Der Isenheimer Altar
und seine Botschaft
Leben und Offenbarungen der heiligen Brigitta
Nach der Übersetzung von Ludwig Clarus (1888) digitalisiert und bearbeitet von Gertrud Willy
Viertes Buch der himmlischen Offenbarungen der heiligen Brigitta [2. Teil].
- Kapitel LXXVIII. - Worte, welche der Braut auf göttliche Weise geoffenbart und durch den süßesten Mund der glorreichen Jungfrau deutlich und unverhüllt an die Braut gerichtet und verkündigt wurden.
- Kapitel LXXIX. - Eine schöne Belehrung, wie die bösen Menschen und die Teufel einen von der Sünde Auferstandenen vom Guten abzuhalten suchen.
- Kapitel LXXX. - Eine von Gott der Braut geoffenbarte sehr kluge und nützliche Unterweisung an einen gewissen Geistlichen über die Weise, leiblich wie geistlich zu leben.
- Kapitel LXXXI. - Antwort der Jungfrau an die Braut in Bezug auf drei Menschen, für welche die Braut bei Gott Fürbitte eingelegt hatte. Welche Thränen verdienstlich sind und welche nicht. Wie die Liebe Gottes sich mehrt beim Nachdenken über die Demut Christi. und wie die Furcht gut ist, wenn sie auch nicht kindlich, noch anfänglich ist.
- Kapitel LXXXII. - Christus redet mit der Braut und sagt zu ihr, wie eine andächtige Seele als Braut einen lieblichen Mund, reine Ohren, schamhafte Augen und ein beständiges Herz haben soll. Er giebt über alle diese Glieder eine gar schöne geistliche Auslegung.
- Kapitel LXXXIII. - Christus redet mit der Braut und sagt, daß sie ihn wie ein guter Diener seinen Herrn, wie ein guter Sohn seinen Vater, wie eine treue Gattin ihren Gemahl, welcher niemals von ihr geschieden werden darf, lieben soll. Er legt alles Gesagte geistlich und nützlich aus.
- Kapitel LXXXIV. - Christus redet mit der Braut und sagt, es seien ihrer drei betrogen worden durch ein Weib, einer davon ist einem gekrönten Esel vergleichbar, der andere hat ein Hasenherz und der dritte Ähnlichkeit mit einem Basilisken. Darum soll das Weib allezeit dem Manne unterthan sein
- Kapitel LXXXV. - Christus redet mit der Braut und sagt ihr, daß vor ihm zwei Blätter eines Buches sind; auf dem einen ist die dreifache Barmherzigkeit, auf dem anderen die Gerechtigkeit geschrieben; er ermahnt sie, da sie, da sie noch Zeit habe, sich der Barmherzigkeit zuwenden möge, um nachher nicht durch die Gerechtigkeit bestraft zu werden.
- Kapitel LXXXVI. - Die Mutter Gottes redete und sprach, wie sie einer Blume gleiche, aus welcher die Bienen Süßigkeit ziehen. Die Bienen sind die Diener und Auserwählten Gottes, welche aus ihm täglich die Süßigkeit der Gnade ziehen und geistliche Flügel und Füße haben.
- Kapitel LXXXVII. - Christus redet mit der Braut und spricht, wie sie schöne und unbefleckte Glieder haben müsse, wobei er alle Glieder auf geistliche Weise der vollkommenen Liebe Gottes und der Nächsten, besonders der Freunde Gottes, vergleicht. Er schließt damit, daß sie geistlicherweise thun soll, was der Phönix leiblich thut, welcher Holz zusammenträgt und sich selbst verbrennt.
- Kapitel LXXXVIII. - Christus redet mit der Braut und spricht, daß alles, was erschaffen worden, nach seinem Willen sei, nur nicht die Menschen. Er sagt ferner, wie dreierlei Menschen hier aus der Welt sind, die sich mit drei Schiffen vergleichen lassen, welche auf dem Meere dahinfahren, deren erstes in Gefahr gerät und untergeht, deren zweites hin- und wiedertreibt und deren drittes wohl gesteuert wird.
- Kapitel LXXXIX. - Christus redet mit der Braut und sagt ihr die Weise, welche ein geistlicher Streiter im Treffen beobachten muß, nämlich, daß er auf Gott, nicht aber auf seine eigene Kraft vertrauen soll; er giebt ihm zwei kurze Gebete, die er täglich beten soll, und sagt auch, daß er mit geistlichen Waffen, die hierin mitenthalten sind, gewaffnet sein soll.
- Kapitel XC. - Christus redet und sagt, daß seine Freunde wie sein Arm sind, weil er wie ein guter Arzt ihnen das faulende Fleisch wegschneidet, ingleichen alles schädliche, und ihnen gutes Fleisch anfügt, indem er sie in sich umwandelt.
- Kapitel XCI. - Christus ermahnt die Braut, sie solle sich vierfältig demütigen, nämlich: vor den Mächtigen der Welt, vor den Sündern, vor den geistlichen Freunden Gottes und vor den Armen der Welt.
- Kapitel XCII. - Christus ermahnt die Braut, daß sie fortschreite und in den Tugenden ausharre, indem sie dem Leben der Heiligen nachfolge, damit sie sein Arm werde; denn er beweist, daß die Heiligen zum Arme Christi werden.
- Kapitel XCIII. - Christus spricht zur Braut und gebietet ihr dreierlei, nämlich: sie soll nichts verlangen, als Nahrung und Kleidung; sie soll das Geistliche nur nach dem Willen Gottes zu haben begehren, und über nichts traurig sein, als über ihre und anderer Sünden. Er sagt ihr auch, wie diejenigen, welche in diesem Leben ihre Sünden nicht durch die Strenge der Buße reinigen und bessern wollen, im göttlichen Gerichte gar schwer bestraft werden.
- Kapitel XCIV. - Christus lehrt der Braut schöne Gebete, welche sie sprechen soll, wenn sie sich ankleidet, wenn sie zu Tische und zum Schlafen geht. Auch ermahnt er sie, daß sie in aller Kleidung demütig und an ihren Gliedern ehrbar und bescheiden sein soll.
- Kapitel XCV. - Christus redet mit der Braut und erklärt ihr, welche Waffen die ungerechten führen und wie dieselben beschaffen sind; wenn sie sich der Sünde, mit dem Willen, darin zu verharren, rühmen, werden sie durch das Schwert der Strenge der göttlichen Gerechtigkeit getilgt werden.
- Kapitel XCVI. - Der Bräutigam erklärt der Braut, was der Zwischenraum von zwei Fuß und das Ausziehen des Schwertes bedeutet, wovon er im nächstvorhergehenden Kapitel gesprochen.
- Kapitel XCVII. - Christus redet mit der Braut von einem gewissen Prälaten, und läßt ihm sagen, daß er, wenn er durch Hoffart, durch Begehrlichkeit und durch weltliche Verwicklungen die Wärme der Andacht und heiligen Betrachtung eingebüßt, sich aber vollkommen vor Gott und dem Nächsten demütigt, die göttliche Wärme und das göttliche Licht wieder erhalten wird, so daß er die göttliche Süßigkeit empfindet.
- Kapitel XCVIII. - Christus redet zur Braut und spricht, daß die Sünder und Lauen mit vier Pfeilen, d. h. vierfachen Strafen, geschossen werben müssen, damit sie zur Reue und Besserung des Lebens demütiglich zurückgeführt werden.
- Kapitel XCIX. - Christus spricht zur Braut und beklagt sich über die Juden, welche ihn gekreuzigt haben, sowie auch über die Christen, welche ihn und seine Gerechtigkeit und Liebe verachten, indem sie vorsätzlich und wissentlich wider seine Gebote sündigen und die Verurteilungen der Kirche in den Bann unter dem Vorwande, daß Gott barmherzig sei, höhnen; deshalb droht er ihnen mit dem Zorne und Grimme seiner Gerechtigkeit.
- Kapitel C. - Christus redet zur Braut und sagt ihr, daß sie wie eine Schalmei des heiligen Geistes ist, aus der er selbst süßen Ton hinauserschallen lassen wird in die Welt zu seiner Ehre und zum Nutzen der Völker. Deshalb will er sie außen mit gutem Wandel und Weisheit versilbern, inwendig aber vergolden mit wahrer Demut und Herzensreinheit.
- Kapitel CI. - Die Mutter Gottes redet und sagt, wie das Herz ihres Sohnes gar lieblich, rein und süß ist, und von Liebe so überfließt, daß auch, wenn der Sünder an den Pforten des Verderbens stände, aber ihn, mit dem Willen, sich zu bessern, anriefe, er sogleich erlöst werden würde. Zum Herzen Gottes gelangt man durch die Demut der wahren Reue und durch die andächtige und häufige Betrachtung seines Leidens.
- Kapitel CII. - Der Braut wird in einem Gesichte das Gericht der Seele eines Ordensgeistlichen, den Christus richtet, gezeigt, für welchen die selige Jungfrau bittet, während der Teufel ihn wegen schwerer Sünden grausam anklagt.
- Kapitel CIII. - Während die Braut Christi betete, schaute sie in einem Gesichte, wie der selige Dionysius zur Jungfrau Maria für Frankreich betete.
- Kapitel CIV. - Die Mutter Gottes bittet mit dem seligen Dionysius und anderen Heiligen ihren Sohn für das Königreich Frankreich. Von dem Kriege der beiden Könige, welche zweien, gar wilden Tieren ähnlich sind.
- Kapitel CV. - Christus redet mit der Braut und sagt ihr die Weise, wie der Friede zwischen den Königen von Frankreich und England zu stande gebracht werden soll. Leisten die Könige nicht Folge, so sollen sie gar schwer gestraft werden.
- Kapitel CVI. - Christus sagt zur Braut, sie soll sich nicht fürchten, im Gehorsam gegen den geistlichen Vater die Abstinenz zu brechen, weil das keine Sünde ist. Auch ermahnt er sie, beständig zu sein und unausgesetzt den Versuchungen Widerstand zu leisten, und den festen Willen zu haben, im Guten zu verharren nach dem Vorbilde der Jungfrau Maria, Davids und Abrahams.
- Kapitel CVII. - Christus leitet die Braut, d. h. die Seele, an, immer die wahre Reue, die göttliche Liebe und den festen Gehorsam zu bewahren; sie soll diejenigen verachten, welche den Gehorsam, die Enthaltsamkeit und die Geduld verachten. Er warnt auch einen geistlichen Menschen, daß er nicht unter dem Scheine des Lichtes allmählich sein Wissen soll verdunkeln und verblenden lassen.
- Kapitel CVIII. - Christus redet mit der Braut und sagt, daß drei Heilige ihm vor den übrigen gefallen, nämlich die Jungfrau Maria, Johannes der Täufer und Maria Magdalena Er lobt auch die Bescheidenheit und Enthaltsamkeit, welche diese drei im Speisen, Schlafen und in der Kleidung beobachteten.
- Kapitel CIX. - Maria sagt, daß ein geistlicher Mensch, nachdem er durch die Mühe und Arbeit der Buße, Liebe, Reue und Geduld bekehrt worden, die früheren verlorenen Zeiten zu dem Ende wieder auslöse, um Gott keine leeren Nüsse darzubieten.
- Kapitel CX. - Christus lehrt die Braut, was für ein Unterschied zwischen dem guten Geiste und dem Truge des Teufels ist, und wie man beiden antworten soll.
- Kapitel CXI. - Der Sohn redet mit der Braut von drei Gesetzen, nämlich: der Kirche, des Kaisers und der Gemeinde, ermahnt sie aber nach einem vierten Gesetze, nämlich dem geistlich-göttlichen, zu leben, d. h. in der Demut, dem festen katholischen Glauben und der vollkommenen christlichen Liebe, wobei sie um Gottes willen alles hintansetzt, weil durch jenes Gesetz geistliche Ehre und himmlischer Reichtum in der ewigen Herrlichkeit erworben werden.
- Kapitel CXII. - Christus redet mit der Braut und spricht, sie solle sich sorgfältig vor dem Laster der Hoffart hüten, damit sie sich nicht der Schönheit ihrer Glieder, oder der Güter, oder der Familie wegen überhebe; der Hoffärtige wird mit einem Schmetterlinge verglichen, welcher breite Flügel, aber einen kleinen Leib hat.
- Kapitel CXIII. - Christus ermahnt die Braut, daß sie demütig leben, sich auch nicht um großen Ruhm und Namen kümmern soll, weil er selber zur Predigt des Evangeliums nicht große Lehrer, sondern demütige Fischer auserwählt hat; denn diejenigen, welche danach trachten, sich in dieser Welt einen großen Namen zu erwerben, werden in der Hölle schwer gestraft werden.
- Kapitel CXIV. - Christus ermahnt die Braut, sie soll sich vor dem Umgange mit Weltmenschen hüten, welcher gleichsam des Teufels Braten ist. Die Jungfrau Maria belehrt sie auch, wie sie bei allen ihren tugendhaften Werken die rechte Absicht haben soll, damit die Ehre Gottes gemehrt werde; denn viele dienen Gott mit der That, aber ihre verderbte Absicht verdunkelt jegliches Gute.
- Kapitel CXV. - Christus redet mit der Braut über die Art der Befreiung eines Besessenen und sagt ihr, daß, wie der Körper äußerlich leiblicherweise Glieder hat, so auch die Seele innerlich geistlicherweise Glieder habe. Und dies erläutert ihr der Herr gar schön.
- Kapitel CXVI. - Christus beklagt sich gegen die Braut über die Heiden und Juden, hauptsächlich aber über die bösen Christen deshalb, weil sie die heiligen Sakramente nicht andächtig und rein, wie es sich geziemt, empfangen, und weil sie die Schöpfung, die Erlösung und den göttlichen Trost vernachlässigen.
- Kapitel CXVII. - Die Braut vernahm, wie Gott denen, welche ihn wahrhaft begehren, selbst entgegeneilt und sie wie ein liebreicher Vater tröstet, ihnen auch das Schwere leicht macht.
- Kapitel CXVIII. - Christus spricht mit der Braut und sagt, daß der Vater diejenigen zu sich zieht und ihren guten Willen zum Guten vervollkommnet, von denen er sieht, daß sie den bösen Willen mit Freuden und dem Verlangen, sich zu bessern, in den guten Willen verwandeln.
- Kapitel CXIX. - Die Mutter zählt hier siebenfach Gutes auf, das in Christo ist, und siebenfach Entgegengesetztes, womit ihm von den Menschen vergolten wird.
- Kapitel CXX. - Christus sagt der Braut, daß es zweierlei Art Lust giebt, eine geistliche und eine leibliche. Die geistliche Lust ist vorhanden, wenn die Seele sich an den Wohlthaten Gottes erfreut; die fleischliche aber, wenn bei verlangendem Bedürfnisse eine Erquickung genommen wird.
- Kapitel CXXI. - Wie nicht das Gewand, sondern die Tugend des Gehorsams und die Befolgung der Regel den Mönch macht, und wie die wahre Reue des Herzens mit dem Vorsatze der Besserung die Seele der Hand des Teufels entreißt.
- Kapitel CXXII. - Wie das Leben eines liederlichen und lauen Menschen einer engen und gefährlichen Brücke gleicht, von welcher er, wenn er nicht schnell umkehrt und in das Schiff der Buße und Tugenden springt, von dem Feinde, dem Teufel, in die Tiefe des Abgrundes hinabgestürzt wird.
- Kapitel CXXIII. - Christus verteidigt seine Braut Brigitta, d. h. die von der Welt zum geistlichen Leben bekehrte Seele, welche Vater und Mutter, Schwester und Bruder von der Liebe zu ihm und von einer keuschen Ehe abzuwenden sich Mühe gaben.
- Kapitel CXXIV. - Wie die selige Agnes der Braut Christi eine Krone mit sieben Edelsteinen aufsetzt, nämlich der Geduld in der Trübsal u. s. w.
- Kapitel CXXV. - Die Mutter Gottes redet mit der Tochter. der Braut Christi, und stellt ein schönes Bild von den sieben Tieren auf, durch welche vier Arten von lasterhaften und drei Arten von tugendhaften Menschen auf eine bemerkenswerte Art bedeutet werden.
- Kapitel CXXVI. - Die Jungfrau Maria sprach mit der Braut ihres Sohnes von einem Bischofe, für welchen sie andächtig betete. Sie giebt hier eine bemerkenswerte Lehre und vortreffliche Weise an, wonach die Bischöfe leben und sich und ihre Untergebenen geistlicherweise und andächtig regieren sollen.
- Kapitel CXXVII. - Die Jungfrau Maria giebt der Braut, welche für einen Eremiten, einen bereits verstorbenen Freund, betet, zu erkennen, daß, bevor sein Leib zur Erde bestattet werde, seine Seele in die Herrlichkeit werde eingeführt werden.
- Kapitel CXXVIII. - Antwort der jungfräulichen Mutter an die Braut des Sohnes, welche für einen alten Einsiedler betete, der im Zweifel war, ob es Gott angenehmer sei, daß er der Süße des geistigen Trostes genieße, indem er niemals aus der Wüste ginge, oder ob er zuweilen hinausgehen solle, um die Seelen der Nächsten zu erbauen.
- Kapitel CXXIX. - Zwei Jahre, nachdem die Braut das Gesicht von dem Tiere und dem Fische gehabt hatte, das im XI. Kapitel des gegenwärtigen vierten Buches enthalten ist, erschien ihr Christus und legte jenes sehr dunkle Gesicht ihr sehr deutlich und verständlich aus, indem er sagte, daß unter dem Tiere und dem Fische die Sünder und Heiden, aber die gerechten und tugendhaften Menschen unter denen verstanden werden, die ihn fangen.
- Kapitel CXXX. - Viele Jahre nachher, seitdem die Braut das Gesicht von den sieben Tieren gehabt, von welchen im CXXV, Kapitel dieses Buches die Rede gewesen, erschien ihr Christus und legte ihr einiges aus, was am gedachten Gesichte noch auszulegen fehlte, wie folgt.
(Hier ist nach dem Dafürhalten Alfonsos das Ende des vierten Buches.)
- Kapitel CXXXI. - Noch eine Offenbarung von der Herrlichkeit der Engel, welche auf dem Berge Gargano geschehen.
Hier beginnen die Offenbarungen der heiligen Brigitta an die Priester und Päpste.
- Kapitel CXXXII. - Christus redet von fünf guten Gaben, welche den Priestern gewährt worden, und von fünf entgegengesetzten Dingen, welche die bösen Priester thun.
- Kapitel CXXXIII. - Christus vergleicht sich mit Mosis, welcher die Kinder Israel durch das rote Meer aus Ägypten führte, wobei die Wasser auf beiden Seiten wie eine Mauer standen. Wie Israel, d. h. die argen Priester, Christum vernachlässigen und das goldene Kalb, d. i. die Welt, anbeten, und wie Christus die Priester mit einem siebenfachen Ordo geehrt hat, von dem sie sich siebenfach abgewendet haben.
- Kapitel CXXXIV. - Christus sagt, er habe die Priester vor allen Menschen und Engeln geehrt, sie aber erzürnen ihn vor den übrigen; ihre Verdammnis wird an der ewig verdammten Seele eines Priesters geoffenbart.
- Kapitel CXXXV. - Christus zeigt, welche Liebe er den Priestern erwiesen. Sie aber sind undankbar und verachten wie eine Ehebrecherin Christum, indem sie drei andere Liebhaber, die Welt, das Fleisch und den Teufel, lieben. Dieses legt er dar an der Seele eines jüngst verstorbenen Priesters, welcher auf ewig verdammt worden.
Die folgenden Offenbarungen hat die heilige Brigitta in einem geistlichen Gesichte gehabt, während sie im Gebete war. Dieselben wurden den Päpsten Innocenz VI., Urban V., Gregor XI. übersendet. Dieselben handeln von der Zurückführung des Apostolischen Stuhles und des Römischen Hofes nach Rom und von der Reformation der Kirche nach der Vorschrift Gottes des Allmächtigen.
- Kapitel CXXXVI. - Worte Christi an die Braut, welche des Papstes Innocenz VI. Erwähnung thut, der auf Klemens VI. folgte.
- Kapitel CXXXVII. - Offenbarung, welche den Papst Urban berührt, und welche die Braut Christi zu Rom in betreff der Bestätigung der Regel des Erlöserordens, sowie über die Ablässe zu Petrus Ketten hatte, welche von Christo dem Kloster der seligen Jungfrau zu Wadstena verliehen worden.
- Kapitel CXXXVIII. - Dies ist die Offenbarung, welche die Braut Christi über denselben Papst Urban in Rom hatte, bevor jener im Jahre des Herrn 1370 nach Avignon zurückkehrte. Es ward ihm dieselbe zu Montefiascone übergeben.
- Kapitel CXXXIX. - Die folgende Offenbarung ist die erste, welche an den Herrn Papst Gregor XI. durch den Herrn Latino Orsini geschickt worden.
- Kapitel CXL. - Es folgt das zweite Gesicht, welches der Herr Graf von Nola an denselben Papst Gregor überbrachte.
- Kapitel CXLI. - Folgende Offenbarung ist der vorgedachten Braut Christi in Neapel für den nämlichen Papst am Feste des heiligen Polykarp zu teil geworden, als sie aus Jerusalem zurückkehrte. Sie hat diese Offenbarung dem Papste nicht übersandt, weil es ihr von Gott nicht befohlen war.
- Kapitel CXLII. - Folgende Offenbarung ward der vorgenannten Braut Christi im Monat Februar für denselben Papst Gregor gezeigt. Diesem überbrachte sie ein gewisser Einsiedler, welcher ein Bistum aufgegeben hatte.
- Kapitel CXLIII. - Vierte Offenbarung, welche die selige Brigitta an den Herrn Papst Gregor im Monat Juli des Jahres unseres Herrn 1373 übersandte. Sie schrieb auch an einen Einsiedler, welcher einst Bischof gewesen war, und sich damals in dieser Angelegenheit beim Herrn Papste zu Avignon befand.
- Kapitel CXLIV. - Gesicht, welches die Braut Christi über das Gericht der Seele eines verstorbenen Papstes gehabt.
Kapitel LXXVIII.
Worte, welche der Braut auf göttliche Weise geoffenbart und durch den süßesten Mund der glorreichen Jungfrau deutlich und unverhüllt an die Braut gerichtet und verkündigt wurden.
"Ehrwürdiger Vater, ich, eine Witwe, habe Euch zu vermelden, wie einer Frau bei ihrer Anwesenheit in ihrem Vaterlande, vielerlei Wunderbares enthüllt wurde, was nach vorgängiger sorgfältiger Prüfung der Bischöfe und Doktoren in den Klöstern, sowie der Weltgeistlichen, als etwas, das durch eine wunderbare Erleuchtung des heiligen Geistes und nirgends andersher hervorgegangen, bewährt und auch vom Könige und der Königin dieses Reiches aus Wahrscheinlichkeitsgründen anerkannt wurde. Als nun die gedachte Frau, welche nach der Stadt Rom gewallfahrtet war, eines Tages in der Kirche Santa Maria maggiore dem Gebete oblag, wurde sie zu einem geistlichen Gesichte entrückt, während der Leib gleichsam seiner Schwere erlag, aber doch nicht bis zu einem schweren Schlafe. In dieser Stunde erschien ihr eine gar ehrwürdige Jungfrau. Voll Erstaunen über dieses Gesicht wurde sie in Unruhe versetzt, denn ihre Schwäche erkennend, fürchtete sie einen Trug des Teufels, und flehte die göttliche Liebe inbrünstig an, sie möge nicht zulassen, daß sie in teuflische Versuchungen falle. Die Jungfrau, welche ihr erschienen war, sprach: Fürchte nicht, daß dasjenige, was Du jetzt sehen oder hören wirst, vom bösen Geiste komme. Denn wie die Annäherung der Sonne vom Licht und von der Wärme begleitet ist, welche mit dem finsteren Schatten nichts gemein haben, so kommt auf ähnliche Weise mit der Ankunft des heiligen Geistes das Feuer der göttlichen Liebe und die vollkommene Erleuchtung des katholischen Glaubens in das Menschenherz. Diese beiden Dinge empfindest Du jetzt an Dir selber, so daß Du nichts so liebst, als Gott, und Dir an der Vollkommenheit des katholischen Glaubens auch nicht ein Punkt fehlt. Diese beiden Dinge aber haben nichts gemein mit dem bösen Geiste, welcher dem finsteren Schatten ver- 164 glichen wird. Du sollst aber meine Worte an meiner Statt einem gewissen Prälaten überschicken. Mit großer Traurigkeit antwortete ihr jene Frau und sprach: O meine ehrwürdige Jungfrau, er wird mir nicht glauben; ich halte vielmehr dafür, daß er meine Worte eher für Gespötte, als für göttliche Wahrheit halten wird. Die Jungfrau antwortete und sprach: Obwohl ich den Zustand seines Herzens, die Antwort, welche er Dir geben wird, und das Ende seines Lebens bereits kenne, sollst Du ihm doch nichtsdestoweniger meine Worte übersenden Ich lasse ihm also wissen, daß auf der rechten Seite der heiligen Kirche die Grundmauer stark verfallen ist, dergestalt, daß davon das obere Gewölbe mehrere Risse an sich trägt und so gefährliche Herabfälle veranlaßt, daß viele von denen, welche unter demselben hinweggehen, ihr Leben verlieren. Die meisten Säulen derselben, welche emporstreben sollten, neigen sich schon bis auf die Erde hinab und der ganze Estrich ist unterwühlt, so daß nicht bloß die Blinden, wenn sie hintreten, sondern auch die Sehenden über die Löcher im Estrich auf gefährliche Weise fallen müssen. Um dieser Ursachen willen hat die Kirche Gottes einen gar gefährlichen Stand, und was für sie hieraus hervorgeht, wird, es läßt sich erkennen, alsbald in nächster Zeit sich begeben; wenn man ihr nicht durch eine Erneuerung zu Hilfe kommt, wird sie sicherlich einen Einsturz erleiden und der Fall wird so groß sein, daß man denselben durch die ganze Christenheit vernehmen wird. Dies muß aber auf geistliche Weise verstanden werden. - Ich bin die Jungfrau, in deren Leib, von welchem alle Fleischeslust ausgeschlossen war, Gottes Sohn mit seiner Gottheit und dem heiligen Geiste zu kommen sich gewürdigt hat. Und eben dieser Sohn Gottes ist aus meinem verschlossenen Leibe mit der Gottheit, mit der Menschheit und mit dem heiligen Geiste zu meinem größten Troste und ohne Schmerz geboren worden. Ich habe auch neben seinem Kreuze gestanden, als er mit wahrer Geduld die Hölle siegreich überwand und durch seines Herzens Blut den Himmel öffnete. Auch auf dem Berge habe ich mich befunden, als derselbe Sohn Gottes der auch mein Sohn ist zum Himmel auffuhr. Ich habe endlich den ganzen katholischen Glauben, den er selber verkündet und alle gelehrt hat, welche in das Himmelreich eingehen wollen, aufs deutlichste erkannt. - Nun stehe ich über der Welt ohne 165 Unterlaß im Gebete zu meinem teuersten Sohne, wie ein Regenbogen über des Himmels Wolken, welcher sich auf die Erde herabzuneigen und dieselbe mit seinen beiden Enden zu berühren scheint. Unter dem Bogen verstehe ich mich selber, die ich mich hinabneige zu den Bewohnern der Welt, indem ich beide, Böse wie Gute, mit meinem beständigen Gebete berühre; zu den Guten neige ich mich hinab, auf daß sie in dem, was die heilige Mutter Kirche befiehlt, beständig werden; zu den Bösen aber, damit sie nicht fortschreiten in ihrer Bosheit und nicht noch ärger werden. Denen nun, welchen ich die gegenwärtigen Worte sende, mache ich bekannt, daß von einer Seite der Erde schreckliche Wolken aufsteigen wider die Klarheit des Bogens. Unter diesen verstehe ich diejenigen, welche in ihrem Fleische ein unzüchtiges Leben führen und unersättlich und ohne Boden sind, wie die Tiefe des Meeres, zur Geldgier, welche ihre Güter unvernünftig und verschwenderisch, wie ein Gießbach in seinem Ungestüm sein Wasser ausgießt, für irdische Pracht und Hoffart vergeuden. Diese drei Laster vollbringen jetzt die meisten Verwalter der heiligen Kirche; ihre abscheulichen Sünden steigen empor zum Himmel von der Erde vor Gottes Angesicht wider mein Gebet, wie die scheußlich schwarzen Wolken wider den klaren Regenbogen am Himmel aufziehen. Ind so reizen diejenigen, welche mit mir zugleich Gott besänftigen sollten, selber seinen Zorn wider sich auf eine überaus schwere Weise auf. Solche sollten in der heiligen Kirche nicht erhöht, sondern erniedrigt werden. Demjenigen dagegen, welcher seine Sorge darauf wenden will, daß die Grundlage der Kirche fest werde, und begehrt, den Estrich gerade zu legen, auch den gesegneten Weinberg zu erneuern, den Gott selber angelegt und mit seinem Blute benetzt hat, mag er sich auch hierzu für schwach und unzulänglich halten, will ich, die Königin des Himmels, mit allen Engelscharen zu Hilfe kommen, indem ich die im Sande stehenden Wurzeln ausreute, die unfruchtbaren Bäume zum Verbrennen ins Feuer werfe, an ihre Stelle aber fruchtbare Zweige einsetze. Unter dem Weinberge verstehe ich jedoch die heilige Kirche Gottes, in welcher die Demut und die göttliche Liebe erneuert werden soll.
Dieses alles nun hat die glorwürdige Jungfrau, welche der Frau erschienen ist, Euch schriftlich zu übersenden befohlen. Des- 166 halb mögen Euer Ehrwürden, mein Vater, wissen, wie ich, die ich Euch diesen Brief übersende, bei Jesu, dem wahren und allmächtigen Gott, und bei seiner würdigsten Mutter Maria mit dem Wunsche, sie mögen mir am Leibe wie an der Seele helfen, aufrichtig schwöre, daß ich dieses Schreiben nicht um einiger Ehre der Welt halber oder aus menschlicher Gunst gesendet habe, sondern weil unter mehreren anderen Worten, welche der nämlichen Frau in einer geistlichen Offenbarung gesagt worden, alles, was in diesem kleinen Papiere enthalten ist, Euerer Würdigkeit geheißenermaßen, kundgethan werden soll."
Kapitel LXXIX.
Eine schöne Belehrung, wie die bösen Menschen und die Teufel einen von der Sünde Auferstandenen vom Guten abzuhalten suchen.
Lob und Ehre sei dem allmächtigen Gott für alle sejne Werke! Ewige Ehre sei auch demjenigen, welcher angefangen, an Dir Gnade zu wirken. Wenn die Erde mit Schnee und Frost bedeckt ist, so sehen wir, daß der Same, welcher Art er auch sein mag, nur an wenigen, von den Sonnenstrahlen erwärmten Stellen, schossen kann, wo dann durch die wohlthätige Einwirkung der Sonne Gras und Blumen hervorwachsen und man erkennen kann, von welcher Art und Kraft sie sind. In wahrhaft ähnlicher Weise scheint mir jetzt die ganze Welt mit dem Froste der Hoffart, Genußsucht und Üppigkeit bedeckt zu sein, so daß leider sehr wenige sind, aus deren Worten und Werken man erkennen kann, daß eine vollkommene Liebe Gottes in ihren Herzen wohne. Darum soll man wissen, daß, wie die Freunde Gottes sich gefreut haben, daß sie den Lazarus zur Ehre Gottes vom Tode erweckt sahen, sich auch nun jetzt die Freunde Gottes freuen können, wenn sie einen von den genannten drei Lastern, welche fürwahr der ewige Tod sind, auferstehen sehen. Ferner ist zu bemerken, daß, wie der auferweckte Lazarus nach seiner Auferstehung einem doppelten Hasse verfiel, ⋅1⋅ 167 also trifft auch diejenigen, welche sich jetzt aus tödlichen Sünden erheben und Keuschheit bewahren, Hoffart und Begierlichkeit fliehen wollen, ein doppelter Haß. Auf zweifache Weise wollen die Menschen, welche Gottes Feinde sind, ihnen leiblich schaden. Erstlich tadeln die Weltmenschen sie mit ihren Worten; zweitens sind sie, wofern sie es vermögen, ihnen nachteilig mit ihren Werken, um sich dieselben im Leben und Handeln ähnlich zu machen und von gutem Beginnen abzuhalten. Allein ein Mensch Gottes, welcher sich neuerlich zum geistlichen Leben bekehrt hat, kann dergleichen boshafte Menschen am besten überwinden, wenn er gegen die Worte, welche ihm zuwider sind, Geduld hat, und wenn er alsdann häufiger und eifriger gute geistliche und göttliche Werke vor ihren Augen verrichtet.
Auch die Teufel bemühen sich, auf zweifache Weise sie zu betrügen. Erstlich suchen sie den neuen Diener Gottes in die Sünden rückfällig zu machen; haben sie solches nicht vermocht, so trachten sie emsig dahin, daß er seine guten Werke auf unvernünftige und unkluge Art vernichte, indem er nämlich übermäßig wacht oder unkluge Abstinenz verrichtet, so daß auf diese Weise seine Kräfte schneller erschöpft werden, und er in geistlichen Übungen ermatte. Wider das erste ist ein sehr gutes Mittel die häufige und aufrichtige Beicht seiner Sünden und eine wahre innere Herzensreue über die begangenen Missethaten. Wider das zweite ist das beste Mittel eine solche Verdemütigung, daß man lieber irgend einem erfahrenen Geistlichen gehorchen, als sich selber persönlich in seinen Werken und vorzunehmenden Bußwerken regieren wolle. Und fürwahr, diese Arznei ist selbst dann gar nützlich und sehr gut, wenn auch der Erteiler der guten Ratschläge unwürdiger wäre, als der Empfänger. Sodann steht auch mit Gewißheit zu hoffen, daß die göttliche Weisheit selber, welche Gott ist, durch ihre Beihilfe den Ratgeber unterstützen wird, diejenigen Ratschläge zu erteilen, welche für den Empfänger am nützlichsten werden würden, wenn sie beide zu Gottes Ehre und Herrlichkeit einen vollkommenen Willen hätten. Nun aber, geliebter Freund, weil wir beide, nämlich Du und ich, 168 von den Sünden auferstanden sind, flehen wir Gott an, daß es ihm gefallen möge, uns beiden seine göttliche Hilfe zu gewähren, mir im Reden, Dir im Gehorchen. Und um soviel mehr muß Gott hierum gebeten werden, als Du es warst, der Du, wie reich, edel und weise Du auch bist, die Gnade gehabt hast, mich Unwürdige, wenig Verständige und Unbekannte um Rat zu fragen. Und wahrlich, ich hoffe, daß Gott Deine Demut ansehen und Dir thun wolle, was nach der Seele und dem Leibe nützlich ist, und was ich Dir zu seiner Ehre schreibe.
Kapitel LXXX.
Eine von Gott der Braut geoffenbarte sehr kluge und nützliche Unterweisung an einen gewissen Geistlichen über die Weise, leiblich wie geistlich zu leben.
"Erstens nun rate ich Dir, in der Herberge bei Deiner Kirche zur heiligen Jungfrau Maria zu bleiben, nur einen Diener bei Dir zu haben; ferner, daß Du alles das, was Du nach Abzug der notwendigen Ausgaben aus Deinen Einkünften erübrigt haben wirst, sogleich Deinen Gläubigern wieder erstattest, indem Du dieselben in Bezug auf Deine Schulden vollständig befriedigest. Denn es ist nicht erlaubt, noch vernünftig, an Freunde und Verwandte, Arme wie Reiche, viel Geld zu geben, bevor alle Schulden vollständig bezahlt sind. Und wenn Deine Schulden vollständig bezahlt worden, dann verteile alles, was nach Abzug aller Ausgaben für Dich und Deinen Diener übrig bleibt, unter die Armen und Dürftigen. Habe ein ehrbares und nützliches, geistliches Kleid, und wache sorgfältig darüber, daß nicht an der Beschaffenheit des Tuches oder an der Form Deiner Kleider irgend eine Prunksucht und Eitelkeit bemerkt werden könne, sondern nur ehrbares Bedürfnis und leiblicher Nutzen; denn Du magst mit zwei gleichen Kleidern zufrieden sein, das eine sei für die Festtage, das andere für die übrigen Wochentage. Habe auch nicht mehr, als zwei gleiche Schuhe oder Halbstiefel. Alles, was von der Ausgabe für Deine Kleider übrig ist, das verwende zu Deinem sonstigen Nutzen oder auf Bezahlung Deiner Schulden. Leinene Kleidungsstücke lege dieses Jahr hindurch gänzlich ab, bei Nacht sowohl, als am Tage. Deine Kirche 169 zur heiligen Maria betrachte während desselben Jahres als eine Klosterkirche, und zwar aus dreierlei Gründen. Erstens deshalb, damit, wenn Du etwa zuvor jemals aus Anlaß irgend einer Hoffart darin verweilt hast, Du hinfort im heiligen Gehorsam zu Ehren der demütigsten Jungfrau Maria darin Dich aufhaltest. Und wenn Du etwa durch die Domherren und andere Pfründebesitzer durch unehrbare Worte vom Dienste Gottes zur üblen Weltlust verleitet worden bist, so bemühe Dich jetzt, mit Gottes Hilfe durch göttliche und geistliche Reden irgend jemand von der Weltliebe ab- und zur Lust an der Liebe Gottes hinzuziehen. Und wenn Du vielleicht einigen durch deine unerlaubten Sitten ein übles Beispiel gegeben hast, so trage von jetzt ab Sorge, durch deine guten Werke und ehrbaren Wandel ihren Seelen ein nützliches und tugendhaftes Beispiel zu geben.
Sodann, geliebter Freund, ist notwendig, daß Du die Zeiten bei Nacht und bei Tag vernünftig und klüglich zum Lobe Gottes ordnest, Denn ich habe bemerkt, daß die Glocken euerer Kirche genau zu bestimmten Zeiten angeschlagen werden, und deshalb rate ich, daß Du sogleich, wenn Du dieselben bei Nacht hörst, Dich aus Deinem Bette erhebst, und mit fünf Kniebeugungen und fünf Vaterunsern und Ave Marias Dich der fünf Wunden Jesu Christi und der Schmerzen seiner würdigsten Mutter erinnerst. Hieraus aber beginne die Matutin von der seligsten Jungfrau und sprich andere Andachten, welche Dir belieben, bis die Chorherren sich im Chore zum Singen versammeln. Auch ist es besser, daß Du lieber mit den ersten als mit den letzten zur Kirche kommst. Wenn nun die Matutin gesungen wird, sollst Du von der Zeit an andächtig und ehrbar stehen, zuweilen auch sitzen, wie es sich schickt, keineswegs aber reden, ausgenommen, wenn man Dich um etwas frägt; alsdann aber sollst Du mit möglichst wenigen und nicht lauten Worten Bescheid geben, wobei jedes Zeichen des Zornes und der Ungeduld vermieden werden muß. Du würdest Dich ja ehrbar gebärden, wenn Du in der Gegenwart irgend eines zeitlichen und irdischen Herrn wärest; darum mußt Du noch weit mehr mit aller Ehrbarkeit, Bescheidenheit und demütiger, innerer wie äußerlicher Ehrerbietung in der Gegenwart und dem Dienste des ewigen Königs der Himmel stehen, welcher immer und überall gegenwärtig ist und 170 alles sieht. Und wenn Du vielleicht aus Not gezwungen wirst, von wichtigen Dingen, die Dich und andere betreffen, mitten in den Horen zu reden, dann gehe hinaus aus dem Chore und sprich, was Du für nötig hältst, mit wenigen Worten leise außerhalb des Chores, und kehre ohne Verzug zurück an Deine Stelle im Chor. Kannst Du aber, so verschiebe die Erledigung dieser Angelegenheit auf einen anderen Ort und eine andere Zeit, damit nicht der Gottesdienst oder die Ehre Gottes geschmälert oder verhindert werde. Hüte Dich auch, in der Kirche umherzuschweifen, als ob Du spazieren gingest und lustwandeltest, während die Horen gesungen werden; denn das zeugt von einem unbeständigen, umherschweifenden Gemüte und lauen Sinne, sowie geringer Liebe und Andacht. In der Zwischenzeit zwischen den Horen aber bete oder lies etwas der Seele Nützliches und beachte fortwährend, daß Du von der Zeit an, wo Du Dich zur Frühmette von Deinem Lager erhebst, Dich mit Liebe in keine andere Thätigkeit einlässest, als auf den Gesang, das Lesen, das Gebet oder Studieren, bis die Hochmesse beendet worden; es sei denn, daß etwa in euerem Kapitel unter euch etwas über kirchliche Angelegenheiten, oder über Herbeiführung eines besseren Zustandes oder besserer Anordunng zu verhandeln wäre. Wenn dann die Hochmesse gefeiert worden, ziemt es sich wohl, von leiblichen Zukömmlichkeiten und Vorteilen, von ehrbaren und tugendhaften Tröstungen zu reden, und sich darüber in guter Weise zu unterhalten. - Wenn Du dann zu Tisch gehst, soll ein Tischgebet gelesen werden und Du mußt, magst Du nun eines anderen Gast sein oder selbst Gäste bewirten, während des Auftragens zuerst bei Tische zureden, anfangen von Gott oder seiner würdigsten Mutter, oder von irgend einem Heiligen zur Erbauung und zum Nutzen der Tischgenossen und auch der bei Tisch aufwartenden Diener ein oder zwei Worte zu reden, oder an die anderen von Gott, seiner Mutter oder den Heiligen Gottes Fragen zu stellen. Und auch dann, wenn Du allein bei Tische bist und nur der Diener zugegen ist, mache es ähnlich und lies dasjenige, was man den Brüdern im Kloster, wenn dieselben zusammen zu speisen pflegen, vorzulesen pflegt. Nach eingenommer Mahlzeit, und nachdem Gott und den Wohlthätern gedankt worden, rede ein Stündchen lang von Dingen oder Geschäften, die Dich betreffen, mit ehrbaren Personen, wie es 171 Dir gefällt. Nachher aber gehe sogleich in Dein Kämmerlein und sprich um der Wunden unseres Herrn Jesu Christi und der Schmerzen seiner Mutter willen unter Kniebeugung fünfmal das Vaterunser und fünfmal das Ave Maria. Sodann sollst Du die Hälfte der Zeit, welche bis zur Vesper verstreicht, zum Studieren, Lesen oder um ein wenig auszuruhen verwenden, wofern Du nicht etwa durch Deine Freunde, einiger Ursachen halber, die sie betreffen, verhindert wärest; die andere Hälfte der gedachten Zeit sollst Du zum Spazierengehen oder zu einem ebrbaren leiblichen Troste verwenden, auf daß Du Dich zum Lobe Gottes stärken mögest. Wenn es sodann zur Vesper läutet, dann eile alsbald in den Chor der Kirche, um die Tagzeit zu singen. Wenn das Complet gesprochen worden, so lese täglich die Vigilien für die Verstorbenen, nebst drei Lektionen vor dem Abendessen. Nach diesem übe Dich in derselben Thätigkeit, welche Dir nach dem Mittagessen empfohlen worden. Nach dem Gratias aber ergehe Dich lustwandelnd und rede nützliche und trostreiche Worte, bis Du schlafen zu gehen wünschest. Und auch alsdann, ehe Du zu Bette gehst, knie vor dem Bette nieder und sprich dort andächtig fünf Vaterunser und fünf Ave Maria zu Ehren des Leidens Christi; sodann gehe in Dein Bett und wende Deinem Leibe so viel Schlaf und Ruhe zu, daß Du infolge zu kurzen Schlafes und zu kurzer Ruhe nicht zu den Zeiten des Wachens zu schlafen genötigt wirst. An jedem Freitage lies andächtig die sieben Bußpsalmen samt den Litaneien. Spende auch an diesem Tage fünf Groschen an fünf arme Dürftige aus Ehrerbietung vor den fünf Wunden Jesu Christi. Außerdem, mein teuerster Bruder und Freund, rate ich Dir, daß Du die gleich anzugebende Abstinenz dieses Jahr über für Deine eigenen Sünden halten wollest. Erstens sollst Du die ganze Fastenzeit hindurch täglich, bis auf eine Mahlzeit in Fischen, fasten, und ähnlich in der Adventszeit. Sodann faste an allen Vigilien der seligen Maria bei Brot und Wasser: an den Vigilien der Apostel bei Fischen; alle Mittwoch bis auf eine Mahlzeit in Käse, Eiern und Fischen; alle Freitag nur in Brot und Wein, und wenn es Dir vielleicht lieber sein möchte, beim Brote Wasser statt Wein zu haben, so rede ich Dir davon nicht ab; an jedem Sabbath in Fischen und Öl bei einer Mahlzeit; am Sonntag aber und Montags, Dienstags und Donnerstags ge- 172 nieße zweimal des Tages über Fleisch, wofern alsdann nicht von der Kirche Fasten geboten worden. Merke, geliebter Bruder, daß ich Dir dieses aus dreierlei Ursachen zu schreiben und zu raten mir vorgenommen. Erstens, damit der Neid und die Arglist des Teufels Dich nicht bewegen möge, daß Du Dich selber nicht so schnell gänzlich verzehrst, daß Sinne und Kräfte schnell abnehmen und Du hernach Dein ganzes übriges Leben hindurch Gott weniger dienen könntest, als sich gebührt; zweitens damit die Weltleute, wenn sie in Deinen Sinnen oder Kräften infolge übermäßiger Anstrengung an Dir irgend einen Mangel wahrnehmen und sehen, daß Du begonnener Arbeiten überdrüssig wirst, nicht auch Abscheu empfinden und davon zurückschrecken, sich geistlichen Übungen zu unterziehen; drittens, weil ich hosff, daß Deine Werke darum Gott besser gefallen, weil Du lieber demütig dem Rate eines anderen folgen, als Dich persönlich selber nach Deinem eigenen Ermessen regieren willst."
