Der Isenheimer Altar
und seine Botschaft
Leben und Offenbarungen der heiligen Brigitta
Nach der Übersetzung von Ludwig Clarus (1888) digitalisiert und bearbeitet von Gertrud Willy
- Sendschreiben Alfonsos.
- Kapitel I. - Es werden diejenigen getadelt, welche ohne weiteres, unversehens, ohne vorgängige Prüfung die Personen, welche Visionen und göttliche Offenbarungen zu haben behaupten, verwerfen oder zulassen.
- Kapitel II. - Hier wird eine Weise angegeben, die Prüfung in Bezug auf die Person, welche die Gesichte hat, anzustellen. Über die Weise, dieselben zu sehen, und die Beschaffenheit der Materie der Gesichte und Offenbarungen.
- Kapitel III. - Es wird von der Beschaffenheit der Person und den Tugenden der seligen Brigitta, welcher das nachfolgende Buch geoffenbart worden ist, gehandelt.
- Kapitel IV. - Auf welche Weise die selige Brigitta ihre Gesichte und Offenbarungen hatte.
- Kapitel V. - Prüfung nach der heiligen Schrift, unter welcher Gestalt von Gesichten die Gesichte dieses Buches und andere der seligen Brigitta geoffenbarte enthalten sind.
- Kapitel VI. - Beweis aus der heiligen Schrift, daß die Gesichte und Offenbarungen dieses Buches und anderer Bücher der seligen Brigitta aus dem heiligen Geiste geflossen und hervorgegangen sind, und nicht aus einem Truge des Teufels. Derselbe wird mit den sieben hier angegebenen Gründen geführt.
- Kapitel VII. - Wiederholung alles Vorhergesagten.
- Kapitel VIII. - Vorrede zum Buche des himmlischen Kaisers an die Könige, worin die Art und Weise seiner Entstehung angegeben und Könige und Fürsten ermahnt werden, dieses Buch andachtsvoll und demütig aus der Hand Gottes aufzunehmen und mit Herz und That diese Lehre emsig zu befolgen.
- Das Buch des himmlischen Kaisers an die Könige, der heiligen Brigitta von Gott geoffenbart.
- Kapitel I. - Der höchste Kaiser Christus redet durch die Braut mit den Königen und zeigt, wie er der wahre Schöpfer und König aller Dinge ist, und in der Dreieinigkeit und Einigkeit regiert. Er sagt, wie er angeordnet, daß die Welt beherrscht werde durch eine zweifache Gewalt, die geistliche und die weltliche, die vorzugsweise in den Aposteln Petrus und Paulus angedeutet worden.
- Kapitel II. - Der höchste Kaiser Christus giebt hier zuerst Anordnungen für die Könige, was für Ratgeber sie haben sollen, und erteilt ihnen zehn höchst nützliche, die Sitten betreffende Ratschläge.
- Kapitel III. - Der höchste Kaiser Christus verordnet hier, daß die Könige vor allen eine ehrbare und edlere Kleidung zum Zeichen der Würde und des Vorzuges tragen sollen. Er sagt auch, an welchen Tagen und Festen sie die königliche Krone tragen sollen.
- Kapitel IV. - Der höchste Kaiser Christus giebt für die Könige zehn heilsame Ratschläge, nach denen sie sich und ihre Reiche beherrschen sollen.
- Kapitel V. - Der Kaiser Christus rät den Königen, sie sollen zuweilen die Beispiele der Heiligen lesen, wodurch die Herzen zu Gott angeregt werden. Er giebt einem Könige zwei sehr gute geistliche Ratgeber, auf daß er denselben gehorche, und damit andere Könige zu ähnlichem angeregt werden.
- Kapitel VI. - Der Kaiser Christus lehrt die Könige, ihre ihnen untergebenen Völker lieben und die rechten Weisen zum Regieren beobachten, indem er ihnen gebietet, ungerechte und schlechte Gewohnheiten abzuschaffen.
- Kapitel VII. - Gleichlautend mit Kapitel XLVIII des vierten Buches.
- Kapitel VIII. - Gleichlautend mit dem fünften Buche nach der neunten Frage ganz
- Kapitel IX. - Der Kaiser Christus redet mit der Braut von einer jüngst vermählten Königin, und verkündigt dem Könige, wie dem Königreiche aus dieser Ehe kein Heil, sondern Trübsal erwachsen werde, weil sie von einem Stamme entsprossen ist, der von der Kirche verdammt worden, sich auch vor dem gesetzlichen Alter vermählt hat.
- Kapitel X. - Die Mutter Gottes ermahnt eine Königin von weltlichen Sitten, sie solle sich zu Gott bekehren, indem sie Gott aus sich Blätter, Blumen und Frucht der Tugenden dadurch brächte, daß sie Gutes spräche und hörte und Gott und den Nächste liebte.
- Kapitel XI. - Christus verwirft das Gelübde der ehelichen Keuschheit, das ein König und eine Königin, welche miteinander vermählt waren, ohne Rat und reifliche Überlegung gethan, damit kein größeres Übel und Nachteil daraus entstehen möge.
- Kapitel XII. - Christus lehrt hier die Könige, wie sie ihre Weiber mit Klugheit tadeln sollen, und ermahnt eine fromme Königin schön, daß sie demütig und mitleidig gegen die Armen, voll Liebe, klug und bescheiden sein soll.
- Kapitel XIII. - Gleichlautend mit Kapitel IV des vierten Buches.
- Kapitel XIV. - Christus sagte zur Braut in betreff der ebenerwähnten Königin, daß dieselbe den ihr gegebenen Rat Gottes für beschwerlich halte; deshalb kündigt er ihr an, daß, wofern sie nicht bald gehorche, ihr Leben kurz sein, sie im Gerichte eine schwere Rechenschaft abzulegen und ein schweres Ende haben wird.
- Kapitel XV. - Gleichlautend mit Kapitel XVII des vierten Buches.
- Kapitel XVI. - Christus verbietet einem Könige, daß er einen schlauen Schmeichler nicht zu seinem Ratgeber annehmen solle, weil derselbe begierlich und voll Truges ist; er bedroht den König, sofern er das Gegenteil thun würde.
- Kapitel XVII. - Christus verbietet einem Könige, die Freundschaft eines großen auswärtigen Herrn anzunehmen und denselben in sein Königreich einzuführen. Er vergleicht denselben mit einem Fuchse, weil jener ränkevoll und hoffärtig und ein Räuber der Einfältigen ist.
- Kapitel XVIII. - Christus giebt einem Könige zwei sehr gute Ratgeber, welche die göttliche Liebe und den Eifer der Gerechtigkeit haben, wodurch er den Königen zeigen will, daß sie solche Räte annehmen sollen, nicht aber nachlässige und solche, welche die Welt lieben. Er erklärt auch, weshalb Gott seine Freunde den Trübsalen; dahingiebt.
- Kapitel XIX. - Die Himmelskönigin erklärt weshalb sie bisweilen, wenn sie redet, wir, Christus aber, wenn er redet, ich sagt. Sie bedroht einen König schwer wofern er sich nicht von einem ungerechten Rate trennen würde. Sie ermahnt den König auch, wachsam und sorgfältig zu sein in der Liebe Gottes.
- Kapitel XX. - Die Mutter Gottes sagt den Königen, sie sollen sich keinen Rat von blinden, tauben und stummen, oder an der Seele kranken Personen erteilen lassen, sondern von solchen, die an Geist und Tugenden gesund sind.
- Kapitel XXI. - Ein Edelmann verspottete Gott vor einem Könige, und Christus bedroht denselben König, wofern er jenen nicht strafe; denn einem Richter, welcher den Sünder um Gottes willen straft, wird eine doppelte Krone gereicht, dem aber, welcher ihm nachsieht, die Strafe verdoppelt.
- Kapitel XXII. - Gleichlautend mit Kapitel XVIII des siebenten Buches.
- Kapitel XXIII. - Gleichlautend mit Kapitel XIX des siebenten Buches.
- Kapitel XXIV. - Gleichlautend mit Kapitel XXXI des dritten Buches.
- Kapitel XXV. - Gleichlautend mit Kapitel I des vierten Buches.
- Kapitel XXVI. - Gleichlautend mit Kapitel CIII des vierten Buches.
- Kapitel XXVII. - Gleichlautend mit Kapitel CIV des vierten Buches.
- Kapitel XXVIII. - Gleichlautend mit Kapitel CV des vierten Buches.
- Kapitel XXIX. - Gleichlautend mit Kapitel XCV des sechsten Buches.
- Kapitel XXX. - Gleichlautend mit Kapitel XXVI des sechsten Buches.
- Kapitel XXXI. - Die Braut sah in einem Gesichte Sonne und Mond in den Abgrund fallen. Dieselben verloren ihren gewöhnlichen Schein. Sie bedeuten einen König und eine Königin, welche ihre guten Sitten in böse verkehrt hatten, weshalb auch der König sein Reich verloren hat und im Gefängnisse gestorben ist.
- Kapitel XXXII. - Christus lehrt hier die Könige eine neue und gottesfürchtige Art und Weise, Soldaten zu einem neuen Kriege herbeizuschaffen zur Bekämpfung der Ungläubigen und zur Verteidigung des heiligen Glaubens und der Kirche.
- Kapitel XXXIII. - Gleichlautend mit Kapitel IX des zweiten Buches.
- Kapitel XXXIV. - Gleichlautend mit Kapitel LXXIV des vierten Buches.
- Kapitel XXXV. - Gleichlautend mit Kapitel XIII des zweiten Buches.
- Kapitel XXXVI. - Gleichlautend mit Kapitel XII des zweiten Buches.
- Kapitel XXXVII. - Gleichlautend mit Kapitel XI des zweiten Buches.
- Kapitel XXXVIII. - Gleichlautend mit Kapitel LXXXII des sechsten Buches.
- Kapitel XXXIX. - Christus sagt hier den Königen, daß diejenigen, welche einen Feldzug unternehmen und wider die Heiden streiten wollen, dies in der rechten Absicht thun sollen, nämlich um der Liebe Gottes willen und zum Heile der Seelen, indem sie sich zuvor bessern und ihr Reich reformieren.
- Kapitel XL. - Christus sagt, daß die Könige, wenn sie wider die ungläubigen ziehen wollen, dieselben zuerst mit Freundlichkeit und friedlich ermahnen sollen, sich zu bekehren. Lehnen die Ungläubigen dieses ab, so müssen Eifer und Hand wider sie in Bewegung gesetzt werden.
- Kapitel XLI. - Gleichlautend mit Kapitel III des vierten Buches.
- Kapitel XLII. - Gleichlautend mit Kapitel VI des zweiten Buches.
- Kapitel XLIII. - Christus unterweiset die Könige, daß, wenn sie wider die Heiden ziehen, sie zwei Fahnen haben sollen, nämlich des Leidens und der Gerechtigkeit Gottes; auch sollen sie gebildete, tugendhafte, fromme Geistliche bei sich führen.
- Kapitel XLIV. - Gleichlautend mit Kapitel XLI des sechsten Buches.
- Kapitel XLV. - Die Mutter Gottes rät einem wider die Heiden ziehenden Könige, eine gewisse Anzahl Leute zu haben, sich auch nicht auf die von Gott erhaltenen Offenbarungen zu verlassen, sofern er selber nicht halten werde, was er Gott versprochen.
- Kapitel XLVI. - Die Jungfrau Maria gebietet durch die Braut einem Bischofe, welcher mit dem Könige in den Krieg wider die Ungläubigen zog, daß, wenn ein Teil vom Lande der Ungläubigen erobert worden, er sogleich eine Kathedralkirche errichten solle, wo die Christen geistlicherweise getröstet werden mögen.
- Kapitel XLVII. - Die Mutter Gottes erzählt, wie sie ein Gefäß ist, erfüllt und erfüllend mit Gnade, und tadelt einen undankbaren König von Schweden welcher in seinem Kriege den Ratschlägen Gottes und geistlicher Männer nicht folgen wollte und gegen den Willen Gottes zurücktrat vom Kriege wider die Ungläubigen, indem er zu seiner Schande und dem Nachteile des Reiches den Rat weltlich gesinnter Männer befolgte.
- Kapitel XLVIII. - Die Mutter Gottes erklärt der Braut, weshalb die Worte Gottes so dunkel geredet werden, daß sie auf verschiedene Weise ausgelegt werden können, und wann sie anders von Gott und anders von den Menschen verstanden werden. Wie sich die ganze Dreifaltigkeit der Braut auf wunderbare Weise unter der Gestalt eines Pultes und goldenen Buches und dreier Strahlen von drei verschiedenen Farben zeigte, wobei der Braut das Gesicht von der Eigentümlichkeit der Wesen der Dreifaltigkeit und dem Buche des Lebens ausgelegt wird. Und wie die Braut vor dem göttlichen Gerichtshofe des Richters das wunderbare Gericht der Seelen von drei Königen schaute, von denen einer noch lebte, der zweite zur Hölle, der dritte zum Fegfeuer verurteilt ward. Hier ist auch viel Bemerkenswertes über die löbliche Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes zu finden.
[Die Seiten 385-400 fehlen in vorliegender Ausgabe] - Kapitel XLIX. - Christus erklärt der Braut, weshalb Gott das Volk Israel in der Wüste, nicht aber in Ägypten geschlagen. Von der Bewährung Mosis. Er straft einen König mit einer Drohung, weil er mit den Unterthanen kein Mitleid trug und sich durch schlechte Ratgeber leiten ließ. Er soll sich auch nicht darauf verlassen, daß er ihn zuvor seinen Freund genannt hatte [fehlt in dieser Ausgabe]
- Kapitel L. - Gleichlautend mit Kapitel XLV des vierten Buches. [fehlt in dieser Ausgabe]
- Kapitel LI. - Der Kaiser Christus schreibt an den Kaiser von Deutschland, und eröffnet demselben, wie er mit eigenem Munde vieles von der Braut geredet, das im himmlischen Buche geschrieben worden. Ingleichen befiehlt er ihm, er solle es ansehen und prüfen, auch mit dem Papste sich bemühen, die Regel zu bestätigen, welche er selber der Braut angegeben hat. [fehlt in dieser Ausgabe]
- Kapitel LII. - Christus rät einem Könige, welcher gegen die Ratschläge der Jungfrau Maria ungehorsam gewesen war, daß er zum Papste gehen und von ihm Absolution für gewisse, hier angegebene schwere Sünden begehre, und die Sünden weder verheimliche, noch entschuldige, sondern sich mit ganzem Herzen demütige, weil die größten Sünden durch den Papst nachgelassen werden müssen. [fehlt in dieser Ausgabe]
- Kapitel LIII. - Christus rät durch die Braut dem obenerwähnten Könige, er solle nicht mit Pomp, noch mit zahlreichem Gesinde oder unter verschwenderischer Austeilung von Gaben, um in den Ländern gepriesen zu werden, sondern demütig, weislich, mit notdürftigem, ehrbahrem, frommem Gefolge zum Papste ziehen. [fehlt in dieser Ausgabe]
- Kapitel LIV. - Christus ermahnt die Könige durch die Braut, sie sollen sich der Sünde entledigen und nach dem Beispiele des Engels, welcher zur Reise aufgeschürzt dem Tobias erschienenen, sich mit dem Gürtel, d. h. mit dem Inbegriffe guter Werke und Worte, gürten, bevor sie aus der Welt gehen, und sollen keine kurz abgeschnittenen, sondern ehrbare Kleider tragen und ein bescheidenes Benehmen an den Tag legen. [fehlt in dieser Ausgabe]
- Kapitel LV. - Christus tröstet die Braut und sagt ihr, sie solle Gottes Worte, die ihr geoffenbart worden, nicht verschweigen, wenn schon sie darüber gescholten werde. Sie soll aber dieselben auch nicht um des Lobe der Menschen willen reden. Sie soll aber dieselben auch nicht um des Lobes der Menschen willen reden, denn diejenigen, welchen göttliche Ratschläge gegeben werden, werden, wenn sie denselben folgen, die verheißene Barmherzigkeit erlangen, aber der Gerechtigkeit verfallen, wenn sie dieselben verachten. [fehlt in dieser Ausgabe]
- Kapitel LVI. - Gott der Vater erklärt und zeigt der Braut der Reihenfolge nach den schrecklichen Verlauf des göttlichen Gerichtes, welches wider einen noch lebenden undankbaren König gehalten ward, der ungehorsam war wider die göttlichen Ratschläge. Und wie die Braut auf dem Altare der göttlichen Majestät im Himmel ein Lamm und an demselben ein menschliches Antlitz erblickte, und im nämlichen Augenblicke dasselbe in der hand eines Priesters sah, der in der Welt die messe feierte, und wie die Diener und Unterthanen der Könige, welche in der Welt, in der Hölle und im Fegfeuer geplagt werden, sich vor Gott schwer über diese Könige und ihre Fürsten beklagten, und alle Heiligen über sie um Gerechtigkeit abbaten. [fehlt in dieser Ausgabe]
- Kapitel LVII. - Die Mutter Gottes sagt der Braut, daß um dreier Sünden willen die Strafe Gottes über das Reich gekommen. Deshalb kann Gott durch dreierlei anderes Gute versöhnt werden. Erstens, daß die Leute die wahre Demut und Ehrbarkeit in der Kleidung annehmen; zweitens durch gewisse Almosen; drittens durch Prozessionen und die hier angegebenen Messen.
- Kapitel LVIII. - Gleichlautend mit Kapitel XXX des siebenten Buches.
- Kapitel LIX. - Von einem unwürdigen Könige und seinem Gerichte.
- Kapitel LX. - Von sechs ungerechten Königen.
- Kapitel LXI. - Ein König ward ermahnt, er solle sich bessern, sonst werde er seines Reiches beraubt.
Achtes Buch der himmlischen Offenbarungen der heiligen Brigitta oder das Buch des himmlischen Kaisers an die Könige, eingeleitet durch das Sendschreiben des Eremiten, vormaligen Bischofs von Jaen, Alfonso, an die Könige.
Sendschreiben Alfonsos.
Kapitel I.
Es werden diejenigen getadelt, welche ohne weiteres, unversehens, ohne vorgängige Prüfung die Personen, welche Visionen und göttliche Offenbarungen zu haben behaupten, verwerfen oder zulassen.
"Drchlauchtigste und, wollte Gott, wahre Könige in Christo, meine vortrefflichsten Herren! Eine bittende und demütige Empfehlung zuvor zu den Füßen Euerer königlichen Majestät! Weil es ein Brauch der Könige ist, die Eigenschaften jener Personen sorgfältig zu ergründen, und ergründend kennen zu lernen, welche ihnen ungewöhnliche Geheimnisse des göttlichen Willens schreiben, und 290 weil in den gegenwärtigen, durch dichte Finsterniß [sic!] verdunkelten Zeiten eine Frau von erlauchtem Geschlechte und Geiste, die Frau Brigitta, aus dem Königreiche Schweden, eine Zierde aller Frauen, aufgestanden ist, welche wie ein hellglänzender Stern in der Heiligkeit leuchtende Strahlen durch verschiedene Landstriche der weiten Welt ergoß, und welche Euch jetzt auf Befehl des höchsten himmlischen Kaisers das gegenwärtige unten folgende Buch, das ihr auf göttliche Weise offenbart worden, schreibt, und als einen zur königlichen Zier, zur Besserung Eueres Wandels und heiligen Regierung der Unterthanen des Reiches trefflichen Spiegel sendet, deshalb, meine zu fürchtenden Herren, und damit nicht das vorschnelle, unversehene, unbescheidene Urteil einiger Unverständigen Euch zum Unglauben und zur Härtigkeit Pharaos bewege, und wie ein Wirbelwind aus Eueren Herzen den Samen des Glaubens und der Gläubigkeit herausreiße oder hindere, dieses ehrenreiche, im Herzen der vorgedachten Frau vom Finger des lebendigen Gottes geschriebene Buch demütig anzunehmen und zu glauben, habe ich den Vorsatz gemacht, Euch, auf daß Ihr nicht auf solche Weise getäuscht werden möchtet, kurz und vollständig den Zustand und die Beschaffenheit der Seele der gedachten höchstseligen Frau, sowie die Weise darzulegen, wie sie ihre Gesichte von Gott empfing. Ich beabsichtige auch, indem ich Euch und andere zur Vorsicht anleite, kürzlich die Art zu beschreiben und beschreibend zu lehren, wie man die göttlichen Visionen von den gar bösen Täuschungen des Satanas zu unterscheiden vermag. Ich sage daher nun kurz, meine Herren, wie es viele und verschiedene Arten von Visionen giebt. Dieser Gegenstand ist wegen der Unwissenheit und Mangel an Kenntnis der heiligen Schrift und wegen Unbekanntschaft der Gefühlsregungen beim innerlichen Gebete, bei der Betrachtung und im geistlichen Leben unter den Menschen fremd und fast unbekannt. Deshalb habe ich oft gewünscht, eine kurze Abhandlung niederzuschreiben, gleichsam als eine Wurfschaufel zur Sichtung der Visionen, um der großen Gefahren willen, welche leider vielen Personen zu meiner Zeit aus Unbekanntschaft mit diesem geheimen und so ungwohnten Gegenstande zugestoßen sind. Weil nun die selige Frau, welcher das gegenwärtige Buch auf göttliche Weise in einem Gesichte geoffenbart worden, im Anfange sagt, daß sie im Gesichte einen großen Palast von unbegreiflicher 291 Größe, dem heiteren Himmel ähnlich, gesehen u. s. w., so habe ich mich entschlossen, die erwähnte Abhandlung oder Untersuchung hier in Art eines Sendschreibens zu fassen, damit die guten und von Gott gewirkten Gesichte von den teuflischen und boshaften unterschieden werden mögen, wie die Spreu aus dem Korn geworfen und sorgfältig davon gesichtet wird, auf daß so das Korn rein und lauter in die Scheuer geistlicher und katholischer Leute geborgen und daselbst in Ehren gehalten werde, die teuflische Spreu der Täuschungen aber vom Wehen des Windes der göttlichen Schrift weithin auf den Düngerhaufen geführt und unter die Füße getreten werden möge.
So fange ich denn in Christi Namen an, und unterwerfe allezeit jegliches, das ich gesagt haben werde, der Berichtigung der heiligen Mutter Kirche und einem gesünderen Urteile. Ich behaupte, daß, wer die Arten der Gesichte oder Offenbarungen gerecht und verständig prüfen, durchgründen, unterscheiden und richtig beurteilen will, die obengedachten zwei Stücke haben muß: nämlich die theoretische Wissenschaft der heiligen Schrift in der Materie von den Visionen, welche die heiligen Väter und Lehren feinsinnig und einleuchtend beschrieben haben, und die Praxis der Erfahrung im geistlichen Leben, in den Gefühlströstungen und den innerlichen, geistlicherweise oder intellektuell von Gott ihnen eingegebenen Gesichten. Leider werden heutzutage bei wenigen Personen die obengedachte Theorie und Praxis in Unterscheidung und gerechter Beurteilung der Visionen und Geister gefunden. Deshalb irren viele wie blind auf Abwegen in dieser Sache umher, und ziehen es vor, ohne weiteres die einfältigen und heiligen, mit Gott verbundenen Personen zu verurteilen, als ernstlich zu untersuchen und hiernach entweder anzuerkennen oder zu verwerfen, was anzunehmen oder zu verwerfen sein möchte. In ihren unvorsichtigen Urteilen und vorschnellen Äußerungen oder vielmehr Verleumdungen bringen sie nichts Vernünftiges vor, außer etwa, daß der Engel des Satanas sich zuweilen in einen Engel des Lichtes verwandelt. Sie führen auch die Beispiele einiger geistlichen Personen an, welche in vergangener Zeit in ihren Gesichten vom Teufel getäuscht worden, ohne jener eingedenk zu sein, welche durch göttliche Gesichte und Eingebungen von Gott erleuchtet waren, und mittels derselben die Kirchen Gottes und andere erleuchteten und führten. Sie verdammen vornehmlich ein- 292 fältige geistliche Personen, Ungelehrte und das weibliche Geschlecht als unwissend und geringen Verstandes und Ansehens, und deshalb als unwürdig, göttliche Gesichte oder Prophezeiungen zu empfangen, wobei sie außer acht lassen, wie Gott der Allmächtige sowohl im Alten als im Neuen Testamente, um seine Allmacht zu zeigen, häufig das Schwache in der Welt sich sowohl im weiblichen, als männlichen Geschlechte auserwählt hat, um die Weisen zu Schanden zu machen. Hat er nicht aus einem Hirten einen Propheten gemacht, und unwissende Jünglinge mit dem Geiste der Weissagung erfüllt? Und hat er nicht, keine Doktoren, sondern Fischer und ungebildete Leute zu Aposteln erwählt, welche mit dem heiligen Geiste erfüllt worden sind? Waren nicht etwa auch Maria, Aarons Schwester, Judith und Esther mit dem Geiste der Weissagung erfüllt? Ist nicht durch das Weib Holda, die Prophetin, der König Josias, wie er sich zu verhalten, angewiesen worden? (IV. Kön. XXII.) Erinnerst du dich nicht, daß die Prophetin Deborah das Volk Israel regiert hat? (Richter IV.) Haben nicht auch Samuels Mutter, Anna, Hagar und das Weib des Manue, Samsons Mutter (ebend. XIII.), und andere Weiber des Alten Testamentes den Geist der Weissagung gehabt? Auch im Neuen Testamente haben Anna, Phanuel's Tochter, Elisabeth, Zacharias' Weib, und die Jungfrau Lucia geweissagt, wie es ihre Bücher enthalten; ebenso die Sibylla Tiburtina und die Sibylla Erythräa; viele andere außerdem, von deren Prophetien du in den Büchern der heiligen Schrift und der Heiligen einen großen Vorrat finden wirst. Darum ist es gefährlich, ohne weiteres geistliche Gesichte und Personen, welche göttliche Gesichte zu haben behaupten, zu verdammen oder anzunehmen, bevor man eine scharfe Prüfung der Beschaffenheit dieser Personen, sowie über die Art, zu schauen, und über die Beschaffenheit des Inhalts der Gesichte angestellt hat. Auch muß alles klar durch die göttliche Schrift und durch die Schriften der heiligen Lehrer erhärtet werden, ob sie von einem Geiste des Truges oder der Wahrheit eingegeben oder vermittelt worden; denn wir haben gesehen, wie Pharao dem Moses, der ein einfältiger Mann war, aber Gott geschaut hat, und seinem oder vielmehr Gottes Gesichten und Worten nicht glaubte und in der Härte des Unglaubens hartnäckig verharrte, weshalb er samt dem Volke Ägyptens elendiglich ins rote Meer gestürzt wurde. 293 Auch viele andere habe ich zu meinen Zeiten gesehen, welche solche geistliche, einfältige, unwissende Personen, sowie deren geistliche Gesichte für leer und erdichtet, oder phantastisch gehalten haben, und ungehorsam gegen Gott geworden sind, weshalb sie an sich und ihren Untergebenen die härtesten Urteile Gottes, welche ihnen durch jene Personen und Gesichte vorherverkündet waren, kläglich erfahren haben. Ein Beispiel siehe an der Zerstörung des Königreichs Cypern, weil der Fürst, welchem, wie im XIX. Kapitel des siebenten göttlichen Buches zu lesen, das gegenwärtige Buch geoffenbart wurde, den Gesichten der heiligen Brigitta nicht geglaubt hat. Dagegen habe ich aber auch andere gesehen und gehört, welche den Täuschungen geglaubt haben, und deshalb gefährlich gefallen sind. Ein Beispiel hiervon ist im LXVIII. Kapitel des sechsten himmlischen Buches zu ersehen, und im libr. collat. patrum Joh. Cassians im II. Kapitel. Deshalb ist es geratener, solche Gesichte und Personen mit reiflichem Bedachte zu prüfen, und wenn sie dann gut, mit Überlegung und reiflich erörtert und verständig beurteilt sind, dieselben entweder anzunehmen oder zu verwerfen. Der Apostel sagt: Prüfet die Geister, ob sie von Gott sind. (I. Joh. IV.) Wenn dann in der Prüfung gefunden wird, daß dieselben von Gott sind, sollen wir in Demut glauben und durchaus gehorchen. Sind sie aber vom Teufel, so sollen wir sie als die schlimmsten Täuschungen verachten und denselben durchaus keinen Glauben zuwenden.
Kapitel II.
Hier wird eine Weise angegeben, die Prüfung in Bezug auf die Person, welche die Gesichte hat, anzustellen. Über die Weise, dieselben zu sehen, und die Beschaffenheit der Materie der Gesichte und Offenbarungen.
Die heiligen Väter und Doktoren der Kirche sagen, man solle eine Person, welche Gesichte hat, auf folgende Art prüfen: Man soll fragen, ob sie eine geistliche, oder ob sie eine weltliche, am Zeitlichen hängende Person ist; ob sie unter der Leitung und besonderem, beständigem und geistlichem Gehorsame eines älteren, klugen, tugendhaften, reifen, katholischen, erfahrenen, geistlichen Vaters, oder ob sie nach eigenem Gefallen oder Willen lebe; ferner, ob sie die 294 Versuchungen und Gesichte, welche sie hat, der Prüfung und dem Urteile ihres geistlichen Vaters, oder anderer kluger, älterer, geistlicher Väter in Demut unterwerfe und sich vor Täuschungen fürchte, oder ob sie dieselben verheimliche und niemandes Prüfung und Urteil unterwerfe, oder ob sie sich derselben überhebe und rühme und sich selbst hoch und andere gering achte. Ferner muß untersucht werden, ob an der Person, welche die Gesichte schaut, echte Tugendäußerungen des Gehorsams, der Demut und Liebe und eifrigen Gebetes beobachtet werden, oder ob an ihr Ruhm- und Prahlsucht, Selbstüberhebung, Hoffart und Begierde nach Menschenlob, Streben nach Ehre und Würde und Nachlässigkeit im Gebete zu bemerken ist. Ferner, ob diese Person bei geistlichen Männern für wahrhaft katholisch, rechtgläubig, den geistlichen Vorgesetzten und Leitern der Kirche gehorsam, oder als verdächtig in ihrem Glauben, ihrem Gehorsame gegen die geistlichen Vorgesetzten und kirchlichen Obern gilt; desgleichen, ob sie im geistlichen Leben mannhaft und in der Buße, sowie während ihrer Gesichte in der Demut seit längerer Zeit beharrlich oder ob sie in diesen Dingen ein Neuling und Anfänger ist. Ferner, ob die Person, welche die Gesichte hat, einen guten, natürlichen und geistlichen Verstand, ein kluges Urteil der Vernunft und des Geistes hat, oder ob sie oberflächlich, vorschnell und phantastisch ist. Der heilige Gregor sagt in seinem Gespräche, daß heilige Männer zwischen Täuschungen und wirklichen Offenbarungen mit einem innerlichen Geschmacke zu unterscheiden und die in den Gesichten vernommenen Worte und gehabten Bilder zu beurteilen wissen, so daß sie erkennen, was sie von einem guten Geiste empfangen, oder von einem Truggeiste zu leiden haben. Endlich ist zu erfahren, ob eine Person sonst noch durch wissenschaftlich gebildete und geistlich gesinnte Männer über den Gegenstand und die Art der Visionen befragt und bewährt gefunden ist oder nicht. Dieses nun scheint in Bezug auf die Prüfung der Person zu genügen.
Was nun aber die Art, geistlicherweise zu sehen und zu hören, oder das Empfangen von Offenbarungen und Gesichten anbetrifft, so sagen die heiligen Väter und die heiligen Lehrer der Kirche, daß scharf nachgeforscht werden solle, ob die Person, welche die Gesichte schaut und die Worte derselben vernimmt, dieselben im Wachen, oder im Schlafe, oder im Traume wahrnimmt; ob sie dieselben in einer 295 leiblichen, imaginären oder geistigen Vision, oder vielleicht in einer übernatürlichen, intellektuellen Vision schaut, und ob während jenes Geistesfluges, der Ekstase genannt wird, sie beim Sehen solcher Dinge einige innerliche, übernatürliche Süßigkeit der göttlichen Liebe empfindet oder nicht; auch ob sie alsdann jemand sieht oder hört, der mit ihr über Geheimnisse redet, oder göttliche und geistliche Lehren zeigt oder nicht; auch in welcher Gestalt sie solche Personen sieht; ferner, ob sie einige Erleuchtung und Erhellung des übernatürlichen Lichtes in der Erkenntnis und Offenbarung der göttlichen Wahrheit des geschauten Gegenstandes empfindet oder nicht.
In Bezug auf die Beschaffenheit und Materie der Gesichte selbst muß geprüft werden, ob jene Visionen mit der heiligen Schrift im Einklange sind, oder ob sie davon abweichen; ferner, ob die Vision eine tugendsame Anleitung für die menschlichen Handlungen und das Heil der Seelen gewähre, oder ob sie zum Irrtum im katholischen Glauben verleite oder etwas Neues und Seltsames, oder was gegen die Vernunft verstößt, enthalte oder dem guten, tugendhaften und demütigen Wandel abwendig mache; oder ob die Gesichte immer wahr sind, oder zuweilen lügnerisch und falsch, so zwar, daß, was sie voraussagen, bisweilen wahr ist und bisweilen nicht; ob sie uns künftige Ehren, oder Reichtum, oder menschliches Lob, oder in allweg nur Demütigungen vorherverkündigen; ob sie uns verleiten, daß wir uns erheben oder vermessen werden, und uns auf einige unserer Tugenden verlassen, oder uns demütigen; ferner, ob sie uns zum Gehorsame auch gegen fromme, einfältige, tugendhafte, geistliche Personen und unsere Vorgesetzten oder zum Gegenteile anmahnen. Kurz, ich sage schließlich, daß, um eine vollkommene Prüfung in dieser Materie vorzunehmen, acht zu geben ist sowohl auf die Person dessen, welcher die Visionen hat, als auf die Beschaffenheit und Weise des Schauens und auf die Beschaffenheit der Materie der Gesichte, und die Art, die Geister zu unterscheiden, welche uns dieselben zeigen, eingeben oder darbieten, nämlich ob sie gute oder böse Geister sind. Hierüber ist weitläufigst in den Büchern dieser seligen Brigitta von Schweden gehandelt, namentlich im IV. und LIV. Kapitel des ersten Buches, X. Kapitel des dritten Buches, XXIII. und CX. Kapitel des vierten Buches, und im LII. und LXVI. Kapitel des sechsten Buches, worin die gedachte Frau durch 296 Christum und die Jungfrau Maria vollständig über die Materie der Unterscheidung der Geister und Visionen, sowie die inneren Empfindungen belehrt worden. Denn wenn eine solche scharfe Prüfung nicht vorausgegangen, kann man in sehr gefährliche Irrtümer verfallen, wenn man die Visionen und Offenbarungen ohne Erörterung und wie aus dem Stegreife [sic!] annimmt oder verwirft, man wird Falsches für Wahrheit erhalten, und das Wahre in höchst gefährlicher Weise für falsch achten. So werden die guten und wahren Gesichte und Einsprachen lange verworfen und nicht geglaubt werden; auch wird man denselben nicht gehorchen, selbst wenn sie wahrhaft ausgingen vom Willen Gottes. Falschen Vorspiegelungen dagegen wird, sowohl zum Schaden des Sehenden als auch dessen, der ohne weiteres und ohne Erörterung zustimmt, Glauben gewährt und gehorcht werden. Das ist häufig, sowohl im Alten als im Neuen Testamente, der Fall gewesen, und noch heute wird ein solcher Irrtum häufig, aus Mangel einer klugen und reiflichen Prüfung, begangen.
