Der Isenheimer Altar

und seine Botschaft


Weiter-ButtonZurück-Button Leben und Offenbarungen der heiligen Brigitta

Nach der Übersetzung von Ludwig Clarus (1888) digitalisiert und bearbeitet von Gertrud Willy

Leben der heiligen Katharina, der Tochter Brigittas.

  • Kapitel I. - Katharinas Geburt und Kindheit.
  • Kapitel II. - Katharina nimmt aus Gehorsam den edlen Jüngling Eckhard zum Gemahle. Sie beredet denselben zu beständiger Keuschheit und führt mit ihm in großer Liebe, Mäßigkeit und Geduld ein strenges Leben.
  • Kapitel III. - Katharina legt die Kleiderpracht ab und dagegen schlechte Kleidung an. Viele vornehme Damen, von ihrem Beispiele angeregt, folgen ihr darin. Obwohl man sie deshalb schilt und tadelt, leidet sie dieses ruhig und hält sich an die Demut.
  • Kapitel IV. - Katharina erhält von ihrem Gemahle, freilich mit Mühe, die Erlaubnis, nach Rom zu ihrer Mutter zu reisen. Sie hat darüber von ihrem Bruder Karl mannigfache Anfechtungen zu erleiden, wird aber von ihrer Mutter Bruder, Israel, in ihrem Vorhaben der Reise gestärkt und gefördert.
  • Kapitel V. - Katharina kömmt nach Rom. Sie findet nach langem Suchen ihre Mutter, besucht die Kirchen der Heiligen. Als sie hernach wieder heimziehen will, wird sie auf Geheiß Gottes durch ihre Mutter zurückgehalten, von Christo gelobt, aber in einer Versuchung von ihrem Beichtvater mit Ruten gezüchtigt und von der Versuchung befreit.
  • Kapitel VI. - Katharina muß aus Anlaß gefährlicher Unruhen in Rom auf Befehl ihrer Mutter viele Tage zu Hause bleiben, darf die Kirchen der Heiligen nicht besuchen. Sie wird darob von Herzen betrübt und von einer neuen Anfechtung der Sehnsucht nach Schweden heimgesucht. Ihre Mutter straft sie und ermahnt sie zum Gehorsame, den sie auch leistet.
  • Kapitel VII. - Katharina macht sich zum Gehorsame verbindlich und hält denselben sorgfältig. Sie erwählt sich in einem schönen Gebete den heiligen Sebastian zum Beschützer ihrer Keuschheit. Sie führt ein fast klösterliches Leben. Ihr Leben und ihren Wandel richtet sie ganz nach denen ihrer Mutter ein, ist eine große Freundin des Schweigens und der Armen, und redet gern von göttlichen Dingen.
  • Kapitel VIII. - Katharina wird ihrer Schönheit, Klugheit und Geistesstärke wegen von vielen großen Herren zur Gemahlin begehrt, schlägt aber alle Anträge aus. Jene stellen ihr daher heimlich nach, Gott macht jedoch ihre Anschläge wunderbar zu Schanden. Ein Graf, der sie gewaltsam entführen will, wird mit Blindheit geschlagen, aber von ihr und ihrer Mutter in der Kirche des heiligen Laurentius wieder sehend gemacht. Später erweist er beiden vieles Gute.
  • Kapitel IX. - Katharina gerät auf Anstiften des bösen Feindes nächtlicherweile auf ihrer Reise nach Assisi unter Mörder. Ihre Keuschheit gerät in Gefahr. Ein zweifaches Wunder Gottes befreit sie von derselben.
  • Kapitel X. - Katharinas Eifer in der Demut, Liebe und Andacht. Von, Kindheit auf betete sie täglich die Tagzeiten unserer Lieben Frau, die sieben Psalmen, nebst vielen anderen Gebeten, und zwar vier Stunden lang, bevor sie schlafen ging. Sie schläft wenig, steht vor Tage auf und bringt den ganzen Vormittag unter Gebet und Schweigen zu. Einmal erscheint ihr die Seele der Gattin ihres Bruders und begehrt Hilfe von ihr, bringt ihr auch gute Kunde aus Schweden.
  • Kapitel XI. - Katharina ist sehr mildthätig gegen die Armen und Kranken und erweist ihnen viel Gutes. Sie folgt hierin den Fußstapfen ihrer heiligen Mutter, verachtet die Welt und alles, was in der Welt ist, und hängt allein Christo an. Ihre äußere Erscheinung und Wandel. Von einem Wunderzeichen, das Gott an ihr gethan.
  • Kapitel XII. - Von einem anderen Wunder, das Gott an der heiligen Katharina während einer Krankheit derselben gewirkt. Eine Offenbarung, worin die seligste Jungfrau Katharina wegen ihrer Armut belobt. Von Katharinas großer Geduld.
  • Kapitel XIII. - Katharina besucht mit ihrer Mutter die Kirchen vieler Heiligen an verschiedenen Orten, ingleichen auch das heilige Grab. Sie kehrt nach Rom zurück, begräbt daselbst ihre Mutter, und führt nicht lange danach deren Gebeine nach Schweden hinüber. Unterwegs erteilt sie heilsame Lehren, straft die Kreuzherren in Danzig scharf, schifft von dort nach Wadstena, und wird daselbst mit Freuden empfangen.
  • Kapitel XIV. - Katharina wird vom Bischofe von Linköping feierlich empfangen. Sie tadelt denselben wegen seiner Strenge und wird von ihm geehrt. Nach Wadstena gekommen, wird sie von den Schwestern zur Oberin gewählt, erklärt denselben die Regel und weidet sie mit Worten und Beispiel. Sie haßt das Lästern und die Beeinträchtigung des Rufes des Nächsten und ist im Kloster ein Spiegel aller Tugenden, namentlich in der Liebe.
  • Kapitel XV. - Katharina reist nach Rom, um die Heiligsprechung ihrer Mutter zu betreiben. Herrliches Wunderzeichen, das Gott durch sie zu Rom an einer verzweifelten Witwe gewirkt.
  • Kapitel XVI. - Von drei anderen Wundern, welche Gottes Güte durch die Verdienste der seligen Katharina zu Rom und Neapel noch bei ihrem Leben gewirkt.
  • Kapitel XVII. - Katharina betreibt fünf Jahre lang die Heiligsprechung ihrer Mutter beim apostolischen Stuhle, erreicht ihren Wunsch nicht und zieht unverrichteter Sache heim. unterwegs wird sie überall sehr geehrt. Sie erkrankt und zeichnet sich dabei durch ihre Geduld aus. Zwei Wunder, die sie gewirkt.
  • Kapitel XVIII. - Katharinas Krankheit nimmt immer mehr zu. Sie läßt sich häufig mit den heiligen Sakramenten versehen, beichtet oft und stirbt endlich einen seligen, Tod. Ihr feierliches Begräbnis. Vor, bei und nach demselben begeben sich Wunder.
  • Kapitel XIX. - Von einem fortwährenden Wunder, das sich in Wadstena durch Katharinas Verdienste begeben.
  • Kapitel XX. - Von noch einem Wunder, das durch der seligen Katharina Verdienst an einem Priester sich begeben.

Leben der heiligen Katharina, der Tochter Brigittas.

Am Leben und den Offenbarungen der heiligen Brigitta würde etwas zu fehlen scheinen, wenn dieselben ohne eine nähere Erwähnung dessen bleiben würden, was ihre gleichfalls heilig gesprochene Tochter Katharina gewesen und gewirkt hat, denn schon war es der wohlbegründete Brauch der früheren Herausgeber, welche alle das Leben der heiligen Katharina den Offenbarungen ihrer heiligen Mutter folgen ließen. Schon vor den Kardinälen, welche über die Heiligsprechung Brigittas berieten, sprach Papst Urban VI. zu Katharina, welche diesen Prozeß zu fördern in Rom war: "Wahrlich, Tochter! Du hast die Milch Deiner Mutter getrunken." Diese anerkennende Äußerung gab hinreichende Veranlassung, die heilige Katharina mit zu verehren, wenn man ihrer Mutter durch Veröffentlichung ihrer Offenbarungen und Lebensbeschreibung seine Verehrung darbrachte. Dies bezweckt auch die gegenwärtige Bearbeitung, welche sich dabei an die der Kölner Ausgabe von Brigittas Offenbarungen vom Jahre 1628 beigegebene vita; sive legenda cum miraculis divae Catharinae filiae sanctae Brigittae de Regno Sueciae gehalten hat. Seiten-Icon 234

Kapitel I.

Katharinas Geburt und Kindheit.

Aus dem Leben der heiligen Brigitta ist bekannt, daß sie ihrem Gemahle Wulf Gudmarsson, da sie zum vierten Male Mutter ward, eine Tochter gebar, welche in der heiligen Taufe den Namen Katharina erhielt. Schon als diese noch in der Wiege lag, ließ sie Zeichen sehen, an denen man ihre künftige Reinheit und den frühen Einfall der göttlichen Gnadenstrahlen in das Herz des Säuglings erkennen mochte. Sie war einer Amme anvertraut, welche, was man nicht gewußt hatte, einem unzüchtigen Leben fröhnte. Voll Abscheu wandte sich das Kind jedesmal von der Brust dieser Person hinweg, nahm aber ohne Scheu die Brust ihrer Mutter und anderer keuschen Frauen, die sich ihr darboten. Es geziemte sich auch, daß diejenige, welche ganz dem Dienste Gottes gewidmet werden sollte, nach Art der Essener, nichts Unreines genoß von Jugend auf. Nachdem sie den Gebrauch ihrer Glieder erlangt, ward Katharina von ihrer Mutter der frommen Äbtissin von Risaberg in Erziehung übergeben, um sie in den heiligen Sitten zu erziehen, welche man an der würdigen Klosterfrau bewunderte. Allein der böse Feind, dem besonders darum zu thun ist, gute Anfänge zu verhindern und zu vernichten, war dem Kinde gar gram. Man schrieb es ihm zu, daß, während die Äbtissin nachts andächtig dem Gebete oblag und das Kind in seinem Bettlein schlief, ein Unhold in Gestalt eines bösen Stieres demselben sich näherte und es mit seinen Hörnern vom Lager auf den Estrich stieß. Die Äbtissin, welche das Schreien des Kindes hörte, eilte herbei und hob das halbtote kleine Wesen auf ihren Schoß. Da erschien der böse Feind abermals in schrecklicher Weise und sprach: "Wie gern hätte ich sie getötet, wäre es mir von Gott gestattet worden!" Im siebenten Jahre ihres Alters ließ sie sich von ihren Gespielinnen überreden, wie jene mit Puppen zu spielen. Sie fühlte sich alsbald vor der Eitelkeit eines solchen Spieles gewarnt. Eines Tages hatte sie diesem Spiele mit Eifer obgelegen. In der darauffolgenden Nacht glaubte sie wahrzunehmen, daß viele unreine Seiten-Icon 235 Geister in Gestalt von Puppen zu ihrem Schlafgemache hineinzögen. Dieselben warfen das Kind aus dem Bette und führten so viele und so starke Geißelhiebe auf dasselbe, daß es am anderen Tage ganz mit den Spuren der Schläge überdeckt war. Sie erkannte nun, wie Gott an der Art ihres Spieles kein Wohlgefallen habe, verzichtete auf das bisher dabei empfundene Vergnügen und mied alle Gelegenheit, in die Leichtfertigkeit dieses Zeitvertreibes zurückzufallen. Sie floh auch den Umgang aller mit Spielen beschäftigten Kinder. Das Bemühen im Kampfe gegen die Unbeständigkeit und Flatterhaftigkeit des kindlichen Alters gab ihr bald das Gepräge eines für ein Kind ungewöhnlichen Ernstes.

Kapitel II.

Katharina nimmt aus Gehorsam den edlen Jüngling Eckhard zum Gemahle. Sie beredet denselben zu beständiger Keuschheit und führt mit ihm in großer Liebe, Mäßigkeit und Geduld ein strenges Leben.

Nachdem sie das heiratsfähige Alter erreicht, unterwarf sie sich in dem Vertrauen, das sie immer auf Gott und die Gnade der Jungfrau Maria gehabt, ihre Keuschheit zu bewahren, dem Willen ihres Vaters und willigte in die von demselben gewünschte. Ehe mit Eckhard, ⋅1⋅ einem jungen Edelmanne. Als man sie am Hochzeitstage im Brautgemache allein gelassen, überredete die fromme, Gott und seiner heiligen, jungfräulichen Mutter ergebene Jungfrau mit heiligen Ermahnungen ihren Bräutigam, unter dem Beistande dessen, welcher alle Reinheit und alle keuschen Entschlüsse in die Herzen seiner Auserwählten eingießt, das Gelübde der Keuschheit zu thun. Nachdem sie sich gegenseitig das Gelübde der beständigen Keuschheit mit einem Eide bekräftigt, liebten sie einander im Herrn zärtlichst und betrogen den Feind der Keuschheit unter einer äußerlich weltlichen Pracht mit heiliger List. Das Wohlgefallen Gottes an diesem heiligen Gelübde ließ sich nicht unbezeugt, wie folgender erwähnenswerter Vorfall darthut. Wie andere vornehme Herren befand sich Eckhard einst auf der Jagd und hetzte einem Damm- Seiten-Icon 236 hirsch mit Hunden. Es begab sich, daß während der Jagd Frau Katharina, in ihren Geschäften unterwegs begriffen, auf ihrem Wagen durch den Wald fahren mußte, in welchen der von den Hunden abgehetzte Hirsch seine Zuflucht genommen hatte. Alle Scheu hintansetzend, nahte das Tier der Frau, welche mit keuschem Vorsatze in sich jede tierische Regung abgeschnitten hatte, und legte ergeben und zahm sein müdes Haupt in ihren Schoß. Katharina bedeckte den Hirsch mit ihrem Mantel. Als ihr Gemahl und die übrigen Verfolger des Wildes nahten, bat die milde Frau demütig um die Freiheit für ihren Gefangenen, den sie ihnen unter ihrem Gewande zeigte. Natürlich ward die Bitte bewilligt. Das Tier lief fröhlich in den Wald zurück. Die Herren aber waren voll Freude und Trostes und dankten dem, welcher die Tiere zahm macht und bändigt. -

