Der Isenheimer Altar

und seine Botschaft


Zurück-Button Jean Bertonneau

Nachfolger des Präzeptors Aymeric Segaud wurde dessen Neffe, der aus Champdeniers im Poitou gebürtige Jean Bertonneau. Die Antoniter hatte er wohl schon von klein auf kennengelernt. Die Antoniterpräzeptorei Saint-Mard-la-Lande hatte in seiner Heimatstadt Besitzungen. Er selbst war später Präzeptor in Marseille und ist erstmals im Oktober 1439 als Leiter des Isenheimer Hauses nachweisbar. Noch heute ist sein Wappen an einem Türsturz des Obergeschosses des Torgebäudes in Isenheim sichtbar ⋅1⋅.

Diplomatentätigkeit

Der "ungemein rührige und diplomatisch hochbegabte Mann" - so Adalbert Mischlewski ⋅2⋅ -  ist für ein neues Aufblühen der Isenheimer Generalpräzeptorei verantwortlich. Der französische Dauphin Ludwig, mit dem Jean Bertonneau während des Armagnakeneinfalls für die Stadt Straßburg verhandelte, war von ihm offensichtlich so beeindruckt, dass er den Antoniterpräzepten zu seinem Rat machte. So begegnet Jean Bertonneau als Gesandter des französischen Königs Karl VII. in Innsbruck und Wien.

Das aus dem 17. Jahrhundert stammende Anniversarium des Isenheimer Antoniters und Pfarrherren Johann Jakob Bergler berichtet über Jean Bertonneau, dass er unter anderem Rat des Königs von Sizilien und des Herzogs von Kalabrien gewesen sei. Hinter diesen Titeln verbergen sich - wie Adalbert Mischlewski anfügt ⋅3⋅ - die Herzöge von Lothringen, René von Anjou (1431-1453), und sein Sohn Johann II. (1453-1470).

Jean Bertonneau war im übrigen, wie auch schon Anfangs des Jahrhunderts sein Vorgänger Jean Jenaldan, wiederholt als Generalvikar des Abtes von Saint-Antoine in Deutschland tätig. Dies war eine Stellung, die unabhängig war vom Rang oder Alter des Präzeptors oder auch von der Bedeutung seiner Präzeptorei. Auch Präzeptoren von Roßdorf-Höchst, Freiburg und Memmingen übten dieses Amt aus. Es war eine Position, die lediglich von der - tatsächlichen oder auch nur vermuteten - Eignung des Ernannten abhängig war und für Jean Bertonneaus Fähigkeiten spricht.

Finanzielle Schwierigkeiten

Bei all seiner diplomatischen Tätigkeit und humanistischer Interessen nimmt es fast Wunder, dass er sich darüber hinaus genauso tatkräftig um den Wiederaufbau der durch den burgundisch-österreichischen Krieg und die Armagnakeneinfälle schwerbeschädigten Häuser seiner Präzeptorei kümmerte.

Isenheim hatte "wegen der schweren und ausgedehnten Streitigkeiten, Kriege und Zwistigkeiten" ⋅4⋅ so gelitten, dass Bertonneau für den Auf- und Ausbau Kredite aufnehmen und fällige Zahlungen an das Mutterkloster einstellen musste.

1450 brannte das Isenheimer Haus obendrein ab. Bewegliche Güter einschließlich der nahezu unersetzbaren Sammelregister, Privilegienbestätigungen, Bücher und übriger Kostbarkeiten im Werte von 10 000 rheinischen Gulden wurden vernichtet. Herzog Albrecht von Österreich verfasste 1452 eine Bittschrift um Erteilung eines Ablasses für alle, die beim Wiederaufbau Hilfe leisten würden.

Bedeutung des Isenheimer Hauses zur Zeit Bertonneaus

Aus dieser Supplik Herzog Albrechts von Österreich, erfahren wir im übrigen, dass täglich 60 Personen in Isenheim zu verköstigen waren. Damit dürfte die Zahl der Ordensleute, des Gesindes, der Kranken und wohl auch der Pilger gemeint sein. Leider geht daraus nicht hervor, wie groß genau die Zahl der in Isenheim untergebrachten Schwerstkranken gewesen ist.

