Der Isenheimer Altar

und seine Botschaft


Weiter-ButtonZurück-Button Leben und Offenbarungen der heiligen Brigitta

Nach der Übersetzung von Ludwig Clarus (1888) digitalisiert und bearbeitet von Gertrud Willy

Sechstes Buch der himmlischen Offenbarungen der heiligen Brigitta. [2. Teil]

  • Kapitel LXII. - Die Himmelskönigin erzählt der Braut, wie der Engel ihr die Zeit angekündigt, wo sie aus dieser Welt scheiden müsse, um leiblich aufzufahren in den Himmel. Die Jungfrau erzählt auch die Weise ihres Hinscheidens und die Betrachtung, in deren Denken ihre Seele zur Zeit ihres Todes begriffen war, auch einige große Dinge, welche damals und zu der Zeit geschehen, wo sie leiblich in den Himmel ausgenommen ward.
  • Kapitel LXIII. - Christus giebt der Braut die hier enthaltenen Worte und befiehlt, dieselben an den Papst Klemens zu senden, nämlich, daß er Frieden stiften solle zwischen den Königen von Frankreich und England, daß er nach Italien kommen und das Jubeljahr verkündigen solle. Christus tadelt ihn um gewisser Sünden und schwerer Vernachlässigungen halber, auch wegen des vergangenen unordentlichen Lebens willen, und droht ihm mit der Gerechtigkeit, falls er sich nicht gebessert haben würde.
  • Kapitel LXIV. - Christus droht hier mit Ernst einigen, welche ihre früheren Sünden und den Weg Gottes vergessen hatten und fröhlich in Sicherheit lebten; sagt jedoch, daß, wenn sie sich besserten, sie Barmherzigkeit bei ihm finden würden.
  • Kapitel LXV. - Christus giebt hier der Braut eine bemerkenswerte Lehre, wie man ein thätiges und beschauliches Leben führen kann, das hier durch Martha und Maria bedeutet wird; d. h. wie der Mensch im geistlichen Leben und in den Tugenden beginnen und zunehmen soll, um die höchste Stufe der vollkommenen Liebe Gottes und des Nächsten zu ersteigen. Er redet zuerst von der Thätigkeit derer, welche Marias Leben befolgen.
  • Kapitel LXVI. - Christus zeigt der Braut, wie die Seele das Weib Gottes ist, deren Haus der Leib ist. . Ihre fünf Diener werden durch die fünf Sinne bedeutet, und die fünf Mägde durch fünf Tugenden. Der Herr sagt auch, wie eine fromme Seele beschaffen und wie dieselbe geschmückt sein müsse. Außerdem zeigt er, für welche Sünden die Seele eines Verstorbenen zum Fegfeuer verdammt werde, und sagt, wie dieselbe wegen der Gebete eines Heiligen, und durch welche Hilfe und Mittel sie von den Peinen befreit werden könne.
  • Kapitel LXVII. - Christus sagt der Braut, wie diese Welt einem Schiffe ähnlich ist, das drei Teile hat; nämlich das Vorderteil, die Mitte und das Hinterteil. Also ist diese Welt in drei Zeitaltern beschlossen, und am Ende des dritten Alters, in welchem wir uns jetzt befinden, wird von einem verfluchten Weibe und einem verfluchten Manne jener entsetzliche Antichrist geboren werden.
  • Kapitel LXVIII. - Als die Braut in Zweifel war, ob nicht ein Mönch getäuscht würde, welcher behauptete, er schaue himmlische Gesichte, antwortet ihr Christus und sagt: "Jener werde durch einen bösen Geist hintergangen, der die Gestalt eines Engels des Lichtes annehme." Christus beweist dieses aus Büchern desselben, welche Ehrgeiz und Eigenlob verraten, und Christus befiehlt, er solle ermahnt werden, daß er sich bessere, sonst werde er alsbald und übel sterben, was dann auch leider nachmals geschah.
  • Kapitel LXIX. - Christus sagt der Braut, wie ein Bruder unter dem äußeren Anscheine der Tugend betrogen worden. Derselbe aß während der Fastenzeit nicht, und er legte sich andere unkluge Entziehungen auf, wobei er vertraute, hierdurch den Himmel erlangen zu können. Wir sollen aber nicht auf unsere guten Werke vertrauen, dieselben vielmehr, so groß sie auch sein mögen, gleichsam für nichts achten, wenn sie auch notwendig sein mögen, sondern wir sollen mit Demut allein auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen.
  • Kapitel LXX. - Christus läßt die Braut das schreckliche Urteil der Verdammung der Seele eines verstorbenen Kardinals sehen, welcher ungerecht und in Freuden gelebt hatte. Er bedroht die Prälaten und die Geistlichkeit, welche ungebührlich die Kirchengüter der verstorbenen Gläubigen verzehren und verschlingen, mit scharfer Gerechtigkeit; verheißt aber den Wohlthätern selber in der ewigen Herrlichkeit die beste Vergeltung.
  • Kapitel LXXI. - Im Jubeljahre gebietet Christus der Braut durch einen gewissen Beichtvater, daß er alle die, welche ihm beichten, frei absolvieren soll, ausgenommen die den Censuren der Kirche unterworfenen.
  • Kapitel LXXII. - Christus befiehlt, man solle sich dahin vorsehen, daß man für die Lossprechung der Sünder kein Geld annehme, und daß die Priester von allen heimlichen Sünden absolvieren können, damit nicht die Sünder, wenn dieselben unabsolviert an die Oberen geschickt werden, aus Furcht und Scham in ihren Sünden sich verhärten und verdammlich in denselben dahinsterben.
  • Kapitel LXXIII. - Christus sagt von einem Beichtvater des Papstes zu Rom, daß, wie lasterhaft er auch ist, gleichwohl die Absolution, welche er den Beichtenden giebt, vor Gott genehm ist. Christus sagt auch seinen plötzlichen Tod voraus.
  • Kapitel LXXIV. - Die Braut schaute ein Gesicht, wie von der Engelsburg an bis zu St. Peter in Rom viele mit einer Mauer umgebene Wohnungen waren. Christus legt dieses aus und sagt, daß der heilige Papst, welcher die Kirche geistlich und brünstig geliebt, daselbst mit seinen Kardinälen und Räten wohnen wird.
  • Kapitel LXXV. - Christus befiehlt durch die Braut einem frommen Magister der Gottesgelahrtheit, [sic!] er solle zu gelegener oder ungelegener Zeit eifrig beten, daß die gereinigten Seelen das Antlitz Gottes schauen. Er sagt auch, wie diejenigen, welche immer leben und sündigen wollten, ewig in der Hölle gepeinigt werden würden.
  • Kapitel LXXVI. - Christus spricht gegen die Braut einen Tadel aus, nachdem ihre Habe durch Feuer verbrannt worden war, und sagt, daß, wer seine Hausgenossen nicht kräftig zu bessern sucht, in das Gericht Gottes fällt. Auch straft er einen erschrecklich, welcher da glaubte, alles komme vom Glücke und Zufalle, weil er durch Zauberei Fische fing.
  • Kapitel LXXVII. - Christus straft einen Ordensgeistlichen, welcher über die Rettung der Heiden disputierte, und sagt, daß diejenigen, welche wohl gelebt und sich bemüht haben, um in den Weinberg der göttlichen Herrlichkeit berufen zu werden, aber keine Christen werden konnten, nach ihrem Tode von Gott Trost empfangen werden, wenn sie auch nicht in die Herrlichkeit eingehen können.
  • Kapitel LXXVIII. - Mittels der hier enthaltenen Worte, welche der Braut geoffenbart waren, wurde aus einem gewissen Hause ein Teufel vertrieben, welcher Antworten gab und den Einwohnern, welche darin Abgötterei trieben, einiges Zukünftige vorhersagte. Nachdem diese durch die Kraft Gottes und der Worte bekehrt worden waren, entwich der Teufel unter Geschrei mit Schanden von dannen.
  • Kapitel LXXIX. - Einer, der, obwohl nicht zum Priester geweiht, Messen hielt, wurde durch gerechten Richterspruch zum Tode verurteilt. Von ihm sagt Christus, daß er um der Pein und Reue willen. welche er gehabt, an der Seele nicht verdammt werden wird. Die Messe aber und andere Sakramente, welche er gespendet, nützten den Gläubigen, die solche empfangen, um des Glaubens willen, den sie hatten.
  • Kapitel LXXX. - Christus redet mit der Braut von einem Weibe, welches von dem Teufel der Wollust grausam gepeinigt wurde, und sagt, daß sie durch eine aufrichtige Beicht und den Empfang der Eucharistie und die Gebete der Diener Gottes befreit werden wird.
  • Kapitel LXXXI. - Hier werden durch Christum die Mittel angegeben, durch welche ein dreijähriger, von einem Teufel geplagter Knabe geheilt wird. Auch seine Mutter, welche von dem Teufel der Wollust betrogen worden, ward durch die Kraft Christi und der hier enthaltenen Worte von demselben befreit.
  • Kapitel LXXXII. - Christus straft hier diejenigen schwer, welche dem Geiste einer Wahrsagerin, der Künftiges voraussagt, glauben; denn dieses wirke ein Teufel kraft seiner feinsinnigen Natur durch Zulassung Gottes wegen des Unglaubens und der Begierlichkeit der Menschen.
  • Kapitel LXXXIII. - Christus sagt, daß die Frömmigkeit der Heiden künftig viel größer sein wird, als die der Christen, auch alle beten werden: "Ehre dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geiste!"
  • Kapitel LXXXIV. - Christus tadelt diejenigen, welche sich mit vielen Kleidern wider die Kälte beladen, und diejenigen, welche stolz sind auf schöne Kleider, wie ein Pfau auf seine Federn. Er sagt, daß, wenn sie vollkommen auf ihn vertrauten, er ihnen Schönheit und Wärme an Leib und Seele geben würde.
  • Kapitel LXXXV. - Christus sagt der Braut, daß diejenigen, welche wissentlich übel Erworbenes behalten, nicht in die Ruhe eingehen werben, bis sie Erstattung geleistet haben; Beispiel einer Seele, welche lange am Reinigungsorte gewesen war; die es aber unwissenderweise behielten, werden nicht bestraft werden. Er giebt auch eine Erklärung über Almosen aus übel erworbenen Gütern und ob dieselben den Spendenden nützen.
  • Kapitel LXXXVI. - Wie die Braut ein Feuer vom Himmel auf den Altar herniederfahren sah, und in der Hand des Priesters ein Lamm und am Lamme das menschliche, in Flammen glühende. Antlitz Christi erblickte. Sie vernahm auch die Auslegung dieses Geheimnisses.
  • Kapitel LXXXVII. - Beim Eintreten eines im Kirchenbanne Befindlichen in das Haus spürte die Braut einen entsetzlichen Gestank. Christus legt dieses aus und sagt, daß, wie dieser Gestank für den Leib gefährlich ist, also ist es auch der Kirchenbann der Seele des Gebannten und denen, die mit ihm verkehren.