Damit der einheimische Feind, nämlich das Fleisch, sich nicht auflehnen möchte, betteten sie sich, nachdem sie wachend im Gebete und unter Kniebeugung einen Teil der Nacht hingebracht, auf dem Fußboden ihres Schlafzimmers, wobei sie sich mit einem Unterbette, einem Kopfkissen und einer Decke begnügten. Selbst der Winter vermochte nicht diese Strenge zu mindern. Je mehr sie sich um Gottes Willen der Weichlichkeit entzogen, desto heftiger wurden sie in göttlicher Liebe entbrannt. Die ehrwürdige Frau bemühte sich, durch Ermahnungen ihren Gemahl zu den frommen, Übungen zu bewegen, welche sie von ihrer Jugend auf ihre Mutter Brigitta hatte üben sehen und von anderen gelernt hatte, da ihr höchster Wunsch war, es hierin jenen gleichzuthun. Daher gesellten sie dem Wachen und Beten auch das heilige Fasten zu, damit an ihnen alle Tugenden der Seele zur Blüte kommen möchten, das Fleisch der Seele unterwürfig werde und der Diener seiner Herrin nach Gebühr gehorche. Um Gottes und des eigenen Heiles willen legten sie sich Abbruch jeder Art auf. Nicht allein von unziemlichem und Verbotenem enthielten sie sich, sondern auch das Zulässige und Erlaubte versagten sie sich. Sie hatten wohl erkannt, wie der Abbruch das Leben verlängert, die Keuschheit erhält, Gott versöhnt, die bösen Geister überwindet, den Verstand erleuchtet, das Gemüt stärkt, die Laster bändigt, das Fleisch unterwirft und das Herz zur Liebe Gottes hinzieht und dazu entflammt. Selig Seiten-Icon 237 war deshalb diese Ehe, da nicht die Fleischeslust und üppige Neigung aus den beiden Herzen eins gemacht hatte, sondern die Liebe, welche in Jesu Christo ist, sie zu keuschem Umarmen mit dem Bande der Liebe zusammengefügt hatte. Selig war ferner diese Ehe, weil sie ihr Bemühen darein setzten, der heiligsten, jungfräulichen Ehe Marias und Josephs, im Hinblicke auf Gottes Barmherzigkeit und Liebe nachzufolgen. Sie waren in ihren Tagen gleichsam zwei duftende Lilien im Garten Gottes und im Stande der Ehe, hatten vor dem Herrn, der alles sieht, den Glanz der Keuschheit, und dufteten vor dem Nächsten durch die Vorbilder der Tugenden und fromme Übungen, bei gutem Leumunde mit einem lieblichen Geruche. Einige Leute aus ihrem Hausgesinde, welche sich in den ungewohnten Abbruch und das geistliche Leben nicht zu finden wußten, beschuldigten die frommen Ehegatten verleumderischerweise beim Herrn Karl, dem Bruder Katharinas, als eitel und abergläubisch. Derselbe nahm eine Gelegenheit wahr und schlich sich heimlich in seines Schwagers Schlafzimmer ein, fand sie aber nicht, wie andere Ehegatten, dem fleischlichen Vergnügen fröhnend, sondern wie andächtige Ordensleute mit wollenen, rauhen Gewändern angethan, das weiche Lager verschmähend, abgesondert auf dem Estrich schlafend. Darob schalt der gedachte Herr Karl, welcher noch zu wenig wußte, was des Geistes des Herrn ist, den Herrn Eckhard und dessen Gemahlin, seine Schwester, abergläubische Narren. Sie aber ertrugen den herabstürzenden Regen der Scheltreden, die daherrauschenden Ströme der Verleumdung und die wehenden Winde des Spottes mit Gleichmut, ohne im mindesten vom Vorsatze der Keuschheit nachzulassen und von der Grundlage der Enthaltsamkeit zu weichen, denn sie hatten einen festen Stand auf dem sicheren Grunde der heiligen Beharrlichkeit. Die Reinheit des Fleisches reicht aber nicht aus, wenn derselben sich nicht die Reinheit des Herzens und die wahre Demut zur Ehre Gottes anschließt. Wie die Reinheit des Fleisches ein Freisein von der Befleckung der Menschen ist, so ist die Demut ein Freisein von der Befleckung der bösen Geister; denn diese Geister vermischen sich mit den Seelen und verderben dieselben durch Hoffart, wie die Menschen die Leiber durch Unzucht schwächen. So war denn auch Katharina beflissen, ihre Keuschheit mit dem Bollwerke der Demut zu sichern. Seiten-Icon 238

Kapitel III.

Katharina legt die Kleiderpracht ab und dagegen schlechte Kleidung an. Viele vornehme Damen, von ihrem Beispiele angeregt, folgen ihr darin. Obwohl man sie deshalb schilt und tadelt, leidet sie dieses ruhig und hält sich an die Demut.

Katharina begann auch noch die Gewänder, welche dem alten löblichen Gebrauche des Vaterlandes entgegen waren und worin in neuerer Zeit vornehmlich die Vornehmen viel Hoffart zu treiben pflegten, allmählich abzulegen. Weder Spott, noch üble Nachrede brachten sie von dem Vorsatze zurück, die alte, schlichte Weise der Vorfahren in ihrer Tracht zu beobachten. Nach ihrem Beispiele entäußerten sich viele ihrer vornehmen Freundinnen und Anverwandtinnen der prächtigen Gewänder und der überflüssigen Zieraten. Unter diesen befand sich auch eine hohe Dame, die Gemahlin ihres vorgedachten Bruders Karl. Dieselbe hatte anfänglich Katharinas Ratschlägen und Vorbilde beharrlichen Widerstand geleistet, sich aber infolge eines besonderen Ausspruches und göttlicher Heimsuchung zu einer besseren Lebensordnung bekehrt. Denn es begab sich in der Stadt Calmar, in der Kapelle der seligen Jungfrau, während sie, nämlich die selige Katharina und ihres Bruders Karl Gemahlin, vor dem Bilde der allerseligsten Jungfrau sich im Gebete befanden, daß die Schwägerin ein wenig einschlief. Da dünkte sie, als wenn die selige Jungfrau ihres Gemahles Schwester Katharina mit fröhlichem Antlitze anschaute, ihr selber aber aus zornigem Angesichte grimmige Blicke zuwerfe. Diese Vision beunruhigte sie sehr; sie begann unter vielen Thränen zur seligen Jungfrau zu beten und zu sprechen: "Weshalb, o Frau, schauest Du mich so an?" Die Jungfrau erwiderte ihr: "Weshalb folgst Du dem Rate meiner geliebten Katharina nicht? Wenn Du nah ihrem Rate und Vorbilde Deine Tracht und Sitten zum Bessern ändern wolltest, würde ich Dich mit meiner Gnade fröhlich anblicken" - Nachdem sie erwacht war, erwies sie sich gegen diese Mahnung nicht undankbar, that sofort den Schmuck ihrer Hoffart hinweg und befliß sich, an Demut und Wandel der Frau Katharina Seiten-Icon 239 es gleich zu thun. Der Herr Karl, damals noch ganz weltlich gesinnt, sprach, als er die Wandlung in der Kleidung und die andächtigen Mienen an seiner Gemahlin wahrnahm, mit entrüstetem Gemüte und unter Schelten zu seiner Schwester, der Frau Katharina: "Du begnügst Dich nicht damit, selber eine Nonne aus Dir zu machen, sondern willst auch meine Frau zu einer Nonne und zum Spotte der Leute machen?" Um des Herrn willen ertrug Katharina solche Scheltworte und Verhöhnung mit Geduld. Es war ihr ein Abscheu, um ihrer tugendhaften Werke willen gelobt zu werden, und wenn jemand sie lobte, bat sie denselben um der Barmherzigkeit Christi willen, er möchte dergleichen nicht von ihr sagen, noch denken. Ihre näheren und geheimen Freunde strafte sie sehr häufig unter Thränen, wenn diese sie wegen ihrer jungfräulichen Keuschheit und weil sie das Ehebett unversehrt erhielt, glücklich priesen, und beschwor dieselben, daß sie fortan dergleichen Benennungen nicht auf sie anwenden möchten.

Kapitel IV.

Katharina erhält von ihrem Gemahle, freilich mit Mühe, die Erlaubnis, nach Rom zu ihrer Mutter zu reisen. Sie hat darüber von ihrem Bruder Karl mannigfache Anfechtungen zu erleiden, wird aber von ihrer Mutter Bruder, Israel, in ihrem Vorhaben der Reise gestärkt und gefördert.

Seit Katharinas Vermählung war erst eine kurze Zeit verflossen, als ihr Vater, Wulf Gudmarsson, in einem noch nicht weit vorgerückten Alter starb und im Kloster Alvastra ein ehrenvolles Begräbnis erhielt. Nach seinem Tode war seine Witwe Brigitta auf des Herrn Befehl nach Rom gegangen. Als diese dort um eine Person in Sorgen war, welche, ihr näher stehend, sie in schwierigen Lagen unterstützen könne und im fremden Lande zum Troste gereichen möge, erhielt sie von Christo die Antwort, sie solle sich darüber nicht beunruhigen, denn er würde ihr eine Person senden, welche ihr in den ihr von Gott aufgetragenen Geschäften eine treue Helferin sein, und die er auch mit der besonderen Gnade seines Segens ausrüsten würde. Ungefähr fünf Jahre waren vergangen, nachdem die selige Brigitta aus ihrem Vaterlande gen Seiten-Icon 240 Rom gezogen war, da ward Katharina von einem so mächtigen Verlangen ergriffen, ihr dahin nachzuziehen, daß sie in Seufzern und täglichem Wachsen ihrer Sehnsucht fast zu verkommen schien. Als dieses ihr frommer Gemahl bemerkte, begehrte er den Grund so vielen Seufzens und solcher Gemütserregung kennen zu lernen. Im Vertrauen auf die Güte und Frömmigkeit des Gemahles eröffnete sie diesem ihr geheimes Verlangen. Der weise Herr, welcher der Beständigkeit ihres Lebens gewiß war, vermutete sogleich, daß die Anregung zu diesem Verlangen seiner Gemahlin vom Herrn ausgehen möge, und deschalb wagte er, so zärtlichst er sie auch liebte, nicht zu widersprechen. Er fürchtete jedoch, es möge einer so schönen und jungen Frau (sie zählte erst achtzehn Jahre) auf einer so langen Reise etwas Widerwärtiges begegnen. Deshalb zögerte er ein wenig mit der Erteilung seiner Zustimmung. Endlich aber von der Furcht Gottes überwunden, welche sich dawider auflehnt, Gott unfolgsam zu sein, gab er den ungestümen Bitten seiner Gemahlin nach. Es wurde zur Beschaffung des nötigen Reiseaufwandes für sie und ihr Gefolge geschritten, ein anständiges Geleit eingerichtet und schon war man des Aufbruches gewärtig. Der alte Verfolger der Tugenden aber, welcher nur darauf sinnt, heilige und gute Vorsätze zu vernichten, oder falls er dies nicht vermag, dieselben wenigstens zu verhindern sich bemüht, erregte im Gemüte von Katharinas Bruder, Karl, eine Entrüstung wider seine Schwester, infolge deren er an seinen Schwager Eckhard schrieb und denselben unter Drohung des Todes davon abzubringen suchte, Katharina außer Landes reisen zu lassen. Dieser Brief geriet, weil bei dessen Ankunft Eckhard eben in Geschäften von Haus abwesend war, seiner Gemahlin in die Hände. Da diese eine Ahnung davon hatte, was darin enthalten sein möchte, so öffnete sie denselben. Nachdem sie den Inhalt ersehen und namentlich von der Todesdrohung Kenntnis genommen, übergab sie den Brief ihrer Mutter Bruder, dem Herrn Israel, einem mächtigen, frommen und klugen Herrn. Dieser tröstete sie liebevoll in dem Herrn und ermahnte sie, von ihrem heiligen Vorhaben infolge der Drohungen ihres Bruders nicht abzulassen, gab ihr auch die Versicherung, die Drohung wider ihren Gemahl, den Herrn Eckhard, zu Schanden machen zu wollen. Er tröstete sie nicht bloß mit Seiten-Icon 241 Worten, sondern machte ihr auch Geschenke, um die Beschleunigung ihrer Abreise aus dem Vaterlande zu fördern. Katharina säumte nun auch nicht länger, und schiffte sich in Gesellschaft des Herrn Gorstago Thunasson, dem Marschall von Schweden, und zwei anderer Damen aus diesem Königreiche ein.

Kapitel V.

Katharina kömmt nach Rom. Sie findet nach langem Suchen ihre Mutter, besucht die Kirchen der Heiligen. Als sie hernach wieder heimziehen will, wird sie auf Geheiß Gottes durch ihre Mutter zurückgehalten, von Christo gelobt, aber in einer Versuchung von ihrem Beichtvater mit Ruten gezüchtigt und von der Versuchung befreit.

Nachdem Katharina unter großen Schwierigkeiten die Seefahrt nach Deutschland bestanden, ging sie durch die deutschen und italienischen Gebiete nach Rom, wo sie im Augustmonate ankam. Um diese Zeit war ihre heilige Mutter im Kloster Farfa bei Bologna, wo sie dem Abte und dem Konvente Strafreden zu halten von Christo beauftragt war, und sich einige Zeit lang in Gesellschaft ihres geistlichen Vaters Petrus Olafson und einiger anderen Personen ihres Gefolges aufhielt. Frau Katharina suchte mit ihren Gefährten ihre Mutter acht Tage hintereinander vergeblich in Rom auf und geriet in große Angst, als sie nicht zu erfahren vermochte, wohin dieselbe sich gewendet haben möchte. Inzwischen empfand der Herr Petrus, Brigittas Beichtvater, einige ganz wunderbare innere Anregungen und Bewegungen in seiner Seele, welche ihm keine Ruhe ließen, sondern mit solcher Gewalt nach Rom zu gehen drängten, daß er davor weder zu schlafen, noch zu essen vermochte, bis er sich wirklich auf die Reise dahin machte. Ungern hatte ihn die heilige Brigitta von sich entlassen. Eilends machte er die Reise und begegnete nun in der St. Peterskirche der Frau Katharina und deren Begleitung. Er war voll Freude und erkannte nun, wie der Herr ihn nur auf den Weg gebracht, um der Tröster jener zu werden. Tags darauf begaben sie sich, um Brigitta aufzusuchen, nach dem Kloster Farfa zurück. Der Abt empfing sie aus Verehrung gegen Brigitta, durch deren heilige Ermahnungen er bereits Seiten-Icon 242 zu einem besseren Leben bekehrt worden, mit Achtung. Sie verweilten noch einige Tage selbander in Farfa und traten dann auf den Rat Brigittas die Rückreise nach Rom an. Hier angekommen, besuchten sie demütig die Stationen und die Kirchen der Heiligen. Nachdem sie einige Wochen in Rom zugebracht, schickte sich die Frau Katharina an, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Als sie schon im Begriffe war, diesen Entschluß auszuführen, ward sie von ihrer Mutter Brigitta auf Christi Geheiß gefragt, ob sie ihm zu Ehren in Rom bei ihr zu verbleiben und für Christum Beschwerlichkeiten und Widerwärtigkeiten zu ertragen vermöge und willig sei. Im Geiste ganz entzündet, antwortete sie, wie sie nicht allein Vaterland, Freunde, Verwandte, Reichtum, Vergnügungen, sondern selbst ihren Mann, den sie mehr als ihren eigenen Leib liebte, wenn es Christus verlange, willig verlassen werde. Nachdem Katharina darein gewilligt, in Rom zu bleiben, offenbarte sich Christus ihrer Mutter, der seligen Brigitta, und sprach: "Deine Tochter Katharina ist die Person, welche ich Dir zur getreuen Gehilfin in den Dir von Gott übertragenen Geschäften verheißen. Sie ist ein schönes Pflänzlein, das ich selber unter meinen rechten Arm pflanzen will, damit es zu einem fruchtbringenden Baume aufwachse. Und weil sie des Taues rneiner Gnade bedarf, werde ich sie mit meiner Weisheit netzen. Empfiehl ihr deshalb, daß sie eine Zeit lang bei Dir bleibe, weil es für sie nützlicher ist, zu bleiben, als heimzukehren. Ich will an ihr handeln, wie ein Vater an seiner Tochter, welche von zweien geliebt und zur Ehe begehrt wird. Einer von ihnen ist arm und der andere reich und beide werden von dem Mädchen geliebt. Der weise Vater berücksichtigt die Neigung der Tochter und giebt, da er steht, daß der Arme von ihr geliebt wird, demselben Kleider und Geschenke, dem Reichen aber die Tochter selber. Also will auch ich thun. Katharina liebt mich; sie liebt aber auch ihren Gatten. Weil ich nun aber reicher, weil ich der Herr aller Dinge bin, will ich jenen mit denjenigen meiner Gaben ausstatten, welche für seine Seele am nützlichsten sind; ich habe beschlossen, ihn zu mir heimzurufen. Die Krankheit, an welcher er leidet, ist ein Zeichen seines Hintrittes. Es geziemt sich, daß, wenn einer nach dem Mächtigsten unterwegs ist, er seine Rechnung in den Händen habe und sich frei mache vom Fleischlichen. Sie aber will ich hinführen und zurück- Seiten-Icon 243 führen in ihr Eigentum, bis sie zu dem Werke tauglich wird, welches ich von Ewigkeit her vorausgewußt habe, und welches mir ihr anzuzeigen gefällt." - Von diesem Tage an nahm die Gabe der Beredsamkeit bei Katharina dermaßen zu, daß sie vor Fürsten und Meisen getrost über die Zeugnisse Gottes redete. Der Papst Urban VI. wunderte sich deshalb über ihre Weisheit so sehr, daß er, als sie einstmals vor ihm und den Kardinälen redete, wie schon gedacht, freundlich zu ihr sprach: "Fürwahr, Tochter! Du hast die Milch Deiner Mutter getrunken!" -

Einige Zeit später, als sie bei ihrer Mutter zu bleiben gelobt hatte, bekam sie einen Schauder vor dem ungewohnten Leben, gedachte angstvoll der früheren Freiheit und bat ihre Mutter, nach Schweden zurückkehren zu dürfen. Als ihre Mutter um dieser Versuchung willen sich ins Gebet begeben hatte, erschien Christus derselben und sprach: "Sage jener Jungfrau, Deiner Tochter, daß sie allbereits Witwe geworden. Ich rate derselben, daß sie bei Dir bleibe, weil ich für sie sorgen werde." Obwohl Katharina den Beschluß des göttlichen Willens demütiglich annahm, fühlte sie sich gleichwohl gedrungen, an den lieblichen Boden ihres Geburtslandes, ihres Vaterlandes, innig im Herzen zu denken. Doch schlug sie diese Empfindungen mit ihrem Willen und der Stärke ihrer Vernunft nieder. Sie begann, ihre gütige Mutter zu bitten, ihr, wenn sie ein Gott gefälliges Mittel wüßte, dasselbe in dieser Aufregung ihrer Gefühle zukommen zu lassen. Ihre verehrungswürdige Mutter, welche alle dergleichen Versuchungen bereits siegreich überwunden hatte, reichte ihrer von irdischer Lust verwundeten Tochter ein heilsames Mittel. Sie rief ihren Beichtvater herbei und bat denselben flehentlich und andächtig, daß er ihr diese Gemütsunruhe mit Ruten ausschlagen möge. Katharina begehrte nun selber dieses Mittel auf das inständigste. Während sie vom Beichtvater mit Ruten gestrichen ward, sprach sie: "Schone meiner nicht, sondern schlage schärfer, denn noch hast Du die Herzenshärtigkeit nicht getroffen." Nachdem der Magister die Geißelung eine Weile fortgesetzt, sagte sie mit fröhlichem Antlitze: "Es ist genug, ich fühle mein Herz umgewandelt; alle Bewegung jener Versuchung ist von mir gewichen." Seiten-Icon 244

Kapitel VI.

