweder in ihrem Vaterlande und den umliegenden Ländern, oder in Deutschland, in Frankreich und Spanien, in Italien oder andere diesseits oder jenseits des Meeres gelegene Orte, wo die Leiber heiliger Männer und Frauen, oder merkwürdige Reliquien derselben ruhen, mit Ausnahme weniger persönlich besucht hatte, kehrte sie nach Rom zurück und verlebte den Rest ihrer Tage in dieser Stadt. Seit dem Tode ihres Gemahls trug sie zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit auf dem bloßen Leibe einen hanfenen Strick mit sehr vielen Knoten, enge zusammengebunden, und in ähnlicher Weise um die Schienbeine unterhalb der Kniee in gleicher Art zusammengeknotete Schnüre, selbst zur Zeit von Krankheiten. Sie bediente sich keines Linnens, außer am Kopfe, und trug rauhe Kleider auf dem Fleische und darüber nicht nach dem Stande der Person gar niedrige und verächtliche. Sie beobachtete nicht allein die von der heiligen Mutter Kirche vorgeschriebenen Wachen und Fasten, sondern fügte noch viele andere hinzu, so daß sie über das Gebot der Kirche hinaus viermal in der Woche fastete, und in ähnlicher Weise viermal in der Woche als ihr Gemahl noch lebte. Nach dem Tode desselben erquickte sie bis wenige Jahre vor ihrem eigenen Heimgange ununterbrochen ihren von Gebeten, Enthaltsamkeit, göttlicher Arbeit ermüdeten Leib mit den gewöhnlichen Kleidern angethan, nur auf einem Teppich, ohne einen Strohsack oder ähnliches darunter, oder auf der Erde oder dem Estrich liegend, durch einen leisen und kurzen Schlaf. An keinem Freitage unterließ sie es, zum Andenken an das allerheiligste Leiden unseres 139 Herrn Jesu Christi zu fasten, und sich bloß mit Brot und Wasser zu begnügen, abgesehen davon, daß sie auch viele andere Tage zu Ehren verschiedener Heiligen in ähnlicher Abstinenz zubrachte. Entweder fastete sie gänzlich, oder nahm nur auf andere Weise an der Mahlzeit teil, blieb dann sehr mäßig, und stand nicht gesättigt, sondern nur erquickt, vom Tische auf. An den Freitagen ließ sie auch von angezündeten Wachskerzen die brennenden und flüssig gewordenen Tropfen sich auf das bloße Fleisch fallen, so daß die Brandnarben fortwährend stehen blieben. Auch hatte sie immer Wurzel von der Gentiana, die ein sehr bitteres Kraut ist, im Munde. Während ihres Lebens zu Rom achtete sie nicht der strengen Kälte, nicht der Sommerhitze, nicht der Hindernisse eines kotigen Weges, noch des Schnees, Regens oder rauhen Hagels; sondern besuchte die von der Kirche bestimmten Stationen und verschiedene andere heilige Kirchen, obwohl sie ihrem Vermögen nach hätte reiten können, indem sie sich über die Kräfte ihres erschöpften Körpers anstrengte, täglich zu Fuß. Sie kniete so oft und so lange, daß ihre Kniee sozusagen hart wurden wie die Kniee der Kamele. Sie war von wunderbarer und bewährter Demut, so daß sie zuweilen sich unbekannt unter den armen Pilgern am Kloster San Lorenzo in Panisperna in Rom vom Orden der heiligen Klara niederließ, Almosen annahm, und mit Dank küßte. Häufig besserte sie mit eigenen Händen und zur Ehre Gottes der Armen Kleider aus. Gegen die Prälaten und ihre Oberen und Beichtväter beobachtete sie einen so beharrlichen Gehorsam, daß sie ohne des Beichtvaters Erlaubnis beinahe sich nicht unterstand, die Augen aufzuheben. Nachdem sie schon bei Lebzeiten ihres Gemahls alle Freitage gebeichtet hatte, beeiferte sie sich nach dem Tode desselben täglich wenigstens einmal mit großer Reue zu