Das Isenheimer Hospital und seine Niederlassungen waren auf jeden Fall für Operationen im eslsässischen Raum berühmt, wie mehrfach bezeugt ist. Der berühmte Chirurg Hans von Gersdorff berichtet beispielsweise in seinem 1517 erschienenen 'Feldbuch der Wundarznei', dass er im Sankt-Antonien-Hof zu Straßburg viele Amputationen durchgeführt habe.

Schon 1446 hatte Jean Bertonneau die Antoniterkirche in Straßburg neu bauen und das Spital in Stand setzen lassen. Von dieser Zeit an spielte der stattliche Antoniterhof in der Regenbogengasse 10 eine noch größere Rolle in der Präzeptorei Isenheim, als er sie bisher schon inne hatte. Dies unterstreicht auch der Umstand, dass sich die Isenheimer Präzeptoren häufig "Präzeptor von Isenheim und Straßburg" nennen ließen und bis zur Reformationszeit alle das Straßburger Bürgerrecht erwarben. Das im Frühjahr 1972 abgerissene Haus gehörte zu den größten Spitälern des Ordens.

Jean Bertonneau errang im übrigen - wie für die Straßburger Antoniuskirchen - auch für die Basler Kapelle im Jahre 1451 einen päpstlichen Ablass.

Auch den noch von Beaumont gekauften Würzburger Stützpunkt vergrößerte er durch einen weiteren Ankauf im Jahre 1444 beträchtlich.

In der Würzburger Niederlassung starb er dann am 10. Oktober 1459 und wurde dort beigesetzt. ⋅5⋅

Jean Bertonneau und Jean d'Orlier

Adalbert Mischlewski spekuliert übrigens darüber, ob sich Jean Bertonneau und der spätere Präzept Jean d'Orlier begegnet sind und Jean d'Orlier vielleicht sogar durch Jean Bertonneau auf das Isenheimer Haus aufmerksam geworden sein könnte.

Jean d'Orlier ist 1454 in Ferrara nachweisbar. Möglicherweise war er bereits 1452 dort, als Kaiser Friedrich III. anlässlich seiner Romfahrt, der dem Markgrafen Borso d'Este die Rangerhöhung zum Herzog gebracht hatte, dort weilte. In Ferrara sammelten sich mit den übrigen westdeutschen Kontingenten auch die Straßburger. Mischlewski rechnet damit, dass Jean Bertonneau seinen Landesherrn Albrecht VI., der seit 1446 die Geschicke der österreichischen Vorlande lenkte, begleitete. Bertonneau zählte immerhin zu den Räten Albrechts. Dann wäre es nicht unwahrscheinlich, dass er im Antoniterhaus von Ferrara Quartier bezog. Dort wäre er dann sicher für die späteren Geschicke des Hauses in Isenheim so bedeutenden Jean d'Orlier begegnet. ⋅6⋅

Zurück-Button Literaturhinweise

Die wichtigsten Informationen über Jean Bertoneau bietet
Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 262-263, 285-286.
Grundsätzliches bei

Adalbert Mischlewski, Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts (Unter besonderer Berücksichtigung von Leben und Wirken des Petrus Mitte de Capraris). (= Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte 8) (Köln, Wien 1976).

Anmerkungen

1 Vgl.: Emil Spath, Isenheim - Der Kern des Altarretabels - Die Antoniterkirche (Freiburg 1997) Band I, 414. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 262. Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 263. Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 262. Zur Anmerkung Button

5 Vgl.: Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 262-263. Zur Anmerkung Button

6 Vgl.: Adalbert Mischlewski, Die Antoniter und Isenheim, in: Max Seidel, Mathis Gothart Nithart Grünewald, Der Isenheimer Altar (Stuttgart 1973) 263. Zur Anmerkung Button