Kapitel LXXXI.
Antwort der Jungfrau an die Braut in Bezug auf drei Menschen, für welche die Braut bei Gott Fürbitte eingelegt hatte. Welche Thränen verdienstlich sind und welche nicht. Wie die Liebe Gottes sich mehrt beim Nachdenken über die Demut Christi. und wie die Furcht gut ist, wenn sie auch nicht kindlich, noch anfänglich ist.
"Einer, für den Du bittest, ist wie ein Sack voll Ähren, in welchen, wenn man eine der Ähren herausnimmt, zehn andere hinzu gethan werden; denn auch dieser giebt eine Sünde auf aus Furcht, fügt aber zehn hinzu um der Welt Ehre willen. Wegen des anderen Menschen, für welchen Du bittest, antworte ich Dir, wie es nicht Brauch ist, an faules Fleisch köstliche Gewürze zu thun. Du bittest, daß ihm leibliche Trübsale zum Nutzen seiner See!e möchten gegeben werden, allein sein Wille ist Deiner Bitte entgegen; denn er begehrt der Welt Ehre und verlangt mehr nach Reichtum, als nach geistlicher Armut, und die Wollust ist ihm süß. Deshalb ist seine Seele vor mir faul und stinkend, und darum schickt sich für ihn nicht die köstliche Würze, welche da sind die Trübsale der Ge- 173 rechtigkeit. Auch in Bezug auf den dritten Menschen, in dessen Augen Du Thränen erblickst, antworte ich Dir, daß Du den Leib siehst, ich aber das Herz. Du stehst, wie zuweilen eine dunkle Wolke von der Erde aufsteigt und sich in den Himmel hinaufzieht unter die Sonne, und wie diese Wolke eine dreifache Feuchtigkeit aus sich hervorbringt: Regen, dichten Schnee und Hagel, worauf dann die Wolke verschwindet, welche aus der Unreinigkeit der Erde entstanden ist. Damit ist jeder Mensch zu vergleichen, der in der Sünde der Wollust bis an sein Alter genährt worden ist; sobald aber das Alter herangekommen ist, dann fängt er an, den Tod zu fürchten und an seine Gefahr zu denken, läßt sich jedoch im Herzen die Sünde angenehm sein. Wie nun die Wolke die Unreinigkeit der Erde hinaufzieht in die obere Luft, so erhebt sich aus der Unreinigkeit des Lebens, welche die Sünde ist, das Gewissen eines solchen Menschen zur Betrachtung seiner selbst und giebt dreierlei Thränen von sich. Die erste Art ist dem Wasser zu vergleichen und sie entsprechen dem, was der Mensch fleischlicherweise liebt, z. B., wenn er Freunde oder zeitliche Güter verliert, was sogar zu seinem Heile dienen soll, dann wird er erbittert gegen Gottes Fügung und Zulassung und vergießt unklug viele Thränen. Die zweite Art von Thränen sind dem Schnee zu vergleichen, weil der Mensch, wenn er über die seinem Leibe drohenden Gefahren, an die Pein des Todes und den Jammer der Hölle, nachzudenken anfängt, nicht aus Liebe sondern Furcht zu weinen beginnt. Aber wie der Schnee schnell zergeht, so vergehen auch solche Thränen bald. Die dritte Art von Thränen sind dem Hagel ähnlich, weil der Mensch, wenn er an die Süßigkeit der Fleischeslust denkt, und daß er dieselbe verlieren soll, über seinen Verlust und über seine Verdammnis zu weinen beginnt; er ist aber nicht besorgt, über die Verunehrung Gottes zu weinen, welche einträte, wenn Gott eine Seele verlieren müßte, die er mit seinem Blute erkauft hat. Er kümmert sich auch nicht darum, ob er Gott nach seinem Tode sehen würde oder nicht, wenn er nur eine Wohnung im Himmel oder auf Erden hätte, wo er keine Pein empfände, sondern ewig seiner Lust leben könnte. Darum sind solche Thränen ganz wohl dem Hagel zu vergleichen, weil das Herz eines solchen Menschen gar zu hart ist und keine Wärme der Liebe zu Gott hat, 174 daher ziehen denn solche Thränen die Seele nicht zum Himmel hinauf.
Jetzt aber will ich Dir die Thränen zeigen, welche die Seele gegen Himmel ziehen und dem Taue ähnlich sind. Zuweilen erhebt sich aus der Süßigkeit der Erde ein Dampf, der zum Himmel steigt und sich unter die Sonne zieht, hierauf von der Sonnenwärme aufgelöst zur Erde herabfällt und alles, was auf der Erde wächst, befruchtet. So ist es auch mit einem geistlichen Manne. Wenn er die gebenedeite Erde betrachtet, welche der Leib Christi ist, und die Worte, welche Christus mit eigenem Munde geredet hat, welche Gnade er in der Welt gewirkt, auch welch eine bittere Pein er, von heißer Liebe für unsere Seelen bewegt, ertragen, so wird er alsbald mit der Süßigkeit der Liebe zu Gott erfüllt und sein Herz, das der Sonne zu vergleichen, füllt sich mit göttlicher Wärme. Seine Augen werden mit Thränen angefüllt; er weint, daß er einen so unendlich guten und liebreichen Gott beleidigt, und will jetzt lieber alle Pein leiden zur Ehre Gottes, als alle Freuden haben, aber Gott entbehren. Deshalb werden diese guten Thränen dem fallenden Taue verglichen, weil dieselben die Kraft verleihen, gute Werke zu verrichten, auch Frucht bringen vor dem Angesichte Gottes. Und wie die emporwachsenden Blumen den fallenden Tau an sich ziehen und der Tau sich einschließt in die Blumen, so schließen auch die Thränen, welche aus göttlicher Liebe vergossen werden, Gott ein in die Seele und Gott zieht die Seele an sich.
Hier sind aber zwei Dinge zu bemerken; erstens, daß auch jene guten Werke, welche aus Furcht geschehen, doch zuletzt ein Fünklein Gnade in das Herz ziehen, um die Liebe zu erlangen. Dies magst Du aus einem Beispiele näher erkennen. Gesetzt, es ist da ein Goldschmied. Derselbe legt reines Gold auf die Wagschalen. Ein Köhler kommt zu ihm und spricht: Herr, ich habe Kohlen für Deine Arbeit, gieb mir als Preis, was sie wert sind. Jener antwortete: Die Kohlen sind zu dem Preis abgeschätzt, den sie wert sind. Nachdem er dem anderen Gold als Kaufgeld gezahlt, rüstet der Goldschmied die Kohlen für seine Arbeit zu, der andere aber verwendet das Gold zu seinem Unterhalt. Also ist es auch im Geistlichen. Die ohne Liebe vollbrachten Werke sind den Kohlen ähnlich, die Liebe aber dem Golde. Daher hat ein jeglicher, welcher gute Werke aus Furcht 175 vollbringt, aber das Verlangen hegt, sich das Heil der Seele damit zu erwerben, obschon er nicht nach Gott im Himmel verlangt, doch aber in der Hölle zu wohnen fürchtet, nichtsdestominder gute Werke; allein sie sind kalt und erscheinen vor dem Angesichte Gottes wie Kohlen. Gott aber ist dem Goldschmiede zu vergleichen, welcher in seiner Gerechtigkeit weiß, in welcher Weise die guten Werke Lohn verdienen und die Liebe Gottes erwerben. Seine Vorsehung fügt es, daß aus diesen aus Furcht vollbrachten guten Werken jene Liebe hervorgeht, welche der Mensch um Heile seiner Seele anwenden wird. Wie nun ein liebreicher Goldschmied sich der Kohlen zu seiner Arbeit bedient, so gebraucht Gott die kalten Werke zu seiner Ehre. Zweitens ist zu merken, daß für so viele aus Furcht der Hölle unterlassenen Sünden der Mensch von eben so vielen Strafen der Hölle befreit wird; weil er jedoch die Liebe nicht hatte, besitzt er auch die Gerechtigkeit nicht, um in den Himmel hinaufzusteigen. Denn wessen Wille ein solcher ist, daß, wofern er könnte, er immerfort in der Welt leben möchte, in dessen Herzen ist durchaus die Liebe Gottes nicht, und die Thaten Gottes sind vor ihm gleichsam blind; deshalb sündigt er tödlich und wird zur Hölle verurteilt. Allein er ist nicht schuldig, in Peinen zu brennen, sondern in der Finsternis zu sitzen, weil er die Sünde aus Furcht unterließ; er wird jedoch die Freude des Himmels nicht empfinden, weil er, so lange er lebte, dieselbe nicht begehrte. Deshalb wird er als ein Blinder und Stummer dasitzen, wie ein Mensch ohne Hände und Füße; seine Seele versteht wohl das Übel der Hölle, wenig indessen von der Freude, welche im Himmel ist."
Erklärung.
Diese Offenbarung betrifft drei Kriegsmänner. Der erste war aus Schonen. Über ihn geschah folgende Offenbarung. Die Frau Brigitta erblickte eine Seele, welche gleichsam, mit einem zweifach gefärbten Scharlachkleide angethan, sich zeigte. Sie war wie mit einigen schwarzen Tropfen besprengt und sobald sie dieselbe gesehen hatte, verschwand sie sogleich aus ihren Augen. Nach anderen drei Tagen sah sie diese Seele ganz rot, aber glänzend von einigen Edelsteinen, welche wie goldig dazwischen leuchteten. Als sich die Frau darüber wunderte, sprach der Geist Gottes: "Diese Seele war von den Sünden der Welt aufgehalten. Da sie aber den rechten Glauben hatte, kam sie zu dem 176 Ablasse in der Absicht nach Rom, um die göttliche Liebe und Huld, sowie den Willen zu erlangen, nicht ferner wissentlich zu sündigen. Wenn Du nun die Seele mit doppelt gefärbtem Scharlach bekleidet gesehen, so bedeutet solches, daß sie vor dem Tode die, wenn auch noch unvollkommene, göttliche Liebe erhielt. Wenn Du sie aber mit schwarzen Flecken bespritzt sahest, so hat dies die Bedeutung, daß sie von einiger fleischlichen Lust, die leiblichen Verwandten und ihr Vaterland zu sehen, bewegt ward. Gleichwohl hat sie ihren ganzen Willen mir hingegeben. Dadurch verdiente sie gereinigt und zu Höherem vorbereitet zu werden. Die zwischen Rot hervorleuchtenden Edelsteine aber bedeuten, daß sie ihres guten Willens halber und infolge der Wirkung jenes Ablasses der gewünschten Krone näher gekommen ist. Siehe also, meine Tochter, und erwäge, was für Gutes der Ablaß dieser Stadt bei den Menschen bewirkt, welche mit heiliger Absicht um seinetwillen hierher kommen. Denn wenn jemand auch tausend Jahre geschenkt würden, wie sie wegen des Glaubens und der Andacht derer gegeben werden, welche da kommen, so wäre es doch wenig im Vergleiche der Gnade der Liebe, welche wahrhaft dieses Ablasses wegen, welchen meine Heiligen durch ihr Blut verdient haben, geschenkt und verdient wird."
Vom anderen Kriegsmann in derselben Offenbarung, welcher aus Holland war, sprach der Sohn Gottes: "Was hat Dir jener Großsprecher, jener Windbeutel gesagt? Ist es nicht das, daß viele zweifeln an meinem Schweißtuche, ob es das wahre sei oder nicht? Sage ihm nun beständig vier Worte, die ich Dir sage. Das erste ist, daß viele Schätze sammeln, und wissen nicht, für wen? Zweitens, daß jeder, welcher des Herrn anvertrautes Pfund nicht fröhlich verwendet, sondern unnütz bewacht, ins Gericht fällt. Das dritte ist, daß derjenige, welcher die Erde und das Fleisch mehr liebt, als Gott, nicht in der Genossenschaft derer sein wird, welche nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten. Das vierte ist, daß ein jeglicher, welcher die Rufenden nicht erhört, selber rufen und nicht erhört werden wird. Von meinem Schweißtuche soll er wissen, daß, wie der Schweiß meines Blutes beim Beginn meines Leidens und als ich zum Vater flehte, von meinem Leibe rann, also jener Schweiß von meinem Gesichte wegen der Tugend derjenigen, welche mich bat, den Nachkommen zum Troste geflossen ist."
Der dritte Kriegsmann derselben Offenbarung war aus Schweden. Über ihn geschah folgende Offenbarung. Der Sohn Gottes sprach: "Es steht geschrieben: Der Mann wird erlöst durch das gläubige Weib. (I, Korinth, VII.) So ist das Weib dieses Mannes gelaufen und hat ihren Mann mit beiden Händen aus des Teufels Rachen herausgerissen. Denn mit der einen Hand, nämlich: durch Thränen, Gebete und Werke der Liebe, hat sie ihn der Hand des Teufels entzogen. Mit der anderen Hand hat sie ihn durch Ermahnungen, ihr Beispiel und Unterweisung losgemacht, so daß er schon dem Wege des Heiles sich nähert. Darum ist auch dreierlei zu beachten, das im gemeinen Gesetze geschrieben steht. Es ist darin die Rede von dreierlei Verhältnissen; 177 das eine heißt Besitzen, das andere wird Verkaufen genannt und das dritte ist Kaufen. Vom ersten, dem Besitzen, heißt es, daß nichts mit Recht besessen wird, was nicht auf rechtmäßige Weise erworben wird. Denn wenn man etwas durch trügliche Erfindungen, durch böse Gelegenheiten um zu geringen Preis gewinnt, so ist eine solche Erwerbung Gott nicht angenehm. Das zweite Verhältnis heißt Verkaufen. Bisweilen wird aus Not oder aus Furcht, zuweilen auch mittels Gewalt oder infolge ungerechter Richtersprüche irgend etwas verkauft. Ein solches Gewissen muß erforscht werden, wenn anders Mitleid und Liebe im Herzen sind. Das dritte Verhältnis heißt Kaufen; wer eine Sache kaufen will, muß forschen, ob die Sache, womit etwas gekauft wird, mit Recht erworben worden. Nach dem Gesetze wird nämlich nicht zugelassen, daß irgend etwas durch ungerechte Erpressung erworben werde. Darum soll man die vorgedachten drei Verhältnisse in seinem Gemüte gründlich erforschen und sich überzeugt halten, daß mir von allem, auch von dem, was die Eltern jemand hinterließen, Rechenschaft abgelegt werden muß, wenn davon mehr um der Welt willen oder über den gebührenden Nutzen, als um Gottes willen ausgegeben worden. Ein solcher soll auch wissen, daß er mir über seinen Kriegsdienst Rechenschaft zu geben hat, auch darüber, mit welcher Absicht er denselben übernommen, wie er denselben gehalten, und wie er das Gelübde, das er mir geleistet, erfüllt hat."
Kapitel LXXXII.
Christus redet mit der Braut und sagt zu ihr, wie eine andächtige Seele als Braut einen lieblichen Mund, reine Ohren, schamhafte Augen und ein beständiges Herz haben soll. Er giebt über alle diese Glieder eine gar schöne geistliche Auslegung.
Der Sohn sprach: "Du sollst wie eine Braut einen lieblichen Mund, reine Ohren, schamhafte Augen und ein beständiges Herz haben. Solches muß die Seele haben: Den Mund des reinen Gemütes, und darin darf nichts eingehen, als was mir gefällt. Der Mund, d. h. das reine Gemüt, muß auch lieblich sein im Dufte guter Gedanken und vom beständigen Andenken an meine Leiden; er soll auch rot sein, d. h. brünstig von göttlicher Liebe; denn wie keiner danach verlangt, einen bleichen Mund zu küssen, so gefällt mir auch eine Seele durchaus nicht, wenn sie nicht lediglich aus gutem Willen gute Werke verrichtet. Das Gemüt muß auch wie der Mund zwei Lippen haben, d. i. zwei Neigungen, eine, welche das Himmlische begehrt, die andere, welche alles Irdische 178 verachtet. Der untere Gaumen der Seele aber muß die Furcht des Todes, durch welchen die Seele vom Leibe geschieden wird, und die Besorgnis sein, wie sie dann beschaffen sein werde; der obere Gaumen aber soll die Furcht des schrecklichen Gerichtes sein. Zwischen beiden soll die Zunge der Seele wohnen. Was aber ist die Zunge der Seele anderes, als die beständige Betrachtung meiner Barmherzigkeit? Betrachte also meine Barmherzigkeit, wie ich Dich erschaffen und erlöst habe, und wie ich Dich trage. Bedenke auch, ein wie strenger Richter ich bin, der ich nichts unbestraft lasse, und gedenke, wie ungewiß des Todes Stunde ist. Die Augen der Seele sollen einfältig sein wie die einer Taube, welche an den Wassern den Habicht erblickt, d. h. Dein Gedanke soll allezeit bei meiner Liebe und meinem Leiden und bei den Worten und Werken meiner Auserwählten sein, woraus Du erkennen wirst, wie der Teufel Dich wird betrügen können, so daß Du niemals Deiner sicher sein kannst. Deine Ohren sollen rein sein, daß Du nicht verlangen mögest, leichtfertige und lächerliche Reden zu hören. Das Herz aber soll beständig sein, so daß Du den Tod nicht fürchtest, indem Du Deinen Glauben bewahrst und Dich wegen der Verachtung in der Welt nicht schämest. Betrübe Dich um meiner, Deines Gottes, willen nicht über leiblichen Schaden."
Kapitel LXXXIII.
Christus redet mit der Braut und sagt, daß sie ihn wie ein guter Diener seinen Herrn, wie ein guter Sohn seinen Vater, wie eine treue Gattin ihren Gemahl, welcher niemals von ihr geschieden werden darf, lieben soll. Er legt alles Gesagte geistlich und nützlich aus.
Der Sohn sprach: "Ich liebe Dich wie ein guter Herr seinen Diener, wie ein Vater seinen Sohn und wie ein Gatte seine Gattin. Der Herr spricht zu seinem Diener: Ich werde Dir Kleidung, angemessenen Unterhalt und mäßige Arbeit geben. Der Vater aber spricht zu seinem Sohne: Alles, was mein ist, gehört Dir. Der Mann dagegen spricht zur Frau: Meine Ruhe ist Deine Ruhe, mein Trost der Deinige. Was sollen nun diese drei für eine so 179 große Liebe antworten? Der Diener wird, wenn er gut ist, zum Herrn sprechen: Weil ich einmal dienenden Standes bin, so will ich lieber Dir, als einem anderen, dienen. Der Sohn aber wird zum Vater sagen: Weil ich jegliches Gute von Dir habe, will ich mich von Dir nicht trennen. Die Frau dagegen spricht zum Manne: Weil ich durch Deine Arbeit unterhalten werde, Wärme an Deiner Brust und Süßigkeit in Deinen Worten empfange, so will ich lieber sterben, als getrennt werden von Dir. Ich, der Herr, bin jener Gatte; die Seele ist meine Braut, welche in meiner Ruhe Trost empfangen, mit der Speise meiner Gottheit erquickt werden soll; ihr kommt zu, lieber alle Qualen zu erdulden, als sich von mir zu trennen, weil sie ohne mich weder Trost, noch Ehre hat. Zum Ehestand aber gehört zweierlei: Erstens Vermögen, womit die Eheleute ihren Unterhalt bestreiten; zweitens ein Sohn, der ihre Erbschaft hinnimmt, während der Diener seinen Dienst verrichten soll. So wird von Abraham gelesen, er sei betrübt gewesen, daß er keinen Sohn hatte. Die Seele hat aber dann das zum Unterhalt nötige Vermögen, wenn sie mit Tugenden erfüllt ist. Sie hat auch einen Sohn, wenn sie die Vernunft zum Unterscheiden hat, nämlich die Tugenden von den Lastern zu unterscheiden, und wenn sie unterscheidet, solches nach Gott thut. Sie hat auch einen Diener, d. h. die fleischliche Neigung; derselbe lebt aber nicht nach der Begierlichkeit des Fleisches, sondern wie es dem Körper zuträglich ist und daß die Seele vervollkommnet wird. Darum liebe ich Dich wie der Mann die Gattin, weil meine Ruhe Deine Ruhe ist und Dir steht es zu, lieber alle Trübsal gern zu dulden, als mich zum Zorne zu reizen. Ich liebe Dich auch wie ein Vater seinen Sohn, weil ich Dir Unterscheidungsvermögen und freien Willen gegeben habe. Ich liebe Dich ferner wie der Herr seinen Diener, dem ich vorgeschrieben, mäßige Bedürfnisse und mäßige Arbeit zu haben. Dieser Diener aber, d. h. der Leib, ist so unverständig, daß er lieber dem Teufel, als mir, dienen will; denn der Teufel läßt ihm nie Ruhe von den Sorgen der Welt." 180
Kapitel LXXXIV.
Christus redet mit der Braut und sagt, es seien ihrer drei betrogen worden durch ein Weib, einer davon ist einem gekrönten Esel vergleichbar, der andere hat ein Hasenherz und der dritte Ähnlichkeit mit einem Basilisken. Darum soll das Weib allezeit dem Manne unterthan sein
Der Sohn sprach: "Von dreien liest man, daß sie durch Weiber betrogen worden sind. Der erste war ein König, dem seine Buhle ins Angesicht schlug, als er ihr nicht zulächelte, weil er so thöricht war, sie nicht zu zügeln, noch um seine Ehre sich kümmerte. Er war einem gekrönten Esel zu vergleichen; einem Esel seiner Narrheit wegen, einem gekrönten in Anbetracht seiner Würde. Der zweite war Samson, welcher, wiewohl der Stärkste, doch von einem Weibe überwunden worden; er hatte ein Hasenherz, weil er ein Weibsbild nicht hat bezwingen können. Der dritte war Salomon, der einem Basilisken ähnlich gewesen, dessen Anblick tötet, selber aber durch einen Spiegel getötet wird. So hat Salomon alle an Weisheit übertroffen, aber das Antlitz eines Weibes hat ihn getötet. Darum ist es nötig, daß das Weib dem Manne unterthan sei."
Kapitel LXXXV.
Christus redet mit der Braut und sagt ihr, daß vor ihm zwei Blätter eines Buches sind; auf dem einen ist die dreifache Barmherzigkeit, auf dem anderen die Gerechtigkeit geschrieben; er ermahnt sie, da sie, da sie noch Zeit habe, sich der Barmherzigkeit zuwenden möge, um nachher nicht durch die Gerechtigkeit bestraft zu werden.
Der Sohn sprach zur Braut: "Ich bin der Schöpfer aller Dinge. Vor mir habe ich gleichsam zwei Blätter, Auf dem einen ist die Barmherzigkeit, auf dem anderen die Gerechtigkeit geschrieben. Wer von den Sünden sich zur Reue wendet und sich vornimmt, dieselben nicht wieder zu begehen, zu dem spricht die Barmherzigkeit, daß ihn mein Geist entzünden wird, gute Werke zu thun; wer Kapitel LXXXVI.
Die Mutter Gottes redete und sprach, wie sie einer Blume gleiche, aus welcher die Bienen Süßigkeit ziehen. Die Bienen sind die Diener und Auserwählten Gottes, welche aus ihm täglich die Süßigkeit der Gnade ziehen und geistliche Flügel und Füße haben. Die Mutter sprach: "Ich bin die Königin und Mutter der Barmherzigkeit. Mein Sohn, der Schöpfer aller Dinge, ist von so süßen Empfindungen gegen mich ergriffen, daß er mir von allem, das erschaffen worden, das geistliche Verständnis gewährt hat. Deshalb bin ich einer Blume gar ähnlich, aus welcher die Bienen vornehmlich Süßigkeit herausziehen. So viel auch aus derselben gesammelt wird, es bleibt nichtsdestoweniger in ihr viel Süßigkeit 182 zurück. Also kann ich für alle Gnade erlangen und behalte noch genug übrig. Aber auch meine Auserwählten sind den Bienen ähnlich, wenn sie mit ganzer Andacht für meine Ehre ergriffen sind. Sie haben wie die Bienen zwei Füße, nämlich einmal ein beständiges Verlangen, meine Ehre zu vermehren; zweitens arbeiten sie sorgfältig und sind thätig, so viel sie vermögen. Sie haben auch zwei Flügel, indem sie sich für unwürdig halten, mich zu loben und mir in allem gehorsam sind, was meine Ehre betrifft. Sie haben auch einen Stachel und sterben, wenn derselbe ihnen gebricht; das sind die Trübsale der Welt, welche vor dem Ende des Lebens um der Bewahrung der Tugenden willen nicht von ihnen genommen werden; ich aber, die ich an Trost Überfluß habe, will sie trösten." Christus redet mit der Braut und spricht, wie sie schöne und unbefleckte Glieder haben müsse, wobei er alle Glieder auf geistliche Weise der vollkommenen Liebe Gottes und der Nächsten, besonders der Freunde Gottes, vergleicht. Er schließt damit, daß sie geistlicherweise thun soll, was der Phönix leiblich thut, welcher Holz zusammenträgt und sich selbst verbrennt. Der Sohn sprach zur Braut: "Ich habe Dir vorhin gesagt, Du müßtest helle Augen haben, um das Böse zu erkennen, das Du gethan, sowie das Gute, das Du unterlassen hast. Dein Mund, d. h. Dein Herz, soll rein sein von aller Makel. Die Lippen aber sind das zweifältige Verlangen, nämlich das Verlangen, alles um meinetwillen zu verlassen, und der Wille, bei mir zu bleiben. Diese Lippen nun sollen von roter Farbe sein; diese ist unter den Farben die schönste und ist am weitesten sichtbar. Die Farbe aber bedeutet die Schönheit; diese nun ist in allen Tugenden, weil es Gott am angenehmsten ist, wenn das ihm angeboten wird, was der Mensch am meisten liebt, und wodurch andere in ihrer Seele am meisten erbaut werden können; deshalb also soll Gott gegeben werden, was der Mensch am meisten lieb hat, entweder durch Neigung oder Thätigkeit. Wie Gott sich gefreut, nachdem er seine Werke vollbracht hatte, so freut sich Gott auch, wenn sich der Mensch ihm 183 ganz aufopfert, so daß er in Schmerz und Freude zu sein je nach dem Willen Gottes bereit ist. Die Arme aber sollen gelenkig und biegsam sein zur Ehre Gottes. Der linke Arm nun ist die Betrachtung des Guten und der Wohlthaten, welche ich Dir erwiesen, indem ich Dich erschuf und erlöste, und Deiner Undankbarkeit gegen mich. Der rechte Arm aber ist eine so feurige Liebe zu mir, daß Du lieber Martern erdulden, als mich zum Zorne reizen möchtest. Zwischen diesen beiden Armen ruhe ich gern und Dein Herz wird mein Herz sein, weil ich wie ein Feuer der göttlichen Liebe bin, und deshalb inbrünstig von Dir geliebt sein will. Die dem Herzen zum Schutz dienenden Rippen sind Deine Eltern, jedoch nicht die leiblichen, sondern meine Auserwählten, welche Du, wie mich selber, zu lieben schuldig bist, und mehr, als die leiblichen Eltern. Sie sind in Wahrheit Deine Eltern, weil sie Dich zum ewigen Leben wiedergeboren haben. Die Haut muß rein und fleckenlos sein, worunter die Liebe zum Nächsten zu verstehen ist; liebst Du denselben wie Dich selber, so wird meine und meiner Heiligen Liebe unverletzt erhalten; hassest Du jedoch, so wird das Herz verletzt, die Rippen werden bloßgelegt, d. h. die Liebe zu meinen Heiligen wird geringer an Dir. Darum darf die Haut keinen Flecken haben, weil Du Deinen Nächsten nicht hassen darfst, sondern alle nächst Gott lieben sollst; denn alsdann ist mein Herz gesund in Deinem Herzen. Noch habe ich Dir gesagt, wie ich inbrünstig geliebt werden will, weil ich das Feuer der göttlichen Liebe bin. In meinem Feuer zeigen sich drei wunderbare Erscheinungen. Erstens, daß es brennt, ohne jemals entzündet zu werden; zweitens, daß es niemals verlöscht; drittens, daß es stets brennt und nimmer verzehrt wird. So war meine Liebe vom Anfange an zum Menschen in meiner Gottheit, welche bei der Annahme meiner Menschheit stärker brannte und so sehr brennt, daß sie nie erlöscht, sondern die Seele inbrünstig macht, dieselbe auch nicht verzehrt, sondern immerfort noch mehr stärkt, wie Du es am Phönix sehen kannst, welcher, wenn er vom Alter beschwert ist, auf einem hohen Berge Holz zusammenleset, dasselbe an der Glut der Sonne entzündet und sich dann in das Feuer hineinstürzt, und wenn das Feuer ihn getötet hat, wieder auflebt. Also ersteht die Seele, welche vom Feuer der göttlichen 184 Liebe entzündet wird, aus demselben wie ein besserer und stärkerer Phönix wieder auf." Christus redet mit der Braut und spricht, daß alles, was erschaffen worden, nach seinem Willen sei, nur nicht die Menschen. Er sagt ferner, wie dreierlei Menschen hier aus der Welt sind, die sich mit drei Schiffen vergleichen lassen, welche auf dem Meere dahinfahren, deren erstes in Gefahr gerät und untergeht, deren zweites hin- und wiedertreibt und deren drittes wohl gesteuert wird. Der Sohn sprach: "Ich bin der Schöpfer aller Geister, der guten wie der bösen. Ich bin der Beherrscher aller Geister, ingleichen auch der Schöpfer aller Wesen und Dinge, die da sind und Leben haben, wie auch derer, die da sind, ohne Leben zu haben. Alles also, was im Himmel, auf Erden und im Meere ist, ist mir zu Willen, nur allein der Mensch nicht. Wisse nun, wie einige Menschen einem Schiffe gleichen, das sein Steuerruder und seinen Mast verloren, und nun hin- und hergetrieben wird unter den Stürmen des Meeres, bis es an die Gestade der Insel des Todes gelangt; obwohl sie an ihrer Rettung verzweifeln, ergeben sie sich doch allen Lüsten. Andere sind wie ein Schiff, das noch Mastbaum und Steuerruder, auch einen Anker mit zwei Seilen hat; allein der Hauptanker ist zerbrochen und das Steuerruder ist im Begriffe, auseinanderzugehen, sobald der Wogendrang an das Schiff und Steuerruder schlägt; mögen sie sich vorsehen, denn so lange Steuerruder und Schiff zusammenhangen, haben sie wegen ihrer Verbindung gleichsam einige Wärme gegeneinander. Das dritte Schiff hat noch seine ganze Ausrüstung und Bewaffnung, und ist bereit, die Segel zu lichten, wenn es Zeit ist. Der Hauptanker, von dem ich eben sprach, ist die Zucht der Religion; derselbe wird durch die Geduld und Inbrunst der göttlichen Liebe gezogen und glatt erhalten. Nun ist er aber zerbrochen, weil die Unterweisung der Väter unterdrückt ist und ein jeder nach seinem Gutdünken sich seine Religion macht, so daß er wie ein Schiff zwischen den Fluten schwankt. Der zweite Anker, welcher noch unverletzt ist, wie ich eben gesagt, ist der Wille, Gott zu dienen; er ist mit zwei Seilen befestigt, nämlich 185 mit der Hoffnug und dem Glauben, weil sie an mich, an Gott, glauben und auf mich ihre Hoffnung setzen, daß ich sie retten wolle, deren Steuerruder ich bin; so lange ich im Schiffe sein werde, kommen die Sturmwellen nicht in dasselbe, und es ist gleichsam einige Wärme zwischen mir und ihnen. Alsdann aber hange ich, Gott, ihrem Schiffe an, wenn sie nichts so wie mich lieben; ich hefte mich an sie wie mit drei Nägeln, nämlich der Furcht, der Demut und der Betrachtung meiner Werke; wenn sie aber etwas mehr lieben, als mich, dann dringt das Wasser der Auflösung hinein, die Nägel geben sich los, d. h. die Furcht, die Demut und die göttliche Betrachtung; dann bricht der Anker des guten Willens und reißen die Seile des Glaubens und der Hoffnung; aber die sich auf diesem Schiffe befinden, sind gar zu unbeständig und richten ihre Fahrt an gefährliche Stellen. Auf dem dritten Schiffe, von welchem ich sprach, das die Segel zu lichten bereit war, befinden sich meine Freunde." Christus redet mit der Braut und sagt ihr die Weise, welche ein geistlicher Streiter im Treffen beobachten muß, nämlich, daß er auf Gott, nicht aber auf seine eigene Kraft vertrauen soll; er giebt ihm zwei kurze Gebete, die er täglich beten soll, und sagt auch, daß er mit geistlichen Waffen, die hierin mitenthalten sind, gewaffnet sein soll. Der Sohn sprach: "Ein jeglicher, der da streiten will, muß beherzt sein und wieder aufstehen, wenn er fällt, auch nicht auf eigene Kräfte, sondern auf meine Barmherzigkeit sich verlassen. Denn wer in meine Güte Mißtrauen setzt und bei sich also denkt: Fange ich etwas an, indem ich entweder das Fleisch mit Fasten zügele oder arbeite mit Wachen, so werde ich es doch nicht beharrlich hinausführen können, weil Gott mir nicht beisteht, der verdient es, wenn er fällt. Wer nun also geistlich kämpfen will, vertraue auf mich, und daß er's unter dem Beistande meiner Gnade hinauszuführen vermöge. Dann soll er den Willen haben, Gutes zu thun und Böses zu unterlassen, und so oft wieder aufzustehen, als er gefallen, auch folgendes Gebet sprechen: Herr, allmächtiger Gott, 186 der Du alle zum Guten führest, ich Sünder bin gar zu weit abgewichen von Dir durch meine Missethaten; ich sage Dir Dank, daß Du mich zurückgebracht auf den rechten Weg; ich bitte Dich, liebreichster Jesu, Du, der Du blutig und voll Schmerzen am Kreuze gehangen, wollest Dich meiner erbarmen. Und ich bitte Dich bei Deinen fünf Wunden, bei dem Schmerze, der von Deinen durchbohrten Adern zum Herzen hindrang, Du wollest mich bewahren diesen Tag, daß ich nicht in Sünden falle. Gieb mir auch Kraft, den Geschossen des Feindes zu widerstehen, und mich männlich wieder zu erheben, wofern es mir begegnen sollte, in Sünden zu verfallen. Damit aber der Streitende im Guten verharren möge, soll er auf folgende Art beten: Herr Gott, dem nichts unmöglich ist, und der Du alles vermagst, gieb mir Stärke, gute Werke zu thun und im Guten verharren zu können. Hierauf soll er das Schwert in die Hand nehmen, d. h. eine aufrichtige Beicht, die wohl gefeilt und glänzend sein muß; gefeilt, daß er fleißig sein Gewissen erforsche, wie, wie viel und wo er gefehlt und aus welcher Ursache; auch glänzend soll sie sein, daß er sich in nichts schäme oder verberge, noch anders sage, als wie er gesündigt. Dies Schwert muß zwei scharfe Schneiden haben, nämlich: den Willen, nicht ferner zu sündigen, und den Willen, das Begangene zu bessern. Die Spitze dieses Schwertes ist die Reue; mit derselben wird der Teufel getötet, wenn der Mensch, wie er früher an der Sünde seine Lust gefunden, also jetzt Reue empfindet und darüber seufzt, daß er mich, Gott, zum Zorne gereizt hat, Dieses Schwert muß auch einen Griff haben, d. h. die Betrachtung der großen Barmherzigkeit Gottes, welche so groß ist, daß niemand ein solcher und so großer Sünder ist, der nicht Verzeihung erhielte, wenn er um dieselbe, mit dem Willen, sich zu bessern, bittet. Mit dieser Meinung nämlich, daß Gott über alles barmherzig sei, muß das Schwert der Beicht gehalten werden; damit aber nicht etwa durch die Schneiden die Hand verletzt werde, muß das Eisen vorstehen, das sich zwischen Schneide und Griff befindet. Daß aber das Schwert nicht etwa aus der Hand falle, soll der Knopf verhindern. Ähnlicherweise, soll, wer das Schwert der Beicht hat 187 und hofft, daß durch Gottes Barmherzigkeit die Sünden erlassen und gereinigt werden, sich hüten, daß er nicht falle durch vermessenes Vertrauen auf Verzeihung und vielmehr fürchten, Gott möge die Gnade hinwegnehmen und wegen zu großer Vermessenheit seinen Zorn senden. Daß aber die Hand der Arbeit durch übergroßen Eifer und Unklugheit nicht verwundet und verkürzt werde, soll das Eisen, das zwischen Hand und Schneide ist, verhindern, d. h. die Betrachtung der Gerechtigkeit Gottes; obwohl ich so gerecht bin, daß ich nichts ungestraft und ununtersucht hingehen lasse, bin ich doch so barmherzig und billig, daß ich nichts über dasjenige hinaus verlange, was die Natur wohl zu ertragen imstande ist und des guten Willens halber die größte Strafe und eine große Sünde um einer geringen Genugthuung willen erlasse. Der Panzer des Kriegsmannes aber ist die Enthaltsamkeit. Wie der Panzer aus vielen kleinen Ketten zusammengesetzt ist, so die Enthaltsamkeit aus vielen tugendhaften Übungen - in der Enthaltsamkeit der Augen vom Anblicke des Bösen und von dessen Genusse mit den übrigen Sinnen, von der Gefräßigkeit, der Unkeuschheit, dem Überflusse in der Nahrung und vielem anderen, was der heilige Benedikt zu unterlassen befohlen. Diesen Panzer kann sich aber niemand persönlich ohne eines anderen Hilfe anthun. Deshalb soll meine Mutter, die Jungfrau Maria, angerufen und geehrt werden, weil in ihr alles Maß des Lebens, jegliche Form der Tugenden gewesen ist. Wird sie beständig angerufen, so wird sie dem Herzen alle vollkommene Enthaltsamkeit zeigen. Der Helm aber ist die vollkommene Hoffnung; derselbe hat zwei Öffnungen, durch welche der Kriegsmann ausschaut. Die erste Öffnung ist der Gedanke an das, was man thun soll, die zweite ist die Beherzigung dessen, was man unterlassen soll; denn jeder, der auf Gott hofft, denkt immer daran, was er nach Gottes Willen thun, und was er lassen soll. Sein Schild aber soll die Geduld sein, mittels dessen er alles, was ihm begegnet, gern trägt." 188 Christus redet und sagt, daß seine Freunde wie sein Arm sind, weil er wie ein guter Arzt ihnen das faulende Fleisch wegschneidet, ingleichen alles schädliche, und ihnen gutes Fleisch anfügt, indem er sie in sich umwandelt. Der Sohn sprach: "Meine Freunde sind wie mein Arm. An einem Arm sind fünf Stücke: Haut, Blut, Knochen, Fleisch und Mark. Ich aber bin wie ein weiser Arzt, welcher zuerst alles Unnütze hinwegschneidet, nachher dem Fleische Fleisch und dem Knochen Knochen ansetzt, dann aber die Arznei zur Heilung anwendet. So habe ich an diesen meinen Freunden gethan. Zuerst habe ich von ihnen alle Begierlichkeit der Welt und alle unerlaubten Lüste des Fleisches hinweggenommen. Darauf habe ich mein Mark mit dem ihrigen verbunden. Was ist mein Mark anders als die Macht meiner Gottheit? Wie ohne Mark ein jeder Mensch ein Toter ist, so stirbt, wer nicht Gemeinschaft pflegt mit meiner Gottheit. Diese habe ich denn ihrer Schwachheit zugesellt, wenn meine Weisheit ihnen süß ist und Frucht bringt, indem ihre Seele erkennt, was sie thun und was sie lassen soll. Die Knochen bedeuten meine Stärke; diese habe ich mit der ihrigen vereintet, wenn ich sie stark mache, Gutes zu thun. Das Blut aber bedeutet den Willen; diesen habe ich mit dem ihrigen verbunden, wenn ihr Wollen dem meinigen folgt, und wenn sie nichts begehren, nichts suchen, als mich allein. Das Fleisch bedeutet meine Geduld; diese habe ich mit ihrer Geduld verknüpft, wenn sie geduldig sind, wie ich es gewesen, als ich vom Scheitel bis zur Sohle nichts Gesundes an mir hatte. Die Haut bedeutet die Liebe; mit dieser habe ich sie an mich gekettet, wenn sie nichts so sehr lieben, als mich, und unter meinem Beistande gern mit mir sterben wollen." 189 Christus ermahnt die Braut, sie solle sich vierfältig demütigen, nämlich: vor den Mächtigen der Welt, vor den Sündern, vor den geistlichen Freunden Gottes und vor den Armen der Welt. Der Sohn sprach zur Braut: "Du sollst Dich in vierfacher Weise demütigen. Zuerst vor den Mächtigen der Welt, weil der Mensch, seitdem er es verachtet hat, Gott zu gehorchen, verdient hat, daß er den Menschen gehorchen müsse. Und weil der Mensch ohne Regenten nicht bestehen kann, muß er sich vor den Mächtigen beugen. Zweitens vor den geistlich Armen, d. h. vor den Sündern, indem Du für sie betest und Gott dankst, daß Du vielleicht nicht gewesen, noch jetzt bist, wie sie. Drittens vor den geistlich Reichen, d. h. vor den Freunden Gottes, indem Du Dich für unwürdig hältst, denselben zu dienen und mit ihnen umzugehen. Viertens vor den Armen der Welt, indem Du ihnen beistehst, sie bekleidest, ihnen die Füße wäschest." Christus ermahnt die Braut, daß sie fortschreite und in den Tugenden ausharre, indem sie dem Leben der Heiligen nachfolge, damit sie sein Arm werde; denn er beweist, daß die Heiligen zum Arme Christi werden. Der Sohn sprach: "Ich habe Dir vorhingesagt, daß meine Freunde mein Arm sind. Wahrlich, er ist in ihnen, denn er ist Vater, Sohn und heiliger Geist und meine Mutter sammt dem ganzen himmlischen Heere. Die Gottheit ist wie das Mark, ohne das niemand lebt; die Gebeine sind meine Menschheit, welche stark war, um zu leiden; der heilige Geist aber ist wie das Blut, das alles erfüllt und erfreut; meine Mutter dagegen ist wie das Fleisch, in welchem die Gottheit und Menschheit und der heilige Geist war; die Haut aber ist das ganze himmlische Heer. Wie die Haut das Fleisch bedeckt, so übertrifft meine Mutter alle Heiligen an Tugend. Denn wie rein auch die Engel sein mögen, so ist sie noch reiner, 190 und wie erfüllt auch die Propheten vom Geiste Gottes gewesen, wie vieles auch die Märtyrer erlitten haben mögen, völliger und feuriger war doch in meiner Mutter der Geist, und sie war mehr als ein Märtyrer; wenn die Bekenner sich auch von allem enthielten, so hatte meine Mutter doch eine vollkommenere Enthaltsamkeit, weil in ihr meine Gottheit samt meiner Menschheit war. Wenn also meine Freunde mich haben, so ist in ihnen die Gottheit, von welcher die Seele lebt; es ist in ihnen die Stärke meiner Menschheit, wodurch sie stark werden bis zum Tode und das Blut meines Geistes, wodurch ihr Wille zu allem Guten bewegt wird. Auch alsdann ist ihr Fleisch mit meinem Blute und Fleische erfüllt, wenn sie sich nicht beflecken wollen und unter dem Beistande meiner Gnade in der Keuschheit erhalten. Meine Haut auch hat sich mit der ihrigen verbunden, wenn sie Leben und Wandel meiner Heiligen nachahmen. So werden nun also meine Heiligen recht wohl mein Arm genannt; und auch Du mußt durch den Willen im Guten fortschreiten, und, indem Du ihnen, soweit Du vermagst, nachfolgst, ein Glied derselben werden. Denn wie ich sie mit mir durch die Verbindung meines Leibes verbinde, so mußt Du mit ihnen und mir gerade durch diesen meinen Leib verbunden werden." Christus spricht zur Braut und gebietet ihr dreierlei, nämlich: sie soll nichts verlangen, als Nahrung und Kleidung; sie soll das Geistliche nur nach dem Willen Gottes zu haben begehren, und über nichts traurig sein, als über ihre und anderer Sünden. Er sagt ihr auch, wie diejenigen, welche in diesem Leben ihre Sünden nicht durch die Strenge der Buße reinigen und bessern wollen, im göttlichen Gerichte gar schwer bestraft werden. Der Sohn sprach: "Dreierlei gebiete ich Dir, nämlich: nichts zu verlangen, außer Nahrung und Kleidung; zweitens, Geistliches nur nach meinem Willen zu begehren; drittens, über nichts traurig zu sein, als über Deine und anderer Sünden. Denn wenn Dich Schmerz ergreifen will, so betrachte die Strenge meines Gerichtes. Dieselbe kannst Du erwägen und fürchten lernen an einem Menschen, der bereits gerichtet worden. Als derselbe ins Kloster eintrat, 191 hatte er dreierlei im Sinne, wie er ohne Arbeit sein und seinen Unterhalt ohne Sorge haben möchte, und drittens dachte er, wenn mich die Versuchung des Fleisches erfaßt, werde ich mich bei irgend einer Gelegenheit, ohne mich fleischlich vermischen zu dürfen, derselben erledigen. Deshalb nun ist er dreifältig geplagt; denn gerade, weil er ohne Arbeit hat sein wollen, ist er mit Worten und Schlägen zur Arbeit genötigt worden, zweitens hat er Mangel an Leibesnahrung, auch Entblößung erlitten; drittens ist er von allen verachtet worden, und zwar so sehr, daß er an der Wollust keine Freude hat haben können. Als die Zeit nahte, wo er Profeß thun sollte, dachte er bei sich also: Weil ich in der Welt doch auch nicht ohne Arbeit werde leben können, so ist es besser für mich, im Kloster zu sein und für Gott zu arbeiten. Darum ist unter Mitwirkung solchen Willens meine Barmherzigkeit samt der Gerechtigkeit zu ihm gekommen, auf daß er gereinigt zur ewigen Herrlichkeit gelangen möchte; denn nachdem er das Gelübde abgelegt hatte, ward er alsbald von schwerer Krankheit betroffen und von solchem Wehe heimgesucht, daß ihm die Augen vor Schmerz übergingen, die Ohren nichts hörten und ihm alle Glieder versagten, weil er ohne Beschwerde und Arbeit hatte sein wollen. Er litt auch an größerer Entblößung, als in der Welt, und wenn er feinere Speise hatte, vermochte er dieselben nicht zu genießen, wenn aber die Natur dieselben erforderte, hatte er sie nicht. So zehrte sich seine Natur noch vor dem Tode ab, so daß er wie ein ungeschickter Klotz wurde. Nachdem er aber gestorben war, kam er vor das Gericht wie ein Dieb, weil er im Orden hatte sein wollen nach seinem Willen, aber nicht, um frömmer zu leben; jedoch sollte er nicht verurteilt werden wie ein Dieb, weil er, obwohl ein Kind und Narr im Verstande und Gewissen, doch auf mich, seinen Gott, seinen Glauben und seine Hoffnung setzte, und deshalb ward er gerichtet nach der Barmherzigkeit. Weil aber seine Sünde durch die leibliche Pein nicht völlig gereinigt werden konnte, wird seine Seele noch schwer im Fegfeuer gestraft, gleichsam als wenn man die Haut abzöge und die Knochen unter eine Presse legte, damit das Mark besser herausgedrückt werden könne. Wie werden nun die leiden müssen, deren ganzer Lebenslauf in der Sünde sich hinzieht, denen nichts Widerwärtiges begegnet und die solches auch nicht haben mögen? Wehe ihnen! 