beichten, wobei sie die geringste Unvollkommenheit so bitterlich beweinte, wie andere kaum die schwerste Sünde, und es niemals unterließ, alle ihre Worte, Gedanken und Werke sorgfältig zu erforschen. Sie war fleißig und aufmerksam bei den Predigten des Wortes Gottes zugegen, welche bewährte Männer hielten. An allen Sonn- und Feiertagen empfing sie mit Andacht und unter Thränen das Sakrament des ehrwürdigen Leibes Christi. "Sie hatte acht auf den Wandel ihres Hauses, und aß ihr Brot nicht müßig, öffnete ihre 140 Hand den Armen, und streckte ihre Hände nach den Dürftigen aus" (Sprichw. XXXI, 27. 20.); denn sie übte unermüdet die Pflichten einer unerschöflichen [sic!] Liebe gegen Dürftige, Kranke und verachtete Personen um Gottes Ehre willen. Auch als ihr Gemahl noch lebte, pflegte sie an jedem Tage zwölf Arme in ihrem Hause zu speisen, wartete ihnen dabei auf, reichte ihnen das Notwendige und an jedem Donnerstage wusch sie ihnen, eingedenk des Abendmahles des Herrn, die Füße. Aus ihrem eigenen Vermögen ließ sie in einzelnen Gegenden ihres Heimatlandes viele verfallene Hospitäler wieder herstellen; und besuchte als eine fromme, liebevolle, barmherzige und emsige Dienerin in hoher Andacht die darin befindlichen Armen und Kranken. Sie berührte, wusch, verband und pflegte deren Geschwüre ohne Abscheu und Ekel. Auch an dem Orte Wadstena, in dem bischöflichen Sprengel von Linköping, hat sie aus ihren Mitteln nach geistlicher Vorschrift ein ehrwürdiges Kloster für sechzig in der Klausur lebende Nonnen und fünfundzwanzig Brüder, Augustinerordensregel vom heiligen Welterlöser genannt, gestiftet und mit hinreichenden Einkünften versehen. Nonnen wie Brüder sind verbunden, gewisse durch die heilige Witwe selber aufgestellte und nachmals vom apostolischen Stuhle bestätigte Satzungen zu beobachten. In ihr war eine wunderbare Geduld lebendig, so daß sie die Krankheiten ihres eigenen Leibes, die ihr zugefügten Beleidigungen, den Tod ihres Gemahles und ihres Sohnes Karl, sowie die übrigen Widerwärtigkeiten höchst geduldig, ohne Murren, ohne Klagen, immer und in allen Stücken in lieblichster Demut ertrug. Sie pries den Herrn, und wurde immer standhafter im Glauben, herrlicher in der Hoffnung, inbrünstiger in der wahren Liebe, liebte aufs höchste die Gerechtigkeit und Billigkeit, und verachtete die Stacheln des Fleisches und die mancherlei Lockungen, die nichtswürdige Gesinnung und den Dünkel, die Pracht und den leeren Ruhm mit hochherzigem Eifer. Von ihrer vorzüglichen Enthaltsamkeit und Bescheidenheit ist oben genugsam die Rede gewesen. Aber wer möchte wohl gefunden werden so verständig wie sie und von einer so trefflichen Klugheit vom frühesten Alter an bis zur letzten Stunde? Soweit es die menschliche Gebrechlichkeit zuließ, wußte sie alles zu unterscheiden, und nannte das Gute nie bös und das Böse nie gut. Auch machte sie nicht Finsternis aus Licht, noch 141 Licht aus Finsternis. Durch diese heiligen und ohne Unterlaß fortgesetzten Werke hat diese edle Witwe mittels der Gnade des heiligen Geistes es verdient, daß sie vielen ihre Gedanken, ihre innersten Neigungen und geheimsten Handlungen hat offenbaren und mannigfache Gesichte und Offenbarungen schauen und vernehmen können. In ihrem prophetischen Geiste sagte sie vieles voraus, wovon manches bereits in Erfüllung gegangen ist, wie solches und anderes im Buche ihrer Offenbarungen aufs vollständigste beschrieben worden. Fünf Tage im voraus