Kapitel III.
Es wird von der Beschaffenheit der Person und den Tugenden der seligen Brigitta, welcher das nachfolgende Buch geoffenbart worden ist, gehandelt.
Nach diesen theoretischen Betrachtungen wollen wir nun handeln von der Beschaffenheit der Person, welcher das gegenwärtige Buch offenbart ward. Zu wissen sei demnach, wie die durchlauchtige Frau, heiligen Andenkens, die selige Brigitta, welche die Gesichte des gegenwärtigen Buches und auch jenes (früheren) großen, himmlischen Buches und viel anderes im Geiste erblickte und hörte, auch dieselben nach dem Befehle Gottes niederschrieb, wie im CI. Kapitel des sechsten himmlischen Buches enthalten ist, aus der Familie der gotischen Könige abstammte, und im Königreiche Schweden, das nach Mitternacht gelegen ist, geboren war. Ihre Eltern lebten nach adeliger Art und tugendsam. Als sie noch in der Ehe lebte, veranlaßte sie ihren Mann zu vollkommener Enthaltsamkeit, so daß sie beide viele Jahre ohne die Bande des Fleisches lebten. So wallfahrteten sie auch beide unter großen Beschwerden und mit vielen Kosten und höchster Andacht zum heiligen Jakob nach Galizien. 297 Nachmals kehrten sie in ihre Heimat, nach dem Königreiche Schweden, zurück. Hier trat der Gemahl seine Himmelfahrt zum Herrn an. Sie aber, in vollkommener Liebe der Keuschheit entzündet, übergab sich Christo völlig und gänzlicherweise, welcher sie alsbald mit Worten liebreich als seine Braut umfing und annahm, wie im ersten himmlischen Buche enthalten ist. Nun begann sie deutlicher göttliche Gesichte zu haben, welche sie sogleich demütig der Prüfung eines ihrer geistlichen Väter, eines heiligen Mannes, unterwarf, welcher der Theologie Magister war, nämlich des Magisters Mathias aus Schweden, Domherrn an der Kirche zu Linköping, welcher die ganze Bibel glossierte, wie aus dem LXXXIX. Kapitel des sechsten himmlischen Buches erhellt. Die Frau Brigitta unterbreitete diese ihre Visionen demütig auch der Prüfung und dem Urtheile [sic!] anderer Prälaten und religiöser, geistlicher Männer, wie aus dem LXXVIII. Kapitel des vierten himmlischen Buches zu entnehmen ist, und noch deutlicher aus der Vorrede der ihr von Gott offenbarten Regel des Erlösers. Nachdem nun aber die vorgedachten, in der Wissenschaft erfahrenen, im Leben geistlich gesinnten Männer die Gesichte, Eingebungen und Offenbarungen, welche der gedachten Frau offenbart worden, gebilligt und sich dahin erklärt hatten, daß sie aus dem heiligen Geiste der Wahrheit hervorgingen, nicht aber vom trügerischen Geiste der Lüge, begehrte sie selber, dem armen Christo in der Armut zu folgen und gewissermaßen in seine Fußstapfen zu treten, und behielt von allen ihren Gütern für sich nichts übrig, als den einfachsten Unterhalt und ein demütiges Kleid. Und nachdem sie so ihre übrigen Güter unter ihre Kinder und die Armen Christi reichlich verteilt hatte, machte sie sich aus den Banden der Welt los und ging auf das Geheiß Christi, nach Abrahams Vorbilde, aus ihrem Vaterlande und aus ihrer Verwandtschaft hinweg, wie zu ersehen ist aus der Erzählung ihres Lebens, und so kam sie wallfahrtend nach Rom, um dort ein bußfertiges Leben zu führen und demütig die Schwellen der Apostel und die Reliquien anderer Heiligen zu besuchen, bis Christus ihr ein anderes gebot. Sie hatte stets zwei ältere, reife, tugendhafte, jungfräuliche, erfahrene geistliche Väter bei sich, welche ihr bis zum Tode folgten. Denn es war angemessen, daß dieser keuscheste Bräutigam, welcher seine jungfräuliche Mutter seinem jungfräulichen Jünger empfahl, auch seine neue 298 Braut jungfräulichen und tugendhaften Vätern zur Leitung überwies, deren einer ein Mönch und gar gottesfürchtiger Cistercienserprior war, jungfräulich dem Fleische nach und gar gelehrt. Und weil die Frau, wie vorgemeldet, die Offenbarungen nach Christi Vorschrift in ihrer gotischen Sprache niederschrieb, so übersetzte, nach derselben Vorschrift Christi, dieser Prior aus jener ihrer Muttersprache alle Bücher (und auch dieses gegenwärtige), welche der Frau von Gott geoffenbart waren. Von diesem Ordensgeistlichen ist gegen Ende der Vorrede des himmlischen Buches die Rede. Der andere geistliche Vater unserer Frau war ein schwedischer Priester, gleichfalls verehrungswürdig durch ein jungfräuliches, heiliges Leben, welcher das ganze Hauswesen der Frau Brigitta leitete, und sie samt ihrer Tochter nach Christi Vorschrift in der Grammatik und im Gesange unterrichtete, und mit väterlichen Zurechtweisungen und tugendsamen Regeln der Vollkommenheit auf dem Wege der Tugend ihr Führer war. Diesen Vätern gehorchte sie in ihrem ganzen Leben, in allen Tugenden, so in Demut gehorsam, wie ein wahrer Mönch demütig seinem Vorgesetzten zu gehorchen pflegt. Deshalb ist sie denn zu solcher Demut, zu solchem Gehorsame und zur vollkommenen Abtötung ihres eigenen Willens gelangt, daß, wenn sie zur Gewinnung des Ablasses nach heiligen Stätten ging, sie stets den erwähnten Priester, ihren geistlichen Vater, zur Gesellschaft mitnahm, aber den Blick ihrer Augen nicht von der Erde aufzuheben wagte, wenn sie nicht zuvor hierzu die besondere Erlaubnis ihres geistlichen Vaters erbeten und erhalten hatte. Täglich beichtete sie zwei- oder dreimal und an jedem Sonntage empfingen sie und ihre verehrungswürdige Tochter, welche löblich bei ihr lebte und bis zu ihrem Tode in der Buße und in einem gar keuschen Witwenstande verharrte, den Leib Christi höchster Andacht und Demut. Sie lebten stets in geheimen, strengen, leiblichen Bußübungen, welche sie nicht zum eitlen Ruhme den Augen der Menschen, sondern Gott allein in Einfalt des Herzens demütig darbrachten; auch waren sie in Reinheit des Geistes ihren genannten beiden geistlichen Vätern in demütiger Unterwürfigkeit und beständigem geistlichen Gehorsame ergeben. Diesen Vätern teilte die selige Brigitta auf der Stelle die Visionen, welche sie hatte, mit, und unterwarf alle demütig deren Urteile und Entscheidung. Nicht allein war sie äußerlich vor den 299 Menschen demütig, sondern hielt sich auch innerlich vor Gott für so unwürdig, daß sie bei häufigen Unterredungen mit Christo im Gebete sich gleichsam darüber entsetzte und denselben gewissermaßen tadelte, daß er sie, eine so unwürdige, sich ausersehen habe, um göttliche Gesichte zu schauen und zu hören, und seine heiligsten Worte niederzuschreiben, wie deutlich aus dem XV. Kapitel des himmlischen zweiten Buches ersehen werden kann, sowie aus dem Anfange des LII. Kapitels im sechsten Buche ("da antwortete ich" u. s. w.), auch im XVIII. Kapitel des zweiten Buches und an vielen ähnlichen Stellen. Welche Geduld und welchen Gleichmut aber die genannte Frau besaß, will nicht ich beantworten, sondern mag dir vielmehr die ehrenreiche Jungfrau, die heilige Agnes, versichern, welche darüber im XXIV. Kapitel des vierten himmlischen Buches Zeugnis ablegt, welches anfängt: "Agnes redete zur Braut und sprach: Komm', meine Tochter, und setze Dir die aus sieben kostbaren Edelsteinen gemachte Krone auf u." Hierüber ist weiteres in der Legende des Lebens derselben seligen Frau Brigitta nachzulesen. Welche glühende Liebe sie ferner zu Christo und dessen jungfräulicher Mutter hatte, siehe im LXIII. Kapitel des vierten himmlischen Buches, im LII. Kapitel des siebenten Buches und im I. Kapitel des siebenten Buches, mit vielen ähnlichen Stellen. Auch ihre Nächsten liebte sie so mit mütterlicher Teilnahme, daß sie für viele insbesondere und für alle insgemein unzählige Gebete an Christum richtete und häufig voll Andacht Thränen vergoß, wie aus dem XXIII. Kapitel des dritten Buches und vielen anderen Kapiteln des himmlischen Buches erhellt. Ja, als der König von Schweden zu einer gewissen Zeit die Unterthanen im ganzen Reiche mit großen Auflagen belasten wollte, um eine gewisse Summe Geldes, welche er seinen Gläubigern schuldete, zu bezahlen, sprach die selige Brigitta zum Könige: "Herr, thut das nicht, sondern nehmt meine beiden Söhne und stellt dieselben als Geiseln, bis Ihr werdet bezahlen können, und beleidigt nicht Gott und Euere Unterthanen." Solches ist noch deutlicher in der Legende ihres Lebens enthalten. Die gedachte Frau war aber mit allen anderen Tugenden so sehr geschmückt und erfüllt, daß Christus sie auf eine wunderbare Weise zu seiner Braut annahm und sie mit wunderbaren Tröstungen und göttlichen Gnaden gar häufig heimsuchte, auch zu ihr sprach: "Ich habe Dich 300 mir zur Braut erwählt, auf daß ich Dir meine Geheimnisse zeigen möchte, weil es mir also gefällt." Bald darauf fügte er hinzu und sprach: "Deshalb nehme ich Dich mir zur Braut und zu meiner eigenen Lust an, welche Gott mit einer keuschen Seele zu haben gebührt." So erhellt aus dem II. Kapitel des ersten himmlischen Buches, nebst vielen ähnlichen Stellen, welche Du in den dieser Frau auf göttliche Weise offenbarten Büchern finden wirst. Niemals war sie auf diese göttlichen Gnaden selber je stolz, sondern demütigte sich täglich, wie ich Zeuge gewesen, unter Thränen, und erachtete sich deshalb für eine größere Schuldnerin Gottes, und fürchtete, daß ihr deshalb ein schwereres Gericht bevorstehe. Sie hätte lieber selbst verborgen bleiben und jenen Schatz göttlicher Offenbarungen, zur Bewahrung ihrer Demut, verheimlichen mögen. Allein Christus nötigte sie durch das Gebot seiner Worte mehrmals zum Schreiben und zum unerschrockenen Aussprechen seiner göttlichen Worte gegen die Päpste, den Kaiser, gegen Könige und Fürsten und gegen Völker, damit durch die göttlichen Worte, nämlich des himmlischen und des gegenwärtigen Buches, die sündigen Menschen sich zu Gott bekehren, die Guten und Gerechten aber im Guten zunehmen möchten, was deutlich aus dem XXVII. Kapitel des siebenten himmlischen Buches, aus dem CI. Kapitel des sechsten Buches mit vielen ähnlichen Stellen, sowie auch aus verschiedenen Kapiteln im gegenwärtigen Buche des himmlischen Kaisers erhellt. Wer sollte nun wohl meinen, daß ein solches Leben den Verspottungen der bösen Geister offen gewesen, und wer wird Christum solcher Ruchlosigkeit zeihen, daß er den nicht schütze, der auf ihn hofft und der nicht sich, sondern ihn aus der Fülle seiner Liebe preist? Oder setzt ein braver Bräutigam eine keusche und getreue Braut aus, damit sie von einem Ehebrecher betrogen werden möge?
Kapitel IV.
Auf welche Weise die selige Brigitta ihre Gesichte und Offenbarungen hatte.
Bereits oben habe ich denen, die es nicht wissen, einiges über die Beschaffenheit der Person und die Tugenden der seligen Brigitta gesagt und offenbart. Weil sich aber nun viele verwundern, 301 und an jener Gnade, geistliche Gesichte zu schauen und zu vernehmen, welche der vorgedachten seligen Frau gegeben war, zweifeln, und darüber vergewissert sein möchten, hat man mich oft nach der Art gefragt, wie sie solche Dinge schaute und hörte, und gebeten, darüber mich im Ernste auszusprechen, und über die reine Wahrheit deutliche Gewißheit zu geben, durch welchen Geistes Eingebung alle jene Dinge offenbart worden. Darum werde ich nun zur Ehre Gottes und der Jungfrau und der vorgedachten seligsten Frau, sowie zur Entfernung des Zweifels aus den Herzen der Zweifler ihnen zuerst zeigen, wie und auf welche Weise sie die Gesichte sah und hörte, sodann werde ich durch die sichtende Beihilfe der heiligen Schrift beweisen, wie diese Dinge gewiß nicht aus dem Geiste der Lüge, sondern aus dem heiligen Geiste hervorgegangen sind. Was das erste nun anlangt, so sage ich, daß man sich über die Art, wie sie ihre Gesichte schaute, nicht allein aus meinen, sondern auch aus den eigenen Worten der seligen Brigitta selber überzeugen möge, welche gerade dieses in mehreren Kapiteln ihrer Bücher ganz deutlich zu erkennen giebt, namentlich im LXXVII. Kapitel des vierten Buches, und im LII. Kapitel des sechsten Buches, wo sie mit Christo folgende Worte redet: "O Du liebster, vor allen süßester Gott! Wunderbar ist allen, die es hören, was Du an mir gethan hast! Denn wenn es Dir gefällt, schläferst Du meinen Körper ein, jedoch nicht mit einem leiblichen Schlafe, sondern mit einer geistlichen Ruhe. Meine Seele aber erweckst Du dann gleichsam vom Schlafe auf, um auf geistliche Weise zu sehen, zu hören und zu empfinden. O Herr Gott! wie süß sind die Worte Deines Mundes! Mich dünkt aber, daß, so oft ich Deines Geistes Worte vernehme, meine Seele dieselben mit einer gewissen Empfindung unaussprechlicher Süße in sich verschlingt, wie die lieblichste Speise, welche zu großer Freude und unaussprechlichem Troste in das Herz meines Leibes zu fallen scheint. Wunderbar aber scheint zu sein, daß ich, während ich Deine Worte höre, dann beiderlei, gesättigt sowohl, als hungrig werde; gesättigt deshalb, weil mir dann nichts anderes gefällt, als Deine Worte, hungrig aber deshalb, weil meine Begierde danach sich stets vermehrt u. s. w." Hiervon ist auch in der Vorrede und am Ende der Regel des Erlösers, welche derselben Frau auf göttliche Weise geoffenbart werden, und an vielen 302 ähnlichen Stellen die Rede, Auch ich habe, Gott ist mein Zeuge, die gedachte Frau mehrmals, zuweilen sitzen, zuweilen niedergeworfen, ganz im Gebete versenkt und wie tot, den körperlichen Empfindungen entfremdet, in den Geistesflug hingerissen gesehen, wobei sie von dem, was an dem Orte, wo sie sich leiblich befand, vorging, nichts sah, noch hörte. Wenn sie dann wieder zu sich zurückkam, erzählte sie mir, obwohl ich dessen unwürdig war, und ihren beiden vorgedachten Beichtvätern die Gesichte, welche sie eben gehabt, und die großen, verborgenen Thaten und Geheimnisse Gottes. Ihre Weise, Gesichte zu sehen, ist auch ganz deutlich in einem Gesichte und einer geheimen Offenbarung enthalten, welche durch die Frau Brigitta selber an den Herrn Papst Gregor XI. übersendet worden, worin erzählt wird, wie sie, im Gebete wachend, im Geiste verzückt war; dabei schienen alle Kräfte ihres Leibes gleichsam abzunehmen, aber ihr Herz ward entflammt und jubelte in der Glut der Liebe. Ihre Seele ward getröstet, und ihr Geist mit einer gewissen göttlichen Stärke gekräftigt; auch ihr ganzes Gewissen und Verstand ward mit geistlicher Einsicht angefüllt, wie daselbst angegeben worden. Bisweilen empfand sie auch auf fühlbare Weise mit einem unaussprechlichen Geistesjubel eine gewisse, sinnlich wahrnehmbare, leibliche, wunderbare Bewegung in ihrem Herzen, wie wenn dort ein lebendiges Kind sich umwendete; diese Bewegung war von außen sichtbar. Da sie selber ungewiß war, ob dies ein teuflischer Trug sei, zeigte sie es ihren geistlichen Vätern, welche die Sache durch Gesicht und Gefühl wahrnahmen, und in Staunen und Verwundern gerieten. Diesen Zweifel haben ihr Christus und die Jungfrau Maria gar schön aufgeklärt, indem sie sagten, jene Bewegung des Herzens sei keine Täuschung, sondern eine göttliche Gnade und ein Wirken des heiligen Geistes, wie im XVIII. Kapitel des zweiten Buches und im LXXXVIII. Kapitel des sechsten Buches enthalten. Ferner magst du wissen, wie die Frau Brigitta zuweilen wachend in einer Verzückung des Gemütes betete, und im Geiste einige Gestalten oder Bilder erblickte; es ward ihr dann aber nicht erklärt, was das Gesehene bedeutete, sondern sie blieb ungewiß und zweifelhaft über die Bedeutungen dieser Gesichte, wie aus dem II. Kapitel im vierten Buche und vielen ähnlichen Stellen zu entnehmen, namentlich unten im XXXI. Kapitel des gegenwärtigen Buches 303 des himmlischen Kaisers an die Könige. Solche Gesichte wurden ihr zuweilen nachher im Verlaufe der Zeit von Christo erklärt, wie im XXXI. Kapitel dieses und im letzten Kapitel des vierten Buches zu ersehen ist. Zuweilen ward ihr auch niemals eine Erklärung über die Bedeutungen jener Visionen gegeben, sondern sie blieb bezüglich derselben immer im Zweifel, wie aus einigen Kapiteln des himmlischen Buches zu ersehen. Zuweilen schaute sie aber wachend Gesichte in irgend einer Gestalt, und wurden ihr fast immer in derselben Stunde diese Gesichte von Christo, welcher redete, oder von seiner Mutter, der Jungfrau, oder durch einen Engel oder Heiligen erklärt, und ihr dann in ihrem Verstande auf göttliche Weise die Bedeutungen solcher Gesichte offenbart, wie aus dem VII. Kapitel des vierten, dem XXXV. und LII. Kapitel des sechsten Buches, auch aus dem XLVIII. Kapitel des gegenwärtigen, nachfolgend geschriebenen Buches, samt vielen anderen ähnlichen Stellen zu entnehmen ist, welche du im himmlischen und in diesem Buche finden wirst. Du wirst aber fragen können, wie es möglich sein kann, daß diese selige Frau, wenn sie im Gebete wachend in Verzückung geriet, so oft Christum und seine Mutter, die Jungfrau, und die Engel und Heiligen habe sehen können, welche immerdar unveränderlich und wesentlich im Himmel sich befinden, und wie sie im nämlichen Augenblicke auch die Seelen hat peinigen sehen und sie und auch die Teufel im Fegfeuer und in der Hölle, sowie noch in dieser Welt lebende Personen sprechen hören? Alle diese sah sie gemeiniglich in demselben Augenblicke miteinander und hörte sie zugleich reden. War ferner, wenn die Frau diese Dinge schaute, ihre Seele im Leibe, oder außerhalb des Leibes? Auf diese Frage antworte nicht ich, sondern sie, der Spiegel aller Weisheit und Wissenschaft, die Königin des Himmels, Maria, dir sehr schön im LII. Kapitel des sechsten Buches und in ähnlichen Stellen. Dort ist entschieden, daß dieses mittels einer wunderbaren Erhebung und Erleuchtung des Herzens und Verstandes der seligen Brigitta, zum großen Nutzen des ganzen Leibes der Kirche, unter Mitwirkung und durch den Dienst des heiligen Geistes geschah. Denn zuweilen, wenn sie in irgend einer Ekstase die Gestalt Christi oder der Heiligen sah, wurden in einem Augenblicke dem Verstande der seligen Frau große Dinge, nämlich Lösungen von Fragen, Offenbarungen 304 von Geheimnissen, Anleitungen zu tugendhaften Werken und Regeln eines heiligen Lebens mittels Einströmung eines übernatürlichen, göttlichen Lichtes eingegeben. Auf diese Weise hat sie gleichsam in einem Augenblicke das ganze Buch der Fragen, welches das fünfte unter den Büchern des göttlichen Werkes ist, und auch die Regel des Erlöserordens, die ihr geoffenbart worden, empfangen, wie am Ende der neunundzwanzigsten Regel gesagt ist. Zuweilen erblickte sie auch selber einen Engel mit ihren leiblichen Augen, welcher ihr auf Befehl Gottes eine gar schöne und sehr lange Rede nach und nach mit hohem Ernste vorsagte, welche sie selber im nämlichen Augenblicke niederschrieb. So ward in Zeitunterbrechungen der, ganz vortreffliche englische Sermon von der Vortrefflichkeit der Jungfrau Maria geschrieben, der in Lesungen abgeteilt ist, die wöchentlich nächtlich von den Klosterfrauen im gedachten Orden von der Regel des Erlösers gelesen werden müssen.
Zuweilen sah die vorerwähnte Frau Brigitta nicht allein im Geiste, sondern mit ihren seligen, leiblichen Augen den Herrn Jesum Christum und die Jungfrau, seine Mutter, namentlich am Ende ihres Lebens, wie unten erhellen wird. Sie selber bezeugte dieses ihrer Tochter und ihren geistlichen Vätern. Meistenteils aber sah sie niemand, hörte vielmehr nur die Stimme des Sohnes Gottes oder der Jungfrau, seiner Mutter, oder irgend eines Engels oder Heiligen, welcher zum Nutzen der Nächsten, zur Ordnung des christlichen Lebens, zur Bekehrung der Heiden und zu Offenbarungen von Geheimnissen wunderbare Worte zu ihr redete, wie aus allen zuvor angeführten Büchern erhellt, deren größerer Teil also anfängt: Der Sohn redete, oder: Die Mutter redete zur Braut u. s. w. Zuweilen wurden ihr auf diese Weise viele zukünftige Dinge vorhergesagt, und über die Zukunft Prophezeiungen gemacht, auch andere Dinge, welche keine Prophezeiungen waren, durch dunkle Worte mitgeteilt, deren Bedeutung sie selber nicht wußte, sowie, ob dieselben wörtlich oder bildlich, geistlich oder auf welche Weise zu verstehen seien. Sie selbst verstand solche Worte häufig wörtlich, wie der selige Franziskus that, während doch Christus oder seine Mutter, wenn sie redeten, ihre Worte geistlicherweise verstanden wissen wollten. Solches erhellt auch aus dem XV. und LXXV. Kapitel des vierten himmlischen Buches und LXXV. Kapitel des gegenwärtigen Buches 305 des himmlischen Kaisers an die Könige, und aus vielen anderen, in den gedachten Büchern enthaltenen Kapiteln. Zuweilen wurden mit ihr auf solche Weise auf göttliche Art deutliche Worte geredet, deren Wahrheit und Bedeutung ihr dann klärlich dargelegt und eröffnet ward, wie in vielen Kapiteln des himmlischen Buches enthalten ist. Siehe hierüber auch das XLVIII. Kapitel des unten folgenden Buches am Anfange. Wisse jedoch, wie ich Unwürdiger oft aus ihrem Munde vernommen, daß sie in allen obgedachten Weisen der Gesichte die höchste Süßigkeit der Liebe Gottes und unaussprechlichen göttlichen Trostes in ihrer Seele und ihrem Herzen dergestalt empfand, daß sie es mir durchaus nicht anders, als mit Seufzern und unter Thränen erzählen konnte.
Kapitel V.
Prüfung nach der heiligen Schrift, unter welcher Gestalt von Gesichten die Gesichte dieses Buches und andere der seligen Brigitta geoffenbarte enthalten sind.
Nachdem ich den Zweifelnden bereits über die Beschaffenheit und die Tugenden der Person der vorgedachten seligsten Frau Brigitta, nach vielen oben angezogenen Kapiteln, sowie über die verschiedenen Arten, wie die gedachte Frau die Gesichte und Offenbarungen des gegenwärtigen und der übrigen Bücher sah, hörte und empfand, wie aus obigem erhellt, zuverlässigen Bericht erstattet, würde noch übrig bleiben, über die Beschaffenheit der Materie der Gesichte und Offenbarungen selber eine Betrachtung anzustellen. Weil ich dies aber oben berührt habe, und es unten noch berührt werden wird, auch aus der vorliegenden Materie dieses Buches und anderer ihrer Bücher sich klärlich ergiebt, so will ich mich dabei nicht länger aufhalten. Dagegen bleibt mir noch übrig, zu untersuchen und aus der Schrift und den Aussprüchen der heiligen Doktoren zu beweisen, unter welcher Gestalt von Gesichten insgemein die vorbemeldeten Visionen und Offenbarungen enthalten sind.
Nun soll man erstlich wissen, wie Angustinus im siebenten Buche über die Genesis ad litteram und Hieronymus in der Vorrede zur Apokalypse dreierlei Hauptarten von Visionen be- 306 schreiben, nämlich die korporelle, die spirituelle und die intellektuelle. Die korporelle findet statt, wenn wir ein Gesicht mit den Augen des Leibes haben; spirituell oder imaginär wird eine Vision genannt, wenn wir schlafend oder wachend im Geiste Bilder von Dingen erblicken, durch die etwas anderes bedeutet wird, wie Pharao Ähren und Moses einen Dornbusch brennen sah, jener im Schlafe, dieser wachend. Eine intellektuelle Vision findet statt, wenn wir z. B. durch Offenbarung des heiligen Geistes im Verstande unseres Innern die Wahrheit von Geheimnissen, wie sie ist, erfassen, wie Johannes dasjenige schaute, was im Buche der Offenbarung erzählt worden; denn er sah nicht bloß Bilder im Geiste, sondern erkannte auch mit seinen inneren Sinnen deren Bedeutungen. Die erste Art der Visionen, die körperlichen, berühren unsere Materie nicht, wenn auch einige Male die selige Brigitta die glorwürdige Mutter Gottes und deren Sohn mit leiblichen Augen schaute. So erblickte sie z. B., als sie noch ein junges Mädchen war, einen Altar, und darauf saß die Mutter Gottes, welche sie rief und ihr eine Krone aufsetzte. Und ferner, als sie bei einer Niederkunft in Gefahr schwebte, trat die Mutter Gottes zu ihr herein, so daß alle Frauen, welche zugegen waren, dieselbe erblickten, und berührte ihre Glieder, und sie genas sogleich, wie dies in der Legende ihres Lebens enthalten ist. Ebenso war es, als sie vom Himmel Feuer auf den Altar herabkommen, in der Hand des feiernden Priesters die Hostie, und in derselben ein Lamm, und an demselben das Antlitz eines Menschen und das Lamm im Antlitze sah. Ein anderes Mal erblickte sie in der Hand des Priesters in der Hostie ein lebendiges Kind, welches die Umherstehenden mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnete, und sprach: Ich sage euch, die ihr glaubt, denen, die nicht glauben, werde ich ein Richter sein. Siehe hierüber das LXXXVI. Kapitel im sechsten himmlischen Buche. Als sie bereits auf den Tod krank lag, sah sie gleichfalls Christum, der sie leibhaftig tröstete, wie eben gemeldet worden. Solche Visionen sind, wie zu glauben ist, von Christo dieser seiner Braut, unter Mitwirkung des heiligen Geistes, zu deren Troste gezeigt worden, aber nicht durch einen bösen Geist trügerisch vorgespiegelt. Und dieses erhellt deutlich, weil der Herr Jesus Christus selber ihr den Tag ihres Todes fünf Tage, bevor sie starb, vorher- 307 gesagt hatte, und ihr befahl, die Sakramente der Kirche zu empfangen, auch in ihren eigenen und in ihres Klosters Angelegenheiten etliches, das durch ihn offenbart worden war, durch ihre Verfügung zu ordnen. Etwas derartiges würde ihr der Teufel am Ende ihres Lebens nicht vorgeschrieben haben, wenn das Gesicht ein teuflisches gewesen wäre. Daß diese Vision eine von Gott gewirkte gewesen, wird auch dadurch erwiesen, daß sie im letzten Augenblicke ihres Lebens die heilige Kommunion und letzte Ölung in Gegenwart vieler Personen andächtig empfing, und nach deren Empfange Christum selber mit ihren leiblichen Augen erblickte, der sie tröstete, und in dessen Hände sie demütig ihren Geist befahl und starb. Dies ergiebt sich aus dem letzten Kapitel des siebenten himmlischen Buches der Legende am Ende ihres Lebens. Bei dieser Art, Visionen zu schauen, d. h. auf leibliche Weise, halte ich mich für jetzt nicht auf, weil die Frau Brigitta nur wenige Male die Visionen mit leiblichen Augen erblickte. Über die zweite Art der Vision aber, über die spirituelle oder imaginäre der Schlafenden, wollen wir nicht reden, weil dergleichen Träume vom heiligen Gregorius im XLVIII. Kapitel des vierten Buches der Dialoge für höchst verdächtig erachtet werden. Dasselbe ist im XXXVIII. Kapitel des vierten himmlischen Buches gesagt, wenn auch zuweilen die Träume wahr und gut, ja von Gott sind, wie daselbst gesagt worden. Ebendaselbst im himmlischen Buche sollst Du auch die Art sehen, welche Du zu beobachten hast, wenn solche Träume sich ereignen. Auf diese Weise sah auch die selige Frau, als sie noch ein junges Mädchen war, Christum einmal, als werde er eben gekreuzigt, und ward von Stunde an stets herzlich vom Leiden Christi gerührt. Auch dergleichen Traumvision berührt unsere Materie nicht, weil die Frau Brigitta fast alle Visionen während des Wachens im Gebete schaute, und nicht während des Schlafens, wie aus vielen Kapiteln des vorgedachten himmlischen Buches deutlich erhellt.