192 denn sie sprechen zu mir: Warum ist Gott gestorben, oder was nützt sein Tod? So vergelten sie mir, daß ich sie erlöst habe, daß ich sie erhalte, ihnen Gesundheit und Unterhalt gewähre. Und darum will ich von ihnen das Gericht fordern, weil sie den Glauben gebrochen, den sie in der Taufe gelobt, und weil sie täglich sündigen und meine Gebote verachten. Nicht das geringste, wozu sie im Orden verbunden sind, will ich ungestraft hingehen lassen. Dieser Bruder hatte eine heimliche Sünde, welche er niemals hat beichten wollen. Auf Befehl Christi kam die heilige Brigitta zu ihm und sprach: "Thue aufmerksame Buße; Du hast etwas Geheimes im Herzen und wirst nicht sterben können, solange Du es verschlossen halten wirst." Jener antwortete ihr, "er habe nichts, das bei seiner Buße nicht offengelegt worden." Und sie: "Forsche nach, in welcher Absicht Du ins Kloster getreten bist, und in welcher Absicht Du darin bisher gelebt hast, und Du wirst in Deinem Herzen die Wahrheit finden." In Thränen aufgelöst sprach er nun: "Gebenedeit sei Gott, der Dich zu mir geschickt hat. Nachdem Du nun einmal von meinem Geheimnisse gesprochen, will ich denen, die da hören, die Wahrheit sagen. Ich habe allerdings etwas Heimliches auf dem Herzen, das ich niemals zu verraten wagte, noch auch vermochte, weil, so oft ich anderer Sünden halber Buße that, rücksichtlich jener meine Zunge immer gleichsam gebunden war, mich auch übergroße Scham befiel, so daß ich den verborgenen Gewissensbiß meines Herzens nicht bekannte. So oft ich also nun meines Herzens Bekenntnis ablegte, erfand ich mir einen neuen Schluß meiner Beicht mit den Worten: O Vater, ich bekenne auch meine Schuld in Bezug auf alles, das ich Euch gesagt, und auch rücksichtlich dessen, was ich nicht gesagt, wobei ich glaubte, daß durch diesen Schluß alle meine geheimen Sünden vergeben würden. Jetzt aber, Frau, möchte ich, wofern es Gott gefiele, gern der ganzen Welt sagen, was ich in meinem Herzen so lange Zeit verheimlicht habe." - Als nun ein Beichtvater gerufen worden, legte er unter Thrünen vollständig alle jene Sünden dar und starb noch in der nämlichen Nacht. 193 Christus lehrt der Braut schöne Gebete, welche sie sprechen soll, wenn sie sich ankleidet, wenn sie zu Tische und zum Schlafen geht. Auch ermahnt er sie, daß sie in aller Kleidung demütig und an ihren Gliedern ehrbar und bescheiden sein soll. Der Sohn Gottes redete zur Braut und sprach: "Die äußerliche Schönheit bedeutet die innere, welche der Mensch haben soll. Wenn Du Dir also die Haube aufsetzest, oder den Schleier, mit welchem Du die Haare zusammenfassest, über das Haupt wirfst, so sollst Du sprechen: O Herr Gott, ich danke Dir, daß Du mich getragen hast in meiner Sünde, und weil ich meiner Unenthaltsamkeit halber nicht würdig bin, Dich zu sehen, so verhülle ich meine Haare." Und der Herr fügte hinzu: "Die Unkeuschheit ist mir ein solcher Greuel, daß keine Jungfrau, welche auch nur den Willen hat, auszuschweifen, vor mir eine reine Jungfrau ist, es sei denn, daß sie diesen Willen durch die Buße bessert. - Wenn Du aber die Stirn verhüllst, sollst Du sprechen: O Herr Gott, der Du alles wohl gemacht, und den Menschen, herrlicher als alles, nach Deinem Bilde erschaffen hast, erbarme Dich meiner! Und weil ich nicht die Schönheit meines Angesichts bewahrt habe zu Deiner Ehre, verhülle ich meine Stirn. - Wenn Du aber die Schuhe anziehst, so sprich: Gebenedeit seist Du, mein Gott, der Du mir befiehlst, Schuhe zu haben, auf daß ich stark und in Deinem Dienste nicht lau sei; tröste mich also, daß ich wandeln könne in Deinen Geboten. Auch in Deiner ganzen übrigen Kleidung herrsche Demut und in allen Deinen Gliedern züchtige Ehrbarkeit. - Wenn Du aber zu Tisch gehest, so sprich: O Herr Gott, wenn Du, wie Du kannst, wolltest, daß ich ohne Speise bestände, würde ich Dich gern darum bitten; nun aber, weil Du mir befiehlst, bescheidentlich Speise zu mir zu nehmen, bitte ich Dich, gewähre mir Enthaltsamkeit im Speisen, damit ich durch Deine Gnade essen möge nach dem Bedürfnisse der Natur, 194 nicht aber, wie meines Fleisches Begierde verlangt. - Wenn Du Dich zum Schlafe anschickest, sollst Du sprechen: Gebenedeit seist Du, Gott, der Du die Wechsel der Zeiten ordnest uns zur Erleichterung und zum Troste des Leibes und der Seele; ich bitte Dich, gieb meinem Körper Ruhe in dieser Nacht und bewahre mich unverletzt vor des Feindes Macht und Täuschung. Christus redet mit der Braut und erklärt ihr, welche Waffen die ungerechten führen und wie dieselben beschaffen sind; wenn sie sich der Sünde, mit dem Willen, darin zu verharren, rühmen, werden sie durch das Schwert der Strenge der göttlichen Gerechtigkeit getilgt werden. Der Sohn Gottes sprach: "Ich bin wie ein König, der zum Kampfe herausgefordert ist. Der Teufel mit seinem Heere steht wider mich. Ich bin aber in meinen Absichten und meinem Vorhaben so unwandelbar, daß eher Himmel und Erde, sammt allem, was darunter und darauf ist, einstürzen würden, bevor ich auch nur in einem Punkte von der Gerechtigkeit abwiche, wogegen der Teufel so sehr vom Stolze eingenommen ist, daß er, ehe er sich demütigte, lieber wollte, daß so viele Höllen wären, als Sonnenstäublein, und einer mit dem anderen ohne Ende leiden müsse. Nun nahen sich einige meiner Feinde bereits dem Gerichte, und es ist schon nicht mehr Raum, als zwei Fuß zwischen uns. Ihre Fahne ist aufgerichtet, der Schild schon am Arme, die Hand an dem Schwert, wenn auch noch nicht gezogen. So groß aber ist meine Geduld, daß ich nicht schlage, wofern sie nicht zuvor schlagen. Auf ihrer Fahne steht: Gefräßigkeit, Begierlichkeit und Wollust. Ihr Helm ist die Härte ihres Herzens, weil sie nicht auf die Strafe der Hölle achten und nicht bedenken, wie abscheulich mir die Sünde ist. Die Öffnungen des Helmes sind die Fleischeslust und der Wille, der Welt zu gefallen; mittels dieser streifen sie überall umher, und sehen, was nicht gesehen werden soll. Ihr Schild aber ist die Schalkheit, womit sie die Sünde entschuldigen und sie der Gebrechlichkeit des Fleisches zuschreiben; darum verschmähen sie es, wegen der Sünden um Verzeihung zu bitten. Ihr Schwert 195 ist der Wille, in der Sünde zu verharren; dasselbe ist noch nicht gezogen, weil ihre Bosheit noch nicht erfüllt ist; es wird aber gezogen, wenn sie den Willen haben, solange zu sündigen als sie leben und sie schlagen damit los, wenn sie sich der Sünde rühmen und im Stande der Sünde zu bleiben wünschen. Wenn nun also ihre Bosheit so erfüllt sein wird, dann wird eine Stimme in meinem Heere rufen und sprechen: Jetzt schlage drein! Und alsdann wird das Schwert meiner Strenge sie verzehren, und jeder, der also bewaffnet ist, wird der Strafe unterliegen. Ihre Seelen werden die Teufel an sich reißen, welche wie Raubvögel Seelen suchen, um sie ohne Unterlaß zu zerfleischen." Der Bräutigam erklärt der Braut, was der Zwischenraum von zwei Fuß und das Ausziehen des Schwertes bedeutet, wovon er im nächstvorhergehenden Kapitel gesprochen. Der Sohn sprach: "Ich habe Dir vorhin .gesagt, wie zwischen mir und den Feinden nur eine Entfernung von zwei Fuß ist. Der eine der beiden Fuße ist die Belohnung derjenigen guten Werke, welche sie für mich gethan haben. Darum wird von diesem Tage an die Schande sich mehren, ihre Ergötzung wird bitter, ihre Freude hinweggenommen werden, und Trübsal und Schmerz werden wachsen. Der zweite Fuß ist ihre Bosheit, welche noch nicht erfüllt ist, sondern wie man zu sagen pflegt, daß, wenn eine Sache angefüllt ist, dieselbe platzt, so werden, wenn Seele und Leib sich scheiden, dieselben von dem Richter verdammt werden. Das Schwert aber ist der Wille, zu sündigen. Dasselbe ist halb ausgezogen; denn wenn die Ehre abnimmt und Widerwärtigkeiten folgen, wird man stärker geängstigt und zur Sünde entzündet. Denn Glück und Ehre ließen die Leute nicht viel an die Sünde denken. Jetzt aber wünschen sie, um ihre Wollust zu vollbringen, länger zu leben und sündigen nun schon freier. Wehe ihnen! denn wenn sie sich nicht bessern, naht ihnen bereits ihr Verderben." 196 Christus redet mit der Braut von einem gewissen Prälaten, und läßt ihm sagen, daß er, wenn er durch Hoffart, durch Begehrlichkeit und durch weltliche Verwicklungen die Wärme der Andacht und heiligen Betrachtung eingebüßt, sich aber vollkommen vor Gott und dem Nächsten demütigt, die göttliche Wärme und das göttliche Licht wieder erhalten wird, so daß er die göttliche Süßigkeit empfindet. Der Sohn redete durch die Braut mit einem gewissen Prälaten und sprach zu ihm: "Du bist einem Mühlrade ähnlich, welches unbeweglich ist; wenn dasselbe feststeht, und sich nicht bewegt, so werden die Körner in der Mühle nicht zerrieben. Das Rad nun bedeutet Deinen Willen, welcher beweglich sein sollte, aber nicht nach Deinem Wollen und Verlangen, sondern nach dem meinigen; Du solltest Dich auch ganz in meine Hände überlassen. Allein dieses Rad ist viel zu unbeweglich nach meinem Willen, weil das Wasser des irdischen Gedankens zu sehr Dein Herz einnimmt. Die Betrachtung Deiner Werke aber und meiner Leiden ist wie tot in Deinem Herzen, deshalb mundet Dir die Speise der Seele nicht und ist nicht nach Deinem Geschmacke. Offne deshalb den verstopften Wasserlauf mit Gewalt, damit das Wasser abfließe, durch dessen Ablauf das Rad in Bewegung kommt und die Körner leicht zerrieben werden. Das Hindernis aber, welches das Wasser aufhält, ist die Hoffart des Herzens und der Ehrgeiz, wodurch die Gnade des heiligen Geistes verstopft, und alles Gute, wodurch die Seele Frucht bringen soll, verhindert wird. Ergreife deshalb die wahre Demut in Deinem Herzen; denn mit ihr wird die Süßigkeit meines Geistes in Deine Seele ein- und das irdische Denken abfließen. Durch dieselbe wird auch Dein Wille in Bewegung kommen und vollkommen sein nach meinem Willen. Und alsdann wirst Du anfangen, Deine Werke wie Körner zu sichten und die meinigen groß zu achten. Wahre Demut ist aber, sich um die Gunst der Menschen und ihre Widerreden nicht kümmern, auf meinem Wege, welcher vergessen und vernachlässigt worden, einherwandeln, das Überflüssige nicht suchen und nach den Einfältigen sich richten. Liebst Du diesen Weg, dann 197 schmeckt Dir das Geistliche, dann werden meine Leiden und der Weg meiner Heiligen Deinem Herzen süß. Alsdann wirst Du erkennen, wie sehr Du Schuldner der Seelen bist, die Du zu regieren übernommen hast. Weil Du nun also des Rades Höhe mit den beiden Füßen, d. h. mit der Macht und mit der Ehre, erstiegen, so ist Dir aus der Macht die Begierde und aus der Ehre die Hoffart gekommen. Deshalb steige nun herab, demütige Dich im Herzen, und bitte die Demütigen, daß sie für Dich beten. Denn ich werde Dir meine Gerechtigkeit wie einen sehr reißenden Fluß senden, und von Dir den letzten Heller, nämlich: Rechenschaft über Deine Neigung, über Deine Gedanken, über Dein Reden und Wirken fordern, wie auch die Seelen, welche ich Deiner Fürsorge anvertraut, und die ich selber mit meinem Blute erlöst habe." Christus redet zur Braut und spricht, daß die Sünder und Lauen mit vier Pfeilen, d. h. vierfachen Strafen, geschossen werben müssen, damit sie zur Reue und Besserung des Lebens demütiglich zurückgeführt werden. Der Sohn sprach: "Ich will meinen Freunden vier Pfeile geben. Sie müssen damit erstens auf den schießen, der auf dem einen Auge blind ist; zweitens auf den, welcher auf dem einen Fuße lahm ist; drittens auf den, welcher taub ist auf einem Ohre; viertens auf den, welcher auf die Erde niedergestreckt liegt. Auf einem Auge blind ist derjenige, der die Gebote Gottes und die Werke meiner Heiligen sieht, aber nicht beachtet, dagegen ein Auge hat auf die Freuden der Welt und dieselben begehrt. Ein solcher muß auf die Art geschossen werden, daß man also zu ihm spricht: Du gleichst dem Luzifer, welcher die höchste Schönheit Gottes schaute, aber, weil er mit Unrecht begehrte, was er nicht durfte, in die Hölle hinabfuhr, wohin auch Du fahren wirst, wenn Du nicht dadurch wieder zu Verstande kommst, daß Du die Vorschriften Gottes erkennst, und einsiehst, wie alles in der Welt vergänglich ist. Deshalb ist es am besten, daß Du festhältst, was gewiß ist, und das Vergängliche fahren lassest, auf daß Du nicht fahrest zur Hölle. Auf dem einen Fuße lahm aber ist derjenige, welcher zwar Reue 198 und Zerknirschung über die begangenen Sünden empfindet, jedoch sich bemüht, irdischen Vorteil und Gewinn zu erlangen, welche der Welt angehören. Auf diesen nun muß geschossen werden, daß ihm gesagt wird: Du bemühest Dich um den Nutzen des Leibes, den die Würmer gar bald speisen werden; arbeite darum in fruchtbarer Weise für Deine Seele, welche ewig leben soll. Auf dem einen Ohre ist aber derjenige taub, welcher zwar meine und meiner Heiligen Worte zu hören wünscht, das andere Ohr jedoch offen hat für leichtfertiges Geschwätz und für das, was die Welt angeht. Deshalb soll zu ihm gesagt werden: Du bist dem Judas ähnlich, der mit einem Ohre die Worte Gottes hörte, welche aus dem anderen wieder herausgingen. Was nutzte ihm also die vernommene Rede? Darum verschließe Du Deine Ohren vor dem leichtsinnigen Hören, auf daß Du mögest zum Gesange der Engel gelangen. Derjenige aber liegt gänzlich auf der Erde, welcher sich in das Irdische verwickelt, jedoch daran denkt und es auch wünscht, den Weg zu wissen, auf welchem er sich bessern könnte. Zu diesem nun soll man also sprechen: Diese Zeit ist kurz wie ein Augenblick; die Strafe der Hölle und die Herrlichkeit der Heiligen aber ist ewig. Damit Du denn zum wahren Leben kommen mögest, laß es Dir nicht beschwerlich sein, etwas Schweres und Bitteres auf Dich zu nehmen; denn wie Gott liebreich ist, also ist er auch gerecht. Wer nun also geschossen worden, daß der Pfeil blutig herausgeht aus dem Herzen, d. h. wer aufrichtige Reue empfindet und den Vorsatz der Besserung faßt, dem will ich das Öl meiner Gnade eingießen, mittels deren alle seine Glieder gesund werden sollen." Christus spricht zur Braut und beklagt sich über die Juden, welche ihn gekreuzigt haben, sowie auch über die Christen, welche ihn und seine Gerechtigkeit und Liebe verachten, indem sie vorsätzlich und wissentlich wider seine Gebote sündigen und die Verurteilungen der Kirche in den Bann unter dem Vorwande, daß Gott barmherzig sei, höhnen; deshalb droht er ihnen mit dem Zorne und Grimme seiner Gerechtigkeit. Die Mutter sprach: "Wie sehr litt mein Sohn in jener Nacht, als Judas, der Verräter, sich ihm nahete und ihn küßte, zu dem, 199 der von Statur klein war, er sich hinabneigte und sprach: Freund, zu was bist Du gekommen? und sogleich rissen ihn einige gewaltsam, andere zerrten ihn bei den Haaren, andere besudelten ihn mit Speichel." Darauf redete der Sohn und sprach: "Ich werde erachtet als ein Wurm, der wie tot daIiegt im Winter, auf den die Vorübergehenden ausspeien und auf dessen Rücken sie treten. So haben die Juden heute an mir gethan wie an einem Wurm, weil ich als der Verworfenste, der Unwürdigste von ihnen erachtet bin. So verachten mich auch die Christen, weil sie alles, was ich aus Liebe für sie gethan und ertragen habe, für eitel erachten. Sie treten auch gleichsam auf meinen Rücken, wenn sie den Menschen mehr fürchten und ehren, als mich, ihren Gott, wenn sie meine Gerechtigkeit für nichts achten und in ihrer Willkür meiner Barmherzigkeit Zeit und Maß vorschreiben. Sie schlagen mich auch gleichsam an die Zähne, wenn sie, nachdem sie meine Gebote und meine Leiden vernommen, sprechen: Lasset uns in der Gegenwart thun, was uns gefällt; wir werden ja gleichwohl nichtsdestoweniger den Himmel haben; denn wenn uns Gott verderben oder in Ewigkeit strafen wollte, würde er uns nicht auf so bittere Weise erlöst haben. Sie werden aber meine Gerechtigkeit empfinden; denn wie selbst das geringste Gute nicht unvergolten bleibt, also wird auch das geringste Böse nicht ungestraft bleiben. Auch dadurch verachten sie mich und treten mich gleichsam, wenn sie die Urteile der Kirche, nämlich den Bann, nicht achten. Wie die Exkommunizierten öffentlich gemieden werden, also werden sie abgesondert werden von mir, weil die Strafe des Bannes, wenn man sie kennt und verachtet, schwerer schadet, als das leibliche Schwert. Darum will ich, der ich wie ein Wurm scheine, jetzt durch mein schreckliches Gericht wieder lebendig werden, und so schrecklich werde ich kommen, daß, die es sehen, sprechen werden zu den Bergen: Fallet über uns vor dem Zorne Gottes." 200 Christus redet zur Braut und sagt ihr, daß sie wie eine Schalmei des heiligen Geistes ist, aus der er selbst süßen Ton hinauserschallen lassen wird in die Welt zu seiner Ehre und zum Nutzen der Völker. Deshalb will er sie außen mit gutem Wandel und Weisheit versilbern, inwendig aber vergolden mit wahrer Demut und Herzensreinheit. Der Sohn sprach zur Braut: "Du sollst sein wie eine Schalmei, auf welcher der Bläser einen süßen Klang ertönen läßt. Der Besitzer der Schalmei übersilbert dieselbe von außen, damit sie kostbarer erscheine, inwendig aber vergoldet er sie mit dauerndem Golde. So mußt auch Du übersilbert sein mit gutem Wandel und menschlicher Weisheit, auf daß Du einsehen mögest, was Du Gott und was Du Deinem Nächsten schuldig bist, was Deiner Seele und was Deinem Körper zum ewigen Heile frommt. Inwendig aber sollst Du mit Demut vergoldet sein, so daß Du niemand, als mir, zu gefallen begehrst, Dich auch nicht scheuest, den Menschen um meinetwillen zu mißfallen. Ferner beobachtet der Bläser an seiner Schalmei eine dreifache Vorsicht: Erstens wickelt er dieselbe in feines Leinen, daß sie nicht beschmutzt werde; zweitens macht er einen Deckel darüber, unter welchem sie bewahrt werde; drittens legt er ein Schloß an den Deckel, damit sie nicht von einem Diebe entwendet werde. So sollst auch Du Dich einwickeln in Reinheit, daß Du weder durch sinnliches Verlangen, noch durch Lust ferner befleckt werdest. Arbeite vielmehr gern und sorge, daß Du allein seiest, weil der Umgang mit Bösen gute Sitten verdirbt. Das Schloß aber ist die fleißige Hut Deiner Sinne und alles Inwendigen, indem Du bei allen Deinen Handlungen acht giebst, daß Dich des Teufels Arglist nicht berücke. Der Schlüssel aber ist der heilige Geist; derselbe soll Dein Herz öffnen, je nachdem es mir gefällt, zu meiner Ehre und der Menschen Nutzen." 201 Die Mutter Gottes redet und sagt, wie das Herz ihres Sohnes gar lieblich, rein und süß ist, und von Liebe so überfließt, daß auch, wenn der Sünder an den Pforten des Verderbens stände, aber ihn, mit dem Willen, sich zu bessern, anriefe, er sogleich erlöst werden würde. Zum Herzen Gottes gelangt man durch die Demut der wahren Reue und durch die andächtige und häufige Betrachtung seines Leidens. Die Mutter Gottes sprach: . "Das Herz meines Sohnes ist überaus lieblich wie Honig und gar rein wie die allerreinste Quelle, aus welcher alles, was tugendhaft und gut ist, hervorgeht. Er ist auch der Süßeste. Denn was ist für einen vernünftigen Menschen süßer, als die Liebe meines Sohnes bei der Schöpfung und Erlösung, bei seinen Arbeiten, Lehren, in seiner Freundlichkeit und in seiner Geduld zu betrachten? Seine Liebe ist nicht vorüberfließend wie das Wasser, sondern anhaltend dauerhaft, weil seine Liebe bis auf den letzten Augenblick bei den Menschen bleibt, so daß, wenn der Sünder schon an der Pforte des Verderbens stünde, aber noch von dort, mit dem Willen, sich zu bessern, zu ihm riefe, er demselben entrissen werden würde. Zum Herzen Gottes zu gelangen, sind ferner zwei Wege. Der erste ist die Demut einer wahren Reue, und diese führt den Menschen in das Herz Gottes und in die geistliche Unterredung ein; der zweite Weg ist die Betrachtung des Leidens meines Sohnes, welche die Härte aus dem Herzen des Menschen hinwegzieht, und ihn fröhlich zum Herzen Gottes den Lauf nehmen läßt." Der Braut wird in einem Gesichte das Gericht der Seele eines Ordensgeistlichen, den Christus richtet, gezeigt, für welchen die selige Jungfrau bittet, während der Teufel ihn wegen schwerer Sünden grausam anklagt. Die Mutter redete mit dem Sohne und sprach: "Meine Klage ist groß. Obwohl Du alles weißt, will ich sie doch um deren 202 willen, welche hier steht, vorbringen." Der Sohn entgegnete: "Mir ist Gericht über alle gegeben und über einen jeden insbesondere muß ich Gericht halten. Ein gerechter Richter aber muß neun gute Eigenschaften haben. Erstens, aufmerksames Anhören; zweitens, das Vorgebrachte entscheiden; drittens, den Willen, gerecht zu urteilen; viertens, Untersuchung, weshalb gestritten wird; fünftens, Nachforschung, wie lange der Streit gewährt hat, weil bei Verlängerung des Streites der Schade größer wird; sechstens, Erforschung, wie die Zeugen beschaffen sind, ob sie bewährt, ob sie zur Bejahung sich vereinigen, oder ob einer der Streitenden mehr Zeugen hat; siebentens, nicht voreilig, noch furchtsam im Gerichte sein, um der Wahrheit willen nicht Gewalt, noch Schaden, noch Unehre fürchten; achtens, Bitten und Geschenke, wenn einige damit kommen, nicht achten; neuntens, Billigkeit im Urteilen, indem man über den Armen so richtet wie über den Reichen, über den Sohn und Bruder wie über den Fremden und um eines weltlichen Vorteiles willen nie etwas wider die Wahrheit thut. Sage darum, teuerste Mutter, was ist Dein Begehren?" Die Mutter antwortete: "Es streiten zwei miteinander, in denen zwei Geister sind, im einen ein guter, im anderen ein böser. Sie streiten über den Kauf Deines Blutes, der eine zum Tode, der andere zum Leben, Im einen ist Liebe und Gehorsam, im anderen Haß und Hoffart. Halte also Gericht." Der Sohn antwortete: "Wie viele Zeugen sind auf seiten Deines Freundes, wie viele auf des andern Seite?" Die Mutter sprach: "Mein Freund hat wenige, der andere aber viele, welche die Wahrheit wissen, dieselbe jedoch zu hören verachten." Der Sohn antwortete: "Ich werde ein gerechtes Gericht halten." Und die Mutter sprach: "Mein Freund klagt nicht, er hat Genüge schon allein an seines Leibes Dasein. Ich aber, die ich seine Gebieterin bin, klage, damit die Bosheit nicht obsiege." Der Sohn antwortete: "Ich werde thun, was Du willst. Wie Du aber weißt, muß das leibliche Gericht dem geistlichen vorausgehen, und es darf niemand gerichtet werden, bevor nicht die Missethat begangen ist." Und die Mutter: "O mein Sohn, obwohl wir alles wissen, frage ich Dich doch um derjenigen willen, welche hier in der Nähe steht, welches und wie beschaffen an diesem das leibliche und das geistliche Gericht ist." Und der Sohn sprach: "Das leibliche Gericht ist, daß seine Seele 203 schnell vom Leibe scheide und in seiner Hand sein Tod sein wird; das geistliche Gericht aber ist, daß seine Seele am Galgen der Hölle aufgeknüpft wird, welcher nicht aus Stricken, sondern aus brennendstem Feuer besteht; denn er ist ein Schaf, das aus der Art seiner Herde geschlagen hat." Hierauf sprach einer von des heiligen Augustinus Ordensbrüdern zum Richter und sagte: "Herr, Du hast an diesem keinen Anteil, denn Du hast ihn in die Ruhe gerufen und er ist derselben entfremdet, den Gehorsam hat er gebrochen, sein Name ist hinweggenommen und seine Werke sind nichts." Der Richter antwortete: "Seine Seele ist nicht gegenwärtig im Gericht, um sich zu verantworten." Da sprach der Teufel: "Ich will Antwort geben. Wenn Du ihn aus den Stürmen der Welt in die Ruhe gerufen hast, so habe ich ihn vom obersten Gipfel oder von der höchsten Höhe in die tiefste Grube gerufen, denn sein Gehorsam ist gar willig gegen mich, sein Name herrlich bei mir." Ihm entgegnete der Richter: "Erkläre dich, wie Du das meinst!" und der Teufel: "Ich will es, obwohl ungern, thun. Du hast ihn aus den Stürmen der Weltsorge zur Ruhe des geistlichen Lebens berufen wie in einen guten Hafen; allein er selber achtet das gleichsam für nichts, weil er mehr verlangt nach den Sorgen der Welt. Die höchste Spitze aber ist gute Reue und Bekenntnis; wer diese vollkommen hält, der redet mit Dir, der Du der Mächtigste bist, und gelangt zu Deiner Majestät. Von dieser Spitze, diesem höchsten Gipfel, habe ich ihn hinabgestürzt, da er sich vornimmt, bis ans Ende zu sündigen, da er die Sünden für nichts und Deine Gerechtigkeit für Eitelkeit achtet. Die sehr tiefe Grube aber ist die Gefräßigkeit und die Begierde, weil, wie eine Grube von sehr großer Tiefe nicht leicht ausgefüllt wird, also seine Begierde unersättlich ist. Er hat den Namen eines Mönches; der Name eines Mönches bedeutet die Hut seiner selbst und die Enthaltung auch vom Erlaubten; diese ist aber in ihm vernichtet und jetzt heißt er Saul. Als ein Saul ist er vom Gehorsame abgefallen und hat ihn gebrochen und wie zwei Enden eines zerbrochenen verfaulten Holzstückes sich nicht wieder zusammenfügen, so können auch weder himmlisches Verlangen, noch göttliche Liebe, welche wie zwei Enden und Vereinigungen des Gehorsams sind, in seinem Gehorsame sich zusammenfügen, weil er nur für seinen weltlichen Nutzen und nach 204 seinem Willen gehorsam ist, und seine Werke meine Werke sind. Obwohl ich weder Messe lese, noch singe, noch das übrige thue, wie er, so thut er doch, wenn er das alles nach meinem Willen thut, meine Werke, und dieselben können meine Werke genannt werden. Denn wenn er die Messen feiert, tritt er aus Vermessenheit zu Dir heran, und aus dieser Vermessenheit wird er noch stärker erfüllt mit meiner Bosheit. Er singt auch für das Lob der Menschen, und wenn ich ihm meinen Rücken zeige, wendet er seinen Rücken zu mir, und wenn ich will, wendet er seinen Bauch gegen meinen Bauch, d. h. vollbringt alle Wollust nach meinem Willen, und alles, was er thut, thut er um des gegenwärtigen Lebens und des eigenen Willens halber. Deshalb sind seine Werke meine Werke." Nun erschien jene Seele blind und zitternd; es folgte ihr ein Mohr zum Richter, welcher sich, auf dem Throne sitzend und von einer großen umherstehenden Menge umgeben, sehen ließ. Und der Mohr sprach: "O Richter, richte mir diese Seele; denn jetzt ist dieselbe persönlich gegenwärtig und ihr leibliches Gericht ist schon vorausgegangen." Der Mohr fügte noch hinzu: "Du hast gesagt, in seiner Hand sollte sein Tod sein. Das ist schon geschehen." Und der Richter sprach: "Dies kann auf doppelte Weise verstanden werden; entweder, daß sein böses Handeln die Ursache seines Todes gewesen ist, oder daß seine leibliche Hand das Leben seines Leibes verkürzt hat." Der Mohr antwortete: "Beides ist die Wahrheit; denn ein schamloses Leben tötete seine Seele, und die Ungeduld öffnete die Wunde seines Fleisches, an welcher er gestorben ist." Darauf sprach der Richter: "Du hast vorher diese Seele angeklagt, daß sie in allem deinem Willen gefolgt, daß du sie vom höchsten Gipfel herabgestürzt, und daß sie ihren Bauch dir zugewendet. Laß uns darum hören, was die Seele selber dazu sagt." Und der Richter wandte sich gleichsam zur Seele und sprach: "O Seele, Du hast Vernunft gehabt, um Gutes oder Böses zu unterscheiden, deshalb hast Du den ehrenden Namen des Priestertums unter die Füße getreten?" Sie antwortete: "Ich habe zwar Vernunft gehabt, bin aber mehr meinem Willen gefolgt; denn ich glaubte nicht, 205 daß unter einer so kleinen Gestalt eine solche Größe verborgen sei." Der Richter sprach zweitens: "Du hast gewußt, daß die Vollkommenheit der Religion die Demut und der Gehorsam ist, warum bist Du unter der Gestalt des Wolfes als Wolf eingegangen?" Die Seele entgegnete ihm: "Um der Schmach der Welt zu entgehen und ein ruhigeres Leben zu führen." Der Richter antwortete zum dritten Male: "O Bruder, aber nicht meiner! wenn Du der heiligen Brüder Vorbilder gesehen und der Heiligen Werke gehört hast, weshalb bist Du denselben nicht gefolgt?" Jene antwortete: "Alles das Gute, das ich gehört und gesehen habt, war mir verhaßt und lästig, weil ich mir in meinem Herzen vorgenommen, lieber meinem Willen und meinen Sitten, als den Sitten der Heiligen nachzuleben." Zum vierten ließ sich jetzt der Richter also vernehmen: "Hast Du nicht häufig gefastet, gebetet und gebeichtet?" Die Seele antwortete ihm: "Ja, ich habe oft gefastet und gebetet, geringes habe ich gethan, um zu gefallen, Großes aber unterlassen, um kein Mißfallen zu erregen." Ihm erwiderte der Richter: "Hast Du nicht gelesen, wie ein jeglicher Mensch auch über den Heller, d. h. über das geringste, Rechenschaft geben soll?" (Matth. V.) Da sprach die Seele wie unter starkem Heulen: "Wahrlich, Herr, ich habe es in meinem Gewissen gelesen und gewußt, aber geglaubt, daß Deine Barmherzigkeit so groß sei, daß Du nicht ewiglich strafen wollest. Darum habe ich den Willen gehabt, im Alter Buße zu thun; allein Schmerz und Tod kamen mir so schnell über den Hals, daß, als ich beichten wollte, ich das Gedächtnis verlor, und meine Zunge wie mit einem Bande gebunden war." Da rief der Teufel: "O Richter, siehe dieses Wunder, die Seele richtet sich selber; sie beichtet jetzt auf fruchtlose Weise ihr Böses, gleichwohl wage ich ohne Deinen Richterspruch nicht, meine Hand an sie zu legen." Der Richter sprach: "Derselbe ist gefällt und wird vollzogen." Nach diesen Worten verschwanden der Mohr und die Seele, wie wenn sie aneinander gebunden wären, und fuhren wie unter lautem Donner hinab. Der Richter fügte noch hinzu: "Dieses alles ist in einem Augenblicke geschehen; Deinetwegen aber und damit Du es verstehen möchtest, erscheint es als in der Zeit geschehen, auf daß Du sehest, wissest und fürchtest die Gerechtigkeit Gottes." 206 Während die Braut Christi betete, schaute sie in einem Gesichte, wie der selige Dionysius zur Jungfrau Maria für Frankreich betete. Als ich mich im Gebete befand, sah ich, wie der selige Dionysius zur Jungfrau Maria betete und sprach: "Königin der Barmherzigkeit, Du bist es, der alle Barmherzigkeit gegeben worden, und Du bist die Mutter Gottes geworden zum Heile der Armen; erbarme Dich also über Frankreich, Dein und mein Königreich, und zwar Deines, weil seine Einwohner Dich nach ihrem Maße ehren, meines aber, weil ich ihr Schutzpatron bin und sie zu mir Vertrauen haben. Du siehst ja, wie viele Seelen stündlich in Gefahr stehen, wie die Leiber der Menschen gleich Tieren niedergeworfen werden, und wie, was schwerer ist, die Seelen wie Schnee zur Hölle hinabfahren. Tröste sie also und bitte für sie, weil Du ihre Herrin und aller Helferin bist." Die Mutter Gottes antwortete: "Gehe hin zu meinem Sohne, und laß uns um derjenigen willen, welche hier steht, hören, was er antworten wird." Die Mutter Gottes bittet mit dem seligen Dionysius und anderen Heiligen ihren Sohn für das Königreich Frankreich. Von dem Kriege der beiden Könige, welche zweien, gar wilden Tieren ähnlich sind. Die Mutter sprach zum Sohne und sagte: "Gebenedeit seist Du, mein Sohn. Es steht geschrieben, ich sei gebenedeit genannt worden, weil ich Dich in meinem Leibe getragen, Du aber hast geantwortet, daß auch der gebenedeit ist, welche Deine Worte hört und bewahrt. (Lukas XI.) So bin ich denn, mein Sohn, diejenige, welche Deine Worte in meinem Herzen sorgfältig behalten hade. Deshalb wiederhole ich ein Wort, das Du gesprochen, als Petrus fragte: Ob er dem Sünder bis siebenmal vergeben soll, und Du antwortetest: Siebenzigmal siebenmal soll vergeben werden (Matth. XVIII.), um damit anzuzeigen, daß, so oft jemand sich, 207 mit dem Willen, sich zu bessern, demütigt, Du ihm Barmherzigkeit zu gewähren bereit bist." Der Sohn antwortete: "Ich bezeuge Dir, daß meine Worte in Dir gewurzelt waren wie Samen, der auf fettes Land ausgestreut wird und hundertfältige Frucht aus sich hervorgehen läßt. So bringen auch Deine tugendhaften Werke Allen Früchte der Freude, und darum bitte, um was Du willst." Die Mutter antwortete: "Ich bitte Dich mit Dionysius und anderen Deiner Heiligen, deren Leiber in der Erde dieses Königreiches Frankreich ruhen, während die Seelen im Himmel sich befinden, erbarme Dich dieses Reiches. Denn ich sehe, um derer halben, welche hier im Geiste gegenwärtig ist, in einem Gleichnisse zu reden, gleichsam zwei überaus, jedes in seiner Art besonders wilde Tiere. Das eine ist gar begierig, zu verschlingen, was es zu erlangen imstande ist, und je mehr es frißt, desto mehr hungert es, und sein Hunger wird nie gestillt; das andere Tier aber bemüht sich, über alle, sich zu erheben. Diese Tiere haben drei böse Eigenschaften: Erstens eine schreckliche Stimme; zweitens erfüllt sie ein furchtbares Feuer; drittens begehrt ein jegliches des anderen Herz zu verschlingen. Das eine sucht auf dem Rücken des anderen mit den Zähnen in das Herz desselben sich zu beißen, um es zu töten, das andere aber hat seinen Rachen an der Brust des anderen, um dort den Eingang ins Herz zu suchen. Die schreckliche Stimme dieser Tiere wird weithin vernommen. Alle Tiere, welche mit offenem Maule kommen, werden im Feuer jener Tiere brennen und deshalb dem Tode verfallen. Diejenigen Tiere aber, welche mit verschlossenem Munde kommen, werden der Wolle beraubt werden und nackt von dannen gehen. Unter diesen beiden Tieren sind die beiden Könige von Frankreich und England zu verstehen, Von diesen Königen wird der eine nimmer satt, weil sein Krieg eine Folge seiner Begehrlichkeit ist, der andere bemüht sich, in die Höhe zu kommen; beide sind voll zornigen Feuers und Begierde und rufen: Nimm Gold und weltlichen Reichtum und schone nicht des Blutes der Christen. Ein jeder begehrt des anderen Tod und sucht am anderen eine Stelle, wo er ihm Schaden zufügen kann; der eine vom Rücken aus, da er verlangt, daß seine Ungerechtigkeit Gerechtigkeit genannt werde und des anderen Gerechtigkeit Ungerechtigkeit heiße; der andere von der Brust aus, um das Herz zu töten, 208 ohne sich um das Verderben und Elend anderer zu bekümmern. In seinem Rechte hat er keine göttliche Liebe, sondern entehrt seine Gerechtigkeit durch Zorn und Hoffart; ein geringeres Recht hat der andere, dafür brennt er aber vor Gier. Die anderen Tiere, welche mit offenem Munde kommen, sind diejenigen, welche aus Geiz zu ihnen kommen; die Könige werfen Geld und Geschenke in ihre Rachen, um sie zum Kriege zu entzünden; aber sie verfallen dem Tode, ihre Güter bleiben zurück, ihre Leiber werden in die Erde aufgenommen, das Herz zernagen die Würmer und die Teufel ihre Seelen. So machen diese beiden Könige viele Seelen meinem Sohne durch Verrat abwendig, welche er mit seinem Blute erkauft hatte. Die Tiere aber, welche ihrer Wolle beraubt werden, sind die einfältigen Menschen, welche sich an ihren Gütern genügen lassen. Sie gehen in dieser Absicht in den Krieg, weil sie glauben, daß derselbe ein gerechter sei, darum werden sie der Wolle, d. h. der Leiber, durch den Tod beraubt, ihre Seelen aber werden in den Himmel aufgenommen. Darum erbarme Dich, mein Sohn!" Der Sohn antwortete: "Du siehst zwar alles in mir, aber sage, was die Gerechtigkeit verlangt, damit diese Könige erhört werden." Und die Mutter erwiderte: "Ich höre drei Stimmen. Die erste ist die jener Könige, von denen der eine also denkt: Hätte ich das Meinige, so würde ich mich nicht darum kümmern, anderes zu haben, aber ich fürchte mich, alles zu entbehren. Und in dieser Furcht, und weil er die Schande der Welt fürchtet, wendet er sich an mich und spricht: O Maria, bitte für mich! Der andere König aber denkt anders! Ach, daß ich in meinem früheren Stande wäre! Ich bin müde. Darum hat er sich auch zu mir gewandt. Die zweite Stimme ist die der Gemeinde, welche mich täglich um Frieden bittet. Die dritte Stimme ist die der Auserwählten, welche rufen und sprechen: Wir klagen nicht über .die Leiber der Toten, nicht über Schaden, nicht über Armut, sondern über den Fall der Seelen, welche täglich in Gefahr schweben. Deshalb, o Frau, bitte Deinen Sohn, daß die Seelen errettet werden! Darum, o mein Sohn, erbarme Dich ihrer!" Der Sohn antwortete: "Es steht geschrieben, daß dem Klopfenden geöffnet, dem Rufenden geantwortet, dem Bittenden gegeben werden soll. (Matth. VII.) Aber wie ein jeg- 209 licher, der anklopft, draußen vor der Thüre ist, so auch sind jene Könige, weil sie mich nicht in sich haben, draußen vor der Thüre; doch soll um Deinetwillen denen, die da bitten, aufgethan werden." Christus redet mit der Braut und sagt ihr die Weise, wie der Friede zwischen den Königen von Frankreich und England zu stande gebracht werden soll. Leisten die Könige nicht Folge, so sollen sie gar schwer gestraft werden. Der Sohn sprach: "Ich bin ein König, den man fürchten und ehren soll. Darum will ich wegen des Gebetes meiner Mutter ihnen meine Worte schicken. Ich bin der wahre Friede, und wo der Friede ist, da bin ich für gewiß. Wollen daher die beiden Könige von Frankreich und England Frieden haben, so werde ich ihnen dauernden Frieden geben. Den wahren Frieden kann man aber nicht haben, wenn man nicht die Wahrheit und Gerechtigkeit liebt. Weil nun unter den Königen bei dem einen das Recht ist, so gefällt es mir, daß der Friede durch eine Vermählung geschlossen werde und so das Reich an den rechtmäßigen Erben gelange. Zum andern verlange ich, daß sie Ein Herz und Eine Seele sein sollen in der Mehrung des heiligen christlichen Glaubens, wo solches zu gelegener Zeit zu meiner Ehre geschehen kann. Drittens sollen sie die unerträglichen Auflagen abschaffen und ablassen von ihren trügerischen Erfindungen, auch die Seelen ihrer Unterthanen lieben. Wofern aber der König, welcher jetzt das Reich inne hat, nicht gehorchen möchte, so soll er für ganz sicher wissen, daß er in seinen Thaten kein Glück haben wird, sondern in Schmerz wird er sein Leben endigen und sein Reich in Trübsal hinterlassen. Sein Sohn und seine Nachkommen werden im Zorne, in Schmach und Verwirrung sich befinden, so daß alle sich verwundern werden. Wenn aber der König, welcher im Rechte ist, wird folgen wollen, so werde ich ihm helfen