verkündigte sie das Eintreffen ihres Todes. Nachdem sie schon das siebzigste Jahr und mehr überschritten hatte und der vorausverkündigte Zeitpukt sich näherte, rief sie ihre Hausgenossen zusammen und ordnete an, was nach ihrem Tode geschehen solle. Dann erst wurden ihr Sohn Birger und ihre Tochter Katharina herbeigeholt. Sie ermahnte dieselben vielfach, sie sollten vor allen Dingen in Gottesfurcht, Liebe des Nächsten und heiligen Werken verharren, legte, wie sich gebührt, ihre letzte Beicht ab, nahm die letzte Wegzehrung, empfing die letzte Ölung und ließ, da sie bis zum letzten Atemzuge das Gedächtnis behielt, eine Messe in ihrer Gegenwort feiern, betete den Leib Christi an und sprach unter Aufhebung ihrer Augen zum Himmel: "Herr, in Deine Hände empfehle .ich meinen Geist!" worauf sie dem Schöpfer, welcher sie rief, ihre Seele zurückgab. Alsbald ward über den Hintritt dieser ehrwürdigen Witwe viel in der Stadt gesprochen. Das Volk eilte in höchster Andacht und Ehrerbietung herbei, um den heiligen Leib zu sehen, und pries einhellig Gott. Die Leiche ward unter einem noch weit größeren Zuströmen des Volkes in das. vorgedachte Kloster zum heiligen Lorenz getragen, wo sie begraben zu werden angeordnet hatte, aber des großen Andranges wegen erst nach zwei Tagen unter herrlichem Lobe Gottes bestattet werden konnte.
Als diese gefeierte Witwe zu Neapel sich aufhielt, hatte eine Weibsperson, Picciotella mit Namen, die Umarmung eines bösen Geistes, der sich in eine Mannsgestalt umgewandelt, erlitten, dem auch starke Wächter und Hüter nicht hatten widerstehen können. Diese Person kam nun zu der heiligen Witwe, um dieselbe über diese Sache um Rat und um Hilfe zu bitten. Von der vortrefflichen Witwe, welche des Weibes Geheimnisse vorausgesehen, ge- 142 fragt, ob sie irgend ein Zaubermittel oder sonst dergleichen bei sich führe, verneinte sie es zwar, als aber Brigitta zu ihr sprach: "Suche in Deinen Haaren und Falten und Du wirst Widerwärtiges finden," begann die Person sich zu schämen und erinnerte sich, daß sie einen Zettel mit Buchstaben und Zauberei in ihren Haaren hatte, und bekannte freiwillig ihre Lüge. Nun gebot ihr die vortreffliche Witwe, andächtig zu beichten, wahrhafte Buße zu thun, zu kommunizieren und zu fasten, was sie auch gethan und worauf sie infolge des Verdienstes und der Bitten mehrerwähnter Witwe niemals wieder eine solche Umarmung erlitten hat.
Nachdem diese vornehme Witwe in das Land Ortana, im pheatunesischen Bistumssprengel, wo ein großer Teil der Reliquien des heiligen Apostels Thomas aufbewahrt wird, zum zweiten Male gekommen war (denn es war ihr lange zuvor durch ein Gesicht offenbart, daß bei ihrer zweiten Ankunft in diesem Lande ihr frommes Begehren erfüllt werden würde), und hier weilend das Heiligtum mit gewohnter Andacht besuchte, erschien ihr der Apostel und sprach: "Es wird Dir gegeben werden, wonach Du so lange verlangt hast." Und alsbald sprang aus dem Reliquienbehälter, ohne daß jemand denselben berührte oder sonst bewegte, ein Stückchen von einem Knochen des genannten Apostels von selber der wartenden Witwe in die Hände. Diese empfing dasselbe mit Freude und Andacht und bewahrte es mit höchster Verehrung.
Es ist auch diese wunderbare Witwe, während sie dem Gebete und der Betrachtung oblag, von mehreren frommen Personen oftmals ungefähr eines Mannes Höhe von der Erde emporgehoben, mit leuchtendem und strahlendem Antlitze gesehen worden.