Dagegen komme ich nun zu der zweiten von mir genannten Art, nämlich den spirituellen oder imaginären Gesichten der Wachenden, welche unsere Materie berührt. Der selige Augustinus spricht im zwölften Buche über die Genesis ad litteram also: "Wenn aber die Richtung des Geistes gänzlich abgekehrt und hinweggerissen wird von den Sinnen des Körpers, dann pflegt man dieses mehr 308 eine Ekstase zu nennen. Denn alsdann sieht man alle anwesenden Leiber auch mit den offenen Augen nicht; auch werden durchaus die Stimmen nicht vernommen, weil das ganze Sehvermögen des Geistes entweder mittels der spirituellen Vision auf die Bilder körperlicher Gegenstände, oder mittels der intellektuellen auf unkörperliche Dinge, welche durch kein Bild eines Körpers dargestellt werden, gerichtet ist" Aus diesen Worten erhellt deutlich, daß, wenn die gedachte Frau entschlafen in Freude und in einem Schlafe der göttlichen Liebe, den Sinnen des Leibes entfremdet, in einem Gesichte begriffen war, wie sie oben selber erzählt, sie dann in einer Entzückung sich befand, welche sie über sich selber erhob. Solche Süßigkeit und Trunkenheit der göttlichen Liebe kann der Teufel in niemandes Herz gießen, wie unten erhellen wird, weil er, was er selber nicht hat, andern nicht einzugießen vermag. Wenn sie aber oben und in ihren Büchern selber sagt: Gott erwecke alsdann ihre Seele gleichsam vom Schlafe, um das Göttliche, Himmlische, Geistliche zu sehen, zu hören und zu empfinden, und daß sie dann Gesichte schaute und im Geiste die Stimme des Rufenden vernahm; dann war sie, wie sich deutlich aus vorbemerktem Ausspruche Augustinus ergiebt, mittels einer spirituellen oder imaginären Vision im Geiste verzückt, weil sie im Geiste diese Bilder und Gestalten schaute, und die Einsprachen solcher Gesichte hörte. Wenn sie aber, wie oben angegeben, selber sagte, daß ihr ganzes Gewissen und Verstand in dieser Verzückung durch einen gewissen geistlichen Verstand erfüllt und erleuchtet worden, und daß, während Christus redete, in einem Augenblicke in ihrem Verstande vieles, wie z. B. die ganze Regel des Erlösers und das Buch der Fragen und vieles andere durch ein gewisses Einströmen eines übernatürlichen, intellektuellen Lichtes eingegossen worden, stehe! dann wird uns dadurch deutlich gezeigt, daß sie alsdann in jener Ekstase sich befunden, und daß dann ihr Inneres und ihr Verstand durch eine übernatürliche, intellektuelle Vision auf göttliche Weise erhellt und erleuchtet wurde. Wisse auch, wie eine solche Erleuchtung und Erhellung des Innern der Teufel durchaus keinem eingießen kann, weil in einer intellektuellen Vision die Seele niemals vom Teufel getäuscht werden kann, wie unten deutlicher aus Augustinus und Thomas von Aquino erhellen wird; und hierin stimmen alle Doktoren überein. Wenn sie auch selber spricht, daß, 309 wenn sie sich in diesem Geistesfluge oder in der Ekstase befindet, der Sohn Gottes, oder die Jungfrau Maria, oder irgend ein Engel oder Heiliger mit ihr redete, was oben im himmlischen Buche und weiter unten im gegenwärtigen fast durchweg begriffen ist, dann erkennen wir hieraus deutlich, wie der erbarmende Gott selber, zur heilsamen Leitung der Frau und unserer eigenen, sich herabgelassen hat, unsere Gewissen durch die Worte seiner Lehre zu erleuchten, und daß er über seine verborgenen Geheimnisse und über zukünftige Dinge und andere heiligen Lehren durch seine innere, göttliche Einsprache, mittels einer intellektuellen Vision, uns durch diese Frau hat unterweisen und belehren wollen. Aber eine solche Einsprache unterrichtet uns der selige Gregor im achtundzwanzigsten Buche, Capitel II, seiner Moralien ebenso vollständig als schön mittels folgender Worte: "Deshalb soll man wissen, daß die göttliche Einsprache in zweierlei Weise unterschieden wird; denn entweder redet Gott durch sich selber, oder seine Worte werden durch eine englische Kreatur an uns gerichtet. Wenn Gott durch sich selber redet, wird in uns allein die Kraft der innerlichen Eingebung geöffnet; wenn er durch sich selber redet, wird durch sein Wort das Herz ohne Worte und Silben gelehrt, weil seine Kraft durch eine gewisse innerlichste Erhebung erkannt wird, woran das Herz haftet, wenn es voll ist, und beschwert wird, wenn es leer ist, denn es ist ein Gewicht, das jede Seele, die es erfüllt, erleichtert. Es ist ein körperliches Licht, welches das Innere erfüllt, und wenn es erfüllt ist, auswendig umschließt. Es ist eine Rede ohne Geräusch, weil es das Gehör öffnet, ohne einen Klang zu haben." - Und er fügt hinzu: "Denn daß der Geist Gottes uns gleichsam einige Worte sagt, erfolgt durch eine geheime Kraft, welche dasjenige, was geschehen soll, ankündigt, und des Menschen unkundigem Herzen ohne Anwendung von Geräusch und mit Ausschluß der langsamen Rede plötzlich über verborgene Dinge Kunde eingiebt." Nachher fährt er fort und sagt: "Gottes Rede, welche inwendig an uns ergeht, wird mehr gesehen, als gehört; denn indem sie sich ohne die Verzögerung, welche das Reden verursacht, kundgiebt, erleuchtet sie mit plötzlichem Lichte das Dunkel unserer Unwissenheit." Also Gregorius. Mittels solcher innerlichen, göttlichen Einsprache ward diese heilige Frau über das, was in diesem und dem himmlischen Buche enthalten, 310 zur geistlichen Unterweisung von Kaisern, Königen, Päpsten, Prälaten und aller Völker, sowie zur Bekehrung der Ungläubigen von ihrem zu ihr redenden Bräutigam Christus belehrt und unterwiesen, wie aus dem ganzen himmlischen Buche und dem gegenwärtigen erhellt. Gregorius fügt auch im vorangeführten Kapitel hinzu, das Gott zuweilen mittels Bildern, sowie durch Engel, welche auf eine Zeit aus der Luft körperliche Gestalt vor unseren Augen angenommen haben, zu uns redet, wie mit Abraham, welcher nicht nur drei Männer hat sehen, sondern auch in seine irdische Wohnung hat aufnehmen können. (Genesis XVIII.) Er fügt hinzu und spricht: "Denn wenn die Engel, welche uns innerliche Dinge verkündigen, nicht für eine Zeit lang aus der Luft Leiber annähmen, würden sie gewiß unseren äußerlichen Blicken nicht erscheinen." So weit Gregorius. Auf solche Weise hat Gott auch oft durch einen Engel mit seiner vorgedachten Braut geredet, namentlich als er, während sie in Rom weilte, ihr einen Engel sandte, welcher ihr den Sermon von der Vortrefflichkeit der Jungfrau diktierte. Sie sah denselben täglich mit leiblichen Augen, und während er diktierte, schrieb sie mit Zeitunterbrechungen diesen Sermon, wie weiterhin erhellt. Du wirst aber fragen können, weshalb die Worte Gottes bisweilen so dunkel von ihm gesprochen werden, daß sie verschiedentlich ausgelegt werden können, und bisweilen anders von dem Propheten, welcher sie hört, und von anderen Menschen, und anders von Gott, welcher redet, verstanden werden, wie am seligen Franziskus zu sehen, als ihm von Christo gesagt ward: Gehe hin und erneuere meine Kirche! sowie an vielen anderen, welche die Worte, die geistlicherweise verstanden werden sollten, materiell und wörtlich nahmen. Ich antworte nach dem, was Augustinus im zwölften Buche über die Genesis und Thomas von Aquino in II. 2. des Titels von der Prophezeiung, und andere Doktoren sagen: daß der Prophet nicht immer richtig versteht, was ihm in der Offenbarung gesagt und enthüllt wird. Hierüber siehe die Auflösung, welche dieser seligen Frau die glorwürdige Jungfrau Maria im gegenwärtigen, nachfolgend geschriebenen Buche des himmlischen Kaisers an die Könige im Anfange des XLVIII. Kapitels giebt. Siehe auch im XV. und LXXV. Kapitel des vierten himmlischen Buches, nebst vielen ähnlichen. Auf diese Weise verstand die Frau Brigitta zuweilen die Worte der Gesichte 311 körperlich oder buchstäblich, während Christus und seine Mutter, wenn sie redeten, dieselben geistlich oder bildlich verstanden, wie in den obenangeführten Stellen zu ersehen. Es ergiebt sich also aus dem Vorhergesagten, sowie aus den vorliegenden, dieser verehrungswürdigen Frau von Gott offenbarten Büchern überhaupt, daß sie eine ganz besondere Gnade des Geistes der Prophezeiung mittels einer inneren Einsprache Gottes und einer spirituellen und intellektuellen, ihr von Gott freiwillig gewährten Vision gehabt. Denn die wahre und eigentliche Prophezeiung, Offenbarung und Wissenschaft und Lehre werden durch die spirituelle oder imaginäre Vision von körperlichen Gegenständen oder Zeichen bewirkt, denen dann das Einströmen des intellektuellen oder übernatürlichen Lichtes der göttlichen Wahrheit hinzutritt, wie aus den oben angegebenen Arten und Wahrnehmungsweisen, mittels deren sie die Vision schaute, und aus den Worten Augustins im zwölften Buche über die Genesis ad litteram erhellt, wo die Worte hierüber ganz klar sind, weil die leiblichen Bilder in ihrem Geiste ausgedrückt waren, und ihr Verständnis fast immer auf göttliche Weise im Innern offenbart ward. Ja, ich darf dreist mit dem seligen Thomas von Aquino in II. 2. qu. 173. und anderen Lehrern sagen, daß der Grad der Prophezeiung, womit diese selige Frau von Gott begnadigt war, unter allen Graden der Prophezeiung am höchsten geachtet wird, weil darin der Prophet nicht allein die Zeichen der Worte oder Thatsachen erblickt, sondern auch wachend jemand sieht, der mit ihm spricht oder ihm etwas auseinandersetzt, namentlich wenn der Redende oder Erklärende in der Gestalt Gottes erscheint, weil, wie man sagt, der Prophet sich hierdurch mehr dem geoffenbarten Grund nähert, als wenn jener Redende oder Erklärende sich in eines Menschen Gestalt oder eines Engels Gestalt zeigte, nach Jsaias Ausspruch im VI. Kapitel: "Ich sah den Herrn sitzen" u. s. w. Und hauptsächlich darum, weil unter allen Schriften aller Propheten diese Schrift der oft gedachten Frau mit einer deutlicheren Art des Verständnisses geoffenbart worden ist, als anderen Propheten ihre Schriften. Nikolaus de Lyra, in seiner Vorrede zum Psalter, und andere Lehrer stimmen darin überein, daß der Grad der Prophezeiung der vorzüglichere ist, auf welchem bei Gleichheit des übrigen das Verständnis deutlicher ist. 312
Kapitel VI.
Beweis aus der heiligen Schrift, daß die Gesichte und Offenbarungen dieses Buches und anderer Bücher der seligen Brigitta aus dem heiligen Geiste geflossen und hervorgegangen sind, und nicht aus einem Truge des Teufels. Derselbe wird mit den sieben hier angegebenen Gründen geführt.
Nachdem nun soeben demjenigen, welcher scharf blickt, wahrlich deutlich genug dargethan worden, unter welcher Gattung von Gesichten das gegenwärtige und andere der seligsten Frau Brigitta geoffenbarte Bücher begriffen, wollen wir weiter nach den Aussprüchen der Heiligen untersuchen, ob die Visionen und Offenbarungen gegenwärtiger Bücher vom heiligen Geiste der Wahrheit oder einem trügerischen Geiste der Lüge dargereicht sind. Nun sage ich, daß es viele Unterscheidungen giebt, mittels deren sich deutlich die Offenbarung oder Vision eines guten von der eines bösen Geistes sowohl nach der Beschaffenheit der Person, welche dergleichen sieht, sowie nach den inneren Empfindungen ihrer Seele, als auch nach der Weise zu schauen und der Materie des Gesichts unterscheiden läßt, indem man dasjenige, wozu die Vision uns bewegt und anleitet, einer scharfen Erörterung unterwirft. Um dieses zu erkennen und thatsächlich zu unterscheiden, ward unsere vorgedachte Frau, damit sie nicht betrogen würde, mehrmals und deutlich genug von Gott gelehrt, und durch Gesichte und göttliche Unterweisungen unterrichtet, wie im LIV. Kapitel des ersten, im XIX. Kapitel des zweiten, im X. Kapitel des dritten himmlischen Buches enthalten ist. Siehe hierüber auch die sieben Unterscheidungen, welche dieser Frau Brigitta, der Braut Christi, von der Jungfrau Maria unter den Visionen des guten und bösen Geistes im XXIII. und CX. Kapitel des vierten, im LXVIII., LXIX. und XCII. Kapitel des sechsten Buches und vielen ähnlichen bezeichnet werden. Obwohl nun die göttliche Gnade, welche der gedachten seligen Frau freiwillig von Gott gegeben worden, so deutlich und kundlich offenbar ist, daß sie durch keinen Argwohn eines trügerischen Geistes verdunkelt zu werden vermag, zumal sie schon sonst noch im Königreiche Schweden in diesem Betracht durch Prälaten, geistliche Männer 313 und Magister in der Theologie fleißig geprüft worden und obwohl durch diese entschieden worden war, daß diese Gnade eine göttliche, wie ich oben gesagt, vom heiligen Geiste ihr auf göttliche Weise eingegebene sei, und obschon auch wieder zu Neapel in Gegenwart des Herrn Erzbischofs Bernhard, dreier Magister in der Theologie und mehrerer anderer Männer vom Krieger- und Gelehrtenstande, was ich bezeugen kann, diese Gnade anerkannt, ja selbst eine Offenbarung, welche ihnen Brigitta mitteilte, durch einen der genannten Magister auf Befehl der Königin und des Erzbischofs vor der gesamten hierzu berufenen Einwohnerschaft in der Kathedralkirche veröffentlicht und feierlich verkündigt worden war, - so will ich dessenungeachtet zu größerem Überflusse und damit den bissigen Verleumdern und Verkleinerern Schweigen auferlegt, und denen, welche fromme Zweifel hieran haben, volle Genüge zu teil werde, aus den Sprüchen der Lehrer der heiligen Schrift und der heiligen Väter beweisen, daß jene Offenbarungen der gedachten Frau von Gott zur Unterweisung und zum Nutzen des ganzen Leibes der Kirche und zur Anleitung aller Auserwählten eingegossen und gegeben, nicht aber von einem boshaften Geiste trügerisch unterschoben worden sind. Und dieses beweise ich durch sieben Zeichen und nachfolgend verzeichnete Gründe, mittels deren die Vision des guten Geistes von einem teuflischen Truge unterschieden wird. Das erste sicherste Zeichen, daß eine Vision von Gott sei, ist dann vorhanden, wenn die Person, welche die Visionen schaut, wahrhaft demütig ist und unter dem Gehorsame und der beständigen Zucht eines geistlichen Vaters, eines klugen, älteren, tugendhaften, im geistlichen Leben erfahrenen Mannes lebt. Ferner: wenn diese so schauende Person sich nicht vermißt, noch erhebt, noch sich rühmt, noch nach Menschenlob trachtet, auch die Gesichte nicht verheimlicht, sondern in wahrer Demut lebt, alle ihre Gesichte und Versuchungen sogleich entdeckt, und demütig der Untersuchung und dem Urteile ihres geistlichen Vaters oder anderer, älterer, geistlicher Väter unterwirft, und dann als bewährt annimmt, was er oder sie bewähren, oder als verworfen von sich weist, worüber sie bestimmen, daß es zu verwerfen sei. Ich behaupte, eine solche Seele kann nicht betrogen werden. Darüber findet sich ein klarer Ausspruch in dem Buche collat. patrum Joh. Cassiani; coll. 2., in dem Kapitel: Et ut hanc 314 eandem, welches von jenem Mönche redet, welcher vom Teufel unter der Gestalt eines Engels des Lichtes betrogen ward; sowie in derselben coIIat. im Kapitel: Tunc Moyses; worin der Abt Moses darüber in folgenden Worten redet: "Es kann einer durchaus nicht betrogen werden, welcher nicht nach eigenem Urteile, sondern nach dem Beispiele der Alten lebt; auch wird der listige Feind dessen Unwissenheit nicht zu verspotten imstande sein, der alle in seinem Herzen entsprossenden Gedanken nicht hinter einer gefährlichen Scheu verbirgt, sondern dieselben nach einer reiflichen Prüfung durch Ältere je verwirft oder zuläßt; sollte ein böser Gedanke vorhanden sein, so beginnt er, sobald er enthüllt wird, zu welken und noch ehe das Urteil der Unterscheidung gefällt worden, macht sich die überaus garstige Schlange, wie aus einer finsteren, unterirdischen Höhle durch die Kraft der Beicht ans Licht hervorgezogen und gewissermaßen verhöhnt und der Schande preisgegeben, auf und davon, weil die schädlichen Eingebungen nur so lange in uns die Herrschaft führen, als sie im Herzen verborgen werden." So spricht jener Moses. Siehe auch weiter im folgenden Kapitel. Da nun die mehrgedachte selige Frau Brigitta immer unter dem besonderen Gehorsam und der Anleitung älterer und tugendhafter geistlicher Väter lebte, auch eine gar tiefe, wahre Demut an sich hatte, und alle ihre Gesichte und Versuchungen, auch alles andere, was sie thun sollte, demütiglich dem Gehorsame, der Prüfung und dem Urteile der vorgedachten und auch anderer Älterer, wie oben bemerkt ist, unterwarf, so ist nach der vorgedachten Begriffsbestimmung des heiligen Moses und anderer heiligen Väter der Schluß zu ziehen, daß alles, was ihr in den Büchern geoffenbart worden, vom heiligen, nicht aber von einem teuflischen, trügerischen Geiste ausgegangen ist. Dies ist ein deutliches und offenbares Zeichen bei fast allen geistlich Gesinnten, sowie eine allgemeine Lehre, um teuflischen Versuchungen, Eingebungen und Verückungen zu entgehen. Das zweite Zeichen einer göttlichen Eingebung, durch welches die Seele nicht getäuscht werden kann, besteht darin, wenn die Seele zu der Zeit, wo sie die Gesichte sieht, die Empfindung hat, daß sie dann ganz erfüllt, gewissermaßen süß berauscht und vom Feuer des Eingusses, der Süße der göttlichen Liebe, sowie von einem gewissen Geschmacke der innerlichen Süße der Liebe Gottes entflammt wird. Denn ich 315 behaupte: diese innerliche Liebe und die Süße der göttlichen Liebe, welche der Teufel nicht hat, kann derselbe auch in die Seele niemandes eingießen. Niemand giebt, was er nicht hat. Darum muß geschlossen werden, daß, wer solches in einer Seele wirkt, Gott ist, vornehmlich wenn dann jene Seele ganz gestärkt und mit einer gewissen Erleuchtung eines festen Glaubens und Gehorsams, sowie der Ehrfurcht vor dem katholischen Glauben und der heiligen Mutter der Kirche erfüllt wird, wie im LXXVIII. Kapitel des vierten himmlischen Buches und ähnlichen Stellen enthalten. Schön wird dieses auch durch Hugo vom heiligen Viktor in dem einsamen Gespräche von der Seele Haft bewiesen, wo am Ende der Abhandlung die Seele mit ihm redet und spricht: "Dieses letzte Stück meiner Frage bitte ich, beantworte mir. Was ist jenes Süße, das mich, wenn ich daran denke, zu berühren und so heftig und lieblich anzuregen pflegt, daß ich gewissermaßen gänzlich mir selbst entfremdet zu werden, und ich weiß nicht wohin gezogen zu werden anfange? Ich verwandle mich plötzlich. Mir beginnt wohl zu werden, weit mehr, als ich zu sagen vermag. Mein Gewissen erheitert sich und vergißt die vergangenen Schmerzen. Der Geist frohlockt, der Verstand wird klar, das Herz hell, die Wünsche werden fröhlich" u. s. w. Dieser Seele antwortet Hugo selber sehr schön und spricht: "Wahrlich, dieser ist dein Geliebter, der dich besucht, d. i. Gott" u. s. w. Dasselbe sagt auch der selige Antonius ganz ausführlich und schön, indem er seine Jünger die guten Gesichte von den Täuschungen unterscheiden lehrt, wie in den Lebensbeschreibungen der Altväter im ersten Buche der Legende vom heiligen Antonius enthalten. So sagt auch Gregorius im II. Kapitel des achtundzwanzigsten Buches der Moralien, daß, wenn Gott durch sich selber mit der Seele redet, in uns die Kraft der innerlichen Eingebung allein geöffnet wird, weil seine Kraft an einer gewissen innerlichsten, süßesten Erhebung erkannt wird. Noch deutlicher ist dieses zu ersehen aus dem LXXVIII. Kapitel des vierten, und IV. Kapitel des siebenten himmlischen Buches, sowie in den zunächst bevor oben angezogenen Kapiteln, nebst vielen ähnlichen. Daraus wird bewiesen, daß alles, was der seligen Brigitta geoffenbart und in diesen Büchern enthalten ist, ihr nicht von dem schrecklichen Betrüger, sondern vom allersüßesten Tröster dargeboten worden, 316 wie aus den eben angezogenen Stellen und aus den tröstlichen Empfindungen erhellt, welche sie zu der Zeit hatte, wo sie die Gesichte schaute und die göttlichen Einsprachen vernahm, wie aus ihren oben angeführten Worten sich ergiebt. - Ein drittes Zeichen, wodurch ein göttliches Gesicht von einem Teufelstruge unterschieden und erkannt wird, ist es, wenn die Seele, welche eine korporelle, imaginäre oder spirituelle Vision hat, das Einströmen eines intellektuellen, übernatürlichen Lichtes und einer erkennbaren Wahrheit empfindet, und alsdann die wahren Bedeutungen der Gesichte und Worte erkennt. Es wird ihr alsdann deutlich das Verständnis eröffnet und die Wahrheit dieser Materie gezeigt und geoffenbart. Dieses Einströmen eines intellektuellen, übernatürlichen Lichtes oder Einblickes, mag nun eine körperliche oder imaginäre Vision vorangehen oder nicht, kann niemals von dem Teufel in einer Seele bewirkt werden, sondern nur von Gott allein, wie Thomas von Aquino in II. 2. qu. 78 des Titels von der Prophezeiung lehrt, wo er also spricht: "Die bösen Geister offenbaren das, was sie wissen, den Menschen zwar nicht durch eine Erleuchtung des Verstandes, aber doch durch irgend eine imaginäre Vision, oder auch indem sie auf sinnlich wahrnehmbare Weise mit denselben reden, aber nicht den Verstand derselben erleuchten. Hierin hat diese Prophezeiung ihren Mangel und ihren Unterschied von der wahren." Augustinus spricht im XII. Buche über die Genesis ad litteram also: "Die Seele wird durch korporelle Vision getäuscht und betrogen u. s. w." Und dann fügt er hinzu: "In der spirituellen oder imaginären Vision, d. h. bei körperlichen Bildern, welche im Geiste geschaut werden, wird auch die Seele getäuscht, wenn sie in dem, was sie so sieht, Körper zu sehen glaubt." Dann fügt er hinzu und spricht: "Aber bei den intellektuellen Visionen wird die Seele nicht getäuscht, wenn," wie er hinzufügt, "zukünftige Dinge geschaut werden, so daß dasjenige, dessen Abbild für gegenwärtig gehalten wird, doch als zukünftig erkannt wird, indem entweder dies Verständnis durch göttlichen Beistand gewirkt oder von jemand die Bedeutung ausgelegt wird, wie es in der Apokalypse des Johannes geschehen; denn es ist eine große Offenbarung, wenn auch derjenige, welchem dergleichen gezeigt wird, nicht weiß, ob er aus dem Leibe gegangen ist, oder ob er noch im Leibe, aber mit 317 einem den Sinnen entfremdeten Geiste diese Dinge schaut." Soweit Augustinus. Hierbei kann aber die Frage aufgeworfen werden, welch ein Unterschied zwischen einer Offenbarung stattfindet, welche mittels einer Täuschung durch den Verstand des Menschen oder mittels eines Truges in der Einbildungskraft und dem Verstande des Menschen erfolgt, und zwischen der, welche von Gott mittels einer intellektuellen Vision gewirkt wird. Ich antworte nach Thomas von Aquino in II. 2. der 173. Quaestio; 2. Artic., daß die Prophezeiung oder Offenbarung, welche in Gemäßheit der Einbildung oder des menschlichen Verstandes erfolgt, eine Folge der Kraft des intellektuellen, natürlichen Lichtes ist. Durch die Gabe der göttlichen Weissagung aber wird dem menschlichen Geiste etwas mitgeteilt, das hinausgeht über dasjenige, was das natürliche Vermögen erreicht, und zwar in beiderlei Beziehung, nämlich sowohl in Bezug auf das Urteil durch das Einströmen des intellektuellen Lichtes, als aus die Annahme und Darstellung von Dingen, welche durch andere Bilder erfolgt. In betreff dieses zweiten kann die von Menschen ersonnene oder diabolische Offenbarung der göttlichen Weissagung ähnlich gefunden werden, aber nicht in der ersteren Beziehung. Soweit Thomas von Aquino. Hieraus erhellt, daß, wenn das übernatürliche, intellektuelle Licht in eine Seele, dieselbe mag sich nun in einer imaginären Vision befinden oder nicht, einströmt, es nicht vom Teufel, sondern nur von Gott kommen kann. Hieraus ergiebt sich der deutliche Schluß, daß, wenn die mehrgedachte Frau Brigitta in ihren Gesichten das Einströmen eines intellektuellen und übernatürlichen Lichtes empfand, und immer jemand vorhanden war, welcher auslegte, Christus oder seine Mutter, oder ein Engel oder Heiliger, durch welchen ihr die Gleichnisse und die ihr bildlich eröffneten Worte erklärt und ausgelegt, ihr auch die rechten Bedeutungen des Geschauten gezeigt wurden, wie aus ihren Büchern erhellt. Es folgt also hieraus, daß alle jene Offenbarungen und die Schriften jener Bücher ihr von Gott gewährt sind, welcher dergleichen zu wirken vermögend ist, nicht aber von einem Betrüger, welchem dergleichen zu bewirken unmöglich ist, wie oben aus Angustinus und Thomas dagethan worden. Denn eben hierdurch unterscheidet sich das trügerische Gesicht vom göttlichen. Und hierin stimmen alle heiligen Väter 318 und Lehrer überein. - Das vierte Zeichen, wodurch das Gesicht oder die Offenbarung des guten Geistes sich von dem teuflischen Truge unterscheidet, ist, daß der Prophet oder Seher immer das Wahre vorhersage, die katholischen Geheimnisse und Lehren ausspricht und einen ehrbaren und tugendhaften Wandel zeigt. Dieses sind Anzeichen, daß dergleichen von Gott ist. Denn der Teufel sagt in seinen Trugbildern zuweilen die Wahrheit, um zu berücken, und zuweilen Unwahres; aber der heilige Geist verkündigt allezeit Wahres und niemals Lügenhaftes vorher. Das beweist der heilige Thomas deutlich, wenn er oben spricht: "An etlichen Zeichen kann die Prophezeiung der Teufel von der göttlichen Prophezeiung unterschieden werden." Daher sagt Chrysostomus über Matthäus, daß sie im Geiste des Teufels prophezeien, wie die Wahrsager thun. Allein der Unterschied besteht darin, daß der Teufel zuweilen Unwahres spricht, der heilige Geist aber nie. Darum heißt es im 18. Kapitel des Deuteronomium, Vers 21: "Wenn Du schweigend in Deinem Herzen darauf sagen würdest: wie kann ich das Wort erkennen, das der Herr nicht gesprochen? so sollst Du dieses Zeichen haben: Wenn das nicht geschieht, was dieser Prophet im Namen des Herrn vorhergesagt, so hat es der Herr nicht gesprochen." So sagt auch Augustinus im XII. Buche über die Genesis ad litteram, daß, wenn einige, welche sich in einer Verzückung befinden, in einer imaginären und spirituellen Vision Zeichen oder leibliche Bilder sehen, und sie dabei der böse Geist erfaßt, er sie besessen, wahnsinnig oder zu falschen Propheten macht. Ist es ein guter Geist so macht er sie gläubig, daß sie verborgene Dinge reden, oder unter Hinzutritt des Verständnisses des göttlichen Lichtes zu wahren Propheten, oder bewirkt, daß sie eine Zeit lang dasjenige sehen oder erzählen, was durch sie geoffenbart werden soll. - Weil nun diese selige Frau allezeit, wenn man es recht versteht, das Wahre vorherverkündigt, und in keinem ihrer Bücher etwas Unwahres, Lügenhaftes oder nicht Katholisches gesagt, sondern lauter Wahres, was den katholischen Glauben bekräftigt und die Lehre der Ketzer verwirft, verkündigt, auch stets Tugenden hat sehen lassen, wie aus diesem Buche und anderen ihr offenbarten Büchern erhellt, so folgt klar, daß ihr das alles aus göttlicher Gnade, nicht aber durch teuflische Täuschung eingegossen und gezeigt ist. - Das fünfte Zeichen, 319 mittels dessen man unterscheidet, ob Visionen vom guten oder vom bösen Geiste eingegeben worden, ist die Frucht oder das Werk, welche solchen Visionen oder Offenbarungen folgen, weil dem Evangelium zufolge ein schlechter Baum keine guten Früchte bringen kann. Denn an ihren Früchten sollet ihr sie erkennen. (Matth. VII.) Die wahre Prophezeiung ist vermöge einer großen Erbarmung Gottes geordnet und den Menschen zur Richtschnur der menschlichen Thätigkeit, zur Leitung dessen, was ausgeführt werden soll, oder zur Offenbarung von Geheimnissen wie ein gewisses göttliches Licht gegeben worden, mittels dessen die Menschen geleitet und sowohl in der Kenntnis des Glaubens, als in allen tugendlichen Werken unterwiesen werden sollen, je nachdem es zum Heile der Auserwählten nützlich war. Die Prophezeiung hat sich auch stets nach der Verschiedenartigkeit der Zeiten und Dinge verschiedenartig gestaltet, wie Thomas in II. 2. tit. de prophetia; oder in 2. im letzten Kapitel angiebt. Im 29. Kapitel der Proverbien heißt es V. 18.: "Wenn die Weissagung abnimmt, wird das Volk zerstreut." Wenn wir daher sehen, daß nach solchen Gesichten oder Offenbarungen solcher Worte das Innere des Sehers erhellt, sein Verstand und sein Gewissen erleuchtet, sein Leben geläutert und gebessert wird, lasterhafte Menschen zu einem tugendhaften, gottesfürchtigen Leben, vom Kriege und Hasse zum Frieden, von der Hoffart zur Demut und zum Gehorsame, vom Bösen zum Guten bekehrt werden, und wenn dies bei vielen Personen geschieht und lange Zeit anhält, alsdann ist es ein ganz sicheres Zeichen, daß Gesichte und Offenbarungen, welche eine solche Frucht trieben und hervorbrachten, nicht vom Teufel, sondern vielmehr vom heiligen Geiste ausgegangen sind. Solches zu thun ist dem Teufel unmöglich, sondern aus seinen Visionen oder vielmehr Trügereien geht ganz das Gegenteil hervor; denn sie pflegen den Menschen vom katholischen Glauben, vom guten Wandel, von der gesunden Lehre, vom Gehorsame gegen die geistlichen Vorgesetzten und die heilige Schrift, sowie von der Unterwürfigkeit gegen die heilige Mutter Kirche u. s. w. abwendig zu machen. Wenn nun also aus diesen Gesichten, Offenbarungen und den in diesen Büchern der vorgedachten seligsten Frau geoffenbarten Worten immer nur hervorgegangen, was göttlich ist, ingleichen alle Tugend und Reinigkeit des Wandels, Bekehrung und 320 Besserung der Nächsten, Offenbarung der Geheimnisse, Stärkung des Glaubens, Verdammung der Ketzer, Strafung der Laster und wahre Prophezeiung des Künftigen, was alles aus diesem Buche, sowie aus ihren anderen Büchern und durch allgemein und öffentlich bekannte Erfahrung unter vielen Personen und in vielen Teilen der Welt kundlich ist, so wird notwendig der Schluß gezogen, daß alle diese Ausflüsse Hervorgänge der überaus reinen und lauteren Quelle des heiligen Geistes, nicht aber des finsteren, stinkenden Sumpfes der Täuschung sind, und daß sie die Absicht haben, in dieser neuen, durch die Finsternis der Laster verdunkelten Zeit durch heilige Lehre die Menschen in dem, wie sie handeln sollen, zu unterrichten, auf daß sie der schrecklichen, strengen, göttlichen Gerechtigkeit, die in diesen Büchern dargestellt worden, entfliehen, und sich in den Schoß der Furcht und Erbarmung Gottes flüchten möchten. - Das sechste Zeichen, daß solche Dinge von Gott und nicht von einem boshaften Geiste sind, beweisen der Tod oder das Löbliche und Tugendsame der Person, welche die Gesichte hat. Denn man soll wissen, daß, wenn zuweilen einige Personen von Gesichten oder vielmehr Täuschungen unter dem Scheine des Lichtes lange Zeit betrogen worden, indem ihnen der Teufel vieles Wahre zeigte, um sie am Ende mit einer Lüge zu hintergehen, wir gemeiniglich immer in den Schriften der heiligen Väter angeführt finden, daß die also Betrogenen in irgend einem Irrtume oder bösem, jähem Tode, oder ohne am Ende die Sakramente empfangen zu haben, vom Teufel getötet sind. Und dieses hat Gott immer anderen offenbar machen wollen, um sie vor ähnlichen schöngefärbten Täuschungen sich hüten zu lehren. Dagegen hat Gott an seinen Heiligen, welche durch göttliche Heimsuchungen oder Gesichte in ihrem Leben getröstet und erleuchtet worden waren, bei deren Tode sich gewöhnlich wirksam erwiesen. - Nachdem er sie in ihrem Leben stets schützend geleitet und sie mit vielen Tugenden und Wundern geschmückt hatte, hat er sie auch bei ihrem Tode durch irgend eine besondere Gnade gleichsam wie durch ein bewährendes Urteil wunderbar verklärt, wie an Johannes dem Evangelisten und vielen ihm ähnlichen deutlich zu sehen ist. Also hat der gute Jesus es auch mit seiner vorgedachten seligsten Braut gemacht. Er ist ihr mit seiner wunderbaren, von oben her gewährten Gnade 321 zuvorgekommen, weil sie im geordneten Fortschritte vom Untersten zum Obersten hinaufgestiegen ist; denn sie war erhaben durch Erniedrigung, lebendig durch Abtötung, klug in der Einfalt, leuchtete durch jegliche Ehrbarkeit der Sitten hervor; deshalb erhob er sie in ihrem Leben durch wunderbare, übernatürliche Gnaden, und schmückte sie seraphischerweise mit himmlischen Gesichten und Einsprachen zum Nutzen der Kirche. Ebenso sagte er ihr am Ende des Lebens den Tod vorher, und zeigte sich bei ihrem Heimgange, zum Zeichen seines Beifalles, auf tröstliche Weise ihren leiblichen Augen, und nahm ihre Seele wie eine geliebte Braut zur himmlischen Vermählung mit süßester Umarmung auf, wie oben gesagt worden und auch deutlich im letzten Kapitel des letzten himmlischen Buches und in der Legende ihres Lebens zu sehen. Mit einem solchen Siegel der Bestätigung wollte Gott selber die seiner Braut auf göttliche Weise offenbarte Schrift dieser Bücher gewissermaßen bewähren und zum Nutzen der Kirche und der Gläubigen dieselbe wunderbarlich besiegeln. Deshalb erschien er ihr, der er im Leben so oft in prophetischen, spirituellen und intellektuellen Gesichten sich gezeigt, vor ihrem Heimgange und sagte ihr ihren Tod voraus, wobei er sich durch mehr als eine bloß prophetische, nämlich durch eine korporelle Vision zeigte. - Das siebente Zeichen eines guten Geistes ist die Verklärung dessen, der die Visionen hatte, nach seinem Tode durch Wunder. Denn wer bis zu seinem Tode durch Visionen vom Teufel betrogen wird, verdient nicht, nach seinem Tode durch göttliche Wunder verklärt zu werden. Und weil diese würdigste Braut Christi ihrem Leben nicht vom Teufel in ihren Gesichten betrogen worden war, hat Christus sie nach ihrem Tode durch viele und staunenswerte Wunder verklärt, namentlich durch Erweckung vieler Toten, Erleuchtung der Blinden, Heilung der Tauben, durch zahllose wunderbare Herstellungen Kranker von verschiedenen Krankheiten, um die, welche er im Leben herrlich gemacht, uns im Tode noch herrlicher zu zeigen. Das alles ist so deutlich und offenbar, und durch gewährte Zeugnisse sowohl im Reiche Schweden, als zu Rom, im Reiche Sicilien und vielen anderen Teilen der Welt, wo zu ihrem Gedächtnis und ihrer Verehrung ihr von Gläubigen gemaltes Bildnis in vielen Kirchen gefunden wird, verbreitet und bestätigt, daß es eines weiteren Be- 322 weises nicht bedarf, auch solches durch keinerlei Ausflucht verheimlicht werden kann. -
Auch das soll die Gemüter aller, welche diese von Gott gewirkten Offenbarungen lesen, zur leichteren Annahme des Glaubens und der Wahrheit bewegen, daß so viele Worte und so viele in diesen himmlischen Büchern enthaltenen Wunder, welche in diesen himmlischen Büchern mit solchem Ernste vorgetragen worden, keinen anderen Glauben predigen, als den von Christus gepredigten. Sie führen uns keinen neuen Christus, auch keinen Antichristus vor, sondern ermahnen uns, denselben, welcher für uns am Kreuze gelitten hat, zu glauben, brünstiger zu lieben und zu fürchten. Von der Wahrheit, welche in Christo ist, nehmen sie nichts hinweg, noch setzen sie etwas hinzu, vielmehr wird seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zur Förderung unseres Heiles in diesen Büchern noch deutlicher, als in anderen Büchern der Propheten auf göttliche Weise gezeigt. Denn die himmlischen Worte dieser Bücher lehren uns Gott recht fürchten, andächtig lieben und das Göttliche weislich begehren. Prüfet also, das Vorgedachte lesend, und wenn ihr es anders findet, widersprechet kühn. Vergleiche hierüber das XIV. Kapitel im zweiten himmlischen Buche am Ende. So weiche denn nun der vermessene Argwohn des trügerischen Geistes und die übermütige, böse Nachrede und der Neid des thörichten Urteils; so werde denn Raum gegeben der Herrlichkeit und Gnade Gottes, welche sich als eine um so größere zu erkennen giebt, je unglaublicher sie unserer Unwissenheit und unserem geringen Glauben vorkommt. Lasset uns daher dem Vater der Barmherzigkeit und dem Gotte des Trostes Dank sagen, daß er bei so vielem Elende der alternden Welt, mit so vielen Erbarmungen den Elenden zu Hilfe kommt, daß sie nicht in den Abgrund der Verzweiflung versinken.