und für ihn kämpfen. Gehorcht er aber nicht, so wird er seinen Wunsch nicht erreichen, sondern noch verlieren, was er bereits erhalten. Den fröhlichen Anfang wird ein schmerzlicher Ausgang verdunkeln. Wenn aber die Menschen im 210 Königreich Frankreich die wahre Demut ergreifen möchten, wird das Reich an den rechtmäßigen Erben und zu gutem Frieden gelangen." ⋅1⋅ Christus sagt zur Braut, sie soll sich nicht fürchten, im Gehorsam gegen den geistlichen Vater die Abstinenz zu brechen, weil das keine Sünde ist. Auch ermahnt er sie, beständig zu sein und unausgesetzt den Versuchungen Widerstand zu leisten, und den festen Willen zu haben, im Guten zu verharren nach dem Vorbilde der Jungfrau Maria, Davids und Abrahams. Der Sohn sprach: "Warum fürchtest Du Dich? Wenn Du auch viermal am Tage äßest, so wird es Dir nicht zur Sünde angerechnet, wenn Du es mit Erlaubnis dessen gethan, dem Du. zu gehorchen verpflichtet bist. Sei also beständig. Du sollst sein wie ein Kriegsmann, welcher, im Kriege von verschiedenen Wunden verletzt, den Feinden noch viel schlimmere Wunden zurückgiebt, und um so eifriger zum Streit ist, je stärker er von den Feinden angegriffen wird. Ebenso sollst auch Du Deinen Feind schlagen, beständig sein und einen vernünftigen Willen haben, im Guten zu verharren. Dann aber schlägst Du den Teufel nieder, wenn Du der Versuchung nicht zustimmst, sondern mannhaft widerstehst, d. h. wenn Du der Hoffart die Demut und der Gefräßigkeit die Enthaltsamkeit entgegensetzest. Beständig aber bist Du, wenn Du in der Trübsal wider Gott nicht murrest, sondern in Heiterkeit alles erträgst, alles Deinen Sünden zuschreibst und Gott dankest. Vernünftig aber ist Dein Wille alsdann, wenn Du keinen Lohn begehrst, als nach meinem Willen, und Dich gänzlich meinen Händen überlassest. Das erste von diesen dreien, den Feind zu schlagen, hat Lucifer nicht gehabt, weil er sofort seinem Vorhaben zustimmte; darum fiel er unwiederbringlich und wie er niemand hatte, der ihn zu seiner Bosheit antrieb, so hat er auch niemand, der ihm das 211 Verlorene wiederbringt. Das andere, die Beständigkeit, hat Judas nicht gehabt, sondern er hat verzweifelt und sich erhenkt; das dritte, den guten Willen, hatte Pilatus nicht, weil er einen eifrigeren Willen gehabt hat, den Juden zu gefallen und nur für seine Ehre besorgt war, statt mich zu befreien. Das erste, den Feind zu schlagen, hatte aber meine Mutter, welche, so viele Versuchungen sie gehabt, so vielfachen Widerstand geleistet und entgegengesetzt hat; das zweite hatte David, welcher in der Widerwärtigkeit geduldig war und bei seinem Falle nicht in Verzweiflung geriet; das dritte, den vollkommenen Willen, hatte Abraham, welcher nicht nur sein Vaterland verließ, sondern auch seinen eingeborenen Sohn opferte. Diesen folge auch Du nach Deinen Kräften nach." Christus leitet die Braut, d. h. die Seele, an, immer die wahre Reue, die göttliche Liebe und den festen Gehorsam zu bewahren; sie soll diejenigen verachten, welche den Gehorsam, die Enthaltsamkeit und die Geduld verachten. Er warnt auch einen geistlichen Menschen, daß er nicht unter dem Scheine des Lichtes allmählich sein Wissen soll verdunkeln und verblenden lassen. Es erschien ein Engel von wunderbarer Gestalt und mit ihm wurden noch andere Engel sichtbar, die zu ihm sprachen: "O Freund, weshalb bietest Du unserem Gott eine leere Nuß an?" Er antwortete: "Obwohl ihr alles wisset, so rede ich doch um jener willen, welche dort steht. Ich werde durch die Gegenwart unseres Gottes niemals betrübt, da ich seinem Willen zur Förderung der Seelen also diene, daß ich niemals seine Gegenwart entbehre; biete ich ihm auch nicht eine Nuß voller Süßigkeit an, so biete ich ihm doch etwas Liebliches dar, nämlich: einen Schlüssel vom reinsten Golde, ein Gefäß von Silber und eine Krone von kostbaren Steinen. Der Schlüssel bedeutet die reine Reue über die Sünde; sie öffnet das Herz Gottes und führt den Sünder ein in das Herz Gottes. Das Gefäß aber ist die göttliche Lust und Liebe, in welcher Gott bei der Seele süß ruht. Die Krone ist der feste und heitere Gehorsam. Diese drei Dinge verlangt Gott von einer heiligen Seele. Sieh' nun diese Seele, die meiner Obsorge anvertraut ist; obwohl sie 212 diese drei Dinge verachtet, so biete ich doch Gott wiederum das dar, was er ihr angeboten hat und es wird ihm nicht desto minder zur Ehre gereichen. Der Schlüssel der Reue ist ihr so beschwerlich, daß sie auch nicht einmal daran denken mag. Das Gefäß der göttlichen Liebe aber ist ihr so bitter, daß sie es durchaus nicht riechen mag; denn wie könnte geistliche Süßigkeit ihr süß schmecken, da die Wollust des Fleisches darin wurzelt, und wie könnten zwei widerwärtige Dinge sich in Einem Gefäße vertragen? Auch die Krone des Gehorsams wird ihr zu tragen schwer, weil der Eigenwille ihr so gefällt, daß es ihr süßer deucht, dem eigenen Willen, als dem Willen Gottes zu folgen." Hierauf sprach der Engel, indem er sich an Gott wandte: "Siehe, Herr, hier sind das Gefäß, der Schlüssel und die Krone, deren diese Seele sich unwürdig gemacht hat. Wenn die Schale zerbricht, sieht man, wie diejenige inwendig voll Kotes ist, welche mit süßestem Honig angefüllt sein sollte und wie mitten in der Schale eine Schlange liegt. Die Schale ist das Herz, das, wenn es durch den Tod zerbricht, angefüllt ist mit den Begierden der Welt, welche wie Kot sind; die Schlange aber ist die Seele, welche heller sein sollte, als die Sonne, und feuriger, als die Flamme, jedoch eine mit Gift angefüllte Schlange ist, nicht zum Schaden anderer, sondern nur ihr selber zum Verderben." Nun aber redete der Herr zur Braut und sprach: "Wie dieser beschaffen ist, will ich Dir durch ein Gleichnis von zwei Menschen zeigen, von welchen der eine steht, der andere im Gehen sich ihm nähert. Als nun beide Gesicht an Gesicht standen, sprach derjenige, welcher ging: Herr, durch einen geringen Zwischenraum sind wir getrennt; zeige mir den Weg, auf dem ich einhergehen soll; denn ich sehe, daß Du ohne Vergleich der Mächtigste, ohne Bedenken der Süßeste, und überaus gut bist, wie derjenige, von dem alle Güte ist, ohne welchen keiner gut ist. Jener antwortete: Freund, ich will Dir einen dreifachen Weg zeigen, welcher aber auf einerlei Ziel losgeht; folgst Du demselben, so wird er anfangs steinig, am Ende aber durchaus eben sein. Er ist finster am Eingange, aber hell im Fortgange; eine Zeit lang bitter, jedoch zuletzt ganz süß. Der andere antwortete: Zeige mir nur den Weg, und ich will denselben gern verfolgen; denn ich sehe, wie Gefahr im Verzuge und Schaden beim Verfehlen des Weges, aber reichlichste Frucht vorhanden ist, 213 wenn ich den Weg einschlage. Erfülle deshalb mein Verlangen und zeige mir den wahren Weg. Wohlan denn, ich bin der Schöpfer aller Dinge, ich bin unveränderlich und in Ewigkeit beständig. Als jener sich mir nahete und, weil er mich liebte, nichts so sehr gesucht hat als mich, habe ich ihm mein Angesicht zugewendet und göttlichen Trost in seine Seele gegossen. Der Welt Freude war ihm nur verhaßt samt aller Lust des Fleisches. Ich habe ihm auch den dreifachen Weg gezeigt, wobei ich nicht mit der Stimme des Fleisches sprach, sondern seiner Seele heimliche Eingebungen einflößte, wie ich jetzt Deiner Seele öffentlich Eingebungen zukommen lasse. Erstens nun habe ich ihm gezeigt, daß er mir, seinem Gotte und seinem geistlichen Vorgesetzten, gehorsam sein soll; allein er hat mir innerlich die Antwort gegeben, indem er in seinem Sinne also dachte: Ich will es nicht thun; denn der geistliche Vorsteher ist hart und ohne Liebe, und deshalb vermag ich nicht, ihm mit fröhlichem Willen zu gehorsamen. Ich habe ihm auch den zweiten Weg gezeigt, nämlich die Flucht vor der Wollust des Fleisches und die Folgsamkeit gegen meinen Willen, die Flucht vor der Völlerei und die Befolgung der Enthaltsamkeit. Dies sind zwei Wege, welche zum wahren Gehorsame führen. Er aber antwortete mir: Mit nichten? Denn meine Natur ist schwach, deshalb will ich essen und schlafen zur Genüge; ich will reden, um Freude zu haben und lachen um weltlichen Trostes willen. Ich habe ihm auch einen dritten Weg gezeigt, nämlich gute Geduld zu haben, um meiner, seines Gottes willen, weil diese es ist, welche zur Enthaltsamkeit führt und hineinleitet in den heiligen Gehorsam. Allein er hat mir geantwortet: Ich werde es nicht thun; denn wenn ich solche, mir schmähliche Dinge erleide, werde ich beschuldigt, ein Thor zu sein, und gehe ich verächtlicher, als andere gekleidet, umher, werde ich mich vor allen schämen müssen. Und wenn an meinen Gliedern etwas Mißgestaltetes sich befindet, so muß ich, um dieses zu ersetzen und gut zu machen, den Menschen zu Gefallen irgend etwas thun. Da nun spricht der Herr also: Ich und sein Gewissen stritten miteinander, bis er, sich von mir entfernend, mir den Nacken zu- und das Angesicht abwendete. Und in welcher Weise wendete er sich hinweg? weil er nur in den Stücken gehorsam sein wollte, welche ihm gefielen und geduldig sein wollte, so lange ihm an der Freund- 214 schaft der Welt nichts geschmälert würde. Nun aber arbeitet der Teufel, ihn ganz blind und taub zu machen, mit dem Vorhaben, ihm die Hände zu binden, die Füße zu verwickeln und ihn in die Finsternis der Hölle hineinzuführen. Blind aber macht er ihn dann, wenn er also denkt: Gott hat mich durch sein Leiden erlöst; er wird mich nicht verderben, weil er barmherzig ist. Gott straft auch die Sünde nicht so strenge, mag ihn der Mensch auch jede Stunde beleidigen. Hieraus erweist sich, daß sein Glaube nicht beständig ist. Darum soll er nachsehen in meinem Evangelium, wie ich über die Worte, wieviel mehr dann über die Werke, Rechenschaft fordern werde. (Matth. XII.) Er soll auch nachsehen, wie der Reiche nicht um seines Reichtums willen, sondern deshalb in der Hölle begraben worden, weil er mit dem Verliehenen Mißbrauch getrieben. Stumm macht ihn aber der Teufel alsdann, wenn er von den Vorbildern meiner Freunde hört und spricht: So wird jetzt niemand leben können. Hieraus wird erweislich, daß er eine geringe Hoffnung hat; denn ich, der ich meinen Freunden verliehen habe, so klug und keusch zu leben, habe auch die Macht, ihm Ähnliches zu geben, wenn er Hoffnung auf mich hätte. Die Hände bindet ihm der Teufel, wenn er etwas anderes mehr liebt, als mich, wenn er sich feuriger der Welt, als meiner Ehre hingiebt. Darum soll er achthaben, daß er, während er sein Augenmerk auf die Welt gerichtet zu haben scheint, nicht durch den Teufel betrogen werde, weil der Teufel seine Angel auslegt, wo man sich am wenigsten vor ihm hütet. Die Füße verwickelt er dem Menschen alsdann, wenn derselbe auf seine Gedanken und Neigungen nicht achtgiebt, wenn er die Art seiner Versuchungen nicht in Betracht zieht, wenn er so sehr auf den Nutzen des Nächsten und des Fleisches sieht, daß er auf seiner Seelen Heil nicht Obacht hat. Darum soll er daran denken, wie ich im Evangelium gesagt habe, daß der Mensch, welcher seine Hand an den Pflug legt, nicht rückwärts schauen (Luk. IX.), und wer etwas Nützliches begonnen, nicht zurückgehen soll. Über sein Herz legt der Teufel alsdann seine Bande, wenn er seinen Willen so zum Bösen neigt, daß er nur daran denkt, bei der Welt in Ehre zu stehen und er in solcher Verfassung beharrt. In die Finsternis führt er ihn auch, wenn er also denkt: Ob ich die Herrlichkeit habe, oder die Pein, darüber mache ich mir wenig Sorge. 215 Wehe dem, der in solche Finsternis hineinrennt! Wenn er sich aber zu mir wenden will, werde ich ihm wie ein Vater entgegenkommen, Aber wie? Er muß den freien Willen haben, zu thun, soviel er zu thun imstande sein wird; denn wie es einem Menschensohne nicht erlaubt ist, Eine wider seinen Willen zur Ehe zu nehmen, so darf es auch der Sohn der Jungfrau nicht. Der Wille ist das Werkzeug, wodurch die göttliche Liebe eingeführt wird in die Seele, und wie ein Müller, welcher seine Steine behauen will, zuerst die Ritzen aufsucht, wo er zuerst die feineren Werkzeuge einsetzt und dann die gröberen, bis der Stein auseinanderbricht, so suche auch ich den guten Willen, um meine Gnade hineinzugießen. Wenn dann das Werk wächst und der Wille fortschreitet, so wächst auch größere Gnade hinzu, bis das steinerne Herz verwandelt wird und in das fleischerne wächst, das fleischerne aber in ein geistliches Herz." Dieser war ein Prior in der Gegend Siciliens, welche nahe am Berge Ätna liegt. Seinetwegen erhielt die Braut die nachfolgende Offenbarung. Der Sohn Gottes sprach: "Dieser Bruder wundert sich, daß meine Apostel Petrus und Paulus an diesem Orte solange in den Katakomben gelegen haben und fast verachtet gewesen. Ich antworte Dir: Die goldene Schrift spricht: Israel habe lange in der Wüste geweilt, weil die Bosheit der Heiden, deren Länder die Israeliten in Besitz nehmen sollten, noch nicht erfüllt war. So war es auch mit meinen Aposteln. Es war noch nicht die Zeit der Gnade, wo die Leiber meiner Apostel erhöht werden sollten; denn zuerst muß die Zeit der Prüfung sein und erst nachher die der Krönung kommen, und sodann waren diejenigen noch nicht geboren, welchen diese Ehre der Erhöhung der Apostel gebührte. - Nun aber kannst Du fragen: Ob ihre Körper zu der Zeit einige Ehre gehabt, wo sie in der Cisterne lagen? Ich antworte Dir: Meine Engel haben dieselben bewacht und die seligen Leiber geehrt. Denn wie die Stelle fleißig bearbeitet wird, auf der man Rosen und andere Pflanzen säen will, so wurde diese Stätte der Kata- 216 komben lange zuvor vorbereitet und geehrt, und Engel und Menschen freuten sich darüber. Deshalb sage ich Dir: Es giebt in der Welt viele Stätten, wo Leiber meiner Heiligen ruhen; allein sie haben mit diesen Orten keine Ähnlichkeit. Wenn die Heiligen gezählt werden sollten, deren Leiber hier beigesetzt wurden, so würde man es kaum glauben. Wie nun ein kranker Mensch durch guten Geruch und Speise erquickt wird, so werden die Menschen, welche mit auftichtigem Sinne an diesen Ort kommen, geistig erquickt und empfangen die wahre Vergebung der Sünden, ein jeglicher nach seinem Leben und Glauben. Eben dieser Bruder war durch die Worte der Frau Brigitta zu großer Reue getrieben. Er hörte drei Nächte eine Stimme, welche rief: Eile, eile, komm', komm'! Am vierten Tage ward er krank, empfing die Sakramente und starb zu Rom." Christus redet mit der Braut und sagt, daß drei Heilige ihm vor den übrigen gefallen, nämlich die Jungfrau Maria, Johannes der Täufer und Maria Magdalena Er lobt auch die Bescheidenheit und Enthaltsamkeit, welche diese drei im Speisen, Schlafen und in der Kleidung beobachteten. Der Sohn sprach: "Drei Heilige sind es, welche mir vor allen gefallen haben, nämlich: die Jungfrau Maria, meine Mutter, Johannes der Täufer und Maria Magdalena. Meine Mutter war, als sie geboren worden, so schön, daß kein Flecken an ihr war. Die bösen Geister erkannten dies wohl, hatten aber einen solchen Verdruß darüber, daß, um durch ein Gleichnis zu reden, gleichsam ein Ruf der Teufel aus der Hölle erscholl, welcher lautete: Eine Jungfrau geht so tugendhaft und wunderbar hervor, daß sie alle auf Erden und im Himmel übertrifft und bis an den Sitz Gottes gelangen wird. Wollten wir uns auch aufmachen wider sie mit unseren Schlingen, sie würde sie doch alle vernichten, sie würden zerreißen wie Werg und wie alte Stricke auseinandergehen. Kommen wir aber wider sie mit aller unserer Bosheit und Unreinigkeit, so haut sie alles ab, wie Heu von der Sichel abgeschnitten wird. Wollten wir sie mit dem Feuer der Wollust und den Ergötzlichkeiten der 217 Welt erfüllen, so würde dasselbe leichter ausgelöscht, als ein Funke von einem Wasserbache. Johannes der Täufer mißfiel schon, als er geboren ward, den Teufeln, so daß damals gleichsam eine Stimme aus der Hölle ertönte, welche sprach: Ein wunderbarer Knabe ist geboren. Was sollen wir thun? Gehen wir gegen ihn vor mit Hoffart, so verschmäht er es, uns zu hören, und mag unserer Eingebung nicht folgen, halten wir ihm Reichtum vor, so kehrt er uns den Rücken und lehnt es ab, denselben zu sehen, zeigen wir ihm Wollust, so ist er dafür wie tot und kann dieselbe nicht schmecken. Als aber Maria Magdalena bekehrt worden war, sprachen die Teufel: Wie werden wir sie wieder zurückbringen? Eine fette Beute haben wir verloren; sich wäscht sich dermaßen mit dem Wasser ihrer Thränen, daß wir nicht wagen, unseren Blick auf sie zu heften, sie hat sich mit guten Werken so bedeckt, daß nichts Beflecktes an sie herankömmt, sie ist so feurig und heiß im Dienste Gottes und der Heiligkeit, daß wir uns ihr nicht zu nahen wagen. Diese drei nun behandelten ihre Seele als den Herrn, ihren Leib aber als den Knecht. Ihre Seele besaß drei gute Eigenschaften: Erstens liebte sie nichts so sehr, als mich, ihren Gott; zweitens wollte sie nichts thun wider mich; drittens wollte sie nichts unterlassen, das göttlich war. Obwohl sie nun eine solche Seele hatten, so verachteten sie gleichwohl ihren Leib nicht, und gaben demselben nicht Gift statt der Speise, noch Dornen statt eines Kleides, legten denselben auch nicht auf einen Ameisenhaufen, sondern hielten eine mäßige Labung zu meiner Ehre und zum Nutzen der Seele, hatten auch ein Kleid zur Bedeckung, aber nicht zur Hoffart; des Schlafes pflegten sie, um auszuruhen, und hatten das Bett zur Erleichterung. Hätten sie gewußt, daß es mir gefiele, und hätte ich ihnen Gnade gewährt, so würden sie gern das Allerbitterste zur Speise und Dornen zum Kleide angenommen, auch auf einen Ameisenhaufen sich niedergelegt haben. Weil sie mich nun in allen Dingen als gerecht und barmherzig betrachteten, so waren sie, wie sie gegen den Leib gerecht waren durch Zügelung unerlaubter Regungen, auch barmherzig und vernünftig in der Nachsicht gegen den Leib, damit durch die Strenge der Arbeit der Leib nicht dahinfalle und durch die Gewalt der Anstrengung nicht aufgelöst werde. 218 Nun wirst Du fragen können, weshalb ich ihnen nicht jene Gnade gereicht habe, welche die heiligen Einsiedler und alten Väter gehabt haben, daß einige unter ihnen nur einmal in der Woche aßen, anderen die Speise durch dienende Engel verschafft wurde? Ich antworte Dir: Diese heiligen Väter haben diese Gabe des Fastens aus dreifachem Grunde erhalten. Erstens, um meine Gnade und Macht zu offenbaren, damit die Menschen wissen mögen, daß, wie ich die Seele ohne leibliche Speise erhalte, ich auch den Leib, wenn es mir gefiele, ohne Speise zu erhalten vermag; zweitens, um ein Beispiel zu zeigen, damit an ihrem Vorbilde die Menschen erkennen mögen, wie leibliche Arbeit und Trübsal die Seele zum Himmel hinaufziehen; drittens zur Vermeidung der Sünde; denn eine nicht gezügelte Wollust des Fleisches zieht den Menschen in die Qual. Damit also nun die Menschen Enthaltsamkeit, und die Weise, wie sie leben sollen, lernen möchten, habe ich selber, Gott und Mensch, obwohl ich in der Welt ohne Speise hätte leben können, doch Speise und andere leibliche Bedürfnisse gebraucht, damit der Mensch in allem mir, seinem Gotte, Dank sagen, auch mäßigen Trost in der Welt und vollkommene Freiheit mit den Heiligen im Himmel haben möge." Maria sagt, daß ein geistlicher Mensch, nachdem er durch die Mühe und Arbeit der Buße, Liebe, Reue und Geduld bekehrt worden, die früheren verlorenen Zeiten zu dem Ende wieder auslöse, um Gott keine leeren Nüsse darzubieten. Maria sprach: "Wo man dem Herrn Nüsse opfert, werden darunter zuweilen einige leere gefunden. um dieselben dem Herrn angenehmer zu machen, müssen dieselben ausgefüllt werden. Also ist es auch mit den geistlichen Werken. Viele vollbringen mehrere gute Werke, um deren willen ihre Sünde vermindert wird, daß sie nicht in die Hölle fahren. Allein vor und während dieser guten Werke sind viele an guten Werken leere Zeiten gewesen, welche alle ausgefüllt werden müssen, so lange Zeit zum Arbeiten ist, wo nicht, 219 so ersetzen Reue und Liebe alles. So brachte Maria Magdalena dem Herrn Nüsse, d. h. gute Werke dar. Unter diesen Nüssen waren etliche leer, da sie lange Zeit zum Sündigen verwendet hatte, die sie aber, durch die Zeit unterstützt, durch Geduld und Mühsal wieder ersetzte. Aber auch Johannes der Täufer brachte Gott gleichsam volle Nüsse dar, da er Gott von Jugend auf diente und demselben alle seine Zeit opferte. Die Apostel aber haben Gott gleichsam halbvolle Nüsse geopfert, da sie vor ihrer Bekehrung viel unvollkommene Zeiten hatten. Ich aber, die ich die Mutter Gottes bin, brachte volle Nüsse dar, welche süßer waren, denn Honig, weil ich von Jugend auf mit Gnade erfüllt war und in der Gnade erhalten blieb. Darum sage ich, daß, obwohl dem Menschen die Sünden erlassen werden, doch die früheren unfruchtbaren Zeiten, so lange der Mensch Zeit hat, durch Geduld und Liebesarbeit zurückgekauft werden müssen." Christus lehrt die Braut, was für ein Unterschied zwischen dem guten Geiste und dem Truge des Teufels ist, und wie man beiden antworten soll. Der Sohn sprach: "Wie soll man meinen Geist erkennen, da es zwei Geister giebt, einen guten und einen bösen? Ich will Dir's sagen. Mein Geist ist warm und thut zweierlei Gutes. Zuerst bewirkt er, daß man nichts als Gott begehrt; zweitens giebt er höchste Demut und Verachtung der Welt. Der böse Geist dagegen ist kalt und heiß. Kalt, weil er alles, was Gott ist, bitter macht; heiß ist er deshalb, weil er dem Menschen die Neigung zur Wollust des Fleisches und Hoffart der Welt einflößt, und die Begierde nach Eigenlob anfacht. Er kömmt sanft daher wie ein Freund, ist aber wie ein bissiger Hund. Er kömmt auch wie ein süßer Tröster, ist aber der ärgste Fallstrickleger. Kömmt er daher, so sprich zu ihm: Ich will Dich nicht, weil Dein Ende böse ist. Wenn aber der gute Geist kömmt, sollst Du sagen: Komme, Herr, als ein Feuer und zünde mein Herz an; denn wiewohI ich unwert bin, Dich zu haben, so bedarf ich doch meinesteils Deiner, während Du meinetwegen nicht besser sein wirst, auch des meinigen 220 nicht bedarfst, sondern ich werde besser werden durch Dich, und ohne Dich bin ich nichts." Der Sohn redet mit der Braut von drei Gesetzen, nämlich: der Kirche, des Kaisers und der Gemeinde, ermahnt sie aber nach einem vierten Gesetze, nämlich dem geistlich-göttlichen, zu leben, d. h. in der Demut, dem festen katholischen Glauben und der vollkommenen christlichen Liebe, wobei sie um Gottes willen alles hintansetzt, weil durch jenes Gesetz geistliche Ehre und himmlischer Reichtum in der ewigen Herrlichkeit erworben werden. Der Sohn redete zur Braut und sprach: "Dreierlei Gesetze giebt es, ein Gesetz der Kirche, ein Gesetz des Kaisers und ein Gesetz der Gemeinde. Alle diese Gesetze werden auf die Häute toter Tiere (Pergament) geschrieben. Es giebt aber noch ein anderes, ein geistliches Gesetz, das nicht auf Häute, sondern in das Buch des Lebens geschrieben ward, welches nie verloren geht, noch durch Alter zerstört wird, niemals Überdruß erregt, noch mit Beschwerde besessen wird. Ein jegliches gute Gesetz also muß geordnet werden zum Heile der Seele und um Gottes Vorschriften zu vollbringen, böse Lüste zu fliehen und gute Werke zu suchen, welche verständig begehrt werden müssen. Nun aber ist in dem Gesetze, das auf Häute geschrieben wird, ein Wort, welches heißt: Gieb, so wirst du erlangen. Damit einer etwas erlange, ist von vieren eins nötig. Entweder giebt man einem ein Geschenk, weil man Liebe und Freundschaft erfahren, oder Erbschafts, oder Teilungs halber, oder wegen dargebrachter Werke der Demut und Dienstbarkeit. Auf ähnliche Weise verhält es sich mit dem geistlichen Gesetze. Das geistliche Gesetz schreibt vor, Gott zu erkennen und lieb zu haben und seiner zu genießen und zu erlangen in diesem Gesetze ist Ehre und geistlicher Reichtum; denn es wandelt alles Geschaffene in dem Schöpfer, giebt den eigenen Willen auf für den Willen Gottes, flößt Liebe zu den Tugenden ein und giebt die Welt für den Himmel hin. Dieser Reichtum wird auf vierfache Weise erlangt. Erstens durch die Liebe. Denn wie ein zeitlicher Herr einem aus Liebe Geschenke macht, obwohl (von dessen Seite) keine Verdienste vorausgingen, so habe 221 ich vermöge meiner Güte den Menschen erschaffen und erlöst, ertrage ihn täglich und ehre ihn trotz seiner Undankbarkeit. Außerdem wird auch jeder, welcher mich mit ganzem Herzen liebt, und nichts begehrt, als mich, auf Erden die Tugend haben, welche mit dem Finger Gottes ins Herz geschrieben, und Ehre im Himmel, die in das Buch des Lebens eingezeichnet wird, welches das ewige Leben ist. Zweitens wird die geistliche Ehre erlangt mittels Erbschaft. Ich habe durch Annahme meiner Menschheit und durch mein Leiden dem Menschen durch Erbrecht den Himmel erkauft und geöffnet. Wie der Mensch gewissermaßen die göttliche Erbschaft dem Teufel verkauft hat, indem er einen schlechten Apfel zum Tausche für die ewige Freude, verbotene Speise statt des Baumes des Lebens, Falsches für Wahres annahm, so habe ich durch Gehorsam gegen meinen Vater den Brief des Ungehorsams zerrissen, habe durch die Bitterkeit meines Herzens genuggethan für die Süßigkeit des Apfels, durch meinen Tod dem Menschen den Baum des Lebens verdient, durch den Glauben an meine Menschheit den Menschen zurückgebracht und alle Wahrheit festgestellt. Wer also den Worten meiner Wahrheit glaubt und mir nachfolgt, der wird mittels Erbschaft geistlichen Reichtum und meine Gnade erhalten. - Drittens wird die geistliche Ehre durch Teilung erlangt, nämlich, wenn der Mensch scheidet und sich von aller Freude an fleischlichen Lüsten losmacht, und die Lust des Fleisches in Enthaltsamkeit, den Reichtum in Armut, die Ehre in Verachtung, den Verkehr mit den irdischen Eltern in den Umgang mit den Freunden Gottes und den Anblick der Welt in den Anblick Gottes umwandelt. - Viertens wird die geistliche Ehre durch Werke der Demut und Dienstbarkeit erlangt, wenn nämlich der Mensch im Dienste Gottes und in Geduld wie ein starker Kriegsmann im Kriege streitet, in Demut und Treue dient wie ein Knecht, wenn er das ihm Anvertraute barmherzig und gerecht wie ein guter Verwalter austeilt und wider die Versuchungen wacht wie ein guter Wächter. Dieser ist wert, Ehre und geistlichen Reichtum zu haben, welcher nicht auf Tierhaut geschrieben wird, sondern in die Seele; denn die Stufen des dreifachen geschriebenen Gesetzes sind nützlich, die Gerechtigkeit zu vollbringen. Das geistliche Gesetz aber ist süß, die Frucht zu erlangen. Darum, meine Tochter, suche die geistliche Ehre durch die Liebe zu erlangen, 222 indem Du nichts so liebst, wie mich; suche sie durch Erbschaft, indem Du festiglich das glaubst, was die Kirche gebietet; suche sie durch die Werke der Demut, indem Du alles zu meiner Ehre thust. Denn Du bist zu meinem Gesetze gerufen, deshalb bist Du auch gehalten, mein Gesetz zu bewahren; mein Gesetz aber besteht darin, nach meinem Willen zu leben. Wie ein guter Geistlicher nach dem Gesetze der Kirche lebt, so lebe auch Du nach dem Gesetze meiner Demut, indem Du Dich nach meinen Freunden richtest. Jedes zeitliche Gesetz zielt teils nach der Ehre der Welt, teils nach ihrer Verachtung. Mein Gesetz aber hat seine Richtung nur auf das Göttliche, weil vor mir und nach mir niemand vollkommen versteht, welcher Art und wie herrlich die Süße des Himmelreiches ist, sowie ich und derjenige, dem ich es werde offenbaren wollen." Christus redet mit der Braut und spricht, sie solle sich sorgfältig vor dem Laster der Hoffart hüten, damit sie sich nicht der Schönheit ihrer Glieder, oder der Güter, oder der Familie wegen überhebe; der Hoffärtige wird mit einem Schmetterlinge verglichen, welcher breite Flügel, aber einen kleinen Leib hat. Der Sohn sprach zur Braut: "Laß Dich nicht durch die Hoffart der Leute beunruhigen; denn sie wird bald vergehen. Es giebt eine Art Insekten, welche Schmetterlinge heißen. Dieselben haben breite Flügel, aber einen kleinen Leib, ferner mannigfaltige Farben, endlich fliegen sie wegen der Leichtigkeit ihres Leibes hoch, aber wenn sie in die Luft emporsteigen, fallen sie, weil sie nur geringe Kraft im Leide haben, schnell auf den ersten besten Gegenstand hinab, der in der Nähe ist, mag es nun ein Stein oder Holz sein. Diese Art Insekten bedeutet die Hoffärtigen, welche breite Flügel und einen kleinen Leib haben; ihr Herz schwillt auf durch die Hoffart wie eine Haut durch eingeblasenen Wind; auch glauben sie, alles um ihrer Verdienste willen zu haben, ziehen sich den übrigen vor, halten sich für würdiger, als die anderen, und würden, wenn sie vermöchten, ihren Namen über die ganze Welt ausbreiten. Weil ihr Leben aber kurz ist wie ein Augenblick, fallen sie dahin, wenn sie nicht daran gedenken. Zweitens haben die Hoffärtigen mannig- 223 faltige Farben wie der Schmetterling; denn sie sind stolz auf die Schönheit der Glieder, auf Güter, auf Familie, und verändern ihren Stand nach jeglicher Eingebung ihrer Hoffart, sind aber, wenn sie sterben, nichts als Erde. Drittens fallen die Hoffärtigen, wenn sie den höchsten Grad des Stolzes erstiegen haben, auf gefährliche Weise und in einem Augenblick in den Tod. Deshalb hüte Dich vor der Hoffart, weil sie das Angesicht Gottes von den Menschen hinwegzieht, und meine Gnade zu dem nicht eingeht, den sie eingenommen hat." Christus ermahnt die Braut, daß sie demütig leben, sich auch nicht um großen Ruhm und Namen kümmern soll, weil er selber zur Predigt des Evangeliums nicht große Lehrer, sondern demütige Fischer auserwählt hat; denn diejenigen, welche danach trachten, sich in dieser Welt einen großen Namen zu erwerben, werden in der Hölle schwer gestraft werden. Der Sohn sprach: "Lese die Schrift, wer da will, so wird er finden, daß ich aus einem Hirten einen Propheten gemacht, und mit dem Geiste der Weissagung Jünglinge und Unwissende erfüllt habe. Obgleich aber nicht alle meine Worte des Heiles angenommen haben, so sind doch meine Worte, damit meine Liebe bekannt würde, zu den meisten gelangt. In ähnlicher Weise habe ich, um das Evangelium zu predigen, nicht Gelehrte, sondern Fischer auserwählt, auf daß sie sich nicht ihrer Weisheit rühmen, und alle erkennen sollten, daß, wie Gott in sich wunderbar und unerdenklich, also auch seine Werke unerforschlich sind, und er in dem Kleinsten das Größte wirkt. Ein jeglicher Mensch nun, dessen Wandel nach der Welt ist, um deren Herrlichkeit zu haben und seine Lust zu vollbringen, hat sich eine große Bürde aufgeladen. Wohlan, ich erzähle Dir ein Beispiel von einem Manne. Dieser ging mit ganzem Verlangen der Welt nach und hatte sich einen großen Namen erworben bei der Welt, aber seinem Rücken die größte Sündenbürde aufgeladen. Darum hat er nun einen großen Namen in der Hölle, eine sehr große Bürde statt des Lohnes und einen ausgesuchten Ort in der Qual. An diesen Ort sind etliche hinabgestiegen schon vor ihm, 224 einige mit und andere nach ihm. Vor ihm sind hinabgestiegen, welche ihn durch ihre Hilfe und ihren Rat bestärkten, seine Bosheit zu erweitern; mit ihm aber fuhren hinab die Vergeltungen seiner Werke; nach ihm werden diejenigen hinabfahren, welche sein Vorbild nachahmen werden. Darum rufen die ersten ihm zu wie aus einem Preßstock und sprechen: Weil Du unseren Ratschlägen gefolgt bist, brennen wir desto glutvoller durch Deine Gegenwart. Verflucht seist Du deshalb und wert, aufgeknüpft zu werden mit einem Stricke, der nicht reißt, und ewig im Feuer zu brennen; die ärgste Schande werde Dir für Deine Hoffart und Deinen Ehrgeiz zu teil. Seine Werke aber rufen und sprechen: O Du Elender! die Erde hat Dich nicht können speisen mit ihrer Frucht. Darum hast Du alles begehrt; Gold und Silber vermochte Dein Verlangen nicht zu stillen, darum bist Du leer geblieben von allem. Lebendige Raben werden Deine Seele zerreißen, welche zerrissen, aber nimmer gemindert, welche zerfließen, aber doch leben wird. Diejenigen jedoch, welche nach ihm hinabfuhren, rufen: Wehe Dir, daß Du geboren bist, Deine Wollust wird in Dir in den Haß Gottes verkehrt, so daß Du nicht mit einem einzigen Worte Gott erfreuen kannst. Wie in der Liebe und Ehre Gottes aller Trost und alle Freude, Gutes und unaussprechliche Freude ist, deren auch wir wegen Deiner Nachfolge unwürdig sind, so werde Dir Trauer und Zwietracht durch der Teufel Gesellschaft, Häßlichkeit für Ehre, Brunst für Lust, Kälte für Eigenliebe und niemals Ruhe für den Trost des Fleisches. Außerdem Fluch über Dich um des großen Namens willen, den Du unwürdig getragen; statt des Sitzes der Herrlichkeit möge Dir die verächtlichste Stätte zu teil werden. Siehe! dergleichen verdienen, um durch ein Gleichnis zu reden, diejenigen, welche sich über die Ordnung Gottes hinaus in solcherlei Dinge verflechten." Ein Kriegsmann war immer beflissen, neue Weisen zu erdenken, um durch Worte und Beispiele viele ins Verderben zu ziehen. Derselbe hatte einen Neid auf Frau Brigitta. Da er aber nicht wagte, sie in Person zu schmähen, so stiftete er jemand an, welcher sich trunken stellte, um der Frau Brigitta Schandreden sagen zu 225 können. Als die gedachte Frau bei Tafel saß, sagte er, so daß es die (anwesenden) Vornehmen hörten: "O Frau, Dir träumt zu viel, Du wachst übermäßig; es ist besser für Dich, wenn Du trinkst und mehr schläfst. Sollte Gott die Gottesfürchtigen verlassen haben, und redet er mit den Hoffärtigen der Welt? Es ist vergeblich, wenn Du Deinen Worten Glauben zu verschaffen trachtest." - Als er noch sprach, wollten die Anwesenden ihn strafen, aber Frau Brigitta wehrte es und sprach: "Lasset ihn reden; denn Gott hat ihn gesandt. Warum soll ich, die ich in meinem ganzen Leben mein Lob gesucht und Gott gelästert habe, nicht hören, was ich unrechtes begangen? Denn jener sagt mir die Wahrheit." Als besagter Herr solches vernahm, ergriff ihn die Reue, er versöhnte sich mit Frau Brigitta, ging nach Rom und kam durch ein löbliches Ende zur Ruhe. Christus ermahnt die Braut, sie soll sich vor dem Umgange mit Weltmenschen hüten, welcher gleichsam des Teufels Braten ist. Die Jungfrau Maria belehrt sie auch, wie sie bei allen ihren tugendhaften Werken die rechte Absicht haben soll, damit die Ehre Gottes gemehrt werde; denn viele dienen Gott mit der That, aber ihre verderbte Absicht verdunkelt jegliches Gute. Der Sohn sprach: "Hüte Dich achtsam vor des Teufels Braten, den der Teufel am Feuer der Wollust und Begehrlichkeit zubereitet; denn wenn man dem Feuer Fett nahe bringt, muß notwendig etwas davon abtropfen und ebenso gehen aus dem Verkehre und der Gemeinschaft mit den Weltmenschen Sünden hervor. Obschon Du aber nicht aller Gewissen kennst, so verraten doch die äußeren Zeichen, was inwendig in der Seele verborgen ist." Ferner sprach die Mutter: "Jede Deiner Handlungen sei vernünftig und Deine Absicht eine rechte, damit Du alles, was Du thust, in der Absicht vornimmst, daß Gottes Ehre vollbracht und der Nutzen der Seele der Lust des Leibes vorgezogen werde. Viele dienen nämlich Gott mit dem Werke, allein die verderbte Absicht verdunkelt alles Gute, wie Du an einem Beispiele erkennen können wirst. Es giebt ein Tier, das man Bär heißt. Wenn dasselbe vom Hunger heimge- 226 sucht wird und einen gewünschten Raub ersieht, schlägt es eine Tatze in den Raub fest, und gebraucht zu deren Hilfe die andere Tatze, damit es um so stärker die Beute halten könne, daß sie ihm nicht entschlüpfe oder weggenommen werde, bis er es gefressen hat. Ein solcher Bär hat ununterbrochen seine Beute im Auge und sucht weder Gold, noch duftende Kräuter und Bäume, sondern nur einen verborgenen und sichern Ort, oder irgend einen Hinterhalt, um mit größerer Sicherheit und Zuversicht die Beute festhalten zu können, welche er bekommen hat. Also dienen ihrer viele mir mit Beten und Fasten aus einer gewissen Furcht, weil sie ihre entsetzliche Strafe und meine große Barmherzigkeit in Betracht ziehen. Sie suchen mich auf durch einige äußere Werke, handeln aber im Willen wider die Gebote meines Sohnes. Gleichwie der Bär haben auch sie ihre ganze Absicht auf die Fleischeslust und Begierlichkeit der Welt gerichtet; weil sie aber den Verlust des Lebens und die künftige Strafe fürchten, deshalb dienen sie mir in der Absicht, daß sie nicht die Gnade verlieren, noch in die Strafe hineingeraten. Dies geht ganz deutlich daraus hervor, daß sie niemals das Leiden meines Sohnes betrachten, das wie das köstlichste Gold ist, noch dem Leben der Heiligen nachfolgen, welche wie kostbare Sterne sind, auch nicht acht haben auf die Gaben des heiligen Geistes, als duftende Kräuter, noch thun sie mit Verleugnung des eigenen Willens den Willen meines Sohnes, sondern wollen nur eine Stütze haben, um getroster zu sündigen und in der Welt Glück zu haben. Ihr Lohn wird aber kurz sein, weil ihr Werk ausging von einem kalten Herzen. Gleichwohl wird, wenn der Wille vollkommen gebessert wird, das Werk gar schnell erneuert, und der gute Wille, wenn das Werk fehlt, für das Werk gerechnet." Dieser war ein Propst, welcher nach seinem Willen lebte. Er kam nach Rom und besserte sein Leben auf eine löbliche Weise. Als er den Berg Gargano und San Nicola besucht, und zur Frau Brigitta, deren Rat er gänzlich befolgte, zurückgekommen war, sagte er unter anderem: Er verwundere sich sehr, weshalb die große und berühmte Stadt Siponto, wo so vieler Heiligen Leiber ruhen, zerstört worden. Darauf erschien am folgenden Tage der Sohn Gottes 227 und sprach zur Frau Brigitta: "Jener, Dein Freund, wundert sich über die Stadt, welche zerstört worden. Das haben, meine Tochter, fürwahr die Sünden ihrer Einwohner verdient, zumal auch andere Städte Ähnliches verdient haben. Allein einen Freund hatte ich, der in dieser Stadt wohnte. Er besaß eine vollkommene Liebe zu mir und rügte und schalt beständig ihre Sitten. Als er aber ihre Halsstarrigkeit wahrnahm, bat er mich unter Thränen, daß der Ort lieber verwüstet werden möchte, als daß täglich so viele Seelen in Gefahr ständen. Als ich aber seine Thränen erblickte und wahrnahm, wie sich niemand vollkommen anschickte, mich zu besänftigen, so ließ ich geschehen, was man jetzt hört." Darauf jene: "Ach, Herr, es ist zu bejammern, daß die Überreste und Leiber auch so vieler Guten dort im Unrat und ohne Grabmal liegen." Christus antwortete: "Gleichwie ich die Seelen meiner Auserwählten in mir selber habe, so trage ich auch Sorge für die Überreste meiner Freunde, welche mein Schatz sind, bis sie den zweifachen Lohn empfangen, der ihnen verheißen worden." Weiter sprach Frau Brigitta: "Ach, mein teuerster Herr, ich glaube, daß dem Orte Siponto viele Gnaden und Ablässe von den Päpsten verliehen worden. Sind denn nun, weil die Mauern zerstört worden, auch die Gnaden vernichtet?" Christus entgegnete: "Welcher Ort ist heiliger, denn Jerusalem, wo ich, Gott, selber meine Fußstapfen eingedrückt habe? Welcher Ort ist jetzt verächtlicher, wird so von Ungläubigen bewohnt und mit Füßen getreten? Gleichwohl finden diejenigen, welche nach Jerusalem kommen, dieselbe Gnade und denselben Ablaß wie früher. Ähnlich ist es mit diesem Orte (Siponto). Wer aus Liebe und mit vollkommenem Willen dahin kommt, wird derselben Gnade, desselben Segens teilhaftig werden, welche diese Stadt zu der Zeit gehabt hat, wo sie in ihrer Herrlichkeit stand, und zwar um des Glaubens der Ankommenden und ihrer Liebesmühe willen." 