Katharina muß aus Anlaß gefährlicher Unruhen in Rom auf Befehl ihrer Mutter viele Tage zu Hause bleiben, darf die Kirchen der Heiligen nicht besuchen. Sie wird darob von Herzen betrübt und von einer neuen Anfechtung der Sehnsucht nach Schweden heimgesucht. Ihre Mutter straft sie und ermahnt sie zum Gehorsame, den sie auch leistet.

Um die Zeit, als Brigitta und ihre Tochter Katharina ihren Aufenthalt zu Rom genommen, residierte das Oberhaupt der Kirche zu Avignon. Infolgedessen unterstanden sich, darauf gestützt, viele Söhne Belials, ungestraft auszugehen, in der Stadt Rom wider die öffentliche Gerechtigkeit sich aufzulehnen, strafbare Unordnungen und Gewaltthätigkeiten auf öffentlicher Straße zu verüben, ohne daß sie darob angefochten wurden. Die Fremden und Furchtsamen wagten aus Furcht vor diesen Bösewichten von den Indulgenzmitteln keinen Gebrauch zu machen, noch die Stationen zu besuchen. Am meisten hatten jüngere Frauenzimmer von jenen wüsten Gesellen zu befürchten. Deshalb ward der seligen Katharina auch von ihrer Mutter untersagt, die Ablaßstationen zu besuchen, wenn sie nicht ein großes und starkes Geleit habe. Sie mußte deshalb an vielen Tagen, wenn ihre Mutter und der Beichtvater die Stationen besuchten, mit den Mägden zu Hause bleiben und fing einmal an, von folgenden bitteren Gedanken bewegt zu werden: "Ich führe hier ein klägliches Leben; andere nehmen ihren Vorteil wahr und schaffen sich zum Heile ihrer Seelen Gewinn; sie besuchen die Stätten der Heiligen und wohnen der Feier der göttlichen Geheimnisse bei; ich aber werde wie ein unvernünftiges Tier von allen geistlichen Gittern zurückgehalten. Meine Anverwandten, meine Brüder und Schwestern dienen in meinem Vaterlande in aller Ruhe Gott. Weshalb bin nur ich in dieses Elend geraten? Wäre es nicht besser, gar nicht zu existieren, als auf diese Weise, sowohl in Bezug auf den Leib als die Seele, unnütz zu leben?" So saß Katharina daheim, von Trauer verzehrt und innerlich mit übergroßer Bitterkeit erfüllt. Als sie in solchen Gedanken hin und her schwankte, kamen ihre Mutter und deren Beichtvater Herr Petrus dazu. Man Seiten-Icon 245 befragte sie um den Anlaß ihrer Traurigkeit. Sie vermochte jedoch vor heftigem Schmerze und bitterer Empfindung nicht zu antworten. Die Mutter aber verlangte in Kraft des heiligen Gehorsams eine Antwort. Nun sprach Frau Katharina auf das Wort des Gehorsams wie aus tiefinnerstem Herzen: "O Frau! ich vermag nicht zu reden." Sie war wie erstorben, bleich von Antlitz; ihre Augen waren infolge des gewaltsamen Arbeitens ihrer Gedanken und Empfindungen, welche ihr Herz gefangen hielten, wie verdreht. In der folgenden Nacht aber kam es ihr im Traume vor, als ob die ganze Welt brenne und sie selbst inmitten des Feuers sich auf eine kleine Ebene, versetzt sähe, stark zitternd und zagend und voll Verzweiflung, wie sie dem Feuer entrinnen möge. Da erschien ihr die Mutter Gottes, die Jungfrau Maria, zu welcher sie sich mit flehentlicher Bitte wandte und sprach: "O meine teuerste Frau! hilf mir." Die Jungfrau entgegnete: "Wie kann ich Dir helfen, da Du so heftiges Verlangen trägst, in Dein Vaterland, zu Deinen Freunden und Verwandten zurückzukehren? Du verachtest das Deinem Gott gethane Gelübde, bist ihm und mir, Deiner Mutter und Deinem geistlichen Vater ungehorsam geworden." Darauf sprach Katharina: "O gütigste Frau! ich nehme alles gern an, was Du mir auferlegen wirst." Und die Jungfrau fuhr fort: "So sei denn also anstatt mir Deiner Mutter und Deinem geistlichen Vater gehorsam. Dieses sollst Du nach meinem Willen thun und es gefällt mir, Dich dieses erkennen zu lassen." Als die Frau Katharina erwacht war, eilte sie sofort in aller Demut zu ihrer Mutter, warf sich vor derselben auf die Kniee nieder und flehte sie um Vergebung der Schuld ihres hartnäckigen Ungehorsams an, durch welche sie Gott, die ehrenreiche Jungfrau und sie selber schwer gekränkt." Sie erzählte nun ihrer Mutter das nächtliche Gesicht vollständig, versprach ihr willigen Gehorsam bis zum Tode und daß sie standhaft auf ihrer Pilgerfahrt und in ihrer Entfernung aus der Heimat ihre Gefährtin bleiben wolle, Die Mutter freute sich dieser wunderbaren Bekehrung, wünschte ihr Glück und sprach: "Diese Änderung kommt von der Rechten des Allerhöchsten. (Psalm LXXVI. 11.) Gebenedeit sei der, der da macht, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen." (Römerbrief VIII. 18.) Seiten-Icon 246

Kapitel VII.

Katharina macht sich zum Gehorsame verbindlich und hält denselben sorgfältig. Sie erwählt sich in einem schönen Gebete den heiligen Sebastian zum Beschützer ihrer Keuschheit. Sie führt ein fast klösterliches Leben. Ihr Leben und ihren Wandel richtet sie ganz nach denen ihrer Mutter ein, ist eine große Freundin des Schweigens und der Armen, und redet gern von göttlichen Dingen.

Nun war es Brigittas Wunsch, ihre Tochter durch das Joch der Demut und des Gehorsams noch stärker zu binden, damit sie nicht durch Nachsicht des mütterlichen Mitleids auf dem Wege der heiligen Buße zu lässig sich bewegen wöge. Sie berief ihren Beichtvater, den Herrn Petrus, einen in geistlicher Leitung bewährten Mann, der mit der Gabe der Heiligkeit und Tugenden reichlich überströmt war, und bat ihn inständigst, er möge ihrer Tochter das Gelübde des Gehorsams abnehmen. Der Herr Petrus gab den Wünschen der so vernünftig und fromm Bittenden nach. Katharina gelobte ihm demütig Gehorsam und hielt denselben so kräftiglich, daß sie auch nicht das geringste ohne seine Erlaubnis zu thun sich unterstand. Denn sie wußte wohl, wie die Tugend des Gehorsams für die Wahrheit streitet, die Schritte des Menschen auf die Zucht richtet und die Gnade des heiligen Wandels sich verdient. Mit dieser Tugend bewehrt, trat sie hinein in den Streit der geistlichen Übung und legte ihrem Leibe das Band keuscher Enthaltsamkeit an, damit er nicht ausgleiten möchte zu tötender Wollust. Und obwohl sie selbst während der Ehe mit ihrem Gemahle in der Jungfräulichkeit gelebt hatte, fürchtete sie dennoch die abschüssige Neigung der jugendlichen Gebrechlichkeit, und daß der Feind, der Erfinder aller Nichtswürdigkeit, durch seine List den Grund ihres heiligen Vorsatzes zerstören möchte. Sie erwählte daher den Höchsten zu ihrem Helfer und bat ihn in tiefster Andacht, er wolle ihr Kraft und Stärke verleihen, den Listen des Feindes Widerstand zu leisten. Als sie eines Samstags das Sakrament des heiligen Leibes Christi empfangen sollte und an den Altar herantrat, betete sie so, daß es der Priester hörte, und sprach: "O liebster Erlöser! der Du diesen Seiten-Icon 247 Leib von der unbefleckten Jungfrau angenommen und am Kreuze mit zerrissenen Nerven und Adern hast ausspannen lassen wollen, ich unwürdige Sünderin, flehe Dich bei Deiner unaussprechlichen Barmherzigkeit an, Du wollest mich erhalten, auf daß ich nicht in Sünden falle. Und weil ich durch Deine Gnade zum Hüter meiner Keuschheit einen trefflichen, aber sterblichen Ritter gehabt, muß ich nach Auflösung meiner Ehe mit demselben einen anderen Eiferer für meine Keuschheit mir ausbitten und wähle dazu den überaus edlen Ritter, den Ausbreiter Deiner heiligsten Gebote, den seligen Sebastian, dessen Hut und Sorge Du, liebevollster Jesu, mich anzuvertrauen würdigen mögest." Während sie dieses und anderes andächtig gelobte, empfing sie den Leib Christi zum Unterpfande des Heiles und der Umkehr aus der Versuchung des Feindes. Das Opfer dieses Gebetes und dieser Empfehlung war so wirksam, daß Katharina von diesem Tage an, wie bekannt ist, nicht ohne große Wunder von Gott erhalten worden ist, wie unten noch ausführlicher gemeldet werden soll. Während die ehrwürdige Frau, durch den eingetretenen Tod ihres Mannes Witwe geworden, sich mit ihrer Mutter zu Rom befand, begann sie unter deren sorgfältiger Obhut, da sie wußte, wie dieselbe vom Geiste Gottes erleuchtet und mit den Gaben der göttlichen Tugenden geschmückt worden, wie in einem Kloster zu leben. Zum Lehrmeister hatte sie Petrus, den Beichtvater ihrer Mutter. Nach seinen Ermahnungen, Lehren und heilsamen Ratschlägen richtete sie sich gänzlich, als eine aufrichtig Gehorsame in Demut. Fortwährend aber betrachtete sie das Leben und den Wandel ihrer Mutter wie in einem fleckenlosen Spiegel, und war voll Begierde, ihren Wandel und ihre Handlungen nach ihrem Vorbilde einzurichten, ihr auch in den heiligen Bußübungen nachzufolgen. Von ihr lernte sie, zu gewissen Zeiten Schweigen zu beobachten, indem sie wohl wußte, wie die Tugend des Schweigens den Frieden des Herzens und die Pflege der Gerechtigkeit gewährt und den Frieden unter den Nächsten nährt und behütet. Denn wenn der Mensch nicht sehr fleißig seinen Mund bewacht, wird er die unverdienten Güter, welche er hat, bald verbringen und in viele Übel geraten. Wenn sie gefragt ward, antwortete sie wenige, aber erbauliche Worte, welche den Willen Gottes und seine Gebote zum Inhalte hatten, und redete mit allen, besonders mit den Armen Seiten-Icon 248 und Pilgern, freundlich und demütig, indem sie den Spruch des Weisen beachtete: Richte alle Deine Reden auf die Gebote des Allerhöchsten. (Ekklesiastikus IX. 23.) Wenn sie zu Rom war, nahm sie sich der Armen und Pilger auf eine liebliche Weise an, deren sehr viele aus ihrem Vaterlande kamen, und erquickte dieselben nicht nur mit Almosen, sondern auch durch süße und freundliche Unterhaltung, ermahnte sie zur Geduld und Liebe Christi und suchte ihnen häufig einzuprägen, daß sie stets an das bittere Leiden Christi denken und die Gebote Gottes ganz besonders pflegen sollten. Erwähnen will ich nur das Eine, wie sie einen armen Pilger mehrmals in ihr Zimmer gerufen und ihm das Evangelium und die Lebensbeschreibung der Heiligen vorgelesen, die Gebote Gottes erklärte und mit höchstem Nachdrucke in ihn drang, die sieben Todsünden zu meiden. Dieser Pilger ward nach seiner Heimkehr in das Vaterland ein Laienbruder im Kloster Wadstena, übte sich in der guten Ritterschaft Christi und pflegte den Brüdern von Katharinas Heiligkeit viel Liebliches zu erzählen."

Kapitel VIII.

Katharina wird ihrer Schönheit, Klugheit und Geistesstärke wegen von vielen großen Herren zur Gemahlin begehrt, schlägt aber alle Anträge aus. Jene stellen ihr daher heimlich nach, Gott macht jedoch ihre Anschläge wunderbar zu Schanden. Ein Graf, der sie gewaltsam entführen will, wird mit Blindheit geschlagen, aber von ihr und ihrer Mutter in der Kirche des heiligen Laurentius wieder sehend gemacht. Später erweist er beiden vieles Gute.