Kapitel VII.
Wiederholung alles Vorhergesagten.
Um nun die vorgedachte Art und Weise der an Personen, welche Visionen und Offenbarungen schauen, anzustellenden Prüfung zu wiederholen, so sage ich kürzlich: Wenn eine Person bei der 323 Prüfung demütig befunden wird, namentlich wenn sie unter dem steten Gehorsame eines geistlichen Vaters lebt, dessen Klugheit sie alles unterwirft, und wenn ihr Inneres, während sie unter dem Gebete in eine Verzückung entrückt wird, eine besondere Süßigkeit der göttlichen Liebe empfindet, auch in eine imaginäre oder eine bloß einfache, intellektuelle Vision versetzt, das Einströmen eines übernatürlichen Lichtes göttlicher, intellektueller Wahrheit empfindet, und ihr dann die Wahrheit dieser Materie geoffenbart wird, sie auch in ihren Visionen allezeit die Wahrheit vorherverkündigt, und aus diesen Visionen die Frucht der Erbauung und der eigenen wie anderer Besserung hervorsprießt, so behaupte ich, eine solche Person wird nicht vom Teufel getäuscht, und ihre Visionen sind nicht trügerisch und zu verachten, sondern vielmehr durchaus göttliche, und müssen demütiglich wie aus der Hand Gottes angenommen und geglaubt werden; man soll ihnen gehorchen und sie vollführen, wie kürzlich aus allem Obgesagten und aus den Aussprüchen aller Lehrer und heiligen Väter sich ergiebt, welche über diesen Gegenstand vielfach und ausführlich reden.
Kapitel VIII.
Vorrede zum Buche des himmlischen Kaisers an die Könige, worin die Art und Weise seiner Entstehung angegeben und Könige und Fürsten ermahnt werden, dieses Buch andachtsvoll und demütig aus der Hand Gottes aufzunehmen und mit Herz und That diese Lehre emsig zu befolgen.
Nun wollen wir zum Gegenstande des gegenwärtigen Buches übergehen. Da ist denn nun zu wissen, wie das nachfolgende Buch: der himmlische Kaiser an die Könige überschrieben ist, weil es auf eine von Gott gewirkte Weise, mittels einer spirituellen und intellektuellen Vision der mehr belobten seligsten Frau Brigitta, ehemaligen durchlauchtigsten Prinzessin von Nerike, im Königreiche Schweden, geoffenbart worden, welche, wie ich oben gemeldet, aus dem erlauchten Geschlechte und Vaterlande der gotischen Könige abstammte. Es geziemte sich, daß diejenige, welche der Kaiser Christus zu seiner Braut annahm und als seine besondere Botin an Könige und Fürsten, wie eine Apostolin, mit seinen Briefen und evange- 324 lischen Worten sendete, nicht von gemeiner und niedriger Herkunft, sondern vom königlichen Stamme und Geschlechte war. Weil nun in dem großen Werke des himmlischen Buches, welches wieder sieben einzelne Bücher begreift, viele Offenbarungen, welche Könige und Kaiser angehen, eingeschlossen, auch außerhalb desselben sehr vieles von derselben Materie im Umlaufe ist, so haben wir, damit alle dieselbe Materie behandelnden Stellen in ein Buch zusammengebracht werden möchten, aus dem weitläufigen Lustgarten des vorgedachten himmlischen Buches dasjenige, was hierher gehört, ausgezogen, und mit dem anderen im Umlaufe Befindlichen wie Blumen zur Fassung einer neuen königlichen Krone in dieses Buch zusammengefügt und vereinigt. Selig, wer die Worte der Prophezeiung dieses Buches liest und hört, und dasjenige bewahrt, was darin geschrieben steht; denn die Zeit ist nahe. Wohlan denn, ihr Kaiser und Könige und alle Königinnen und übrigen Fürsten, neiget euere Häupter Gott, d. h. erniedrigt euere stolzen, mit Ehrgeiz und Begierde angefüllten Herzen, und nehmet demütig diese kostbare himmlische Königskrone aus der Hand einer so königlichen und überaus schönen Braut Christi, da er selbst uns solche so gütig und barmherzig zugedacht hat, d. i. diese heilige Lehre des gegenwärtigen Buches, welche darüber handelt, welche Kleidung und an welchen Tagen die Könige die Krone tragen; ferner, was für ein wohlgesittetes, frommes und ehrbares Leben die Könige führen, und wie die Königinnen, ihre Frauen, sein, welche Männer die Könige zu ihren Räten annehmen und behalten und welche sie von sich entfernen und wegjagen sollen; wie sie ihre Kriegsleute wählen und den gemeinen Mann behandeln, wie sie ihre Reiche regieren und das Wohl des Staates fördern, für denselben eifrige Sorge tragen und ihn mit zarter Teilnahme behüten, und wie sie die Kreuzzüge und Kriege wider die Ungläubigen auf kluge, gerechte und verdienstliche Weise unternehmen sollen. Schließlich wird ihnen in diesem Buche aus dem Munde dessen, der auf dem Throne sitzt, ein doppelschneidiges Schwert, nämlich die schreckliche Gerechtigkeit Gottes über einige verstorbene Könige gezeigt, deren Seelen die vorgedachte Braut Christi im göttlichen Gerichte auf eine wunderbare und strenge Weise hat richten und verurteilt werden sehen, damit den neueren Königen hierdurch sich zeigen möge, wie scharf 325 und streng jenes göttliche Schwert ist, welches, mit der einen scharfen Schneide geschwungen, etliche an der Ehre und am Leben durch Erniedrigung und Tod straft, andere aber mit der zweiten noch schärferen Schneide nach dem Tode an der Seele mit schrecklicher Strafe und ewiger Verdammnis heimsucht, damit solchergestalt alle Könige und Fürsten wissen mögen, wie bei Gott kein Ansehen der Personen stattfindet, sie vielmehr durchaus erkennen, ein wie strenges göttliches Gericht sie vor und nach dem Tode zu gewärtigen haben, und wie sehr und auf welche Weise sie bei dem, was sie thun, Gott zu fürchten haben. So schöpfet denn, ihr Könige alle, die ihr auf Erden gebietet, hieraus Erkenntnis und Unterweisung, dienet dem Herrn in Furcht, und freuet euch in ihm mit Zittern. Ergreifet, ich bitte euch, diese Züchtigung mit Demut, auf daß nicht etwa der Herr zürne. Denn selig sind alle, welche, wenn sein Zorn in kurzer Zeit entbrannt sein wird, mit reinem Herzen und gerechtem Werke auf ihn gehofft haben, der der Könige König, der Herren Herr ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. 326
Das Buch des himmlischen Kaisers an die Könige, der heiligen Brigitta von Gott geoffenbart.
Kapitel I.
Der höchste Kaiser Christus redet durch die Braut mit den Königen und zeigt, wie er der wahre Schöpfer und König aller Dinge ist, und in der Dreieinigkeit und Einigkeit regiert. Er sagt, wie er angeordnet, daß die Welt beherrscht werde durch eine zweifache Gewalt, die geistliche und die weltliche, die vorzugsweise in den Aposteln Petrus und Paulus angedeutet worden.
Ich schaute einen großen Palast, von unbeschreiblicher Größe, dem heiteren Himmel ähnlich. In demselben befanden sich unzählbare Personen. Dieselben saßen auf Stühlen und waren angethan mit weißen, wie Sonnenstrahlen glänzenden Kleidern. In dem Palaste erblickte ich einen wunderbaren Thron, auf welchem einer saß wie ein Mensch, heller leuchtend denn die Sonne, ein Herr von unbegreiflicher Schönheit und unermeßlicher Macht. Sein Glanz war nicht zu begreifen nach Länge, Tiefe und Breite. Neben dem Stuhle aber stand eine Jungfrau, welche in wunderbarem Glanze strahlte und eine kostbare Krone auf dem Haupte 327 hatte. Und alle, die dabei standen, dienten dem auf dem Throne Sitzenden, lobten ihn in Hymnen und Liedern, und ehrten die Jungfrau voll Ehrerbietung als eine Königin der Himmel. Derjenige aber, welcher auf dem Throne saß, sprach zu mir mit gar ehrbarer Stimme: "Ich bin der Schöpfer des Himmels und der Erde, mit dem Vater und dem heiligen Geiste ein wahrer Gott. Denn Gott ist der Vater, Gott der Sohn und Gott der heilige Geist. Es sind nicht drei Götter, sondern die drei Personen sind Ein Gott. Nun wirst Du aber fragen können: Wenn drei Personen sind, warum nicht drei Götter? Ich antworte Dir, daß Gott die Macht selbst, die Weisheit selbst, die Güte selber ist. Von ihm ist alle Macht unter und über dem Himmel, alle Weisheit und alle Güte, welche erdacht werden kann. Daher ist er dreifältig und Einer; dreifältig in den Personen, Einer dem Wesen nach; denn die Macht und Weisheit ist der Vater, von dem alles ist und der vor allem mächtig ist, nicht anderswoher, sondern von sich selber und ewiglich. Die Macht und die Weisheit ist auch der Sohn gleich dem Vater, nicht mächtig durch sich selber, sondern vom Vater auf mächtige und unaussprechliche Weise gezeugt, Anfang vom Anfange und vom Vater niemals gesondert. Die Macht und Weisheit ist auch der heilige Geist, welcher vom Vater und Sohne ausgeht, und mit dem Vater und Sohne ewig und gleich ist an Macht und Majestät. Es ist also Ein Gott und sind drei Personen, weil Natur, Wirken, Willen, Herrlichkeit und Macht der Drei Eins sind. Er ist im Wesen in der Art eins, daß dabei eine Geschiedenheit der Personen nach ihrer Eigentümlichkeit stattfindet. Denn der Vater ist ganz im Sohne und Geiste und der Sohn im Vater und Geiste und deren Geist in beiden in einerlei Natur der Gottheit. Nicht wie früher und später, sondern wo unaussprechlicherweise nichts früher, nichts später, nichts größer, nichts kleiner, als das andere, sondern alles unaussprechlich und gleich ist. Deshalb ist denn mit Recht geschrieben, daß Gott wunderbar und sehr preiswürdig ist. Denn die Gottheit hat ihr Wort der Jungfrau Maria durch ihren Engel Gabriel gesendet; nichtsdestoweniger war es ein und derselbe Gott, der da sandte und durch sich selber gesandt ward, der da war mit dem Engel in Gabriel und vor Gabriel in der Jungfrau. Nachdem aber das 328 Wort vom Engel gesprochen worden, ward das Wort in der Jungfrau Fleisch. Dieses Wort bin ich, der ich mit Dir rede. Der Vater sandte mich in den Schoß der Jungfrau, nicht so, daß die Engel die Anschauung und Gegenwart meiner Gottheit entbehrt hätten, sondern ich, der Sohn, der ich beim Vater und mit dem heiligen Geiste im Schoße der Jungfrau war, war derselbe im Himmel beim Vater und beim heiligen Geiste im Angesichte der Engel, alles regierend, alles erhaltend, obwohl meine Menschheit, die von mir allein angenommen worden, in Marias Schoße ruhte. In der Gottheit und Menschheit ein Gott, verschmähe ich es nicht, zur Erweisung meiner Liebe und zur Stärkung des heiligen, christlichen Glaubens mit Dir zu reden, und obwohl meine Menschheit anscheinend bei Dir ist und mit Dir redet, so entspricht es doch mehr der Wahrheit, daß Deine Seele und Dein Verstand bei mir und in mir ist, denn mir ist nichts unmöglich und nichts schwer im Himmel und auf Erden. Ich bin wie ein mächtiger König, welcher mit seinem Kriegsheere vor eine Stadt rückt, alle Plätze anfüllt und einnimmt; so erfüllt meine Gnade alle Deine Glieder und stärkt dieselben alle. Ich bin endlich in Dir und außer Dir, und obschon ich mit Dir rede, bin ich doch derselbe in der Herrlichkeit. Was ist mir schwer, der ich mit meiner Macht alles erhalte, mit, meiner Weisheit alles ordne, mit meiner Kraft alles überwinde? Ich bin mit dem Vater und dem heiligen Geiste ohne Anfang und ohne Ende Ein Gott, und habe in der zum Heile der Menschen angenommenen Menschheit, während die Gottheit unverletzt blieb, wahrhaft gelitten, bin auferstanden, gen Himmel gefahren, und rede jetzt wahrhaft mit Dir. Ich bin der wahre und höchste Kaiser und Herr. Kein Herr ist vornehmer, als ich, keiner war vor mir und keiner wird nach mir sein; sondern alle Herrschaft ist von mir und durch mich. Darum bin ich der wahre Herr, und kein anderer ist wahrhaft Herr zu nennen, als ich allein; denn von mir ist alle Macht und Herrschaft, und meiner Macht wird niemand widerstehen können. Ich bin auch ein König der Krone. Weißt. Du wohl, meine Braut, weshalb ich gesagt habe, König der Krone? Fürwahr, weil meine Gottheit ohne Anfang gewesen, ist und ohne Ende sein wird, und eine Krone ohne Anfang und ohne Ende ist, deshalb wird meine Gottheit mit einer 329 Krone verglichen. Wie aber in einem Reiche die Krone für den künftigen König aufbewahrt wird, so wurde meine Gottheit für meine Menschheit aufbewahrt, auf daß dieselbe damit gekrönt werden möchte. Ich aber habe zwei sehr gute Diener gehabt. Einer war ein Geistlicher, der andere ein Weltlicher; der erste war mein Apostel Petrus, welcher das Amt eines Geistlichen bekleidete, der zweite war der Apostel Paulus, noch ein Laie. Als Petrus, der an den Ehestand gebunden war, erkannte, daß die Ehe mit dem Stande eines Geistlichen sich nicht vertragen könne, und erwog, wie die rechte Ordnung seines Herzens durch Unenthaltsamkeit in Gefahr stehe, so sagte er sich von der fleischlichen Beiwohnung in der Ehe los, obwohl dieselbe erlaubt war, und hing mir mit vollkommenem Herzen an; Paulus aber bewahrte die Keuschheit und behütete sie, ohne sie durch Beilager zu beflecken. Siehe nun, welche Liebe ich beiden erwiesen habe; denn dem Petrus habe ich die Schlüssel des Himmelreiches gegeben, damit, was er auf Erden binden und lösen möchte, im Himmel gebunden und gelöst bleibe, dem Paulus aber gab ich, daß er dem Petrus in Herrlichkeit und Ehre gleich würde. Und deshalb sollst Du wissen, daß, gleichwie sie auf Erden gleich und verbunden waren, so sie jetzt im Himmel in beständiger Herrlichkeit verbunden und verklärt sind.
Obwohl ich nur diese zwei ausdrücklich genannt habe, verstehe ich doch unter ihnen und mit ihnen auch meine anderen Päpste und Könige und Freunde. Denn wie ich vor Zeiten im Gesetze zu Israel allein als mit einem Menschen redete, während ich das ganze israelitische Volk meinte, so verstehe ich jetzt unter diesen beiden alle, die ich mit meiner Herrlichkeit und Liebe erfüllt habe. Im Fortgange der Zeit begann das Böse sich zu mehren und das Fleisch schwach und mehr als sonst zum Bösen geneigt zu werden; darum habe ich für beide Stände, den Stand der Geistlichen und Weltleute, die ich unter Petrus und Paulus verstehe, barmherzigerweise gesorgt, und den Geistlichen erlaubt, daß sie die Kirchengüter zum Nutzen des Leibes maßvoll besitzen wachten, auf daß sie desto inbrünstiger und emsiger in meinem Dienste wären. Es hat mir auch gefallen, daß die Weltleute in ihrem Ehestande nach dem Brauche der Kirche ehrbar leben möchten." 330
Kapitel II.
Der höchste Kaiser Christus giebt hier zuerst Anordnungen für die Könige, was für Ratgeber sie haben sollen, und erteilt ihnen zehn höchst nützliche, die Sitten betreffende Ratschläge.
"Ich bin der wahre König, und niemand ist würdig außer mir, König genannt zu werden, weil von mir alle Ehre und Macht ist. Ich bin es, der den ersten Engel gerichtet, welcher aus Hoffart, Begierlichkeit und Neid fiel. Ich bin es, der Adam und Kain und die ganze Welt richtete, indem ich um der Sünden der Menschen willen die Sündflut sandte. Ich bin derselbe, der das israelitische Volk in die Gefangenschaft kommen ließ und dasselbe unter Wunderzeichen aus der Gefangenschaft wunderbar herausgeführt habe. In mir ist, war ohne Anfang und wird ohne Ende sein alle Gerechtigkeit, und niemals wird die Gerechtigkeit bei mir gemindert, sondern bleibt immer mehr und unwandelbar in mir. Weil nun dieser König von Schweden Dich in Demut gefragt hat, wie er in seiner Regierung gerecht und verständig leben soll, will ich es ihm anzeigen. Zehn Stücke muß er beobachten. Das erste, ist, daß er diejenigen Räte von sich entferne, deren Herzen voll Ehrgeiz und Begierde, deren Zunge doppelredig und voll Truges ist, und deren Augen in geistlichen Dingen blödsinnig sind. Er soll dagegen solche auswählen, welche die Gerechtigkeit nicht für Geld verkaufen, welche sich der Lüge und des Schmeichelns schämen, welche Gott mehr lieben als das Fleisch, und welche Barmherzigkeit haben mit dem Elende der Nächsten. Das zweite, was ich will, ist, daß der König mit seiner Hilfe Dir Beistand leiste zum Baue Deines Klosters, für welches ich selber Dir die Regel diktiert habe. Das dritte ist, daß er seine Vasallen und Leute an diejenigen Orte der Ungläubigen sende, wo der katholische Glaube und die Liebe gemehrt werden können, denn deshalb sind seine Lehensleute in der Stadt Hamn ⋅1⋅ erschlagen worden, weil er voll Ehrgeiz nach dem Teile eines fremden christlichen Reiches trachtete. 331 Das vierte ist, daß der König täglich die Tageszeiten der seligsten Jungfrau Maria, meiner Mutter, bete; hat er nötig, daß er Recht spreche, oder hat er andere wichtige Sachen vor, so kann er die Tageszeiten unterlassen. Er soll auch täglich zwei Privatmessen und eine gesungene Messe hören und täglich fünfmal an meine fünf Wunden denken, welche ich für ihn am Kreuze ertragen. Das fünfte ist, daß er an den Vigilien der Feste der Heiligen und meiner Mutter, welche von der heiligen Kirche vorgeschrieben sind, faste. Am Freitage soll er in Fischen, und Samstags, wenn er will, in Milchspeisen fasten, die vierzigtägigen Fasten aber soll er nach dem Brauche seines Vaterlandes beobachten, jedoch soll er bei seinem Fasten beachten, daß er sich darin mäßige und beherrsche, damit er nicht infolge ungeeigneter Fasten oder wegen unvernünftigen Wachens oder zu langer Gebete lau in der Ratsversammlung oder lässig im Rechtsprechen werde. Wenn ihm aber die Arbeit zu sehr wächst, dann soll er dem Rate und der Gewalt, sowie dem Dispense der geistlichen Vorstände meiner Kirche nachgeben. Das sechste ist, daß er jeden zehnten Pfennig, welcher dem königlichen Schatze gebührt, unter die Armen als Almosen austeile; will er aber aus Liebe zu mir noch anderes frommerweise aus gewissem Anlasse als etwas übriges thun, so wird ihm ein größerer Lohn zu teil werden. Das siebente ist, daß er alle Freitage dreizehn Arme versammelt, denselben die Füße wäscht und eigenhändig Geld und Nahrung an dieselben spendet, wenn er nicht etwa auf der Reise ist, um derenwillen dergleichen unterlassen werden darf. Am Freitage soll er sich auch frei machen von allen Geschäften, wenn er einen ruhigen Aufenthaltsort hat, und an diesem Tage die Klagen der Unterthanen in den Gemeinden des Reiches anhören, auch Untersuchungen anstellen über die Treue und die Verwaltung der Landvögte und Richter des Reiches, der Lehensleute, der Steuerbeitreiber und Erheber der Abgaben und königlichen Zölle. Das achte ist, daß der König bei seinen Geschenken die Billigkeit beobachte, daß er, während er dem einen giebt, gegen andere nicht geizig sei, und wenn er einem wegen seiner Verdienste und für größere Arbeit mehr, als dem anderen geben wollte, soll er es mit reiflicher Überlegung und Vorsicht thun, damit am Könige keine Unbilligkeit gerügt oder Gelegenheit zum Murren gegeben 332 werde. Denn nichts ist an mächtigen Herren so tadelnswürdig, als Verschwendung oder zu große Kargheit, und nichts geziemt einem Könige und ziert ihn so, als mit Bescheidenheit herrschen und diejenigen, welche arbeiten, mit Liebe zu belohnen. Der König wird auch seine Geschenke Auswärtigen, welche seinem Reiche den Frieden erhielten, sowie denen, welche Not leiden, zu teil werden lassen. Er soll dieses aber so thun, daß seine Lehensleute und sein Hausgesinde nicht vernachlässigt oder vergessen werden. Das neunte ist, daß er das Gesetz Gottes nicht übertrete, noch neue Gewohnheiten wider löbliche Satzungen aufbringe, er soll auch nicht mit Gewalt durchsetzen und richten, was ihm in den Sinn kommt, sondern alles nach dem Gesetze Gottes und des Reiches ausrichten, weil es einem Könige nicht ansteht, vieles zu gebieten und nichts zu thun, die Gerechtigkeit zu umgehen und grausam zu herrschen. Das zehnte ist, daß der König durch seine Werke sich des königlichen Namens würdig erzeige, indem er die Begierlichkeit flieht und die Demut wahrhaft liebt. Denn um so viel als der König größer ist, denn die übrigen, um so demütiger soll er vor Gott sein, von welchem alle Gewalt ist; dieser wird im Gerichte vom Könige so strenge Rechenschaft fordern, wie vom Volke und vom gemeinen Haufen."
Kapitel III.
Der höchste Kaiser Christus verordnet hier, daß die Könige vor allen eine ehrbare und edlere Kleidung zum Zeichen der Würde und des Vorzuges tragen sollen. Er sagt auch, an welchen Tagen und Festen sie die königliche Krone tragen sollen.
Der Sohn Gottes sprach: "Weil es der Mensch verachtet hat, Gott zu gehorchen, muß er nun dem Menschen gehorchen, der seinesgleichen ist, und weil der König von Gott bestellt wird, um gerecht zu richten und zu herrschen, deshalb ist es recht, daß er von seinen Unterthanen geehrt und gefürchtet werde. Damit der König sich von anderen unterscheide, ist es notwendig, daß er vor den übrigen ein anständiges und ehrbares Kleid habe; denn wie die Ehre des Königs die Gerechtigkeit und das Gericht ist, so ist die Ehre des Volkes des Königs Schönheit und Ehrbarkeit. Deshalb wird dem 333 Könige ein ehrenvolles und ehrbares Kleid gestartet. Wenn er dasselbe trägt, soll er über diese Erlaubnis nicht stolz werden, sondern sich demütigen, indem er die Bürde seines Amtes betrachtet. An folgenden Tagen soll der König seine Krone auf seinem Haupte tragen: am Tage meiner Geburt, meiner Erscheinung, Auferstehung, Himmelfahrt, Pfingsten, der Assumption meiner Mutter, der Jungfrau, der Kreuzeserhöhung und Allerheiligen, sowie an allen Tagen, an denen er allgemeine Gerichtstage hält, und an denen, wo er Ritter zu schlagen hat. Wie an den Festtagen meiner Menschheit und der Verherrlichung meiner Heiligen das ganze himmlische Heer über meine Wohlthaten frohlockt, so müssen sich die Gerechten auf Erden über die Gerechtigkeit des Königs, welche durch die Krone bedeutet wird, freuen, wie sich auch der ganze himmlische Hof über die gerechte Verwaltung eines frommen Königs freut."
Kapitel IV.
Der höchste Kaiser Christus giebt für die Könige zehn heilsame Ratschläge, nach denen sie sich und ihre Reiche beherrschen sollen.
Der Sohn Gottes redete zur Braut und sprach: "Ich habe dem Könige zuvor einige Stufen angegeben, mittels deren er sich zum Himmlischen erheben kann. Hält und bewahrt er dieselben, so wird er mit solcher Leichtigkeit zum Himmel emporsteigen, wie der, welcher ein beschauliches Leben führt. Nun aber will ich dem Könige zehn Ratschläge geben. Der erste ist, daß er an seinem Tische nicht allein, sondern mit einigen Unterthanen sitze, welche durch seine Gegenwart sich leiblich und geistlich getröstet fühlen, weil er sie hierdurch von Sünden und Unehrbarkeiten abgezogen werden. Der zweite Rat ist, daß er nach Tische etwas verweilen und sich in ehrbarer Weise ergötzen kann, denn aus der herablassenden Unterredung und dem häuslichen Verkehre mit den Untergebenen erwirbt er sich Gunst und Liebe und wird die Meinungen und Gründe vieler anhören, welche entweder zu befolgen oder zu verwerfen sind. Der dritte Rat ist, daß er in allen seinen Urteilen und Werken barmherzig und gerecht sei, und weder aus Freundschaft, noch falschem Mitleiden, nicht zu seinem Privatnutzen oder 334 aus zeitlichem Vorteile oder Furcht davon ablasse, Gerechtigkeit zu üben; auch soll er nicht des Zornes halber oder aus Ungeduld die Barmherzigkeit vernachlässigen oder vergessen; denn es ziemt sich für einen König nicht, sich vom Zorne überwinden zu lassen, noch für einen Richter, schnell zu urteilen oder sich durch Bitten vom Wege der Gerechtigkeit abwendig machen zu lassen. Der vierte Rat ist, daß der König die Verwaltungsämter und Richterstellen nicht denen anvertrauen soll, von denen er weiß, daß sie parteiisch und begehrlich sind, noch solchen, welche auf betrügliche Weise Geld auszupressen wissen, denn solche weichen leicht von der Gerechtigkeit ab; sondern der König soll nach solchen sich umsehen, welche von Natur gut geartet, dem guten Vorgange ihrer Voreltern folgen, und mehr die Werke der Gerechtigkeit, als reich zu werden, lieben. Der fünfte ist, daß der König beständig forsche, wie Gesetz und Gerechtigkeit in seinem Reiche gehandhabt werden, und daß er jene Übelthäter nicht ungestraft läßt, welche er zu strafen imstande sein würde; auch soll er sich hüten, den Übertretern zu viel Geld- und andere Bußen aufzulegen; ebenso soll er die Unschuldigen nicht mit Arglist unterdrücken, sondern mit den Reumütigen gelinde verfahren, die Verstockten aber härter strafen, gegen alle jedoch Gerechtigkeit und Barmherzigkeit beobachten, und wo er eine größere Demut sieht, stelle er die Barmherzigkeit über die Gerechtigkeit. Der sechste ist, daß der König fortwährend seine Urteile und Werke erforscht, und hat er erkannt, daß er aus einem leicht beweglichen, jähen Herzensantriebe geirrt hat, soll er sich nicht schämen, zu bessern oder wieder gut zu machen, was übel gethan worden, denn er ist nicht weiser, als David, welcher ebenfalls gefehlt hat, auch nicht weiser, als der Prophet, welcher der Lüge geglaubt hat und vom Löwen getötet ward. (III. Könige XIII.) Der siebente ist, er soll nicht zu hastig im Handeln sein, sondern vor- und umsichtig, indem er das Ende dessen bedenkt, was er vornimmt; auch soll er sich auf den Rat weiser, erfahrener und gottesfürchtiger Männer stützen, denen er folgen und sich von ihnen nicht fern halten soll; denn es ist ein Zeichen eines entarteten und argwöhnischen Gemütes, bewährte Ratgeber im Verdachte zu haben, und reiflich und nüchtern erwogene Beschlüsse von Schmeichlern und Speichelleckern umstoßen zu lassen. Der achte Rat ist, daß er sich vor leichtfertigen 335 Worten und Sitten in allen Dingen auch bei Freunden und Hausgenossen hüte; er fliehe die Schmeichler und Fuchsschwänzer wie Skorpionen, weil sie ihn in seinen Sünden fördern und den Guten ein Ärgernis geben; denn der König soll also beschaffen sein, daß er von den Jüngeren gefürchtet, von den Älteren aber geehrt und von den Weisen gelobt, von den Gerechten geliebt und von den Unterdrückten herzlich begehrt werde. Der neunte ist, daß der König keine Gemeinschaft mit denen pflege, welche von der Kirche in den Bann gethan sind, auch diejenigen nicht begünstige, welche Gott und dessen Gebote verspotten, sondern er soll sie mit liebreichen Worten und Ermahnungen unterweisen und ihnen, wenn sie sich nicht bessern, seine Strenge zeigen und seine Wohlthaten entziehen; denn des Königs Ehre besteht darin, das Göttliche über alles zu lieben und Gottes Ehre mit seinen Kräften zu vermehren. Der zehnte Rat ist, daß er das Volk und die Gemeinde seines Reiches liebe, seine Kriegsleute gut behandle und der Gutthaten der, Eltern an den Kindern gedenke."
Kapitel V.
Der Kaiser Christus rät den Königen, sie sollen zuweilen die Beispiele der Heiligen lesen, wodurch die Herzen zu Gott angeregt werden. Er giebt einem Könige zwei sehr gute geistliche Ratgeber, auf daß er denselben gehorche, und damit andere Könige zu ähnlichem angeregt werden.
Der Sohn Gottes sprach zur Braut: "Es steht von einem gewissen Könige geschrieben, daß, als er nicht schlafen konnte, er sich habe die Jahrbücher oder Chronik bringen lassen. (Esther VI.) So soll auch der König, für welchen Du bittest, weil er jung ist, sich die Werke der Heiligen und die Vorbilder und Thaten der Starken vorlesen lassen, durch welche sein Gemüt zu Gott erweckt werden und er lernen wird, wie er zuweilen unter den Sorgen der Regierung mit ehrbarem Troste sich vergnügen könne. Überdies verordne ich ihm zwei meiner Freunde, die ihm wie zwei Mütter sein sollen. Von einem derselben wird er Milch und Brot erhalten, vom anderen aber Wein und Arznei. Der erste wird ihm anzeigen, wie und worin er sündigt, wie er genugthun soll für 336 seine Sünden, wie er in der Trübsal Trost empfangen und wie er mich, wenn ich erzürnt bin, besänftigen kann. Vom anderen wird er Weisheit in zweifelhaften Dingen, Lösung der Geheimnisse, Klugheit in der Regierung und Verteidigung seines Reiches empfangen. Wird er diesen folgen, so wird er vor Gott und den Menschen fortschreiten. Er soll aber diesen beiden nicht so folgen, daß andere Ratgeber verachtet würden; sondern er möge nebst diesen die Ratschläge vieler anhören und daraus mit Überlegung das Beste erwählen."
Kapitel VI.
Der Kaiser Christus lehrt die Könige, ihre ihnen untergebenen Völker lieben und die rechten Weisen zum Regieren beobachten, indem er ihnen gebietet, ungerechte und schlechte Gewohnheiten abzuschaffen.
Der Sohn Gottes sprach zur Braut: "Ich habe zuvor gesagt, der König solle sein Volk und seine Reichsgemeinde lieben. Daß er sie liebt, giebt er aber dann zu erkennen, wenn er bewährte Gesetze im Gebrauche sein läßt, wenn er über die Gemeinde und das Volk keine grausamen Beitreiber und Steuererheber walten läßt, wenn das Volk nicht mit neuen Erfindungen und Auflagen beschwert wird, wenn er es nicht durch lästige und ungewohnte Gastfreundschaft belastet; jedoch wird er zum Angriffe gegen die ungläubigen beim Volke und der Reichsgemeinde bescheiden um Hilfe bitten können, wenn er in Not ist, nur soll er sich hüten, daß diese Not keine Gewohnheit und kein Gesetz werde. Der König soll auch bemüht sein, die dem Heile der Seelen widrigen Gewohnheiten zu beseitigen, vorzüglich aber jenen von alten Zeiten hergebrachten Brauch, nach welchem die Schiffe, welche in seinem Reichsgebiete ans Gestade verschlagen werden, samt den darauf befindlichen Waren und Gütern weggenommen werden. Ach! was für eine ruchlose Grausamkeit ist es, die Betrübnis der Betrübten noch zu erhöhen! Denn es ist, um den Betrübten auf den Gipfel des Schmerzes zu bringen, genug, daß er sein Schiff verliert, ohne daß ihm auch noch sein anderes Gut entzogen zu werden braucht. Deshalb soll der König diese und andere böse und ungerechte Bräuche 337 in seinem Reiche ausrotten und er wird eine größere Gnade und Förderung vor meinen Augen erfahren."
Kapitel VII.
Gleichlautend mit Kapitel XLVIII des vierten Buches.
Kapitel VIII.
Gleichlautend mit dem fünften Buche nach der neunten Frage ganz
Kapitel IX.
Der Kaiser Christus redet mit der Braut von einer jüngst vermählten Königin, und verkündigt dem Könige, wie dem Königreiche aus dieser Ehe kein Heil, sondern Trübsal erwachsen werde, weil sie von einem Stamme entsprossen ist, der von der Kirche verdammt worden, sich auch vor dem gesetzlichen Alter vermählt hat.