Der Leichnam ward dem Grabe noch nicht übergeben, als ein Weib, Agnes von Contessa mit Namen, welches in der Stadt wohnte und von Jugend auf einen sehr dicken und mißgestalteten Hals gehabt hatte, mit anderen zur ehrwürdigen Leiche eilte. Nachdem sie andächtig mit ihrem Halsbande die Hände der daliegenden heiligen Brigitta hatte berühren lassen, und das Band mit gleicher Andacht um den Hals gelegt hatte, verlor derselbe alsbald seine Geschwulst und erlangte mittels eines göttlichen Wunders wieder seine natürliche Gestalt.
Franziska de Sabellis aber, eine Nonne im gedachten St. Lo- 143 renzkloster, welche zwei Jahre lang an Schwäche und an einer Magenkrankheit gelitten und fast immer krank im Bette gelegen hatte, auch eine nähere Freundin der ehrbaren Witwe gewesen war, erhob sich, als der Leichnam noch unbegraben im Kloster aufbewahrt ward, nachdem sie lange krank gewesen, mit großer Mühe von ihrem Lager und kam unterstützt an die Bahre, neben welcher sie die ganze Nacht liegen blieb, auch nicht abließ, Gott in Andacht und dringend zu bitten, es möchte durch die Verdienste und Fürbitten der Witwe, deren Leichnam hier wäre, wenigstens insoweit eine Erleichterung in ihrem so beschwerlichen und langen Leiden eintreten, daß sie mit den übrigen Nonnen möge dem Gottesdienste beiwohnen und, wenn es gut wäre, ohne andere Beihilfe durch das Kloster gehen können. Und als es Morgen geworden war, fand sie, daß sie an der Gesundheit ihres Leibes noch mehr erlangt habe, als um was sie gebeten hatte.
Der gebenedeite Gott wollte aber, daß der Welt die Verdienste dieser geliebten Witwe noch deutlicher würden. Daher begab es sich, daß Elsebysnara, eine Frau aus dem Linköpinger Bistumssprengel, welche ein totes Kind geboren, von Schmerz tief erfüll ward, und nachdem sie wieder zu sich gekommen war, Gott in demütigem Flehen bat, er möge durch einer so sehr ehrwürdigen Witwe Verdienste das Kindlein lebendig werden lassen, wobei sie das Gelübde aussprach, sie wolle mit dem Kinde, wo fern es zum Leben kommen würde, und mit einem Wachsbilde de heiligen Witwe Grab besuchen. Sogleich begann das Kind warm zu werden und sich zu rühren und gelangte vollständig zum Leben. Die Frau aber verrichtete voll Andacht und Freude das gethane Gelübde.
Allein was halten wir uns bei mehrerem auf, da der allmächtige Gott durch die Verdienste dieser heiligen Witwe den Tauben die Ohren öffnete, den Stummen die Zunge zum Dienste löste, den zitternden Gichtbrüchigen Stärke, den Gekrümmten eine gerade Haltung, den Lahmen und Schwachen die Wohlthat, frei zu gehen, den Blinden das Gesicht gab, die Frauen, welche bei der Geburt in Gefahr gerieten, befreite, und bei sonst unheilbaren Krankheiten Heilung wirkte, Schiffbrüchige und Wassersgefahr Leidende zum rettenden Hafen führte? Wollen wir dasjenige, 144 was der gebenedeite Gott durch der mehrgedachten Witwe Verdienste, sowohl während ihres Lebens, als nach ihrer glücklichen Auflösung, außer und über die Kräfte der Natur Wunderbares gewirkt hat, und nicht aufhört, zu wirken, einzeln aufzuzählen, so würden Wir, die Wir in verschiedene andere Geschäfte verwickelt sind, in der Weitläufigkeit solcher Erzählung Uns zu lange aufhalten. Die Gläubigen, welche begierig sind, solche Thatsachen zu wissen, können sie in dem Buche, worin dieselben getreulich verzeichnet stehen, ausführlich lesen, und ebenso geben die bei dem obgedachten Kloster Wadstena, wohin der ehrwürdige Leib dieser gesegneten Witwe hinübergeführt worden, abgelegten und vollzogenen Gelübde, sowie die aufgestellten Bilder und Bildstöcke der Wahrheit mächtiges Zeugnis.