  • Kapitel LXXXVIII. - Als die Braut im Zweifel war, was jene empfindliche und wunderbare Regung bedeute, die sie im Herzen empfand, wenn ihr etwas aus göttlicher Eingebung geoffenbart werden sollte, erklärt ihr die Mutter Gottes die Wahrheit des Geheimnisses und verkündigt ihr, daß Gott und sie durch die Braut der Welt seinen Willen zu erkennen geben wollen.
  • Kapitel LXXXIX. - Christus läßt durch den Evangelisten Johannes die Braut wissen, daß Johannes, nicht aber ein anderer die Apokalypse auf Eingebung des heiligen Geistes geschrieben hat, und daß die Glosse des Magisters Matthias über die Bibel diesem Magister von dem nämlichen Geiste auf göttliche Weise mitgeteilt worden ist.
  • Kapitel XC. - Als ein ungläubiger Klostergeistlicher die Gnade, himmlische Dinge zu schauen, welche der Braut von Gott umsonst gewährt werden, bezweifelte, straft ihn Christus durch die Braut wegen seiner Redseligkeit und eitlen Wissenschaft und läßt ihn durch die Gicht ergriffen werden.
  • Kapitel XCI. - Christus befiehlt der Braut, sie solle den Leib mäßig durch Speise stärken, damit wegen Schwächung desselben die Seele nicht gehindert werde am Göttlichen.
  • Kapitel XCII. - Christus straft drohend einen Mönch, welcher aus dem Leben der Väter vor dem Könige den Beweis zu führen suchte, daß die Braut betrogen worden. Der Herr sagt auch, wie jene Väter sich hätten betrügen lassen, welche, auf ihre Gerechtigkeit stolz, sich anderen vorzogen und demütigen Menschen nicht gehorchen wollten.
  • Kapitel XCIII. - Bemerkenswertes Gesicht von einer Frau, welche die Jungfrau Maria und Petrus aufhielten, daß sie nicht fiel. Auf den Rat derselben änderte sie ihr Leben und verfiel, vermöge einer besonderen göttlichen Gnade, in eine Krankheit, in welcher sie gereinigt worden und dann in den Himmel wanderte.
  • Kapitel XCIV. - Die Mutter Gottes offenbart der Braut, wo die Seelen, welche Christus aus der Vorhölle erlöste, als er zur Hölle hinabstieg, bis zu seiner Himmelfahrt gewesen, auch wo die Leiber derer geblieben sind, die mit ihm zu Jerusalem auferstanden, als er ihre Seelen mit sich gen Himmel nahm, und wie der Herr sich bei der Auferstehung früher seiner Mutter gezeigt, als anderen. Sie lehrt die Braut auch, wie sie den Anfechtungen widerstehen soll.
  • Kapitel XCV. - Ein edler, gerechter, vornehmer Herr wollte eine große Würde des Regimentes im Königreiche aus guter Absicht nicht annehmen. Diesen tadelt die Mutter Gottes durch die Braut, indem sie befiehlt, er solle sie annehmen und allezeit die Worte der Wahrheit im Munde und das Schwert der Gerechtigkeit ohne einiges Ansehen der Personen in der Hand haben.
  • Kapitel XCVI. - Als zu Rom die Glocken in der St. Peterskirche verbrannten, sprach Christus zur Braut, sie solle sich nicht verwundern, weil zuweilen die Elemente die Zeichen künftiger Ereignisse darstellen. So zeigen diese Glocken den nahen Tod eines Papstes an, dem ein schweres Gericht für den Fall bevorsteht, daß er sich nicht schleunig zu Gott bekehrt.
  • Kapitel XCVII. - Wie Gott will, daß man die Sünder zu gelegener und ungelegener Zeit zur Beicht ermahnen solle, namentlich aber am Ende des Lebens, nach dem Beispiele eines Herrn, der sechzig Jahre ohne Beicht gelebt hatte, und am Ende, schier gezwungen, beichtete und nach erlangter Reue errettet wurde.
  • Kapitel XCVIII. - Christus straft durch die Braut eine Äbtissin mit Drohungen, und vergleicht dieselbe mit einer feisten Teufelskuh, weil sie Eigentum und weiche und sorgfältig behandelte Kleider hatte, mit Hoffart und Schmauserei prächtig lebte und den Schwestern ein Beispiel des Verderbens gab.
  • Kapitel XCIX. - Es ließ sich Mutter den Nonnen ein mit einem klösterlichen Habite bekleideter Mohr sehen. Das legt Christus also aus, daß jener der böse Geist der Begierlichkeit ist, welcher unter dem Scheine der Liebe die Klosterfrauen verleitete, Reichtum zu sammeln, um damit anderen reichliche Almosen zu spenden; Christus straft sie hierüber streng und verwirft sie.
  • Kapitel C. - Christus stärkt die Braut und sagt, sie solle nicht fürchte, daß die ihr auf göttliche Weise geoffenbarten, in diesem Buche enthaltenen Worte entkräftet werden könnten, obwohl sie gemalen, getreten und wie Öl ausgepreßt werden sollten, auf daß hierdurch die Geduld und Ehre Gottes erweitert werde.
  • Kapitel CI. - Christus befiehlt der Braut, sie solle das, was sie im Geiste von ihm vernimmt, aufschreiben und an die Heiden senden, auf daß dieselben ihre Undankbarkeit und die Geduld Gottes erkennen.
  • Kapitel CII. - Christus ermahnt eine Kranke, sie solle in der Geduld beständig sein, weil ihr die Krankheit zum Nutzen ihrer Seele gegeben worden. Er erklärt auch, daß die Ablässe der römischen Kirchen bei Gott größer und den Seelen nützlicher sind, als die Menschen glauben.
  • Kapitel CIII. - Wie der selige Nikolaus in Bari der Braut an seinem Grabe mit Öl gesalbt erschienen ist und derselben über das von seinem Leibe fließende Öl und anderes in betreff seiner Tugenden während seines Lebens Erklärung gegeben, und von der überschwenglichen Güte Gottes gegen seine Auserwählten.
  • Kapitel CIV. - Wie die selige Anna der Braut erschien und sie ein besonderes Gebet ihr zu Ehren lehrte, und eines für verheiratete Frauen, um Kinder zu erlangen.
  • Kapitel CV. - Die Mutter Gottes stärkt die Braut, die Heiligtümer Roms zu besuchen, und sagt, daß die Ablässe, welche die Heiligen durch ihr Gebet und eigenes Blut erlangt haben, größer sind, als die Menschen glauben.
  • Kapitel CVI. - Einer, der sich stellte, als ob er die Welt verlassen hätte und Gott dienen wolle, fragte die Braut um Rat, in welchem Stande er Gott dienen solle. Christus sprach zu ihr, daß jener den Jordan noch nicht überschritten, d. h. die Welt und seinen Willen noch nicht vollständig verachtet habe, und deshalb auch nicht die Antwort des verborgenen Willens Gottes hören wird.
  • Kapitel CVII. - Christus sagt der Braut, daß, wie ein Adler von der Höhe seine Jungen behütet und denselben in ihren Nöten und in Gefahr zu Hilfe kommt, also auch er seinen Freunden bei den Nöten ihres Leibes und ihrer Seele. Er befiehlt auch der Braut, sie solle den Leib des heiligen Andreas besuchen, den der Herr hier lobt; er verheißt auch denen, welche ihn besuchen, Barmherzigkeit und Gnade.
  • Kapitel CVIII. - Als die Braut zu Rom am Grabe des heiligen Stephanus betete, erschien ihr derselbe und erzählte ihr einiges von seinem Leben, seinen Tugenden und seinem Leiden, und erbot sich, für sie Gnade bei Gott zu erwirken, wobei er ihr voraussagt, sie werde noch gen Jerusalem ziehen.
  • Kapitel CIX. - Die Mutter Gottes beredet einen Geistlichen, daß er auf irgend eine Tugend welche er hat, nicht vertrauen soll, auch vor Geschwätzigkeit, Lachen und Leichtfertigkeit der Sitten solle er sich hüten. Ferner sei es Gott angenehmer, wenn der Mensch in der Welt gerecht lebt von seiner Arbeit, als in der Wüste oder einem Kloster ohne die Liebe Gottes.
  • Kapitel CX. - Die Braut Christi vernahm im Geiste, was die sieben Donner bedeuten und weshalb dem Johannes befohlen worden, sie nur zu besiegeln, aber nicht zu schreiben, und daß bei Lebzeiten vieler, welche damals noch lebten, die Donner in die Kirche kommen und viele sich wünschen würden, zu sterben.
  • Kapitel CXI. - Daß der Gehorsam der Keuschheit vorgezogen wird und in die Herrlichkeit einführt.
  • Kapitel CXII. - Maria giebt der Braut Nachricht über die Vorhaut Christi, welche sie sorgfältig aufbewahrt und Johannes, dem Evangelisten, samt dem Blute Christi, das in den Wunden Christi zurückgeblieben war, zum Aufheben gegeben hatte.
  • Kapitel CXIII. - Wie die Braut den Zustand der Brüder zu Alvastra sah. Wie es der Braut gezeigt worden, hat sich's auch begeben.
  • Kapitel CXIV. - Der heilige Geist sprach zur Braut, als sie die Absolution für die Sünden zu empfangen versäumte, daß eine läßliche Sünde durch die Verachtung eine Todsünde werde.
  • Kapitel CXV. - Der gute Wille des Büßenden reicht aus, wenn er keines Beichtvaters habhaft werden kann; derselbe hat dem Schächer am Kreuze genützt und den Himmel eröffnet; der böse Wille aber hat die Hölle gemacht, und Luzifer ist durch den bösen Willen böse geworden.
  • Kapitel CXVI. - Die Einfalt dessen, der kaum das Vaterunser weiß, gefällt Gott mehr, als die Klugheit der Hoffärtigen und die gelehrte Thorheit, wenn sie in der Liebe die Gebote beobachtet und die evangelischen Räte und alle Rechte und Gesetze befolgt.
  • Kapitel CXVII. - Die glorreicheiche Jungfrau Maria gewährt, wenn sie von ihnen angerufen wird, auch den verächtlichsten Sündern Hilfe, wie an der Seele eines Sünders gezeigt wird, welche des Tisches der Liebe derselben Jungfrau teilhaftig wird.
  • Kapitel CXVIII. - Der Sohn Gottes rät Katharina, der Tochter der heiligen Brigitta, welche in ihr Vaterland heimziehen wollte, daß sie bei ihrer Mutter bleibe, da ihr Mann binnen kurzem sterben werde.
  • Kapitel CXIX. - Der gewöhnliche Stand der Ehe gefällt Gott, der Witwenstand findet Gnade, die Jungfräulichkeit ist das Vollkommenste.
  • Kapitel CXX. - Die Liebe wird mit einem Baume verglichen, von welchem alle Tugenden ausgehen, unter denen der Gehorsam die erste Stelle einnimmt.
  • Kapitel CXXI. - Christus zeigt, daß der Gehorsam eine Tugend sei, durch welche alles Unvollkommene vollkommen wird. Ohne denselben entsteht Unklugheit in den Gedanken des Gemütes, und es erfolgen Minderung der Frömmigkeit und häufige Trübsal der Seele und des Leibes.
  • Kapitel CXXII. - Christus zeigt, wie die Freunde Gottes nach seinem Vorbilde in ihrem Betragen Anstand beobachten sollen, damit ihre Arbeit nicht ohne Lohn bleibe.