228 Christus redet mit der Braut über die Art der Befreiung eines Besessenen und sagt ihr, daß, wie der Körper äußerlich leiblicherweise Glieder hat, so auch die Seele innerlich geistlicherweise Glieder habe. Und dies erläutert ihr der Herr gar schön. Der Sohn sprach: "Du bist wie ein Rad, daß dem vorangehenden nachläuft. Also mußt Du meinem Willen folgen. Ich habe Dir vorhin von einem erzählt, dessen Seele der Teufel besitzt, jetzt will ich Dir sagen, an welchem Gliede er gefangen ist. Ich bin gleich einem Manne, welcher zu seinem Scharfrichter spricht: Drei Gewahrsame sind in Deinem Hause. Im ersten befinden sich diejenigen, welche wert sind, das Leben zu verlieren; im zweiten sind die, welche eines Gliedes beraubt werden müßten; im dritten diejenigen, welche gegeißelt und geschunden werden sollen. Der Scharfrichter sprach: Herr, wenn einige des Lebens beraubt, andere verstümmelt und gegeißelt werden sollen, warum wird die Gerichtsvollstreckung aufgeschoben? Denn wenn sie schneller gerichtet würden, würde ihr Schmerz in Vergessenheit kommen. Der Herr antwortete: Was ich thue, thue ich nicht ohne Ursache; denn mit denjenigen, welche das Leben verlieren sollen, muß noch eine Zeit lang gewartet werden, damit die Guten, wenn sie ihr Elend sehen, noch besser werden, die Bösen aber Furcht bekommen und hinfort behutsamer werden. Diejenigen aber, welche verstümmelt werden sollen, müssen zuvor noch gequält werden, damit sie in ihrem Herzen das Böse, das sie gethan, widerrufen und über das Begangene Leid haben. Diejenigen, welche gegeißelt werden sollen, müssen durch Schmerz bewährt werden, damit die im Schmerze sich kennen lernen, welche sich in der Freude vernachlässigt haben, und sich um so sorgfältiger hüten, dergleichen zu begehen, je mühevoller sie erlöst worden sind. Ich nun bin jener Herr und habe den Teufel zum Scharfrichter, behufs Vollstreckung der Strafe an den Bösen nach dem Verdienste eines jeden; ihm ist Gewalt über jene Seele gegeben, an welchem Gliede aber, will ich Dir jetzt zeigen. Gleichwie der Leib auswendig durch Glieder in Ordnung gehalten ist, so muß die Seele 229 inwendig auf geistliche Weise zusammengehalten werden; wie der Leib Mark, Knochen und Fleisch hat, im Fleische aber das Blut und Fleisch im Blute ist, so muß die Seele Gedächtnis, Gewissen und Verstand haben. Einige sind, welche hohe Dinge in der Schrift verstehen, sie haben aber keine Vernunft, diesen fehlt ein Glied; andere sind, welche ein vernünftiges Gewissen, aber keinen Verstand haben; andere wiederum haben Verstand, jedoch kein Gedächtnis. Alle diese sind schwer krank. Diejenigen aber sind in der Seele gesund, welche gesunde Vernunft und gesundes Gedächtnis und Verstand haben. Ebenso hat der Leib drei Gefäße. Das erste ist das Herz; über demselben ist ein dünnes Häutlein, welches verhindert, daß etwas Unreines das Herz berühre; denn wenn der geringste Flecken ans Herz käme, müßte der Mensch sogleich sterben; das zweite ist der Magen; das dritte sind die Eingeweide, durch welche alles Schädliche entfernt wird. So muß auch die Seele geistlicherweise drei Gefäße haben. Das erste ist die göttliche Begierde, gleichsam das Herz, so daß die Seele nichts brünstiger begehre, als mich, ihren Gott, sonst wird, wenn auch nur eine, auch noch so geringe, schlechte Begierde hineinkömmt, die Seele sogleich befleckt. Das zweite, der Magen, ist die kluge Einrichtung der Zeiten und Werke. Wenn eine jegliche Speise weich und im Magen verdaut wird, so muß eine jegliche Zeit, jeder Gedanke, jedes Werk nach der göttlichen Satzung in geordneter Weise nützlich und weislich eingerichtet werden. Das dritte sind die Eingeweide, d. h. die göttliche Reue, durch welche das Unreine gesäubert wird und die Speise der göttlichen Weisheit besser schmeckt. - Noch hat der Leib drei Glieder, welche ihn fördern: das Haupt, die Hände und die Füße. Das Haupt bedeutet die göttliche Liebe; denn wie am Haupte alle fünf Sinne sich befinden, also schmeckt in der göttlichen Liebe der Seele alles süß, was von Gott gesagt, gehört und gesehen wird, und alles, was verheißen wird, wird beständig erfüll. Der Mensch ist ohne das Haupt tot; so auch ist die Seele, deren Leben Gott ist, ohne Liebe tot für Gott. Die Hände der Seele aber bedeuten den Glauben. Wie an der Hand mehrere Finger sind, so hat der Glaube mehrere Artikel, obwohl nur Ein Glaube ist. Durch den Glauben wird aller göttlicher Wille vollbracht, und derselbe muß zu jedem guten Werke behilflich sein; denn wie durch 230 die Hände das Werk von außen gethan wird, also wirkt durch den Glauben der heilige Geist inwendig. Der Glaube ist die Grundlage aller Tugenden, weil, wo der Glaube nicht ist, die Liebe und das gute Werk vernichtet werden. Die Füße der Seele aber sind die Hoffnung; denn durch diese geht die Seele fort zu Gott; wie der Körper auf den Füßen dahinschreitet, so naht sich die Seele Gott mittels des Schrittes der göttlichen Sehnsucht und Hoffnung. Die Haut aber, welche alle Glieder bedeckt, bedeutet den göttlichen Trost welcher die Seele so tröstet, daß sie der Beunruhigung nicht unterwerfen ist. Und wenn auch dem Teufel verstattet wird, zuweilen das Gedächtnis, andere Male die Hände und Füße zu beunruhigen, so verteidigt Gott doch die Seele allezeit wie ein Kämpfer, und tröstet sie wie ein liebreicher Vater, und heilt sie wie ein Arzt, daß sie nicht stirbt. So ist denn nun die Seele jenes Menschen, von welchem ich Dir gesagt habe, zu der Zeit gefangengenommen, als sie verdient, wegen der Unbeständigkeit ihres Glaubens der Hände beraubt zu werden, weil sie keinen rechten Glauben hatte. Gleichwohl ist jetzt aus doppeltem Grunde die Zeit des Erbarmens; erstens, wegen meiner Liebe; zweitens, um der Bitten meiner Auserwählten willen. Darum soll mein Freund über ihn die vorher gesagten Worte lesen, Er muß drei Stücke beobachten: Erstens soll er das übel Erworbene erstatten; zweitens sich in Betracht seines Ungehorsams vom römischen Hofe die Lossprechung verschaffen; drittens vor der Lossprechung meinen Leib im Sakramente der Kommunion nicht empfangen." Christus beklagt sich gegen die Braut über die Heiden und Juden, hauptsächlich aber über die bösen Christen deshalb, weil sie die heiligen Sakramente nicht andächtig und rein, wie es sich geziemt, empfangen, und weil sie die Schöpfung, die Erlösung und den göttlichen Trost vernachlässigen. Der Sohn redete: "Ich spreche mit Dir durch ein Gleichnis wie von drei Menschen. Der erste spricht: Ich glaube weder, daß Du Mensch, noch daß Du Gott bist. Ein solcher ist ein Heide. Der zweite, d. h. der Jude, glaubt, daß ich Gott, aber nicht Mensch 231 bin. Der dritte, nämlich der Christ, glaubt, daß ich Mensch und Gott bin, allein er glaubt meinen Worten nicht. Ich bin aber derjenige, über welchen des Vaters Stimme vernommen wird: Dieser ist mein geliebter Sohn u. s. w. (Matth. III.) Darum beklage ich mich seitens meiner Gottheit, daß die Menschen mich nicht hören wollen. Ich rief und sprach: Ich bin der Anfang, glaubt ihr an mich, so werdet ihr das ewige Leben haben. Aber sie haben die Worte verachtet. Sie sahen die Macht meiner Gottheit, als ich die Toten erweckte, und vieles andere, und doch haben sie nicht acht darauf gegeben. Ich beklage mich auch seitens meiner Menschheit, weil sich keiner um das kümmert, was ich in der heiligen Kirche eingesetzt habe. Ich habe nämlich sieben Gefäße in der Kirche aufgestellt, durch welche alle gereinigt werden sollen. Ich habe die Taufe zur Reinigung der Erbsünde eingesetzt, das Chrisma zum Zeichen der göttlichen Versöhnung, das heilige Öl zur Stärkung wider den Tod, die Buße zur Verzeihung aller Sünden, die heiligen Worte, damit durch dieselben die Sakramente geheiligt und eingesetzt würden, das Priestertum zur Würdigung, Erkenntnis und Erinnerung der göttlichen Liebe, die Ehe zur Einigung der Herzen. Diese soll man empfangen mit Demut, behüten mit Reinheit und austeilen ohne Begierlichkeit. Jetzt aber werden sie empfangen mit Hoffart, aufbewahrt in unreinen Gefäßen und ausgespendet mit Begierlichkeit. Ich klage auch darüber, daß, nachdem ich für das Heil der Menschen geboren und gestorben bin, der Mensch, wenn er mich nicht dafür, daß ich ihn erschaffen habe, lieben wollte, mich nicht wenigstens dafür liebt, daß ich ihn erlöst habe. Jetzt aber verstoßen mich die Menschen aus ihrem Herzen wie einen Aussätzigen und verabscheuen mich wie einen unreinen Lappen. Ich beklage mich auch seitens meiner Gottheit, daß die Menschen den Trost dieser Gottheit ausschlagen und ihrer Liebe nicht achten." 232 Die Braut vernahm, wie Gott denen, welche ihn wahrhaft begehren, selbst entgegeneilt und sie wie ein liebreicher Vater tröstet, ihnen auch das Schwere leicht macht. Als jemand das Vaterunser betete, vernahm die Braut, wie der Geist sprach: "Freund, ich antworte Dir von seiten der Gottheit, daß Du mit Deinem Vater das Erbe haben; seitens der Menschheit aber, daß Du mein Tempel sein; drittens von seiten des heiligen Geistes, daß Du nicht mehr Versuchungen haben wirst, als Du zu tragen vermagst. Denn der Vater wird Dich beschützen, die Menschheit wird Dir beistehen, der Geist Dich aber entflammen. Wie eine Mutter, wenn sie ihres Sohnes Stimme vernimmt, ihm freudenvoll entgegeneilt, und wie der Vater, wenn er seinen Sohn arbeiten sieht, demselben mitten auf dem Wege zuvorkömmt und ihm seine Last erleichtert, so laufe auch ich meinen Freunden entgegen, mache ihnen alles Schwere leicht und lasse sie es fröhlich tragen. Und wie jemand, welcher etwas Angenehmes sieht, nicht erfreut wird, wenn er demselben nicht näher kömmt, so nahe ich mich denen, die mein begehren." Christus spricht mit der Braut und sagt, daß der Vater diejenigen zu sich zieht und ihren guten Willen zum Guten vervollkommnet, von denen er sieht, daß sie den bösen Willen mit Freuden und dem Verlangen, sich zu bessern, in den guten Willen verwandeln. Der Sohn sprach: "Wer mir zugesellt werden will, muß seinen Willen mir zuwenden und das bereuen, was er begangen hat. Alsdann wird er von meinem Vater zur Vollkommenheit gezogen. Denn denjenigen zieht der Vater, welcher seinen bösen Willen in den guten verwandelt, und was er begangen, gern besser zu machen begehrt. Aber wie zieht der Vater? Sicherlich, indem er den guten Willen im Guten vervollkommnet. Denn wenn die Neigung 233 nicht gut wäre, hätte der Vater nichts zu ziehen. Für einige aber bin ich so kalt, daß ihnen mein Weg in keiner Weise gefällte Für andere jedoch bin ich so heiß, daß, wenn sie etwas Gutes thun müssen, sie wie im Feuer zu sein scheinen. Anderen bin ich so süß, daß sie nichts begehren, als mich. Diesen will ich eine Freude geben, die nimner endigen soll." Die Mutter zählt hier siebenfach Gutes auf, das in Christo ist, und siebenfach Entgegengesetztes, womit ihm von den Menschen vergolten wird. Die Mutter sprach: "Mein Sohn hat eine siebenfache Herrlichkeit. Er ist der Mächtigste und wie ein alles verzehrendes Feuer; zweitens der Weiseste, dessen Weisheit niemand zu begreifen vermag, so wenig, als das Meer auszuschöpfen; drittens der Stärkste, wie ein unbeweglicher Berg; viertens der Kräftigste, wie das Immenkraut; fünftens ist er der Schönste und glänzt wie die Sonne; sechstens der Gerechteste, gleichwie ein König, welcher wider seine Gerechtigkeit keinen Menschen schont; siebentens der Liebreichste, wie ein Herr, der sich selber hingiebt für das Leben seines Dieners. Dagegen hat er siebenfach Hartes ertragen; denn anstatt der Macht ist er geworden wie ein Wurm (Psalm XXI.); anstatt der Weisheit ist er für den Unweisesten erachtet; statt der Stärke wie ein mit Windelbändern gebundenes Knäblein; statt der Schönheit für einen Aussätzigen; statt der Kraft stand er nackt und gebunden da; statt der Gerechtigkeit ward er für einen Lügner erachtet; für seine Güte ist er gestorben." Christus sagt der Braut, daß es zweierlei Art Lust giebt, eine geistliche und eine leibliche. Die geistliche Lust ist vorhanden, wenn die Seele sich an den Wohlthaten Gottes erfreut; die fleischliche aber, wenn bei verlangendem Bedürfnisse eine Erquickung genommen wird. Der Sohn sprach: "Zwischen mir und jenem befindet sich etwas wie eine Haut, welche ihn verhindert, an meiner Seele Lust 234 zu haben, weil ihm etwas außer mir Freude macht." Und die Braut, welche dieses vernahm, sprach zum Herrn: "Sollte er jemals einige Lust haben können?" Der Heer antwortete: "Es giebt eine zweifache Lust, eine geistliche und eine fleischliche. Die fleischliche oder natürliche Lust findet statt, wenn bei verlangendem Bedürfnis eine Erquickung genommen wird, wobei der Mensch also denken soll: O Herr, weil Du befohlen hast, daß wir uns bloß zur Notdurft erquicken sollen, sei Dir Lob; gieb mir Gnade, daß sich unter dem Genusse keine Sünde einschleiche. Wenn aber eine Freude an zeitlichen Gütern aufsteigt, soll der Mensch also denken: O Herr, alles Irdische ist nur Erde und vergänglich, deshalb gewähre mir, dasselbe also zu gebrauchen, daß ich Dir über alles Rechenschaft zu geben wissen möge. Eine geistliche Lust findet statt, wenn die Seele an den Wohlthaten Gottes sich erfreut und das Zeitliche wider Willen gebraucht, und sich damit nur zur Notdurft beschäftigt. Die Haut aber zerreißt alsdann, wenn Gott der Seele süß und seine Furcht stets im Herzen ist." Wie nicht das Gewand, sondern die Tugend des Gehorsams und die Befolgung der Regel den Mönch macht, und wie die wahre Reue des Herzens mit dem Vorsatze der Besserung die Seele der Hand des Teufels entreißt. Der Teufel erschien und sprach: "Siehe, der Mönch ist mir entflogen und nur sein Bild ist zurückgeblieben." Und der Herr sprach zu ihm: "Erkläre dich, wen du meinst." Der Teufel sprach: "Obwohl ungern, will ich es thun. Ein wahrer Mönch ist Hüter seiner selbst; sein Gewand ist der Gehorsam und die Beobachtung seines Gelübdes, denn wie der Leib mit dem Kleide bedeckt ist, so die Seele mit den Tugenden. Das äußere Gewand nützt also nichts, wenn das innere nicht gewahrt wird, weil den Mönch nicht das Gewand, sondern die Tugend macht. Dieser Mönch ist mir entflogen, da er also dachte: Ich erkenne meine Sünde und will mich fortan bessern, auch mit der Gnade Gottes nimmer wieder sündigen; durch diesen Willen ward er von mir getrennt und ist nun der Deinige." Ihm entgegnete der Herr: 235 "Wie nun bleibt das Bild noch übrig ?" Und der Teufel sprach: "Wenn er die begangenen Sünden sich nicht ins Gedächtnis bringt und über dieselben, wie er sollte, keine vollkommene Reue empfindet." Dieser Bruder erblickte in der Hand des Priesters zur Zeit der Erhebung des Leibes Christi unseren Herrn Jesum Christum in der Gestalt eines Knäbleins, das zu ihm sprach: "Ich bin der Sohn Gottes und der Sohn der Jungfrau." - Derselbe hat auch seinen Tod und dessen Stunde auf ein Jahr vorausgesehen, wovon in vielen Kapiteln in der Legende der heiligen Frau Brigitta zu lesen ist. Dieser Bruder hieß Gerrechinus. Er führte auch ein sehr enthaltsames Leben. Als er im Begriffe war, zu sterben, erblickte er eine goldene Schrift, in welcher die drei Buchstaben P, O und T von Gold enthalten waren. Er erzählte dieses seinen Brüdern und sprach: "Komm', Petrus, eilet. Olaf und Thordo." Nachdem er diese gerufen, entschlief er. Die drei Gerufenen starben in einer Woche und folgten ihm. - Von demselben Bruder ist auch im LV.. Kapitel der Extravaganten die Rede, wo es heißt: "Ein Mönch von heiligem Leben dieses Klosters Alvastra u. s. w." Wie das Leben eines liederlichen und lauen Menschen einer engen und gefährlichen Brücke gleicht, von welcher er, wenn er nicht schnell umkehrt und in das Schiff der Buße und Tugenden springt, von dem Feinde, dem Teufel, in die Tiefe des Abgrundes hinabgestürzt wird. "Jener ist mein Hauptfeind, weil er mich verlacht und verspottet. Er vollbringt allen seinen Willen und alle seine Lust, wie er's vermag. Er ist wie einer, der auf einer engen Brücke liegt, auf deren linken Seite ein sehr großer Abgrund ist, aus welchem niemand zurückkömmt, der hinabfällt. Auf der rechten Seite aber steht ein Schiff, auf welchem er, wenn er hineinspringt, mühsam entkommen wird, jedoch hat er Hoffnung des Lebens. Diese Brücke ist sein klägliches und kurzes Leben, in welchem er nicht steht, wie ein mannhaft streitender Mensch, noch wie ein Wandersmann, welcher Tag für Tag fortschreitet und auf dem Wege zunimmt, sondern er liegt wie ein Fauler und begehrt zu trinken vom Wasser der Wollust. Zweierlei steht ihm bevor. Hat er sich von der 236 Brücke erhoben, so wird er entweder in den Abgrund, d. h. die Tiefe der Hölle, hinabfahren, wofern er sich zur Linken, d. h. zu den Werken des Fleisches wendet, oder er wird, wenn er ins Schiff hinabspringt, mühsam entkommen, wofern er die Strenge der heiligen Kirche und ihre Unterweisung annimmt; obwohl es für ihn beschwerlich ist, wird er dadurch gerettet werden. Möge er sich daher baldigst wenden, damit der Feind ihn nicht von der Brücke hinabstürze, weil er dann rufen, aber nicht erhört, sondern in Ewigkeit gestraft werden wird." Als dieser sah, daß der König seinen Sinn geändert hatte und er nicht in gewohnter Weise mehr bei demselben Gehör fand, faßte er einen Widerwillen gegen die Frau Brigitta, und goß, als sie durch eine enge Straße ging, hoch aus einem Fenster Wasser auf dieselbe hinab. Sie sprach zu denen, welche dabei standen: "Möge Gott seiner schonen und es ihm nicht in der künftigen Welt vergelten." Hierauf erschien Christus der Frau Brigitta in der Messe und sprach: "Jenen Menschen, welcher aus Mißgunst aus dem Fenster Wasser über Dich gegossen, dürstet nach Blut. Er hat Blut vergossen; er begehrt die Erde, aber nicht mich; er redet kühn wider mich; er ehrt sein Fleisch statt meiner, seines Gottes, und hat mich aus seinem Herzen ausgeschlossen. Er möge sich hüten, daß er nicht in seinem Blute sterbe." Danach lebte dieser Mensch nur noch kurze Zeit und starb an einem Blutflusse aus der Nase, wie sie es ihm vorausgesagt hatte. Christus verteidigt seine Braut Brigitta, d. h. die von der Welt zum geistlichen Leben bekehrte Seele, welche Vater und Mutter, Schwester und Bruder von der Liebe zu ihm und von einer keuschen Ehe abzuwenden sich Mühe gaben. Der Sohn sprach zur Braut: "Ich bin wie ein Bräutigam, der sich mit einer Braut verlobt hat, welche Vater und Mutter, Schwester und Bruder zurückverlangen. Der Vater spricht: Gieb 237 mir meine Tochter zurück; sie ist von meinem Blute geboren. Die Mutter spricht: Gieb mir meine Tochter zurück; dieselbe ist mit meiner Milch genährt. Die Schwester spricht: Gieb mir die Schwester zurück, weil sie mit mir erzogen ist. Der Bruder spricht: Gieb mir meine Schwester wieder, weil ich sie leiten muß. Der Bräutigam antwortet ihnen: O Vater, ist sie von deinem Blute geboren, so muß sie jetzt mit meinem Blute erfüllt werden. O Mutter, wenn du sie mit deiner Milch ernährt hast, so will ich sie jetzt mit meiner Lust speisen. O Schwester, ist sie auferzogen nach deiner Weise, so wird sie nun meine Weise beobachten. O Bruder, hast du sie bis jetzt regiert, so liegt es mir ob, sie fortan zu regieren. So ist es mit Dir ergangen; denn wenn der Vater, d. h. die Lust des Fleisches, Dich zurückfordert, so ist es meine Pflicht, Dich mit meiner Liebe zu erfüllen; wenn die Mutter, d. h. die Sorge um die Welt, Dich zurückhalten will, so kömmt es mir zu, Dich mit der Milch meines Trostes zu ernähren; wenn die Schwester, d. i. die Gewohnheit des weltlichen Verkehrs, Dich heimfordert, so bist Du vielmehr schuldig, meines Umganges zu pflegen; wenn der Bruder Dich wieder verlangt, d. i. der eigene Wille, so bist Du verpflichtet, den meinigen zu thun." Wie die selige Agnes der Braut Christi eine Krone mit sieben Edelsteinen aufsetzt, nämlich der Geduld in der Trübsal u. s. w. Agnes redete mit der Braut und sprach: "Komm' her, meine Tochter, und setze Dir die Krone auf, welche aus sieben kostbaren Steinen gearbeitet ist. Was ist aber die Krone sonst, als die Bewährung der Geduld, welche in der Trübsal geschmolzen und von Gott mit Kronen geziert wird? Der erste Stein dieser Krone ist der Jaspis; diesen hat Dir derjenige eingesetzt, welcher Schmachreden zu Dir sprach und sagte: Er wisse nicht, aus welchem Geiste Du redetest, und es sei Dir besser nütze, wenn Du nach Weiberbrauche spinnen, als über die Schrift disputieren wolltest. Wie nun der Jaspis das Gesicht schärft und des Herzens Freude entzündet, so entzündet Gott aus der Trübsal Freude im Herzen, er- 238 leuchtet den Verstand für das Geistliche und tötet in der Seele die ungeordneten Bewegungen. Der zweite Stein ist der Saphir. Diesen hat Dir derjenige eingesetzt, welcher ins Angesicht Dir freundlich redete, hinter Deinem Rücken aber Dir die Ehre abschnitt. Wie nun der Saphir von der Farbe des Himmels ist und die Glieder in der Gesundheit erhält, so bewahrt der Menschen Bosheit den Gerechten, so daß er himmlisch wird und die Glieder der Seele bewahrt, auf daß sie sich nicht in der Hoffart überhebe. Der dritte Stein ist der Smaragd. Diesen hat Dir jener eingefügt, welcher sprach: Du habest Dinge gesagt, was Du doch weder gedacht, noch wirklich gesprochen hattest. Wie nun der Smaragd an sich zerbrechlich, aber doch schön und von Farbe grün ist, also wird die Lüge gar bald zu nichts, macht aber die Seele mittels der Belohnung der Geduld schön. Der vierte Stein ist eine Perle. Diesen hat der eingesetzt, welcher einen Freund Gottes in Deiner Gegenwart lästerte, eine Lästerung, welche Dir schwerer wehe that, als Deine eigene. Wie nun die Perle weiß und schön ist und des Herzens Leiden mildert, so führt der Schmerz der Liebe Gott in die Seele ein und beschwichtigt die Leidenschaften des Zornes und der Ungeduld. Der fünfte Stein ist ein Topas. Denselben hat derjenige eingefügt, der Dir Bitteres gesagt, wofür Du ihn gesegnet hast. Wie nun der Topas goldfarbig ist und die Keuschheit und Schönheit bewahrt, so ist nichts schöner und Gott angenehmer, als wenn wir den lieben, der uns verletzt hat, und wenn wir für unsere Verfolger beten. Der sechste Stein ist der Diamant. Diesen hat Dir der eingefügt, der Dich leiblich beschädigte, was Du geduldig ertragen, und wofür Du ihn nicht hast ehrlos machen wollen. Wie der Diamant durch Schläge sich nicht zerbrechen läßt, sondern durch Bocksblut, so gefällt es Gott, wenn der Mensch den leiblichen Schaden vergißt und um Gottes willen geringe achtet, auch immer an das denkt, was Gott um des Menschen willen gethan hat. Der siebente Stein ist ein Karfunkel. Diesen hat derjenige Dir eingesetzt, welcher Dir die falsche Nachricht gebracht, Dein Sohn Karl sei gestorben, was Du geduldig hinnahmst, indem Du Deinen Willen Gott anheimstelltest. Wie nun der Karfunkel im Hause lenchtet und am Ring gar schön ist, so reizt der Mensch, welcher beim Verluste einer ihm recht teuren Sache geduldig bleibt, Gott an 239 ihn zu lieben; er leuchtet im Angesichte der Heiligen und gefällt wie ein gar köstlicher Stein. Bleib' daher beständig, meine Tochter, weil zur Erweiterung Deiner Krone noch einige Steine nötig sind. Auch Abraham und Job sind besser und mehr bekannt oder berühmter durch die Bewährung geworden und Johannes heiliger durch das Zeugnis der Wahrheit." Die Mutter Gottes redet mit der Tochter. der Braut Christi, und stellt ein schönes Bild von den sieben Tieren auf, durch welche vier Arten von lasterhaften und drei Arten von tugendhaften Menschen auf eine bemerkenswerte Art bedeutet werden. Maria sprach: "Es giebt ihrer sieben Tiere. Das erste hat ungeheuere Hörner, auf welche es stolz ist, und mit denen es gegen andere Tiere Krieg führt, aber gar bald umkömmt, weil es wegen der ungeheuren Größe der Hömer im Laufen keine Schnelligkeit besitzt, sondern von Dornen und Sträuchen aufgehalten wird. Das zweite Tier ist klein, hat ein einziges Horn und unter demselben einen kostbaren Stein. Dieses Tier kann nur durch eine Jungfrau gefangen werden. Nachdem es dieselbe erblickt hat, läuft es ihr in den Schoß und wird so von ihr getötet. Das dritte Tier hat keine Muskelbänder, und deshalb lehnt es sich, wenn es ruhen will, an einen Baum. Wenn der Jäger sich diesen gemerkt hat, schneidet er ihn bis auf die Hälfte durch, und sucht das Tier auf seine Art die Ruhe, so fällt der Baum um und das Tier wird gefangen. Das vierte Tier scheint ganz zahm zu sein und schadet niemand weder mit den Füßen, noch mit den Hörnern, wer aber seinen Atem fühlt, wird aussätzig, weil das Tier seiner Natur nach inwendig ganz aussätzig ist. Das fünfte Tier fürchtet sich allenthalben und sieht und argwohnt überall Hinterhalt. Das sechste Tier fürchtet nichts, als sich selber; wenn es nur sich in seinem Schatten sieht, läuft es sich fast zu Tode und wünscht nur heimlich zu wohnen und zu bleiben. Das siebente Tier fürchtet nichts, auch nicht den Tod, weil es den Tod nicht eher fühlt, als bis derselbe kömmt. Dieses Tier hat vier wunderbare Eigenschaften. Erstens 240 hat es innerlich einen unaussprechlichen Trost; zweitens kümmert es sich nicht um die Speise, denn es genießt geringe Dinge der Erde; drittens steht es niemals, sondern läuft immer; viertens ruht es auch, wenn es einhergeht und ist bedächtig in seinem Fortgange, Das erste Tier hat Ähnlichkeit mit dem Menschen, welcher auf seine Würde stolz und aufgeblasen ist; weil er aber träge und schwer ist zum Laufe nach guten Werken, so wird er alsbald gefangen werden, wenn er sich nicht vorsieht. Das zweite Tier, das da hoffärtig ist aus Anlaß des kostbaren Steines, den es unter dem Horne hat, bedeutet den Menschen, welcher seine Hoffnung und sein Vertrauen in Anbetracht des köstlichen Steines der Keuschheit auf sich selber setzt, und ärgerlich wird, wenn man ihn mit Ermahnungen angreift, sich auch andern vorzieht. Damit er nun von der Hoffart, die ein jungfräuliches Gesicht hat, aber sehr scharf sticht, nicht gefangen werde, soll er sich sorgfältig in acht nehmen. Das dritte Tier, welches keine Muskelbänder hat, gleicht dem Menschen, welchem es an dem Bindemittel geistlicher Empfindungen fehlt, und der, wenn er sicher zu ruhen wähnt, in dem, worin er sich vergnügt, gefangen wird. Das vierte Tier, welches inwendig ganz aussätzig ist, bedeutet den von der Hoffart aussätzigen Menschen, der einen jeden ansteckt, wer ihm durch Zustimmung anhängt. Die folgenden drei anderen Tiere werden zu ihrer Zeit offenbar werden. Das erste Tier ist wie ein gottesfürchtig zweifelnder Thomas, wie ein polierter Quaderstein. Das zweite Tier ist wie Gold im Feuer, wie eine vergoldete Pfeife, welche in einem sehr guten Futterale verwahrt ist. Das dritte Tier ist wie eine gemalte Tafel, welche geeignet ist, noch edlere Farben anzunehmen. Wenn nun jene lasterhaften Menschen, welche unter den genannten vier Tieren verstanden werden, sich zu mir wenden, will ich ihnen auf dem Wege entgegeneilen und ihnen ihre Bürde leicht machen; wo aber nicht, will ich über sie kommen lassen ein Tier, schneller als ein Tiger, das sie verzehren wird, und wie geschrieben steht, werden ihrer Tage wenige sein und ihre Söhne ohne Vater und ihre Frauen Witwen, ihre Ehren werden verkehrt werden in Schande und Schmach." 241 Das erste Tier, d. i. der erste Bischof, der sich ob des Adels überhob, ward bekehrt von den Worten des heiligen Geistes. Er kam nach Rom und folgte der Frau Brigitta nach Neapel. Als sie in Benevent weilten, litt er sehr an der Steinplage. Während er so krank war, sprach der heilige Geist durch Frau Brigitta zu ihm: "Dem kranken Könige Israel ward befohlen, ein Pflaster über seine Wunde zu legen. (Isai. XXXVIII.) Also soll auch dieser thun; er soll die wahre Liebe im Herzen zu Gott ergreifen, welche die beste Arznei ist, und sogleich wird er sich gesund fühlen. Als jener dieses vernahm, that er ein Gelübde und gesundete an Leib und Seele. Von diesem Bischofe ist im XII.. Kapitel des dritten Buches die Rede. Das andere Tier ist ein anderer Bischof von großer Reinheit, von dem im XIII. Kapitel daselbst gesprochen wird. Das dritte Tier, d. i. ein dritter Bischof, welcher mit einem Elefanten verglichen wird, hat sich zu einem Besseren bekehrt. Weiter sprach Christus: "Was hat jener Elefant geraten? War es nicht, daß die ungesetzliche Vermählung gefeiert wurde, damit die aufgewandten Unkosten nicht verloren gehen möchten, und weil man die Dispensation vom Papste leicht zu erhalten glaubte? Aber höre nun, was ich sage. Ein jeglicher, der wissentlich und mit Fleiß wider Gott sündigt, verfällt dem Gerichte Gottes und der Trübsal der Welt, wenn nicht eine große Reue vorausgegangen. Wer aber eines anderen Bürde auf seinen Rücken ladet, sündigt schwer, weil er weder Furcht hat, noch das Heil der Seele sucht. Ach, was für eine große Vermessenheit! Ach, was für ein großer Mangel an Liebe ist es, die Schlüssel des Rechtes in der Hand zu haben, um eines geringfügigen und vergänglichen Dinges willen aber wider Schlüssel und Recht sich aufzulehnen! Darum soll er sich bemühen, Gott zu versöhnen und jene Ehe einer fruchtbaren Buße und schuldigen Lossprechung zuzuführen. Außerdem werden seine Tage verkürzt werden und er wird meinem Gerichte verfallen. Der Fall seiner Kirche aber wird so groß werden, daß sie mit Mühe wieder aufgebaut werden wird, ihre Lust wird zu ihrem Sturze dienen und sie selber zu Verachtung kommen. Du aber, Tochter, schreibe an die Dir bekannten Eheleute, daß, wenn sie sich nicht bessern und der Lossprechung sich würdig machen, sie keine langwährende Frucht erzielen, und ihre Kinder keine langen Jahre haben werden, dasjenige aber, was sie gesammelt haben, an Fremde kommen wird." Weiter von demselben Bischofe: "Dieser Bischof kommt demütig zu mir, wieder, welcher, nachdem er sein Erbe durchgebracht, Treber aß und demütig zu seinem Vater zurückkehrte. Wahrlich, meine Tochter, die Dinge dieser Welt sind wie Treber, wenn das Mark der Frucht, nämlich Gott, aus dem Herzen verstoßen ist, und wenn vergebliche Arbeit und ohne Frucht begehrt, die Welt aber mehr, als Gott geliebt wird. Weil jener Bischof aber bereits mich und sich selbst zu erkennen beginnt, will ich es wie ein Vater mit ihm machen, das Ver- 242 gangene vergessen, ihm mitten auf dem Wege entgegenkommen, ihm einen Ring an die Hand, Schuhe auf die Füße und ein Kalb zum Verzehren geben. Denn von diesem Tage an wird meine Liebe brünstiger sein in seinen Werken, die göttliche Geduld und Weisheit werden vollkommener mit ihm sein, um seine Nächsten an ihn zu ziehen. Er wird auch häufiger und sorgfältiger meinen Leib nehmen und ehren Diese Gabe hat ihm meine Mutter erworben, welche eine Beschirmerin seiner Kirche ist." - Von diesem Bischofe ist auch im Anfange des CXXX. Kapitels die Rede. Das vierte Tier, d. i. der Bischof, welcher in seinem Aussatze verharrte, ist plötzlich hinweggerufen ohne Sakrament. Über ihn siehe im XCVII. Kapitel des sechsten Buches nach. Das fünfte Tier, das einem Quaderstein verglichen, war wie ein in allen Stücken mäßiger und bescheidener Mensch. Von ihm siehe im XXXIII. Kapitel des dritten Buches. Das sechste Tier, nämlich der sechste Bischof, war ein gottesfürchtiger Mann und ein Erforscher seines Herzens, welcher seine Kirche weislich regierte und von vielen Verbindlichkeiten frei machte. Als er gestorben war, sagte Christus von ihm: "Die goldene Schrift spricht: Der Anfang der Weisheit ist die Furcht Gottes." (Ekkli. I.) "Das ist wahr;" aber ich sage, "daß das Ziel der Vollkommenheit gleichfalls die Furcht Gottes ist, und weil jener Bischof sie hatte, ist er mittels eines heilsamen Richtweges auf den Pfad des Heiles gekommen." Das siebente Tier, nämlich der siebente Bischof, war von gar großer Enthaltsamkeit und hatte den Eifer Gottes; er verschwieg die Wahrheit weder aus Furcht, noch aus Liebe, noch weil er Schaden davon hatte. Als er sich ins Gebet begeben hatte, gab er den Geist auf. Über diesen Bischof finden sich viele Offenbarungen im Leben der Frau Brigitta. Er war der Bischof Hemming von Abo, ein Freund der seligen Jungfrau Maria, wie zu sehen ist aus dem CIV. Kapitel der Extravaganten. - Noch eine Offenbarung von dem Bischofe, welcher der Nachfolger des zweiten Tieres war. Der Sohn Gottes sprach: "Schreibe dem Bischofe, es seien schlimme Raubvögel ins Land gekommen, um in demselben ihre Nester anzulegen. Darum soll der Bischof mit seinen Freunden sich Mühe geben, daß ihre Krallen abgeschnitten werden und sie die Gipfel des Landes nicht einnehmen, noch auch ihre Flügel ausbreiten zu einer Gemeinde, sonst werden sie mit ihren Schnäbeln und Klauen das fruchtbare Land vertilgen und hinfliegen über Höhen und Berge und das Land verwüsten und in eine Einöde verwandeln." 243 Die Jungfrau Maria sprach mit der Braut ihres Sohnes von einem Bischofe, für welchen sie andächtig betete. Sie giebt hier eine bemerkenswerte Lehre und vortreffliche Weise an, wonach die Bischöfe leben und sich und ihre Untergebenen geistlicherweise und andächtig regieren sollen. Die Mutter der Barmherzigkeit redete mit der Braut Christi und sprach: "Was sollen wir mit diesem blinden Bischofe thun? Er hat drei üble Sachen an sich: Er bemüht sich, den Menschen mehr zu gefallen, als Gott; er liebt den Schatz, nicht denjenigen, welchen die Engel bewachen, sondern den die Diebe stehlen können und er liebt sich mehr als seinen Nächsten, und mehr als seinen Gott." Und siehe! in demselben Augenblicke hatte die Braut ein Gesicht wie von sechs Wagen, von denen drei mit Gewichtern beschwert waren und von denselben herabgedrückt wurden; die anderen drei waren aber so leicht, daß sie ganz in die Höhe gingen, weil anscheinend nichts darauf lag, als etwas wie eine leichte Feder. Und die Mutter sprach: "Obwohl dieser Bischof die vorgedachten drei Übel an sich hat, so hat er doch immer Furcht. Wegen dieser Furcht, welche ein Mittel zur Erlangung der Liebe ist, ist Dir gegeben worden, seinen Zustand zu erkennen. Die drei beschwerten Wagen bedeuten seine Gott widrigen Werke, welche seine Seele herabdrücken; dieselben dünken Dich deshalb drei zu sein, weil er mit seiner Neigung, seinem Worte und seinem Wirken nach Art einer Wage hinabsinkt zur Welt. Die andern drei Wagen aber scheinen Dir deshalb leicht hinaufzusteigen, weil er bald in Gedanken, bald im Werke hinaufsteigt zu Gott; jedoch wiegt das Weltliche mehr, als das Geistliche, weil er sich eifriger und tiefer in jenes hineinversenkt, und zwar so tief, daß der Teufel ihn schon an den Füßen zieht und der Strick bereit ist." Die Braut antwortete: "O Gebieterin der erbarmenden Liebe, lege Du etwas auf die Wagen." Die Mutter sprach zu ihr: "Agnes und ich haben gewartet, ob vielleicht der Bischof unserer Liebe gedenken wollte, allein er hat unserer Sorge wenig geachtet; gleichwohl wollen wir an ihm thun wie drei Freunde, welche am Wege saßen, den Weg 244 kannten und ihrem Freunde denselben zeigten. Der erste unter ihnen sprach: O Freund, der Weg, welchen du gehst, ist nicht der rechte Weg, auch nicht sicher; wandelst du auf demselben weiter, so werden die Räuber dir Schaden zufügen, und wenn du dich sicher glaubst, wirst du sterben. Der zweite spricht: Der Weg, welchen du gehst, scheint angenehm zu sein; allein, was hilft dir die Lust, wenn am Ende Bitterkeit im Herzen ist? Der dritte aber sprach: O Freund, ich sehe deine Schwäche, darum laß dir's nicht mißfallen, wenn ich dir einen Rat gebe, sei auch nicht undankbar, wenn ich eine besondere Liebe an dir erweise. So haben Agnes und ich jenem Bischofe thun wollen. Hört er den ersten, so wird der zweite ihm den Weg zeigen, der dritte ihn aber einführen in die Region, des Lichtes." Nachher ward der Braut gezeigt, was von Gott gesandt worden, um den gedachten Bischof zu unterweisen, wie folgt. Ferner redete die Mutter: "Zu dem Bischofe soll also gesprochen werden: Obwohl Gott alles zu thun vermag, so muß doch der Mensch in eigener Person dazu mitwirken, daß die Sünde gemieden und die göttliche Liebe erlangt werde. Drei Dinge sind es, welche Anleitung geben, die Sünde zu meiden, und drei, welche die Liebe erwerben helfen. Die ersten drei Stücke, durch welche die Sünde gemieden wird, sind folgende: Getreulich über alles Reue empfinden, was am Gewissen nagt; dasselbe nicht wieder mit Absicht begehen wollen; das Begangene und Gebeichtete nach dem Rate derer, welche die Welt verachtet haben, stetig bessern. Die anderen drei Stücke, welche mitwirken, um die Liebe zu erlangen, sind folgende: Erstens, Gott um Hilfe anrufen, daß die böse Lust hinweggenommen, der Wille aber gegeben werde, das zu thun, was Gott gefällt. Denn die göttliche Liebe kann nicht erlangt werden, wenn sie nicht begehrt wird, noch wird das Verlangen ein vernünftiges sein, wenn es nicht gefestigt ist in der Liebe Gottes. Und darum ist dreierlei im Menschen, bevor die Liebe eingeht, und dreierlei anderes geht ein, wenn die Liebe Gottes eingegossen wird. Vor der Eingießung der Liebe Gottes fürchtet der Mensch die Ankunft des Todes, wird beunruhigt durch die Schmälerung der Ehren und Freundschaften, über die Widerwärtigkeiten der Welt und durch die Schwäche des Fleisches. Nachdem er aber die Liebe erlangt, geht 245 die Freude über die Trübsale der Welt, welche sie leidet, in die Seele ein, das Herz wird geängstigt durch den Besitz der Welt, und freut sich, Gott die Ehre zu erweisen und für die Ehre Gottes Trübsale zu leiden. Das zweite Anleitungsmittel zur Liebe ist: von dem Überflüssigen Almosen zu spenden. Wenn ein Bischof Geschirre und Kleider hat, wie es einem demütigen Prälaten geziemt nur zur Notdurft, aber nicht zum Prunke und zum Überflusse, so mag er sich an diesem genügen lassen, und von dem, was er übrig hat, Almosen geben; denn wenn durch die Güter und den zeitlichen Besitztum der Seelen die armen Hausgenossen der Prälaten reich werden und üppig leben, dann werden andere wirkliche Arme desto lauter Rache über sie rufen. Das dritte Anleitungsmittel zur Liebe ist die Arbeit der Liebe; denn wenn einer auch nicht mehr als ein Vaterunser betete, um die Liebe zu erlangen, so würde dieses Gott gefallen und die göttliche Liebe würde sich ihm alsbald nahen." Ferner sprach die Mutter zu Christus, ihrem Sohne: "Gebenedeit seist Du, Jesus Christus, Du herrlichster Held, der Du gar hurtig gewesen bist, zu laufen den Weg (Psalm XVIII.), und gar stark, auszuhalten den Kampf. Es steht geschrieben, David sei ein großer, tapferer Held gewesen, aber keineswegs war er Dir gleich. Denn David lief von weitem heran und schleuderte den Stein auf den Feind, Du aber hast Dich dem Feinde mit den Füßen genaht und ihm den Rücken gebrochen. David nahm auch, nachdem der Feind niedergeworfen war, demselben das Schwert hinweg und hieb ihm das Haupt ab. Du aber hast dem Feinde sein Schwert genommen, als derselbe stand, den lebendigen Feind mit Deiner Geduld überwunden und des Starken Stärke mit Deiner Demut gebrochen. Darum bist Du aber der Kämpfer aller Kämpfer, dem keiner ähnlich war, noch ähnlich sein wird. Denn aus einem starken Vater ist ein gar starker Sohn erstanden, ein Sohn, welcher den Vater und die Brüder erlöst hat. Darum bitte ich Dich, barmherzigster Held, Du wollest Dir gefallen lassen, diesem Bischofe die Wissenschaft des Kämpfens zu gewähren und Stärke, zu laufen auf der Streitbahn der Kämpfer, daß er sitzen möge bei den wahren Helden, welche ihr Leben für das Leben gaben und für Dein Blut ihr Blut darboten." Der Sohn antwortete: "Das Gebet der Liebe wird nicht 246 verschmäht. Denn die Schrift spricht: Es kommt niemand zu mir, wofern der Vater denselben nicht zieht. (Joh. VI.) Wenn daher derjenige, der zieht, zwar stark, dasjenige aber, was gezogen wird, allzu schwer ist, wird das Werk bald zerstört und vernichtet werden. Ist aber das, was gezogen wird, gebunden, so kann demjenigen nichts helfen, welcher zieht, noch jenem selber, das am Boden liegt; und ist es noch dazu unrein, so wird sein Ziehen ekelhaft. Deshalb muß, wer gezogen werden soll, und wer gezogen zu werden wünscht, zuvor gereinigt und geziemend vorbereitet