Der Sohn Gottes redete mit der Braut von einem Könige, welcher seine Königin und einem von der Kirche verdammten Geschlechte und vor dem gesetzlichen Alter zur Ehe genommen hatte, und sprach: "Merke auf, meine Tochter, und wisse, daß zu jeder christlichen Ehe das Alter und die gesetzliche Zustimmung vorhanden sein muß, was beides bei dieser Königin fehlt, darum ist diese Ehe einem Puppen- und Kinderspiele ähnlich, weil von den Eheleuten zeitliche Herrlichkeit, aber nicht das christliche Gesetz und die Ehre Gottes gesucht wird, und es wird deshalb aus dieser Ehe für das Reich Trübsal, aber kein Heil hervorgehen. Und obgleich diese neue Königin, die Tochter von der Kirche verdammter Eltern, nicht die Missethat des Vaters tragen wird (Ezechiel XIII.), so wird doch vom Samen dessen, der mich zum Zorne reizt, dem Volke niemals Heil und Frucht kommen. Deshalb ermahnte Isaak seinen Sohn er solle ein Weib aus seinem Volke nehmen, damit er nicht von einem Volke befleckt würde, dem Gott zürnte." 338
Kapitel X.
Die Mutter Gottes ermahnt eine Königin von weltlichen Sitten, sie solle sich zu Gott bekehren, indem sie Gott aus sich Blätter, Blumen und Frucht der Tugenden dadurch brächte, daß sie Gutes spräche und hörte und Gott und den Nächste liebte.
Die Mutter Gottes redete zur Braut und sprach: "Sage der Königin, daß ich, die Mutter der Barmherzigkeit, sie wie einen angefressenen Apfelkern angenommen, welcher nicht schön anzusehen, sondern bitter und so häßlich von Geschmack ist, daß man denselben nicht verschlucken mag. Doch habe ich sie in ein fremdes Land verpflanzt, damit sie gute Früchte bringen möge. Wie nun die Bäume aus sich Blätter, Blumen und Früchte hervortreiben, so soll sie Blätter der Tugenden hervorbringen, indem sie gern die Worte Gottes hört, welche für die Seele nützlich und den Blättern der Bäume ähnlich sind. Sie soll auch reden, was zur Ehre Gottes und zum Nutzen des Nächsten gereicht, weil sie dann schöne Blumen trägt. Ferner soll sie Gott und den Nächsten lieben, und dann hat sie die beste Frucht. Nun aber redet sie gern leichtfertige Dinge und das, womit sie die Ehre und Gunst der Welt erwerben kann, und deshalb soll sie sich zu mir wenden, indem sie meinem Sohne mit dem Gehöre, mit der Rede und dem Werke der Liebe die Frucht bringt, welche ihm am süßesten schmeckt, das ist ihre Seele, welche er vom Herzen zu besitzen verlangt."
Kapitel XI.
Christus verwirft das Gelübde der ehelichen Keuschheit, das ein König und eine Königin, welche miteinander vermählt waren, ohne Rat und reifliche Überlegung gethan, damit kein größeres Übel und Nachteil daraus entstehen möge.
Ein König und eine Königin legten, nachdem sie zwei Söhne gehabt, das Gelübde der Keuschheit und Enthaltsamkeit von einander ab. Als die Braut aufgefordert war, sich hierüber im Gebete bei Gott zu befragen, erschien ihr Christus und sprach: "Die Schrift 339 sagt: Der Mensch soll sich nicht unterfangen, zu scheiden, was Gott zusammengefügt hat. Denn wer sollte wagen, das zu ändern, was vernünftigerweise im Gesetze Gottes gebilligt und geheiligt worden? Indessen kann aus einem gerechten Grunde ein fleischliches Gut zuweilen in ein geistliches Gut verändert werden; alsdann ist es keine Ehescheidung, sondern eine freiwillige Übereinkunft, wonach zwei nach gepflogenem Rate und reiflicher Überlegung aus Liebe zu Gott in eine höhere Vollkommenheit einwilligen. Aber dieser König und diese Königin haben in ein scheinbares, keineswegs verständiges gutes Werk gewilligt, weil der eine Teil in das Gelübde der Enthaltsamkeit im ersten Feuer und aus unklugem Eifer und Leichtsinne, der andere Teil aber aus einigem Wohlgefallen und plötzlicher Anregung, und um den Schmerzen zu entgehen, seine Eiwilligung gegeben hat. Deshalb ist es sicherer und löblicher, zum früheren Gesetze der ehelichen Verbindung zurückzukehren, damit nicht, wenn sie unklugerweise fortfahren und die Versuchungen sich gemehrt haben, auch die Reue über den gefaßten Vorsatz hinzutritt, woraus noch ein größeres Übel und Anlaß zum Schaden entstehen wird; doch sollen die beiden hierin nach dem Rate weiser Männer handeln, denn es ist keine Sünde, weislich zurückzunehmen, was unklugerweise angefangen und unternommen worden."
Kapitel XII.
Christus lehrt hier die Könige, wie sie ihre Weiber mit Klugheit tadeln sollen, und ermahnt eine fromme Königin schön, daß sie demütig und mitleidig gegen die Armen, voll Liebe, klug und bescheiden sein soll.
Der Sohn Gottes sprach zur Braut: "Wenn irgendwo eine Ähre neben einem Herzen wäre, muß dieselbe nicht unversehens und plötzlich, sondern allgemach und leise weggeschnitten werden. Eine Frau, wenn sie gut ist, soll geliebt werden. Da sie aber einem nach Vollkommenheit strebenden Manne zuweilen ein Hindernis ist, so soll der Mann, welcher durch die Ehe an ein Weib gebunden ist, wenn er eine Gefahr sieht, zuweilen gelinde Worte brauchen, wie ein Ermahner, zuweilen mit Mäßigung strengere, nach Art eines Lehrers; bisweilen aber schneiden, wie ein Arzt, denn eine 340 Frau soll man klüglich anhören, damit sie getröstet werde, und bescheiden und heimlich strafen, damit sie nicht verachtet werde und ehrbar unterweisen; bisweilen aber soll man sie nicht anhören, damit die Gerechtigkeit nicht verletzt werde. Für eine Königin geziemt sich Demut des Gemütes, Bescheidenheit in den Werken, Vorsicht in den Geschäften, Mitleid gegen die Armen; so ist durch die Umsicht eines Weibes David besänftigt worden (I. Könige XXV.), daß er keine Sünde that, durch Demut ist Esther zur Königswürde gekommen und darin verblieben, durch Hoffart und Begierlichkeit aber ist Jezabel gestürzt worden. Maria, meine Mutter, ist wegen ihrer Barmherzigkeit und Liebe die Mutter aller im Himmel und auf Erden geworden. Weil denn nun die Königin, für welche Du bittest, durch Dich Rat bei mir sucht, so antworte ihr von meiner Seite und sprich, daß sie Eingebungen und Einflüsterungen von zwei Geistern hat, nämlich von einem guten und einem bösen Geiste, welche ich Dir ein anderes Mal anzeigen werde."
Kapitel XIII.
Gleichlautend mit Kapitel IV des vierten Buches.
Kapitel XIV.
Christus sagte zur Braut in betreff der ebenerwähnten Königin, daß dieselbe den ihr gegebenen Rat Gottes für beschwerlich halte; deshalb kündigt er ihr an, daß, wofern sie nicht bald gehorche, ihr Leben kurz sein, sie im Gerichte eine schwere Rechenschaft abzulegen und ein schweres Ende haben wird.
Christus redete zu der Braut über die oben erwähnte Königin und sprach: "Die Königin, von welcher ich Dir oben gesprochen, hat durch Dich einen Rat bei mir nachgesucht, und nachdem sie den Rat, den ich ihr erteilt, vernommen, scheint ihr derselbe sehr schwer. Darum sollst Du ihr sagen: Es war eine Königin zur Zeit des Propheten Elias, welche ihre Ruhe mehr liebte, als mich, welche die Worte der Wahrheit verfolgte und durch ihre Klugheit zu bestehen vermeinte, darum geschah es, daß sie nicht nur bei allen in eben so große Verachtung und Geringschätzung fiel, als sie zuvor in Ehren stand, sondern auch bei ihrem Tode gestraft wurde. 341 (III. Könige XIX.) Deshalb sage ich, Gott, der ich der deutlicher schaue und das Zukünftige weiß, jener Königin, daß ihre Zeit kurz ist, daß die Rechenschaft, welche sie am Tage des Gerihtes wird geben müssen, schwer, und ihr Ende nicht sein wird, wie ihr Anfang war, wenn sie meinen Worten nicht gehorchen wird."
Kapitel XV.
Gleichlautend mit Kapitel XVII des vierten Buches.
Kapitel XVI.
Christus verbietet einem Könige, daß er einen schlauen Schmeichler nicht zu seinem Ratgeber annehmen solle, weil derselbe begierlich und voll Truges ist; er bedroht den König, sofern er das Gegenteil thun würde.
Der Sohn Gottes redete zur Braut über einen schlauen, schmeichlerischen Menschen, den ein König hoch erheben und zu seinem Rate annehmen wollte, und sprach: "Der Mann, den Du kennst, und welchen der König jetzt zum Ratgeber annehmen will, ist ein Wolf. Und was anderes wird er thun, als daß er raubt, verschlingt und trügt? Darum sage ich, daß, wenn der König meine Freundschaft zu finden sucht, er sich in acht nehmen und von der Freundschaft und dem Verkehre mit jenem Manne zurücktreten soll. Er gestatte ihm nicht den kleinsten Schritt Landes zu nehmen, das er von ihm begehrt, er soll ihm weder mit Leuten, noch mit Gaben helfen, denn er hat einen Schafspelz, aber einen unauslöschlichen Durst und das Gift des Betruges im Herzen. Wenn aber der König seine Ratschläge vernommen und seine Freundschaft will, und sich mit ihm verbindet, so daß er sich gänzlich auf ihn verläßt, so wird er von mir verworfen werden, und vielen zum Sprichworte und Gespötte sein, denn er gleicht mehr einem gekrönten Esel, als einem Fürsten und es ist auch für ihn zu befürchtenn, daß er mit Schmerz sein Königreich verliere. Auch jene Frau, welche mir zuvor teuer war, hat sich von mir abgewendet und sucht vom Samen des Wolfes die Frucht der Ehe wider meinen Willen und meine Worte. Deshalb wisse für das Gewisseste, daß sie sich ihrer Frucht nicht freuen wird, noch wird ihr Same tiefe Wurzeln 342 treiben; auch werden die Einwohner sich über den Erben nicht freuen, weil der König zum Königreiche kein Recht gehabt und der jüngere den älteren hintergangen hat."
Kapitel XVII.
Christus verbietet einem Könige, die Freundschaft eines großen auswärtigen Herrn anzunehmen und denselben in sein Königreich einzuführen. Er vergleicht denselben mit einem Fuchse, weil jener ränkevoll und hoffärtig und ein Räuber der Einfältigen ist.
Christus redete mit der Braut und sprach: "Der König sucht die Hilfe und Freundschaft des Fuchses. Worin besteht aber die Art des Fuchses sonst, als sich tot zu stellen, um einfältige Vögel zu rauben und ist er in einen Gänsestall eingedrungen, so begnügt er sich nicht, eine Gans zu verzehren, sondern er sucht alle zu töten. So ruht jener Fuchs, wenn er einen Teil Landes bekommt, nicht, bis er noch einen größeren erhält, und dann wird er Zwietracht säen, weil die Einheimischen mit den Auswärtigen sich nicht vertragen werden. Darum soll man den Verkehr mit ihm fliehen wie das Zischen der giftigen Schlange, denn wenn ihm sein Unternehmen gelingt, wird er das Land in Verfall bringen und den einfältigen Gänsen die Federn ausziehen, jedoch sollen die Ratgeber des Reiches und der König sich bemühen, daß das Geld, das man ihm wegen der Aussteuer schuldet, gezahlt werde; denn nach dem gemeinen Sprichworte ist es besser, sich vor Schaden hüten, als durch Schaden klug werden. Siehe, jetzt haben sie sich vom Samen der Fuchses und der Natter ein Haupt aufgerichtet, das die Federn rupfen, aber nicht heilen kann und das ihnen nicht zur großen Freude, noch zur Vermehrung der Gerechtigkeit dienen wird, wen jenes Geschlecht mir nicht gefällt, und seinen fröhlichen Anfang ein schmerzhaftes Ende verdunkeln wird." 343
Kapitel XVIII.
Christus giebt einem Könige zwei sehr gute Ratgeber, welche die göttliche Liebe und den Eifer der Gerechtigkeit haben, wodurch er den Königen zeigen will, daß sie solche Räte annehmen sollen, nicht aber nachlässige und solche, welche die Welt lieben. Er erklärt auch, weshalb Gott seine Freunde den Trübsalen; dahingiebt.
Der Sohn Gottes redete mit der Braut, welche für einen König betete, und sprach: "Wenn dieser König für die Belehrung der Seelen arbeiten will, so bestelle ich ihm zwei Räte, welche das Reich regieren sollen. Der erste liebt mich mehr, als sich und das Seinige; er ist auch bereit, für mich zu sterben. Der andere hat bereits die Hörner des Lammes ⋅1⋅ ergriffen und ist bereit, mir, aber nicht dem Fleische, sondern dem Geiste zu gehorchen. Du wirst jedoch fragen können, weshalb ich weine Freunde den Trübsalen aussetze. Ich antworte Dir durch ein Beispiel. Gesetzt, es sei ein Herr, welcher einen Wald besäße, eine Einöde, welche mit einer Mauer umgeben ist; innerhalb der Mauer befinden sich wilde Tiere, draußen aber Schafe; die Mauer hätte jedoch viele Risse, und neben jedem Risse wären zwei Ausweitungen und neben jeder Weitung drei verborgene Löcher. Der Herr ist nun für seine Schafe ängstlich besorgt und spricht zu seinen Knechten: O meine Knechte, ihr wisset, daß meine Schafe einfältig, jene wilden Tiere aber räuberisch sind. Stellt euch daher hin und bewachet die Offnungen [sic!], damit die wilden Tiere nicht hinausgehen aus ihrem Umkreise und den Schafen schaden. Seid nicht verdrossen im Abeiten, nicht träge im Wachen; euere Stimme sei wie die eines Hornes, der Stock beständig in eueren Händen, damit die wilden Tiere, welche sich den Schafen nähern, abgeschreckt werden. Als die Knechte ihres Herrn Befehl empfangen hatten, gehorchten sie gern. Zuletzt berief der Herr seinen Jäger und sprach zu ihm: Gehe mit den Hunden in meinen Wald hinaus und laß die wilden Tiere den Klang des Hornes hören, und scheuche dieselben zurück mit Deinem Geschrei. Als die 344 Knechte nun den Klang des Hornes vernahmen, sprachen sie: Hört, das ist die Stimme vom Jäger unseres Herrn. Lasset uns deshalb eilig aufstehen und nicht furchtsam, noch nachlässig sein; unsere Hand sei nun rüstiger zum Schlagen, die Stimme lauter im Rufe, das Auge wachsamer im Spähen, und wo wir zuvor andere zur Verteidigung der Schafe hingestellt haben, da wollen wir uns jetzt selbst hinstellen. Ich, Gott, bin diesem Herrn ähnlich. Die Wüste oder Einöde ist die Welt, welche mit sehr wilden, ungebändigten Tieren überfüllt ist, d. h. mit Menschen ohne Gesetz, ohne Liebe, ohne Gefühl für Gott, die zu allem Bösen bereit sind. Diese Welt umgiebt die Mauer übergroßer Vermessenheit und Hartnäckigkeit, weil die Menschen stets fortschreitend sich verhärten. Außerhalb dieser Mauer sind meine Freunde. Dieselben sind entbrannt in Liebe zu mir, folgen meinen Fußstapfen und suchen meine Weide. Innerhalb der Mauer sind diejenigen, deren Begierde kein Maß hat, welche das Geschöpf dem Schöpfer vorziehen, den Leib, aber nicht die Seele lieben, nur nach den gegenwärtigen, jedoch nicht nach den künftigen Gütern trachten. Die Risse in der Mauer sind: Betrug, Simonie und Bosheit, welche weder Vater noch Sohn verschonen und bereits bei vielen herrschend geworden sind, welche es für das höchste Glück halten, Zeitliches zu erlangen, und um die ewige Herrlichkeit sich nicht bekümmern. Die beiden Ausweitungen neben den Rissen sind zwei Mißbräuche ober Übel in der Welt, von denen der erste geistlich, der andere aber leiblich ist. Der erste ist, anderen ein Beispiel zum Sündigen durch Wort oder Werk geben, der zweite, nämlich der leibliche, ist doppelter Art: einmal die Sünde, welche gebessert werden muß, um der Geschenke, um Gunst und der Ehre willen oder aus weltlicher Furcht verheimlichen; zweitens um des Vorteiles oder eines weltlichen Gutes willen offenbare Sünden nicht strafen wollen. Unter den drei, verborgenen Löchern verstehe drei Begierden der Bösen, dem Leben der Nächsten zu schaden, oder ihrer Ehre Abbruch zu thun, oder ihren Gütern oder Freunden nachteilig zu werden. Der Jäger aber bedeutet die Gerechtigkeit Gottes, welche geoffenbart werden soll; sein Ruf soll also lauten: Gieb den Harten Hartes, und gieb den Weichen Weiches. Die Hunde, welche ihm folgen, sind die Männer der Ungerechtigkeit, deren Gott, obwohl 345 sie böse sind, sich zum Guten bedient, nicht für sie selbst, sondern für die, welche gereinigt werden sollen, denn sie sind wie unersättliche Hunde, welche gewöhnlich die Schafe hassen, dieselben mit den Hörnern ihrer Hoffart stoßen, ihnen die Wolle zerreißen und sie mit den Füßen treten. Weil nun das Reich dieses Königs eine Wüste oder ein Wald ist, in welchem er mehr wilde und ungebändigte Tiere, denn Schafe hat, dem bestelle ich meine Freunde zu Hütern meiner Schafe. Dieselben sind bereit, den Demütigen Barmherzigkeit, den Verhärteten Gerechtigkeit zu erweisen, allen aber Billigkeit zu spenden. Übrigens sollen sich diese Freunde vor jenen Hütern in acht nehmen, welche neben den Öffnungen stehen und Sperre in den Händen halten, dieselben aber zurückziehen, sobald die wilden feindlichen Tiere ausbrechen und wenn sie entwischt sind, mit starkem Geschrei auf die Erde schlagen, auf daß sie tapfer sich gehalten zu haben scheinen; das sind jene Hüter, welche nicht die Seelen, sondern die Wolle suchen, welche Sünden verheimlichen oder nur leichthin tadeln, um zu gefallen und vor Trägheit schlafen, statt nach den Sünden zu forschen. Meine Freunde aber sollen sich ernstlich bemühen, daß die Gerechtigkeit beobachtet und gehandhabt, die Gemeinde geliebt, die Ehre Gottes gemehrt und die Gottlosen und Widerspenstigen bestraft werden. Ob aber die Stimme meiner Gerechtigkeit in ihren Tagen sich offenbaren wird oder nicht, ist ihnen zu wissen nicht erlaubt, sondern sie sollen feststehen und rufen, denn ich, der Gott der Wahrheit, werde ihnen den Lohn der Wahrheit geben."
Kapitel XIX.
Die Himmelskönigin erklärt weshalb sie bisweilen, wenn sie redet, wir, Christus aber, wenn er redet, ich sagt. Sie bedroht einen König schwer wofern er sich nicht von einem ungerechten Rate trennen würde. Sie ermahnt den König auch, wachsam und sorgfältig zu sein in der Liebe Gottes.
Die Mutter Gottes redete mit der Braut und sprach: "Du wunderst Dich, weshalb ich zuweilen wir sage, wenn ich mit Dir rede. Und wenn mein Sohn mit Dir redet, sagt er i ch. [sic!] Du sollst wissen, wie dieses deshalb geschieht, weil, wenn mein Sohn 346 mit Dir spricht, er von seiten seiner Gottheit mit Dir redet, weil die Dreifaltigkeit ein Gott ist. Wenn aber i ch [sic!] rede, so rede ich aus der Kraft derselben Dreifaltigkeit, und das Wort der drei Personen ist Ein und dasselbe Wort. Darum sage ich wir. Sage deshalb dem Könige, für welchen Du jetzt betest, daß ihn die Mutter der Liebe warne und ihn vor Schande, Schimpf und Schaden behüten wolle. Schimpf und Schande würden es sein, wenn der Herr an seine Stelle den Diener setzen wollte, Schaden aber würde es sein, wenn jemand einen mit Geld gefüllten Kasten gegen einen leeren oder von geringem Werte hergeben und vertauschen wollte. So hat dieser König vor, einen Diener des Teufels zu erhöhen, dem man gehorchen soll. Das in ohne Zweifel eine geistliche Schande. Deshalb schwöre ich bei Jesu Christo, meinem Sohne, daß, wofern er denselben auf den Rat weiser Männer nicht von sich thut und einen gewöhnlichen Menschen, wie er seinem Geschlechte nach ist, aus ihm macht, und ihm nicht über einen Heller der königlichen Einkünfte Gewalt einräumt, so werde ich ihn vom Scheitel seines Hauptes bis zur Fußsohle geißeln, bis er vor Schmerz rufen wird: Maria, erbarme Dich meiner, denn ich habe Dich zum Zorne gereizt! Zweitens warne ich ihn vor Schaden, daß er nicht so sehr seiner Ruhe pflege, um einer langen Unruhe zu verfallen, sondern lieber emsig und fleißig in göttlicher Liebe arbeite, um jenes kostbare und unvergängliche Gold zu erhalten."
Kapitel XX.
Die Mutter Gottes sagt den Königen, sie sollen sich keinen Rat von blinden, tauben und stummen, oder an der Seele kranken Personen erteilen lassen, sondern von solchen, die an Geist und Tugenden gesund sind.
Die Mutter Gottes redete zur Braut und sprach: "Sage dem Könige, für welchen Du bittest, daß er fünf Diener hat. Der erste ist blind, doch ist er ein Stoff, aus welchem ein schönes Bild gemacht werden kann. Darum soll man nicht Rat suchen bei einem Blinden, bevor er nicht sein gutes Gesicht erhalten hat. Der zweite ist ein Tauber, weil in seine Ohren keine göttliche Liebe eingeht. Deshalb soll man nicht von geistlichen Dingen mit ihm 347 sprechen, ehe er nicht ein besseres Gehör erhalten. Der dritte Diener ist ein Stummer, weil die göttliche Liebe nicht in seiner Seele ist, und deshalb spricht er alles, was er redet, entweder aus Furcht vor Strafe, oder um des Gewinnes der Welt willen, oder um zu gefallen. Der vierte Diener ist gichtbrüchig an allen Gliedern, und deshalb ungeschickt zu jeglichem geistlichen Werke. Der fünfte Diener ist geistlicherweise ganz aussätzig, und darum muß man seine Gegenwart fliehen, damit andere nicht durch ihn verunreinigt werden. Für diese fünf Diener, welche wir ihm widerraten, verordnen wir ihm andere fünf, welche gut sehen und geistlicherweise hören, auch ohne geistlichen Flecken sind; gehorcht er diesen, so wird er meines Sohnes Freundschaft behalten. Ferner sage ihm, er soll in der Krone gehorsam bleiben, sonst wird mein Sohn ihn unter die Krone rufen (ihm sein Reich nehmen). Dieses aber werde ich Dir zu seiner Zeit auslegen."
Kapitel XXI.
Ein Edelmann verspottete Gott vor einem Könige, und Christus bedroht denselben König, wofern er jenen nicht strafe; denn einem Richter, welcher den Sünder um Gottes willen straft, wird eine doppelte Krone gereicht, dem aber, welcher ihm nachsieht, die Strafe verdoppelt.
Der Sohn Gottes sprach zur Braut: "Weshalb beunruhigt es Dich, daß ich den, der mich verspottete, so geduldig ertrage? Weißt Du nicht, daß es schwer ist ewig zu brennen? Denn wenn man verschiedene Farbenkräuter säet, und dieselben werden vor der Zeit abgeschnitten, so taugen sie nicht soviel zum Färben einer Sache, als wenn sie zur rechten Zeit eingebracht werden. So müssen meine Worte, welche mit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit geoffenbart werden sollen, bis zur Fülle ihrer Reife wachsen; dann werden sie der Sache, der man sie hinzufügen soll, dienlicher sein, und meine Kraft in angemessener Weise färben. Darum soll der König sich vorsehen, daß seine Seele nicht für die Seele dessen einstehen müsse, der mich verspottet. Denn weil er einen Sünder um Gottes willen straft, auf daß er nicht von Gott gestraft werde, wie Moses es gethan, erhält er eine doppelte Krone, sowohl weil er den Willen 348 Gottes besänftigt, als weil er das Gericht über den Sünder mildert, damit er nicht in Ewigkeit gestraft werde. Wer aber unterläßt, den Sünder zu strafen, wird sich eine doppelte Strafe zuziehen, indem er seine Strafe für die Zukunft mehrt und die Gerechtigkeit nicht übt.
Kapitel XXII.
Gleichlautend mit Kapitel XVIII des siebenten Buches.
Kapitel XXIII.
Gleichlautend mit Kapitel XIX des siebenten Buches.
Kapitel XXIV.
Gleichlautend mit Kapitel XXXI des dritten Buches.
Kapitel XXV.
Gleichlautend mit Kapitel I des vierten Buches.
Kapitel XXVI.
Gleichlautend mit Kapitel CIII des vierten Buches.
Kapitel XXVII.
Gleichlautend mit Kapitel CIV des vierten Buches.
Kapitel XXVIII.
Gleichlautend mit Kapitel CV des vierten Buches.
Kapitel XXIX.
Gleichlautend mit Kapitel XCV des sechsten Buches.
Kapitel XXX.
Gleichlautend mit Kapitel XXVI des sechsten Buches. 349
Kapitel XXXI.
Die Braut sah in einem Gesichte Sonne und Mond in den Abgrund fallen. Dieselben verloren ihren gewöhnlichen Schein. Sie bedeuten einen König und eine Königin, welche ihre guten Sitten in böse verkehrt hatten, weshalb auch der König sein Reich verloren hat und im Gefängnisse gestorben ist.
Als ich mich im Gebete befand, sah ich den Himmel ganz trüb, Sonne und Mond aber in hellster Klarheit leuchten, ihr Licht breitete sich auch über den Himmel hinaus. Als ich aufmerksam hinschaute, gewahrte ich, wie gute und böse Engel wider Sonne und Mond stritten, sie erhielten aber nicht eher die Oberhand, als bis ein großer und schrecklicher Drache am Himmel aufstieg, dem Sonne und Mond ihre Macht und Klarheit abtraten. Alsbald erblaßte die Sonne und wurde finster und der Mond entfloh hinter die Erde und als ich auch die Erde schaute, erblickte ich dieselbe voll kriechender Tiere und Schlangen, welche die Oberfläche der Erde abfraßen und die Menschen mit ihren Schwänzen töteten, bis die Sonne in den Abgrund fiel und die Stätte des Mondes nicht mehr gefunden ward. Nach Verlauf von elf Jahren hörte ich, wie die Stimme Christi zu mir sprach: "Erinnere Dich, meine Braut, was ich Dir in der Stadt Stockholm von jener Verwirrung am Himmel gezeigt habe. Jetzt aber will ich Dir auslegen, was das bedeutet. Der verfinsterte Himmel, den ich Dir gezeigt habe, ist dieses Reich Schweden, denn dieses Reich, das wie ein himmlisches ruhig und gerecht sein sollte, wird jetzt vom Sturmwinde der Trübsale, von Ungerechtigkeiten hin und her geworfen und durch ein Übermaß von Abgaben zertreten. Das ist auch kein Wunder, denn der König und die Königin, welche wie Sonne und Mond glänzten, sind schwarz geworden wie Kohlen, weil sie ihre Sitten und ihren Willen umgewandelt haben, sie haben auch einen Menschen von einem Natternstamme erhoben, um meine Freunde und die Einfältigen zu Boden zu werfen. Deshalb wisse, wie dieser Drache zu Schanden und schneller stürzen wird, als er aufgestiegen war. Meine Freunde aber, von denen einige ein englisches Leben führen, obwohl unter ihnen auch einige wie böse 350 Engel von einem wüsten Wandel sind, werden erhöht und von ihren Trübsalen befreit werden. Die Sonne aber wird blaß werden, bis sie unter die Krone kommt, weil sie nicht hat in der Krone bleiben wollen und es wird von ihr gesagt werden, daß mit dem Maße ihres früheren Glanzes ihre Finsternis gemehrt worden ist."
Kapitel XXXII.
Christus lehrt hier die Könige eine neue und gottesfürchtige Art und Weise, Soldaten zu einem neuen Kriege herbeizuschaffen zur Bekämpfung der Ungläubigen und zur Verteidigung des heiligen Glaubens und der Kirche.
Christus sprach zur Braut und sagte unter anderm: "Merke auf, meine Braut, und wisse, wie der Laienstand in alter Zeit wohl geordnet war. Einige unter ihnen bauten das Land und lagen tapfer der Bearbeitung der Äcker ob, andere trieben Schifffahrt und führten Waren in andere Gegenden, damit die Fruchtbarkeit eines Landes dem Mangel eines anderen zu Hilfe käme, andere lagen der Handarbeit ob und trieben verschiedene Künste. Unter ihnen waren einige Verteidiger des Glaubens und meiner Kirche, sogenannte Hofleute und Ritter. Diese ergriffen die Waffen, um die heilige Kirche und den Glauben zu rächen und ihre Feinde zu bekämpfen. Unter diesen Hofleuten erschien ein frommer Mann, ein Freund, welcher also bei sich dachte: Ich baue nicht das Land, wie ein Ackermann; ich quäle mich nicht ab auf den Meereswellen, wie ein Kaufmann; ich habe mich nicht auf Handarbeiten gelegt, wie ein tüchtiger Handarbeiter. Was soll ich also thun? Oder durch welche Werke soll ich meinen Gott versöhnen? Ich bin ja nicht stark in der Arbeit der Kirche, mein Leib ist schwach und, weichlich, Wunden zu ertragen, meine Hand ist lässig, die Feinde zu schlagen; mein Herz verdrossen, an das Himmlische zu denken. Was soll ich also thun? Fürwahr, ich weiß, was ich thun werde. Ich werde mich erheben und mit einem festen Eide unter einem zeitlichen Fürsten verbindlich machen, daß ich mit meinen Kräften und meinem Blute den Glauben der heiligen Kirche verteidigen werde. Als aber jener mein Freund zu dem Fürsten oder Könige kam, sprach er: Herr, ich bin einer von den Verteidigern der Kirche. 351 Wohl ist mein Leib zu weichlich, Wunden zu ertragen, meine Hand ist lässig, zu schlagen, das Herz unbeständig, Gutes zu denken und zu wirken, der eigene Wille gefällt mir, die Liebe zur Ruhe gestattet mir nicht, mannhaft für das Haus Gottes zu stehen. Deshalb will ich mich jetzt durch einen öffentlichen Eid unter dem Gehorsame der heiligen Kirche und dem Deinigen, o Fürst, verpflichten, daß ich dieselbe alle Tage meines Lebens verteidigen will, auf daß, wenn etwa das Herz und der Wille zum Streiten lässig sein möchte, ich durch den Eid verpflichtet sei und gezwungen werde zum Kampfe. Ihm antwortete der Fürst: Ich will mit Dir zum Hause des Herrn gehen und Zeuge Deines Eides und Deines Versprechens sein. Als nun beide zu meinem Altare kamen, beugte mein Freund das Knie vor demselben und sprach: Ich bin in meinem Fleische zu schwach, um Wunden zu ertragen, meine Hand ist lässig zum Schlagen, darum verspreche ich in dieser Stunde Gott und Dir, der Du das Haupt bist festiglich mit einem Eide, indem ich mich anheischig mache, die heilige Kirche wider ihre Feinde zu verteidigen, die Freunde Gottes zu stärken, Witwen und Waisen und den Gläubigen Gottes wohlzuthun, niemals etwas zu unternehmen, was der Kirche Gottes und deren Glauben entgegen ist; außerdem verpflichte ich mich, mich Deiner Strafe zu unterwerfen, wenn ich irren sollte, damit ich, zum Gehorsame verpflichtet, mich um so mehr vor den Sünden und eigenem Willen hüten, um so leichter dem Willen Gottes und dem Deinigen folgen und wissen möge, daß es für mich weil verdammlicher und verächtlicher ist, als für die übrigen, wenn ich durch Verletzung des Gehorsams Deinen Geboten zuwiderzuhandeln mir herausnehme. Nachdem dieses Bekenntnis vor meinem Altar abgelegt worden war, bedachte sich der Fürst weislich und verordnete ihm ein vom Kleide anderer Weltleute verschiedenes Kleid, zum Zeichen der Ablegung des eigenen Willens, und damit er wissen möge, daß er einen Obern habe und demselben gehorchen müsse. Der Fürst gab ihm auch ein Schwert in die Hand und sprach: Mit diesem Schwerte sollst Du die Feinde Gottes vermindern und töten. Er gab gab auch einen Schild an den Arm und sprach: Mit diesem Schilde sollst Du Dich wider die Wurfgeschosse der Feinde verteidigen; nimm geduldig die auf Dich abgeschleuderten an, und laß eher den Schild brechen, als daß Du 352 fliehest. Und so hat mein Freund vor den Ohren meines Geistlichen, welcher gegenwärtig war, versprochen, dieses alles fest halten zu wollen und nachdem er es versprochen, gab ihm der Geistliche meinen Leib zur Stärkung und Kräftigung, damit er, durch meinen Leib mit mir vereinigt, sich nimmer von mir trennen möchte. Ein solcher ist mein Freund Georg gewesen und andere mehr. Solche sollten auch die Kriegsleute sein, welche den Namen führen um der Würde und ihr Kleid um ihrer Thätigkeit und der Verteidigung des heiligen Glaubens willen. Vernimm jetzt, meine Braut, was sie jetzt als meine Feinde wider dasjenige thun, was sie als meine Freunde versprochen haben; sie waren bereit, ihr Leben für die Gerechtigkeit hinzugeben und ihr Blut für den heiligen Glauben zu vergießen, den Dürftigen zur Gerechtigkeit zu verhelfen, die Bösen zu unterdrücken und zu demütigen. Nun vernimm aber, wie sie sich abgewendet haben, denn sie finden jetzt einen größeren Gefallen daran, in einem Kriege, den teuflischen Eingebungen folgend, für die Hoffart, Begierlichkeit und den Neid zu sterben, als nach meinen Geboten zu leben, um die ewige Freude zu erlangen. Allen Streitern, welche mit solchem Willen sterben, wird vom Gerichte der göttlichen Gerechtigkeit der Sold gegeben werden, nämlich ihren Seelen in der ewigen Vereinigung mit dem Teufel. Diejenigen aber, welche mir dienen, sollen den Sold mit dem ganzen himmlischen Heere ohne Ende empfangen. Diese Worte habe ich, Jesus Christus, geredet, wahrer Gott und Mensch, Einer mit dem Vater und dem heiligen Geiste, allezeit Gott."