Kapitel LXII.

Die Himmelskönigin erzählt der Braut, wie der Engel ihr die Zeit angekündigt, wo sie aus dieser Welt scheiden müsse, um leiblich aufzufahren in den Himmel. Die Jungfrau erzählt auch die Weise ihres Hinscheidens und die Betrachtung, in deren Denken ihre Seele zur Zeit ihres Todes begriffen war, auch einige große Dinge, welche damals und zu der Zeit geschehen, wo sie leiblich in den Himmel ausgenommen ward.

Die Mutter sprach: "Als ich eines Tages, nachdem eine Reihe von Jahren seit meines Sohnes Himmelfahrt verflossen war, sehr bedrängt war von dem Verlangen, zu diesem meinem Sohne zu kommen, erblickte ich einen leuchtenden Engel, den ich schon früher gesehen habe und der zu mir sprach: Dein Sohn, welcher unser Herr und Gott ist, hat mich gesendet, um Dir zu melden, wie es nun Zeit ist, daß Du leiblich zu ihm kommen wirst, um die Dir zubereitete Krone zu empfangen. Ich antwortete ihm: Kennst Du den Tag oder die Stunde, wo ich von dieser Welt scheiden werde? Es werden, erwiderte der Engel, die Freunde Deines Sohnes kommen, welche Deinen Leib begraben werden. Nach dieser Rede verschwand der Engel und ich bereitete mich zu meinem Abzuge, indem ich alle Orte nach meiner Gewohnheit besuchte, an denen mein Sohn gelitten hatte; und als eines Tages mein Geist verzückt war in der Bewunderung der göttlichen Liebe, ward meine Seele mit solchem Jubel in der Betrachtung selbst erfüllt, daß sie sich kaum zu fassen vermochte und in derselben Betrachtung meine Seele vom Körper abgelöst ward. Was und wie Herrliches nun meine Seele erblickte, und mit welcher Ehre sie der Vater, der Sohn und der heilige Geist ehrten, von welcher Menge von Engeln sie emporgetragen ward, kannst Du weder fassen, noch will ich es Dir sagen, bevor Deine Seele und Dein Leib getrennt sind, obwohl ich Dir einiges von dem allen in dem täglichen Gebete gezeigt habe, das Dir mein Sohn eingegeben hat; diejenigen aber, welche mit mir Seiten-Icon 148 damals im Hause waren, als ich den Geist aufgab, haben aus dem ungewöhnlichen Lichte wohl erkannt, was für göttliche Dinge damals an mir geschahen. Hierauf begruben die von Gott herbeigeführten Freunde meines Sohnes meinen Leib im Thale Josaphat. Es waren mit ihnen wie Sonnenstäubchen zahllose Engel, die bösen Geister aber wagten nicht, nahezukommen. Fünfzehn Tage lang lag mein Körper in der Erde begraben, sodann ward derselbe mit einer Menge von Engeln in den Himmel aufgenommen. Diese Zeit ist nicht ohne sehr großes Geheimnis, weil mit der siebenten Stunde die Auferstehung der Leiber und mit der achten die Seligkeit der Leiber und Seelen erfüllt sein wird. Die erste Stunde ist gewesen vom Anfange der Welt an bis auf die Zeit, wo das Gesetz durch Moses gegeben ist. Die zweite von Moses bis zur Menschwerdung meines Sohnes. Die dritte, als mein Sohn die Taufe einsetzte und des Gesetzes Härte milderte. Die vierte, als er selber mit dem Worte predigte und es durch sein Beispiel bekräftigte. Die fünfte, als mein Sohn leiden und sterben wollte, als er vom Tode auferstand und seine Auferstehung durch sichere Beweise erhärtete. Die sechste, als er auffuhr in den Himmel und den heiligen Geist schickte. Die siebente, wenn er kommen wird zum Gerichte, und alle mit ihren Leibern auferstehen werden zum Gericht. Die achte, wenn alles, was verheißen und geweissagt worden, erfüllt werden wird; und dann wird eine vollkommene Seligkeit sein, Gott in seiner Herrlichkeit gesehen werden und die Heiligen leuchten wie die Sonne, und es wird fürder keinen Schmerz mehr geben."

Kapitel LXIII.

Christus giebt der Braut die hier enthaltenen Worte und befiehlt, dieselben an den Papst Klemens zu senden, nämlich, daß er Frieden stiften solle zwischen den Königen von Frankreich und England, daß er nach Italien kommen und das Jubeljahr verkündigen solle. Christus tadelt ihn um gewisser Sünden und schwerer Vernachlässigungen halber, auch wegen des vergangenen unordentlichen Lebens willen, und droht ihm mit der Gerechtigkeit, falls er sich nicht gebessert haben würde.

Der Sohn sprach zur Braut: "Schreibe von meiner Seite an den Papst Klemens diese Worte: Ich habe Dich erhöht und Dich Seiten-Icon 149 aufsteigen lassen über alle Stufen der Ehre. Erhebe Dich also, um Frieden zu stiften zwischen den Königen Frankreichs und Englands, welche gefährliche Bestien, Verderber der Seelen sind. Komm' sodann nach Italien, verkündige daselbst das Wort und das Jahr des Heils und der göttlichen Liebe und betrachte, wie die Straßen und Wege gepflastert sind mit dem Blute der Meinigen, und ich werde Dir den Lohn geben, der nimmer ein Ende nehmen wird. Gedenke auch aufmerksam der vorigen Zeiten, in denen Du mich freventlich zum Zorne gereizt hast, ich aber geschwiegen habe; in denen Du gethan, was Du gewollt, aber nicht gesollt hast, ich jedoch als einer, der nicht richtete, geduldig gewesen bin. Nun naht meine Zeit, und ich fordere von Dir die Vernachlässigung und den Frevel Deiner Zeit. Wie ich Dich über alle Stufen habe hinaufsteigen lassen, so wirst Du geistlicherweise über andere Stufen hinabsteigen, welche Du wahrhaftiglich an Seele und Leib erfahren wirst, wenn Du meinen Worten nicht gehorchst; Deine großsprecherische Zunge wird schweigen, und Dein Name, in dem Du genannt bist auf Erden, wird vor meinem und meiner Heiligen Antlitze in Vergessenheit und Schmach sein. Ich werde auch danach fragen, wie unwürdig, jedoch mit meiner Erlaubnis, Du alle Stufen hinaufgestiegen bist, was ich, Gott, besser weiß, als Dein nachlässiges Gewissen sich erinnert. Ich werde auch von Dir fordern, wie lau Du warst, den Frieden unter den Königen zu stiften, und wie sehr Du für den anderen Teil Partei genommen hast. Außerdem wird nicht unvergessen sein, wie in der Kirche zu Deiner Zeit Begierlichkeit und Ehrgeiz Blüten trieben und sich mehrten, und wie Du vieles hättest bessern und ändern können, aber Du, Liebhaber des Fleisches, hast nicht gewollt. Erhebe Dich daher, bevor Deine letzte Stunde sich naht, und lösche die Vernachlässigungen früherer Zeiten durch Deinen Eifer in der letzten Zeit ans. Wenn Du aber zweifelst, wes Geistes diese Worte sind, so siehe, das Reich und die Person sind bekannt, an welchen sich schreckenvolle Wunder ereignet haben und die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit, von denen ich rede, nahen sich aller Erden. Auch Dein Gewissen sagt Dir, es sei, was ich mahne, vernünftig und liebreich, wozu ich Dir rate, denn wenn meine Geduld Dich nicht erhalten hätte, wärst Du bereits tiefer herniedergestiegen, als einer Deiner Vor- Seiten-Icon 150 fahrer. Forsche deshalb im Buche Deines Gewissens, und siehe, ob ich die Wahrheit rede."