werden, bis er zugsam und angenehm mit den Händen zu ziehen sein wird. Um dem Gebete meiner Mutter willen wird diesem Bischofe, wenn er den Weg sucht, der rechte Weg gewiesen werden." Darauf setzte die Mutter hinzu und sprach zur Braut: "Höre Du, der es gegeben worden, Geistliches zu hören. Ich habe Dir zuvor gesagt, daß, wenn der Bischof den Weg sucht, ihm derselbe gezeigt werden wird. Wenn dieser Bischof den Weg wandeln will, von welchem das Evangelium spricht, und einer sein will von den wenigen, die auf diesem Wege wandeln, so muß er beim Antritt des Weges drei Stücke beobachten. Er muß erstlich die ihn umgebende Last ablegen, welche ihn beschwert, d. i. die Begierlichkeit der Welt und den Geldsack, indem er die Welt nicht zum Überflusse und zur Hoffart liebt, sondern von ihr nur das Notwendige nach dem anständigen und bischöflichen Erfordernisse nimmt. Alles andere aber soll er zur Ehre Gottes ordnen. So hat auch jener gute Matthäus gethan; er legte die schwere Last der Begierlichkeit ab, deren Schwere er jedoch nicht erkannte, bevor er die leichte und liebliche Last Gottes auf sich genommen hatte. Zweitens muß er gegürtet und bereit sein zum Wandeln, wie die Schrift von dem Engel sagt, den Tobias, vom Vater nach dem Felde geschickt, aufgeschürzt und reisefertig fand. Wen anders bedeutet dieser Engel, als den Priester des Herrn und den Bischof, welcher rein sein muß in Fleisch und Begierden, weil der Weissagung zufolge der Priester ein Engel des Herrn der Heerscharen ist (Malach. II.) weil er den nämlichen Gott konsekriert und empfängt, den die Engel schauen und anbeten. Weshalb aber erschien der Engel dem Tobias reisefertig und geschürzt, als weil jeglicher Priester und Bischof mit dem Gürtel der göttlichen Gerechtigkeit gegürtet und bereit sein muß, sein Leben für seine Schafe dahinzu- 247 geben, bereit in Worten, die Wahrheit zu reden, und bereit, in den Werken an sich selber, den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, bereit auch, für die Gerechtigkeit und Wahrheit zu leiden, ohne dieselbe wegen Drohung und Schmach verkürzen zu lassen, ohne etwas aus falscher Freundschaft zu verschweigen oder nach dem Rate anderer etwas zu verheimlichen. Zu einem jeglichen Bischofe nun, welcher also bekleidet ist mit der Gerechtigkeit, daß er nicht auf sich, sondern auf Gott vertraut, wird Tobias, d. h. der gerechte Mensch, kommen und die gerechten Menschen werden ihm folgen, weil gute Beispiele und Werke mehr ausrichten, als bloße Worte. Drittens soll er Brot und Wasser genießen, wie man von Elias liest, daß er neben seinem Haupte Brot gefunden und durch einen Engel zu essen ermahnt worden, weil ihn noch ein langer Weg übrig blieb. Was ist das Brot, von welchem Elias gegessen und wodurch er so getröstet ward, anders, als ein leibliches und geistliches Gut, das ihm gegeben ward? Denn das leibliche Brot ward ihm, anderen zum Exempel, bereitet, damit man wissen solle, es gefalle Gott, wenn man die mäßige Notdurft zur Erquickung des Fleisches habe; durch das geistliche Brot aber wurde ihm die Gabe der Weissagung und zeitliche Kraft verliehen, damit, weil er vierzig Tage einen mühevollen Weg hatte, man wissen sollte, daß der Mensch nicht allein vom Brote, sondern von einem jeglichen Worte Gottes lebe. (Lukas IV.) Denn wenn ihm Gott nicht den Trost der Weissagung eingegossen hätte, würde er gewiß aus eigener Schwachheit erlegen sein, weil der Mensch von sich selbst schwach, aber stark ist durch Gott und weil ein jeglicher, welcher steht und stark ist, stark und männlich ist durch Gott. Weil nun dieser Bischof schwach ist, so verordnen wir ihm einen Bissen Brotes, d. h., Gott über alles auf geordnete Weise, rein, wahrhaft und vollkommen zu lieben. Auf geordnete Weise, daß er die Welt liebe, aber nicht zum Überflusse; rein, so daß er keine Sünde an sich, noch an seinem Nächsten liebe, noch böser Gewohnheit nachfolgen wolle; wahrhaft, so daß er keine Sünde im Vertrauen auf seine guten Werke zulasse, sondern weislich sieh selbst beherrsche, damit er nicht unterliege in zu großem Eifer, oder sich der Sünde aus Kleinmut, in Nachahmung des Bösen oder aus Geringschätzung der Schuld zuneige; vollkommen, so daß nichts ihm so süß schmeckt, als Gott. Wir ermahnen ihn, 248 neben dem Brote der Liebe das Wasser zu haben. Was anders kann dieses Wasser sein, als der beständige Gedanke an die Bitterkeit des Leidens Jesu Christi? Denn wer vermöchte auf würdige Weise an die Ängsten der Menschheit Christi denken, welche er erlitt, als er bat, daß der Kelch der Leiden an ihm vorübergehen möge, und als Blutstropfen aus seinem Leibe drangen? Wohl war jener Schweiß blutig, weil das Blut der Menschheit Gottes von der natürlichen Furcht verzehrt ward, welche er litt, um zu beweisen, daß er ein wahrer Mensch, nicht bloß ein vermeintlicher und vom Leiden freier sei. So möge denn der Bischof dieses Wasser trinken, und bedenken, wie Gott vor Herodes und Pilatus gestanden, wie er war heimgesucht von Schmerzen und verächtlich am Kreuze, wie seine Seite durch die Lanze eröffnet worden und Wasser und Blut herausging. Wenn nun der Bischof die gedachten drei Dinge haben wird, dann ist es ihm nützlich, die Ordnung seiner Zeiten vom Anfange des Tages bis zur Nacht zu wissen. Wenn der Bischof in der Nacht zuerst aufwacht, soll er sogleich Gott für seine Liebe bei der Schöpfung und für seine Leiden bei der Erlösung danken, sowie für die Geduld, womit er so lange seine Sünden und seinen Wandel ertragen. Wenn er dann aus dem Bette steigt und seine Kleider anzieht, soll er also sprechen: Erde muß bekleidet werden mit seiner Erde, und Asche muß sein bei seiner Asche. Weil ich aber durch Gottes Vorsehung ein Bischofsamt zum Spiegel für andere habe, so bekleide ich dich, Esel, der du mein Leib bist, mit Asche und Erde, nicht aus Hoffart, sondern zur Bedeckung, auf daß du nicht nackt erscheinst; auch bekümmere ich mich nicht darum, ob dein Kleid besser oder geringer sei, als nur soweit, daß um der Ehre Gottes willen das bischöfliche Kleid erkannt und das bischöfliche Ansehen am Kleide von anderen zur Besserung und Unterweisung der Schwachen ersehen werde. Deshalb bitte ich Dich, liebreichster Gott, der Du mich aus Deiner Gnade berufen hast, Du wollest mir ein Gewissen ins Herz geben, damit ich nicht auf den großen Wert der Asche stolz werde, auch mich nicht in unnützer Weise der Farbe rühme. Verleihe mir vielmehr die Stärke der Tugenden, daß, gleichwie das bischöfliche Gewand wegen des göttlichen Ansehens vor anderen geehrt ist, so das Gewand der Seele vor Dir tugendhafter sei, auf daß ich nicht wegen der unbescheiden 249 gebrauchten Macht tiefer herabgedrückt, oder wegen des ehrwürdigen Gewandes, daß ich unwürdig trage, um so schmählicher zur Verdammnis entblößt werde. Nach diesem soll der Bischof die Tageszeiten lesen oder singen, wofern er kann. Denn je höher einer geehrt ist, desto mehr ist er Gott zu ehren verpflichtet; jedoch gefällt ein reines und demütiges Herz Gott im Schweigen ebenso wie im Gesange. Dann soll er nach Lesung der Messe oder vorher seiner bischöflichen Pflicht nachkommen, es sei in leiblicher oder geistlicher Weise, auch in allen seinen Werken Barmherzigkeit üben und die Ehre Gottes vor Augen haben, damit er vor den Schwachen nicht den Anschein habe, als trage er größere Sorge für zeitliche Güter, als für die geistlichen. Wenn er aber zu Tische geht, soll er also sprechen: O Herr Jesus Christus, der Du willst, daß der Leib durch leibliche Speise erhalten werde, ich bitte Dich, hilf mir meinem Leibe also seine Notdurft zu geben, , daß er nicht Überdruß spüre von dem Übermaße der Speisen, auch nicht herunterkomme durch kärgliche Speisung, sondern gieb mir das zusagende Maß ein, damit, wenn die Erde von der Erde lebt, der Herr der Erde von seiner Erde nicht zum Zorne gereizt werde. - Wenn er nachher zu Tische sitzt, soll er mit seinen Tischgenossen eine mäßige Erquickung sich erlauben, so jedoch, daß üble Nachrede und leichtfertiges Geschwätz vermieden werde. Er soll sich auch die höchste Mühe geben, daß er keine Reden führe, wodurch andere in ihren Lastern bestärkt werden oder Gelegenheit zur Sünde erhalten; denn wer anderen leuchten soll, ist schuldig, in Betracht zu ziehen, was sich schickt und was vor Gott erlaubt ist, was andere erbauet und was zum Heile nützt. Wie aber am leiblichen Tische alle Speise unschmackhaft ist, wenn das Fleisch und der Wein fehlen, so wird an der geistlichen Tafel für die Seele alles unschmackhaft sein, wenn der Wein der geistlichen Freude und das Brot der Lehre Gottes fehlt. Deshalb soll der Bischof über Tisch etwas zu Ehren Gottes reden, wodurch die Tischgenossen in der Seele gestärkt werden, oder etwas Erbauliches lesen lassen, damit bei der leiblichen Mahlzeit zugleich der Leib erquickt und die Seele geistlich unterwiesen werde. Nach der Mahlzeit aber, und wenn die Danksagung gebetet ist, soll der Bischof reden, was nützlich ist, und thun, was das bischöfliche Amt zu 250 thun erfordert; entweder mag er, wenn es für seine Natur zusagend ist, einen Schlaf machen, oder in Büchern lesen, welche ihn zu Geistlichem erwecken können. Nach dem Abendessen kann er sich mit seinen Freunden auf eine ehrbare Weise vergnügen und dieselben trösten, weil der Bogen, wenn derselbe zu stark gespannt wird, gar schnell zerbricht. Darum ist eine mäßige Freude um der Schwachheit des Fleisches willen Gott angenehm. Wie eine Mutter, wenn sie ihr Kind von ihrer Milch entwöhnen will, ihre Brust mit Asche einreibt oder Bitteres daraufstreicht, daß das Kind sich an feste Speisen gewöhnt, so soll der Bischof den Seinigen gegenüber klug und vorsichtig sein, damit er in der Freude die Bescheidenheit und bei der Beschränkung die Liebe bewahre; deshalb soll er die Seinigen zuerst durch Worte der Furcht Gottes und durch Demut zu Gott ziehen. Danach soll er sie lehren, Gott zu ehren und zu lieben, wodurch er sowohl durch sein göttliches Ansehen ein Vater seiner Freunde, als auch durch gütige Unterweisung ihre Mutter und Amme sein wird. Weiß er aber, daß einer der Seinigen eine Todsünde begeht und sich weder nach harten, noch nach gelinden Worten bessert, so soll er sich von demselben losmachen und ihn von sich lassen, sonst wird er, wenn er ihn um des Nutzens und fleischlicher und zeitlicher Gunst willen behalten möchte, nicht frei sein von seiner Sünde. Wenn er dann zu Bette geht, soll er sein Herz vor Gott beugen und überdenken, welche Gedanken und Empfindungen er den Tag über gehabt, und was er gethan und geurteilt; auch soll er Gott um Hilfe und Erbarmen bitten, indem er den festen Willen faßt, sich zu bessern, soviel er vermag. Wenn er dann ins Bett gegangen, soll er also beten: O Herr, mein Gott, der Du meinen Leib erschaffen, siehe mich an mit Deiner Barmherzigkeit und gewähre mir Deine Hilfe, daß ich im Überflusse des Schlafes nicht träge werde zu Deinem Dienste, noch auch aus Mangel an Schlaf nachlasse in Deinem Dienste. Mäßige vielmehr meinen Schlaf, den Du zur Erleichterung der Zeiten und des Leibes zu haben befiehlst, auf daß der Feind dem Leibe nicht schade, noch nach Deinem verborgenen Ratschlusse über die Seele herrsche. Wenn er nachmals von dem Lager sich erhebt und ihm nachts etwas Unziemliches begegnet war, soll er es abwaschen durch die Beicht, damit der Schlaf der folgenden Nacht nicht mit den Sünden der 251 vorigen beginne, wie geschrieben steht: Lasset die Sonne nicht untergehen über euerem Zorne (Ephes. IV.), also auch nicht über eueren Gedanken und Täuschungen, weil zuweilen eine Sünde, welche läßlich und gering ist, durch Vernachlässigung und Verachtung eine Todsünde wird. Ich gebe auch den Rat, daß er alle Freitag in demütiger Bußübung seinem Priester beichte, und zwar mit dem Willen, sich zu bessern, sonst hilft die Beicht nichts." Dann fügte die Mutter Gottes hinzu: "Hat nun der Bischof diesen Weg eingeschlagen, so mache ich ihn auf dreierlei aufmerksam. Das erste ist, daß der Weg enge; zweitens, daß er dornenvoll und stachlicht; drittens, daß er uneben und felsig sein wird. Wider diese drei Dinge will ich ihm drei Mittel angeben: Erstens, daß er Kleider anzieht; zweitens, daß er seine zehn Finger vor das Gesicht hält und durch dieselben hinausschaut wie durch ein Gitter, damit die Dornen nicht plötzlich und leicht in die entblößten Augen eindringen; drittens muß er die Füße vorsichtig auf den Boden setzen und bei jedem Tritte sorgfältig tasten, ob der Fuß feststehe, auch nicht voreilig beide Füße zugleich setzen, wenn er sich nicht zuvor des Weges vergewissert, ob derselbe schlüpfrig oder fest ist. Was bedeutet nun, daß der Weg eng ist, anderes, als die Bosheit der Schlechten und die Widerwärtigkeit der Welt, welche den Gerechten auf dem Wege der Gerechtigkeit verhindert und ängstigt? Darum soll der Bischof sich dawider kleiden in die Gewänder der Geduld und Standhaftigkeit, weil es eine große Ehre ist, Schmach um der Gerechtigkeit und Wahrheit willen zu leiden. Was bedeuten aber die zehn Finger, welche vor die Augen gehalten werden sollen, anderes, als die zehn Gebote, über welche der gerechte Mensch täglich seine Betrachtungen anstellen soll, daß, so oft der Dorn der Schmach sticht, die Liebe Gottes in Betracht gezogen, so oft aber der Dorn der Bosheit sticht, die Liebe des Nächsten geübt wird; so oft jedoch die Liebe der Welt und des Fleisches erfreut, auf das geachtet wird, was da geschrieben steht: Du sollst nicht begehren, lege vielmehr deiner Begierde den Zügel und Maß an. Wo die göttliche Liebe ist, da ist Geduld in Trübsalen, Freude in Schwachheit, Schmerz ob des Überflusses, Furcht vor der Ehre, Demut bei der Macht, und Verlangen, die Welt zu verlassen. Was aber bedeutet es, daß er bei jedem Tritte tasten muß, ob die Füße feststehen, als daß er allent- 252 halben verpflichtet ist, auf vernünftige Weise Furcht zu haben? Denn der Gerechte muß zwei geistliche Füße haben, nämlich Verlangen nach dem Ewigen und Ekel am Weltlichen. Im ersten soll er weise Vorsicht zeigen, damit er das Ewige nicht zu seiner eigenen Ehre mehr, als zur Ehre Gottes begehre; er soll darum sein ganzes Verlangen auf den Willen und die Ehre Gottes richten. Im anderen Fuße soll Vorsicht sein, auf daß die Unlust an der Welt weder aus Ungeduld des Lebens, noch wegen widriger Zufälle, noch wegen der Trägheit in der geistlichen Arbeit unvernünftig sei, sondern vielmehr, daß die Unlust an der Welt eine Folge werde vom Verlangen nach einem besseren Leben und von dem Abscheu vor der Sünde. Wird nun der Bischof diese beiden Füße haben und auch Furcht, daß, was er gebessert hat, vielleicht nicht gut gebessert worden, und ist er auch auf dem engen und dornenvollen Wege fortgeschritten, dann warne ich ihn vor drei Feinden, welche auf dem Wege sind. Der erste Feind flüstert ihm in die Ohren; der zweite steht vor ihm und ist bereit, ihm in die Augen zu stechen; der dritte liegt ihm vor den Füßen und ruft laut, hält auch einen Strick bereit, um seine Füße zu verstricken, wenn sie auf sein Rufen sich erheben wollen. Der erste Feind nun sind die Menschen oder die teuflischen Eingebungen, welche dem Bischofe folgendes einflüstern: Weshalb wandelst Du so demütig und eingezogen? Weshalb nimmst Du solche Mühe auf Dich? Willst Du etwa heiliger sein, als andere, so daß Du thust, was niemand thut? Wende Dich lieber auf den mit Blumen besetzten Pfad, auf welchem mehrere wandeln, auf daß Du nicht verächtlich erliegest. Was geht es Dich an, ob die Menschen wohl oder übel leben? Was nützt es Dir, wenn Du diejenigen verletzest, von welchen Du Liebe und Ehre erlangen kannst, wenn sie nur Dich und die Deinigen nicht verletzen? Was geht es Dich an, wenn sie Gott beleidigen? Gieb ihnen lieber Geschenke und nimm solche an, gebrauche Deine Ehre und die Freundschaft der Menschen, auf daß Du gleicherweise die Ehre bei Menschen wie das Himmlische erlangen mögest. Siehe, so flüstert und hat der erste Feind in die Ohren der Menschen geflüstert, und deshalb sind viele Leuchten, welche da leuchten sollten in der Finsternis, selber Finsternis geworden, und das beste Gold ist in Kot umgewandelt. Der andere Feind, welcher in die Augen 253 sticht, ist die Schönheit der Welt, das Besitztum an Länderei, der Vorrat an Sachen und Kleidern, der Menschen Gunst und Ehren. Denn weil alles dies begehrt und angeboten wird, so verblendet es dergestalt die Augen der Seele und der Vernunft, daß man es für süßer hält, mit Samson in der Mühle der weltlichen Sorge zu stehen, als bei der Braut, der Kirche, in Ausspendung der Hirtensorge. Außerdem erkaltet die Liebe Gottes, wo sie einigermaßen gewesen, alsdann mehr, die Sünde wird zuversichtlich begangen, und die begangene im Vertrauen auf die innehabende Gewalt leicht genommen. Daher soll der Bischof, wenn er seinen notwendigen Unterhalt hat, und die Anzahl seines Hausgesindes so festgestellt ist, daß er die Ehre seines Standes und sein Ansehen behaupten kann, sich genügen lassen, wie geschrieben steht: Euer Wandel sei ohne Geiz; seid zufrieden mit dem, was ihr jetzt habt. (Hebr. XIII, 5.) Denn kein Streiter Gottes verwickelt sich in weltliche Geschäfte (II. Timoth. II, 4.), als wider seinen Willen und zur Ehre Gottes. Der dritte Feind hat einen Strick und ruft also: Weshalb demütigst Du Dich so, der Du vor anderen geehrt sein könntest? Bemühe Dich also, höher zu steigen, alsdann wirst Du vollauf haben und reichlicher spenden können. Sei ein Priester, auf daß Du neben den Ersten sitzest. Werde ein Bischof und später ein Erzbischof oder etwas noch Höheres, auf daß Du eine noch größere Ruhe, einen höheren Dienst und noch größere Ehren erlangen mögest. Alsdann wirst Du anderen helfen, von anderen gefürchtet und von noch mehreren getröstet werden können. Und wenn das Gemüt durch solche Eingebungen getäuscht wird, dann streckt sich der Fuß alsbald unvorsichtig nach der Begehrlichkeit aus, und es wird nach Mitteln gesucht, in einen höheren Stand hinaufzukommen. Dann aber wird der Geist so in die Stricke der Begehrlichkeit und der zeitlichen Sorge verwickelt, daß er sich kaum zu erheben vermag. Kein Wunder! Denn die Schrift sagt, daß, wer das Bischofsamt oder Priesteramt begehrt, ein gutes Werk begehrt. (I. Timoth. III.) Was ist nun das Gute daran? Fürwahr, für die Seele zu arbeiten und für die Ehre Gottes, zu arbeiten für das Ewige und nicht Vergängliche. Nun aber begehren alle die Ehre, aber nicht die Arbeit, obwohl jene keine Ehre, sondern Trübsal ist; denn wo keine Last der göttlichen Arbeit ist, da folgt auch keine Ehre der Seele 254 bei Gott nach. Deshalb soll der Bischof keine höhere Stufe, oder eine andere, als er hat, begehren, weil der Strick am Boden und eine Falle auf dem Fußpfade des Wandelnden verborgen ist. (Job VIII.) Deshalb ist es ihm nützlich, in dem Stande zu verharren, den er einnimmt, bis es Gott gefällt, anders für ihn zu sorgen, oder der oberste geistliche Vorsteher der Kirche etwas anderes zur Ehre Gottes gebietet. Das eben Gesagte ist ein Rat und eine liebreiche Warnung. Nun aber wollen wir sagen, was der Bischof thun soll in Bezug auf Gott. Er ist fürwahr schuldig, die bischöfliche Inful auf seinen Armen genau verwahrt zu halten, dieselbe nicht für Geld zu verkaufen, noch anderen aus Freundschaft zu überlassen, noch auch dieselbe aus Lauheit und Vernachlässigung verloren gehen zu lassen. Denn was bedeutet die Krone oder bischöfliche Inful anders, als die bischöfliche Gewalt, nämlich: die Geistlichen zu weihen, die Irrenden zu bessern und durch Wort und Vorbild die Unwissenden zu unterweisen? Was dagegen ist die genaue Verwahrung der Inful anders, als das fleißige Nachdenken darüber, wie er die Gewalt erhalten und wozu er dieselbe erhalten, wie er sie geführt und was seine Frucht sein wird? Wenn er also daran denken wollte, wie er sie erhalten, soll er zuerst darauf achten, ob er sie seinetwegen oder um Gottes willen verlangt; war es seinetwegen, so soll er eine vernünftige Furcht haben, wenn aber um Gottes willen, so war's verdienstlich und geistlich. Wendet er jedoch seine Aufmerksamkeit darauf, wozu er seine Würde und Gewalt erhalten, so will ich's ihm gewiß sagen, dazu nämlich, daß er für jene Seelen, von deren Almosen er lebt, ein Tröster und Befreier durch seine Verdienste werde, daß er ein Nährvater der Armen, auch ein Vater der Reichen, ein Helfer Gottes in geistlichen Dingen und ein Eiferer für Gott sei. Will er aber den Nutzen der Gewalt wissen, so erklärt Paulus solches gut, indem er spricht: Wer wohl dient, wird eine doppelte Ehre haben, eine geistliche und eine leibliche. Wer aber das bischöfliche Kleid, jedoch nicht das bischöfliche Leben hat, wer die Ehre sucht, die Arbeit aber versäumt, wird zweifacher Schande wert sein. Was aber bedeutet es, daß die Gewalt nicht verkauft werden soll, als daß der Bischof nicht wissentlich ein Pfründenverkäufer sein, noch solches an anderen dulden soll, wenn er es erfährt? Daß er keinen um Geld weihen oder 255 befördern, sein Amt nicht um der Ehre der Menschen, noch um Gunst üben, auch nicht wegen fleischlicher Fürbitte diejenigen erhöhen soll, von welchen er weiß, daß sie unwürdig und argen Lebens sind? Was anders aber heißt es, anderen seine Gewalt nicht aus Freundschaft zuzuwenden, als daß er nicht den Sünden anderer aus falschem Mitleid nachsehen, nicht aus Freundschaft schweigen, nicht aus sinnlicher Zuneigung auf seinen Rücken die Sünden anderer laden soll, welche er bessern kann und zu bessern verpflichtet ist? Denn der Bischof ist ein Wächter des Herrn, und deshalb wird das Blut der Toten von des Wächters Hand gefordert, wenn er die Gefahr gesehen und nicht gerufen oder wenn er geschlafen hat, und sorglos gewesen ist. Daß aber der Bischof seine Krone oder Inful nicht aus Nachlässigkeit verlieren darf, das bedeutet, daß der Bischof nicht anderen das zu thun gestatten soll, was er persönlich zu thun verpflichtet und zu thun imstande ist; ferner soll er um einer lauen Ruhe willen das nicht unterlassen, was er persönlich mit reichlicherer Frucht, als andere, erfüllen kann. Auch darf ihm das Leben derer nicht unbekannt sein, denen er seine Dienstverrichtungen überträgt, sondern er soll insgeheim und offen nach dem Leben derer forschen, denen er sie anvertraut, und wie sie die Gerechtigkeit bewahren, weil das Bischofsamt kein Amt der Ruhe, sondern der Sorge und Arbeit ist. Wenn nun ein Bischof, wie ich gesagt, die Inful wohl bewahrt, so muß er auch unter seinen Armen einen Blumenstrauß haben, durch welchen die von ihm fernen und die ihm nahen Schafe herbeigelockt werden. Denn ein guter Hirte pflegt seine Schafe durch Blumen und Heu hinter sich her zu ziehen. Was ist dieser Blumenstrauß anders, als die Predigt des göttlichen Wortes, welche dem Bischofe zugehört? Was ferner sind die beiden Arme anders, als die doppelte Thätigkeit, nämlich: öffentlich gute Werke zur Anregung anderer verrichten und Gutes insgeheim in der Furcht Gottes und zum Beispiele der Nächsten thun? Wenn also die Predigt mit diesen beiden Werken verbunden wird, wird daraus der schönste Blumenstrauß werden, hinter welchem die Schafe, welche seiner bischöflichen Hirtensorge nahe sind, freudig herlaufen werden. Auch die Schafe, welche ihm entfremdet sind, werden, wenn sie seinen Ruhm hören, gern nach ihm verlangen, sowohl wegen der guten Werke, als der Liebeswerke, welche den Worten folgen werden. 256 Sehr liebliche Blumen, um die Schafe herbeizulocken, sind: die Verrichtung tugendhafter Werke und die Unterweisung anderer darin nicht mit wortreicher Wissenschaft, sondern in wenigen und liebevollen Worten. Denn es ziemt sich nicht, daß ein Herold Gottes stumm, noch daß ein Wächter Gottes blind sei. - Noch mangelt dem Bischofe Eines. Denn wenn er an die Pforte kommt, ziemt sich's, daß er dem höchsten Könige etwas darbringe. Deshalb raten wir ihm, daß er dem Könige das Gefäß, das ihm das Teuerste ist, darbringe, und zwar leer und wohl geziert. Das Gefäß, das dem Bischofe das Teuerste ist, ist sein Herz, und dies soll er Gott darbieten und schenken, ganz mit Tugenden geziert, aber leer von eigenem Willen und der Liebe des Fleisches. Und wenn dann der Bischof sich der Pforte naht, wird ihm ein glänzendes Heer entgegentreten. Er selbst, Gott und Mensch wird ihn empfangen. Auch die Engel werden sagen: O Herr Gott! siehe, hier ist der Bischof, welcher rein gewesen ist im Fleische, lauter im Priestertum, apostolisch in der Predigt, ein in seinem Amte wachsamer Bischof, kraftvoll im Wirken, demütig in der Gewalt. Siehe, er ist der, welchen wir begehrt haben wegen seiner Reinheit, und deshalb bieten wir Dir denselben dar, weil er um Deiner Liebe willen nach Dir verlangt hat. Dann werden auch die heiligen Seelen, welche im Himmel sind, sagen: Siehe, Herr Gott, unsere Freude ist in Dir, jedoch freuen wir uns auch dieses Bischofes. Denn derselbe trug eine Blume im Munde, womit er gar viele Schafe gerufen hat, eine Blume auch trug er in den Händen, womit er die herannahenden Schafe erquickte; denen, die sich von ihm ferne halten, hat er Blumen gesendet, womit er die schlafenden erweckt hat. Und darum, weil er mit den Blumen seiner Worte unseren Chor vermehrt hat, freuen wir uns in ihm. Erfreue auch Du, Herr Gott, Dich an diesem Menschen und an seiner Ehre, weil er Dich über alles begehrt hat. Dann wird auch der Herr, der Geber der Ehre, zum Bischofe sprechen: O Freund, Du bist gekommen, mir das Gefäß Deines Herzens zu schenken, leer von Dir selber, und hast begehrt, mit mir angefüllt zu werden. Deshalb komm' und ich will Dich mit mir selber erfüllen. Du sollst in mir sein und ich in Dir; Deine Herrlichkeit und Freude werden nimmer ein 257 Ende haben." - (Ein Teil dieser Offenbarung ist wörtlich enthalten im I. Kapitel des dritten Buches.) Die Jungfrau Maria giebt der Braut, welche für einen Eremiten, einen bereits verstorbenen Freund, betet, zu erkennen, daß, bevor sein Leib zur Erde bestattet werde, seine Seele in die Herrlichkeit werde eingeführt werden. Als die Braut für einen alten Priester, einen Eremiten von ausgezeichnetem Leben und großer Tugend, ihren Freund, welcher jüngst aus diesem Leben geschieden war, und bereits, um begraben zu werden, in der Kirche auf der Bahre stand, betete, erschien ihr die Jungfrau Maria und sprach also: "Vernimm, Tochter, und erfahre, daß die Seele dieses Eremiten, meines Freundes, sogleich mit ihrem Austritte aus dem Leibe in den Himmel eingegangen sein würde, wenn sie nicht beim Tode des vollkommenen Verlangens entbehrt hätte, in die Gegenwart und. vor das Antlitz Gottes zu kommen. Darum wird sie jetzt aufgehalten in jenem Fegfeuer der Sehnsucht, wo keine Strafe, sondern nur das Verlangen stattfindet, zu Gott zu kommen. Wisse jedoch, daß, bevor sein Leib unter die Erde kömmt, seine Seele in die Herrlichkeit wird eingeführt werden." "Sage jenem alten Ordensbruder ferner: "Du bist lange in der Wüste gewesen und hast Frucht gebracht, die mir gefallen, indem Du wilde Tiere in Schafe und Löwen in Lämmer verwandelt hast. Bleibe nun beständig in der Stadt, in welcher die Straßen mit dem Blute meiner Heiligen gepflastert sind; denn Du wirst hören das Gericht und Deine Vergeltung schauen. Nachdem er solches gehört, ward er krank und entschlief nicht lange darauf in Frieden. Dieser Bruder, ein Benediktiner, hatte die Frau (Brigitta) gebeten, sie möge Gott ersuchen, daß er möge wegen seines Gewandes versichert sein; denn er war sehr bekümmert um der Menge der Mißbräuche willen, welche in der Kleidung des Ordens des heiligen Benedikt eingerissen waren. Als nun die Frau im Geiste war, sprach der Sohn Gottes zu ihr: "Ich habe Dir früher 258 (Kap. XX und XXII im dritten Buche) gesagt, daß mein Diener Benedikt seinen Leib wie einen Sack behandelte. Er hatte fünferlei Kleider. Das erste war ein rauher Rock. Mit diesem zähmte er das Fleisch und die unordentlichen Regungen, auf daß sie nicht mutwillig werden und ihr Ziel überschreiten möchten. Das zweite Kleid war eine einfache Kutte, nicht mit Sorgfalt gefertigt, noch mit Falten versehen, welche das Fleisch nur decken, zieren und wärmen sollte, daß es den Blicken nicht Abscheu errege. Das dritte war ein Skapulier, auf daß er zur Handarbeit desto behender und anstelliger gefunden werden möge. Das vierte Kleidungsstück war eine Fußbedeckung, damit er desto beweglicher und demütiger wäre im Wandeln auf dem Wege Gottes. Das fünfte war der Gürtel der Demut, um durch dessen Anlegung das Überflüssige zu beschränken und die auferlegte gewohnte Arbeit mit Leichtigkeit zu verrichten. Jetzt aber suchen seine Brüder Kleider, welche Üppigkeit erregen, und haben einen Abscheu vor Rauhigkeit; sie suchen Kleider, welche den Menschen gefallen und das Fleisch zu Fleischlichem reizen. Statt der Kutte legen sie einen so faltenreichen, weiten und langen Mantel an, daß sie vielmehr als übermütige Liebhaber der Pracht sich sehen lassen, als demütige Ordensbrüder sein wollen. Statt des Skapuliers haben sie hinten und vorn ein kurzes Tüchlein und bedecken das Haupt mit einer Kapuze, wie sie die Weltleute tragen, um sich den Weltlingen gleichförmig zu machen. So sind sie aber weder den Weltmenschen gleich, noch arbeiten sie mit den demütigen Dienern Gottes. Die Füße jedoch verwahren sie dergestalt und umgürten sich also mit dem Gürtel, wie Leute, welche sich zu einer Hochzeit rüsten, nicht aber, um auf dem Kampfplatze der Arbeit zu streiten. Darum soll der Mönch, welcher gerettet zu werden begehrt, acht haben, wie die Regel meines Benedikt das Notwendige mit Mäßigkeit, das Nützliche ohne Überfluß, das Ehrbare, das Förderliche, alles Demütige, aber nichts Prunkvolles zuläßt. Denn was bedeutet die Kutte anders, als eine größere Demut vor anderen voraus zu haben? Was aber bedeutet die verächtliche Kapuze an der Kutte, als eine gewisse Verachtung gegen die weltlichen Sitten haben? Warum wird jedoch jetzt von den Ordensbrüdern eine weltliche Kapuze angenommen, als weil sie sich demütiger Dinge schämen, und um mit den Weltleuten gleichförmig 259 zu werden? Was für eine Zierde oder anderen Nutzen aber hat die geschweifte Kapuze, als Pracht und mit der Schönheit der Religion in Widerspruch tretende Sorgfalt? Was jedoch bewirkt der Vorzug des faltenreichen Mantels vor der Kutte, als daß der Mönch für einen Landstreicher, für zu leichtfertig und zu ruhmsüchtig gehalten und angesehen wird? Wenn nun aber auch ein demütiger und sauberer Mantel einer löblichen Notwendigkeit halber getragen würde, so möchte das den guten Sitten noch nicht zuwider sein, anständiger aber würde die Kutte der Demut sein, damit jeglicher an seinem Kleide, und zu welchem Orden er sich bekenne, ersehen werden möge. Wenn jedoch ein Mönch am Haupte schwach wäre oder an Kälte litte, so würde er nicht sündigen, wenn er eine angemessene und demütige Bedeckung unter der Kapuze der Kutte trüge, aber nicht außen, weil daraus der Vorwurf der Leichtfertigkeit und Eitelkeit zu machen sein würde." Die Frau antwortete: "O Herr zürne mir nicht, wenn ich frage. Sündigen auch die Brüder, welche ein solches Gewand mit Erlaubnis der geistlichen Vorsteher und nach der Gewohnheit der Satzungen der Vorfahren tragen?" Ihr antwortete Gott: "Die Erlaubnis ist gerechtfertigt, wenn sie aus guter Absicht hervorgeht. Denn etliche erteilen die Erlaubnis aus dem Eifer der Gerechtigkeit, andere aus falschem Mitleid und unkluger Zulassung, andere infolge der Leichtfertigkeit ihrer eigenen Sitten, und aus Begierde, den Menschen zu gefallen; andere vernachlässigen, was Recht ist, weil sie leer sind von göttlicher Liebe. Allein vor mir ist diejenige Erlaubnis angenehm, welche der Demut nicht zuwider ist, und diejenige Zulassung ist gerechtfertigt, welche das Notwendige klüglich erlaubt und das Überflüssige auch im geringsten verdammt." Ferner fragte die Frau: "O Herr, mein Gott, wenn nun etliche nicht wissen, was besser oder nach der Regel schicklicher ist, sündigen dann diese auch?" Christus antwortete: "Wie kann einem, der eine Regel bekennt, die Regel unbekannt sein, welche täglich gelesen und vernommen wird? In derselben wird ja doch der Mönch angewiesen, sich zu demütigen und zu gehorchen, auch ein Kleid von schlechterem, nicht von weicherem Stoffe, ingleichen ein solches nach der Regel, aber kein Prachtgewand zu tragen. Oder wessen Gewissen ist so abgestumpft, daß er nicht einsehen sollte, er sei ein Bekenner der Demut und aller Armut? 260 so ist denn der ein Mönch Benedikts, welcher mehr der Regel, als dem Fleische gehorcht, der weder in der Kleidung, noch im Wandel jemand anderem, als Gott, zu gefallen begehrt, der täglich zu sterben verlangt und sich auf den Ausgang aus dieser Welt vorbereitet, und besorgt ist, wie er Rechenschaft geben möge von der Regel Benedikts." Antwort der jungfräulichen Mutter an die Braut des Sohnes, welche für einen alten Einsiedler betete, der im Zweifel war, ob es Gott angenehmer sei, daß er der Süße des geistigen Trostes genieße, indem er niemals aus der Wüste ginge, oder ob er zuweilen hinausgehen solle, um die Seelen der Nächsten zu erbauen. Die Mutter sprach: "Sprich mit jenem Priester, dem alten Einsiedler, meinem Freunde, welcher gleichsam wider seinen Willen und den Frieden seiner Seele, gezwungen durch den Glauben und die Andacht seiner Nächsten, zuweilen die Zelle der Einsamkeit und die Ruhe der Betrachtung verläßt, und, von Liebe bewegt, aus seiner Einöde zu den Leuten herausgeht, um ihnen geistlichen Trost zu gewähren, und durch dessen Vorbild und heilsamen Rat viele Seelen zu Gott bekehrt werden, die schon bekehrten aber zu höheren Graden in den Tugenden fortschreiten. Bei der Schlauheit und dem Truge des Teufels hat er Dich mit demütigem Zweifel in Demut um Rat gefragt und gebeten, Du möchtest für ihn bitten, darum nämlich: ob es Gott mehr gefiele, wenn er allein der Süßigkeit der Betrachtung obläge, oder ob ,Gott die erwähnte Liebe zu seinem Nächsten angenehmer wäre. Sage ihm nun meinerseits, wie es Gott allerdings besser gefällt, wenn er, wie gedacht worden, zuweilen hingeht, solche Werke der Liebe an den Nächsten zu üben, wenn er ihnen die Kräfte und Gnaden mitteilt, die er für sich von Gott hat, auf daß sie dadurch selber bekehrt werden, Gott eifriger anhängen und seiner Herrlichkeit teilhaftig werden, als wenn er in der Zelle seiner Einsamkeit nur seinem innerlichen Troste obläge. Sage ihm auch, wie er aus solcher Liebe meist größeres Verdienst der Belohnung in den Himmeln haben werde, wofern er nur, um solche Liebe zu üben, immer mit dem Rate und Willen seines älteren geist- 261 lichen Vaters hingeht. Sage ihm ferner, wie ich will, daß er zu seinen geistlichen Kindern, um sie unter seinem Rate zu regieren, alle Einsiedler und alle Klosterfrauen und Reklusen annehmen solle, welche einst die geistlichen Töchter meines Freundes, jenes bereits verstorbenen Einsiedlers waren. Er soll sie alle auf geistliche und tugendsame Weise mit seinem liebenden Rate leiten, wie jener sie bei seinem Leben geleitet und regiert hat; denn also gefällt es Gott. Und wenn sie ihn zu einem geistlichen Vater annehmen und ihm im geistlichen und einsiedlerischen Leben folgsam sein werden, so wird er ihnen ein Vater und werde ich ihnen eine Mutter sein. Wenn aber jemand ihn zu einem geistlichen Vater nicht würde annehmen, noch ihm gehorchen wollen, dann wird es für einen solchen Ungehorsamen besser sein, daß er sogleich aus ihrer Gesellschaft scheidet, als daß er länger bei ihnen weile. Gleichwohl soll mein gedachter Freund so oft zu ihnen gehen und zu seiner Zelle zurückkehren, wie es ihm gut deucht, jedoch allezeit mit Rat und Willen seines älteren Vaters." Zwei Jahre, nachdem die Braut das Gesicht von dem Tiere und dem Fische gehabt hatte, das im XI. Kapitel des gegenwärtigen vierten Buches enthalten ist, erschien ihr Christus und legte jenes sehr dunkle Gesicht ihr sehr deutlich und verständlich aus, indem er sagte, daß unter dem Tiere und dem Fische die Sünder und Heiden, aber die gerechten und tugendhaften Menschen unter denen verstanden werden, die ihn fangen. Der Sohn sprach zur Braut: "Ich habe früher gesagt, daß mich nach dem Herzen des Tieres und dem Blute des Fisches verlange. Was ist aber das Herz des Tieres, als die geliebte und unsterbliche Seele der Christen, welche mir besser gefällt. als alles Wünschenswürdige, das in der Welt zu sehen ist? Was ferner ist das Blut des Fisches anderes, als die vollkommene Liebe zu Gott? Darum soll mir das Herz mit ganz reinen Händen, das Blut aber in einem geschmückten Gefäße gereicht werden, weil die Reinigkeit Gott und den Engeln angenehm ist, und wie der Edelstein dem Ringe, so geziemt sich höchlich die Reinheit jedem geistlichen Werke. 