Kapitel XXXIII.
Gleichlautend mit Kapitel IX des zweiten Buches.
Kapitel XXXIV.
Gleichlautend mit Kapitel LXXIV des vierten Buches.
Kapitel XXXV.
Gleichlautend mit Kapitel XIII des zweiten Buches. 353
Kapitel XXXVI.
Gleichlautend mit Kapitel XII des zweiten Buches.
Kapitel XXXVII.
Gleichlautend mit Kapitel XI des zweiten Buches.
Kapitel XXXVIII.
Gleichlautend mit Kapitel LXXXII des sechsten Buches.
Kapitel XXXIX.
Christus sagt hier den Königen, daß diejenigen, welche einen Feldzug unternehmen und wider die Heiden streiten wollen, dies in der rechten Absicht thun sollen, nämlich um der Liebe Gottes willen und zum Heile der Seelen, indem sie sich zuvor bessern und ihr Reich reformieren.
Ein König von Schweden bat die Braut Christi, sie möge Gott um Rat fragen, ob es ihm gefiele, daß er mit einem Kriegsheere gegen die Heiden zöge, wozu er sich durch ein Gelübde verbunden hatte. Als die Braut hierüber betete, erschien ihr Christus und sprach: "Will der König ausziehen wider die Heiden, so rate ich es, befehle es aber nicht, wen es ein größeres Verdienst ist, nach einem Rate, als auf ein Gebot zu handeln. Dann rate ich ihm zweierlei: Erstens, daß er ein gutes Herz und einen geschickten Leib haben muß; ein gutes Herz, damit die Absicht seines Auszuges keine andere sei, als um der Liebe Gottes willen und zum Heile der Seelen; einen geschickten Leib, um im Fasten und Arbeiten vernünftig zu verfahren; zweitens soll er trachten, daß er willige und gut eingeübte Lehens- und Kriegsleute habe. Zunächst soll er aber in seinem Königreiche umherziehen und fleißig forschen, wie die Gerechtigkeit bewahrt wird, wie und durch welche Männer die Gerichte abgehalten werden und die Regierung geleitet wird, weil, wer es unternimmt, andere zum Himmel zu senden, bei sich selber anfangen muß, indem er die eigenen Irrtümer bessert und hiernach die Unterthanen ermahnt, durch Tadel straft und durch tugendhafte Beispiele ihnen Anregung giebt." 354
Kapitel XL.
Christus sagt, daß die Könige, wenn sie wider die ungläubigen ziehen wollen, dieselben zuerst mit Freundlichkeit und friedlich ermahnen sollen, sich zu bekehren. Lehnen die Ungläubigen dieses ab, so müssen Eifer und Hand wider sie in Bewegung gesetzt werden.
Christus redete mit der Braut und sprach: "Es heißt, niemand soll wider seinen Willen zum Himmelreiche gezwungen werden. Ich antworte mit der Frage, ob es, wo gute Blumen vom Unkraute verhindert werden, nicht besser sei, daß das Unkraut hinweggeschnitten werde, damit die aufwachsenden Blumen nicht verhindert werden? Deshalb sollen diejenigen, welche in die Länder der Ungläubigen ziehen, denselben zuerst den Frieden, den Glauben und die Freiheit anbieten. Nehmen die Ungläubigen die Ratschläge und Ermahnungen nicht an, dann müssen Eifer und Hand in Bewegung gesetzt werden. Allen, welche für die Liebe gestorben sein werden, werde ich, Gott, die Liebe selbst, hundertfach vergelten und auch die Ungläubigen selbst werden geringere Peinen auszuhalten haben, als wenn sie länger lebten und in Frieden stürben; denn wenn sie noch länger lebten, würden sie auch mehr sündigen. Die Liebe ist ja ein so großes Gut, daß auch nicht der geringste Gedanke ohne Vergeltung bleiben wird, geschweige ein gutes Werk."
Kapitel XLI.
Gleichlautend mit Kapitel III des vierten Buches.
Kapitel XLII.
Gleichlautend mit Kapitel VI des zweiten Buches.
Kapitel XLIII.
Christus unterweiset die Könige, daß, wenn sie wider die Heiden ziehen, sie zwei Fahnen haben sollen, nämlich des Leidens und der Gerechtigkeit Gottes; auch sollen sie gebildete, tugendhafte, fromme Geistliche bei sich führen.
Der Sohn Gottes redete mit der Braut und sprach: "Ein König, welcher den Gewinn der Seelen sucht und wider die Heiden 355 ziehen will, soll zwei Fahnen führen. Auf der ersten soll mein Leiden abgebildet sein, welches die Barmherzigkeit bedeutet; auf der anderen das Schwert meiner Gerechtigkeit. Wenn der König nun zu den Heiden kommt, soll er allererst die Fahne der Barmherzigkeit aufrichten und ihnen den Frieden anbieten. Wollen sie denselben nicht annehmen, so soll er hernach die Fahne der Gerechtigkeit aufrichten, auf meine Güte vertrauen, aber die Menge der Feinde nicht fürchten. Er soll auch nicht aus Kleinmut zurücktreten, noch auf die Stimme derer hören, welche da sprechen: Lasset uns wieder umkehren, weshalb soll man weiter arbeiten? Wenn der König sich beständig fürchtet, vorwärts zu gehen, so unternehme und fange er das Gute nicht an, denn es ist besser, Schweres nicht zu unternehmen, als das Angefangene nicht mit Liebe zu verfolgen. Der König soll auch Weltgeistliche von erprobtem Leben und Ordensgeistliche von verschiedenen Orden bei sich haben, welche die Welt wahrhaft verachten; denn im Heidentume und unter den Heiden sind viele, welche ihr Sektenwesen vorziehen und diese sollen die Geistlichen mit Weisheit widerlegen und das Volk unterweisen, daß es nicht seiner Widerspenstigkeit, seiner Lüsternheit und seines unenthaltsamen Lebens willen im Banne sterbe."
Kapitel XLIV.
Gleichlautend mit Kapitel XLI des sechsten Buches.
Kapitel XLV.
Die Mutter Gottes rät einem wider die Heiden ziehenden Könige, eine gewisse Anzahl Leute zu haben, sich auch nicht auf die von Gott erhaltenen Offenbarungen zu verlassen, sofern er selber nicht halten werde, was er Gott versprochen.
Die Mutter Gottes redete zur Braut und sprach: "Wenn der König auszieht wider die Heiden, soll er eine auserlesene Anzahl Leute haben, denn ich kenne seinen Auszug und seine Zurückkunft, und weiß, daß viele mitziehen, welche wider Gott nicht weniger Aufrührer sein werden, als diejenigen, welche mit Moses ausgezogen sind. Allein wie Moses das Volk seiner Undankbarkeit wegen 356 nicht einführte in das gelobte Land, so werden unter diesem Volke erst die noch nicht Geborenen vollziehen, was Gott vorhat. Der König verlasse sich auch nicht darauf, daß ich gesagt habe, er sei mein Sohn und ich wolle mich niemals von ihm entfernen, denn nur, wenn er sein mir gegebenes Versprechen halten wird, werde ich die ihm erteilte Verheißung erfüllen, wofern er mich aber verachtet, so mag er fürchten, wieder verachtet zu werden."
Kapitel XLVI.
Die Jungfrau Maria gebietet durch die Braut einem Bischofe, welcher mit dem Könige in den Krieg wider die Ungläubigen zog, daß, wenn ein Teil vom Lande der Ungläubigen erobert worden, er sogleich eine Kathedralkirche errichten solle, wo die Christen geistlicherweise getröstet werden mögen.
Die Königin des Himmels redete mit der Braut und sprach: "Der heilige Erzbischof Sigfried zog von England aus und vollzog den Willen Gottes im Königreiche Schweden. Also soll auch der Bischof, für welchen Du betest, und der mit dem Könige wider die Ungläubigen zieht, wenn er unter die Heiden gekommen ist und einige ihrer Länder durch die Christen erobert sein werden, zuerst an irgend einem anständigen, geeigneten Ort eine Kathedralkirche errichten, damit die Christen für ihre Seelenbedürfnisse zu derselben wie zu einer Mutter ihre Zuflucht nehmen können und dadurch in ihrem katholischen Glauben gestärkt und geistlich getröstet werden mögen. Und wenn der Bischof auch nur einen oder zwei Geistliche daselbst einsetzen und unterhalten kann, soll er zufrieden sein, da mein Sohn die Macht hat, seine Gaben zu vermehren und sein Bistum zu erweitern. Sterben aber sie oder andere unter meinen Freunden, bevor diese Worte in Erfüllung gehen, so wird ihnen der gute Wille für die That angerechnet werden, und sie werden Lohn davontragen. Verlasse sich daher niemand auf langes Leben, sondern erwarte jeglicher geduldig den Willen Gottes." 357
Kapitel XLVII.
Die Mutter Gottes erzählt, wie sie ein Gefäß ist, erfüllt und erfüllend mit Gnade, und tadelt einen undankbaren König von Schweden welcher in seinem Kriege den Ratschlägen Gottes und geistlicher Männer nicht folgen wollte und gegen den Willen Gottes zurücktrat vom Kriege wider die Ungläubigen, indem er zu seiner Schande und dem Nachteile des Reiches den Rat weltlich gesinnter Männer befolgte.
Die Königin des Himmels erschien der Braut und sprach zu ihr: "Höre Du, die Du Geistliches siehst und komm' mit mir zur Unterredung mit dem heiligen Geiste. Ich bin ein erfülltes und erfüllendes Gefäß. Denn wie ein Gefäß, das unter einem Wasserstrahle steht, mit Wasser sich füllt, und ob auch das Wasser immer abläuft, doch immer gefüllt bleibt durch das herabströmende Wasser, so ist meine Seele als sie erschaffen und mit dem Leibe verbunden worden war, vom herabströmenden Wasser des heiligen Geistes erfüllt und nachher niemals von demselben entleert worden. Wer daher mit Demut und reinem Herzen zu mir kommt, wird vom heiligen Geiste Hilfe erhalten. Darum kann ich wohl ein gefülltes Gefäß genannt werden, weil, als ich in der Welt war, mein Sohn unter dem Herabströmen des heiligen Geistes in meinen Leib gekommen ist, von mir Fleisch und Blut angenommen und in mir gewohnt hat, bis er von mir durch eine dem Sohne Gottes geziemende Geburt das Licht der Welt erblickt hat und als er nun geboren war und in meinen Armen lag, da freuten sich die Engel und verkündeten Friede auf Erden. Nachher verfiel mein Sohn schwerer Todespein, als sein Leib von Geißeln zerrissen, seine Gebeine von Nägeln durchbohrt wurden und das Herz nach Ableben aller Glieder zersprang; sein Tod war aber von solcher Macht, daß durch denselben des Teufels Macht gebrochen und die Pforte des Himmels geöffnet wurden. Deshalb vergleiche ich das Leben meines Sohnes einem Donner, dessen Ankunft lange zuvor gehört wird, ehe der Schall herankommt, weil meines Sohnes Leiden lange zuvor, ehe es eintrat, durch den Mund der Propheten verkündet wurde. Nachdem aber mein Sohn gestorben war, erfolgte ein so starkes 358 Krachen des Donners, daß es noch lange nach seinem Leiden gehört und verkündigt worden und viele freudig ihr Leben dafür hingaben. Jetzt aber ist mein Sohn so vergessen und vernachlässigt, daß viele seinen Tod für nichts achten. Einige sagen, sie wüßten nicht, ob er gewesen sei oder nicht; andere wissen es, kümmern sich aber nicht darum; wenige aber sind, welche sich seines Todes mit Liebe erinnern. Damit denn nun das Leiden meines Sohnes wieder ins Gedächtnis gebracht werde, darum sind die Dir auf göttliche Weise gegebenen Worte in die Welt gekommen; deshalb bist auch Du an diesen König von Schweden gesandt worden, welcher in viele Sündenstricke verwickelt war. Nachdem er sich vom Teufel losgemacht hatte, nahm ich ihn zu meinem Sohne an, und wünsche aus ihm einen trefflichen Kämpfer für die Ehre Gottes zu machen. Als der Teufel solches sah, ward er grimmig gegen ihn, wie vor Zeiten gegen Moses, der ins Wasser geworfen ward und dessen Körblein Gott ans Ufer geleite. Obwohl er eine schwere Zunge hatte, so redete er doch zu Pharao, was Gott wollte, nachdem er nach seiner Flucht aus Ägypten zu, Könige zurückgekehrt war. Auf ähnliche Weise hat es der Teufel mit dem Könige gemacht. Er hat in seinem Herzen einen Sturm erregt, daß er, nachdem er zahlreiche Streiter für sich versammelt hatte, vor Armut und Hunger vom Kriege zurücktrat. Auf Eingebung des Teufels dachte er sich: Die Freunde Gottes verstehen es nicht, zu kämpfen, deshalb will ich im Streit bewanderte Männer suchen und nun schickte ihm der Teufel viele der Seinen, um ihn durch deren Rat regieren zu lassen. Deshalb wurde dem Könige geoffenbart, welcher Leute Rat er sich bedienen sollte und es wurde ihm geraten, daß weltliche und Ordensgeistliche von bewährtem Wandel ihm folgen sollten und dieses ist geschehen durch die Vorsehung des heiligen Geistes wider die Arglist des Teufels, der wohl weiß, wie die Zeit nicht ferne ist, in welcher Gott zeigen will, wie man seinen Streit angreifen soll; er weiß auch, daß im Heidentume viele sind, welche groß von ihrer Seele denken, und viele, welche den heiligen katholischen Glauben zu kennen begehren. Deshalb wünscht der Teufel, daß, weil die Zeit der Gnade nahe ist, solche Männer zu den Heiden gesendet werden, welche unwissend und voll Habsucht sind. Also sollen die Freunde Gottes, Welt- und Ordensgeistliche sich bereit halten, mit geistlicher 359 Weisheit den im Irrtume befangenen Heiden zu entgegnen. Es ist Dir auch noch vieles andere gesagt, das nicht sogleich vollendet werden wird, sondern die Worte müssen bis auf die bestimmte Zeit bewahrt werden. Gott hat ja auch dem Moses viele Dinge gezeigt, welche nicht in einer Stunde in Erfüllung gingen. So wurde auch David lange Zeit zuvor als König gezeigt, bevor er zur Gewalt gelangte, und deshalb sollen die Freunde Gottes geduldig ausharren und nicht verdrossen im Arbeiten werden. Wir haben auch gesagt, daß Brüder vom Orden des Dominikus, Franziskus und Bernadus mit dem Könige zu den Heiden ziehen sollten, weil diese drei Orden zunächst unter die Heiden berufen werden müssen, indem die Klöster von denen zuerst errichtet werden müssen, welche die Welt wahrhaft verachten und keinen anderen Willen haben, als Gott zu ehren und seine Freundschaft zu finden. Allein etliche unter den gedachten Brüdern denken also: Wo ist das Volk, dem gepredigt werden soll? Wo sind die Stätten, welche erbaut werden sollen? Ähnlich sprach Israel zu Moses: Wo ist das verheißene Land? Es wäre uns besser gewesen, daß wir in Ägypten bei den Fleischtöpfen geblieben wären, als daß wir in der Wüste durch Hunger und Trübsal in Gefahr kommen. Gleichwohl kam Israel zur Zeit, da es mir gefiel, in das gelobte Land, obwohl etliche murrten. Darum soll der König stets fromme Geistliche und solche bei sich haben, welche ihm aus göttlicher Liebe freiwillig folgen; hüten aber soll er sich vor Geistlichen, welche begierlich sind wie die Raubvögel. Aber höre nun, was ich, die Mutter der Barmherzigkeit, sagen will. Jener König, den ich zuerst meinen Sohn genannt, ist jetzt ein Sohn des Ungehorsams geworden. Als er noch ein Knabe war, wurden ihm zwei Königreiche aufbewahrt; nachdem er aber zu den Jahren des Verstandes gekommen war, regierte er ungerecht und that alles ohne Klugheit. Gleichwohl verfuhr Gott geduldig mit ihm und that auch geistlicherweise Gutes an ihm, weil noch die Liebe seines Herzens Gott zugewendet war. Außerdem führe ich ihm drei Wohlthaten ins Gedächtnis, die Gott ihm erwiesen. Es begiebt sich häufig, daß ein Kind im Mutterleibe mit der Mutter so fest verbunden ist, daß es in keiner Weise von ihr getrennt werden kann. Eine kluge Hebamme, welche hierüber bei sich nachdenkt, spricht für sich: Wenn das Kind länger im Leibe der Mutter bleibt, werden 360 beide sterben; werden sie aber voneinander getrennt, so kann doch, wenn die Mutter gestorben, das Kind leben, und so geht die Hebamme daran und sondert das Kind ab von der Mutter. Auf eine ähnliche Weise war jener König mit der Welt, wie mit seiner Mutter, verbunden; wäre er länger mit derselben verbunden gewesen, so würde er ohne Zweifel zur Strafe der Hölle gestorben sein. Ich aber, die Königin des Himmels, bin zu dem Könige gegangen und habe ihn von der Liebe der Welt gesondert. Unter dem Gange aber, den ich zum Könige gemacht, verstehe ich den Eingang des heiligen Geistes in sein Herz, weil überall, wo der Geist Gottes eingeht, der Vater mit dem heiligen Geiste, und der Sohn mit dem Vater und dem Geiste eingehen, und die Mutter mit dem Sohne, denn jeder, der Gott in seinem Herzen hat, hat auch die Mutter. und wie es unmöglich ist, die drei Personen der Gottheit voneinander zu sondern, so ist es unmöglich, daß, so lange das gegenwärtige Gesetz besteht, ich, die ich die Mutter Gottes bin, von Gott getrennt werden könnte. Ich habe den Sohn Gottes mit der Gottheit und Menschheit in mir gehabt, deshalb hat mich Gott der Vater in seiner Gottheit, und ist der heilige Geist ein Band unserer Liebe. Derselbe, welcher im Vater und Sohne ist, ist auch in mir, und wir können nie getrennt werden. Auf diese Weise denn hat Gott, als ich zum Könige gegangen, seinem Herzen Reue, seinen Augen geistliche Thränen gegeben, welche niemand anders als durch die göttliche Gnade erhalten kann. Zweitens führe ich dem Könige ins Gedächtnis, welche Gnade Gott seinem Reiche erwiesen hat, da mein Sohn, welcher auf dem höchsten Throne der erhabenen Majestät sitzt, häufig mit Dir redet, die Du in seinem Königreiche geboren bist und ich habe dem Könige diese Gnade erworben, daß er Gott Ehre erweise und für seine Seele Frucht bringen möchte. Ich habe ihm auch durch Dich gezeigt, wie er sein Reich mit Weisheit regieren und das Volk seines Reiches herzlich lieben, auch wie er sein Leben geistlich wie leiblich zur Ehre Gottes beherrschen soll. Drittens führe ich ihm ins Gedächtnis zurück, wie er erwählt worden, um den Heiden, wenn er gegen sie ziehen wollte, den heiligen katholischen Glauben zu bringen. Aber höre nun, was jener König that. Ich, die Mutter der Barmherzigkeit, habe jenen König meinen neuen Sohn genannt, und zwar deshalb neuen, weil er 361 neuerlich zum heiligen Gehorsame gekommen war. Ich habe ihm durch Dich verheißen, daß ich eine Gebieterin und Verteidigerin seines Heeres und Reiches sein, auch im Feindesland vor ihm stehen wollte. Und also ist es geschehen; denn in seinem Lande war, zufolge göttlicher Vorsehung, um meiner Bitten willen Frieden und im Feindeslande war ich vor ihm, als ich seine größten Feinde in einem Orte des Landes versammelte, um dieselben in seine Hand zu geben. Allein nach Ablauf einer kleinen Zeit traten vor diesen König Werkzeuge des Teufels, mit bösem Herzen und boshaftem Geiste, welche auf die Hände der Menschen ein größeres Vertrauen setzten, als auf die Hilfe des Schöpfers; deren Begierde auf irdischen Besitz stärker war, als den Seelen das Heil zu verkünden; deren Zunge jener Geist zum Reden erregte, der die Zunge des Judas erregte, um den Schöpfer zu verkaufen. Ihre Zähne sind aufgehoben von den Fingern des Teufels, und ihre kalten Lippen mit seinem Gifte bestrichen. Deshalb hat ihnen die göttliche Liebe nicht gemundet, sondern sie haben die Worte der Wahrheit ausgespieen und Falschheit im Munde gehabt. Ihren boshaften Ratschlägen gehorsam, eilte der König hinweg, so daß er die Feinde, die dem heiligen Glauben Widerstand leisteten und die ich an einem Orte versammelte und ihm übergeben wollte, meinen Händen entzog und ich nun mit leerem Schoße allein blieb. Sodann hat er die Wölfe auslaufen lassen und die Lämmer in die Hände der Schlangen überliefert, welche bereit, die Schafe zu entführen, mit dem stärksten Gifte der Bosheit erfüllt sind. Alles dieses ist aus den listigen Eingebungen des Teufels hervorgegangen, weil der König, unter Verachtung der Ratschläge der Freunde Gottes, den Ratschlägen fleischlicher Menschen gehorchte und weil er nicht die Größe Gottes angesehen, auch an meinen Rat nicht gedacht hat, ist er, ohne die Flucht ergreifen zu müssen, zurückgekehrt und hat die Gemeinde und das Volk seines Königreiches belastet, ist Gott und den Menschen ungehorsam geworden und hat das gemachte Kriegsgelübde verletzt. Aber wie eine Mutter sich leicht mit ihrem Sohne zu versöhnen pflegt, wenn er sie um Erbarmen bittet, also sage ich jetzt zu ihm: Mein Sohn, wende Dich zu mir, und ich werde zu Dir zurückkehren; erhebe Dich von Deinem Falle nach dem Rate der Freunde Gottes. Dies ist der letzte Brief, den ich an ihn schicken werde." 362
Kapitel XLVIII.
Die Mutter Gottes erklärt der Braut, weshalb die Worte Gottes so dunkel geredet werden, daß sie auf verschiedene Weise ausgelegt werden können, und wann sie anders von Gott und anders von den Menschen verstanden werden. Wie sich die ganze Dreifaltigkeit der Braut auf wunderbare Weise unter der Gestalt eines Pultes und goldenen Buches und dreier Strahlen von drei verschiedenen Farben zeigte, wobei der Braut das Gesicht von der Eigentümlichkeit der Wesen der Dreifaltigkeit und dem Buche des Lebens ausgelegt wird. Und wie die Braut vor dem göttlichen Gerichtshofe des Richters das wunderbare Gericht der Seelen von drei Königen schaute, von denen einer noch lebte, der zweite zur Hölle, der dritte zum Fegfeuer verurteilt ward. Hier ist auch viel Bemerkenswertes über die löbliche Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes zu finden.
Die Mutter Gottes redete zur Braut und sprach: "Meine Tochter, ich habe Dir zuvor gesagt, daß das mein letzter Brief wäre, der an meinen Freund, den König, geschickt werden sollte. Diese Worte gelten aber nur, soweit sie seine und meine Person betreffen. Wenn einer säße und hörte etwas Nützliches singen, das einen Freund anginge, um es demselben wieder zu melden, möchte es nun ein Freudenlied ober ein Brief mit heilsamem Tadel sein, so wäre ein jeder von ihnen des Lohnes wert, nämlich sowohl der es angegeben, als der es gesungen. Also will auch die Gerechtigkeit Gottes, indem sie in Billigkeit richtet und in Barmherzigkeit rechtfertigt, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit singen. Wer also hören will, der höre, denn es ist keine Strafepistel, sondern ein Lied der Liebe und Gerechtigkeit. Denn wenn vormals einem ein Brief geschickt ward, enthielt derselbe einen Tadel und eine Ermahnung, er strafte wegen der Undankbarkeit für Wohlthaten, und ermahnte zur Änderung des Wandels. Jetzt aber singt die göttliche Gerechtigkeit ein schönes Lied, das alle angeht. Wer dasselbe hört und durch Glauben mit der That annimmt, wird die Frucht des Heiles und die Frucht des ewigen Lebens finden. Du wirst aber fragen können: Weshalb werden die Worte Gottes so unverständlich geredet, daß sie auf verschiedene Weise ausgelegt werden können, zuweilen auch von den Menschen anders verstanden werden? Ich antworte: Gott 363 ist einem Apotheker ähnlich. Gleichwie ein Apotheker, der gebrannte Wasser macht, verschiedene Röhren hat, in welchen durch die mitwirkende Hitze die Wasser bald auf- bald abwärts steigen, bis sie vollkommen werden, also macht es Gott mit seinen Worten. Bisweilen steigt er auf durch die Gerechtigkeit, zuweilen wiederum abwärts mittels der Barmherzigkeit, wie an jenem Könige erhellte, dem der Prophet kraft der Gerechtigkeit gesagt hatte, er werde sterben, dem aber nachmals die Barmherzigkeit mehrere Jahre zu, Leben hinzulegte. (Isaias XXXIX.) Bisweilen auch steigt Gott durch den einfachen und buchstäblichen Ausdruck seiner Worte herab, steigt aber wiederum auf durch den geistlichen Verstand, wie bei David, welchem vieles, als auf Salomo zielend gesagt, jedoch, wie es auch zu verstehen war, am Sohne Gottes erfüllt worden ist. Bisweilen redet er auch von zukünftigen Dingen, wie von vergangenen und berührt zugleich das Gegenwärtige und Zukünftige, weil alles in Gott ist, das Gegenwärtige, wie das Vergangene und Zukünftige, gleichwie ein Augenblick. Du sollst Dich auch nicht wundern, wenn Gott in dunkeln Weisen redet, weil solches aus vierfachem Grunde geschieht: erstens, auf daß Gott seine große Barmherzigkeit zu erkennen geben möge, damit derjenige, welcher von der Gerechtigkeit Gottes hört, nicht an seiner Barmherzigkeit zweifeln möge, weil, wenn der Mensch seinen Willen ändert, Gott auch die Strenge seines Urteiles ändert. Der zweite Grund ist, damit diejenigen, welche an die Gerechtigkeit und die Verheißungen Gottes glauben, wegen des Glaubens und Harrens desto herrlicher mögen gekrönt werden. Dazu kommt noch der Grund, daß, wenn man den Ratschluß Gottes zu einer gewissen Zeit wüßte, manche wegen der vorausgewußten widrigen Zufälle sehr beunruhigt werden, andere aus Verdruß von ihrem Verlangen und Eifer ablassen. Schreibe ich daher an jemand einige Worte, so wird am Schlusse nicht ausgesprochen, ob diese Worte in der That von ihm angenommen und geglaubt werden oder nicht; es wird Dir auch das nicht erklärt, ob er dieselben glauben und mit der That vollziehen werde oder nicht, weil Dir nicht erlaubt ist, solches zu wissen. Der dritte Grund ist, damit niemand sich herausnehme, die Worte Gottes leichtfertig in Erörterung zu ziehen, denn Gott ist es, welcher den Hohen erniedrigt und aus dem Feinde einen Freund macht. Der vierte 364 Grund ist, daß derjenige, welcher Gelegenheit sucht zu lernen, dieselbe finde, und die unrein sind, noch unreiner, die Guten aber offenbar werden." - Ferner sprach die Braut: "Sodann redete der Sohn Gottes mit mir und sprach: Spräche jemand durch ein Rohr, das drei Öffnungen hat, und sagte demjenigen, welcher es hörte, du wirst durch diese Öffnung niemals meine Stimme hören, so könnte er nicht getadelt werden, wenn er nachher durch die beiden anderen Öffnungen spräche. So ist es auch jetzt mit unseren Reden. Denn obwohl meine Mutter, die Jungfrau, gesagt hat, daß der Brief der letzte sein sollte, der an den König geschickt wird, so ist dieses doch nur in Bezug auf ihre Person zu verstehen. Jetzt aber sende ich, Gott, der ich in meiner Mutter bin, wie meine Mutter in mir ist, meinen Boten an den König, sowohl um derer willen, welche gegenwärtig leben, als derer halber, welche noch nicht geboren sind. Von Ewigkeit her sind daher in Gott Gerechtigkeit und Barmherzigkeit; denn von Ewigkeit her war diese Gerechtigkeit in Gott, daß derselbe Gott, der vor Luzifer voll war von Weisheit, Güte und Macht, auch gewollt hat, daß recht viele seiner Güte teilhaftig wären; deshalb hat er die Engel erschaffen, von denen viele, als sie ihre Schönheit ins Auge faßten, über Gott zu sein begehrten, weshalb sie gefallen sind und als böse Geister unter die Füße Gottes gestürzt wurden. Gott beweist aber auch an diesen gewissermaßen Barmherzigkeit; denn wenn der Teufel nach Gottes Gerechtigkeit und Zulassung das Böse vollbringt, das er begehrt, so wird er gewissermaßen durch das Gedeihen seiner Bosheit getröstet, nicht daß die Pein des Teufels hierdurch gemildert wird, sondern wie ein Kranker, welcher einen mächtigen Feind hat, einen Trost empfindet, wenn er den Tod desselben vernimmt, obwohl hierdurch der Schmerz seines Leidens nicht vermindert wird, so wird der Teufel, der von Neid gegen die Menschen entbrannt ist, sobald er sieht, daß Gott seine strenge Gerechtigkeit walten läßt, heiter und fröhlich und der Durst seiner Bosheit wird gleichsam beschwichtigt und kühlt sich ab. Als dann Gott eine Minderung seines englischen Heeres sah, schuf er zum Ersatze der Vermessenheit der Teufel den Menschen, daß er gehorsam wäre gegen seine Gebote und Frucht brächte, bis so viele Menschen in den Himmel hinaufgestiegen sein würden, als Engel aus dem Himmel fielen. Der Mensch ist also 365 vollkommen erschaffen worden. Als er das Gebot des Lebens empfangen hatte, richtete er sein Augenmerk nicht auf Gott, noch seine Ehre, sondern er gab der Einflüsterung des Teufels seine Zustimmung, übertrat das Gebot und sprach: Lasset uns essen vom Baume des Lebens, und wir werden alles wissen wie Gott. Wohl haben sie, d. h. Adam und Eva, Gott nichts Böses gewünscht, wie der Teufel; sie haben auch nicht über Gott sein wollen, sondern sie wollten wissend sein wie Gott, deshalb fielen sie, aber nicht wie der Teufel; denn der Teufel beneidete Gott, und deshalb wird sein Elend kein Ende haben; auch der Mensch, weil er etwas anderes wollte, als er nach dem Willen Gottes wollen sollte, hat Gerechtigkeit verdient und erfahren, jedoch mit Barmherzigkeit. Gerechtigkeit erfahren haben jene Ureltern, als sie statt des Kleides der Ehren Nacktheit, statt des Überflusses Hunger, Fleischeslust statt der Jungfräulichkeit, Furcht statt der Sicherheit, Mühe statt Ruhe erlangten. Sie haben aber auch alsbald Barmherzigkeit erlangt, nämlich ein Kleid wider die Nacktheit, Speise wider den Hunger, Sicherheit für die gegenseitige Verbindung zur Vermehrung der Nachkommenschaft des Geschlechtes. Adam war von höchst ehrbarem Wandel, denn er hatte nie eine andere Frau als Eva, und lebte mit keinem anderen Weibe, als mit ihr. Auch gegen die Tiere übte Gott Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, und so hat Gott an dreierlei Geschöpfen Herrliches gethan: an den Engeln, welche einen Geist haben, aber kein Fleisch; zweitens an dem Menschen, welcher eine Seele und Fleisch hat; drittens an den Tieren welche Fleisch haben, aber keine Seele wie der Mensch. Der Engel hängt, weil er ein Geist ist, Gott ohne Aufhören an, und bedarf deshalb keiner menschlichen Hilfe. Der Mensch aber kann, weil er Fleisch ist, Gott nicht ohne Aufhören anhängen, bevor das Sterbliche vom Geiste getrennt ist. Damit aber der Mensch bestehen möge, hat ihm zur Hilfe Gott das unvernünftige Tier erschaffen, damit es ihm gehorche und diene zu seinem Nutzen. Deshalb beweist Gott an diesen unvernünftigen Tieren eine große Barmherzigkeit; denn sie schämen sich nicht ihrer Glieder, empfinden den Schmerz des Todes nicht, bevor der Tod naht und sind mit einfacher Nahrung zufrieden. Auch nach dem Vorübergang der Sündflut war in Gott die Gerechtigkeit nicht ohne Barmherzigkeit. Gott hätte das Volk 366 Israel recht gut binnen kürzerer Zeit in das gelobte Land bringen können; die Gerechtigkeit aber verlangte, daß die Gefäße, welche den besten Trank enthalten sollten, zuerst bewährt und gereinigt und sodann geheiligt würden, und siehe, wie Gott ihnen große Barmherzigkeit erwiesen hat; denn als auch nur ein Mensch, nämlich Moses, betete, ward ihre Sünde getilgt und ihnen die göttliche Gnade gewährt. (Exodus XXXII.) Ähnlicherweise wird auch nach meiner Menschwerdung niemals die Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit. noch die Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit geübt. - Darauf erscholl eine Stimme in der Höhe, welche sprach: O Mutter der Barmherzigkeit, Mutter des ewigen Königs, erwirke Barmherzigkeit! Denn zu Dir sind die Gebete und Thränen Deines Dieners, des Königs, gelangt. Wir wissen, wie die Gerechtigkeit fordert, daß seine Sünden bestraft werden, aber erwirke ihm Barmherzigkeit, daß er bekehrt werde und Buße thue und Gott Ehre erweise. Der Geist antwortete: In Gott ist eine vierfache Gerechtigkeit. Die erste ist, daß der, welcher unerschaffen und ewig ist, über alles geehrt werde, weil von ihm alles ist, in ihm alles lebt und die Gesamtheit besteht. Die zweite Gerechtigkeit ist, daß dem, welcher immer war und ist, und welcher zur bestimmten Zeit zeitlich geboren worden, von allen gedient und er selbst in aller Reinheit geliebt werde. Die dritte Gerechtigkeit ist, daß der, welcher an sich leidensunfähig, aber durch Annahme der Menschheit leidensfähig geworden ist, und welcher nach Übernahme der Sterblichkeit dem Menschen die Unsterblichkeit verdiente, über alles begehrt werde, was begehrt werden kann und begehrt werden muß. Die vierte Gerechtigkeit ist, daß diejenigen, welche unbeständig sind, die wahre Beständigkeit suchen, und diejenigen, welche in der Finsternis sind, das Licht, d. h. den heiligen Geist, verlangen sollen, indem sie mit Reue und Leid und mit wahrer Demut seine Hilfe anrufen. Aber von jenem Könige, dem Diener der Mutter Gottes, für welchen jetzt Barmherzigkeit gebeten wird, sagt die Gerechtigkeit, daß die Zeit für ihn nicht ausreicht, würdig, wie es die Gerechtigkeit erfordert, jene Sünden zu reinigen, welche er wider die Barmherzigkeit Gottes begangen hat; sein Leib würde auch die Strafe nicht aushalten können, welche er für seine Sünden verdient hat. Doch hat die Barmherzigkeit der Mutter Gottes für diesen ihren Diener Barmherzigkeit 367 verdient und erwirkt, so daß er selbst hören möge, was er gethan und wie er sich wird bessern können, wenn er vielleicht Reue empfinden und sich bekehren will. Und sogleich, im nämlichen Augenblicke, erblickte ich am Himmel ein Haus von wunderbarer Schönheit und Größe, und in dem Hause befand sich ein Pult, auf welchem ein Buch lag und ich sah zwei vor dem Pulte stehen, nämlich einen Engel und einen Teufel. Einer von ihnen, nämlich der Teufel, redete und sprach: Mein Name ist Wehe. Dieser Engel und ich verfolgen den nämlichen wünschenswürdigen Gegenstand, weil wir sehen, wie der mächtigste Herr vorhat, etwas Großes aufzuführen, und deshalb arbeiten wir, der Engel an dessen Förderung, ich an dessen Zerstörung. Es geschieht aber, daß wenn jener wünschenswürdige Gegenstand zuweilen in meine Hände gelangt, derselbe solche Wärme, ja Hitze hat, daß ich ihn zu halten außer stande bin; kommt er aber zuweilen dem Engel in die Hände, ist er so kalt und schlüpfrig, daß er ihm alsbald aus den Händen hinwegschlüpft. Als ich nun aufmerksam, mit ganzem inneren Nachdenken hinschaute auf das Pult, reichte mein Verstand nicht aus, dasselbe zu fassen, wie es war, meine Seele vermochte seine Schönheit nicht zu begreifen, und meine Zunge nicht dieselbe auszudrücken. Es war anzublicken wie ein Strahlenstrom der Sonne, welcher eine rote, eine weiße und eine golden glänzende Farbe hatte. Die goldene Farbe ward glänzend wie die Sonne, die weiße Farbe war wie hellleuchtender Schnee, die rote Farbe aber wie eine rote Rose. Und jegliche Farbe ward in der anderen gesehen, denn wenn ich die goldene Farbe anschaute, sah ich die weiße und rote Farbe darin, und wenn ich die weiße Farbe anschaute, sah ich darin die beiden anderen Farben. Ähnlich verhielt sich's, wenn ich die rote Farbe anblickte; so ward eine jede in der anderen geschaut, und gleichwohl war jede gesondert von der anderen, und für sich war keine früher oder später, keine kleiner oder größer, als die anderen, sondern sie wurden in allem und überall als gleiche gesehen. Und als ich aufwärts schaute, vermochte ich nicht die Länge und Breite des Pultes zu begreifen, wenn ich aber abwärts schaute, vermochte ich nicht die Unermeßlichkeit seiner Tiefe zu fassen, weil alles zu betrachten unbegreiflich war. Danach aber sah ich auf dem Pulte ein Buch, das wie das glänzendste Gold schimmerte und geöffnet 368 war. Seine Schrift war jedoch nicht mit Tinte geschrieben, sondern ein jegliches Wort in dem Buche war lebendig und redete von sich selber, als wenn jemand sagte: Thue dieses oder jenes! und als ob, sobald das Wort gesprochen war, es auch geschehen war. Die Schrift des Buches las niemand, sondern alles, was die Schrift enthielt, ward auf dem Pulte und in jenen Farben gesehen. Vor jenem Pulte aber sah ich einen König stehen, welcher noch in der Welt am Leben war; auf der linken Seite schaute ich einen anderen König, welcher gestorben war und sich in der Hölle befand, auf der rechten Seite sah ich einen dritten König, der schon gestorben war und sich im Fegfeuer befand. Der noch lebende König saß gekrönt wie in einer gläsernen Kugel. Über die Kugel hing ein dreischneidiges, schreckliches Schwert hinab, das sich in einzelnen Augenblicken der Kugel näherte, nach Art eines Perpendikels. Zur Rechten dieses lebenden Königs stand ein Engel, der ein goldenes Gefäß und einen Schoß hatte, zur Linken aber stand ein Teufel, welcher eine Zange und einen Hammer hatte. Diese beiden stritten miteinander, wessen Hand der gläsernen Kugel näher kommen sollte, wenn sie, vom Schwerte berührt, zerbrechen würde. Da nun vernahm ich die schreckliche Stimme jenes Teufels, welche sprach: Wie lange wird das währen? Siehe, wir beide verfolgen einerlei Beute, allein wir wissen nicht, wer von uns der Sieger sein wird. und sofort redete die göttliche Gerechtigkeit mit mir und sprach: Das, was Dir gezeigt wird, ist nicht körperlich, sondern geistlich; weder der Engel noch der Teufel sind leiblich, sondern sie erscheinen nur, weil Du Geistliches nicht anders als durch körperliche Bilder einzusehen vermagst. Der lebende König erscheint Dir darum in der gläsernen Kugel, weil sein Leben nur ein zerbrechliches Glas ist, das im einem Augenblicke sein Ende nehmen kann. Das dreischneidige Schwert ist der Tod, der, wenn er kömmt, dreierlei wirkt: er entkräftet den Leib, wandelt das Gewissen und scheidet wie ein Schwert die Seele vom Fleische. Daß man Engel und Teufel über die gläserne Kugel streiten sieht, das bedeutet, daß jeder von ihnen des Königs Seele zu haben begehrt, und diese wird demjenigen zuerkannt, dessen Ratschlägen sie am meisten gehorcht haben wird; daß der Engel ein Gefäß und einen Schoß hat, das bedeutet, wie das Kind im Schoße der Mutter ruht, also der Engel 369 sich bemüht, daß die Seele Gott wie in einem Gefäße dargebracht werde und im Schoße des ewigen Trostes ruhen solle; daß aber der Teufel eine Zange und einen Hammer hat, das bedeutet, daß der böse Geist die Seele mit der Zange der schlimmen Neigung an sich zieht, und sie mit dem Hammer, d. h. mit der Einwilligung in die Sünde und deren Vollbringung, zermalmt; daß die gläserne Kugel bisweilen über die Maßen heiß und zuweilen ganz schlüpfrig und kalt ist, das bedeutet des Königs Unbeständigkeit. In Versuchung geraten, denkt und spricht er bei sich also: Obwohl ich weiß, daß ich Gott beleidige, wenn ich jetzt das Vorhaben meines Herzens erfülle, werde ich doch dieses Mal mein Vorhaben durch die That vollbringen, weil ich mich für jetzt dieser That nicht entziehen kann, und so sündigt er mit Wissen wider seinen Gott, und kommt, weil er wissentlich sündigt, in die Hände des Teufels; danach greift der König zur Beicht und Reue, entgeht wiederum den Händen des Teufels und kommt in die Gewalt des guten Engels. Wenn nun dieser König seine Unbeständigkeit nicht aufgiebt, steht es gefährlich um ihn, den er steht auf einem schwankenden Grunde.