Kapitel LXIV.

Christus droht hier mit Ernst einigen, welche ihre früheren Sünden und den Weg Gottes vergessen hatten und fröhlich in Sicherheit lebten; sagt jedoch, daß, wenn sie sich besserten, sie Barmherzigkeit bei ihm finden würden.

Der Sohn Gottes sprach: "Achte nicht auf jene tanzlustigen Taugenichtse; denn ich werde ihnen alsbald kommen, nicht als ein Freund, sondern als einer, der Rache an ihnen nehmen wird. Wehe ihnen, weil sie zur Zeit ihres Friedens nicht haben das ewige Gute suchen wollen. Ich sage Dir, es sind Menschen dieses Geschlechtes aufgestanden aus einer bitteren Wurzel, aus welcher sie die Frucht ihrer Eitelkeit und Begierlichkeit gesammelt haben. Deshalb werden sie jetzt hinabsteigen, und es wird Armut und Gefangenschaft, Schmach, Demütigung und Schmerz sich für sie erheben. Welche sich aber gedemütigt haben, die werden Gnade in meinen Augen finden."

Kapitel LXV.

Christus giebt hier der Braut eine bemerkenswerte Lehre, wie man ein thätiges und beschauliches Leben führen kann, das hier durch Martha und Maria bedeutet wird; d. h. wie der Mensch im geistlichen Leben und in den Tugenden beginnen und zunehmen soll, um die höchste Stufe der vollkommenen Liebe Gottes und des Nächsten zu ersteigen. Er redet zuerst von der Thätigkeit derer, welche Marias Leben befolgen.

Der Sohn Gottes sprach: "Zwei Leben sind, welche mit Martha und Maria Ähnlichkeit haben. Wer dieselben nachahmen will, soll erstlich eine aufrichtige Beicht aller seiner Sünden ablegen und wahre Reue darüber fassen, auch den Willen haben, ferner nicht mehr zu sündigen. Das erste Leben nun, welches, wie ich, der Herr, bezeuge, Maria erwählt hat, führt zur Betrachtung des Himmlischen; dies ist der beste Teil und der Tag des ewigen Heiles." Seiten-Icon 151 Wer das Leben Marias zu haben begehrt, dem genügt es, wenn er einzig und allein den notwendigen Unterhalt seines Leibes hat, nämlich: Kleider ohne Pracht, sparsame Speise und Trank ohne Überfluß; die Keuschheit ohne Lüsternheit, vernünftiges Fasten nach der Satzung der Kirche. Wer aber fastet, gebe acht, daß er nicht krank werde durch unvernünftiges Fasten und infolge dieses Krankwerdens weder Gebete, noch Predigten kürzen, noch anderes Gute unterlassen muß, wodurch er seinem Nächsten und sich selber nützen könne. Auch soll er fleißig achthaben, daß ihn das Fasten nicht lau mache, strenge Gerechtigkeit zu üben, noch daß er nachlasse in den Werken der Frömmigkeit, weil es, um Widerspenstige zu strafen und die Ungläubigen dem Joche des Glaubens zu unterwerfen, sowohl geistlicher als leiblicher Stärke bedarf. Darum wird jeglicher Schwache, der zu Ehren Gottes lieber fasten, als essen möchte, wegen des guten Willens ebenso großen Lohn haben, als derjenige, welcher aus Liebe vernünftig fastet; ebenso wird, wer aus heiligem Gehorsame ißt und lieber fasten, als essen möchte, denselben Lohn erhalten, wie derjenige, welcher fastet. Wer eine Maria ist, darf sich zweitens nicht freuen über der Welt Ehre und ihr Glück, noch trauern über deren Unglück, sondern darüber soll sie sich freuen, wenn die Gottlosen fromm werden, die Liebhaber der Welt Liebhaber Gottes werden, die Guten im Guten noch zunehmen und miteinander wetteifernd, im Dienste Gottes noch andächtiger werden. Trauern soll sie darüber, wenn die Sünder noch ärger werden, wenn Gott von seinem Geschöpfe nicht geliebt und die Gebote Gottes verachtet werden. Wer eine Maria ist, darf drittens nicht müßig sein, wie es auch Martha nicht war, sondern nach der Pflege des notwendigen Schlafes aufstehen und Gott mit aufmerksamem Herzen Dank sagen, weil er vermöge seiner Güte alles erschaffen, und weil er dadurch, daß er aus Liebe das Fleisch angenommen, alles von neuem erschaffen, und durch sein Leiden und seinen Tod seine Liebe zum Menschen, die größer nicht sein konnte, dargelegt hat. Sie solle Gott auch für alle danken, welche bereits gerettet, sowie für alle, welche am Reinigungsorte, und für die, welche in der Welt sind, indem sie Gott demütig bittet, er möge nicht zulassen, daß sie über ihre Kräfte versucht werden; sie soll bescheiden im Gebete und wohlgeordnet im Lobe Gottes sein; denn wenn sie ohne Sorge den Seiten-Icon 152 notwendigen Lebensunterhalt hat, soll sie um so anhaltender im Gebete sein; wird sie verdrossen im Gebete und wachsen die Versuchungen, so kann sie mit den Händen eine ehrbare und nützliche Arbeit verrichten, entweder, wenn sie dessen bedarf, zum eigenen Nutzen, oder zum Vorteile anderer; wird sie aber in beiden, im Gebet und in der Arbeit, verdrossen, so kann sie eine ehrbare Beschäftigung vornehmen, oder erbauliche Worte mit allem Ernste und unter Beiseitehaltung aller Leichtfertigkeit anhören, bis Leib und Seele besser geschickt werden für das Werk Gottes. Lebt sie jedoch in einem Stande, wo sie den Unterhalt ihres Leibes nur durch ihre Arbeit gewinnt, dann mag sie der notwendigen Arbeit wegen ein kürzeres Gebet verrichten, und die Arbeit selber wird die Vervollkommnung und Vermehrung des Gebetes sein; versteht sie aber, oder vermag sie nicht zu arbeiten, dann soll sie sich nicht schämen, es sich auch nicht lästig sein lassen, vom Almosen zu leben, vielmehr eine Freude daran finden, weil sie dann mir, dem Sohne Gottes, nachfolgt, der ich, damit der Mensch reich werde, mich selber arm gemacht habe. Wenn sie endlich dem Gehorsame unterworfen ist, so soll sie im Gehorsame ihres geistlichen Vorgesetzten leben, und ihre Krone wird mehr, als wenn sie in der Freiheit lebte, gedoppelt werden. Wer eine Maria ist, darf nicht geizig sein, wie auch Martha nicht, aber auch nicht verschwenderisch. Wie Martha um Gottes willen das Zeitliche spendet, so soll sie, eine Maria, ihre geistlichen Güter austeilen, denn wenn sie Gott in ihrem Herzen lieb hat, soll sie sich vor dem Worte hüten, das viele im Munde haben, wenn sie sprechen: Es genügt mir, wenn ich meiner eigenen Seele helfen kann, was gehen mich die Werke meiner Nächsten an, oder was kümmert es mich, wie andere leben? O Tochter, diejenigen, welche so etwas sagen und denken, würden, wenn sie die Schande und Trübsal sehen könnten, welche über ihren Freund kommen wird, bis in den Tod für ihn laufen, daß er aus solcher Trübsal erlöst würde. Also mag Maria thun, denn es soll sie schmerzen, wenn ihr Gott beleidigt und ihr Bruder, welcher ihr Nächster ist, geärgert wird; sie soll sich vielmehr, wenn jemand in eine Sünde fällt, soviel sie vermag, bemühen, daß er von der Sünde befreit werde, jedoch mit Klugheit; soll sie auch darob Verfolgung leiden, so möge sie sich einen anderen, sicherern Ort suchen, weil Seiten-Icon 153 ich, Gott, selber gesagt habe: Wenn man euch in einer Stadt verfolgt, flieht in eine andere. (Matth. X.) Also hat auch Paulus gethan, weil er für eine andere Zeit notwendiger war, und darum ward er in einem Korbe die Mauer hinabgelassen. (II. Kor. XI.) Zu dieser Freigebigkeit und Frömmigkeit sind ihr fünf Stücke notwendig. Erstens ein Haus, worin ihre Gäste, die Gedanken ihres Herzens, schlafen; zweitens Kleider, um die Nackten zu kleiden; drittens Speise, um die Hungernden zu sättigen; viertens Feuer, um die Kalten zu erwärmen, fünftens Arznei für die Kranken, d. h. mit göttlicher Liebe tröstende Worte. Ihr Haus nun ist ihr Herz. Böse Gäste darin sind alle jene Versuchungen, welche ihr Herz beunruhigen, namentlich zum Zorn, zur Traurigkeit, Begierlichkeit, Hoffart und vieles ähnliche, das durch die fünf Sinne eingeht. Nahen sich ihr solche Fehler, so müssen sie zum Liegen kommen, wie schlafende und ruhende Gäste, denn gleichwie der Gastmeister böse und gute Gäste mit Geduld aufnimmt, also soll Maria alles erdulden um Gottes willen; vermöge der Tugend der Geduld, und auch nicht im geringsten den Feinden zustimmen, noch an denselben Freude finden, sondern dieselben aus ihren Herzen allmählich, sobald sie vermag, unter dem Beistande der Gnade Gottes beseitigen; kann sie es nicht, so soll sie dieselben wider ihren Willen als Feinde dulden und auf das Gewisseste überzeugt sein, daß sie ihr zu einer schöneren Krone, keineswegs aber zur Verdammnis förderlich sind. Zweitens soll sie Kleider haben, mit denen ihre guten Gäste bekleidet werden können, nämlich innere und äußere Demut und ein herzliches Mitleid mit dem Nächsten in seiner Betrübnis; hat sie deshalb von den Menschen Verachtung zu leiden, so soll sie sogleich sich an ihr Herz wenden und gedenken, wie ich, Gott, verachtet und geringgeschätzt, langmütig geduldet habe, wie ich nach der Verurteilung stumm gewesen, und wie ich, gegeißelt und mit Dornen gekrönt, nicht gemurrt habe; auch habe sie acht, daß sie diejenigen, welche sie schelten, keine Zeichen des Zornes oder der Ungeduld sehen lasse, sondern diejenigen segne, welche sie verfolgen, daß die, welche es sehen, Gott preisen, dem sie nachfolgt, und Gott selber wird den Fluch in Segen verwandeln; denen, welche sie belästigen, soll sie nicht übel nachreden oder Vorwürfe machen, weil es verwerflich ist, üble Nachrede zu halten und den, der übel nachredet, anzuhören, Seiten-Icon 154 oder aus Ungeduld dem Nächsten Vorwürfe zu machen; sie soll deshalb, auf daß sie das Gut der vollkommenen Demut und Geduld besitze, sich bemühen, diejenigen, welche anderen Ubles [sic!] nachreden, zur Vorsicht zu ermahnen oder sie zu warnen, sich vor der Gefahr zu hüten, sie auch mit Liebe durch Wort und Beispiel zur wahren Demut ermahnen. Zu einem Kleide soll sie auch das Mitleid haben; denn wenn sie ihren Nächsten sündigen sieht, soll sie ihn bemitleiden und Gott bitten, daß er sich seiner erbarme; sieht sie ihn aber Unrecht, Schaden oder Schmach erleiden, soll sie Leid um ihn tragen, ihm durch Fürbitte, Beistand und Sorgfalt auch bei den Mächtigen der Welt helfen; das wahre Mitleid sucht ja nicht, was sein, sondern was des Nächsten ist. Findet ihre Bitte bei den Mächtigen keine Erhörung und nützt es ihnen nichts, wenn sie aus ihrem Kämmerlein bei ihnen Zutritt sucht, dann soll sie Gott desto eifriger für die Betrübten bitten, und Gott, der in die Herzen sieht, wird um der Liebe der Bittenden willen die Herzen der Menschen zum Frieden des Betrübten wenden, und derselbe wird entweder von seiner Trübsal befreit, oder es wird ihm von Gott Geduld gegeben werden, auf daß seine Krone verdoppelt wird. Ein solches Kleid also, nämlich die Demut und das Mitleid, soll ihr Herz schmücken, denn nichts zieht Gott also in die Seele hinein, als die Demut und das Mitleid mit den Nächsten. Drittens soll Maria Speise und Trank haben für ihre Gäste. Beschwerliche Gäste sind es, wenn das Herz nach außen hingezogen wird und Angenehmes und Irdisches zu sehen, Zeitliches zu besitzen begehrt, wenn das Ohr die eigene Ehre zu hören verlangt, wenn das Fleisch in fleischlichen Dingen Ergötzung sucht, wenn der Geist die Entschuldigung der Gebrechlichkeit vorwendet und die Schuld leicht anschlägt, wenn der Überdruß am Guten und die Vergessenheit der Zukunft hinzutritt, wenn sie ihre guten Werte überschätzt und ihre bösen vergißt. Wider solche Gäste bedarf sie des Rates und darf keineswegs ihre Anwesenheit verheimlichen und schlafen, sie soll, ermutigt durch den Glauben, sich tapfer erheben und solchen Gästen also antworten: Ich mag an Zeitlichem nichts besitzen, sondern will nur einen geringen Unterhalt für meinen Leib haben, ich will auch den geringsten Angenblick der Stunden und Zeiten nur zur Ehre Gottes verwenden; ich will nicht beachten, was schön oder niedrig, noch dem Fleische Seiten-Icon 155 nützlich oder unnütz, noch meinem Geschmacke wohl oder übel schmeckend ist, als nur nach dem Wohlgefallen Gottes und dem Nutzen der Seele, weil mich auch nicht eine Stunde anders, als nach dem Wohlgefallen Gottes zu leben gelüstet. Ein solcher Wille ist die Speise für ankommende Gäste, und eine solche Antwort löscht die ungeordneten Begierden aus. -