Katharina war jetzt, da sie bei ihrer Mutter in Rom wohnte, zwanzig Jahre alt; dieses jugendlichen Alters ungeachtet war sie ernst und streng in ihrem Verhalten, ihr Verstand erschien als der eines gereiften Alters. Von Leibesgestalt war sie schön und anmutig, wie es die Herzen vieler einnimmt und den Augen aller angenehm ist. Deshalb wünschten viele vornehme Herren, sich ehelich mit ihr zu verbinden, und machten ihr ihre Anträge teils in Person, teils durch andere, erklärten auch, wie sie ihr eine große und kostbare Heimsteuer verheißen wollten, wenn sie in die eheliche Verbindung mit ihnen willigen möchte. Sie erteilte standhaft die Seiten-Icon 249 Antwort, sie habe das Gelübde beständiger Keuschheit und Ehelosigkeit gethan, und werde fortan mit keinem sterblichen Bräutigam eine eheliche Verbindung mehr eingehen. In blinder Liebe gefangen, sannen jene darauf, dasjenige, was sie durch Verheißungen und Schmeicheleien nicht hatten erreichen können, durch Drohungen und Gewaltthätigkeiten an sich zu reißen. Sie legten ihr daher auf den öffentlichen Straßen bei engen Wegen Hinterhalte, um sie gefangen nehmen und von dannen führen zu können, damit sie nicht ferner, durch die heiligen Ratschläge ihrer Mutter gestärkt, ihnen ihre Zusage verweigern möge. So begab es sich denn, daß an einem Feiertage, als ihre Mutter, von anderen Geschäften verhindert, daheim bleiben mußte, Katharina ohne dieselbe eine mit anderen Damen unternommene Wallfahrt nach St. Sebastian, außerhalb der Mauern Roms, antreten mußte. Ein Graf hatte sich mit einem großen Gefolge zwischen die Weingärten, durch welche der Weg der Wallfahrerinnen hindurchführte, in den Hinterhalt gelegt, wobei er sein Augenmerk darauf gesetzt hatte, ob Frau Brigitta mit ihrer Tochter unter den Wallfahrerinnen wäre. Als ihm Katharinas Anwesenheit dabei bekannt ward, gebot er den Seinigen, sich bereit zu halten, sie gefangen zu nehmen. Dieselben brachen aus ihren Verstecken hervor, um die Unschuldige zu entführen; allein sie hatten ihrer Bosheit Bogen umsonst gespannt; der Ratschluß des Herrn, welcher allezeit die auf ihn Hoffenden beschützt und verteidigt, war mächtiger. Denn als die Ruchlosen hervorbrachen, rannte ihnen eilenden Laufes ein Hirsch entgegen, mit dessen Einfangen sie sich erst zu schaffen machten. Während sie dabei waren, begab sich Frau Katharina mit den anderen Damen mit beschleunigtem Schritte in die Stadt zurück und entschlüpfte ihren Händen wie ein Wild seinen Verfolgern und wie ein Vogel dem Vogelsteller. Als sie nach Hause zurückkam, sprach ihre Mutter, die selige Brigitta, welche im Geiste die Gefahr erkannte, aus welcher jene befreit worden war: "Gebenedeit sei der Hirsch, welcher Dich heute von den Nachstellungen des brüllenden Feindes erlöste, wie mir, als ich im Gebete war, die ehrenreiche Mutter Gottes zu zeigen mich gewürdigt hat." Daher vermochte sie wohl mit jener liebevollen Braut zu sprechen: Fliehe, mein Geliebter! und werde gleich einem Reh und jungen Hirsch auf den Gewürz- Seiten-Icon 250 bergen. (Hoheslied VIII. 14.) - Seit diesem Tage wagte sie es nicht ferner, die Stationen öffentlich zu besuchen, sondern nur eine ihrer Wohnung nahe gelegene Kirche, wollte sich selten auf der Straße sehen lassen und zog es vor, mit ihren Füßen daheim zu bleiben, weil die festen Füße eines standhaften Weibes auf ihren Sohlen stehen. (Ekklesiastikus XXVI. 23.) Aus den Mauern Roms hinauszugehen, wagte sie in keinerlei Weise, wenn sie nicht dazu eine göttliche Eröffnung erhalten, damit ihre Kühnheit ihren Feinden keine Freude bereiten möchte. Wenn sie aber von ihrer Mutter durch eine göttliche Offenbarung versichert worden war, trat sie unbedenklich die Gänge zu den Ablässen an. - Nun begab es sich, als das Fest des heiligen Laurentius nahe war, daß die selige Brigitta am Vorabend desselben zu ihrer Tochter, der seligen Katharina, sprach: "Morgen werden wir mit Gottes Gnade zusammen zum heiligen Laurentius wallfahrten." Frau Katharina antwortete ihr: "Ich fürchte sehr, daß ich von dem Euch wohlbekannten Grafen unterwegs Euch mit Gewalt entführt werde." Die Mutter entgegnete darauf: "Ich glaube fest und vertraue auf den Herrn Jesum, er werde uns mittels seiner Barmherzigkeit aus den Händen dieses Mannes befreien und vor aller Gefahr behüten." Am Tage des heiligen Laurentius verließen sie ihre Wohnung, bezeichneten sich zu ihrem Schutze fünfmal mit dem Zeichen des lebendigmachenden Kreuzes und empfahlen sich den fünf Wunden Christi und der Obhut des heiligen Laurentius, Durch solchen Schutz gesichert, kamen sie selbander bei der Kirche des heiligen Laurentius an. Jener Graf aber hatte sich mit seinen Dienern, während es noch Nacht war, nahe dem Wege in einem Weinberge versteckt, um die auf nichts Vorbereitete beim Anbruche des Tages, aus seinem Verstecke hervorbrechend, zu entführen; aber Gott demütigte ihn in seiner Schlinge, die er verborgen hatte. Nachdem die Sonne bereits aufgegangen und ein ziemlicher Teil vom Tage verstrichen war, sprachen die des Wartens überdrüssigen Diener des Grafen: "Herr! was wartet Ihr hier?" Der Graf antwortete: "Wir warten fürwahr auf jene Dame, welche wir heute zu entführen gedachten." Darauf die Diener: "Sie muß schon längst vorübergegangen und in der Kirche des heiligen Laurentius angekommen sein." Der Graf fragte sie nun, ob es denn bereits Tag wäre? verwundert Seiten-Icon 251 erwiderten jene: "Freilich, Herr! ringsum leuchtet der helle Tag und die Sonne steht schou hoch." Da erst erkannte der Graf, daß, von seiner Bosheit herausgefordert, des Herrn Hand wider ihn ausgestreckt sei. So oft er die Augen öffnete, erblickte er nichts. Er befahl, man solle ihn augenblicklich in die gedachte Kirche des heiligen Laurentius führen. Dort angelangt, fragte er die Diener, ob sie dort Frau Brigitta und ihre Tochter sähen? Diese erkundigten sich unter der Menge der Ankommenden und meldeten ihm: diejenigen, nach denen er gefragt, seien da. Sofort ließ er sich zu den Damen führen und warf sich, bei ihnen angelangt, mitten in der Kirche mit lautem Weinen nieder, erkannte in seinem Elende seine Bosheit, bat demütig um Verzeihung, und daß sie ihm um Gottes willen seine Schuld vergeben möchten, gelobte auch Gott, daß er nimmer wieder dergleichen unternehmen wolle, fügte auch beteuernd hinzu, daß er nach Kräften ihr Schützer und Helfer und zu allem, was sie wünschen möchten, ihr williger und bereitester Förderer sein würde. Die beiden Frauen beteten augenblicklich für ihn und so erhielt er das Licht seiner Augen wieder. Von diesem Tage an behielt er eine große Ehrfurcht vor ihnen, hielt sie in Ehren und erwies ihnen sehr vieles Gute. Diese Gnade und das an ihm geschehene Wunder hat der Graf als große Thaten Gottes vor dem Papste Urban V. und dessen Kardinälen bezeugt.

Kapitel IX.

Katharina gerät auf Anstiften des bösen Feindes nächtlicherweile auf ihrer Reise nach Assisi unter Mörder. Ihre Keuschheit gerät in Gefahr. Ein zweifaches Wunder Gottes befreit sie von derselben.

Verschwiegen werden darf auch nicht, durch welche Anfechtungen der Widersacher des menschlichen Geschlechtes mitteIs seiner Freunde Katharinas Gott geweihte Keuschheit bestürmt, der Herrscher der Tugenden aber, Christus, der König der Herrlichkeit, sie barmherziglich aus denselben befreit hat. Es begab sich, wie aus Brigittas Leben bekannt, daß der heilige Franziskus dieser Heiligen in einem Gesichte erschien und dieselbe in seine Zelle einlud. Die andächtige Frau schickte sich, dem heiligen Franziskus gehorsam, Seiten-Icon 252 sogleich an, die Pilgerfahrt nach Assisi, zur Kirche dieses Heiligen, welche Portiunkula genannt wird, anzutreten. Da ward ihr von Christo geboten, daß die Frau Katharina sie zu begleiten habe, welche mit großem Verlangen dorthin zu wallfahrten begehrte. Christus versicherte ihr auch, sie unter den bevorstehenden Gefahren der Reise in seiner Barmherzigkeit bewahren zu wollen. Sie sollten sich nicht fürchten; denn wenn auch der Widersacher viele heimliche Nachsteller aufregen würde, wolle er sie doch deren Händen wunderbarlich entreißen und sie retten. So traten sie denn mit einem anständigen Gefolge die Fahrt gen Assisi an. Eines Tages konnten sie, da sich der Abend bereits geneigt hatte, eine passende Herberge nicht mehr erreichen. Sie hatten sich unter Strauchwerk und Bergpfaden verirrt, und gelangten, als es bereits dunkel geworden war, an ein armseliges Wirtshaus; mit Not nahm sie der Wirt auf und sie mußten in den höhlenartigen Räumen dieser Hütte ein Obdach gegen den draußen stürmenden Schnee und Regen, so gut es gehe wollte, sich verschaffen. Mitten in der Nacht traf bei diesem, Wirtshause eine zahlreiche Räuberbande ein. Die Räuber zündeten ein Feuer an und besahen sich die Gesichter unserer Reisenden. Von der Schönheit Katharinas betroffen, wagten sie, an dieselbe verliebte und unzüchtige Reden zu richten. Welche Angst hierbei ihr unschuldiges Herz empfand, läßt sich nicht beschreiben. Sie vernahm der brüllenden Löwen schreckliche Stimme. Alle menschliche Hilfe war fern; nur der göttliche Schutz blieb ihnen, den sie mit demütiger Bitte inständigst herabflehten. Gebenedeit Gott, welcher die auf ihn Hoffenden aufzurichten weiß! Von unkeuscher Brunst entzündet, hatten die Räuber sich bereits angeschickt, über Katharina herzufallen, als draußen ein Geräusch wie von heranziehenden Truppen sich vernehmen ließ. Man vernahm Zusammenschlagen von Waffen und Stimmen, welche zur Gefangennehmung der Räuber aufforderten. Als diese elenden Söhne des Mordes diese Töne vernahmen, flohen sie erschreckt von dannen und wagten nicht, in derselben Nacht zu der Herberge zurückzukehren. Die unerwartete, jäh über sie gekommene Furcht ließ sie glauben, es sei ein ansehnliches Heer bewaffneter Leute herangezogen. Die selige Brigitta, ihre Tochter und ihr Gefolge verharrten die ganze Nacht unter Gottes Schutze in der Herberge und traten in der Frühe die Seiten-Icon 253 Fortsetzung ihrer Reise nach Assisi an. Jene Verruchten aber, welche nachts durch die Wächter Israels erschreckt worden, lagerten sich am Wege und setzten sich auf beiden Seiten der Straße fest, welche Brigitta und ihre Begleitung zu passieren hatten, um wenigstens auf diese Weise ihre Hände zur Niederträchtigkeit auszustrecken. Im Vertrauen auf Gott setzten die Reisenden ihren Weg auf der Landstraße fort. Sie erblickten zu beiden Seiten des Weges die auf ihr Verderben sinnenden Räuber, wurden jedoch selber von denselben nicht gesehen; ihr ganzer Umkreis war mit hellem Lichte erleuchtet, aber über jenen allein lag eine drückende Nacht, das Vorbild der Finsternis, die über sie hereinbrechen sollte. (Weish. XVII.) So entgingen die frommen Frauen den Händen der Bösewichte und setzten im Namen des Herrn ihre Wallfahrt nach Assisi fort, wo sie, in St. Francisci Heiligtume mit göttlichem Troste gar sehr erquickt, die großen Thaten Gottes priesen und sodann mit großer Freude wieder nach Rom zurückkehrten.

Kapitel X.

Katharinas Eifer in der Demut, Liebe und Andacht. Von, Kindheit auf betete sie täglich die Tagzeiten unserer Lieben Frau, die sieben Psalmen, nebst vielen anderen Gebeten, und zwar vier Stunden lang, bevor sie schlafen ging. Sie schläft wenig, steht vor Tage auf und bringt den ganzen Vormittag unter Gebet und Schweigen zu. Einmal erscheint ihr die Seele der Gattin ihres Bruders und begehrt Hilfe von ihr, bringt ihr auch gute Kunde aus Schweden.

Die ehrwürdige Katharina nahm sich die göttliche Liebe und Güte, welche sich in der ihr erwiesenen Wohlthat ihrer Erhaltung so deutlich kundgethan, tief zu Herzen, und legte in demselben als eine Tochter Gottes aus Gnaden den Grund der Demut, welche Dankbarkeit gegen Gott erzeugt, die Güte Gottes an sich zieht, die übrigen Tugenden in ihrer Stärke bewahrt und selber unter denselben die vornehmste ist. Sie wußte wohl, daß, solange das menschliche Gemüt sich auf die Demut lehnt, es sicherlich zur Liebe Gottes und der himmlischen Dinge entzündet wird. Deshalb pflegte sie nicht allein die Demut, mittels deren sie sich selber wahrhaft Seiten-Icon 254 verachtete, sondern sie wollte auch von anderen verachtet und geringgeschätzt werden. So groß sie durch verdiente Lebensführung und so angenehm sie in den Augen Gottes war, wollte sie doch nicht eine Heilige, sondern eine Sünderin genannt werden. Sie befleißigte sich also im Geiste der Demut, dem Herrn aufs innigste zu dienen, erniedrigte sich allezeit in ihrer Meinung inwendig und demütigte sich äußerlich vor den Menschen in Worten, mit Seufzern und durch Kleidung, und hatte einen überaus großen Abscheu dafür, für irgend eine Handlung gelobt zu werden. Daher tadelte sie eine ihrer Dienerinnen, welche sie der ihr verliehenen Gaben halber pries, sehr scharf und sprach: "Im Namen unseres Herrn Jesu Christi beschwöre ich Dich, daß Du nimmermehr dergleichen von mir sagst und denkst, da ich eine elende und unwürdige Sünderin bin; er werde vielmehr von jedem seiner Geschöpfe gepriesen, welcher alles Gute in Allen wirkt." Weitläufig zu erzählen würde sein, eine wie große Liebe und göttliche Inbrunst sie im Dienste Gottes gehabt. Von Kindheit auf betete sie täglich die Tagzeiten der seligen Jungfrau und die sieben Psalmen, samt vielen anderen besonderen Gebeten. Welcher Inbrunst sie in den eigenen Gebeten sich hingegeben, mag nach dem, was nun folgt, leicht ermessen werden. Vor dem Schlafengehen brachte sie unter Kniebeugungen, Brustklopfen und häufigen Thränen, in der Erinnerung an das überaus bittere Leiden, alle Abende als ein Brandopfer sich gänzlich dem Herrn dar und legte erst dann die von den täglichen und nächtlichen Anstrengungen ermüdeten Glieder zur Erholung in das Bett nieder, um einen kurzen Schlaf zu genießen. Stets erhob sie sich vor der Morgendämmerung zum Gebete und vollbrachte ihr tägliches Opfer im Schweigen, in welchem sie durch Fragen sich nicht unterbrechen ließ, wie sie auch ohne augenscheinliche Not vor Mittag keine Unterbrechung in ihren heiligen Beschäftigungen sich erlaubte. Wie wirksam und Gott angenehm ihre Gebete waren, welche sie für andere im Geiste der Andacht und des Mitleids vollbrachte, ergiebt sich aus vielen Wunderzeichen. Als ihre fromme Mutter, die heilige Brigitta, noch unter den Lebenden wandelte und sie zu Rom bei derselben sich befand, hatte Katharina sich eines Tages im Gebete vor einem Altare des heiligen Evangelisten Johannes, in der größeren Kirche des heiligen Petrus, niedergeworfen. Seiten-Icon 255 Da erschien ihr eine fremde Frau, angethan mit einem weißen Rocke, mit einem Gürtel, einem weißen Schleier auf dem Kopfe, mit einem schwarzen Mantel bekleidet, welche sich Katharina eilenden Schrittes nahte, sie beim Namen grüßte und sie flehentlich bat, sie möge für die Seele der Norwegerin beten. Katharina richtete sich empor und fragte jene, woher sie sei. Die Fremde erwiderte, sie sei aus Schweden, und die Gemahlin von Katharinas Bruder Karl sei gestorben. Frau Katharina lud die Fremde nun in ihrer Mutter Haus ein. Die Fremde aber fing an, sich zu entschuldigen, und sagte, sie habe zum Bleiben nicht längere Zeit; wiederholte aber ihre früheren Worte: "Betet für die Norwegerin; ihr werdet bald Nachricht und eine gute Hilfe aus dem Vaterlande empfangen, weil euch die Nordländerin die goldene Krone ihres Hauptes vermacht hat." Alsbald war die Fremde verschwunden. Hierüber verwundert, wendete sich Frau Katharina zu ihren Mägden, die in ihrer Nähe standen und fragte dieselben, wohin die Person, welche eben mit ihr geredet, sich gewendet haben möge. Jene antworteten: "Wir haben Euch zwar mit jemand reden hören, aber niemand gesehen." Da entsetzte sich Frau Katharina und teilte ihrer Mutter Brigitta mit, was sie gesehen und gehört hatte. Als diese darüber sich ins Gebet begeben hatte, ward ihr von Gott geoffenbart, daß Frau Gyddha, die Gemahlin ihres Sohnes Karl, gestorben sei, deren Seele Katharina erschienen und Hilfe von ihr begehrt habe. Nicht lange darauf kam Ingwald Asmundsson, ein guter Freund der Frau Katharina, aus Schweden und meldete den Tod der gedachten Frau Gyddha. Er brachte ihr auch das Vermächtnis, nämlich den goldenen Reif oder die Krone, welche sie bei ihren Lebzeiten nach dem Brauche ihres Landes zu tragen pflegte, denn Frau Gyddha stammte aus einem gar erlauchten norwegischen Geschlechte. Jene Krone aber hatte einen so ansehnlichen Wert, daß aus deren Erlöse die selige Brigitta und ihre Tochter, samt dem ganzen Gesinde, ein ganzes Jahr hindurch zu leben vermochten Hieraus erhellt deutlich, wie angenehm das Opfer von Katharinas Gebeten gewesen sein müsse, da einer Seele, welche sich im Fegfeuer befand, gestattet worden, zu ihrer Befreiung Katharina anzugehen. Die ehrwürdige Frau hatte den Brauch, für die Zeit ihres Gebetes eine heimliche Stätte aufzusuchen und sich aus dem Getümmel zu flüchten, Seiten-Icon 256 um Gott ein würdiges Opfer und Gehorsam darzubringen, indem sie glaubte, sie werde um so eher erhört werden, je tiefer sie aus dem innersten Grunde ihres Herzens zum Herrn emporrufe. Und wenn schon die Zunge des Fleisches schwieg, so ließen doch die Reinheit des Lebens, samt den frommen Übungen und guten Werken nicht nach, zum Herrn zu flehen.