262 Die göttliche Liebe aber soll in einem geschmückten Gefäße gereicht werden, weil die Seele der Heiden als ein Gefäß leuchten und in heißester Liebe zu Gott brennen soll, durch welche die Gläubigen und Ungläubigen wie ein Leib mit ihrem Haupte Gott vereinigt werden. Wer mir also das Herz eines in der Sünde verhärteten Christen darzureichen begehrt, welcher gleichsam wie ein Tier ist, das ohne das Joch des Gehorsams in den Lastern umherrennt und seinen Lüsten lebt, soll seine Hände mit einem scharfen Bohrer durchstechen, weil hier weder Schwerter, noch Pfeile etwas ausrichten werden. Was aber sind die Hände des gerechten Mannes anders, als seine leiblichen und geistlichen Thätigkeiten? Die leibliche Hand, nämlich arbeiten und den Leib erhalten, ist notwendig; die geistliche Hand aber ist Fasten, Beten und ähnliches. Damit nun jegliche Thätigkeit des Menschen gemäßigt und bescheiden sei, soll sie von der Furcht Gottes durchdrungen sein; zu jeder Stunde soll der Mensch daran denken, daß Gott immer gegenwärtig ist, und soll in Furcht sein, damit die ihm gegebene Gnade nicht hinweggenommen werde, weil der Mensch ohne die Hilfe Gottes nichts, mit seiner Liebe aber alles vermag. Wie nun ein Bohrer die Löcher zurichtet, in welche etwas hineingesteckt werden soll, so befestigt die Furcht Gottes alle Werke, bereitet den Weg für die göttliche Liebe und bewegt Gott zur Hilfe. Darum soll der Mensch in allen seinen Werken furchtsam und klug sein, weil, obwohl beiderlei Arbeit, die leibliche sowohl, als die geistliche, notwendig ist, sie doch ohne Furcht und Klugheit ohne Nutzen ist; Unklugheit und Vermessenheit verderben und verwirren vielmehr alles und heben das Gut der Beständigkeit auf. Wer also des Tieres Härte zu überwinden verlangt, soll unbeugsam sein in den Werken bescheidener Klugheit und beständig in der Furcht und Hoffnung auf die göttliche Hilfe, soll sich bemühen, soviel er vermag, und Gott wird Hilfe leisten, indem er das verhärtete Herz bricht. Mein Freund muß seine Augen auch mit den durch ganz starken Leim befestigten Augenlidern von einem Walfische schützen, um nicht vom Anblicke des Basilisken zu sterben. Was sind eines gerechten Mannes Augen anders, als die zweifache Betrachtung, welche er täglich anstellen soll, nämlich die Betrachtung der Wohlthaten Gottes und die Erkenntnis seiner selbst? Denn indem er über die Wohlthaten 263 Gottes und dessen Barmherzigkeit nachdenkt, soll er seine eigene Nichtigkeit und seine Undankbarkeit gegen die Wohlthaten Gottes erkennen, und wenn seine Seele fühlt, daß sie das Gericht verdiene, so soll sie die Augen ihrer Betrachtung mit den Augenlidern des Walfisches, d. h. mit dem Glauben, der Hoffnung, der Güte Gottes, verwahren, damit sie nicht lau werde, wenn sie die Barmherzigkeit Gottes erwägt, und nicht verzweifle, wenn sie an das Gericht Gottes denkt. Wie die Augenlider des Walfisches nicht weich sind wie Fleisch, noch hart wie Knochen, so soll der Mensch zwischen der Barmherzigkeit und dem Gerichte Gottes sich im Gleichgewichte halten, daß er beständig die Barmherzigkeit hofft und das Gericht klüglich fürchtet, daß er sich freut ob der Barmherzigkeit und wegen der Gerechtigkeit zunimmt von einer Tugend zur anderen. Wer also täglich zwischen der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit in Hoffnung und Furcht verharrt, hat sich vor des Tieres Augen nicht zu fürchten. Was anders aber sind diese Augen des Tieres, als die weltliche Weisheit und das zeitliche Glück? Die Weisheit der Welt, welche dem ersten Auge des Tieres zu vergleichen, ist wie das Gesicht eines Basilisken; denn sie hofft das, was sie sieht, und da sie Vergängliches begehrt, hat sie auch ihren Lohn dahin. Die göttliche Weisheit aber hofft das, was sie nicht sieht; sie achtet nicht auf das Glück der Welt; sie liebt die Demut und Geduld, und sucht keinen anderen Lohn, als den ewigen. Das zweite Auge des Tieres ist das Glück der Welt, welches die Bösen begehren, während sie das Himmlische vergessen und verfolgen, und sich wider Gott verhärten. Jeglicher Mensch also, welcher des Nächsten Heil begehrt, muß seine Augen klüglich mit den Augen des Tieres, d. h. des Nächsten, dadurch verbinden, daß er ihm die Wohlthaten der Barmherzigkeit Gottes und sein Gericht vorhält, indem er ihm mit einfältigen Worten die Worte der Weisheit Gottes offenbart und den unenthaltsamen Menschen ein andauerndes Leben der Enthaltsamkeit zeigt, indem er Reichtum und gegenwärtige Ehre um der Liebe Gottes willen verachtet, unaufhörlich predigt und, was er predigt, auch erfüllt; denn das geistliche Leben bewährt die Worte, und heilige Vorbilder nützen mehr, als eine wortreiche Beredsamkeit ohne Thätigkeit in Werken. Wer die Wohlthaten Gottes und seine Gerichte stets im Herzen trägt, wer Gottes Worte beständig im 264 Munde hat und dieselben in der That erfüllt, auch fest auf Gottes Güte hofft, der wird nicht durch die Spitzen der feindlichen Schwerter verwundet, d. h. durch die trügerischen Erfindungen weltlicher Menschen, sondern er wird zunehmen und um der Liebe willen die Irrenden zur wahren Liebe Gottes bekehren. Wer aber Hoffart treibt mit der Gnade und Gewinn sucht aus der Wohlredenheit, der stirbt lebendig. Es muß auch ein Stahlblech auf das Herz gebunden werden, weil die Liebe Gottes immer dadurch vor Augen behalten werden soll, daß man bedenkt, wie Gott Mensch geworden, sich erniedrigt hat, wie er bei seinem Predigen Hunger, Durst und Beschwerde ausgestanden, wie er ans Kreuz geschlagen und gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren ist. Jener Stahl, nämlich die Liebe, ist breit und eben, wenn das Herz bereit ist, gern die kommenden Widerwärtigkeiten zu erdulden, wenn es über keinerlei Ratschluß Gottes murrt, noch sich durch Trübsale in Ängsten setzen läßt, sondern den eigenen Willen und den ganzen Leib dem Willen und der Fügung Gottes überläßt. O Tochter, ich war der stärkste Stahl, als ich, am Kreuze ausgestreckt und gleichsam meiner Leiden und meiner Wunden vergessend, für meine Freunde betete. - Man soll auch die Nasenlöcher schließen und mit verschlossenem Munde hinlaufen zu dem Tiere; denn wie durch die Nasenlöcher der Atem ein- und ausgeht, so geht durch die Begierden des Menschen Leben und Tod in die Seele des Menschen. Und darum soll man sich vor den bösen Begierden wie vor dem Tode hüten, auf daß sie nicht eindringen in die Seele, und wenn sie eingegangen, nicht darin weilen. Wer sich nun Schweres zu überwinden vorgenommen hat, möge auf seine Versuchungen acht geben und sich hüten, daß nicht durch ungeordnete Begierden der Eifer Gottes vermindert werde; denn man soll mit ganzem Verlangen und göttlichem Eifer und mit aller Geduld gelegen und ungelegen dem Sünder nachlaufen, damit derselbe bekehrt werde, und wo der Gerechte nichts ausrichtet mit Reden oder Ermahnen, da muß Eifer angewendet und im beharrlichen Gebete fortgefahren werden. Außerdem soll man mit beiden Händen nach dem Tiere greifen. Das Tier hat nämlich zwei Ohren; mit dem einen hört es gern, was ihm angenehm ist, das andere verstopft es, um nicht zu hören, was seiner Seele förderlich ist. So ist es auch für den 265 Freund Gottes nützlich, zwei geistliche Hände zu haben, wie er zuvor leibliche gehabt, aber er soll sie durchbohrt haben. Die eine Hand muß die göttliche Weisheit sein, damit er dem Sünder zeige, wie alle Dinge dieser Welt hinfällig und vergänglich sind, und wer sich daran vergnügt, wird verführt und nicht gerettet; denn nur für notwendige Bedürfnisse, nicht zum Überflusse ist ihm alles zugestanden. Die zweite Hand soll das Beispiel guter Handlungen sein, weil der gute Mensch thun soll, was er lehrt, damit die Hörenden durch sein Vorbild gestärkt werden; denn viele lehren, geben aber kein Beispiel; diese sind diejenigen, welche ohne Mörtel Steine in ihrem kalten Gemüte aufrichten und bei herandringendem Sturme schnell über den Haufen geworfen werden. Die Haut des Tieres, welche wie ein Kiesel ist, muß mit Hammer und Feuer angegriffen werden; durch die Haut wird die Anmaßung und die Gleißnerei der Gerechtigkeit bezeichnet; denn die Bösen, obwohl sie nicht gut sein wollen, begehren dennoch, für gut angesehen zu werden, und weil sie wünschen, für lobwürdig gehalten zu werden, obwohl sie nicht lobwürdig leben, zeigen sie äußerlich Heiligkeit und heucheln Gerechtigkeit, welche sie keineswegs im Herzen haben, und darum werden sie über den Anschein der erheuchelten Gerechtigkeit so stolz und verhärtet wie ein Kieselstein, daß sie weder durch Schelten, noch durch klare Gründe erweicht werden. Deshalb soll der Diener Gottes wider solche den Hammer der harten Ansprache und das Feuer des göttlichen Gebetes anwenden, auf daß er die Bösen überwinde und in ihrer Härte erweiche durch das Wort der Wahrheit, auch durch seine Privatgebete entzünde zur eigenen Erkenntnis und zur Erkenntnis Gottes, wie Stephanus gethan. Dieser redete nicht, was den Juden gefiel, sondern die Wahrheit, nicht Schmeichelhaftes, sondern Herbes; außerdem bat er Gott für sie, und deshalb hat er Nutzen geschafft und viele haben sich um seinetwillen bekehrt. Wer also mit der Furcht Gottes die Werke seiner Hände durchbohrt und die Augen seiner Betrachtung durch Mäßigkeit befestigt, auch mit dem Stahlbleche sein Herz deckt, seine Nasenlöcher verstopft und mir so des Tieres Herz darbietet, dem werde ich, Gott, einen höchst erfreuenden Schatz geben, dessen Lust das Auge nicht ermüdet, von dessen Süße das Ohr nicht erschlafft, durch dessen Genuß der Geschmack nicht gesättigt wird, bei dessen 266 Empfindung kein Schmerz gefühlt, sondern die Seele Freude und ewige Fülle genießen wird. Der Fisch aber bedeutet die Heiden, deren Schuppen sehr stark sind, weil Sünden und Bosheit sie verhärtet haben; denn wie die aufeinander liegenden Schuppen festen Widerstand leisten und den Wind nicht durchlassen, also rühmen sich die Heiden der Sünde und befestigen und wehren sich, in eitler Hoffnung lebend, gegen meine Freunde, geben Sekten den Vorzug, verbreiten Schrecken und drohen mit Todesstrafen. Wer daher mir das Blut des Fisches zu reichen begehrt, der werfe über ihn sein Netz, d. h. seine Predigt, aus, das nicht aus den faulen Fäden der Philosophen und geziert sprechenden Redekünstler, sondern aus der Einfalt der Worte und Demut der Werke zusammengesetzt sein muß, weil die einfältige Predigt des Wortes Gottes wie ein Erz vor dem Angesichte Gottes klingt, und stark ist, die Sünder zu Gott zu ziehen. Darum hat meine Kirche ihren Anfang auch nicht durch beredte Magister, sondern durch demütige und unwissende Männer genommen und ist durch sie gefördert worden. Der Prediger muß sich auch in acht nehmen, daß er nicht weiter, als bis an die Kniee ins Wasser gehe, ferner nirgends anders wohin, als wo fester Sand liegt, den Fuß setze, auf daß nicht, wenn etwa die Sturmwellen über die Kniee sich erheben, die Füße schwanken. Was ist aber das gegenwärtige Leben anders, als gleichsam ein bewegliches und unbeständiges Wasser, vor welchem man das Knie der geistlichen Stärke nur aus Notwendigkeit beugen soll? Und darum soll der Fuß des menschlichen Verlangens auf festen Sand, d. h. auf die Festigkeit der göttlichen Liebe und auf die Betrachtung der zukünftigen Dinge gesetzt werden. Denn diejenigen, welche die Füße ihrer Neigungen und ihre Stärke nach dem Zeitlichen ausstrecken, sind nicht beständig genug, um Seelen zu gewinnen, sondern werden von den Sturmwellen zeitlicher Sorgen verschlungen. Der Gerechte muß auch das Auge, das er dem Fische zuwendet, blind machen; es giebt nämlich ein zweifaches Auge, ein menschliches und ein geistliches. Durch das menschliche Auge geht die Furcht ein; denn das Gemüt, das seine Schwäche betrachtet und die Macht und Grausamkeit der Tyrannen erkennt, fürchtet sich zu reden; dieses Auge der Furcht nun muß blind gemacht und vom Gemüte ausgerissen werden durch die Betrachtung der göttlichen 267 Güte, sowie durch den festen Glauben, daß jeglicher Mensch, welcher seine Hoffnung auf Gott setzt und um Gottes willen den Sünder zu gewinnen sucht, Gott selber zum Beschützer haben wird. Mit dem geistlichen Auge des Verstandes aber muß der Sünder, oder einer, der zu Gott bekehrt worden, angesehen werden, damit man sorgfältig, so gut man vermag, acht gebe, wie er sich in den Trübsalen verhalte, auf daß er nicht etwa ungewöhnliche Dinge auf sich nehme und den Beschwerden erliege, oder damit es ihn nicht gereue, um der Trübsal willen zu Hartes auf sich genommen zu haben. Es soll auch der Gerechte, er sei, wer er wolle, in Betracht ziehen, wie ein Ungläubiger, der sich zum Glauben bekehrt hat, leiblicherweise sein Fortkommen habe, damit er nicht entweder bettle, oder durch einen harten Dienst zu sehr gedrückt, oder seiner löblichen Freiheiten beraubt werde; auch soll fleißig darauf gesehen werden, daß ein solcher Bekehrter beständig im heiligen katholischen Glauben und in den heiligen Vorbildern der Tugenden unterwiesen werde; denn dieses gefällt mir, daß die bekehrten Heiden heilige Beispiele schauen und Worte der Liebe hören. Wenn nun viele Christen, welche zu den Heiden kommen ungeordneten Wandels und zuchtlos, sich rühmen, daß sie deren Leiber töten und deren zeitlichen Güter gewinnen, so gefallen sie mir ebensowenig, als diejenigen, welche in der Wüste dem gegossenen Kalbe opferten. Darum soll der, welcher mir, wenn er zu den Heiden geht, zu gefallen begehrt, sich zuerst das Auge der Begierlichkeit und der weltlichen Furcht ausreißen, indem er das Auge des Mitleids und des Verstandes offen hält, ihre Seelen zu gewinnen, indem er nichts begehrt, als für Gott zu sterben, oder nach Gott zu leben. Außerdem soll der Gerechte einen stählernen Schild haben, d. h. wahre Geduld und Beharrlichkeit, daß er weder durch Worte, noch durch Werke von der Liebe Gottes abgezogen werde, aber auch nicht verdrossen sei wegen menschlicher Zufälle, noch auch murre über die Ratschlüsse Gottes; denn wie ein Schild zum Schirme dient und die Schläge der Kämpfer aufnimmt, so beschirmt die wahre Geduld in den Versuchungen, sie lindert die Trübsale und macht den Menschen geschickt zu allem Guten. Dieser Schild der Geduld soll aber nicht verfertigt sein aus faulen Stoffen, sondern aus sehr starkem Erze; denn die wahre Geduld soll durch die Betrachtung meiner Geduld 268 ihre Gestalt und Bewährung finden, wie ich ein gar starker Stahl gewesen bin, da ich lieber den Tod leiden, als die Seelen verlieren, auch lieber alle Schmach. anhören, als vom Kreuze herabsteigen wollte. Wer also die Geduld zu haben begehrt, folge meiner Beständigkeit nach; denn wenn ich unschuldig gelitten habe, was ist es da wunderbar, wenn der Mensch, der des Gerichtes würdig ist, leidet? Wer nun auf diese Weise, mit der Geduld bewaffnet, das Netz über den Fisch ausbreitet und ihn zehn Stunden über dem Wasser gehalten, wird das Blut des Fisches erlangen. Jene zehn Stunden aber sind nichts anderes, als zehn Ratschläge, die man einem bekehrten Menschen geben soll. Der erste ist, daß er meinen zehn Geboten glaube, die ich meinem Volke Israel vorgeschrieben; der zweite, daß er die Sakramente meiner Kirche empfange und ehre; der dritte, daß er über die begangenen Sünden Schmerz empfinde, und den vollkommenen Willen habe, dergleichen nicht wieder zu begehen; der vierte, daß er schuldig ist, meinen Freunden in allem zu gehorchen, wenn sie ihm auch wider seinen Willen etwas vorschreiben mögen; der fünfte, daß er alle seine bösen Gewohnheiten verachte, welche wider Gott und die guten Sitten sind; der sechste, daß er das Verlangen habe, alle, so viele er vermag, zu Gott zu ziehen; der siebente, daß er die wahre Demut in seinen Merken zeige und die bösen Beispiele fliehe; der achte, daß er Geduld habe in Widerwärtigkeiten und nicht murre wider die Ratschlüsse Gottes; der neunte, daß er diejenigen nicht höre oder bei sich habe, welche Widersacher des heiligen christlichen Glaubens sind; der zehnte, daß er Gott bitte und sich persönlich bestrebe, das Vermögen zu haben, in der Liebe Gottes zu verharren. Jeglicher also nun, der sich vom Bösen abwendet und diese zehn Ratschläge befolgt und bewahrt, wird der Liebe der Welt absterben und lebendig werden in der Liebe Gottes. Wenn aber der Fisch, d. h. der Sünder, aus den Wassern der Wollust herausgezogen, sich vorgenommen, an diesen zehn Ratschlägen festzuhalten, so muß er am Rücken geöffnet werden, wo des Blutes die Fülle ist. Was aber bedeutet der Rücken anders, als gutes Handeln bei einem guten Willen, der sich nach dem Willen Gottes richten muß? Bei manchem Menschen erscheint das Handeln gut, aber ihre Absicht und ihr Wille ist nicht gut. Der Gerechte also, welcher sich abzuwenden 269 begehrt von der Sünde, muß erforschen, in welcher Meinung er ein gutes Werk thut, und in welcher Meinung zu verharren, er sich vornimmt. Findet er in einem geistlichen Werke eine fleischliche Regung entweder für die Verwandten oder für zeitlichen Gewinn, so muß er sich beeilen, dasselbe aus dem Herzen hinauszuschneiden, denn wie das böse Blut Krankheit verursacht, seinen Lauf und seinen Zugang zum Herzen hemmt, und die Lust zum Essen benimmt, so unterdrückt der böse Wille und die verkehrte Richtung die Liebe Gottes, ruft die Trägheit hervor, verschließt Gott den Eingang zum Herzen und macht alles geistliche Gut zum Abscheu. Mich verlangt nach frischem Blut, das den Gliedern Leben verschafft. Dies ist der gute Wille und die geordnete Liebe zu Gott; sie bereitet den Zugang zum Glauben, den Sinn zum Verständnis, die Glieder zur Thätigkeit, und Iockt Gott an, zu helfen. Dieser Wille wird durch meine Gnade vorbereitet und eingegossen, durch Beten und meine Güte gemehrt, und durch gute Thätigkeit und meine Süßigkeit vollzogen. Siehe, auf diese Art soll mir das Blut des Fisches dargereicht werden. Wer mir denselben auf diese Weise darreicht, wird den besten Lohn haben. Denn der Strom aller Süßigkeit wird sich in seinen Mund ergießen, seine Seele aber ein ewiger Glanz erleuchten und sein Heil sich ohne Ende erneuern." Vergleiche, was im vierten Buche der Offenbarungen im II. Kapitel Christus Wunderbares von einem Fische und einem Tiere zu reden anhebt. In diesem CXXIX. Kapitel erläutert er, was jenes bedeutet. Die folgende Offenbarung geschah zu Amalfi ⋅1⋅, wo der heilige Matthäus ruht. "Gebenedeit seist Du, heiliger Apostel Matthäus, weil Du ein sehr guter Wechsler gewesen bist! Denn Du hast das Irdische hinweggegeben im Tausche und das Ewige gefunden; Du hast Dich selbst verachtet und Gott erhalten; Du hast 270 die eitle Klugheit fahren lassen, hast die Ruhe des Fleisches verachtet und eine harte Arbeit übernommen. Darum bist Du jetzt auf würdige Weise herrlich vor dem Angesichte Gottes." Der heilige Matthäus antwortete: "Gebenedeit sei Gott, welcher Dir diesen Gruß eingegeben hat. Weil es aber Gott so gefällt, will ich Dir zeigen, wie beschaffen ich vor meiner Bekehrung und wie ich war, als ich das Evangelium schrieb, und wie ich jetzt in der Belohnung bin. Ich habe ein öffentliches Amt gehabt, das ich ohne öffentlichen Gewinn nicht verwalten konnte. Jedoch war mein Wille zu jener Zeit so, daß ich niemand betrügen mochte, sondern den Weg zu finden wünschte, auf welchem ich mich von jenem Amte losmachen und mit ganzem Herzen Gott allein anhängen könnte. Als daher mein Liebhaber Jesus Christus predigte, da wurde wie Feuer das Wort seiner Berufung in meinem Herzen entzündet, und seine Worte schmeckten mir so lieblich, daß ich ebensowenig weiter an Reichtum und Ehre dachte, als an Spreu; ja, es gefiel mir besser, zu weinen und mich zu freuen, daß mein Gott einen so elenden und großen Sünder hatte wollen zur Gnade rufen. Ich hängte mich an meinen Herrn und begann, mir seine Worte inbrünstiger ins Herz zu drücken, und dachte nachts an dieselben, wie wenn ich die süßeste Speise genöße. Nach Vollendung des Leidens meines Herrn schrieb ich das Evangelium nach dem, was ich gesehen und gehört, und wobei ich mich anwesend befunden hatte, nicht zu meinem Lobe, sondern zum Ruhme meines Erlösers und zur Förderung der Seelen. Und als ich dasselbe schrieb, hielt eine solche Inbrunst göttlicher Liebe in mir an, daß, wenn ich hätte schweigen wollen, ich es vor Größe der Inbrunst nicht vermocht hätte. Jetzt aber unterstehen sich viele, was ich in Liebe und Demut geschrieben habe, zu verkehren und durch ihre Auslegung verhaßt zu machen, indem sie sich rühmen, hohe und himmlische Dinge zu wissen, wenn sie Widersprechendes finden, indem sie lieber über das Evangelium disputieren, als nach dessen Willen leben wollen. Deshalb werden die Kleinen und Demütigen eingehen in den Himmel, die Hoffärtigen und Klugen aber draußen stehen. Denn wie kann der vermessene und hoffärtige Mensch glauben, daß der Gott aller Weisheit nicht seine Worte also habe stellen können, daß die Menschen durch dieselben nicht geärgert würden? Aber es ist recht, daß Ärger- 271 nisse kommen müssen (Matth. XVIII.), und daß diejenigen am Irdischen kleben, welche das Himmlische verdrießt. Von meiner Vergeltung aber sollst Du wissen, daß dieselbe wahrhaft ist, wie geschrieben steht, daß kein Herz sie fassen, keine Zunge aussprechen kann." Viele Jahre nachher, seitdem die Braut das Gesicht von den sieben Tieren gehabt, von welchen im CXXV, Kapitel dieses Buches die Rede gewesen, erschien ihr Christus und legte ihr einiges aus, was am gedachten Gesichte noch auszulegen fehlte, wie folgt. Der Sohn sprach: "Ich habe Dir früher von sieben Tieren gesagt, deren eines (einen Bischof bedeutend) wie ein Elefant war, der nicht darauf achtet, daß der Baum durchgesägt ist, noch daß er eine kurze Zeit hat, und deshalb mit dem Baume hinstürzen wird, während er zu stehen vermeint. Die Mauern seiner Kirche werden im Feuer und im Wasser (der Trübsale) zergehen, so daß niemand sein wird, der sie wieder aufbaut, weil sie aus Ungerechtem gebaut sind; das Land wird verheert werden; die Einwohner werden sich den Tod wünschen; er aber wird vor ihnen fliehen und die Ruchlosen werden herrschen über die Gerechten. Dies ist alles also eingetroffen. Wisse auch, wie das andere Tier (ein Einhorn, gleichfalls einen Bischof bedeutend), das über den Stein der Keuschheit hoffärtig ward, nun die Hörner eines Lammes angenommen hat; darum will ich es lehren, wie es über die Mauern springen, und wie es in Ehre stehen soll. Denn mir gefällt dieses Tieres Demut, und darum sage ich ihm, daß seine Kirche schon die höchste Stufe erstiegen hat und lange in der Hoffart gestanden ist. Deshalb soll er selbst daran arbeiten, daß die Geistlichkeit in größerer Enthaltsamkeit lebe, die Unmäßigkeit im Trinken mindere, die Habsucht ablege und Furcht annehme, sonst wird sie durch Trübsale gedemütigt, und ihr Fall so schwer und groß sein, daß er auch in anderen Ländern vernommen werden wird. Nach dem Tode des gedachten Bischofs aber und der Wahl seines Nachfolgers redete der Herr zu mir und sprach: "Wisse, daß 272 dieser Bischof, ein Nachfolger des zuerst genannten Bischofes, der jetzt zur bischöflichen Würde emporgestiegen ist, einer von den fünf Dienern war, welche der König nicht hören mochte, wofern sie nicht hellere Augen erhielten. Dieser Bischof ist nun hinaufgestiegen; aber er soll wohl aufmerken, und wird bei meinem Gerichte sehen, wie er hinaufgestiegen ist. Doch warne ich ihn vor dem Falle Joabs. Dieser war voll Haß gegen diejenigen, welche besser waren, als er; er verließ sich auf seine eigenen Ratschläge; seine Kühnheit war groß, und deshalb vermaß er sich über seine Kräfte und zog seinen Erwählten demjenigen vor, den Gott erwählt hatte. (III. Kön. III. und II. Kön. III.) Ein Rat aber ist nützlich für diesen Bischof, nämlich: daß er seiner Klugheit ein Maß setze, und allezeit acht gebe, nicht, was er vermag, sondern was sich ziemt." Als er in Zweifel stand, ob es ratsam sei, behufs Vergebung seiner Sünden nach Rom zu gehen, fragte er mich, und während ich betete, antwortete mir die Mutter Gottes und sprach: Wenn dieser Bischof in seinem Herzen meint, er bedürfe der Hilfe der Heiligen, dann mag er nach Rom zum Ablasse kommen; denn es wird die Zeit erscheinen, wo es ihm ersprießlich sein wird. Er soll auch acht haben, daß den schon eingedrungenen Raubvögeln die Klauen abgeschnitten werden, damit sie nicht die höchsten Spitzen der Felsen bewohnen mögen, weil sie alsdann der Gemeinde des Volkes mehr schaden werden, auch er selber nicht frei bleiben wird von Trübsal. Deshalb sollst Du wissen, daß das Tier, von dem ich Dir gesagt, daß es sich fürchte, wenn es seinen Schatten sieht, und im Laufen seinen Vorteil sieht, jenen (Bischof) bezeichne, der Eifer für das Heil der Seelen hat, der über den Reden der Widersacher den Mut nicht verliert, noch durch die Reden der Wohldiener und Schmeichler zum Hochmut sich verleiten läßt, der auch bereit ist, sterbend aus der Welt zu gehen, bereit aber auch, wenn es mir gefällt, wegen meiner Ehre zu leben. Deshalb werde ich ihm auch mitten auf dem Wege entgegeneilen, wie ein Vater seinem Sohne, und will ihn herausnehmen aus seinem Gefängnisse wie ein barmherziger Richter, damit er nicht das zukünftige Übel sehe. Derjenige aber, welcher in seinem Aussatze verharrt, wird mit denen sterben, welche sich den Bauch gefüllt haben und mit ihnen begraben, auch mit 273 den Aussätzigen gerichtet werden, und nicht bei denen sitzen, welche die Welt richten." (Hier ist nach dem Dafürhalten Alfonsos das Ende des vierten Buches.) Noch eine Offenbarung von der Herrlichkeit der Engel, welche auf dem Berge Gargano geschehen. Frau Brigitta sah auf dem Berge Gargano eine Menge Engel, welche sangen und sprachen: "Gebenedeit seist Du, unser Gott, der Du bist, sein wirst und warst ohne Anfang und ohne Ende. Du hast uns Geister zu Deinem Dienste, wie auch zum Troste und zur Hut der Menschen erschaffen. Wir werden aber also zum Frommen der Menschen gesandt, daß wir niemals Deiner Süße, Deines Trostes und Deines Anblickes entbehren. Weil wir aber den Menschen wie unbekannt erscheinen, so hast Du an diesem Orte Deinen Segen und unsere Würde zeigen wollen, die uns von Dir gegeben worden, auf daß der Mensch lernen möge, Dich zu lieben und unsere Hilfe zu begehren. Nun aber ist dieser lange in Ehren gehalten gewesene Ort von vielen verachtet, und die Einwohner des Landes nahen sich mehr den unreinen Geistern, als uns, weil sie ihren Eingebungen mit größerem Eifer nachkommen." Die Frau (Brigitta) antwortete: "O Herr, mein Schöpfer und Erlöser, hilf ihnen, daß sie abstehen von den Sünden und von ganzem Herzen nach Dir verlangen." Da sprach Gott zu ihr: "Sie sind an Schmutz gewöhnt und lassen sich nur durch Schläge erziehen. Möchten sie doch in der Zucht sich erkennen und zur Besinnung kommen!" 274
Hier beginnen die Offenbarungen der heiligen Brigitta an die Priester und Päpste. Christus redet von fünf guten Gaben, welche den Priestern gewährt worden, und von fünf entgegengesetzten Dingen, welche die bösen Priester thun. "Ich bin wie ein Mensch, welcher von der Welt scheiden will, und das Beste, das er hat, seinen teuersten Freunden überantwortet. So habe ich den Priestern, welche ich vor allen Engeln und Menschen erlesen, dasjenige anvertraut, das mir das Teuerste ist, als ich von der Welt hinwegging, und habe ihnen fünf Gaben gewährt. Zuerst, meinen Glauben; zweitens, die beiden Schlüssel zu Himmel und Hölle; drittens, aus dem Feinde einen Engel zu machen; viertens, daß sie meinen Leib konsekrieren können, was keiner von den Engeln vermag; fünftens, daß sie meinen allerreinsten Leib mit ihren Händen berühren dürfen. Jetzt aber verfahren sie mit mir wie die Juden, welche leugneten, daß ich den Lazarus auferweckt habe, sondern das Gerücht verbreiteten, ich beabsichtige, König zu werden, hätte die Steuer verweigert und wolle den Tempel in drei Tagen wieder aufbauen. Also reden auch die Priester nicht von meinem wunderbaren Leben, noch lehren sie meine Lehre, sondern die Liebe der Welt, predigen ihre Wollust, und erachten das für nichts, was ich für sie gethan habe. Zweitens haben sie den Schlüssel verloren, womit sie den Elenden den Himmel öffnen sollten; den aber, womit die Hölle geöffnet wird, lieben sie und halten ihn aufbewahrt 275 in feiner Leinwand. Drittens machen sie einen Ungerechten aus einem Gerechten, aus einem Einfältigen einen Teufel, aus einem Gesunden einen Verwundeten, weil jeglicher, der mit drei Wunden zu ihnen tritt, von ihnen die vierte empfangen wird; kommt er mit vieren zu ihnen, so verläßt er sie mit fünfen; denn wenn der Sünder das üble Vorbild der Sünder gesehen, so faßt er sich ein Herz, zu sündigen, und fängt an, sich der Sünde, welche er zuvor für schändlich hielt, zu rühmen. Deshalb werden sie mehr als andere verflucht, weil sie sich durch ihr Leben zu Grunde richten und andere durch ihr Beispiel verletzen. Viertens verkaufen sie mich, anstatt mich zu heiligen, mit ihrem Munde. Sie sind schlimmer als Judas. Judas hat seine Sünde erkannt und bereut, wenn auch auf unfruchtbare Weise; sie nennen sich gerecht, und stellen sich, als wären sie es. Judas hat das Sündengeld den Käufern zurückgebracht; diese aber verwenden es zu ihrem Nutzen. Judas verkaufte mich, bevor ich die Welt erlöst hatte; diese haben, nachdem ich die Welt erlöst, kein Mitleid mit meinem Blute, das mehr um Rache schreit, als dasjenige Abels. Judas hat mich allein um Geld verkauft; diese thun's um jeden Lohn, weil sie nur dann zu mir kommen, wenn sie sich einige Frucht versprechen. Fünftens behandeln sie mich wie die Juden. Was haben diese gethan? Sie haben mich auf das Holz gelegt; diese aber legen mich unter die Presse und pressen mich mit aller Gewalt. Du kannst jedoch fragen: wie? da meine Gottheit nicht fähig ist, zu leiden, auch keine Widerwärtigkeit und kein Schmerz auf Gott fallen kann. Nichtsdestoweniger thun die Priester wegen des Willens, den sie haben, in der Sünde zu verharren, mir so viel bitteres Leid und Widerwärtiges an, als wenn sie mich, wofern es möglich wäre, unter eine Presse legten; denn sie haben zwei Sünden: Unzucht und Habsucht und zwischen diese legen sie mich; denn hätten sie auch darüber Buße gethan, so haben sie doch, kaum daß sie ihr Amt verrichtet haben, wieder den Willen, zu sündigen, wodurch sie mich wie in einer Presse drücken. Sie unterhalten verfluchte Weiber, und bringen dieselben an einen sicheren Ort, um ihre Wollust zu befriedigen und mich zurückzuweisen. Diesen schmeicheln sie und haben ihre Lust daran; mich aber, von dem sie sind, wollen sie nicht sehen. Seht, meine Freunde, wie die Priester beschaffen sind; seht, meine Engel, 276 denen ihr dienet. Läge ich vor euch, wie ich auf dem Altare vor ihnen liege, so würde niemand unter euch mich zu berühren wagen, sondern ihr würdet euch entsetzen. Sie aber verraten mich wie Diebe und Verräter, sie berühren mich wie Huren, sie sind unreiner als Pech, sie schämen sich nicht, mir nahe zu kommen, der ich Gott und der Gott der Herrlichkeit bin. Daher wird geschehen, was zu Israel gesagt wurde: Ich werde euere Strafen siebenfach mehren (Levit. XXVI, 18.), und ebenso werden fürwahr diese sieben Plagen über die Priester kommen." Christus vergleicht sich mit Mosis, welcher die Kinder Israel durch das rote Meer aus Ägypten führte, wobei die Wasser auf beiden Seiten wie eine Mauer standen. Wie Israel, d. h. die argen Priester, Christum vernachlässigen und das goldene Kalb, d. i. die Welt, anbeten, und wie Christus die Priester mit einem siebenfachen Ordo geehrt hat, von dem sie sich siebenfach abgewendet haben. Die Mutter sprach: "So gierig waren die Feinde meines Sohnes nach seinem Blut, daß sie ihn auch nach seinem Tode verwundet haben. Mache Dich also bereit, weil mein Sohn mit einem großen Heere kommen wird, mit Dir zu reden." Darauf kam er selber und sprach: "Ich habe mich früherhin bildlich mit Moses verglichen, welcher das Volk herausführte, wobei das Wasser wie eine Mauer zur Rechten und Linken stand. Ich bin fürwahr jener Moses im Abbilde; ich habe das christliche Volk herausgeführt, d. h. ich habe ihnen den Himmel geöffnet, und ihnen den Weg gezeigt, auf welchem sie wandeln sollten, indem ich sie vom Pharao, d. h. von dem Teufel befreite, welcher sie unterdrückt gehalten hatte. Sie gingen aber wie zwischen zwei Mauern des Meeres zur Rechten und Linken, deren eine nicht vorrückte, wie die andere nicht zurückwich, sondern beide standen auf diese Weise fest. Diese beiden Mauern waren die beiden Gesetze. Die erste war das alte Gesetz, das nicht weiter vorrückte; die zweite war das neue Gesetz, das nicht zurückging. Zwischen diesen beiden Mauern, nämlich den feststehenden Gesetzen, ging ich zum Kreuze wie durch das rote Meer, weil durch mein Blut mein ganzer Leib gerötet ward. Es wurde 277 auch das zuvor weiße Holz gerötet und gerötet die Lanze, und ich erlöste mein gefangenes Volk, auf daß es mich lieben möchte. Nun aber verachtet mich Israel, d. h. die Priester, und lieben einen anderen Gott. Sie lieben, wie ich schon früher gesagt, das goldene Kalb, weil ihre ganze Neigung gerichtet ist auf die Welt, welche süß ist in ihrer Wollust und ihre Begierlichkeit in Flammen setzt und fest steht dieses Kalb vor ihnen mit den Füßen und dem Haupte und dem Schlunde seiner Gefräßigkeit. Dazu halten sie mich für einen Götzen und schließen zu vor mir, auf daß ich nicht Eingang finde. Sie opfern mir Weihrauch, allein derselbe gefällt mir nicht, weil sie es nicht für mich, sondern für sich thun. Sie beugen vor mir das Knie der Demut und ihres Willens, aber nach ihrem Begehren, damit ich ihnen etwas Zeitliches spende. Sie rufen, allein meine Ohren hören nicht, weil sie es nicht aus Andacht und in guter Meinung thun. Hört, meine Heerscharen und alle -Engel! ich habe die Priester auserwählt vor allen Engeln und Gerechten, und ihnen allein die Macht gegeben, meinen Leib zu berühren. Denn wofern ich gewollt, hätte ich wohl irgend einen Engel zu solchem Amte erwählen können; allein ich habe die Priester so lieb gehabt, daß ich nur ihnen eine so große Ehre verliehen und bestimmt habe, daß sie vor mir wie in siebenfacher Ordnung sein sollten. Sie sollten sein geduldig wie die Schafe, standhaft wie eine Mauer von guter Grundlage, beherzt wie Krieger, klug wie Schlangen, schamhaft wie eine Jungfrau, rein wie ein Engel, brünstig vor Liebe wie eine Braut nach der Kammer ihres Bräutigams. Nun haben sie sich aber ganz ins Gegenteil verkehrt. Sie sind wild wie reißende Wölfe, welche in ihrem Hunger und ihrer Begierde keinem weichen, keinem Ehre erweisen und keines Dinges sich schämen; zweitens sind sie unbeständig wie ein Stein in einer wankenden Mauer, weil sie kein Vertrauen haben auf die Grundlage, d. h. Gott, daß er nicht imstande sei, ihnen ihren notwendigen Unterhalt zu gewähren, oder sie nicht erhalten wolle. Drittens sind sie in der Finsternis wie die Diebe; denn sie wandeln in der Finsternis der Laster, und sind auch nicht kühn wie Krieger zum Kampfe für die Ehre Gottes oder im Unternehmen eines männlichen Werkes. Viertens stehen sie wie ein Esel, welcher seinen Kopf erdwärts hängt. So sinnen sie in ihrer Thorheit und Un- 278 klugheit immer Irdisches und das Gegenwärtige, niemals das Künftige. Fünftens sind sie unverschämt wie die Huren, kommen zu mir im Hurenkleide und haben alle Glieder zur Üppigkeit. Sechstens sind sie wie mit Pech häßlich besudelt und alle, welche ihnen nahe kommen, werden verunstaltet. Siebentens sind sie abscheulich wie Ausgespieenes, ja, es sollte mir leichter ankommen und besser dünken, mich ihrem Auswurfe zu nähern, als lieblichen Verkehr mit ihnen zu pflegen. So abscheulich sind sie, daß das ganze himmlische Heer sie verabscheut. Was könnte wohl schändlicher sein, als wenn ein nackter Mensch seinen Mund an die unteren Glieder seines Leibes brächte und seinen Kot fräße und seinen Harn tränke? So schandbar sind diese vor meinen Augen. - Wenn sie aber ihre Priestergewänder anlegen, welche bildlicherweise die Kleider ihrer Seele vorstellen, wie dieselbe sein sollte, so legen sie dieselben wie wahre Verräter an. Denn wie einer, welcher dem Feinde seines Herrn seine Treue zugewendet hat, wenn er mit seinem Herrn gegen denselben kämpfen soll, alle seine Waffen stumpf macht, damit sie dem Feinde nicht schaden, also ist bei diesen, wenn sie die Priestergewänder anlegen, welche im Bilde die Kleider der Seele sind, mit denen sie wider den Teufel sich verwahren sollten, alles stumpf gemacht, damit es dem Teufel nicht schade und er sich davor nicht fürchte. Allein die Frage ist: wie? Ohne Zweifel sind die Waffen der Keuschheit, wenn sie dieselben anlegen, stumpf gemacht durch die Geilheit; deshalb verwunden sie den Teufel nicht. Wenn sie sich aber mit den Waffen der Liebe umgeben, schaden diese nichts, weil sie durch Bosheit stumpf gemacht sind. Diese Waffen, d. h. die Kleider, welche sie anthun, dienen also nicht zur Verteidigung des Herrn, sondern nur zum Scheine, nach Art der Verräter, welche anderes thun, anderes erscheinen lassen. So nun, o meine Freunde, treten jene verfluchten Priester heuchlerischerweise zu mir wie Verräter. Ich aber, der nämliche, der ich nur Gott und euer, wie aller Geschöpfe im Himmel und auf Erden, Herr bin, komme zu ihnen und liege vor ihnen auf dem Altare, wahrer Gott und wahrer Mensch, nachdem sie die Worte: Das ist mein Leib, gesprochen haben. Ich komme zu ihnen wie ein Bräutigam, auf daß ich mit meiner Gottheit einen wonnevollen Verkehr mit ihnen pflege, aber ich finde an ihnen den Teufel. Daher, wenn sie mich ihrem Munde 279 nähern, weiche ich mit meiner Gottheit und Menschheit von ihnen, und der Teufel, welcher, erschreckt vor des Herrn Gegenwart, die Flucht ergriff, kehrt vergnügt zurück. Hört weiter, meine Freunde, welche Würde ich den Priestern vor allen Engeln und Menschen verliehen habe. Ich habe ihnen fünf Vollmachten gegeben. Zuerst die Macht, im Himmel und auf Erden zu lösen und zu binden; zweitens habe ich ihnen gegeben, daß sie aus dem ärgsten Feinde meinen Freund, aus dem Teufel meinen Engel machten; drittens habe ich ihnen Macht gegeben, meine Worte zu predigen; viertens die Macht, meinen Leib zu konsekrieren und zu heiligen, was unter den Engeln niemand zu thun vermag; fünftens, meinen Leib zu berühren, den keiner von euch, wenn ich vor euch läge, zu berühren wagen würde. Jetzt beklage ich mich über fünf Beleidigungen, die sie mir zufügen. Erstens, daß sie die Hölle öffnen, und den Himmel denen, die hineintreten, verschließen; zweitens machen sie aus dem Freunde einen Feind, und demjenigen, welcher mit einer Wunde zu ihnen kommt, bringen sie deren zwei bei; denn wenn dieser das verwegene Leben der Priester erblickt, denkt er bei sich also: Wenn dieser das thut, kann ich es um so eher thun; drittens machen sie meine Worte zu nichte, bekräftigen ihre Lüge und leugnen meine Wahrheit; viertens verkaufen sie mit ihrem Munde mich, den sie heiligen sollten; fünftens kreuzigen sie meinen Leib bitterer als die Juden. Seht, wie meine Freunde, welche ich auserwählt und so sehr geliebt habe, mir vergelten. Ich habe sie mir durch meinen Leib verbunden, sie aber lösen unser Band auf. Deshalb werden sie als Verräter, nicht als Priester gerichtet werden, wenn sie sich nicht bekehrt haben." Christus sagt, er habe die Priester vor allen Menschen und Engeln geehrt, sie aber erzürnen ihn vor den übrigen; ihre Verdammnis wird an der ewig verdammten Seele eines Priesters geoffenbart. Maria sprach: "Gedenke des Leidens meines Sohnes; er kommt bereits daher." Und siehe! es erschien der heilige Johannes der Täufer und sprach zur seligen Jungfrau Maria: "In tausend 280 Jahren war der Zorn Gottes über die Welt nicht so groß." Und als der Sohn gekommen war, sprach er zur Braut: "Eine Stunde ist es bei mir seit Anbeginn, und so viele Zeiten bei euch sein mögen, diese sind bei mir nur gleichsam Eine Stunde. Ich habe Dir vorhin von den Priestern gesagt, wie ich sie unter allen Engeln und Menschen erlesen habe; nun sind sie mir aber vor den anderen vorzugsweise unerträglich." Und siehe! es erschienen Teufel; diese hatten eine Seele in den Händen und sprachen untereinander: "Seht, da ist der Kämpfer!" Der Richter antwortete: "Obwohl die Leiblichen nicht hören, was des Geistes ist, auch das leibliche Auge das Geistliche nicht zu sehen vermag, so sollt ihr doch um dererwillen, welche hier anwesend ist, und welcher ich die Augen des Verständnisses öffne, sagen, mit welchem Rechte ihr diese Seele habt." Sie antworteten: "Neunfach ist unser Recht und ihre Übertretung. Dreifach war sie unter uns, dreifach gleich uns und dreifach über uns. Fürs erste, daß sie auswendig gut und inwendig böse war, daß sie bisweilen angefüllt war mit Begehrlichkeit und Gefräßigkeit, zuweilen sich aber zu des Leibes Nutzen oder wegen dessen Schwäche enthielt, und daß sie bisweilen streng war in Worten und Werken, während ihre Bosheit in dieser Strenge nur auf ihren Vorteil sah. Wir haben jedoch das nicht, weil wir auswendig ebenso sind, als inwendig, allezeit streng in der Bosheit, allezeit begierig auf das Böse. Dreifach war sie uns gleich, die wir dreifach gefallen sind: Durch Hoffart, Begehrlichkeit und Neid; diese drei hat sie auch gehabt. Dreifach war sie über uns, und größer an Bosheit, als wir, sie, die ein Priester war und mit Deinem Leibe umging. Erstens, weil sie ihren Mund nicht bewahrte, mit dem sie Deine Worte reden sollte, sondern, wie ein Hund bellt, Deine Worte wie ein Hund vorbrachte. Und als sie Deine Worte redete, fürchteten wir uns wie einer, der irgend einen schrecklichen Ton hört; plötzlich erschreckt, wichen wir vor ihr zurück. Sie selbst aber blieb ohne Furcht und Scham stehen. Zum anderen bewahrte sie ihre Hände nicht, mit denen sie Deinen reinsten Leib berührte, sondern befleckte dieselben mit jeglicher Lust. Und als sie Deinen Leib mit ihren Händen berührte, welcher nach dem Aussprechen des Wortes der nämliche war, der im Leibe der Jungfrau sich befunden hatte und gekreuzigt ist, fürchteten wir uns wie ein 281 Mensch, der am ganzen Leibe von Furcht geschüttelt wird, freilich nicht aus inniger Liebe, sondern aus Furcht vor Deiner Macht und vor der Größe Deiner Kraft. Sie aber stand unerschrocken und kümmerte sich um nichts. Und als sie Dich an ihren Mund brachte, welcher wie ein mit jeglichem Schmutze besudeltes Gefäß war, waren wir wie Menschen, deren Kräfte aufgelöst sind, und wie einer, dem alle Kraft fehlt, auch gleichsam tot vor Furcht, während wir doch unsterblich sind; sie aber fürchtete sich nicht, entsetzte sich auch nicht vor Deiner Berührung. Weil es jedoch dem Herrn der Herrlichkeit nicht geziemt, in ein so schandbares Gefäß einzugehen, bist Du mit Deiner Gottheit und Menschheit zurückgetreten, und während sie allein zurückblieb, kehrten wir, die wir aus Furcht eine Zeit lang hinweggegangen waren, mit Wut zurück. In allem dem übertrifft sie uns an Bosheit, und deshalb besitzen wir sie mit Recht. Weil Du nun ein gerechter Richter bist, so sprich uns Dein Urteil über dieselbe aus." Der Richter antwortete: "Ich höre, was ihr verlangt; du aber, elende Seele, sprich so, daß diese es hört, was für einen Willen hast du bei deinem Ende, da du noch im Genusse deiner Vernunft und der Stärke deines Körpers warst, gehabt?" Jene antwortete: "Mein Wille war, unaufhörlich zu sündigen und niemals davon abzulassen; weil ich aber wußte, daß ich nicht allezeit leben würde, so nahm ich mir vor, bis zum letzten Augenblick zu sündigen, und in solcher Absicht ging meine Trennung vom Leibe vor sich." Darauf sprach der Richter: "Dein Gewissen ist dein Richter. Also sprich in deinem Gewissen, was für ein Urteil du verdienst?" Die Seele antwortete: "Mein Urteil ist die bitterste und ärgste Pein, welche ohne Ende und ohne alle Barmherzigkeit dauern wird." Darauf fuhren die Teufel, nachdem sie deren Urteil vernommen, mit ihr ab. Der Herr sprach darauf: "Siehe, Braut, was meine Priester thun; ich habe sie vor allen Engeln und Menschen erwählt und über alle geehrt; sie aber erzürnen mich vor allen Juden und Heiden und vor allen Teufeln am allermeisten." 