Viertens soll Maria ein Feuer haben, um die Gäste zu erwärmen und sie zu erleuchten. Dieses Feuer ist die Glut des heiligen Geistes; denn es ist unmöglich, daß jemand den eigenen Willen, oder die fleischliche Liebe zu den Eltern, oder die Liebe zum Reichtume verleugnen könnte, es sei denn unter Mitwirkung des Antriebes des heiligen Geistes und seiner Glut und so wird auch diese Maria selber, wie vollkommen sie immer sei, ein seliges Leben ohne die Liebe und Unterweisung des heiligen Geistes nicht zu beginnen oder fortzusetzen vermögen. Damit sie nun solche Gäste erleuchten kann, soll sie zuerst also denken und sprechen: Gott hat mich darum erschaffen, daß ich ihn über alles ehre, und indem ich ihn ehre, auch liebe und fürchte. Er ist auch von einer Jungfrau geboren, um den Weg zum Himmel zu lehren, den ich mit Demut verfolgen soll, dann öffnete er durch seinen Tod den Himmel, damit ich nach demselben verlangen, und eilends in denselben gelangen möge. Ferner soll sie alle ihre Werke, Gedanken und Empfindungen überdenken, nämlich: wie sie Gott beleidigt hat, und wie geduldig Gott den Menschen erträgt, und auf wie viele Arten er denselben zu sich ruft. Solche und ähnliche Gedanken sind Marias Gäste, welche alle gleichsam in der Finsternis sich befinden, wenn sie nicht vom Feuer des heiligen Geistes erleuchtet werden. Dieses Feuer kommt ins Herz, wenn sie bedenkt, daß es vernünftig ist, Gott zu dienen, wenn sie lieber alle Pein erdulden möchte, als mit Wissen Gott zum Zorne zu reizen, durch dessen Güte die Seele erschaffen und mit dessen gebenedeitem Blute dieselbe erlöst ist. Alsdann auch hat das Herz Licht von diesem guten Feuer, wenn der Geist erwägt und entscheidet, mit welcher Meinung ein jeglicher Gast, das ist, ein jeder Gedanke, ankommt; wenn das Herz prüft, ob der Gedanke nach der ewigen, oder vergänglichen Freude strebt; wenn es keinen Gedanken unerforscht, keinen ohne Furcht ungestraft läßt. Damit sie nun dieses Feuer erhält und wenn sie es erhalten hat, bewahrt, Seiten-Icon 156 ist es notwendig, daß sie dürres Holz zusammenträgt, wodurch dieses Feuer unterhalten wird, d. h. sie soll fleißig achtgeben auf die Regungen des Fleisches, damit das Fleisch nicht übermütig werde, und soll allen Fleiß anwenden, daß die Werke der Frömmigkeit und die andächtigen Gebete sich mehren, durch welche der heilige Geist erfreut wird. Vornehmlich aber soll man wissen und beachten, daß, wenn ein Feuer angezündet worden, dasselbe, wenn es aus einem verschlossenen Gefäße keinen Ausgang hat, gar schnell verlöscht und das Gefäß erkaltet. So ist es auch mit Maria; denn wenn sie zu nichts anderem leben will, als um Gott Ehre zu erweisen, so ist ihr nützlich, daß sich ihr Mund öffne und die Flamme ihrer Liebe hinausschlage. Der Mund wird aber alsdann geöffnet, wenn sie aus brünstiger Liebe redet und Gott geistliche Kinder gebärt. Sie soll jedoch fleißig achtgeben, daß sie den Mund ihrer Belehrung da aufthue, wo die Guten brünstiger und die Bösen besser werden, wo die Gerechtigkeit gemehrt und die böse Gewohnheit vertilgt werden kann. Denn mein Apostel Paulus hat zu Zeiten reden wollen, ist aber durch den heiligen Geist verhindert und angeregt worden, daß er zur angenehmen Zeit geschwiegen, zur gelegenen jedoch geredet hat, daß er zuweilen mit glimpflicheren, zuweilen mit strengeren Worten geredet und alle seine Worte und Thaten zur Ehre Gottes und zur Stärkung des Glaubens gethan hat. Wenn aber Maria nicht zu belehren vermag, jedoch gleichwohl den Willen und die Wissenschaft zu belehren hat, soll sie es machen wie der Fuchs, welcher umhergeht in den Bergen und viele Stellen mit den Füßen versucht, und wo er die besten und passendsten Stellen findet, sich zu seiner Ruhe eine Grube macht. So soll sie durch Worte, Beispiele und Gebete die Herzen vieler versuchen, und wenn sie Herzen findet, welche am besten geeignet sind, Gottes Worte aufzunehmen, soll sie dabei verweilen und mahnen und überreden, wie sie vermag. Sie soll auch bemüht sein, daß ihre Flamme einen geeigneten Ausgang habe; weil, je größer die Flamme ist, desto mehrere erleuchtet und entzündet werden. Die Flamme hat aber alsdann einen geeigneten Ausgang, wenn sie weder den Tadel fürchtet, noch eigenes Lob sucht, wenn sie weder Widerwärtigkeiten fürchtet, noch sich im Glücke erfreut; und dann ist es Gott angenehmer, wenn Maria gute Werke öffentlich thut, als im geheimen, damit die, welche die- Seiten-Icon 157 selben sehen, Gott preisen. Man muß aber wissen, daß sie zwei Flammen ausgehen lassen soll, die eine soll innerlich im Herzen sein, die zweite auswendig. Die erste ist, daß sie sich unwürdig und unnütz zu allem Guten erachtet und sich niemand in Gedanken vorziehe, nicht begehre, gelobt oder gesehen zu werden, die Anmaßung fliehe, Gott über alles begehre und seinen Worten nachfolge; wenn sie eine solche Flamme ausgehen läßt durch die Zeichen ihrer Werke, dann wird ihr Herz durch Liebe erleuchtet, und alle widerwärtigen Ereignisse werden überwunden und leicht ertragen. Die zweite Flamme muß offen hervorbrechen; denn wenn die wahre Demut im Herzen ist, muß sie auch an der Kleidung erscheinen, aus dem Munde vernommen und durch die That vollzogen werden. Am Kleide erscheint die wahre Demut, wenn sie lieber ein Kleid erwählt, das wenig kostet, von dem sie jedoch Nutzen und Wärme hat, als wenn sie ein Kleid von größerem Werte nimmt, das nur der Hoffart und Pracht dient. Ein Kleid, das wenig kostet und bei den Menschen schlecht und verächtlich heißt, ist wahrhaft schön vor Gott; weil es die Demut zu erkennen giebt; ein Kleid aber, das um einen hohen Preis gekauft und schön genannt wird, ist vor Gott häßlich, weil es die Schönheit der Engel, d. i. die Demut, hinwegnimmt. Ist sie aber aus irgend einem vernünftigen Grunde genötigt, ein Kleid zu tragen, besser, als das geringe, welches sie tragen möchte, so soll sie sich deshalb nicht beunruhigen, weil hierdurch ihr Lohn erhöht wird. Ferner muß sie Demut im Munde haben, indem sie Demütiges redet, Leichtfertiges meidet, vor vielem Geschwätze sich hütet, keine Spitzfindigkeiten in den Worten gebraucht, noch ihre Meinung derjenigen der Besseren vorzieht und wenn sie hört, daß sie um eines guten Werkes willen gelobt wird, so soll sie sich nicht erheben, sondern also antworten: Gelobt sei Gott, der alles gegeben hat; denn was bin ich, als Staub vor dem Winde? Oder was Gutes ist von mir, die ich wie Erde ohne Wasser bin? Wird sie aber getadelt, so soll sie nicht traurig werden, sondern antworten: Das ist mir lieb, weil ich so oft gesündigt habe vor dem Antlitze Gottes, ohne Buße zu thun. Ich bin wohl nach größerer Betrübnis würdig, deshalb betet für mich, daß ich zeitliche Schmach erleiden möge, um der ewigen zu entgehen. Wird sie durch die Gottlosigkeit des Nächsten zum Zorne gereizt, soll sie Seiten-Icon 158 sich fleißig hüten, daß sie die Zunge nicht löse zu unbescheidenen Erwiderungen, weil der Zorn die Hoffart häufig zur Begleiterin hat. Deshalb ist es rätlich, daß sie, wenn Zorn und Hoffart sich erheben wollen, die Lippen so zusammendrückt, bis der Wille von Gott Hilfe begehrt, zu leiden und zu erwägen, was oder wie sie antworten soll, um sich selber besiegen zu können, weil der Zorn alsdann im Herzen besänftigt wird und sie den Thoren weise zu antworten vermag. Du mußt auch wissen, von welch feindlicher Gesinnung der Teufel gegen eine solche Maria beseelt ist. Vielfach sucht er ihr Hindernisse in den Weg zu legen, indem er sie bald zur Übertretung der Gebote Gottes, bald zur Einwilligung in einen großen Zorn, oder zur Ausgelassenheit einer eitlen Freude, oder zu ausgelassenen Reden und Scherzen anreizt. Darum soll sie Gott beständig um Hilfe bitten, damit all ihr Reden und Handeln von ihm möge regiert werden und sich zu ihm richte. Außerdem muß sie Demut im Handeln haben, so daß sie nichts um irdischen Lobes willen thue, nichts Neues versuche, keiner Demut sich schäme im Werke, alles Absonderliche meide, allen nachgebe und in allen Dingen sich unwürdig achte. Ferner soll sie lieber bei den Armen sitzen wollen, als bei den Reichen; lieber gehorchen, als regieren; lieber schweigen, als reden; lieber allein sein, als mit Mächtigen und Verwandten Umgang pflegen. Sie soll auch den eigenen Willen hassen, allezeit an ihren Tod denken, nicht neugierig sein, nicht murren, nicht die Gerechtigkeit Gottes und ihre Neigungen vergessen; sie soll auch häufig zur Beicht sich einfinden, achtsam sein bei Anfechtungen, zu nichts anderem zu leben verlangen, als daß die Ehre Gottes und das Heil der Seelen gemehrt werde. Wenn nun diese Maria so, wie jetzt gesagt worden, gesinnt ist und auch zu einer Martha werden will, indem sie aus Liebe Gottes gehorsam, viele Seelen zu leiten übernimmt, so wird ihr eine doppelte Krone gereicht werden, wie ich Dir an einem Gleichnisse zeige. Es war einmal ein mächtiger Herr. Dieser hatte ein Schiff, das mit kostbaren Waren beladen war. Er sprach zu seinen Dienern: Fahret hin zu jenem Hafen, wo mir großer Gewinn und herrliche Frucht zu teil wird; erheben sich die Winde, so arbeitet tapfer und werdet nicht verdrossen; denn euer Lohn wird groß sein. Während nun die Diener dahinfuhren, erhob sich ein mächtiger Wind, die Sturm- Seiten-Icon 159 wellen schwollen an und das Schiff ward arg hin- und hergeworfen. Der Steuermann ließ nach im Eifer und alle verzweifelten am Leben, verabredeten sich jedoch, in einen Hafen einzulaufen, nach welchem der Wind sie trieb, aber nicht nach jenem Hafen, den der Herr ihnen bezeichnet hatte. Als dieses ein Diener hörte, welcher treuer war, seufzte er. Im Eifer der Liebe zu seinem Herrn entflammt, ergriff er gewaltig das Steuerruder des Schiffes und führte kraftvoll das Schiff in den Hafen, wohin sein Herr es haben wollte. Muß dieser Mann, welcher das Schiff so mannhaft zum Hafen geführt hatte, nicht vor anderen mit einem größeren Lohne bedacht werden? Ähnlich verhält es sich mit einem guten geistlichen Vorsteher, welcher aus Liebe zu Gott und für das Heil der Seelen die Bürde des Regiments auf sich nimmt, ohne sich um die Ehre zu kümmern; denn er wird einen doppelten Lohn haben. Zuerst wird er der Verdienste aller derer teilhaftig sein, welche er zum Hafen geführt hat; zweitens wird seine Herrlichkeit ohne Ende vermehrt werden Das Gegenteil aber wird bei denen eintreten, welche nach Ehren und Auszeichnungen streben; sie werden Teilnehmer aller Strafen und Sünden derer sein, welche sie zu regieren übernommen hatten und ihre Schande wird ohne Ende sein, denn die Prälaten, welche nach Ehren streben, sind Buhlerinnen ähnlicher, als geistlichen Vorstehern, weil sie die Seelen durch ihre bösen Vorbilder und Worte betrügen, und unwert sind, Maria oder Martha genannt zu werden, wenn sie nicht Buße thun und sich bessern.