Kapitel XI.

Katharina ist sehr mildthätig gegen die Armen und Kranken und erweist ihnen viel Gutes. Sie folgt hierin den Fußstapfen ihrer heiligen Mutter, verachtet die Welt und alles, was in der Welt ist, und hängt allein Christo an. Ihre äußere Erscheinung und Wandel. Von einem Wunderzeichen, das Gott an ihr gethan.

Wie groß das Mitleid und die Liebe dieser verehrungswürdigen Frau gegen den Nächsten gewesen, kann daraus abgenommen werden, daß die Barmherzigkeit gegen Arme und Kranke mit ihr aufgewachsen war. Denn ihre überaus heilige Mutter Brigitta war, wie bekannt, gewohnt, die noch im zarten Alter stehende Tochter mit sich in die Hospitäler zu nehmen, wo die Mutter die Wunden und Geschwüre der Kranken ohne allen Abscheu mit eigenen Händen berührte und pflegte, ihnen sehr viel Gutes und tröstliche Worte zu teil werden ließ, und so dem jungen Mädchen ein Beispiel aufstellte, wie sie in ihrer ganzen kommenden Lebenszeit um Gottes willen ähnliches an Armen und Kranken zu thun habe. Wenn nun etwa einige die fromme Mutter tadelten, daß sie ihre zarten Töchter in die Wohnungen der Armen und Kranken führte, auch die Besorgnis aussprachen, sie könnten durch die üblen Ausdünstungen der Kranken übel erregt oder angesteckt werden, so antwortete sie ihnen freundlich, sie führe ihre Töchter deshalb in die Häuser der Armen, damit sie lernen möchten, Gott in den Armen und Kranken zu dienen. Daher ist denn wohl genug Grund zu dem Glauben, daß bei dieser Tochter der ehrwürdigen Frau Brigitta mit zunehmendem Alter auch das Erbarmen mit Kranken und armen Personen zunahm, sie dieselben fleißig besuchte, ihnen trostreiche Worte spendete und mit liebreichen Almosen erquickte, wobei Seiten-Icon 257 sie in andächtiger Nachahmung, soviel sie vermochte, in die Fußstopfen ihrer heiligen Mutter trat. Die Worte, welche sie von ihrer heiligen Mutter Brigitta gehört und die Werke der Liebe, welche sie an derselben wahrgenommen, hatten ihr eigenes Herz mit Liebe durchdrungen, so daß sie von ganzem Herzen mit der Not der Armen Mitleid trug und in der Rede Teilnahme zeigte gegen diejenigen, welche im Leide waren, auch ihnen durch die That zu Hilfe kam, indem sie reichliche Wohlthaten an sie spendete, Sie stand auch in der Nacht, wenn ihre Mutter auf dem harten Fußboden schlief, aus kindlichem Mitleid heimlich auf und legte jener ihren Mantel unter, um die Härte ihres Lagers zu mildern. O gottesfürchtiges, liebevolles Mitleid! Wie gering es auch in der äußerlichen That sich darstellt, so zeigt es doch eben in der Äußerung die höchste Liebe, wie es einer guten Tochter gegen ihre Mutter geziemt. Glücklich daher die Mutter, welche dem Fleische nach der Welt eine solche Tochter geboren; ja, noch viel seliger ist sie, weil sie dieselbe durch ihr heiliges Vorbild und die Heiligkeit ihres Lebens Christo, dem Herrn aller Dinge, geistlich wiedergeboren und für seinen heiligen Dienst zugerüstet hat. Und weil die größten Hindernisse der Frömmigkeit und des Gebetes die Begierden der Welt und des Fleisches sind, so war sie eifrig bemüht, dieselben als etwas Giftiges aus ihrem Herzen zu entfernen, indem sie nach Armut trachtete und um Gottes willen ein niedriges Leben begehrte, damit sie Christo, welcher auch ihretwegen arm geworden war, freier nachzufolgen verdienen möchte. Sie ist ihm auch wahrhaft nachgefolgt, indem sie auf den Reichtum der Welt und die Lust des Fleisches verzichtete, welche ihre Liebhaber quälen und peinigen. Sie verachtete der Welt Herrlichkeit und trat dieselbe im Geiste unter die Füße, um Gottes Ehre zu verbreiten; und um auf dem Wege Gottes bessere Fortschritte machen zu können, unterwarf sie sich selber dem Willen eines anderen im Gehorsam, indem sie es für eine große Ehre erachtete, um des Herrn willen arm zu sein und von der Welt geringgeschätzt zu werden. Die Besitztümer der Welt, den Trost der Geschwister und Verwandten entfernte sie gänzlich aus ihrem Sinne, liebte das Leben in (freiwilliger) Verbannung, statt des Vaterlandes, um die Richtung ihres Gemütes desto genauer an Christum, ihren Geliebten, und an die ewigen Güter heften zu können. Deshalb hat dann Seiten-Icon 258 jener gütige Belohner, welcher denen, die ihn lieben, alles unwürdige, das sie seinethalben übernommen, in Herrlichkeit und Ehre verwandelt, die Armut und Niedrigkeit dieser ehrwürdigen Frau nicht allein für das künftige, sondern auch im gegenwärtigen Leben in Ruhm und Zierde umgewandelt. Denn es begab sich einmal, daß, als ihre Mutter Brigitta noch lebte, einige der vornehmeren Damen Roms Katharina baten, mit ihnen der Erholung halber einen Spaziergang vor die Mauern Roms zu machen, denn sie ward von allen wegen der vielfachen ihr von Gott erwiesenen Gnaden sehr geliebt, da sie sich durch Andacht und Strenge des Wandels auszeichnete, durch liebliche Körpergestalt und löbliche Unterhaltung in geselligen Kreisen die Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Ihre Mutter Brigitta erlaubte ihrer Tochter, in Betracht deren Frömmigkeit, nicht aus sorglosem Leichtsinne, sondern damit diese auf dem Spaziergange sich erholen möchte, den Hinausgang vor die Mauern Roms. Als sie aus Rom hinausgekommen waren, befanden sie sich zwischen den Mauern der Weingärten. Einige der Damen, welche über diese Mauern Trauben hinüberhängen sahen, baten Frau Katharina, welche von hoher Gestalt war, daß sie ihnen die über die Mauern hinausragenden Trauben abbrechen möge. Obwohl sie nun infolge der Armut, welche sie erwählt, abgenützte und verschlissene Ärmel trug, schämte sie sich doch nicht, unter so hohen Damen in ihrer Armut und Niedrigkeit sich sehen zu lassen. Als sie nun die Arme aus den Falten herausstreckte, um die Frucht vom Weinstocke zu brechen, glaubten alle Damen wahrzunehmen, daß ihre Arme mit hyacinthfarbener Seide und Purpur aufs beste bekleidet seien. Hierüber erstaunt, betastete eine nach der anderen die Arme der Heiligen und sprachen, als sie den kostbaren Purpur an den Ärmeln erblickten, zu ihr: "O Frau Katharina! wer in aller Welt hätte glauben können, daß Ihr jemals euch so kostbarer Kleiner und Gewänder hättet bedienen mögen?" Dieses haben das gegenwärtig gewesene Hausgesinde und ihr Beichvater Petrus, heiligen Andenkens, bezeugt. Seiten-Icon 259

Kapitel XII.

Von einem anderen Wunder, das Gott an der heiligen Katharina während einer Krankheit derselben gewirkt. Eine Offenbarung, worin die seligste Jungfrau Katharina wegen ihrer Armut belobt. Von Katharinas großer Geduld.

Ein anderes Mal, als Frau Katharina noch bei Lebzeiten ihrer Mutter an einer schweren Krankheit danieder und im Bette lag, ließ ein besonderer Freund derselben, ein vornehmer, römischer Baron, Lodovico mit Namen, der seligen Brigitta melden, wie es sein Wunsch sei, ihrer Tochter seinen Besuch zu machen. Als dies ihre Hausgenossen vernahmen, schämten sie sich vor sich selber, daß ein so vornehmer Herr sie auf so armseligen Lager liegen sehen sollte. Denn sie lag auf einem Strohsacke, hatte ein kleines Kissen unter dem Haupte und war überdeckt mit einem alten und geflickten Mantel. Allein der Herr Jesus Christus, welcher durch seine Armut seiner Armen Elend mit Herrlichkeit und Ehre erhöht, hat auch diese Niedrigkeit und Verächtlichkeit ihrer freiwilligen Armut durch den Reichtum seiner unaussprechlichen Gnade vor den Augen des mächtigen und reichen Herrn Lodovico ausgezeichnet. Denn als dieser Herr mit einem sehr zahlreichen Gefolge dahin gekommen war, wo die Kranke lag, erschien ihm ihr Bett auf das Schönste ausgestattet, mit einer Decke darüber von Gold und Scharlach. Er wunderte sich gar sehr und sprach zu den Dienern, welche ihm gefolgt waren: "Diese Damen werden von allen Leuten für arm gehalten, weil sie so oft Geld aufnehmen, um sich die notwendigen Bedürfnisse einzukaufen. Es würde besser sein, wenn sie den kostbaren Purpur und die vornehme Ausstattung, welche sie, wie wir gesehen, ihrem Hause gegeben haben, zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse verkaufen möchten, als daß sie sich vom Mangel und Entbehrung au Nahrungsmitteln und Kleidern drücken ließen." -

Wie sehr aber Gott und der ehrenreichen Jungfrau Maria ihre freiwillige Armut gefiel, ward der seligen Brigitta geoffenbart, während sie in der Süßigkeit des Geistes also betete: "O meine teuerste Frau! ich bitte Dich um der Liebe Deines geliebten Sohnes willen, daß Du mir helfen wollest, denselben von ganzem Seiten-Icon 260 Herzen zu lieben. Ich fühle mich zu schwach, ihn mit so feuriger Liebe, als ich sollte, zu lieben. Deshalb bitte ich Dich, o Mutter der Barmherzigkeit, Du wollest mich würdigen, seine Liebe auf mein Herz zu binden. Ziehe dasselbe mit aller Anstrengung zu Deinem Sohne, daß es sich losmache von aller fleischlichen Liebe, und ziehe um so stärker, je schwerer es ist." Die Jungfrau Maria antwortete ihr: "Gebenedeit sei der, welcher Dir solche Gebete eingiebt. Wie süß Dir aber auch die Unterhaltung mit ihm erscheinen mag, so gehe doch nichtsdestoweniger hin und nähe Deiner Tochter Katharina den Rock zusammen; denn sie freut sich mehr über einen alten und geflickten Rock, als über einen neuen, hat mehr Lust zu grauem, grobem Tuche, als zu Seide oder anderen köstlichen Gewändern. Selig ist sie, daß sie so frei das Weltliche verlassen, ja selbst den Gemahl mit dessen freundlicher Zustimmung aufgegeben hat, dessen Leib sie mehr liebte, als sich selber, sowie seine Seele mehr, als beider Leiber. Sie hat auch die Brüder und Schwestern, die Verwandten und Freunde leiblicherweise verlassen, am ihnen geistlicherweise helfen zu können, und hat der Welt Besitztümer nicht geachtet, nun sind ihr für die Dahingabe der Verwandten alle Sünden verziehen. Darum soll sie fortan beständig bleiben, denn für irdischen Besitz wird ihr das Himmelreich gegeben werden und Jesus Christus selber zum Gemahl, und alle, welche sie um Gottes willen lieben, werden um ihrer willen gefördert werden." Und obwohl sie mit mannigfaltigen Tugenden geziert war und bei allen im Geruche der Heiligkeit und eines guten Leumundes stand, war sie doch unter ihren Hausgenossen besonders um ihrer Geduld willen gepriesen. Denn sie bedachte fleißig, wie das Gemüt, wenn es nicht mittels der Geduld seiner Beunruhigung widersteht, auch was es etwa mit ruhigem Sinne gut ausgeführt hat, zu Schanden macht und in einem plötzlichen Anstoße über den Haufen wirft, was vielleicht während einer langen Zeit mit umsichtiger Mühe aufgeführt worden war. Es ist gar leicht, ein verächtliches Kleid zu tragen und gebeugten Hauptes einherzugehen; allein der wahrhaft Demütige zeigt sich als solcher im geduldigen Ertragen des Unrechtes. Wie die Salben ihren Duft nicht verbreiten können, wenn sie nicht geschüttelt werden, so hat diese ehrwürdige Frau Katharina durch die Kraft ihrer Geduld mittels der Seiten-Icon 261 Verfolgungen und der Schmach, die ihr ungerechterweise zugefügt worden, ihren Wohlgeruch weithin verbreitet. Durch eine dreifache Übung hatte sie sich der Übung der Geduld gänzlich hingegeben: von ihrem Nächsten ertrug sie Beschädigungen, Verfolgungen, Schmach und Lästerung überaus geduldig, von den Mägden und Hausgenossen angezankt, erduldete sie Beleidigungen und Angriffe mit Gleichmut und liebte ihre Beleidiger im Geiste der Sanftmut gleichsam . wie Wohlthäter. Über diese ihre Tugend der Geduld berichtete eine Ordensschwester, eine gottesfürchtig wandelnde Nonne des Klosters Wadstena, Margareta, Karls Tochter, welche der Frau Katharina fünf Jahre hindurch gedient hatte, wie sie von derselben niemals ein Wort der Ungeduld vernommen, noch Zeichen eines Unwillens wider diejenigen, die sie beleidigten, habe wahrnehmen können. Daher ist an einigen sehr zu beklagen und tadelnswert, wenn sie wegen eines unbedeutenden Vorwurfes oder selbst eines liebevollen Wortes also sich abkehren, daß sie mehrere Tage lang mit dem Nächsten weder reden, noch ihm Freundschaft oder ein Zeichen der Freundschaft erweisen, noch ihm Gutes thun mögen. Die Märtyrer und übrigen Heiligen konnten von der Liebe Gottes selbst durch erschreckliche Martern nicht abwendig gemacht werden; wir aber, leider! wenden der Liebe Gottes und des Nächsten bisweilen aus Anlaß müßiger Mährlein, oft auch wegen des geringsten Tadels, ja manchmal bei einem leichtfertigen Zeichen den Rücken. Welche Anfechtungen sie vom Widersacher hat erdulden müssen, kann nicht leicht auseinandergesetzt werden, weil das Leben der Gerechten nur ein Kampf auf Erden ist. Die Geißelschläge des Schöpfers aber ertrug sie heiter und mit Danksagung und ließ sich nicht im entferntesten zu einem Murren darüber hinreißen, denn sie erwog, daß, wer die Belohnungen des künftigen Lebens begehrt, alle Übel des gegenwärtigen Lebens gleichmütig ertragen muß. Seiten-Icon 262

Kapitel XIII.