Und weil mittels des heiligen Geistes Wirken diese gar wachsame Witwe durch ihre ausgezeichneten Verdienste in die Herrlichkeit Gottes des Vaters eingesetzt worden, erleuchtet sie einigermaßen die streitende Kirche, so daß wir verkosten und sehen, wie alle ihre Werke gut gewesen und noch sind. Es darf deshalb in der Nacht des überfallenden zeitlichen Todes das Licht der Tugenden und Verdienste nicht erlöschen, dieweil es nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter gestellt ist und im ganzen Hause des Herrn eine unverlöschbare Erleuchtung hervorbringt. Es sollen vielmehr die Söhne der heiligen Mutter Kirche sich erheben, sie überaus selig preisen und ihr geben von den Früchten ihrer Hände und sollen sie und ihre Werke preisen an den Pforten der Mutter Kirche. Wir sind nun, kraft des Uns auferlegten Amtes des Hirtendienstes der Weisen, und Unweisen Schuldner durch das geworden, was Wir sowohl nach den Anordnungen Unserer Vorfahren, der römischen Bischöfe Gregors XI. und Urbans VI. glücklichen Andenkens, als Unseren eigenen über die Wahrheit der vorhin gemeldeten Thatsachen durch tüchtige Zeugen und andere gesetzliche Beweismittel erfahren und als richtig erkannt haben. Auch sind wir von seiten Unserer in Christo geliebtesten Tochter, der durchlauchtigen Königin von Schweden, Margareta, und der Prälaten und Vornehmen ihres Reiches, ingleichen der geliebten Söhne und Beamten der ehrwürdigen Stadt Rom und der in Christo geliebten Töchter, der 145
Äbtissinnen in den vorerwähnten Klöstern von San Lorenzo und zu Wadstena, im Namen des Herrn öfter und dringend angegangen worden, daß nun endlich Unser oberpriesterlicher Segen und unsere Heilgsprechung über dieser hochgefeierten Witwe erblühe. - Zu Ehren des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und zur Erhöhung der wahren Rechtgläubigkeit und Mehrung des christlichen Glaubens, ingleichen zur Aufhebung aller Spaltung und zur Einheit des Glaubens und der Kirche, im Vollwort des allmächtigen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes selber, sowie der seligen Apostel Petrus und Paulus und kraft eigener Autorität, desgleichen auf Rat und mit Zustimmung Unserer Brüder und aller Prälaten, welche am römischen Hofe beisammen sind, erkennen, erklären, beschließen und verkündigen Wir, daß die vorhin ofterwähnte selige Birgitta, sonst noch Brigitta genannt, guten Andenkens, eine Heilige sei, als heilig von der ganzen Kirche verehrt und in das Verzeichnis der Heiligen eingeschrieben werden soll, wie Wir sie jetzt selber hineinschreiben. Wio verordnen, daß von der gesamten Kirche in jeglichem Jahre an dem Tage, wo sie nach Überwindung der Welt und im Triumphe über dieselbe zu ihrem gegenwärtigen Leben in die immerwährende Ewigkeit hineingeboren worden, nämlich am 23. Juli ihr Fest und Gottesdienst, wie einer Heiligen, welche keine Jungfrau und Märtyrin ist, andächtig und feierlich begangen werde, und damit an ihrem ehrwürdigen Grabe die Menge der Gläubigen Christi desto häufiger und inbrünstiger zusammenströme, dieser Heiligen Festtag desto feierlicher begangen und ihr Name desto eifriger geehrt werden möge, so lassen Wir kraft unseres vorgedachten Ansehens
Allen, welche wahrhafte Buße und Beichte thun, und ihr Grab im Kloster zu Wadstena an ihrem Festtage und am 28. Mai, an welchem Tage ihr verehrungswürdiger Leib in eben dieses Kloster übergeführt worden, sowie die darauf nächstfolgenden Tage andächtig besucht haben werden, jährlich an jedem der Tage, an welchem sie dieses gedachte Grab besuchen werden,