Wer eine Maria in, soll fünftens ihren Gästen Arznei reichen, nämlich: dieselben durch gute Worte erfreuen. Zu allem, was sich begeben kann, mag es fröhlich oder traurig sein, soll sie sagen: Ich will, was Gott will, daß ich wollen soll, und bin bereit, seinem Willen zu gehorsamen, auch wenn ich zur Hölle fahren müßte. Ein solcher Wille ist Arznei wider alles, was dem Herzen begegnet, er ist eine Lust in der Trübsal und tugendsame Mäßigung im Glücke. Weil sie aber viele Feinde hat, soll sie immerfort beichten gehen, denn solange sie wissentlich in einer Sünde verweilt, und, während sie Gelegenheit hat zu beichten, solches vernachlässigt oder nicht beachtet, ist sie vor Gott eher eine Abtrünnige zu nennen, als eine Maria. -

Nun auch von den Lebensthätigkeiten der Martha! Du sollst Seiten-Icon 160 wissen, daß, obwohl Marias Teil der beste ist, deshalb Marthas Teil doch nicht schlecht, vielmehr löblich und Gott wohlgefällig ist. Deshalb will ich Dir jetzt sagen, wie jene, welche Martha werden will, unterwiesen werden soll. Sie muß gleichfalls wie Maria fünferlei Gutes haben. Erstens den rechten Glauben der Kirche Gottes. Zweitens Kenntnis der Gebote Gottes und der evangelischen Räte, die sie innerlich und äußerlich beobachten soll; drittens soll sie die Zunge von jedem argen Worte abhalten, das wider Gott und den Nächsten ist, die Hand von jeder unehrbaren und unerlaubten That und das Gemüt von zu großer Begierlichkeit und Lust, soll sich mit dem, was ihr beschieden worden, begnügen und auf Überflüssiges ihr Augenmerk nicht richten. Viertens muß sie die Werke der Barmherzigkeit vernünftig und demütig verrichten, damit sie durch eitles Vertrauen auf diese Werke Gott in keinerlei Weise verletze. Fünftens muß sie Gott über alles und mehr als sich selber lieben. Also that Martha. Denn sie gab sich mir voll Freuden selber dahin, indem sie meinen Worten und Werten folgte, alle ihre Güter aus Liebe zu mir verschenkte, das Zeitliche verachtete, das Himmlische suchte, alles mit Geduld litt und für andere sorgte, als wie für sich selbst. Darum dachte sie immer an meine Liebe und mein Leiden, freute sich in Trübsalen und wie eine Mutter liebte sie alle; täglich folgte sie mir nach und begehrte nichts, als die Worte des Lebens zu hören; sie hatte Mitleid mit den Leidtragenden, tröstete die Kranken, redete von niemand Übles, sondern stellte sich, als wisse sie von den Gottlosigkeiten des Nächsten nichts, und betete für alle. Jeglicher also, welcher im thätigen Leben die Liebe begehrt, muß der Martha folgen, indem er den Nächsten liebt, um den Himmel zu erlangen, aber nicht seine Fehler befördert, indem er das eigene Lob flieht, sowie alle Hoffart und Zweideutigkeit; auch Zorn und Neid darf er nicht bei sich behalten. -