Dann sah ich zur linken Seite des Pultes jenen anderen toten König, welcher zur Hölle verdammt war; er war angethan mit königlichen Kleidern und saß auf einem Throne. Er war tot und blaß und gar schrecklich. Vor seinem Antlitze war ein Rad, das am äußersten Rande vier Linien hatte. Das Rad drehte sich nach dem Atem des Königs, und jede Linie ging, je nach dem Willen des Königs, abwärts oder aufwärts; denn die Bewegung des Rades war in der Gewalt des Königs. Drei von jenen Linien hatten eine Schrift, aber auf der vierten stand nichts geschrieben. Ich erblickte auch auf der rechten Seite des Königs einen am Pulte dienenden Engel in der Gestalt eines schönen Menschen mit leeren Händen; zur linken Seite des Königs zeigte sich ein Teufel, dessen Kopf demjenigen eines Hundes ähnlich erschien; sein Bauch war unersättlich und der Nabel, aus welchem in allen Farben gefärbtes Gift sprudelte, war offen. An jedem Fuße hatte er drei große, starke, scharfe Krallen. Darauf sprach einer, im höchsten Glanze wie die Sonne leuchtend, und vor Glanz wunderbar anzusehen, zu mir: Siehe, wie dieser König so elend ist! Sein Gewissen wird Dir jetzt offenbar werden, wie er war bei seiner Re- 370 gierung und wie er starb; wie aber sein Gewissen vor der Regierung gewesen, gebührt Dir zu wissen nicht; wisse jedoch, wie nicht seine Seele, sondern sein Gewissen vor Deinen Augen ist und weil die Seele und der Teufel nicht leibliche, sondern geistige Wesen sind, werden Dir die teuflischen Versuchungen und Strafen durch körperliche Bilder gezeigt. Sofort begann der tote König zu reden, nicht mit dem Munde, sondern gleichsam aus dem Gehirne, und sprach also: O ihr, meine Ratgeber, meine Absicht war, alles, was der Krone meines Reiches untergeben ist, festzuhalten und zu behüten, und zu arbeiten, daß dasjenige, was überkommen ist, vermehrt, aber nicht gemindert werde. Auf welche Art jedoch dasjenige, was ich habe, erworben worden, was geht es mich an, danach zu fragen? Denn mir genügt, wenn ich das Erhaltene zu schützen und zu vermehren imstande bin. Nun rief der Teufel und sprach: Siehe, welch ein Loch! was soll mein Haken thun? Die Gerechtigkeit antwortete aus dem Buche, das auf dem Pulte lag, und sprach zu dem Teufel: "Stecke den Haken in das Loch hinein und ziehe nach dir hin." Sofort, nachdem das Wort der Gerechtigkeit gesprochen war, wurde der Haken eingesetzt, allein sogleich im nämlichen Augenblicke kam vor den König der Hammer, nämlich der Barmherzigkeit, mit welchem der König, wenn er in allem nach der Wahrheit gesucht und fruchtbar den Willen geändert hätte, den Haken hätte hinwegschlagen können. Weiter redete der König und sprach: O ihr, meine Räte und meine Männer, ihr habt mich zum Herrn angenommen, und ich euch zu Räten; deshalb gebe ich euch zu wissen, daß ein Mann im Königreiche ist, welcher ein Verräter an meiner Ehre, an meinem Leben, ein Verfolger der Regierung, ein Feind des Friedens und der Gemeinde der Völker des Reiches ist. Wenn also ein solcher Mann geduldet und gelitten wird, wird der Staat Schaden leiden, die Zwietracht wachsen und werden die inneren Übel im Reiche vermehrt werden. So sagte ich, und es glaubten mir die Gelehrten und Ungelehrten, die Mächtigen und das gemeine Volk in den vorgedachten Worten, welche ich zu ihnen sprach, so weit, daß jener Mann, den ich wegen Verräterei verleumdete, sehr großen Schaden und Schande erlitten hat und das Urteil der Verbannung über ihn ausgesprochen wurde. Gleichwohl wußte mein Gewissen recht gut, was in dieser Angelegenheit die Wahrheit war, 371 und wie ich aus Herrschsucht und aus Furcht, mein Reich zu verlieren, aus Ehrbegierde und damit das Reich bei mir und bei meinen Erben bleibe, wider ihn geredet habe. Obschon ich also die Wahrheit wußte, und auf welche Weise das Reich erobert worden und wie jenem Manne unrecht geschah, und weil ich erwog, daß alle Schande und aller Schaden mich treffen würde, wenn ich die Wahrheit bekennen und ihn zu Gnaden aufnehmen würde - so habe ich mir in meinem Sinne fest vorgenommen, lieber zu sterben, als die Wahrheit zu sagen und meine Worte und ungerechten Werke zu widerrufen. Der Teufel antwortete nun: O Richter, siehe, wie dieser König mir die Zunge darreicht. Die göttliche Gerechtigkeit antwortete: Lege die Schlinge an. Als der Teufel solches gethan, hing alsbald vor dem Munde des Königs ein scharfes Eisen, womit er, wofern er gewollt, die Schlinge hätte zerschneiden und verkürzen können. Weiter redete der gedachte König und sprach: O ihr, meine Räte, ich habe die Geistlichen und die Gelehrten über den Zustand des Reiches um Rat gefragt; dieselben sagen mir, daß, wofern ich das Königreich den Händen anderer überantworten würde, ich vielen zum Nachteil und ein Verräter des Lebens und der Güter, auch ein Verletzer der Gerechtigkeit und Gesetze werden würde. Und deshalb, damit ich das Königreich für mich behalten, auch dasselbe vor den Angreifern verteidigen könne, müssen wir etwas Neues ersinnen, und weil die alten Staatseinkünfte nicht ausreichen, das Reich zu regieren und zu verteidigen, darum habe ich neue, betrügliche Auflagen an Steuern und Abgaben ersonnen, die ich dem Reiche, zum Schaden vieler Bürger des Reiches und auch schuldloser Reisenden und Kaufleute, auferlegen will. In diesen Erfindungen habe ich mir bis zum Tode zu verharren vorgenommen, obwohl mein Gewissen mir gesagt hat, daß dieses wider Gott und alle Gerechtigkeit und öffentliche Ehrbarkeit wäre. Nun rief der Teufel und sprach: O siehe, Richter, dieser König hat seine beiden Hände unter mein Wassergefäß gelegt. Was soll ich da nun thun? Die Gerechtigkeit antwortete aus dem Buche: Gieße dein Gift über dieselben. Als das Gift vom Teufel ausgegossen worden war, kam sogleich ein Salbengefäß vor den König, womit der König jenes Gift alsbald hätte wirkungslos machen können. Der Teufel schrie nun laut und sprach: Siehe, welche Wunder ich schaue, 372 die ich nicht ergründen kann! Mein Haken ist dem Könige in das Herz geschlagen, auch ist ihm sogleich ein Hammer dargeboten und in den Schoß gelegt. Ferner ist ihm mein Strick an den Mund gebracht, und es wird ihm ein gar scharfes Eisen gereicht. Auch mein Gift ist über seine Hände gegossen und nun wird ihm ein Salbengefäß angeboten. Die Gerechtigkeit antwortete aus dem Buche, das auf dem Pulte lag, und sprach: Alles hat seine Zeit, und die Barmherzigkeit und Gerechtigkeit werden einander begegnen. -
Hierauf redete die Mutter Gottes zu mir und sprach: "Komm', meine Tochter! und siehe und vernimm, was der gute und was der böse Geist der Seele eingeben. Ein jeder Mensch hat Eingebungen und Heimsuchungen, bisweilen vom guten Geiste und bisweilen vom bösen; auch ist niemand, der nicht von Gott besucht wird, solange er lebt. - und sogleich erschien der verstorbene König wieder, dem, während er lebte, der gute Geist also in die Seele eingesprochen hatte: O Freund, Du bist verpflichtet, Gott mit allen Kräften zu dienen, weil er Dir Leben, Gewissen, Verstand, Gesundheit und Ehre gegeben; über dieses duldet er Dich in Deinen Sünden. Das Gewissen des Königs antwortete, indem es in einem Bilde sprach: Es ist wahr, daß ich verpflichtet bin, Gott zu dienen, durch dessen Macht ich erschaffen und erlöst bin, durch dessen Barmherzigkeit ich lebe und bestehe. Der böse Geist dagegen gab demselben Könige ein: Bruder, sprach er, ich erteile Dir einen guten Rat, mache es wie einer, welcher Äpfel schält. Derselbe wirft den Unrat und die Schale hinweg, das Innere und Nützlichere aber behält er für sich. Ähnlich sollst auch Du es machen; denn Gott ist demütig, barmherzig, geduldig und bedarf nichts. Gieb also von Deinen Gütern, was Du bequem wirst entbehren können; was begehrenswerter und Dir nützlicher, das behalte für Dich; thue auch, was Dich dem Fleische nach gelüstet, weil Du Dich leicht wieder bessern kannst, was Dich nicht gelüstet, zu thun, auch wenn Du es zu thun verpflichtet bist, das unterlaß und gieb an dessen statt Almosen, weil dadurch gar viele erfreut werden können. Das Gewissen des Königs antwortete: Das ist ein heilsamer Rat. Ich werde also einiges von dem Meinigen geben, wovon ich keinen Schaden habe, was aber Gott für sehr groß achtet, das übrige jedoch werde ich zu eigenem Gebrauche und um die Freundschaft 373 vieler zu erwerben, aufbewahren. - Hierauf redete wieder der Engel, welcher dem Könige zum Schutz gegeben war, durch Eingebungen, indem er zum Könige sprach: O Freund, gedenke, daß Du sterblich bist und schnell sterben wirst. Bedenke auch, daß dieses Leben kurz ist, und Gott ein gerechter und geduldiger Richter ist, welcher alle Deine Gedanken und Reden und Deine Werke vom Anfange Deines Verstandesalters bis zu Ende prüft. Er beurteilt auch alle Deine Neigungen und Absichten, und läßt nichts unerörtert; deshalb gebrauche Deine Zeit und Deine Kräfte auf eine vernünftige Weise. Regiere Deine Glieder zum Nutzen Deiner Seele, lebe eingezogen und thue nicht nach dem Verlangen Deines Fleisches in den Lüsten, denn diejenigen, welche nach dem Fleische und nach ihren Gelüsten leben, kommen nicht in das Vaterland zu Gott. Der teuflische Geist dagegen riet dem Könige durch seine Eingebungen und sprach: O Bruder, wenn Du über alle Stunden und Augenblicke Gott Rechnung ablegen sollst, wann sollst Du dann fröhlich sein? Aber höre meinen Rat, Gott ist barmherzig und wird leicht besänftigt, er hätte Dich nicht erlöst, wenn er Dich verderben wollte, und die Schrift sagt, daß alle Sünden um der Reue willen verziehen werden. Mache es also, wie ein schlauer Mensch gethan; derselbe sollte einem Gläubiger zwanzig Pfunde Goldes zahlen; und da er nichts hatte, womit er bezahlen konnte, ging er zu einem Freunde, sich Rat zu holen. Dieser riet ihm, zwanzig Pfunde Kupfer zu nehmen, dieselben mit einem Pfunde Goldes zu vergolden, und mit diesem vergoldeten Kupfer den Gläubiger zu bezahlen. Jener that nach dem ihm erteilten Rate, zahlte dem Gläubiger die zwanzig Pfunde mit Gold überzogenen Kupfers, und behielt neunzehn Pfunde reinen Goldes für sich. Also thue auch Du und verwende neunzehn Stunden Zeit zu Deiner Lust, Deinem Vergnügen und Deiner Freude; eine Stunde Zeit reicht für Dich aus, zu trauern und Reue zu fühlen. Thue deshalb keck vor und nach der Beichte, was Dich erfreut; denn wie das mit Golde überzogene Kupfer gänzlich Gold zu sein schien, so werden auch die Werke der Sünde, welche durch das Kupfer bedeutet werden, durch die Reue vergoldet und getilgt, auch alle Deine Werke wie Gold glänzen. Das Gewissen des Königs antwortete sodann: Dieser Rat scheint angenehm und vernünftig, weil ich, indem ich also thue, alle Zeit zu meiner 374 Freude verwenden kann. Dagegen redete wieder der gute Engel durch seine Eingebungen zum Könige: O Freund, gedenke zuerst, mit welcher Meisterschaft Dich Gott aus dem Schoße Deiner Mutter herausgeführt, zweitens bedenke, mit welcher Langmut Gott Dich leben läßt, drittens bedenke, mit welcher Bitterkeit er Dich vom ewigen Tode erlöst hat. Auf der anderen Seite dagegen blies der Teufel dem Könige ein und sprach: O Bruder, wenn Gott Dich aus dem engen Leibe Deiner Mutter hinausgeführt hat in die Weite der Welt, so bedenke auch, daß er Dich wiederum aus der Welt mittels eines harten Todes hinausführen wird. Und wenn Gott Dich lange leben läßt, bedenke auch, daß Du in diesem Leben viel Ungemach und Trübsal wider Deinen Willen hast. Wenn Gott Dich mit seinem harten Tode erlöst hat, wer hat ihn dazu genötigt, denn Du hast ihn nicht gebeten? Nun aber antwortete der König, wie als wenn er inwendig in seinem Gewissen redete: Es ist wahr, was du mir eingiebst, denn es schmerzt mich mehr, daß ich sterben muß, als daß ich aus meiner Mutter Schoß geboren bin. Es ist auch schwerer für mich, die Widerwärtigkeiten der Welt und meines Gemütes als irgend etwas anderes zu ertragen; deshalb möchte ich, wofern mir die Wahl gegeben würde, lieber ohne Trübsal in der Welt leben und in ihrem Troste verbleiben, als mich von der Welt trennen. Ich wünsche auch lieber ein immerwährendes Leben in der Welt mit weltlichem Glücke zu haben, als daß mich Christus mit seinem eigenen Blute erlöst hätte. Ich würde kein Verlangen haben, im Himmel zu sein, wenn ich die Welt nach meinem Wunsche auf Erden haben könnte. Nun hörte ich vom Pulte her ein Wort, das also sprach: Nimm vom Könige das Salbengefäß hinweg, er hat wider Gott den Vater gesündigt. Gott der Vater, welcher auf ewige Weise im Sohne und heiligen Geiste ist, gab das wahre und rechte Gesetz durch Moses, dieser König aber hat ein Gesetz aufgerichtet, das widerwärtig und verkehrt ist. Weil er jedoch einiges Gute, wenn auch nicht in guter Absicht, gethan, wird ihm verstattet, sein Reich für seine Lebenstage zu besitzen, damit er auf diese Weise in der Welt belohnt werde. Zum anderen Male sprach das Wort vom Pulte: Nimm das scharfe Eisen vor den Augen des Königs hinweg, denn er hat wider den Sohn Gottes gesündigt, der gesagt hat im Evangelium, daß über den- 375 jenigen ein Gericht ohne Barmherzigkeit ergehen wird, der keine Barmherzigkeit geübt hat. Jener König hat aber an den wider Recht und Gerechtigkeit Betrübten keine Barmherzigkeit üben, noch seinen Irrtum bessern, noch auch seinen verkehrten Willen ändern wollen. Um einiges Guten willen aber, das er gethan, soll ihm zum Lohne gegeben werden, daß er die Worte der Weisheit im Munde habe und von gar vielen für weise gehalten werde. Zum dritten Male redete das Wort der Gerechtigkeit und sprach: Nehmt vom Könige den Hammer weg, weil er wider den heiligen Geist gesündigt hat. Der heilige Geist verzeiht allen Büßenden die Sünden; dieser König aber hat bis an sein Ende in seiner Sünde zu verharren sich vorgenommen. Gleichwohl soll ihm, weil er einiges Gute gethan, das gegeben werden, was er am heißesten für seines Leibes Lust begehrt, nämlich das Weib, das er zur Ehe begehrt, die Lust seiner Augen, auch daß er ein schönes und wünschenswürdiges Ende des Lebens nach der Welt erlange. - Als demnächst die letzte Zeit vor des Königs Ende nahte, rief der Teufel und sprach: Siehe, das Salbengefäß ist hinweggenommen; darum will ich ihm jetzt die Hände schwer machen, damit er keine fruchtbaren Werke vollbringt. Und sofort, nachdem des Teufels Wort ausgesprochen war, ward der König der Stärke und Gesundheit beraubt. Alsdann rief augenblicklich der Teufel: Siehe, das scharfe Eisen ist hinweggenommen, darum will ich meine Schlinge anziehen, und sofort ward der König der Sprache beraubt. Und sobald er der Sprache beraubt war, redete die Gerechtigkeit mit dem guten Engel, welcher dem Könige zum Schutze gegeben war, und sprach: Siehe nach dem Rade und betrachte, welche Linie aufwärts zieht, und lies die Schrift derselben. Und siehe, die vierte Linie zog aufwärts; es war an ihr aber nichts beschrieben, sondern sie war wie ein glattes Rad. Darauf antwortete die Gerechtigkeit und sprach: Weil diese Seele geliebt hat, was leer ist, so fahre sie nun hin zum Liebhaber ihres Lohnes, und sofort war des Königs Seele gesondert von ihrem Leibe. Und nachdem die Seele hinausgegangen war, rief der Teufel alsbald und sprach: Jetzt will ich diesem Könige das Herz zerreißen, weil ich seine Seele besitze. Und alsdann sah ich, wie der König gänzlich verändert ward vom Scheitel seines Hauptes bis zur Sohle und sein Anblick war schrecklich, wie der eines geschundenen Tieres. 376 Seine Augen waren ausgerissen und sein Fleisch gleichsam gänzlich zusammengekugelt und seine Stimme ließ sich also vernehmen: Weh mir, daß ich blind geworden bin, wie ein Hündlein, in der Blindheit geboren, den Hintertheil der Mutter sucht, weil ich um meiner Undankbarkeit halber die Brust meiner Mutter nicht sah! Weh mir, daß ich in meiner Blindheit sehe, wie ich nimmer Gott schauen werde, weil mein Gewissen jetzt erkennt, wohin ich gefallen bin, und was ich hätte thun sollen, aber nicht gethan habe! Weh mir auch, daß ich, nach Gottes Vorsehung in der Welt geboren und in der Taufe wiedergeboren, Gott vergessen und vernachlässigt habe! Und weil ich nicht habe von der Milch der göttlichen Süße trinken wollen, so gleiche ich jetzt mehr einem blinden Hunde, als einem sehenden Kinde. Aber jetzt werde ich noch, obwohl ich ein König bin, wider meinen Willen genötigt, die Wahrheit zu sagen; denn ich war wie mit drei Stricken gebunden und verpflichtet, Gott zu dienen, nämlich um der Taufe, der Ehe und der Krone des Reiches halber. Die erste habe ich verachtet, als ich meine Neigung den Eitelkeiten der Welt zugewendet, die zweite habe ich außer acht gelassen, als ich ein fremdes Eheweib begehrte, die dritte habe ich gering geschätzt, als ich auf irdische Gewalt stolz ward und an die himmlische Macht nicht dachte. Darum, obwohl ich nun blind bin, erkenne ich doch in meinem Gewissen, daß ich wegen Verachtung der Taufe an den Haß des Teufels gebunden werde, daß ich wegen der ungeordneten Regung des Fleisches die Lust des Teufels leiden und daß ich wegen meiner Hoffart an die Füße des Teufels gebunden sein muß. Da antwortete der Teufel: O Bruder, jetzt ist es Zeit, daß ich rede und mit Reden wirke. Komm' daher zu mir nicht mit Liebe, sondern mit Haß. Ich war unter den Engeln der schönste, Du aber bist ein sterblicher Mensch. Der allmächtige Gott gab mir den freien Willen, weil ich denselben aber zu unordentlichen Regungen verwendete, um über Gott zu sein und Gott lieber hassen, als lieben wollte, deshalb bin ich gefallen, wie einer, welcher das Haupt unten, die Füße aber oben hat. Du jedoch bist, wie auch jeder andere Mensch, nach meinem Falle erschaffen, und hast ein besonderes Vorrecht vor mir erhalten, nämlich, daß Du durch das Blut des Sohnes Gottes erlöst worden, ich aber nicht. Weil Du also die Liebe Gottes verachtet hast, deshalb wende Dein Haupt 377 meinen Füßen zu, und ich will Deine Füße in meinen Mund nehmen, und so wollen wir verbunden bleiben wie diejenigen, von denen einer ein Schwert im Herzen des anderen hat, der andere aber ein Messer in den Eingeweiden des ersteren. Stichst Du mich deshalb mit Deinem Zorne, so will ich Dich mit meiner Bosheit stechen. Und weil ich ein Haupt, d. h. Verstand gehabt, Gott zu ehren, wenn ich gewollt hätte, Du aber Füße, d. h. Stärke gehabt hast, zu Gott zu gehen, jedoch nicht gewollt hast, deshalb wird mein erschreckliches Haupt auch Deine kalten Füße verzehren. Du wirst unaufhörlich verschlungen, aber nicht verzehrt werden, ja, Du wirst hierzu immerdar erneuert werden. Wir wollen uns auch mit drei Stricken zusammenbinden. Der erste Strick sei um die Mitte, womit mein Nabel mit dem Deinigen verbunden wird, damit, wenn ich atme, Du mein Gift in Dich ziehest; wenn Du aber atmest, ich Deine Eingeweide in mich ziehe. Und mit Recht, denn Du hast mehr Dich selber, als Deinen Erlöser geliebt, wie auch ich mich selbst mehr geliebt habe, als meinen Schöpfer. Mit dem zweiten Stricke wollen wir Dein Haupt und meine Füße, mit dem dritten mein Haupt unc Deine Füße zusammenfügen. Hierauf sah ich, wie der Teufel drei scharfe Krallen an jedem Fuße hatte. Er sprach zum Könige: Weil Du, Bruder, Augen gehabt hast, den Weg des Lebens zu sehen, und ein Gewissen, um das Gute und Böse zu unterscheiden, deshalb werden zwei meiner Krallen in Deine Augen eindringen und sie durchbohren, die dritte Kralle aber werde ich einschlagen in Dein Gehirn. Dadurch wirst Du so zusammengedrückt werden, daß Du Dich gänzlich unter meinen Füßen befindest, während Du doch zu dem Ende erschaffen worden, daß Du mein Herr seiest, und ich der Schemel Deiner Füße. Auch zwei Ohren hast Du empfangen, um den Weg des Lebens zu vernehmen, und einen Mund, um der Seele Nützliches zu reden. Weil Du aber verachtet hast, das Heil Deiner Seele zu hören und zu reden, werden zwei Krallen meines anderen Fußes in Deine Ohren eindringen, und die dritte wird in Deinen Mund fahren. Damit wirst Du so gepeinigt werden, daß Dir alles bitter sein wird, was Dir früher, als Du Gott beleidigtest, süß zu sein schien. Nachdem solches gesprochen worden, wurden alsbald auf die vorbemeldete Weise Haupt, Füße und Nabel des Königs mit dem 378 Haupte, den Füßen und dem Nabel des Teufels verbunden; und so zusammengebunden fuhren beide in den Abgrund hinab. Und dann hörte ich eine Stimme, welche sprach: Ach! ach! was hat nun der König von allem feinem Reichtume? Wahrlich nichts als Schaden. Was aber von seiner Ehre? Fürwahr nichts als Schande. Was aber von der Begehrlichkeit, womit er um das Königreich geworben hat? Wahrlich nichts als Pein. Denn er ist gesalbt worden mit dem heiligen Öle, geweiht mit heiligen Worten, gekrönt mit der Königskrone, damit er die Worte und Thaten Gottes ehren, er auch das Volk Gottes verteidigen und regieren möge. Er sollte auch wissen, daß er immer unter den Füßen Gottes und daß Gott sein Vergelter sei. Weil er aber verachtet hat, unter den Füßen Gottes zu sein, deshalb ist er jetzt unter den Füßen des Teufels, und weil er seine Zeit nicht mit fruchtbaren Werken, während er gekonnt hätte, hat auslösen mögen, so wird er fortan keine fruchtbare Zeit mehr haben. - Danach aber sprach die Gerechtigkeit aus dem Buche, welches auf dem Pulte war, und sagte zu mir: Alles, was Dir so in der Aufeinanderfolge gezeigt worden, ist vor Gott ein Augenblick, weil Du aber leiblich bist, ist es nötig, daß die geistlichen Erkenntnisse Dir durch körperliche Gleichnisse aufgeschlossen werden. Was daher der König, der Engel und der Teufel, wie Dir schien, gegenseitig miteinander redeten, ist nichts anderes, als die Eingebungen und Eingießungen des guten und bösen Geistes, welche in der Seele des Königs entweder durch sich selber oder durch seine Räte und ihre Freunde entstanden. Wenn aber der Teufel rief: Es ist durchbohrt, während der König sagte, er wolle alles behalten, was der Krone unterworfen sei, auf welche Weise dasselbe auch erworben sein möchte, und wollte sich auch nicht kümmern um die Gerechtigkeit seines Besitzes, - so ist dieses so zu verstehen, daß das Gewissen des Königs mit des Teufels Eisen, d. h. mittels der Verhärtung durch die Sünde durchbohrt worden, weil er nicht nachforschen, noch erfahren wollte, was mit Recht zum Reiche gehörte und was mit Unrecht, und weil er nicht besorgt gewesen, zu prüfen, welches Recht er selbst zum Reiche hatte. Der Haken des Teufels aber wurde dem Könige in die Seele gestoßen, als die Versuchung des Teufels in der Seele des Königs dergestalt überhand genommen, daß er in seiner Ungerechtigkeit bis an den Tod 379 hat verharren wollen. Daß aber nach dem Haken der Hammer in des Königs Schoß kam, bedeutet die Zeit der Reue, welche dem Könige gewährt worden; denn hätte der König solchen Gedanken gefaßt und gesprochen: Ich will nicht ferner wissentlich das übel Erworbene behalten, deshalb will ich mich fortan bessern! so würde der Haken der Gerechtigkeit sogleich durch den Hammer der Reue vernichtet worden und der König auf einen guten Weg und zu einem guten Leben gekommen sein. Wenn aber der Teufel gerufen: Siehe, der König reicht mir seine Zunge, und wenn alsbald ein Strick daran gelegt ward, als der König dem Menschen, den er in üblen Ruf gebracht, keine Gnade erweisen wollte, so ist dieses also zu verstehen: Wer seinen Nächsten wissentlich tadelt und schlecht macht, um seinen eigenen Ruf auszubreiten, der wird vom teuflischen Geiste regiert und soll wie ein Dieb mit einem Stricke gebunden werden. Daß aber nach dem Stricke dem Könige ein scharfes Eisen vorgehalten wurde, bedeutet, daß ihm Zeit gegeben wurde, seinen bösen Willen zu bessern und zu tugendhaften Werken anzuwenden, denn wenn der Mensch mit gutem Willen und durch Besserung seine Schuld gutmacht, dann ist ein solcher Wille wie ein überaus scharfes Eisen, womit des Teufels Strick zerschnitten und die Verzeihung der Sünden erlangt wird; hätte der König seinen Willen geändert und jenem beleidigten und in üblen Ruf gebrachten Menschen Gnade erwiesen, so würde sofort der Strick des Teufels durchschnitten worden sein; weil er aber seinen Willen durch seinen bösen Vorsatz noch befestigte, so ist es die Gerechtigkeit Gottes gewesen, daß er noch mehr verhärtete. Zum dritten hast Du gesehen, daß, weil der König im Königreiche neue Steuern auflegen und beitreiben wollte, Gift über seine Hände gegossen ward. Dieses bedeutet, daß des Königs Werke von einem teuflischen Geiste und bösen Eingebungen regiert wurden, denn wie das Gift im Leibe Unruhe und Erkältung erzeugt, so ward der König von boshaften Gedanken und Eingebungen beunruhigt und geplagt, nämlich Mittel zu suchen, wie er den Besitz und die Güter anderer und das Gold der Reisenden erlangen möchte; denn wenn die Reisenden in dem Glauben eingeschlafen waren, ihr Gold befinde sich in ihrem eigenen Beutel, so fanden sie, wenn sie erwachten, daß es in der Gewalt des Königs war. Das Salbengefäß aber, daß dem Könige gegen das Gift gereicht 380 wurde, bedeutet das Blut Jesu Christi gegen jegliche Krankheit. Hätte der König seine Werke in die Betrachtung des Blutes Jesu Christi eingetaucht, Gott um Hilfe gebeten und gesprochen: O Herr Gott, der Du mich erschaffen und erlöst hast, ich weiß, daß ich durch Deine Zulassung zum Reiche und zur Krone gelangt bin, streite deshalb wider die Feinde, welche mich angreifen, und bezahle meine Schulden, weil die Mittel des Reiches nicht auslangen, so hätte ich ohne Zweifel seine Werke gethan und seine Last zum Ertragen leicht gemacht. Weil er aber fremdes Gut begehrt und für gerecht hat angesehen werden wollen, wo er sein Unrecht kannte, so regierte der Teufel sein Herz und riet ihm, wider die Satzungen der Kirche zu handeln, Kriege anzustiften und Unschuldige zu betrügen, bis die Gerechtigkeit der göttlichen Majestät über ihn Gericht und Gerechtigkeit gerufen. Das Rad aber, welches sich nach dem Atem des Königs bewegte, bedeutet des Königs Gewissen, das nach Art eines Rades sich bald zur Freude, bald zur Traurigkeit bewegte. Die vier Linien jedoch, welche am Rade waren, bedeuten den vierfachen Willen, den jeder Mensch haben soll, nämlich den vollkommenen, starken, rechten und vernünftigen Willen. Der vollkommene Wille ist, Gott lieben und ihn über alles haben wollen, und dieser muß auf der ersten, höchsten Linie sein. Der zweite Wille ist, dem Nächsten um Gottes willen immer Gutes zu thun, wie sich selber. Dieser Wille aber muß stark sein, damit er nicht durch Haß oder Geiz gebrochen werde. Der dritte Wille besteht darin, sich von fleischlichen Begierden enthalten wollen und das Ewige begehren. Und dieser Wille soll recht sein, wodurch man nicht den Menschen, sondern Gott gefalle. Derselbe soll auf der dritten Linie geschrieben stehen. Der vierte Wille aber ist, die Welt nicht anders, als auf vernünftige Weise und allein, soweit es notwendig ist, zu besitzen. Als nun das Rad umgedreht worden, zeigte sich auf der Linie, welche obenauf kam, daß der König unter Verachtung der Liebe Gottes die Vergnügungen der Welt geliebt. Auf der zweiten Linie stand geschrieben, daß seine Liebe nach den Ehren und den Menschen der Welt gestanden. Auf der dritten Linie stand die Liebe geschrieben, welche er auf eine ungeordnete Weise zu dem Besitze und Reichtume der Welt hatte. Auf der vierten Linie aber stand nichts geschrieben, sondern statt daß darauf die Liebe Gottes über alles hätte geschrieben 381 stehen sollen, war alles leer. Die Leerheit der vierten Linie bedeutet den Mangel der Liebe und der Furcht Gottes; denn durch die Furcht wird Gott in die Seele gezogen, und durch die Liebe Gott in einer guten Seele befestigt. Wenn auch der Mensch in seinem Leben niemals Gott geliebt, nun aber, seinem letzten Augenblicke nahe geführt, von ganzem Herzen gesprochen hätte: O Gott! es reut mich von ganzem Herzen, wider Dich gesündigt zu haben, gieb mir Deine Liebe und ich will mich hinfort bessern, so würde ein solcher Mensch der Liebe nicht zur Hölle fahren. Weil also der König den nicht geliebt, den er hätte lieben sollen, darum hat er nun den Lohn seiner Liebe. -