Katharina besucht mit ihrer Mutter die Kirchen vieler Heiligen an verschiedenen Orten, ingleichen auch das heilige Grab. Sie kehrt nach Rom zurück, begräbt daselbst ihre Mutter, und führt nicht lange danach deren Gebeine nach Schweden hinüber. Unterwegs erteilt sie heilsame Lehren, straft die Kreuzherren in Danzig scharf, schifft von dort nach Wadstena, und wird daselbst mit Freuden empfangen.

Nicht nur in den hier beschriebenen Tugenden, sondern auch in anderen guten Werken übte sich Katharina die ganze Zeit ihres Lebens hindurch eifrig. Während sie mit ihrer Mutter fünfundzwanzig Jahre hindurch zu Rom sich aufhielt, war sie diese ganze Zeit über deren unzertrennliche Begleiterin auf ihren Reisen, und besuchte nicht allein mit ihr die Stationen der Kirchen zu Rom um der Ablässe willen, sondern auch verschiedene Stätten der Heiligen, die an mancherlei Orten und in mehreren Reichen vorhanden sind, ingleichen des Herrn Grab zu Jerusalem unter großen Beschwerden und brennend im Verlangen nach Gott. Nachdem sie die heiligen Stätten durchwandelt, begann ihre Mutter, die heilige Brigitta, in der heiligen Stadt Jerusalem an einem Fieber zu erkranken, welches anhielt, bis sie wieder nach Rom zurückgekommen waren. Hier offenbarte der Herr Jesus seiner heiligen Braut Tag und Stunde ihres Todes, sowie andere Dinge, welche geschehen sollten, was alles sie ihren Beichtvätern und der Frau Katharina, wie es ihr von Christo geoffenbart und geboten war, mitteilte. Nachdem sie ihrer heiligen Mutter bei deren Tode, die auf ihr liegende Schuld abgetragen und deren Leib, wie es durch ihren eigenen Willen angeordnet war, im Kloster Panisperna bestattet hatte, erwies sich Frau Katharina, wie sie sich ihrer Mutter, da dieselbe noch lebte, als getreueste Gehilfin in Förderung der ihr von Christo aufgetragenen Geschäfte gezeigt hatte, nun auch in allen Stücken als eine pflichtgetreue Vollstreckerin des Willens der Verstorbenen nach Christi Verordnung. Christus hatte nämlich der Mutter geoffenbart, daß ihr Leichnam zu Rom beigesetzt und dann nach Schweden hinübergeführt werden solle. Dieses führte sie in aller Seiten-Icon 263 Sorgfalt mit den Beichtvätern der heiligen Brigitta nach Verlauf von fünf Wochen aus. In der obengedachten Zeit nach ihrem Tode (es war noch in dem nämlichen Jahre) ward die Translation nicht ohne ausgezeichnete Wunder, welche sich in der Ablösung des Fleisches von den Gebeinen zeigten, und nicht ohne unterwegs hervortretende Wunderzeichen vollendet. Während der Überführung der Reliquien kamen Frauen von vornehmem Stande und aus dem Volke zu der ehrwürdigen Katharina und verehrten und küßten diese heiligen Überreste. Katharina gab ihnen heilsame Ermahnungen, daß sie die Pracht des vergänglichen Aufwandes der Welt hintansetzen und sich dem Verlangen nach den zukünftigen Gütern desto feuriger hingeben möchten. Auf ihre heilsamen Ermahnungen wurden viele Herren und Damen vom Adel zur Reue angeregt, bekehrten sich und begannen unter Gottes Beistand einen besseren Lebenswandel. Endlich langte Katharina mit den heiligen Reliquien in Preußen an und kam zu der Stadt Danzig, wo zwei der vornehmsten Herren aus dieser Stadt, welche ihr von Rom aus gefolgt waren, mit ihrem übrigen Gefolge die Gnade der Kraft Gottes an der heiligen Frau lobten. Dort hielt sie auch voll Standhaftigkeit den Übertretungen der Kreuzheeren Strafreden und legte ihnen, ganz vom Geiste Gottes erfüllt, die schrecklichen Drohungen vor, welche der seligen Brigitta wider sie geoffenbart worden waren; dabei fürchtete sie sich nicht vor der weltlichen Macht derselben, so daß sie jenem ewigen Richter und getreuem Zeugen in Wahrheit hätte sagen können: Ich will reden von Deinen Zeugnissen vor Königen und mich nicht schämen. (Psalm CXVIII, 46.) Denn sie entsetzten sich ob ihrer wunderbaren, mit göttlicher Weisheit erfüllten Beredsamkeit; deshalb mußte auf ihre Worte jegliches Unrecht seinen Mund verstopfen, und die Weisheit der Welt vermochte nicht, der Wahrheit zu widerstreben. Nachdem sie die Stadt Danzig verlassen, ging sie mit den heiligen Reliquien und ihrem Gefolge zu Schiffe und fuhr nach Schweden hinüber. Nach der Überfahrt gelangten alle, unter der Leitung eines heller als die Sonne am Mittage glänzenden Sternes, in einen Meerhafen Schwedens, an welchen sie gar nicht gedacht hatten, und landeten wohlbehalten in der Bucht von Söderköping in Ostgotland. Nachdem ihre lange ersehnte Ankunft kundbar geworden, kam ihnen aus allen Gegenden Seiten-Icon 264 Ostgotlands eine zahllose Menge von Männern und Frauen, von Adeligen und Leuten aus dem Volke, von Welt- und Ordensgeistlichen entgegen, und geleiteten Katharina und die heiligen Reliquien ihrer seligen Mutter Brigitta, sowie verschiedener anderer Heiligen, mit denen Mutter und Tochter von hohen Personen, als der Königin von Neapel, den Kardinälen, Baronen und vornehmen römischen Damen, auch sehr vielen Ordensleuten beschenkt worden waren, mit vorzüglicher Andacht und nicht geringer Freude bis zum Kloster Wadstena. Der verehrungswürdige Cistercienser-Ordensprior von Alvastra, Petrus, seligen Andenkens, war der Frau Katharina von Rom aus bei dieser Überführung der Reliquien gefolgt. Auf dem Wege von Söderköping bis Wadstena hielt er in größeren wie kleineren Städten häufige Predigten an das zusammenströmende Volk und verständigte dasselbe, wie große Dinge der gütige Gott durch sie zu wirken sich herabgelassen und mit wie erstaunlichen Wunderzeichen er ihre Mutter Brigitta in Deutschland und Welschland, in Spanien und in den Ländern jenseits der Meere verherrlichte.

Kapitel XIV.

Katharina wird vom Bischofe von Linköping feierlich empfangen. Sie tadelt denselben wegen seiner Strenge und wird von ihm geehrt. Nach Wadstena gekommen, wird sie von den Schwestern zur Oberin gewählt, erklärt denselben die Regel und weidet sie mit Worten und Beispiel. Sie haßt das Lästern und die Beeinträchtigung des Rufes des Nächsten und ist im Kloster ein Spiegel aller Tugenden, namentlich in der Liebe.

Nicht verschwiegen werden darf, mit wie großen Ehren Frau Katharina, als sie mit den Reliquien ihrer heiligen Mutter gen Linköping kam, vom Bischofe dieses Sprengels, dem Herrn Nikolaus, seligen Andenkens, empfangen worden. Derselbe kam ihr mit den Welt- und Klostergeistlichen in feierlichem Aufzuge entgegen. Hinterdrein folgte das Volk aus der Stadt. Festliches Glockengeläute erschallte, die Orgeln ertönten; der Jubelruf des Volkes mischte sich mit dem Gesange der Geistlichen. Gepriesen ward der höchste Gott in Sion, der seine Heiligen auf Erden verherrlicht. Die ehrwürdige Seiten-Icon 265 Katharina wurde mit den heiligen Unterpfändern in die Kathedrale hineingeführt. Nach Beendigung der Predigt lud sie den Bischof samt seinem Kapitel zu sich ein und erzählte ihnen die Angelegenheiten, welche sie angingen. Dann aber sprach sie gegen den Herrn Bischof in aller Ehrerbietung ihren Tadel über gewisse Fasten und Entsagungen aus, welche nicht ganz klüglich geübt worden, denn er hatte sich eine lange Zeit eingeschlossen und allein Gott mit Fasten, Wachen und Gebeten gedient, dabei aber die Sorge für sein Hirtenamt gänzlich zurückgesetzt; er begehrte aufgelöst zu werden und bei Christo zu sein und zwar nicht aus Unruhe über die Arbeit und Sorge, sondern weil er bei Häufung der Übelstände im Königreiche Schweden ohne Nachteil der Kirchen und seiner Geistlichkeit nicht imstande war, sich denselben wie eine Mauer für das Haus des Herrn entgegenzustellen. Der Eifer für das Haus des Herrn verzehrte ihn und die Schmähungen derjenigen, welche die Freiheiten der Kirche lästerten, waren auf sein Herz gefallen. (Psalm LXVIII.) Als er aber den Rat der heiligen Frau vernommen, welcher mit himmlischer Weisheit gewürzt war, zog er es vor, mit dem Volke Gottes geplagt zu werden und erachtete es für Reichtum, statt unthätiger Langmut und Geduld die Schmach Christi zu tragen. An ihm bewahrheitete sich der Ausspruch des Weisen: Gieb dem Weisen Gelegenheit, so wird er in der Weisheit zunehmen; lehre den Gerechten, so wird er's eilends annehmen. (Sprüche Sal. IX. 9.) Von der Zeit an hielt der heilige Bischof sie in Ehren, da er erkannte, daß die Weisheit Gottes in ihr war, deren Lippen erwägen, was Gott gefällt, während die Zunge Klugheit ertönen läßt, wie auserwähltes Silber. Endlich gelangte Katharina am Mittwoch in der Oktave Petri und Pauli im Kloster von Wadstena an, und wurde von der ganzen Versammlung der Brüder und Schwestern mit überaus großer Freude empfangen. Alle Schwestern empfing sie mit mütterlicher Liebe und freute sich über ihre Gesundheit, sowie über ihre Fortschritte in der Andacht gar sehr. Nachdem sie eine Ansprache an die Brüder gehalten, schloß sie sich bei den Schwestern ein und opferte, ganz erfüllt mit dem Geiste der Andacht, Gott ein Opfer des Lobes und freute sich, den wilden Wirbeln dieser flutenden Welt heilsam entkommen zu sein. Um diese Zeit begann sie auch, bei den Schwestern die Vorstandschaft zu übernehmen und denselben Seiten-Icon 266 die Regel vom Welterlöser, welche sie vierundzwanzig Jahre hindurch noch bei Lebzeiten ihrer Mutter im geistlichen Leben praktisch erlernt hatte, im wachsamen Eifer eines heiligen Wandels darzulegen und erwies sich selber für alles, was in der Regel enthalten ist, als ein leuchtendes Vorbild. Alles daher, was bei einem heiligen Wandel tadelnswürdig war, als: Beeinträchtigung der Ehre anderer und Schmähreden erregten ihren großen Abscheu. Darum sagte sie einmal, wie erzählt wird, ihrer Nichte Ingrid, welche noch jung war, nachmals aber zur ersten Äbtissin in Wadstena geweiht ward, als sie dieselbe bei einer Stickerei, wie junge Mädchen dieselbe zu fertigen pflegen, antraf: "Meine Tochter Ingrid! was stickest Du da in Deine Arbeit hinein, welche Du in den Händen hast?" Jene antwortete: "Frau! ich sticke hier zwei Menschen, die einander in den Rücken beißen." Die ehrwürdige Katharina holte aus tiefstem Herzen einen Seufzer und brach in diese flehentlichen Gebetsworte aus: "Du gütigster Jesu! bei der würdigsten Fürbitte Deiner liebreichen Mutter bitte ich Dich, wende von diesem der Jungfrau, Deiner Mutter, geweihten Orden die giftigen Bisse der Lästermauler [sic!] ab." Sie erwog den Ausspruch eines Heiligen, daß der Lästerer und derjenige, welcher ihn gern hört, beide den Teufel auf der Zunge tragen. Es erblickte also die ganze Versammlung der Schwestern und Brüder an ihr, wie in einem Spiegel, die rechte Art aller Zucht und Heiligkeit, auch wie brünstig sie im göttlichen Gehorsame und in den Trübsalen geduldig war. Sie betrachteten sie als den Glanz der Sonne auf dem Gipfel des Berges, welcher im Widerscheine seiner Strahlen die Thäler umher erleuchtet. Die göttliche Liebe führte in ihr aber schließlich die Oberherrschaft. Sie muß, wenn man alle Tugenden vergleicht, als deren stärkste Grundlage erkannt werden. Denn bei der Meisterschaft in dieser ausgezeichneten Tugend zeigte sich die ehrwürdige Katharina wunderbar in ihrem Rate, sanftmütig in der Demut, lieblich in der Güte, mitleidig in der Liebe, standhaft in der Geduld, freundlich im Gespräche, fröhlich in der Spendung der Almosen und ernst in aller Ehrbarkeit des Wandels. Nach ihren Tagzeiten und Gebeten las sie mit irgend einer Schwester den Psalter. Alle Schwestern berief sie zu sich, bald miteinander, bald eine um die andere, und ermahnte sie mit süßer und mütterlicher Empfindung, die Regel zu halten. Seiten-Icon 267

Kapitel XV.

Katharina reist nach Rom, um die Heiligsprechung ihrer Mutter zu betreiben. Herrliches Wunderzeichen, das Gott durch sie zu Rom an einer verzweifelten Witwe gewirkt.

Nachdem Katharina die Reliquien ihrer heiligen Mutter zu Wadstena in Aufbewahrung gegeben, begannen dieselben hier viele leuchtende Wunder hervorzurufen und in der ganzen Welt breitete sich der Ruf von der Heiligkeit der seligen Brigitta aus. Aus den verschiedensten Gegenden kamen Leute nach Wadstena und lobten und priesen Gott in den Wundern und Zeichen, welche er durch ihre Verdienste vielfach zu wirken sich herabließ. Von der Herrlichkeit dieser Wunder wurden der König und die Prälaten, sowie die Vornehmen des Reiches, ingleichen die Geistlichkeit tief ergriffen, und faßten einmütig, unter Zustimmung vorgedachten Klosters, den Entschluß, die Frau Katharina müsse wiederum nach Rom gehen, um dort die Heiligsprechung ihrer Mutter herbeizuführen. In dem auf die Beisetzung ihrer Reliquien zu Wadstena folgenden Jahre, und zwar in der Osterwoche, machte sich Katharina, mit allem für ein so wichtiges Geschäft notwendigen Aufwande ausgerüstet, auf den Weg. Am Tage vor ihrer Abreise sprach sie zu ihren näheren Freunden: "Gott, der getreueste Zeuge aller Geheimnisse, weiß, wie ich mit ganzem Verlangen meines Herzens begehre, mein Bemühen diesem heiligen Geschäfte zu widmen, und selbst mein Leben daranzusetzen, damit es den gebührenden Ausgang nehmen möge; allein ich liebe auch den Gehorsam so sehr, daß, wenn mein Gewissensrat auch nur das eine Wort spräche: Du darfst nicht aus dem Kloster gehen, bis Du Dein Leben hienieden beschließest! ich auf das bereitwilligste seinem Willen nachkommen wurde." Sie wußte, daß der Gehorsam besser ist, als Opfer, weil der Gehorsam dem Opfer mit Recht vorgezogen wird; denn beim Opfer wird nur fremdes Fleisch geschlachtet, beim Gehorsam aber der eigene Wille. Endlich kam sie unter Gottes Leitung unbeschädigt an Leib und Gut wieder in Rom an. Hier brachte sie den Vorschlag der Heiligsprechung ein und legte die Wunder der seligen Brigitta, die Seiten-Icon 268 demütigen und frommen Bitten des Königs von Schweden, der Herren und Prälaten des Reiches vor. Alle Hofleute des Papstes, sowohl die Kardinäle, als die übrigen, welche, so lange die heilige Brigitta lebte, ihr immer ergeben und ihre besonderen Gönner gewesen waren, zeigten sich auf gleiche Weise geneigt, dieses heilige Geschäft zu fördern. Als nun der Ruf von der Heiligkeit der Frau Katharina und ihre selige Absicht zu den Ohren der Römer gekommen war, erinnerten sich dieselben, wie wirksam ihre Gebete bei Gott gewesen waren, als ihre heilige Mutter Brigitta noch lebte. Daher begehrten sehr viele Edelleute demütig ihres fürbittenden Gebetes für sich und die Bekehrung der ihrigen, wovon unten noch näher die Rede wird sein müssen.