Merke aber, daß Martha für ihren verstorbenen Bruder Lazarus bat. Sie kam zuerst zu mir; allein ihr Bruder ward nun nicht sofort erweckt, sondern es kam nachher Maria gerufen, und da erst ward um beider Schwestern willen der Bruder auferweckt. So ist es auch im geistlichen Leben. Denn wer auf vollkommene Weise Maria zu sein begehrt, muß zuvörderst Martha sein und für meine Ehre leiblich arbeiten; er muß nämlich zunächst den Gelüsten des Seiten-Icon 161 Fleisches Widerstand zu leisten verstehen, auch den Versuchungen des Teufels entgegentreten, und nachher kann er mit Überlegung aufsteigen zur Stufe der Maria. Wer nicht bewährt und versucht ist, wer nicht die Regungen seines Fleisches überwunden hat, wie kann der himmlischen Dingen anhängen? Was aber ist Marthas und Marias gestorbener Bruder anderes, als das unvollkommene Handeln? Denn sehr häufig erfolgt das gute Handeln in unkluger Absicht und mit unüberlegtem Sinne, und deshalb geht es lau und langsam vorwärts. Damit das gute Handeln mir angenehm sei, so muß es wieder auferweckt und lebendig werden durch Martha und Maria, d. h. wann der Nächste aufrichtig geliebt wird um Gottes willen und nach Gott, und Gott allein über alles begehrt wird. Dann ist jedes gute Handeln Gott wohlgefällig. Darum habe ich im Evangelium gesagt, Maria habe den besten Teil erwählt; Marthas Teil ist dann gut, wenn die Sünde der Nächsten sie schmerzt, und noch besser, wenn sie sich darum bemüht, daß die Menschen weise und ehrbar leben und bestehen, und dies allein um der Liebe Gottes willen thut. Marias Teil aber ist der beste, wenn sie allein das Himmlische und den Gewinn der Seelen betrachtet. Alsdann auch geht Gott in das Haus der Martha und Maria ein, wenn das Gemüt mit guten Begierden erfüllt ist und Frieden hat vor dem Getümmel der Weltmenschen, wenn sie sich Gott als allezeit gegenwärtig denkt und in seiner Liebe nicht nur betrachtet, sondern auch Tag und Nacht arbeitet."

Kapitel LXVI.

Christus zeigt der Braut, wie die Seele das Weib Gottes ist, deren Haus der Leib ist. . Ihre fünf Diener werden durch die fünf Sinne bedeutet, und die fünf Mägde durch fünf Tugenden. Der Herr sagt auch, wie eine fromme Seele beschaffen und wie dieselbe geschmückt sein müsse. Außerdem zeigt er, für welche Sünden die Seele eines Verstorbenen zum Fegfeuer verdammt werde, und sagt, wie dieselbe wegen der Gebete eines Heiligen, und durch welche Hilfe und Mittel sie von den Peinen befreit werden könne.

Der Sohn sprach: "Ein Herr nahm sich eine Gemahlin. Er baute ihr ein Haus, bestellte ihr Knechte und Mägde und Speise, Seiten-Icon 162 und zog in die Fremde. Nach langer Zeit kehrte er zurück und vernahm, wie seine Gattin in gar schlechtem Rufe stehe, die Knechte ungehorsam, die Mägde schamlos wären. Hierüber erzürnt, überantwortete er das Weib dem Gerichte, die Knechte den Peinigern und die Mägde den Geißelschlägen. Ich, Gott, bin jener Herr, und habe mir die Seele des Menschen vermählt, welche durch die Macht meiner Gottheit erschaffen worden, begehre auch mit ihr die unaussprechliche Süßigkeit meiner Gottheit zu teilen. Ich habe sie mir aber im Glauben und in der Liebe, sowie in der Beharrlichkeit der Tugenden anvermählt. Dieser Seele habe ich ein Haus erbaut, da ich ihr einen sterblichen Leib gegeben, in welchem sie bewährt und in Tugenden geübt werden sollte. Dieses Haus aber, das ist der Leib, hat vier Merkmale: Adel, Sterblichkeit, Wandelbarkeit und Verweslichkeit. Edel ist der Leib, weil derselbe von Gott erschaffen worden und an allen Elementen teil hat, auch am jüngsten Tage auferstehen wird zur Ewigkeit; unedel aber ist er im Vergleiche mit der Seele, weil er von Erde, die Seele aber geistig ist. Weil der Leib nun einigen Adel hat, muß er mit Tugenden geschmückt werden, um am Tage des Gerichtes verherrlicht zu werden. Der Leib ist ferner sterblich, weil er von Erde ist; deshalb muß er stark sein wider die Lüste, unterliegt er denselben, so verliert er Gott. Auch wandelbar ist der Leib, und deshalb muß er durch die Vernunft der Seele befestigt werden, weil er, wenn er seinen Regungen folgt, dem Tiere ähnlich ist. Endlich ist der Leib verweslich, und deshalb soll er immer rein sein, weil der Teufel die Unreinigkeit begehrt, vor welcher der Schutz der Engel sich zurückzieht. Die Bewohnerin dieses Hauses, nämlich des Leibes, nun ist die Seele, sie ist in demselben wie in einem Hause bedeckt, und erhält den Leib selber lebendig; ohne die Gegenwart der Seele ist der Leib abscheulich, stinkend und greulich anzuschauen. Die Seele hat auch fünf Diener, welche dem Hause zum Troste gereichen sollen. Der erste Diener ist das Gesicht. Dasselbe soll sein, wie ein tüchtiger Späher, welcher kommende Feinde und Freunde unterscheiden muß. Feinde kommen aber alsdann, wenn die Augen schöne Gesichter, des Fleisches Lust und das, was schädlich und unehrbar ist, zu sehen begehren. Freunde sind es, welche Freude daran haben, mein Leiden und die Werke meiner Freunde, Seiten-Icon 163 sowie dasjenige zu sehen, was zur Ehre Gottes gereicht. Der zweite Diener ist das Gehör. Dasselbe ist wie ein guter Thürhüter, der den Freunden die Thüre öffnet, vor den Feinden aber verschließt. Den Freunden öffnet er alsdann, wenn es ihn erfreut, die Worte Gottes und die Reden und Thaten seiner Freunde zu hören, den Feinden verschließt er aber, wenn üble Nachrede, Leichtfertigkeiten und leere Worte abgehalten werden. Der dritte Diener ist der Geschmack beim Essen und beim Trinken. Derselbe ist wie ein guter Arzt, welcher die Speisen zum notwendigen Lebensunterhalt verordnet, aber nicht zum Überflusse und zur Ergötzung; denn man soll die Nahrungsmittel wie Arzneien nehmen; deshalb soll man beim Geschmacke zwei Stücke beachten, nämlich, daß weder zu viel, noch zu wenig Speise genommen wird. Nimmt man zu viele Speise, so wird man krank, bei zu weniger Speisung wird man verdrossen im Dienste Gottes. Der vierte Diener ist das Gefühl. Dasselbe soll sein wie ein guter Arbeitsmann, der mit den Händen pflichtmäßig arbeitet, um den Leib zu unterhalten, und Klugheit beobachtet, um die unerlaubten Regungen des Fleisches zu zähmen, mit dem Verlangen, das ewige Heil zu erlangen. Der fünfte Diener ist der Geruch lieblicher Sachen; diesen soll man um des ewigen Lohnes willen in vielen Dingen gern entbehren, darum soll dieser Diener sein wie ein guter Austeiler, und bedenken, ob der Geruch der Seele zuträglich ist, ob sie ihn verdient und ob ohne ihn der Leib bestehen könne; erkennt er, daß der Leib ohne lieblichen Geruch, wie er immer sein mag, Bestand haben und leben könne, und enthält er sich desselben um Gottes willen, so verdient er vor Gott einen großen Lohn, weil die Tugend Gott sehr gefällt, durch welche der Sinn auch von erlaubten Dingen abgehalten wird. Wie nun die Seele solche Diener hat, muß sie auch fünf wohlbestallte Mägde haben, welche ihre Gebieterin bewachen und vor ihren Gefahren bewahren. Die erste muß furchtsam sein und ihre Sorge darauf eichten, daß der Bräutigam nicht beleidigt werde durch Übertretung seiner Gebote, oder die Gebieterin sich nicht nachlässig finden lasse. Die zweite soll fromm sein, daß sie nichts anderes suche, als die Ehre des Bräutigams und den Nutzen ihrer Gebieterin. Die dritte soll bescheiden und beständig sein, damit die Gebieterin nicht in Freuden ausgelassen werde, noch in Widerwärtigkeiten unterliege. Seiten-Icon 164 Die vierte soll geduldig und vorsichtig, auch imstande sein, ihre Frau bei eintretenden Übeln zu trösten. Die fünfte soll schamhaft und keusch sein, so daß weder in Gedanken, noch in der Rede oder Handlung irgend etwas ungebührliches ober Unenthaltsames gefunden werde. Wenn die Seele nun ein solches Haus hat, wie ich gesagt habe, wenn sie so bestellte Diener und ehrbare Mägde hat, so ist es eine Schande, wenn die Seele, welche die Gebieterin ist, nicht auch schön und andächtig ist. Deshalb will ich Dir auch den Schmuck und die Zier der Seele zeigen. Sie soll vernünftig sein im Unterscheiden dessen, was sie dem Leibe und was sie Gott schuldig ist, weil sie mit den Engeln an der Vernunft und Liebe teil hat. Darum soll sie das Fleisch halten wie einen Esel, und demselben mäßige Lebensnotdurft reichen, dasselbe anregen mit Arbeit, strafen mit Furcht und Entziehung, auch seine Regungen beobachten, damit es seiner Schwäche nicht nachgebe und die Seele nicht gegen Gott sündige. Sodann soll die Seele himmlisch sein, weil sie das Bild Gottes im Himmel trägt, und deshalb soll sie niemals Geschmack, noch Freude am Fleischlichen finden, auf daß sie nicht dem Bilde des Teufels gleichförmig werde. Drittens soll sie brünstig sein in der Liebe Gottes, weil sie die Schwester der Engel und unsterblich und ewig ist. Viertens soll sie schön sein in aller Tugend, weil sie die Schönheit Gottes ewiglich schauen wird; giebt sie aber dem Fleische ihre Zuwilligung, wird sie ewig häßlich sein. Es ist auch erforderlich, daß die Frau, d. h. die Seele, Speise habe. Ihre Speise ist das Gedächtnis der Wohlthaten Gottes, die Betrachtung seiner schrecklichen Gerichte, und die Lust in seiner Liebe und seinen Geboten. Deshalb soll die Seele fleißig darauf achten, dass sie nicht vom Fleische beherrscht werde, weil hierbei alles in Unordnung gerät. Alsdann wollen die Augen schauen, was gefällt, aber schädlich ist; die Ohren wollen hören, was eitel ist, und man gefällt sich, zu kosten, was süß ist, und vergeblich zu arbeiten um der Welt willen. Alsdann auch wird die Vernunft verführt, die Ungeduld herrscht und die Andacht wird gemindert, die Nachlässigkeit gemehrt, die Schuld leicht geachtet und auf die Zukunft nicht acht gegeben, die geistliche Speise wird verächtlich und alles, was Gottes ist, erscheint beschwerlich, denn wie kann das ununterbrochene Andenken an Gott zur Freude sein, wo Fleischeslust herrscht? Oder Seiten-Icon 165 wie vermag die Seele sich dem Willen Gottes übereinstimmend zu bilden, wo ihr nur das Fleischliche gefällt? Oder wie kann das Wahre vom Falschen unterschieden werden, wenn ihr alles beschwerlich ist, was Gottes ist? Von einer so mißgestalteten Seele kann gesagt werden, daß das Haus Gottes dem Teufel zinsbar geworden und ihm gehuldigt hat. - Eine solche nun ist die Seele jenes Verstorbenen, welche Du siehst, denn der Teufel besitzt ihn zu neunfachem Rechte. Erstens, weil er freiwillig seine Zustimmung zur Sünde gab; zweitens, weil er die Würde und Verheißung seiner Taufe verachtete; drittens, weil er die Gnade der ihm vom Bischofe erteilten Firmung nicht beachtet hat; viertens, weil er die ihm gewährte Zeit der Buße nicht in acht genommen; fünftens, weil er mich, Gott, in seinen Werken nicht, noch meine Gerichte gefürchtet hat, sondern mit Fleiß von mir gewichen ist; sechstens, weil er meine Geduld verachtet hat, als wenn ich nicht wäre, oder als wenn ich nicht richten wollte; siebentens, weil er sich um meine Ratschläge und Gebote weniger gekümmert hat, als um die menschlichen; achtens, weil er Gott nicht vom Herzen für seine Wohlthaten gedankt hat, da sein Herz ganz in der Welt war; neuntens, weil mein Leiden in seinem Herzen fast gänzlich tot war. Und deshalb leidet er nun neun Peinen. Die erste besteht darin, daß er alles, was er leidet, nicht aus Liebe leidet, sondern mit Widerwillen; die zweite, daß, weil er den Schöpfer verlassen und das Geschöpf geliebt hat, alle Kreatur ihn verabscheut; die dritte Pein ist der Schmerz, weil er alles verlassen und verloren hat, was er liebte, und dieses nun wider ihn ist; die vierte ist die Hitze und der Durst, weil er mehr das Vergängliche, als das Ewige begehrte; die fünfte ist der Schrecken und die Gewalt der bösen Geister, weil er den gütigen Gott, als er es vermochte, nicht hat fürchten wollen; die sechste ist das Entbehren der Anschauung Gottes, weil er zu seiner Zeit die Geduld Gottes nicht geschaut hat; die siebente ist das Verzweifeln an der Vergebung, weil er nicht weiß, ob er gerettet werden wird oder nicht die achte sind die Bisse seines Gewissens, weil er das Gute unterließ, das Böse aber that; die neunte Pein ist die Kälte und das Weinen, weil er nach der Liebe Gottes nicht verlangt hat. - Gleichwohl hat aber diese Seele zweierlei Gutes gehabt; einmal, daß sie den Glauben an mein Seiten-Icon 166 Leiden hatte, und nach Kräften wider diejenigen sich erhob, welche mir widersprachen. Zweitens hat sie meine Mutter und die Heiligen geliebt und dieselben durch Fasten geehrt. Deshalb will ich Dir um der Bitten meiner Freunde willen, welche für sie beten, sagen, wie sie gerettet werden kann. Erstens wird sie gerettet werden um meines Leidens willen, weil sie den Glauben meiner Kirche festgehalten hat; zweitens wegen der Opferung meines Leibes, weil dieser eine Arznei der Seelen ist; drittens wegen der Bitten meiner Auserwählten, welche im Himmel sind; viertens wegen der guten Werte, die in der heiligen Kirche vollbracht werden; fünftens wegen des Gebetes der Frommen, die in der Welt leben; sechstens wegen der Almosen, welche aus rechtlich erworbenen Gütern gewährt werden, und wenn dasjenige erstattet wird, wovon man weiß, daß es übel erworben worden; siebentens um der Mühe der Gerechten willen, welche für das Heil der Seele wallfahrten gehen; achtens wegen der von den Päpsten bewilligten Ablässe; neuntens um einiger Bußwerke willen, die für Seelen angenommen werden, welche dieselben lebend nicht zu erfüllen vermochten. Siehe, Tochter, diese Offenbarung hat Dir Dein Schutzheiliger, der heilige Erich, verdient; denn es wird die Zeit kommen, wo die Bosheit dieses Landes erkalten und der Eifer der Seelen in vieler Herzen sich erheben wird."