sieben Jahre und eben so viele Quadragenen an den ihnen auferlegten Bußen gnädiglich nach, und erinnern, bitten und ermahnen 146 Wir euch in der Gesamtheit und erlegen euch nicht minder in der Kraft des heiligen Gehorsams und zur Vermehrung der ewigen Belohnungen ernstlich auf, daß ihr dieses Unser gegenwärtiges Schreiben eueren Geistlichen und euerem Volke in Unserem Namen feierlich kundthun, auch das Fest dieser ehrwürdigen Heiligen mit gebührender Feierlichkeit begehet und begehen lasset, und den allmächtigen Gott, von welchem heilige Begierden, rechte Entschlüsse und gute Werke kommen, mit allen Neigungen eueres Herzens demütig bittet, daß er, durch die Fürbitten und Verdienste dieser Heiligen bewogen, seinen Dienern den Frieden geben möge;den die Welt nicht geben kann, aus daß unsere Herzen seinen Geboten ergeben, und unsere Zeiten, von aller Furcht der Feinde befreit, unter seinem Schutze ruhig werden mögen, er Uns auch verleihe, daß Wir, nach der Vollendung unseres Amtes zugleich mit der Uns anvertrauten Herde verdienen mögen, zu den ewigen Freuden zu gelangen. Gegeben zu Rom zu St. Peter, den 7. Oktober im zweiten Jahre Unseres Pontifikates.
Bestätigung der Heiligsprechung der seligen Brigitta durch Papst Martin V.
Der Bischof Martin, ein Knecht der Knechte Gottes, zu ewigem Gedächtnis! Ausgezeichneter Fürsten Begehren, derer namentlich, welche Gott und der römischen Kirche zugethan sind, willfahren Wir gern, und wenden vorzugsweise denen Unsere besondere Gunst zu, von denen sich erkennen läßt, daß sie zum Troste des rechten Glaubens, zur Läuterung des Gewissens der Gläubigen Christi und sonst zum Wachstum der christlichen Religion gereichen.
Nun hat zwar schon in seiner Obedienz Papst Bonifacius zur Zeit der nun glücklich vollendeten Spaltung über den Ursprung, das Leben, den Wandel und andere vielfache fromme, heilige und 147 tugendhafte Werke, sowie auch über die vorzugsweise damals an den Tag gekommenen Wunder, welche der gebenedeite Gott zum Lohne der Heiligkeit der seligen Witwe Brigitta ⋅1⋅ über die Kräfte der Natur hinaus hatte vollbringen lassen und noch fortwährend vollbringen und der Welt offenbaren läßt, sich auf eine zuverlässige Weise aus dem unterrichtet, was durch tüchtige Zeugen und andere gesetzliche Beweismittel, durch die Päpste Gregor XI. und Urban VI. gesegneten Andenkens, seine unmittelbaren Vorgänger in seinem Obedienzbezirke, festgestellt war. Er ist auch seitens der Königin Margareta von Schweden, verehrungswürdigen Andenkens, sowie der Prälaten und Angesehenen des Reiches, ingleichen der geliebten Söhne des Volkes und der Beamten der heiligen Stadt und sehr vieler anderen Gläubigen Christi öfters und dringend zu Ehren des allmächtigen Gottes des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes mit Bitten angegangen worden. Zur Erhöhung der Rechtgläubigkeit und Mehrung der christlichen Religion, auch zur Aufhebung des damals noch bestehenden abscheulichen Schismas und zur Einheit des Glaubens und der Kirche hat er unter dem Vollworte Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes selber, sowie der seligen Apostel Petrus und Paulus, auf den Rat seiner Brüder und unter Zustimmung aller Prälaten, die sich an seinem Hofe versammelt hatten, beschlossen, erklärt, bestimmt und verkündigt, daß die gedachte Brigitta eine Heilige sei, von der ganzen Kirche als eine Heilige verehrt