Die hinterlassene Witwe eines verstorbenen Freiherrn, die Schwester Latinis, eines edlen römischen Barons, lebte außerhalb Roms auf ihrem Schlosse, und führte ein Leben in weltlicher Pracht. Vielfältig war sie von ihrem Bruder und geistlichen Männern ermahnt worden, sie solle der Eitelkeit den Abschied geben und mit größerer Eingezogenheit in ihrem Witwenstande leben. Dieselbe verachtete aber diese für ihre Seele so heilsamen Ratschläge und ergab sich mehr und mehr den Vergnügungen. Endlich erlangte es ihr Bruder, der Heer Latini, mit vielen inständigen Bitten von ihr, daß sie nach Rom kam, um bei ihm zu bleiben. So kam sie denn mit großer Pracht nach Rom, aber keineswegs in der Absicht, um den Ablaß zu gewinnen, worauf sie schwer zu erkranken anfing, daß sie bald von den Ärzten aufgegeben ward. Ihr Bruder, der erwähnte Herr Latini aber, welcher stets um seiner Schwester Seelenheil bekümmert gewesen war, ermahnte sie selber und ließ sie durch andere fromme Leute ermahnen, daß sie eine aufrichtige Beicht ihrer Sünden ablegen solle. Sie antwortete jedoch mit verhärtetem Gemüte allezeit, sie habe genug gebeichtet. Weil nun der Herr Latini ein sehr großes Vertrauen in die Heiligkeit und Frömmigkeit der Frau Katharina setzte, bat er sie, sie wolle seine bereits dem Tode sehr nahe gebrachte Schwester besuchen und ihr raten, vor dem Tode eine aufrichtige Beicht abzulegen. Frau Katharina, welche zum Troste der Kranken gütig bereit war, kam zu ihr und bemühte sich, durch fromme Ermahnungen sie zu bewegen, rücksichtlich alles dessen, was sie begangen, eine vollständige Beicht abzulegen; allein Seiten-Icon 269 die Kranke wiederholte ihre frühere Versicherung, sie habe schon genug gebeichtet und wolle nun weiter nicht beichten. Als Frau Katharina die Verhärtung ihres Herzens erkannte, bat sie alle Anwesenden, sie möchten für das Heil der Seele der Kranken beten, daß dieselbe die Gnade der Reue erhalten möge. Sie selber warf sich auf die Kniee und begab sich ins Gebet. Da sah man plötzlich aus dem Tiberflusse vor aller Augen einen Rauch, finsterer als Ruß, emporsteigen; derselbe hatte die Gestalt einer Kugel und die Größe eines Heuwagens; er hob sich über das Haus empor, worin die Kranke lag und schwebte über demselben. Es entstand in dem Hause nun eine solche Finsternis, daß vor dem dichten Dunkel einer den anderen nicht zu sehen vermochte. Dieser finstere Wirbel, welcher das Herz der Kranken auch innerlich verdunkelt hatte, gab ein Vorbild davon, wie baldigst auch äußere Finsternis ihr nahe sein werde, wenn mit dem Heilmittel der Buße durch die Gnade Gottes ihr nicht zu Hilfe gekommen würde. Und dies war, wie ein frommer Glaube annimmt, eine Folge von den andächtigen Gebeten der Frau Katharina. Der finstere Windwirbel riß das dem Zimmer, in welchem die Kranke lag, zunächststehende Haus nieder und zerstörte es in den Grund und Boden. Durch das gewaltige Getöse ward die Kranke so heftig erschreckt, daß sie Frau Katharina zu sich herantreten ließ und ihr unter Thränen versprach, sie wolle alles thun, was sie ihr zum Heile ihrer Seele raten werde. Deshalb nun dankte Katharina dem Herrn, welcher allezeit auf die Wünsche seiner Demütigen Rücksicht nimmt, unendlich und riet der kranken Dame wiederholt, ein vollständiges Bekenntnis ihrer Sünden abzulegen. Auf der Stelle ward ein Beichtvater gerufen, und was sie zuvor ohne Gemütsentsetzen nicht hatte hören können, darum bat sie jetzt, reumütig geworden, mit Seufzen des Herzens und Schmerz. Nachdem sie nun mehrmals gebeichtet und am anderen Morgen in der Frühe die Sakramente empfangen hatte, entschlief sie im Herrn. Man glaubt, sie habe diese Gnade auf die Gebete und durch das Verdienst der Frau Katharina erlangt, wie alle bezeugten, welche gegenwärtig waren und die Güte des Erlösers priesen, welcher das Gebet der Armen erhört und um derer willen, welche ihn lieben, viele Barmherzigkeit thut. Seiten-Icon 270

Kapitel XVI.

Von drei anderen Wundern, welche Gottes Güte durch die Verdienste der seligen Katharina zu Rom und Neapel noch bei ihrem Leben gewirkt.

Die Aufrichtigkeit ihrer frommen Andacht wird männiglich aus folgender göttlicher Gutthat allen auf augenscheinliche Weise einleuchten. Zu Rom befand sich eine Dame, die ihrem Gemahle sieben zu früh zur Welt gekommene Söhne geboren hatte. Ihres Mannes Liebe zu ihr hatte sich infolgedessen gemindert. Sie war eben wieder gesegneten Leibes und besorgte wiederum, wie in den früheren Fällen, ein totes Kind zur Welt zu bringen. Daher wendete sie sich flehentlich bittend an die Frau Katharina, denn sie wußte, daß diese eine heilige und vor Gott würdige Frau war, und legte ihr ihren wunderbaren Fall vor. Katharina gab ihr ein Stückchen von den Kleidern ihrer seligen Mutter Brigitta und ermahnte sie, dasselbe stets bis zur Zeit ihrer Niederkunft bei sich zu tragen. Sie versprach der Frau auch, bei der Geburt anwesend zu sein. Die Frau erfüllte im Vertrauen auf ihre Heiligkeit, was ihr auferlegt war, in Andacht. Als aber die Zeit ihrer Entbindung bevorstand, berief sie Frau Katharina zu sich, um ihr mit ihren heiligen Gebeten bei Gott beizustehen, daß sie ein lebendiges Kind zur Welt bringen möge. Katharina zögerte nicht, ihrem Versprechen gemäß zu kommen. Sie eilte schnell herbei und langte an, als die Frau schon in den Geburtswehen sich befand. Sie erwies in Demut der Kreisenden alle nötige Sorgfalt und ließ nicht ab, zu beten und zu flehen, bis die Frau eines lebendigen Mägdleins genas, welches sie wegen der Andacht Frau Katharinas Brigitta nannte. Die Dame war wahrhaft überzeugt, daß sie diese Gnade durch die Gegenwart, die Verdienste und Gebete der ehrwürdigen Frau Katharina erlangt habe. Die Kunde dieses Ereignisses verbreitete sich in Rom und ward für ein großes Wunder erachtet, und alle, welche davon hörten, lobten gleicherweise den Herrn, welcher durch die Verdienste und die Andacht der Frau Katharina der Mutter und dem Kinde in der Gefahr sich so wohlthätig erwiesen hatte. Es begab sich auch, als sie zu Rom weilte, einmal, daß beim Seiten-Icon 271 übermäßigen Anschwellen der Tiber eine Überschwemmung entstand, so daß das Wasser die Brücke des Lateran, das Kloster des seligen Jakobus und viele andere umherliegende Gebäude überflutete. Die Römer fürchteten schon, ihre Stadt werde in der Überschwemmung untergehen. Sie hielten einen Rat, kamen infolgedessen in Frau Katharinens Haus und baten sie, es möge ihr gefallen, mit ihnen zu dem strömenden Wasser hinunterzukommen, um den Herrn um Abwendung des Unheils bitten zu helfen. Sie aber, ein Zögling der Demut, achtete sich dieses Ansinnens unwert und fing an, ihnen unter Thränen dasselbe abzuschlagen. Da jene sahen, wie sie mit ihren Bitten nicht vorwärts kamen, wandten sie Gewalt gegen Katharina an, führten sie zum Hause hinaus und stellten sie den heranflutenden Gewässern entgegen. Wunderbare Erscheinung! Ein altes Wunder erneuert sich nun. Zur Zeit Josuas wendete der Jordan seinen Lauf zurück. (Psalm CXIII.) Als Katharina aber mit dem Fuße das heranrauschende Gewässer berührte, wich es mit aller Schnelligkeit rückwärts, suchte sein Beet wieder auf und die Überschwemmungsgewässer entwichen beim Herantreten der heiligen Frau. Alle sind voll Bewunderung; man lobt des Herrn unermeßliche Macht, welche durch seine Heiligen auch im Wasser Wunder thut. Deshalb hat auch der ehrwürdige Vater, heiligen Andenkens, der Herr Petrus, Prior von Alvastra, Cistercienserordens, welcher diesem Schauspiele beiwohnte, die Hausgenossen der Frau Katharina zusammenberufen und also angeredet: Behaltet die Wunder im Gedächtnisse, welche ihr heute geschaut, denn es wird hierüber, sowie über andere wunderbare Thaten und Tugenden, welche Gott sie zu wirken gewürdigt hat, in künftigen Zeiten Nachfrage geschehen.

Als die ehrwürdige Frau Katharina später nach Neapel ging und sich daselbst infolge des Aufschubes der Kanonisationsangelegenheit aufhielt, um die Wunder zu sammeln und aufzuschreiben, welche der Herr durch ihre Mutter Brigitta sowohl während Lebzeiten, als nach dem Tode derselben zu wirken sich herabgelassen, breitete sich dort das Gerücht ihrer Heiligkeit so aus, daß man sie besonders feierte. Deshalb kam denn auch eine Dame, welche in der Welt eine große Rolle spielte, zu ihr und trug ihr unter Thränen vor, wie ihre verwitwete Tochter von einem bösen Nachtgeiste aufs Seiten-Icon 272 schwerste und feindseligste angegriffen werde. Sie hatte nicht gewagt, einem ihrer Verwandten die schamlosen Beunruhigungen, denen jene sich ausgesetzt sah, zu offenbaren. Allein wegen der hohen Meinung, welche sie von Katharina hatte, und wegen des Rufes der Heiligkeit, worin diese stand, faßte sie sich ein Herz und entdeckte ihr das Leid der Tochter. Als Frau Katharina die schreckliche Anfechtung vernahm, welcher sie ausgesetzt war, empfand sie innigstes Mitleid mit ihr und betete in der Stille ein Ave Maria, wie sie allezeit zu thun pflegte, wenn sie in geistlichen Angelegenheiten um Rat gefragt ward, und gab ihnen einen gar heilsamen Rat. Zunächst sollten sie eine Beicht über alle ihre Sünden ablegen, da wegen ungebeichteter Sünden dergleichen Trug sehr oft vielen entgegentritt; sodann sollten sie auf bloßen Füßen, ohne leinene Hemden, in aller Demut in der Kirche des heiligen Kreuzes acht Tage lang hintereinander sich einfinden und vor dem Bilde des Gekreuzigten sieben Vaterunser und Ave Maria zu Ehren des Leidens Christi beten. Sie selber wollte gern für sie beten, obwohl sie sich unwürdig erachtete, etwas zu erlangen; gleichwohl verhieß sie es sehr demütig im Geiste des Erbarmens. Die gedachten Frauen handelten nach ihrem Rate, kamen nach acht Tagen wieder und lobten Gott, weil derselbe schon große Barmherzigkeit wegen ihres heilsamen Rates und ihrer Gebete an ihnen erwiesen. Jener abscheuliche Teufel war der jungen Frau beim Schweigen der Nacht erschienen, hatte sie schrecklich bedroht und gesprochen: Verflucht sei jene Tochter Brigittas, welche mich von Dir geschieden; nie werde ich wieder zu Dir zurückkehren. Also hatte das Gebet der heiligen Frau den verfolgenden Feind ausgeschlossen und in die Wüste des höllischen Ägyptens verbannt. Wegen dieser und anderer Zeichen ihrer Heiligkeit ward Frau Katharina, als sie nach dem Tode ihrer Mutter zu Rom und Neapel und in verschiedenen anderen Gegenden Italiens und Deutschlands erschien, für eine große Heilige erachtet und gehalten, welche ohne Zweifel Gott sehr angenehm sein müsse, so daß viele, welche in Nöten versetzt waren, um Rat und Hilfe bei Gott zu erlangen, zu ihr ihre Zuflucht nahmen und in ihren Gebeten und herrlichen Verdiensten angenehme Mittel gegen ihre Leiden davontrugen. Seiten-Icon 273

Kapitel XVII.

Katharina betreibt fünf Jahre lang die Heiligsprechung ihrer Mutter beim apostolischen Stuhle, erreicht ihren Wunsch nicht und zieht unverrichteter Sache heim. unterwegs wird sie überall sehr geehrt. Sie erkrankt und zeichnet sich dabei durch ihre Geduld aus. Zwei Wunder, die sie gewirkt.

Nachdem sie ihre Geschäfte in Neapel beendigt und die Wunder ihrer heiligen Mutter gesammelt und niedergeschrieben, begab sich Frau Katharina nach Rom zurück und suchte den Kanonisationsprozeß, den sie unter Gregor XI. begonnen, weiter zu führen. Dieser Zweck konnte aus dem Grunde nicht weiter geführt werden, weil der Papst vom Tode überrascht ward. Nun mußte das ganze Geschäft der Kanonisation von neuem begonnen werden, nachdem es Gregors unmittelbarem Nachfolger, Urban VI., zugefallen war. Urban hatte Brigitta, als dieselbe noch lebte, gekannt, und wußte aus Erfahrung um ihre Heiligkeit. Deshalb nahm er ihre Heiligsprechung vor die Hand, beendete dieselbe aber, von mehreren Unfällen, welche in jener Zeit die Kirche trafen, verhindert, und weil ein neues Schisma ausgebrochen war, nicht. Die ehrwürdige Katharina hielt sich daher unter großen und schweren Kosten zu besagtem Zwecke vergeblich in Rom auf. Die gefährliche Kirchenspaltung, welche vorhanden war, ließ die Hoffnung baldiger Erreichung des Zieles nicht aufkommen. Auf den weisen Rat hoher Geistlichen begnügte sich daher Katharina für jetzt damit, das Leben und die Wunder ihrer Mutter vollständig aufzuzeichnen, und durch öffentliche Anerkennung und Zeugnisse, sowie durch Besiegelung von Kardinälen, Prälaten, Herren und Damen aus verschiedenen Städten und Gegenden festzustellen und in Rom zu hinterlegen. Sie stellte den Fortgang des heiligen Anliegens der göttlichen Fügung anheim. Nachdem sie vom genannten Papste die Bulle, in welcher die Regel vom Welterlöser enthalten ist, auch andere Privilegien für das Kloster Wadstena erlangt hatte, schickte sie sich an, in ihr Vaterland zurückzukehren und hinterließ bei allen Einwohnern Roms ein gefeiertes Andenken ihres Namens und den Ruf der Heiligkeit. Der Herr Eleazar, ein Kardinal, gewährte in frommer Gefälligkeit Seiten-Icon 274 derselben Frau Katharina den Trost seiner frommen Teilnahme und erwies ihr Wohlthaten, Ratschläge und Hilfe in Förderung ihrer Geschäfte um der ausgezeichneten Vortrefflichkeit ihres Lebens willen. Dieser Kardinal hatte von Jugend auf die Gnade einer ganz besonderen Andacht zur heiligen Brigitta, sowohl da sie noch lebte, als nach ihrem Tode. Er hatte sich, so lang sie lebte, auf dem Wege Gottes und im Leben nach ihren heiligen Ratschlägen und heilsamen Mahnungen in Andacht und Demut gerichtet. Der Papst Urban VI. aber hatte samt seinem Kardinalskollegium Katharina mit besonderer Liebe und Gunst aufgenommen und gab ihr nun neben seinem apostolischen Segen eine empfehlende Geleitsbulle oder einen Paß an die Herrschaften, Städte und Schlösser, wo sie etwa einkehren möchte, damit sie unterwegs Schutz und Sicherheit genießen könne. Daher gebot er auch einem Herrn von großem Ansehen an seinem Hofe, ihr durch die Länder Italiens sicheres Geleit bis zu den Alpen zu geben. Es würde zu weitläufig werden, wenn man alles erzählen wollte, mit wie großen Ehrenbezeigungen sie wegen des Herrn Papstes und seiner Bulle von den Vorständen der Städte, den Herzogen und Fürsten sowohl in Italien, als Deutschland aufgenommen worden. Das eine aber glaube ich melden zu müssen, daß sie ab und zu denen allen, welche zu ihr kamen, heilsame Ratschläge gab, welche nicht nur durch die heilige Aufrichtigkeit ihres eigenen Lebens bewährt, sondern auch durch Wunderzeichen empfohlen wurden. Es begab sich in Preußen, daß, als sie auf der Reise durch Beschwerde und Krankheit im höchsten Grade angegriffen, in einem Wagen fuhr, einer aus ihrem Gefolge, der vorn auf dem Wagen saß, einschlief. Durch eine Erschütterung des Wagens von seinem Sitze geschleudert, fiel er den Pferden zwischen die Beine, die Räder gingen über ihn hinweg und zerbrachen ihm die Rippen dergestalt, dass er kaum noch zu atmen vermochte. Man hob ihn wieder auf den Wagen hinauf. Katharina empfand mit ihm, wie sie mit allen Kranken und Betrübten zu thun gewohnt war, ein herzliches Mitleid, berührte mit der Hand sanft seine zerschmetterte Seite und betete ein Ave Maria. Als die Hand der heiligen Frau die zerbrochenen Rippen berührt hatte, stellte die Kraft Gottes dieselben wieder her und der Schmerz hörte auf. Derselbe Mann, welcher wegen unermeßlicher Qual kaum zu atmen Seiten-Icon 275 vermochte, lief noch am nämlichen Tage ganz munter umher und pries Gott und die Frau Katharina für die Wohlthat, daß er seine Gesundheit wieder erlangt. Denn er erkannte, wie in der Berührung durch die Hand dieser Frau eine angemessene und heilende Arznei gegen seine Schmerzen ihm zu teil geworden war, wie sie in den Salben, die man um hohen Preis von den Ärzten einhandelt, nicht gefunden werden mag.