282 Christus zeigt, welche Liebe er den Priestern erwiesen. Sie aber sind undankbar und verachten wie eine Ehebrecherin Christum, indem sie drei andere Liebhaber, die Welt, das Fleisch und den Teufel, lieben. Dieses legt er dar an der Seele eines jüngst verstorbenen Priesters, welcher auf ewig verdammt worden. "Ich bin wie ein Bräutigam, welcher seine Braut mit aller Liebe in sein Haus einführt. So habe ich die Priester mit meinem Leibe verbunden, daß sie in mir und ich in ihnen sein möchte. Sie begegnen mir aber wie eine Ehebrecherin, die zu ihrem Gatten spricht: Deine Worte gefallen mir nicht, Dein Reichtum ist eitel, Deine Lust wie Gift. Ich habe drei andere, welche ich mehr lieben und denen ich lieber folgen will. Ihr antwortete der Mann sanftmütig: Meine Braut, höre mich und warte lieber; denn Deine Worte sollen mein sein und mein Wille der Deinige, mein Reichtum der Deinige und Deine Lust die meinige. Allein sie will durchaus nicht hören und geht zu jenen dreien. Und nachdem sie so weit hinweggegangen, daß der Bräutigam nicht mehr zu sehen war, sprach der erste von ihnen, die Welt: Hier scheiden sich die Wege; ich kann ihr nicht weiter folgen, darum will ich ihren ganzen Reichtum haben. Der zweite, nämlich der Leib, sprach: Ich bin sterblich und werde eine Speise der Würmer werden, sie aber ist unsterblich, darum will ich sie hier verlassen. Der dritte, d. i. der Teufel, sprach: Ich bin unsterblich und werde es ohne Ende bleiben; weil sie hat ohne ihren Mann sein wollen, wird sie mir ohne Aufhören folgen. Ebenso thun mir jene verfluchten Priester. Sie sollten mein Glied sein und sich so auszeichnen vor den übrigen wie der Finger an der Hand; sie sind aber ärger, als der Teufel, und werden deshalb tiefer, als alle Teufel, in die Hölle versenkt werden, wenn sie sich nicht bessern. Ich rufe sie wie ein Bräutigam. Alles, was ich vermag, thue ich für sie; allein je mehr ich sie rufe, desto weiter entfernen sie sich. Meine Worte gefallen ihnen nicht, mein Reichtum ist ihnen zur Last, meine süßen Worte verabscheuen sie wie Gift. Ich laufe ihnen nach und mahne sie wie ein 283 liebender Vater, trage sie wie ein gütiger Herr, ziehe sie durch Geschenke an mich wie ein guter Bräutigam; allein je mehr ich rufe, desto weiter wenden sie sich ab. Drei Freunde lieben sie mehr, als mich, d. i. die Welt und den Leib; deshalb wird der dritte, d. h. der Teufel, sie in Empfang nehmen und nimmer schlafen. Darum wehe ihnen, daß sie jemals Priester und meine Glieder geworden sind. Der Priester, welcher eben gestorben ist, hat dreifach gesündigt: Erstens durch Hoffart, weil er sich wie ein Bischof gekleidet; zweitens hat er sich loben lassen wegen seiner Weisheit; drittens hat er seinen Willen zu allem, was er wollte und dem Körper gefiel, hingewendet. Er enthielt sich um der Gesundheit des Leibes willen, und that, was ihm gefiel, nur nicht meinen Willen. Allein, was hat ihm das nun genützt? Deshalb ist er für seine Hoffart vor mir wie ein halbverwester und stinkender Mensch, voll Geschwüre und von verdorbenem Fleische. Statt des Lobes wird er von mir und von den Menschen vernachlässigt werden. Anstatt des eigenen Willens nehmen die Würmer seinen Leib ein und die Seele die Teufel, welche sie unaufhörlich peinigen. Siehe, was diese Elenden lieben, und was sie thun! Wo sind nun seine Freunde, wo seine Güter, wo Ehre und Ruhm? Statt alles dieses wird er nun ewige Schande haben. Sie erkaufen etwas Kleines, nämlich weltliche Ehre, und geben das Große, nämlich die ewige Freude, auf. Wehe solchen, daß sie jemals geboren worden! denn sie fallen tiefer in die Hölle, als irgend ein anderer." ______ Die folgenden Offenbarungen hat die heilige Brigitta in einem geistlichen Gesichte gehabt, während sie im Gebete war. Dieselben wurden den Päpsten Innocenz VI., Urban V., Gregor XI. übersendet. Dieselben handeln von der Zurückführung des Apostolischen Stuhles und des Römischen Hofes nach Rom und von der Reformation der Kirche nach der Vorschrift Gottes des Allmächtigen. 284 Worte Christi an die Braut, welche des Papstes Innocenz VI. Erwähnung thut, der auf Klemens VI. folgte. Der Sohn redete zur Braut und sprach: "Dieser Papst Innocenz ist von besserem Erze, als seine Vorgänger, und ein Stoff, der geeignet ist, die besten Farben anzunehmen. Allein die Bosheit der Menschen erheischt, daß er bald aus ihrer Mitte hinweggenommen werde; sein guter Wille wird ihm zur Krone und Mehrung der Herrlichkeit gerechnet werden. Wenn er aber meine Worte der Bücher, welche Dir gegeben worden, hörte, würde er noch besser werden, und die, welche ihm die Worte überbrächten, würden auf eine noch erhabenere Weise gekrönt werden." Offenbarung, welche den Papst Urban berührt, und welche die Braut Christi zu Rom in betreff der Bestätigung der Regel des Erlöserordens, sowie über die Ablässe zu Petrus Ketten hatte, welche von Christo dem Kloster der seligen Jungfrau zu Wadstena verliehen worden. Der Sohn Gottes sprach zur Braut: "Wer ein von Faden gewickeltes Knäuel hat, in welchem sieh das beste Gold befindet, hört nicht auf, abzufädeln, bis er das Gold gefunden hat. Nachdem dasselbe gefunden worden, bedient sich sein Besitzer desselben zu seiner Ehre und seinem Nutzen. So ist dieser Papst Urban Gold, das geschmeidig ist zum Guten; er ist aber umgeben von den Sorgen der Welt. Darum gehe und sage ihm von meiner Seite: Deine Zeit ist kurz, stehe auf und gieb acht, wie die Dir anvertrauten Seelen gerettet werden mögen. Ich habe Dir die Regel des Ordens überbracht, welcher gegründet und angefangen werden soll am Orte Wadstena in Schweden. Dieselbe ist aus meinem Munde hervorgegangen. Nun aber will ich, daß dieselbe nicht allein durch Dein Ansehen bestätigt, sondern auch durch Deinen Segen, der Du mein Statthalter auf Erden bist, gestärkt werde. Ich habe dieselbe 285 diktiert und mit einer geistlichen Mitgift ausgestattet, indem ich die Ablässe bewilligte, welche die Kirche zu den Ketten des heiligen Petrus in Rom hat. Bestätige Du nun also vor den Menschen, was vor meinen himmlischen Heerscharen angeordnet ist. Begehrst Du aber ein Zeichen, daß ich dieses rede, so habe ich Dir ein solches bereits sehen lassen, weil, als Du zuerst meine Worte vernommen hast, Deine Seele bei der Ankunft meines Boten auf geistliche Weise getröstet ist. Begehrst Du jedoch ein weiteres Zeichen, so wird es Dir gegeben werden, aber nicht wie Jonas, dem Propheten. Dir aber, meine Braut, der ich die gedachte Gnade erwiesen habe, soll, wenn Du nicht die Bulle und Gnade des Papstes, noch das Siegel der Bestätigung für den gedachten Ablaß ohne vorgängige Geldabgabe wirst erlangen können, meine Gnade genügen. Denn ich will mein Wort bewähren und bestätigen, und alle meine Heiligen werden Dir Zeugen, meine Mutter aber wird Dir das Siegel sein, mein Vater der Bestätiger und mein Geist der Tröster derer, welche zu Deinem Kloster kommen." Dies ist die Offenbarung, welche die Braut Christi über denselben Papst Urban in Rom hatte, bevor jener im Jahre des Herrn 1370 nach Avignon zurückkehrte. Es ward ihm dieselbe zu Montefiascone übergeben. Als die gedachte Person nachts im Gebete wachte, schien es ihr, als ob eine Stimme redete, welche aus einem Glanzkreise wie aus einer Sonne hervorging. Diese Stimme sprach folgende Worte zu ihr: "Ich bin die Mutter Gottes, weil es ihm also gefiel; ich bin auch eine Mutter aller, welche in der Freude droben sind. Wenn auch die Kinder, was sie bedürfen, nach ihrem Willen haben, so wird ihnen zur Vermehrung ihrer Fröhlichkeit die Freude erhöht, wenn sie das Antlitz ihrer Mutter freundlich sehen. So gefällt es Gott, alle im himmlischen Hofe mit Freude und Jubel über die Reinheit meiner Jungfräulichkeit, über die Schönheit meiner Tugenden zu erfüllen, obwohl sie durch die Macht derselben Gottheit auf unbegreifliche Weise alles Gute haben. - Ich bin auch eine Mutter aller, welche im Fegfeuer sich befinden, weil alle Strafen, 286 welche denen gebühren, die für ihre Sünden gereinigt werden sollen, stündlich um meines Gebetes willen etlichermaßen gemildert werden; denn so gefällt es Gott, daß einige von den Strafen, welche sie nach der Strenge der göttlichen Gerechtigkeit verschuldet haben, ermäßigt werden. Ich bin die Mutter aller Gerechtigkeit, die in der Welt ist. Diese Gerechtigkeit hat mein Sohn mit vollkommenster Liebe geliebt. Wie nun die mütterliche Hand allezeit bereit ist, sich den Gefahren zur Verteidigung des Sohnes ihres Herzens zu widersetzen, wofern jemand auf dessen Verletzung ausgehen möchte, so bin ich unaufhörlich bereit, die Gerechten, welche in der Welt sind, zu verteidigen und vor jeder geistlichen Gefahr zu befreien. Ich bin auch gleichsam eine Mutter aller Sünder, welche sich bessern wollen, und welche den Willen haben, nicht weiter gegen Gott zu sündigen; auch bin ich willig, selbst den Sünder, wie eine liebreiche Mutter, wenn sie sieht, daß die Feinde mit scharfen Schwertern auf ihren Sohn eindringen, in Schutz zu nehmen. Würde sich diese in einem solchen Falle nicht männlich den Gefahren entgegenwerfen, um ihren Sohn den Händen seiner Feinde zu entreißen und ihn mit Freuden in ihrem Schoße bewahren? Also thue auch ich und werde allen Sündern thun, welche meinen Sohn mit wahrer Reue und göttlicher Liebe um Barmherzigkeit bitten werden. Höre Du, und gieb fleißig acht auf das, was ich von meinen zwei Söhnen sagen werde, die ich Dir nennen will. Der erste, den ich nenne, ist mein Sohn Jesus Christus, der zu dem Ende aus meinem jungfräulichen Fleische geboren worden, um seine Liebe zu offenbaren und die Seelen zu erlösen. Deshalb hat er körperliche Beschwerden nicht gescheut, noch das Vergießen seines Blutes. Auch hat er nicht verschmäht, Schmachreden anzuhören und die Pein seines Todes auszustehen. Er ist Gott selber und allmächtig in ewiger Freude. Der zweite, den ich für meinen Sohn erachte, ist derjenige, welcher auf dem päpstlichen Stuhle seinen Platz hat, nämlich dem Stuhle Gottes in der Welt, wofern er seinen Geboten gehorsam und ihm mit vollkommener Liebe zugethan ist. Nun will ich etwas reden von diesem Papste, welcher Urban heißt. Um meiner Bitten willen erhielt er die Erleuchtung des heiligen Geistes, daß er durch Italien nach Rom zu keinem anderen Zwecke sich wenden solle, als um Barmherzigkeit zu üben, den katholischen Glauben zu stärken, 287 den Frieden zu befestigen und so die heilige Kirche zu erneuern. Wie eine Mutter ihr Kind hinführt, wohin sie es haben will, wenn sie demselben ihre Brust zeigt, so habe ich den Papst Urban durch mein Gebet und das Werk des heiligen Geistes, ohne daß ihm irgend eine leibliche Gefahr zugestoßen, von Avignon nach Rom geleitet. Was hatte er mir gethan? Jetzt wendet er mir den Rücken zu und sein Angesicht von mir ab und gedenkt, von mir zu weichen, wozu ihn der böse Geist mit seinem Truge anleitet; denn es verdrießt ihn die göttliche Arbeit, und er hat Gefallen an seinem leiblichen Vorteile. Es zieht ihn auch der Teufel mit weltlicher Lust, weil er nach weltlicher Gewohnheit sein Vaterland viel zu lieb hat. Er wird auch gezogen durch den Rat der weltlichen Freunde, welche mehr ihre Liebe und ihren Willen, als Gottes Ehre und Willen, oder die Förderung und das Heil ihrer Seelen im Auge haben. Gelingt es ihm, in das Land zurückzukehren, wo er zum Papste gewählt ward, so wird er in kurzer Zeit einen Schlag oder einen Backenstreich erhalten, daß seine Zähne zusammenschlagen und klappern werden, das Gesicht wird finster, werden und sich verdunkeln, und am ganzen Leibe werden ihm die Glieder zittern, die Glut des heiligen Geistes wird allmählich in ihm erkalten und zurücktreten; die Gebete aller Freunde Gottes, welche unter Seufzen und Thränen für ihn zu bitten sich vorgenommen, werden erstarren, und die Herzen anfangen, in seiner Liebe Frost zu empfinden, und für zweierlei wird er Gott Rechenschaft geben müssen. Zuerst für das, was er auf dem päpstlichen Stuhle gethan; zweitens für das, was er von denenigen unterlassen, was er zu Gottes Ehre in seiner großen Majestät hätte thun können." (Urban starb noch im selben Jahre 1370.) Die folgende Offenbarung ist die erste, welche an den Herrn Papst Gregor XI. durch den Herrn Latino Orsini geschickt worden. Eine Person, welche wachte und nicht schlief, sondern im Gebete verharrte, ward im Geiste hingerissen. Und nun schienen alle Kräfte ihres Geistes gleichsam schwach zu werden; allein ihr Herz 288 ward entflammt und jubelte auf in der Glut der Liebe; ihre Seele ward getröstet und ihr Geist durch eine gewisse göttliche Kraft gestärkt, auch ihr ganzes Gewissen mit einem geistlichen Verständnisse erfüllt. Dieser Person erschien damals folgendes Gesicht. Sie vernahm eine süßtönende Stimme, welche sie also anredete: "Ich bin diejenige, welche Gottes Sohn, den wahren Gott Jesum Christum, geboren. Nachdem ich ein anderes Mal Dir einige Worte mitgeteilt habe, welche dem Papste Urban gemeldet werden sollten, so sage ich Dir jetzt wieder solche, welche an den Papst Gregor zu senden sind. Damit sie aber besser verstanden werden, werde ich Dir dieselben unter einem Gleichnisse sagen. Wie eine liebevolle Mutter, welche ihr geliebtes Kind nackt und kalt am Boden liegen sieht, das keine Kräfte hat, um sich aufzurichten, sondern aus Verlangen nach der mütterlichen Liebkosung und Milch mit kläglichen Tönen und Geschrei weint, in zärtlicher Liebe sich erbarmt, eilends auf den Sohn zuläuft, und, damit er vor Kälte nicht ohnmächtig werde, ihn mit liebreicher Mutterhand emporhebt, alsbald sanft hätschelt, mit der mütterlichen Wärme ihrer Brust ihn mildiglich erwärmt und mit der Milch ihrer Brüste süß tränkt, so will ich, die Mutter der Barmherzigkeit, mit dem Papste Gregor verfahren, wenn er nach Rom und Italien, in der Absicht zu bleiben, zurückkehren und den Willen haben wird, daselbst wie ein liebevoller Hirte unter Seufzern und Thränen der Barmherzigkeit das ewige Verderben der ihm anvertrauten Schafe und ihre Schäden und schmerzlichen Verluste zu beweinen, wenn er sich ferner vorgenommen haben wird, mit Demut und schuldiger Hirtenliebe die Kirche in einen besseren Stand zu versetzen. Dann will ich, eine liebende Mutter, ihn wie einen nackten, frierenden Knaben von der Erde emporheben, d. h. ihn und sein Herz gänzlich losmachen von jeglicher irdischen Lust und aller weltlichen Liebe, welche wider Gottes Willen sind, ihn auch mit der mütterlichen Wärme meiner Liebe, die in meiner Brust ist, sanft erwärmen. Ich werde ihn auch sättigen mit meiner Milch, d. h. meinem Gebete, das der Milch ähnlich ist. Ach, wie zahllos sind jene, welche durch die Milch meines Gedetes erhalten werden und süße Nahrung empfangen! Mit dieser Milch werde ich ihn sättigen, d. h. mit meinem Gebete, 289 das ich für ihn an den Herrn, meinen Gott, welcher mein Sohn ist, richten werde, daß es ihm gefallen möge, sich zu erbarmen und seinen heiligen Geist mit dem innersten Herzensblute dieses Papstes Gregorius zu vereinigen. Alsdann aber wird er mit der wahren Sättigung vollkommen so weit gesättigt werden, daß er zu nichts anderem weiter in dieser Welt zu leben begehren wird, als, um Gottes Ehre mit allen seinen Kräften vermehren zu können. Siehe, ich habe ihm schon die mütterliche Liebe gezeigt, die ich ihm erweisen werde, wenn er gehorchen wird, weil es Gottes Wille ist, daß er in Demut seinen Sitz nach Rom verlege. Nun aber, damit er für die Folge sich nicht mit Unwissenheit entschuldigen möge, kündige ich ihm warnend in mütterlicher Liebe das an, was folgen wird, nämlich, daß, wenn er dem vorher Gesagten nicht folgt, er unzweifelhaft die Rute der Gerechtigkeit, d. h. den Zorn meines Sohnes, fühlen wird, weil ihm dann sein Leben gekürzt und er vor das Gericht Gottes gerufen werden wird. Alsdann wird ihm keine Macht weltlicher Herren Beistand leisten. Auch Weisheit und Wissenschaft der Ärzte werden ihm nicht nützen, noch wird ihm die Luft im Lande seiner Geburt förderlich sein, sein Leben auch nur um ein weniges zu verlängern. Auch wenn er nach Rom kommen, aber das Gesagte nicht thun würde, wird ihm das Leben gekürzt werden und werden ihm die Ärzte nicht helfen, auch nach Avignon wird er nicht zurückkommen, daß ihm die vaterländische Luft zuträglich sein könnte, sondern er wird vielmehr sterben." Es folgt das zweite Gesicht, welches der Herr Graf von Nola an denselben Papst Gregor überbrachte. Lob und Dienst sei Gott für alle seine Liebe und Ehre der heiligsten Maria, seiner kostbaren jungfräulichen Mutter, um des Erbarmens willen, das er mit allen hat, welche ihr Sohn mit seinem kostbaren Blute erkauft hat! Heiliger Vater, es geschah, daß es einer gewissen Person, welche Euch wohlbekannt ist, während des Wachens, als sie sich im Gebete befand, begegnete, daß sie ihr ganzes Herz durch die Glut der göttlichen Liebe und 290 von einer Heimsuchung des heiligen Geistes entflammt werden fühlte. Die Person hörte dann eine Stimme, welche ihr sagte: "Höre Du, die Du das Geistliche siehest, sprich das, was Dir jetzt befohlen wird, und schreibe dem Papste Gregor die Worte, welche Du jetzt vernehmen wirst: Ich, die ich zu Dir rede, bin diejenige, welche Gott zu seiner Mutter sich zu erwählen die Gnade gehabt hat, und aus deren Fleische er seinen menschlichen Leib annahm. Er, mein Sohn, hat an dem Papste Gregor ein großes Werk der Barmherzigkeit geübt, als er ihn durch mich seinen heiligsten Willen verkündigen ließ, den ich ihm in der früheren, ihm übersandten Offenbarung ausführlicher zu erkennen gegeben habe. Dieses ist mehr um der Gebete und der Thränen der Freunde Gottes willen geschehen, als infolge einiger seiner vorausgegangenen Verdienste. Deshalb haben wir, ich und der Teufel, sein Feind, einen schweren Kampf um ihn gehabt. Denn ich habe in dem anderen Schreiben denselben Papst Gregor ermahnt, er möge sich in Demut und göttlicher Liebe eilends nach Rom oder Italien begeben und seinen Sitz daselbst aufschlagen, auch bis an seinen Tod daselbst verbleiben. Der Teufel aber und andere Ratgeber, welche er hatte, rieten ihm, zu zögern, und in der Gegend, wo er sich jetzt befindet, zu weilen, und zwar aus irdischer Liebe und weltlichem Trost an den Verwandten und fleischlichen Freunden. Darum hat der Teufel jetzt größeres Recht und mehr Gelegenheit, ihn zu versuchen, weil er mehr dem Rate des Teufels und der fleischlichen Freunde, als Gottes und meinem Willen gehorsam gewesen. Weil aber der Papst selber begehrt, über den Willen Gottes noch ausführlichere Gewißheit zu erhalten, darum ist es recht, daß solches sein Begehren erfüllt werde. So soll er denn auf das unzweifelhafteste wissen, daß, was hiernach folgt, der Wille Gottes sei, nämlich, daß er ohne jeglichen Verzug nach Italien oder Rom komme, solches unfehlbar thue und seine Reise also, um eilig zu kommen, beschleunige, daß er im Monat März oder spätestens mit Anfang kommenden Aprils in Person in vorgedachter Stadt oder einer Provinz Italiens angekommen sein muß, wenn er mich je zur Mutter haben will. Wofern er aber im Vorgedachten ungehorsam sein würde, so möge er auf wahrhafte Weise sich überzeugt halten, daß er in dieser Welt niemals mehr mit solchem Troste, d. h. 291 einem anderen Besuche oder einer anderen Offenbarung, heimgesucht werden, nach dem Tode aber vor der göttlichen Gerichtigkeit Rede darüber zu stehen haben wird, weshalb er den Geboten Gottes nicht hat gehorchen wollen. Hat er aber in vorgedachter Weise gehorcht, dann will ich ihm auch erfüllen, was ich ihm in jener, von mir zuerst für ihn bestimmten Offenbarung versprochen habe. Ich mache diesem Papste auch bekannt, wie niemals ein so fester und ruhiger Friede in Frankreich sein wird, daß die Bewohner desselben sich voller Sicherheit und Eintracht einigermaßen erfreuen können, bevor das Volk in diesem Reiche nicht Gott, meinen Sohn, durch einige große Werke der Liebe und Demut besänftigt haben wird, nachdem es ihn durch seine vielen bösen Werke und seine Beleidigungen bisher zum Unwillen und Zorn gereizt hat. Deshalb möge er wissen, wie die Fahrt jener bewaffneten Männer nach dem heiligen Grabe meines Sohnes, welche lasterhaften Gesellschaften angehören, diesem meinem Sohne, dem wahren Gott, ebensowenig gefällt, als das Gold, welches das Volk Israel ins Feuer warf, und aus welchem der Teufel das gegossene Kalb bildete; denn in ihnen steckt Hoffart und Begierlichkeit, und wenn sie einigen Willen haben, nach dem gedachten Grabe zu gehen, so ist es mehr aus Hoffart und Geldgier, als um der Liebe und Ehre Gottes halber." Nach diesen Worten verschwand das Gesicht. Hierauf aber fügte die Mutter Gottes diese Worte hinzu: "Desgleichen sage dem Bischofe, meinem Einsiedler, daß er diesen Brief verschließe und siegele und nachher auf anderem Papier eine Abschrift davon nehme, welche er offen jenem Abte, dem Nuntius des Papstes, und dem Grafen von Nola zu zeigen hat, damit sie solche lesen und wissen, was darin enthalten ist. Nachdem diese die Abschrift gelesen haben, soll er ihnen den vorgedachten verschlossenen und versiegelten Brief lassen, den sie ohne Verzug dem Papste Gregor zu übersenden haben. Die offene Abschrift aber soll er ihnen, wenn sie solche gelesen haben, nicht belassen, sondern ich will, daß er sie vernichte und vor ihren Augen in Stücke zerreiße. Denn wie der Brief, so wie er jetzt ganz ist, in viele Stücklein zerrissen werden wird, so werden, wenn der Papst nicht in vorbestimmter Zeit und Jahre nach Italien kommt, die Kirchen des Landes, die unter seinem Gehorsame und in seiner Unterwürfigkeit ihm jetzt folgen, 292 unter den Händen der Feinde in gar viele Teile zersplittert werden. Wisse auch für ganz sicher, daß der Papst zur Erhöhung seiner Trübsal nicht allein selber vernehmen, sondern auch mit eigenen Augen sehen wird, daß, was ich sage, wahr ist, und er wird mit der gesamten Hand seiner Macht die vorgedachten Länder der Kirche nicht in den früheren Zustand ihres Gehorsams und Friedens zurückzuführen imstande sein. Die Worte aber, welche ich Dir jetzt sage, dürfen jenem Abte noch nicht gesagt, noch geschrieben werden, weil der Same in der Erde verborgen wird, bis er zur fruchtbringenden Ahre [sic!] emporwächst." Folgende Offenbarung ist der vorgedachten Braut Christi in Neapel für den nämlichen Papst am Feste des heiligen Polykarp zu teil geworden, als sie aus Jerusalem zurückkehrte. Sie hat diese Offenbarung dem Papste nicht übersandt, weil es ihr von Gott nicht befohlen war. Christus erschien seiner Braut, der Frau Brigitta, als dieselbe für den Papst Gregor XI. betete, und sprach zu ihr: "Gieb acht auf die Worte, welche ich rede, meine Tochter! Wisse, daß dieser Papst Gregor einem Gichtbrüchigen gleicht, welcher seine Hände nicht zum Arbeiten und seine Beine nicht zum Gehen rühren kann; denn wie die Krankheit der Gicht aus dem Blute und verdorbenen Säften und der Kälte entsteht, so hält diesen Papst die ungemäßigte Liebe seines Blutes und die Kälte und Lauheit seiner Gesinnung für mich hindernd fest. Du sollst aber wissen, wie er mit Hilfe des Gebetes meiner Mutter schon Hände und Füße in Bewegung zu setzen beginnen wird, indem er in Erfüllung meines Willens und meiner Ehre nach Rom kommt. Wisse demnach aufs bestimmteste, daß er nach Rom kommen, und den Weg zu einigem künftigen Guten zwar beginnen, aber nicht zu Ende bringen wird." - Hierauf antwortete die Frau Brigitta: "O Herr, mein Gott, die Königin von Neapel und viele andere sagen mir, es sei unmöglich, daß er nach Rom komme, weil der König von Frankreich, die Kardinäle und sehr viele andere Leute seinem Kommen Hindernisse in den Weg legen. Ich habe auch gehört, wie viele wider 293 ihn aufstehen, welche sagen, sie hätten den Geist Gottes und göttliche Offenbarungen und Gesichte, und daß diese kommen und ihm unter diesem Vorwande vom Kommen abraten. Darum fürchte ich sehr, daß seine Ankunft verhindert werden wird." Gott antwortete: "Du hast lesen hören, wie Jeremias in jenen Tagen unter Israel war, welcher den Geist Gottes hatte zum Weissagen, wie aber auch damals viele waren, welche den Geist der Träume und der Lüge hatten. Ihnen glaubte der ungerechte König, und deshalb kam er und mit ihm sein Volk in Gefangenschaft. Hätte der König dem Jeremias allein geglaubt, so wäre mein Zorn von ihm abgewendet worden. So ist es auch jetzt; denn mögen sich jetzt entweder Weise, oder Träumer, oder Freunde, nicht des Geistes, sondern des Fleisches, des Papstes Gregorius erheben und ihm raten oder widerraten, so bin ich, der Herr, ihnen gleichwohl nichtsdestoweniger überlegen, und nicht zu ihrem Troste will ich den Papst nach Rom führen. Ob Du ihn aber kommen sehen wirst oder nicht, das zu wissen ist Dir nicht verstattet." Folgende Offenbarung ward der vorgenannten Braut Christi im Monat Februar für denselben Papst Gregor gezeigt. Diesem überbrachte sie ein gewisser Einsiedler, welcher ein Bistum aufgegeben hatte. "Heiliger Vater! Die Person, welche Euer Heiligkeit wohl bekannt ist, befand sich wachend im Gebete; sie ward in einer Geistesverzückung ist eine Betrachtung hineingerissen und erblickte im Geiste das Bild eines Thrones. Auf demselben saß das Bild eines Menschen von unschätzbarer Schönheit und ein Herr von unbegreiflicher Macht. Und im Umfange des Thrones stand eine große Menge von Heiligen und ein unzählbares Heer von Engeln. Vor dem auf dem Throne Sitzenden stand in einiger Entfernung ein Bischof, angethan mit bischöflichen Kleidern und Schmuck. Der Herr aber, welcher auf dem Throne saß, redete mich an und sprach also: Mir ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden von meinem Vater gegeben, und obwohl ich Dir wie mit Einem Munde zu 294 reden scheine, so rede ich doch nicht allein; denn der Vater und der heilige Geist reden mit Dir, und obgleich drei Personen sind wir doch eins in dem Wesen der Gottheit. Darauf redete er mit jenem Bischofe und sprach: Vernimm, Papst Gregor XI., die Worte, welche ich mit Dir spreche, und gieb fleißig acht auf das, was ich Dir sage. Weshalb hassest Du mich so? Weshalb sind Deine Vermessenheit und Kühnheit wider mich so groß? Dein weltlicher Hof plündert meinen himmlischen. Du aber beraubst mich übermütigerweise meiner Schafe, und erpressest gegen Deine Pflicht die Güter der Kirche, welche mein Eigen sind, und die Güter der Untergebenen meiner Kirche, nimmst dieselben hinweg und schenkst sie Deinen zeitlichen Freunden. Du nimmst auch und eignest Dir ohne Recht an die Güter meiner Armen, und giebst und verteilst dieselben unziemlicherweise an Deine Reichen, weshalb Deine Kühnheit und Vermessenheit so übergroß sind, weil Du verwegen eingehest in meinen Hof, und das nicht verschonst was mein Eigen ist. Was habe ich Dir gethan, Gregorius? Ich habe doch geduldig zugegeben, daß Du zur höchsten päpstlichen Würde emporstiegest, Dir auch durch Zuschriften, welche ich Dir infolge göttlicher Offenbarung nach Rom übersandte, meinen Willen vorausgesagt, indem ich Dich durch dieselben an das Heil Deiner Seele mahnte und Dich vor Deinem großen Verluste gewarnt habe. Wie vergiltst Du mir nun für so viele Wohlthaten, und weshalb lassest Du zu, daß an Deinem Hofe die höchste Hoffart, eine unersättliche Begier, eine Schwelgerei, die mir ein Greuel ist, und auch die garstigste, bodenloseste, abscheulichste Simonie herrschen? Außerdem raubst und nimmst Du mir zahllose Seelen als Beute hinweg; denn fast alle, welche an Deinen Hof kommen, bringst Du in das höllische Feuer, weil Du nicht fleißig auf dasjenige achtgiebst, was Deinen Hof angeht, während Du doch ein Vorsteher und Hirte meiner Schafe bist. Und eben darum ist es Deine Schuld, wenn Du nicht gewissenhaft bedenkst, was für ihr geistliches Wohl zu thun und zu bessern ist. Und obschon ich Dich nach dem Vorgedachten in Gemäßheit meiner Gerechtigkeit verdammen könnte, mahne ich Dich doch in meiner Barmherzigkeit noch einmal an das Heil Deiner Seele, nämlich, daß Du so schnell als möglich nach Rom kommen wollest auf Deinen Stuhl. Die Zeit überlasse ich Deinem Belieben; wisse jedoch, 295 daß, je mehr Du zögerst, um so mehr der Fortschritt Deiner Seele in allen Tugenden gemindert werden wird. Je bälder Du aber nach Rom kommen wirst, desto schneller werden Deine Tugenden und die Gaben des heiligen Geistes wachsen, und Du wirst vom göttlichen Feuer meiner Liebe entzündet werden. Komm' also und zaudere nicht. Komm' nicht mit der gewöhnlichen Hoffart und weltlichen Pracht, sondern mit Demut und heißer Liebe. Und wenn Du so gekommen sein wirst, so vertilge, reiß' aus und zerstöre alle Laster an Deinem Hofe. Entferne auch von Dir die Ratschläge Deiner weltlichen und fleischlichen Freunde und befolge demütig die geistlichen Ratschläge meiner Freunde. Greife darum an und fürchte Dich nicht; erhebe Dich mannhaft und lege vertrauensvoll die Stärke an; fange an, meine Kirche zu erneuen, die ich mir mit meinem eigenen Blute erworben habe; sie muß auch erneuert und geistlicherweise zu ihrem früheren, heiligen Stande zurückgeführt werden; denn jetzt wird ein Freudenhaus mehr in Ehre gehalten, als die heilige Mutter Kirche. Wirst Du aber meinem vorgedachten Willen nicht Folge leisten, so sollst Du festiglich wissen, daß Du mit solchem Urteile und geistlicher Gerechtigkeit vor meinem ganzen himmlischen Hofe verdammt werden wirst, wie ein Prälat, der degradiert, öffentlich seiner geweihten, geistlichen Ehrenkleider mit Schande und unter Verfluchung beraubt und mit Schmach und Scham überhäuft, verdammt und zeitlich bestraft wird. So werde ich an Dir thun. Ich werde Dich verstoßen vom himmlischen Hofe, und alles, was jetzt Deinen Frieden und Deine Ehre ausmacht, wird Dir zu Fluch und ewiger Schande gereichen. Und ein jeglicher Teufel in der Hölle wird, wie unsterblich und unzerstörbar sie auch sein mag, einen Bissen von Deiner Seele empfangen, und statt des Segens wirst Du mit ewigem Fluche erfüllt werden. So lange ich Dir Deinen Ungehorsam nachsehen werde, so lange wirst Du Glück haben. Gleichwohl, mein Sohn Gregor, ermahne ich Dich noch einmal, daß Du demütig zu mir zurückkehren wollest, gehorche meinem, Deines Vaters und Schöpfers, Rate. Denn wenn Du mir in vorbemeldeter Art folgst, werde auch ich wie ein liebreicher Vater Dich aufnehmen. Betritt also mannhaft den Weg der Gerechtigkeit, und Du wirst Glück haben. Verachte nicht den, der Dich liebt; denn wenn Du gehor- 296 sam bist, werde ich an Dir Barmherzigkeit üben, und Dich auch segnen und bekleiden und mit den kostbaren bischöflichen Gewändern des wahren Papstes schmücken, werde Dich mit mir selbst anziehen, so daß Du in mir sein wirst und ich in Dir und Du ewiglich gerühmt werden wirst." - Nachdem Vorstehendes gesehen und gehört worden war, verschwand dieses Gesicht. Vierte Offenbarung, welche die selige Brigitta an den Herrn Papst Gregor im Monat Juli des Jahres unseres Herrn 1373 übersandte. Sie schrieb auch an einen Einsiedler, welcher einst Bischof gewesen war, und sich damals in dieser Angelegenheit beim Herrn Papste zu Avignon befand. "Unser Herr Jesus Christus, Herr Bischof, sagte mir, ich sollte nachfolgende Worte an Euch schreiben, auf daß Ihr dieselben dem Papste vorzeigen möchtet. Der Papst begehrt ein Zeichen; saget ihm: Auch die Pharisäer hätten ein Zeichen begehrt. Diesen habe ich geantwortet: Wie Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauche des Walfisches, so bin ich, der Sohn der Jungfrau, drei Tage und drei Nächte tot in der Erde gewesen (Matth. XII.) und wieder auferstanden und aufgefahren zu meiner Herrlichkeit. Also wird dieser Papst Gregorius das Zeichen meiner Mahnung, die Seelen zu retten, erhalten. Darum soll er die Werke thun, welche meine Ehre betreffen, und dahin trachten, wie die Seelen erhalten werden, und daß meine Kirche wieder in ihren früheren Stand und in eine bessere Ordnung komme, und dann wird er das Zeichen und die Frucht des ewigen Trostes erfahren. Das zweite Zeichen wird er erhalten, daß, wenn er nicht meinen Worten gehorsam ist und nach Italien kommt, er nicht allein das Zeitliche, sondern auch das Geistliche verlieren und Trübsal des Herzens empfinden wird, so lange er lebt. Und wenn auch zuweilen sein Herz einige Erleichterung zu haben scheinen möchte, werden ihm doch die Gewissensbisse und die innerliche Trübsal verbleiben. Das dritte Zeichen ist, daß ich, Gott, wunderbare Worte mit einem Weibe spreche. Wozu das und zu welchem Nutzen, als zur Frucht und zum Heile und Frommen der Seelen, und auf daß die Bösen ge- 297 bessert und die Guten noch besser werden? Was aber den Zwist zwischen dem Papste und Barnabo betrifft, so antworte ich, daß mir derselbe über die Maßen verhaßt ist, weil zahllose Seelen dadurch in Gefahr geraten. Deshalb ist es mir ein Gefallen, wenn Eintracht wird. Denn wofern auch der Papst von seinem Stuhle vertrieben wäre, so würde es besser sein, wenn er sich demütigte und Eintracht, in welcher Weise es auch geschehen möchte, stiftete, als wenn so viele Seelen in ewige Verdammnis gerieten. Von der Besserung des Reiches Frankreich wird er aber nicht eher etwas zu erfahren bekommen, als bis er persönlich nach Italien gekommen sein wird. Daher, wenn ein Galgen dastünde und an diesem ein Strick hinge, woran auf einer Seite zahllose Leute zögen, auf der anderen aber nur einer, also steht die Verdammnis der Seelen offen, und schier der größte Teil arbeitet daran. Darum soll dieser Papst auf mich allein sehen, und, wenn auch alle ihm abraten, nach Rom zu kommen, und Widerstand thun. soviel sie können, soll er doch auf mich, den einen, vertrauen, und ich werde ihm helfen und niemand soll die Oberhand über ihn gewinnen. Wie aber die jungen Vögel im Neste bei Ankunft der Mutter sich erheben und schreien und sich freuen, so will ich ihm mit Freuden entgegeneilen, ihn erheben und an Leib und Seele ehren." Noch sprach der Herr: "Weil der Papst zweifelt, ob er nach Rom kommen solle, um den Frieden und meine Kirche wiederherzustellen, so will ich, daß er durchaus im nächstfolgenden Herbste komme. Und er soll auch wissen, daß er mir nichts Angenehmeres erweisen könne, als daß er nach Italien kommt." Gesicht, welches die Braut Christi über das Gericht der Seele eines verstorbenen Papstes gehabt. Die Braut sah eine Person wie eines Bischofes mit dem Skapulier bekleidet. Dieselbe stand, mit Gassenkote besprengt, in einem Hause. Das Dach dieses Hauses lag wie gepreßt auf dem Gehirne besagter Person. Schwarze Mohren mit Haken und anderen Werkzeugen zum Schädigen umgaben das Haus, mochten aber jene 298 Person nicht berühren, obwohl sie dieselbe mit dem höchsten Schrecken in Furcht setzten. Da vernahm ich eine Stimme, welche zu mir sprach: "Dies ist die Seele des Papstes, den Du kennst. Dieses Haus ist seine geistliche Vergeltung. Denn er befaßte sich mit verschiedenen weltlichen Dingen, und deshalb ist seine Belohnung noch nicht entschieden, bis er im Fegfeuer gereinigt und durch geistliche Gebete und die Liebe Gottes rein gemacht wird. Daß aber das Dach gleichsam sein Gehirn drückt, ist das Zeichen eines Geheimnisses; denn das Dach bedeutet die Liebe Gottes, und je größer diese ist, desto breiter und höher ist dieselbe für geistliche Dinge und zur Inbrunst Gottes. Weil aber die Liebe dieser Seele in etlichen weltlichen Werken brannte und mehr dem eigenen Willen folgte, so ist ihr das Dach, welches für die Auserwählten Gottes leuchtend und hoch ist, eng, bis es durch das Blut des Sohnes Gottes und die Fürbitte des himmlischen Hofes erweitert wird. Daß aber die Seele mit einem Skapulier bekleidet erscheint, ist ein Zeichen, daß sie sich beflissen, den Regeln des Mönchsordens und ihrem Berufe gemäß zu leben; allein sie hat sich nicht so weit bemüht, daß sie ein Vorbild der Fortschreitenden und ein Muster der Vollkommenen sein könnte. - Nun aber wird Dir verstattet, von drei Werken zu wissen, welche dieser in seinem Leben vollbrachte, und um deren willen er jetzt Strafe leidet. Das erste ist, daß er gegen Gott und sein Gewissen einigen Ungehorsam begangen, wobei er Reue und Gewissensbisse empfand; das zweite ist, daß er in einigen Fällen um menschlicher Liebe willen Dispens erteilte, und darin seinem Willen folgte; das dritte ist, daß er manches nachgesehen hat, um die nicht zu beleidigen, welche er liebte, während er wohl hätte bessern können. Gleichwohl sollst Du wissen, wie diese Seele nicht zu denen gehört, welche in die Hölle fahren, auch nicht zu denen, welche in schwerere Prüfungen des Fegefeuers kommen, sondern zu denen, welche täglich und eilends der Gnade und dem Angesichte der Majestät des allmächtigen Gottes nahen." 299 Kapitel LXXXVII.
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Kapitel LXXXIX.
Kapitel XC.
Kapitel XCI.
Kapitel XCII.
Kapitel XCIII.
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Kapitel XCIV.
Kapitel XCV.
Kapitel XCVI.
Kapitel XCVII.
Kapitel XCVIII.
Kapitel XCIX.
Kapitel C.
Kapitel CI.
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Zusatz.
Kapitel CIII.
Kapitel CIV.
Kapitel CV.
Kapitel CVI.
Kapitel CVII.
Erklärung.
Zusatz.
Kapitel CVIII.
Kapitel CIX.
Kapitel CX.
Kapitel CXI.
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Kapitel CXIII.
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Zusatz.
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Kapitel CXVI.
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Kapitel CXVIII.
Kapitel CXIX.
Kapitel CXX.
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Erklärung.
Kapitel CXXII.
Zusatz.
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Kapitel CXXIV.
Kapitel CXXV.
Erklärung.
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Zusatz.
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Kapitel CXXIX.
Erklärung.
Zusatz.
Kapitel CXXX.
Kapitel CXXXI.
Kapitel CXXXII.
Kapitel CXXXIII.
Kapitel CXXXIV.
Kapitel CXXXV.
Kapitel CXXXVI.
Kapitel CXXXVII.
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Kapitel CXXXIX.
Kapitel CXL.
Kapitel CXLI.
Kapitel CXLII.
Kapitel CXLIII.
Kapitel CXLIV.
[Anmerkungen]