und in das Verzeichnis der Heiligen eingetragen werden müsse. Er schrieb sie auch hinein und setzte fest, es solle von der gesamten Kirche in jedem Jahre an dem Tage, wo sie nach Überwindung der Welt und im Triumphe über dieselbe zu ihrem gegenwärtigen Leben in die immerwährende Ewigkeit hineingeboren, nämlich am 23. Juli, ihr Fest und Gottesdienst, wie einer Heiligen, welche keine Jungfrau und Märtyrin ist, andächtig nnd feierlich begangen werden. Und damit an ihrem ehrwürdigen Grabe die Menge der Gläubigen Christi desto häufiger und inbrünstiger zusammenströmen, dieser Heiligen Festtag desto feierlicher begangen und ihr Name desto eifriger geehrt werden möge, so hat er 148
Allen welche wahrhafte Buße und Beichte thun, und ihr Grab im Kloster zu Wadstena an ihrem Festtage und am 28. Mai, an welchem Tage ihr verehrungswürdiger Leib in eben dieses Kloster übergeführt worden, sowie die darauf nächstfolgenden Tage andächtig besucht haben werden, jährlich an jedem der Tage, an welchem sie dieses gedachte Grab besuchen werden,
sieben Jahre und eben so viele Ouadragenen an den ihnen auferlegten Bußen barmherzig erlassen, wie dies alles in der Bulle des gedachten Bonifacius, deren Inhalt Wir von Wort zu Wort der gegenwärtigen haben einfügen lassen, vollständiger enthalten ist. Nun ist aber auch seitens Unseres teuersten Sohnes in Christo, Erichs, des durchlauchtigsten Königs von Schweden, welcher versichert, hierzu eine besondere Andacht zu haben, demütig an Uns das Ersuchen gestellt worden: daß Wir, nachdem das erwähnte abscheuliche Schisma durch Gottes milde Gnade sein Ende erreicht habe, und Brigitta in ihrem VaterIande, sowie in anderen benachbarten Reichen und Orten vornehmlich und mehr, als gemeiniglich auch an anderen Orten zum Preise des göttlichen Namens andächtig verehrt werde, zu desto größerer Mehrung der christlichen Religion und desto reinerer Läuterung der guten Herzen und Beruhigung der Gewissen jenen Beschluß, jene Erklärung, Bestimmung und Verkündigung und die Einzeichnung und den Ablaß, sowie anderes in gedachter Bulle Enthaltenes, kraft apostolischer Gewalt genehm halten, bestätigen und durch apostolische Bewährung bestärken, auch die Mängel, falls dergleichen etwa untergelaufen, aus apostolischer Güte ergänzen möchten. Wir haben den Bitten des Königs in sorgfältiger Erwägung der Empfindungen seiner ausgezeichneten Andacht und Lauterkeit, welche er deutlich gegen Gott, gegen Uns und die römische Kirche darlegt, nachgegeben und genehmigen den Beschluß, die Erklärung, Bestimmung und Verkündigung, ingleichen die Einzeichnung und den Ablaß, sowie den übrigen Inhalt der Bulle, den Wir hierdurch genehm halten, kraft Unseres apostolischen Ansehens wörtlich aus zuverlässiger Wissenschaft. Wir bestätigen und befestigen es durch den Schutz gegenwärtiger Schrift, indem Wir alle Mängel ergänzen, welche etwa darin untergelaufen sein mögen. Der Text der erwähnten Bulle ist aber oben vorangestellt und lautet 149 also: Bischof Bonifacius, ein Knecht der Knechte Gottes u. u. Darum soll nun keinem Menschen erlaubt sein, dieses Blatt unserer Approbation, Bestätigung, Bekräftigung und Ergänzung zu zerreißen oder aus verwegener Kühnheit dagegen zu handeln. Sollte sich aber jemand erdreisten, solches zu versuchen, dann mag er wissen, daß er in die Ungnade des allmächtigen Gottes und der seligen Apostel Petrus und Paulus fallen wird. Gegeben zu Florenz im zweiten Jahre unseres Pontifikates. 150
[Anmerkungen]