Von der Zeit ihrer Abreise aus Rom an begann Katharina unterwegs schwach zu werden am Leibe; ihre Schwäche wuchs von Tag zu Tag; doch wurden die Kräfte ihrer Seele und die Andacht ihres Herzens gegen den Herrn niemals welk. Sie suchte auch nie die Arzneien der Ärzte auf, weil sie mit dem ganzen Verlangen ihres Herzens aufgelöst zu werden und bei Christo zu sein begehrte. Von der Zeit an, wo sie aus Rom wieder in das Königreich Schweden und in das Kloster Wadstena zurückgekehrt war, bis zu ihrem Tode, nämlich von der Oktav der Apostel Petrus und Paulus bis zum Feste der Verkündigung Marias, hatte sie mit unaufhörlichen Körperleiden zu kämpfen. Je schwächer sie aber am Leibe war, desto kräftiger war sie vom Herzen; denn sie wußte wohl, wie die Kraft in der Schwachheit vollkommen wird, und die Beständigkeit der Krone zueilt. (II. Korinth. 12.) Es fehlten auch so großer Heiligkeit Wunderzeichen nicht, weil eine Stadt, welche auf dem Berge belegen ist, nicht verborgen bleiben kann. (Matth. V.)

Es begab sich nämlich, daß einer von der Klostergenossenschaft von einem hohen Gebäude auf Steine und Balken hinabstürzte. Durch diesen starken Fall erlitt er auf der rechten Seite einen Rippenbruch und die Beschädigung war so stark, daß er nur mit Mühe Atem holen konnte. Als dieses der liebevollen Mutter des Klosters, der Frau Katharina, gemeldet worden, kam dieselbe voll Mitleids gegen den Leidenden an die Pforte des Klosters hinab und berührte nach vorausgegangenem Gebete die verletzten Glieder. Auf ihre Berührung stellte die göttliche Kraft die zerbrochenen Glieder wieder her, der Verletzte ward wieder gesund und wohlbehalten, kehrte sogleich an seine Arbeit zurück und pries Gott, welcher den Menschen solche Macht gegeben. (Matth. IX.) Der Mann wußte wohl, wie für solche Verletzungen Salben und Pflaster sich eignen, allein er hielt die Berührung durch die Hand dieser Seiten-Icon 276 Frau für bei weitem vortrefflicher, als alles übrige, und pries die Kraft Gottes, welche in ihrer Hand lag, vor allen.

Kapitel XVIII.

Katharinas Krankheit nimmt immer mehr zu. Sie läßt sich häufig mit den heiligen Sakramenten versehen, beichtet oft und stirbt endlich einen seligen, Tod. Ihr feierliches Begräbnis. Vor, bei und nach demselben begeben sich Wunder.

Weil nun Katharinas Krankheit eine immer schlimmere Wendung nahm, so ließ sie sich fleißig mit den heiligen Sakramenten ersehen. Sie hatte auch in brünstiger Andacht, seitdem sie ihre Pilgerfahrt angetreten, mit ihrer Mutter täglich eine Beicht in großer Herzenszerknirschung abgelegt, bisweilen war sie auch zwei der dreimal täglich demütig zum Bade der Beicht herangetreten, denn sie wußte, wie die Beicht ein Heil der Seelen, eine Zerstörerin der Laster, eine Wiederherstellerin der Tugenden, eine Bekämpferin der bösen Geister ist, und daß sie die Pforten des Paradieses öffnet, den Mund der Hölle aber verschließt. Das Sakrament des Leides Christi wagte Katharina wegen ihres Magenleidens in dieser ihrer letzten Krankheit nicht zu nehmen, sondern verehrte, so gut sie vermochte, durch andächtige Gebärden den hochheiligen Leib es Herrn, hob die Augen zum Himmel auf und betete lange mit er Zunge des Herzens, weil die Zunge im Munde längst verstummt war, was Gott allein bekannt war. Die Schwestern standen um sie her und empfahlen ihren Ausgang Gott. So entschlief sie selig im Herrn. Alsbald erschienen etlichen frommen Personen Wunderzeichen aus dem Himmel, welche ihre Heiligkeit bezeugten. Über dem Hause, in welchem ihr entseelter Leib lag, zeigte sich, bis derselbe dem Grabe übergeben worden, ein Stern, welcher dort stehen blieb. Als der Leib zu Grabe getragen ward, schien es, als ob der Stern sich von seiner Stelle bewegte, als wolle er bei ihrem Leichenbegängnisse dienen helfen. Und als die Leiche in die Kirche gesetzt worden, blieb während der Feier der Messe der Stern gleichsam über der Totenbahre schweben. Der Dienst dieses Sternes hörte aber auf, sobald der Leib begraben war. Sehr passend war durch Seiten-Icon 277 eines Sternes Dienst diejenige geehrt, welche, solange sie unter den Menschen weilte, durch Reinheit des Lebens sich auszeichnete, sich fest und beharrlich, leuchtend im heiligen Vorsatze, empfehlend durch ihr Vorbild im Wandel und in aller Ehrbarkeit der Sitten zeigte. Es haben auch etliche fromme Personen eidlich versichert, sie hätten wunderbar glänzende Lichter in der Luft vor der Totenbahre schweben sehen, während sie zum Begräbnisse in die Kirche getragen ward; von wem diese Lichter getragen wurden, vermochten sie aber durchaus nicht zu sehen. Am Tage ihrer Beisetzung waren in Wadstena sehr viele Prälaten, Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte aus den Reichen Schweden, Gotland, Dänemark und Norwegen erschienen; von seiten der weltlichen Macht, Herr Erich, des Königs von Schweden Sohn, mit vielen Fürsten, Großen, Freiherren und samt einer Menge Personen niederen Standes und eine große Anzahl von Geistlichen und Laien. Es ward aber kein geringes Seufzen und Klagen vernommen, namentlich unter den Klosterjungfrauen, welche die Beisetzung ihrer gütigen Mutter durch Schluchzen und Thränen feierten. Den entseelten Leib trugen zu Grabe der gedachte Herr Erich mit den Fürsten des Reiches, und der Zudrang des Volkes war so groß, daß sie nur mit Mühe den heiligen Leib zum Grabe zu bringen vermochten, weil jeglicher aus der Menge diese kostbare Perle berühren wollte. Die Leichenfeier hielt der Bischof von Linköping, Herr Nikolaus, seligen Andenkens, unter reichlichen Thränen, im Beisein der Erzbischöfe und Äbte, ingleichen einer Menge von Welt- und Ordensgeistlichen. Unter anderen befand sich ein Magister von großem Ansehen und großer Wissenschaft, Tordo, Bischof von Strengnäs, ein sorgfältiger und andächtiger Diener bei ihrer Bestattung, welcher wegen der Andacht und Freundschaft, die er gegen Katharina gehabt, als sie noch lebte, ihre Hand berührte und sich ihrer Fürbitte beim ewigen Richter empfahl. O Wunder! der Bischof fühlte seine Hand von der Hand Katharinas festgehalten und gedrückt werden, wie unter Freunden und Bürgen zu geschehen pflegt, welche sich zum Zeichen größerer Liebe und Festigkeit ihre Hände fest zu drücken pflegen. Während sie in Rom sich befand, hatte sie, als der Bischof nach Rom kam, um beim apostolischen Stuhle seine Bestätigung nachzusuchen, bei den Kardinälen und Beamten der Kurie zu seinen Gunsten sich sehr bemüht. Durch Seiten-Icon 278 diesen Druck der Hand des Bischofs ward zu verstehen gegeben, daß, wie sie ihn bei Lebzeiten ermahnt hatte, seines Gott gethanen Versprechens eingedenk zu sein, für welches sie gewissermaßen dem Herrn Papste, indem sie sich für seine Bestätigung verwendete, Bürgschaft geleistet, sie ihn nun, der Bürde des Fleisches entledigt und vor dem ewigen Bischofe stehend, ermahnen wolle, sein Versprechen getreulich zu halten, als habe sie ihm den Spruch des Weisen einschärfen wollen: Bist Du Bürge geworden für Deinen Freund, hast Du einem Fremden Deine Hand gegeben, so bist Du durch Deines Mundes Worte gebunden, und gefangen durch die eigenen Reden. Thue also, was ich Dir sage, mein Sohn! und rette Dich selber. (Sprüche Sal. VI, 1-3.) Die ehrwürdige Frau Katharina war im Kloster zu Wadstena, im Jahre des Herrn 1381, am 22. März, an einem Sonntage, an Mariä Verkündigung-Vorabend gestorben, und ward am folgenden Tage ehrenvoll bestattet. An ihrem Grabe und in ihrem heiligen Andenken wurden denen, welche andächtig baten, durch die Gabe dessen, welcher in seinen Heiligen preiswürdig und wunderbar ist in alle Ewigkeit, viele Wohlthaten erwiesen.

Kapitel XIX.

Von einem fortwährenden Wunder, das sich in Wadstena durch Katharinas Verdienste begeben.

Obgleich der vorgedachten Wohl- und Wunderthaten viele, und da sie mannigfaltig und staunenswert sind, und den Tugenden und Verdiensten anderer Heiligen, namentlich in Abhilfe von Nöten, Krankheiten, Siechtümern und Besessenheiten auf das würdigste verglichen werden können, so mag es genügen, auf dasjenige zu verweisen, was sie durch den Finger der Rechten Gottes sowohl draußen während ihrer Wallfahrt, als daheim in ihrem sehr guten und höchst tugendhaften Wandel gewirkt hat. Eins aber, das sich in ihrem überaus kalten Vaterlande begeben, muß vor vielen, weil es staunenswerter ist, als die übrigen, hier angegeben werden. Am Kloster der heiligen Brigitta in Ostgotland, in Schweden, so meldet unsere alte Quelle, liegt der Wettersee, welcher sechzig italienische Meilen lang und zwanzig breit ist. Derselbe hat die Seiten-Icon 279 Eigenschaft, daß er, wenn er zugefroren gewesen und die Zeit des Auftauens herannaht, mit überaus heftigem Getöse in der Tiefe aufzubrausen und sich zu regen beginnt; durch die starke Gewalt entstehen im Eise kleine Risse oder Spalten, welche sich in kurzer Zeit sehr erweitern, obwohl dann das Eis noch eine Dicke von einer Elle oder zweien hat. Alsdann wird das Eis durch Mitwirkung der von oben thätigen Windstöße in mehrere Stücke zerbrochen, so daß sehr häufig viele Menschen, welche sich gerade auf dem Eise befinden (wofern sie nicht durch Gottes Hut und der Heiligen Anrufung Schutz finden), ertrinken. Wenn nun Menschen mit Vieh und Geschirr in diese Not gerieten, wenn sie den schrecklichen Zusammenstoß und die Zerbröckelung des Eises und die Klüfte darin erblickten, riefen sie im Anblicke des nahen Todes unter schweren Seufzern Gott und die heilige Katharina oder ihre Mutter, oder beide um ihre Rettung an. Dies pflegte nicht vergeblich zu sein. Denn die Eisscholle, auf welcher solche unglückliche Menschen zurückblieben, zeigte sich entweder verdickt, oder sie konnten von einer Scholle zur anderen hinüberspringen. Andere aber wurden wider den Wirbel und die Gewalt der Winde mittels eines doppelten Wunders wohlbehalten an das Gestade geführt, worauf das Eis gleichsam in einem Augenblicke zu Wasser ward.

Kapitel XX.

Von noch einem Wunder, das durch der seligen Katharina Verdienst an einem Priester sich begeben.

Ein Priester, Namens Petrus Kraka, Pfarrverweser an der Kirche zu Wadstena, ward von solchem Kopfweh geplagt, daß er Schlund und Zunge nicht bewegen, noch den Mund aufthun konnte, um Speise zu nehmen. Aller menschlichen Hilfe in dieser Not beraubt, wandte er sich von ganzem Herzen und mit voller Andacht an die Hilfe Gottes und der Heiligen, und gab durch Winke und Zeichen zu verstehen, daß man für ihn einem Heiligen Gelübde thun möge. Einige Freunde beschlossen, ein Gelübde und Opfer am Grabe der Frau Katharina darzubringen, auf daß der Kranke durch ihre Verdienste in seinem schweren Leiden Erleichterung finden Seiten-Icon 280 möge. Am Tage darauf, nachdem das Gelübde geschah, sah der Kranke bei nun völlig erschöpfter Kraft, wie in eine Verzückung versetzt, zwei ehrwürdige Frauen bei sich eintreten, deren eine zu ihm sprach: "Weil Du Deine Gelübde an mich gerichtet, möchte ich Dir gern helfen; aber Du bist sehr ungeduldig. Wisse jedoch, daß ich gekommen bin, Dir zu helfen. Nachdem jener wieder zu sich gekommen, merkte er, daß sein Schmerz sich gemindert, daß Mund, Zunge und übrige Sinne ihrem natürlichen Gebrauche zurückgegeben worden. Und er, der sieben Tage lang unausgesetzt ohne Speise und Trank, und ohne sprechen zu können, fast verschmachtet war, nahm Speise zu sich und pries die großen Thaten Gottes, welche er durch Verwendung und Verdienst der seligen Katharina an sich erfahren, mit frohem Herzen, und opferte am Grabe der seligen Katharina ein Haupt von Wachs zum Zeugnisse, daß er seine Gesundheit vollständig woeder erlangt hatte. Seiten-Icon 281

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[Anmerkungen]

1 Sein voller schwedischer Name ist: Eggert von Kürnen zu Eggersnäs. Seiten-Icon 236 Zur Anmerkung Button