Danach sah ich jenen anderen König zur rechten Seite der Gerechtigkeit, welcher im Fegfeuer war. Derselbe war ähnlich einem eben geborenen Knaben, welcher sich weiter nicht zu regen vermag, als daß er nur die Augen aufhebt. Auf der linken Seite des Königs stand, wie ich sah, ein Teufel, dessen Haupt einem Blasebalge mit einer langen Röhre ähnlich sah. Seine Arme waren wie zwei Schlangen, seine Kniee wie eine Presse, seine Füße wie ein langer Haken. Zur Rechten des Königs stand ein sehr schöner Engel, zum Helfen bereit. Dann hörte ich eine Stimme, welche sprach: Dieser König zeigt sich jetzt in der Gestalt, wie seine Seele beschaffen war, als sie aus dem Leibe fuhr. Und sogleich schrie der Teufel wider das Buch, welches auf dem Pulte lag, und sprach: Hier schauet man Wunder. Denn dieser Engel und ich warteten auf dieses Knaben Geburt, er in seiner Reinheit, ich mit aller meiner Unreinigkeit. Als nun der Knabe nicht zum Fleische, sondern vom Fleische geboren worden, erschien an ihm die Unreinigkeit; der Engel entsetzte sich vor derselben und vermochte nicht, den Knaben anzurühren; ich aber berühre ihn, weil er in meine Hände gefallen ist, weiß jedoch nicht, wohin ich ihn führen soll, denn meine verfinsterten Augen sehen ihn vor dem Glanze einer gewissen Klarheit nicht, welche aus seinem Herzen hervordringt. Der Engel aber sieht ihn, weiß auch, wohin er ihn führen wird, vermag jedoch nicht, ihn anzurühren. Deshalb schlichte Du, weil Du ein gerechter Richter bist, unseren Streit. Das Wort antwortete aus dem Buche und sprach: Du, der du redest, sprich, aus welchem Grunde ist diese Seele des Königs in deine Hände gefallen? Der Teufel antwortete: Du, 382 der Du die Gerechtigkeit selber bist, hast gesagt, niemand gehe ein in den Himmel, der nicht erstattet hat, was er zuvor ungerechterweise an sich genommen. Diese Seele aber ist mit ungerecht Erworbenem gänzlich besteckt, so daß alle Adern, alles Mark und Fleisch, sowie ihr Blut von widerrechtlich erworbener Speise genährt und aufgewachsen ist. Zweitens hast Du gesagt, es dürften keine Schätze gesammelt werden, welche Motten und Rost verzehren, sondern die in Ewigkeit bleiben. In dieser Seele aber war die Stätte leer, an welcher der himmlische Schatz aufbewahrt werden mußte; derjenige Schatz jedoch angefüllt, wo die Würmer und Frösche ernährt wurden. Drittens hast Du gesagt, der Nächste müsse um Gottes willen geliebt werden. Allein diese Seele liebte den Leib mehr als Gott, und kümmerte sich nicht um die Liebe des Nächsten, denn solange sie im Fleische wohnte, getröstete sie ich des Raubes der Güter ihres Nächsten, verwundete die Herzen ihrer Untergebenen und achtete nicht auf den Schaden anderer, wenn sie nur selber Überfluß hatte. Sie that ferner alles, was ihr gefiel, und gebot, was sie wollte, kümmerte sich auch wenig um die Billigkeit. Das also sind die Hauptursachen, denen unzählige andere folgten. Da aber antwortete das Wort aus dem Buche der Gerechtigkeit und sprach zum Engel: Schutzengel der Seele, der du im Lichte bist und das Licht schauest, was für ein Recht hast du an dieser Seele oder welche Tugend hast du hervorzuheben, um ihr zu helfen? Der Engel antwortete: Sie hat den heiligen Glauben gehabt und geglaubt und gehofft, alle Sünde werde durch die Reue und Buße ausgetilgt. Sie hat auch Dich, ihren Gott, gefürchtet, obwohl weniger, als sie gesollt hätte. Abermals redete die Gerechtigkeit aus dem Buche und sprach: O du mein Engel, dir wird jetzt verstattet, die Seele zu berühren, und dir, Teufel, zugestanden, das Licht der Seele zu schauen. Forschet also beide, was diese Seele geliebt bat, als sie im Leibe lebte und alle Glieder gesund hatte. Beide, der Engel und der Teufel, antworteten: Sie hat die Menschen und den Reichtum geliebt. Sodann sprach die Gerechtigkeit aus dem Buche: Was liebte sie, da sie von der Angst des Todes gedrängt ward? Beide antworteten: Sich selber hat sie geliebt, denn sie war mehr um die Schwachheit des Fleisches und die Trübsal des Herzens bekümmert, als um das Leiden ihres Erlösers. Ferner 383 redete die Gerechtigkeit zu ihnen: Suchet weiter, was sie im letzten Augenblicke ihres Lebens geliebt und gedacht hat, als sie noch ein gesundes Gewissen und Verstand in sich hatte. Der Engel antwortete allein: Die Seele hat also gedacht: Weh mir, daß ich gar verwegen gegen meinen Erlöser gewesen bin! ach! daß ich doch Zeit hätte, worin ich meinem Gott für seine Wohlthaten danken könnte; denn daß ich wider Gott gesündigt habe, ängstigt mich mehr, als der Schmerz meines Fleisches, und wenn ich auch den Himmel nicht erlangen sollte, möchte ich doch meinem Gott dienen. Die Gerechtigkeit aus dem Buche antwortete und sprach: Weil du, Teufel, die Seele wegen der Helle ihres Glanzes nicht sehen, du Engel aber wegen ihrer Unreinigkeit sie nicht berühren kannst, deshalb ist es recht, daß du, Teufel, dieselbe reinigst. Du, Engel, tröste sie, bis sie zum Glanze der Herrlichkeit eingeführt wird. Dir aber, Seele, wird gestattet, den Engel anzublicken und von ihm Trost zu empfangen. Du wirst des Blutes Christi und der Gebete seiner Mutter und der Kirche teilhaftig werden. Nachdem dieses vernommen worden, sprach der Teufel zur Seele: Weil Du, mit übel erworbener Speise und unrechtem Gute erfüllt, in meine Hände gelangt bist, werde ich Dich mittels meiner Presse entleeren. Nun legte der Teufel des Königs Hirn zwischen seine Kniee, welche einer Presse glichen, und drückte dasselbe der Länge und Breite nach fest zusammen, bis das ganze Mark so dünn war, als ein Blatt am Baume. Zum anderen sprach der Teufel zur Seele: Weil die Stätte, wo die Tugenden sein sollten, leer ist, deshalb will ich dieselbe ausfüllen. Nun setzte er eine Röhre, wie einen Blasebalg an den Mund des Königs, blies stark hinein und füllte ihn mächtig mit entsetzlichem Winde, dergestalt, daß alle Adern und Nerven des Königs jämmerlich zerrissen. Zum dritten sprach der Teufel zur Seele des Königs: Weil Du wider Deine Unterthanen, welche Dir wie Deine Kinder hätten sein müssen, gottlos und unbarmherzig gewesen bist, so werden Dich meine Arme ergreifen und drücken; denn gleichwie Du Deine Unterthanen gestochen, so werden meine Arme, den Schlangen ähnlich, Dich zu dem höchsten Schmerze und Entsetzen zerfleischen. Als nach diesen drei Peinen, nämlich der Presse, des Blasebalgs und der Schlangen, der Teufel die Peinen noch verstärken und wieder mit der ersten beginnen wollte, sah ich 384
[Die Seiten 385-400 fehlen in vorliegender Ausgabe.
Kapitel XLIX.
Christus erklärt der Braut, weshalb Gott das Volk Israel in der Wüste, nicht aber in Ägypten geschlagen. Von der Bewährung Mosis. Er straft einen König mit einer Drohung, weil er mit den Unterthanen kein Mitleid trug und sich durch schlechte Ratgeber leiten ließ. Er soll sich auch nicht darauf verlassen, daß er ihn zuvor seinen Freund genannt hatte.
[fehlt in dieser Ausgabe] 388
Kapitel L.
Gleichlautend mit Kapitel XLV des vierten Buches.
Kapitel LI.
Der Kaiser Christus schreibt an den Kaiser von Deutschland, und eröffnet demselben, wie er mit eigenem Munde vieles von der Braut geredet, das im himmlischen Buche geschrieben worden. Ingleichen befiehlt er ihm, er solle es ansehen und prüfen, auch mit dem Papste sich bemühen, die Regel zu bestätigen, welche er selber der Braut angegeben hat.
[fehlt in dieser Ausgabe] 390
Kapitel LII.
Christus rät einem Könige, welcher gegen die Ratschläge der Jungfrau Maria ungehorsam gewesen war, daß er zum Papste gehen und von ihm Absolution für gewisse, hier angegebene schwere Sünden begehre, und die Sünden weder verheimliche, noch entschuldige, sondern sich mit ganzem Herzen demütige, weil die größten Sünden durch den Papst nachgelassen werden müssen.
[fehlt in dieser Ausgabe] 391
Kapitel LIII.
Christus rät durch die Braut dem obenerwähnten Könige, er solle nicht mit Pomp, noch mit zahlreichem Gesinde oder unter verschwenderischer Austeilung von Gaben, um in den Ländern gepriesen zu werden, sondern demütig, weislich, mit notdürftigem, ehrbahrem, frommem Gefolge zum Papste ziehen.
[fehlt in dieser Ausgabe]
Kapitel LIV.
Christus ermahnt die Könige durch die Braut, sie sollen sich der Sünde entledigen und nach dem Beispiele des Engels, welcher zur Reise aufgeschürzt dem Tobias erschienenen, sich mit dem Gürtel, d. h. mit dem Inbegriffe guter Werke und Worte, gürten, bevor sie aus der Welt gehen, und sollen keine kurz abgeschnittenen, sondern ehrbare Kleider tragen und ein bescheidenes Benehmen an den Tag legen.
[fehlt in dieser Ausgabe] 392
Kapitel LV.
Christus tröstet die Braut und sagt ihr, sie solle Gottes Worte, die ihr geoffenbart worden, nicht verschweigen, wenn schon sie darüber gescholten werde. Sie soll aber dieselben auch nicht um des Lobe der Menschen willen reden. Sie soll aber dieselben auch nicht um des Lobes der Menschen willen reden, denn diejenigen, welchen göttliche Ratschläge gegeben werden, werden, wenn sie denselben folgen, die verheißene Barmherzigkeit erlangen, aber der Gerechtigkeit verfallen, wenn sie dieselben verachten.
[fehlt in dieser Ausgabe] 393
Kapitel LVI.
Gott der Vater erklärt und zeigt der Braut der Reihenfolge nach den schrecklichen Verlauf des göttlichen Gerichtes, welches wider einen noch lebenden undankbaren König gehalten ward, der ungehorsam war wider die göttlichen Ratschläge. Und wie die Braut auf dem Altare der göttlichen Majestät im Himmel ein Lamm und an demselben ein menschliches Antlitz erblickte, und im nämlichen Augenblicke dasselbe in der hand eines Priesters sah, der in der Welt die messe feierte, und wie die Diener und Unterthanen der Könige, welche in der Welt, in der Hölle und im Fegfeuer geplagt werden, sich vor Gott schwer über diese Könige und ihre Fürsten beklagten, und alle Heiligen über sie um Gerechtigkeit abbaten. 395
[Die Seiten 385-400 fehlen in vorliegender Ausgabe.
mit der That vollzogen worden, sowie gar vielen anderen Sünden kann man beweisen und wissen, ob der König Deinen oder meinen Ratschlägen gefolgt ist. - Alsdann aber redete die Gerechtigkeit, antwortete und sprach: Weil der König die Tugend gehaßt und die Wahrheit verachtet hat, deshalb kommt es Dir zu, durch Deine Bosheit die Bosheit des Königs zu vermehren, und ich muß ihm nach der Gerechtigkeit einiges von dem Guten, das ihm aus Gnaden gegeben worden, mindern. Der Teufel antwortete: Ich, o Richter, werde dem Könige meine Geschenke mehren und vervielfältigen; ich will ihn also mit Nachlässigkeit erfüllen, auf daß er die Werke Gottes in seinem Herzen nicht ansehe, noch über die Werke und Vorbilder Deiner Freunde nachdenke. Die Gerechtigkeit antwortete: und ich werde ihm die Eingebungen meines heiligen Geistes mindern, und ihm die früheren guten Erinnerungen und Tröstungen entziehen. Darauf sprach der Teufel: Ich werde ihm die Kühnheit einflößen, Todsünden und läßliche Sünden ohne Scham und Scheu zu denken und zu begehen. Darauf antwortete die Gerechtigkeit: Ich will ihm Vernunft- und Unterscheidungsgabe mindern, damit er den Lohn und die Gerichte, die Tod- und läßlichen Sünden nicht unterscheide und ergrüde. und der Teufel sprach: Ich will ihm Furcht einflößen, damit er nicht wage, zu reden, oder wider die Feinde Gottes Gerechtigkeit zu üben. Die Gerechtigkeit antwortete: Ich werde ihm den Verstand und die Wissenschaft dessen, was er zu thun hat, mindern, daß er einem Narren und Possenreißer in Worten und Werken ähnlicher steht, als einem weisen Menschen. Darauf sprach der Teufel: Ich will Angst und Trübsal des Herzens über ihn bringen, wenn er in seinen Unternehmungen nach seinem Willen kein Glück hat. Die Gerechtigkeit erwiderte: Ich will ihm die geistlichen Tröstungen mindern, die er ehemals durch seine Gebete und Thaten empfing. Der Teufel aber sprach: Ich will ihm Schlauheit verleihen, in Erfindung von Betrug und Überlistung derjenigen, auf deren Verderben er ausgeht. Die Gerechtigkeit antwortete: Ich will ihm den Verstand so vermindern, daß er nicht acht haben soll auf seine eigene Ehre, noch auf seinen Vorteil. Der Teufel sprach: Ich will ihn innerlich in eine solch freudige Aufregung versetzen, daß er sich freue über die Gefahr seiner Seele, seiner Schande und seines 401 Schadens, da er doch, wenn er wollte, in allen Dingen Glück haben könnte. Die Gerechtigkeit antwortete: Ich werde ihm die Vorsicht und Überlegung mindern, welche die Weisen in ihren Worten und Thaten haben. Darauf sprach der Teufel: Ich will über ihm eine weibische Vermessenheit und ungebührliche Furcht und solche Mainieren beibringen, daß er eher einem Lotterbuben, als einem gekrönten Könige gleich sein soll. Die Gerechtigkeit antwortete nun: Eines solchen Gerichtes ist derjenige wert, welcher sich von Gott trennt; er muß von seinen Freunden verachtet, von dem Volke seiner Gemeinde gehaßt, und von den Feinden Gottes vertrieben werden, weil er die Gaben der göttlichen Liebe, sowohl die geistlichen als die leiblichen, gemißbraucht hat. Abermals sprach die Wahrheit: Das ist nun gezeigt worden nicht in Rücksicht auf das, was der König verdient hat, weil seine Seele noch nicht gerichtet ist, sondern sie wird im letzten Augenblicke ihrer Abberufung zu richten sein. Nach diesen Worten sah ich, wie jene drei, nämlich die Kraft, die Wahrheit und die Gerechtigkeit, dem Richter ähnlich waren, welcher zuvor geredet harte; und darauf vernahm ich eine Stimme wie eines Herolds, welche also sprach: O ihr Himmel mit, mit allen Planeten, schweiget still; und ihr Teufel alle, die ihr in der Finsternis seid, höret; und ihr anderen alle, die ihr im Finstern seid, höret, weil der höchste Kaiser sich anschickt, über die Fürsten der Erde Gericht zu halten. Und alsbald war das, was ich sah nicht leiblich, sondern geistlich. Und meine geistlichen Augen wurden geöffnet, um zu hören und zu sehen. Und alsdann sah ich Abraham kommen mit allen Heiligen, die aus seinem Geschlechte geboren waren. Es kamen auch alle Patriarchen und Propheten. Dann sah ich die vier Evangelisten, deren Gestalt den vier lebenden Wesen, wie dieselben auf den Gemälden abgebildet werden, ähnlich war: dieselben erschienen nun aber als Lebende, nicht tot. Nach diesen erblickte ich zwölf Stühle, und auf denselben die zwölf Apostel, welche die kommende Macht erwarteten. Dann kamen Adamm und Eva mit den Märtyrern und Bekennern, und allen anderen von ihnen abstammenden Heiligen. Die Menschheit Christi aber zeigte sich noch nicht, doch auch der Leib seiner gebenedeiten Mutter, sondern alle warteten, daß sie kommen würden. Auch die Erde und das Wasser schienen sich bis zu den Himmeln zu erheben, und alles, was 402 darin war, demütigte und beugte sich mit Ehrerbietung vor der Macht. Hierauf aber schaute ich einen Altar, welcher auf dem Sitze der Majestät war, auch einen Becher mit Wasser und Wein, und ein Brot in Gestalt einer auf dem Altare geopferten Hostie. Und sodann sah ich, wie in einer Kirche in der Welt ein Priester, mit den priesterlichen Gewändern angethan, eine Messe begann. Als dieser, nachdem alles, was zur Messe gehört, vollbracht worden, zu den Worten gelangt war, mit denen er das Brot konsekrierte, sah ich, wie gleichsam die Sonne und der Mond und die Sterne mit den Planeten, und alle Himmel mit ihren Umläufen und Bewegungen in Wechselstimmen süßklingende Töne hören ließen und überall melodischer Gesang sich vernehmen ließ. Es wurden auch zahllose Arten von Musikern sichtbar, deren gar süße Töne zu fassen und in Worten wiederzugeben unmöglich ist. Diejenigen aber, welche im Lichte waren, schauten den Priester an und neigten sich mit Ehrerbietung und Ehren vor der Macht; die aber in der Finsternis waren, fühlten Entsetzen und Furcht. Nachdem von dem Priester die Worte Gottes über das Brot gesprochen waren, schien es mir, als befände sich das nämliche Brot in drei Gestalten auf dem Stuhle der Herrlichkeit, wobei es nichtsdestoweniger in den Händen des Priesters blieb. Und das Brot ward ein lebendiges Lamm, und an dem Lamme zeigte sich ein Menschenantlitz und eine brennende Flamme innerhalb und außerhalb des Lammes und Angesichtes. Und wenn ich meinen Blick eifrig auf das Anschauen des Antlitzes richtete, sah ich das Lamm in demselben; blickte ich aber das Lamm an, so sah ich das Antlitz in demselben. Eine Jungfrau saß neben dem Lamme, das eine Krone trug und alle Engel dienten ihnen. Es waren ihrer eine solche Menge wie Stäubchen in der Sonne, und von dem Lamme ging ein wunderbarer Glanz aus. Es war auch eine solche Menge heiliger Seelen gegenwärtig, deren Länge, Breite, Höhe und Tiefe mein Blick nicht zu ermessen vermochte. Einige Stellen, welche noch zur Ehre Gottes angefüllt werden müssen, sah ich leer. Und dann vernahm ich von der Erde eine Stimme von zahllosen Tausenden, welche riefen und sprachen: O Gott, gerechter Richter, halte Gericht über unsere Könige und Fürsten, und siehe an das Vergießen unseres Blutes und die Schmerzen und Thränen der Ehefrauen und unserer Söhne. Schaue an 403 unsere Hungersnot und unsere Schmach, unsere Wunden und Einkerkerungen, das Abbrennen unserer Häuser und die Gewaltthätigkeiten und die Schmach der Mädchen und Weiber. Siehe an das Unrecht der Kirchen und des ganzen Klerus, und schaue die trügerischen Versprechungen der Fürsten und Könige, und die Verrätereien und Erpressungen, welche sie mit Zorn und Gewaltthat beitreiben, weil sie sich nicht um uns kümmern; wie viele Tausende müssen sterben, um ihre Herrschsucht zu befriedigen. Danach riefen aus der Hölle wie zahllose Tausende und sprachen: O Richter! wir wissen, daß Du der Schöpfer aller Dinge bist. Richte daher über die Herren, denen wir auf der Erde gedient, weil sie uns recht tief in die Hölle versenkt haben. Und obwohl wie Dir Böses wünschen, so treibt uns doch die Gerechtigkeit, daß wir uns beklagen und die Wahrheit sagen. Unsere irdische Herren haben uns ohne Liebe geliebt, weil sie sich um unsere Seelen nicht mehr kümmerten, als um Hunde. Diesen unseren Herren war es gleichgültig, ob wir Dich, den Schöpfer aller Dinge, liebten oder nicht; sie begehrten, daß wir sie liebten, daß wir ihnen dienen sollten. Deshalb sind sie des Himmels nicht wert, weil sie sich nicht um Dich bekümmern; sie verdienen die Hölle, wenn ihnen nicht Deine Gnade zu Hilfe kommt, weil sie uns in das Verderben gestürzt haben. Darum möchten wir noch Schwereres leiden, als wir leiden, damit nur ihre Pein kein Ende nähme. Danach redeten die im Fegfeuer sich Befindenden in ähnlicher Weise und riefen: O Richter, wir wurden um der Reue und des guten Willens halber, die wir am Ende unseres Lebens hatten, zum Fegfeuer verurteilt. Und deshalb beklagen wir uns über die Herren, welche noch auf der Erde leben. Denn dieselben hätten uns mit Worten und ihrem Tadel leiten und ermahnen, auch mit heilsamen Ratschlägen und Vorbildern belehren sollen; allein sie haben uns mehr zu bösen Werken und Sünden gestärkt und gereizt, und deshalb ist um ihrer willen unsere Strafe schwerer und die Zeit der Strafe länger, und unsere Schande und Trübsal größer. -
Hierauf redete Abraham samt allen Patriarchen und sprach: O Herr! unter allem, was wünschenswert war, haben wir uns gesehnt, daß Dein Sohn, welcher jetzt von den Fürsten der Erde verachtet wird, aus unserer Nachkommenschaft geboren werden möge, 404 darum begehren wir Dein Gericht über sie, weil sie auf Deine Barmherzigkeit nicht acht haben, noch Dein Gericht fürchten. Und darauf redeten die Propheten und sprachen: Wir haben von der Ankunft des Sohnes Gottes geweissagt und gesprochen, daß er zur Befreiung seines Volkes von einer Jungfrau geboren werden, Verrat leiden, gefangen genommen, gegeißelt, mit Dornen gekrönt werden und endlich am Kreuze sterben würde, damit der Himmel geöffnet und die Sünde getilgt werde. Nachdem nun erfüllt worden, was wir gesagt haben, so bitten wir um ein Gericht über die Fürsten der Erde, welche Deinen Sohn verachten, der aus Liebe für sie gestorben ist. Auch die Evangelisten sprachen nun und sagten: Wir sind Zeugen, daß Dein Sohn alles, was vorhergesagt worden, an sich selber erfüllt hat. Auch die Apostel redeten und sprachen: Wir sind Richter, deshalb gebührt uns, nach der Wahrheit zu richten. Und darum verurteilen wir diejenigen, welche den Leib Gottes und seine Gebote verachten, zum Verderben.
Nach diesen aber sprach die Jungfrau, welche neben dem Lamme saß: O süßester Herr! erbarme Dich ihrer. Der Richter sprach zu ihr: Es ist nicht recht, Dir etwas abzuschlagen, denn diejenigen, welche von der Sünde ablassen und würdige Buße thun, werden Barmherzigkeit finden, und ich werde das Gericht von ihnen abwenden. Darauf sah ich, wie das Antlitz, das am Lamme sichtbar war, zum Könige redete und sprach: Ich habe große Gnade an Dir gethan; denn ich habe Dir meinen Willen gezeigt, wie Du Dich in Deiner Regierung verhalten und Dich selber ehrbar und verständig betragen solltest. Ich habe Dich auch wie eine Mutter mit süßen Worten der Liebe angelockt, und wie ein liebreicher Vater durch Ermahnungen geschreckt. Du aber hast, dem Teufel gehorsam, mich von Dir geworfen, wie eine Mutter eine frühzeitige Geburt von sich wirft, welche sie nicht für würdig hält, sie zu berühren, noch deren Munde ihre Brust zu reichen. Deshalb wird alles Gute, das Dir versprochen worden, von Dir hinweggenommen und einem Deiner Nachkommen hinzugelegt werden. Danach aber redete die Jungfrau, welche neben dem Lamme saß, zu mir und sprach: Ich will Dir anzeigen, wie Dir die Einsicht in die geistlichen Gesichte gegeben worden. Denn die Heiligen Gottes haben den heiligen Geist auf verschiedene Art empfangen. Einige unter 405 ihnen haben die Zeit vorausgewußt, wo dasjenige geschehen würde, das ihnen gezeigt ward, wie die Propheten. Andere Heilige wußten im Geiste das, was sie den Personen, die zu ihnen kamen, antworten sollten, wenn sie etwas von ihnen gefragt wurden. Andere aber wußten, ob diejenigen, welche entfernt von ihnen sich befanden, lebendig oder tot waren. Einige wußten auch vorher, welches Ende und welchen Ausgang eine Schlacht haben werde, bevor die Streitenden sich in den Kampf begaben. Dir ist aber nichts anderes zu wissen erlaubt, denn als geistliche Dinge zu hören und zu sehen, auch das, was Du siehst, zu schreiben und es den Personen zu melden, an welche es Dir zu bestellen, befohlen wird. Es ist Dir auch nicht verstattet, zu wissen, ob diejenigen, an welche Dir zu schreiben geboten wird, lebendig oder tot sind, oder ob sie den Ratschlägen Deiner Briefe oder Deiner Gesichte, weiche Dir auf göttliche Weise gegeben worden, folgen werden oder nicht. Aber obwohl jener König meine Worte verachtet hat, wird doch ohne Zweifel ein anderer kommen, welcher sie mit Achtung und Ehre annehmen und sich ihrer zu seinem Heile bedienen wird."
Kapitel LVII.
Die Mutter Gottes sagt der Braut, daß um dreier Sünden willen die Strafe Gottes über das Reich gekommen. Deshalb kann Gott durch dreierlei anderes Gute versöhnt werden. Erstens, daß die Leute die wahre Demut und Ehrbarkeit in der Kleidung annehmen; zweitens durch gewisse Almosen; drittens durch Prozessionen und die hier angegebenen Messen.
Die Mutter Gottes redete mit der Braut und sprach: "Um dreier Sünden willen kam die Strafe über das Reich, nämlich wegen der Hoffart, der Unenthaltsamkeit und Begierlichkeit. Und deshalb kann Gott durch dreierlei besänftigt werden, damit die Zeit der Strafe verkürzt werde. Das erste ist, daß alle die wahre Demut in den Kleidern zu erkennen geben, indem sie bescheidene, nicht zu lange Kleider nach Art der Weiber haben, noch auch zu enge, wie die Possenreißer, oder zerschnittene, zerrissene und schadhafte, eitle und unnütze Kleider; denn dergleichen mißfällt Gott. Ferner sollen sie ihre Leiber so ehrbar halten, daß dieselben nicht 406 voller erscheinen, als wie sie Gott erschaffen hat; noch um des Prunkes willen weder kleiner noch höher erscheinen mittels Bändern und Schleifen und ähnlichen Kunstgriffen, sondern alles soll zum Nutzen und zur Ehre Gottes sein. Auch die Weiber sollen die Kleider der Pracht ablegen, welche sie aus Hoffart und eitelm Ruhme sich zugelegt haben, weil der Teufel den Weibern, welche die alten und löblichen Sitten ihres Vaterlandes verachten, einen neuen Mißbrauch, unschicklichen Zierrat für Haupt, Füße und die übrigen Glieder vorgeschrieben hat, um die Unkeuschheit zu erwecken und Gott zu erzürnen Das zweite ist, daß man mit fröhlichem Gemüte Almosen gebe. Das dritte ist, daß jeder Pfarrer einmal im Monate das ganze Jahr hindurch eine Messe von der heiligen Dreifaltigkeit lese, wozu all sein Volk zusammenkommen, beichten, Buße thun, sowie an diesem Tage fasten soll, indem es anhaltend betet und fleht, daß die Sünden mögen vergeben werden, und der Zorn Gottes sich besänftige. Ähnlicherweise sollen die Bischöfe in jedem Monat entweder selbst in ihren Kathedralkirchen feierliche Prozessionen vornehmen oder vornehmen lassen, die Messe von der heiligen Dreifaltigkeit feiern, die Armen versammeln und denselben demütig die Füße waschen."
Kapitel LVIII.
Gleichlautend mit Kapitel XXX des siebenten Buches.
Kapitel LIX.
Von einem unwürdigen Könige und seinem Gerichte.
Der Sohn Gottes sprach: "Weil jener König nicht sucht u. s. w." Siehe die XXVII. Offenbarung in den Extravaganten.
Kapitel LX.
Von sechs ungerechten Königen.
Der Sohn Gottes sprach: "Ich habe Dir zuvor fünf Könige gezeigt." Siehe das weitere im LXXVIII. Kapitel der Extravaganten. 407
Kapitel LXI.
Ein König ward ermahnt, er solle sich bessern, sonst werde er seines Reiches beraubt.
Die Mutter Gottes redete zur Braut Christi und sprach: "Ich bin jene, zu welcher der Engel u." Den Verfolg siehe im LXXX. Kapitel der Extravaganten.
[Es folgt das Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes auf den Seiten 409-438 (hier jeweils vor die einzelnen Bücher gestellt) und drei Seiten Werbung auf den Seiten 439-440. Der vierte Band der Buchausgabe beginnt mit den Seiten:]
Sammlung der vorzüglichsten mystischen Schriften aller katholischen Völker
Aus dem Urtextete übersetzt.
Dreizehnter Band.
Offenbarungen der heiligen Brigitta. IV.
Zweite Auflage.
Regensburg. Verlags-Anstalt vorm. G. J. Manz. 1888. 2
Leben und Offenbarungen der heiligen Brigitta.
Neu bearbeitet, übersetzt und herausgegeben von Ludwig Clarus.
Aufs neue durchgesehen und verbessert von einem katholischen Priester.
Vierter Band.
Offenbarungen. IV. Teil.
Zweite Auflage.
Regensburg.
Regensburg. Verlags-Anstalt vorm. G. J. Manz. 1888. 3
Buchdruckerei der Verlags-Anstalt vorm. G. J. Manz in Regensburg. 4
[Anmerkungen]