Kapitel LXVII.

Christus sagt der Braut, wie diese Welt einem Schiffe ähnlich ist, das drei Teile hat; nämlich das Vorderteil, die Mitte und das Hinterteil. Also ist diese Welt in drei Zeitaltern beschlossen, und am Ende des dritten Alters, in welchem wir uns jetzt befinden, wird von einem verfluchten Weibe und einem verfluchten Manne jener entsetzliche Antichrist geboren werden.

Der Sohn sprach: "Diese Welt ist wie ein Schiff, das beladen ist mit Sorgen, und durch die Stürme der Versuchungen hin- und hergetrieben wird und den Menschen niemals sicher sein läßt, bevor er nicht in den Hafen der Ruhe gelangt. Denn wie ein Schiff drei Abteilungen hat, nämlich das Vorderteil, die Mitte und das Hinterteil, also sage ich Dir, daß drei Zeitalter in der Seiten-Icon 167 Welt sind. Das erste erstreckte sich von Adam bis zu meiner Menschwerdung und dieses wird durch das Vorderteil bedeutet, das hoch, wunderbar und stark war, hoch in der Patriarchen Gottesfurcht, wunderbar in der Propheten Wissenschaft, stark in des Gesetzes Befolgung. Dieser Teil begann aber allmählich hinabzusinken, als das jüdische Volk meine Gebote zu verachten anfing und sich in Laster und Gottlosigkeiten einließ, weshalb es seiner Ehre entkleidet und aus seinem Besitze verstoßen wurde. Das Mittelschiff, d. h. das mittlere Alter der Welt, begann alsdann sichtbar zu werden, als ich selber, der Sohn des lebendigen Gottes, habe wollen Fleisch werden; denn wie das Mittelschiff niedriger und tiefer gestaltet ist, als der übrige Teil des Schiffes, so begann mit meiner Ankunft die Demut gepredigt zu werden, und viele sind derselben lange Zeit nachgefolgt. Nun aber, da Gottlosigkeit und Hoffart überhand nimmt und mein Leiden gleichsam vergessen und vernachlässigt wird, beginnt das dritte Zeitalter anzubrechen, welches fortdauern wird bis zum Gerichte, und in diesem Zeitalter habe ich durch Dich die Worte meines Mundes der Welt geschickt, und wer immer dieselben vernommen haben und ihnen folgen wird, soll glücklich werden; denn wie ich in meinem Johannesevangelium sagte: Selig, die da nicht gesehen und doch geglaubt haben (XX.), so sage ich jetzt: Selig, fürwahr in ewiger Seligkeit werden diejenigen sein, welche diese Worte hören und denselben folgen werden. Am Ende dieses Zeitalters wird der Antichrist geboren werden und wie aus einer geistlichen Ehe Kinder Gottes geboren werden, so wird der Antichrist von einem verfluchten Weibe, das ein geistliches Leben zu haben heuchelt, geboren werden, und von einem verfluchten Manne, aus deren Samen mit meiner Zulassung der Teufel sein Werk gestalten wird. Allein die Zeit dieses Antichrist wird nicht sein, wie der Bruder, dessen Bücher Du gesehen, geschrieben hat, sondern in der Zeit, die mir bekannt ist, wenn die Ungerechtigkeit maßlos überfließt und die Ruchlosigkeit ins Unermeßliche gewachsen sein wird. Darum wisse, daß, bevor der Antichrist gekommen, einigen Heidenvölkern die Pforte des Glaubens geöffnet werden wird, und wenn dann die Christen die Ketzereien lieben, und die Ungerechten die Geistlichkeit und Gerechtigkeit mit Füßen treten, ist es ein offenbares Zeichen, daß der Antichrist kommen wird." Seiten-Icon 168

Kapitel LXVIII.

Als die Braut in Zweifel war, ob nicht ein Mönch getäuscht würde, welcher behauptete, er schaue himmlische Gesichte, antwortet ihr Christus und sagt: "Jener werde durch einen bösen Geist hintergangen, der die Gestalt eines Engels des Lichtes annehme." Christus beweist dieses aus Büchern desselben, welche Ehrgeiz und Eigenlob verraten, und Christus befiehlt, er solle ermahnt werden, daß er sich bessere, sonst werde er alsbald und übel sterben, was dann auch leider nachmals geschah.

Der Sohn Gottes sprach zur Braut: "Ich rede mit Dir von jenem Mönche, der Dir Zweifel verursacht. Wisse also, daß Ungeduld ihn trieb, sein erstes Kloster zu verlassen, und daß er mit Lügen in das zweite eingetreten ist. Weil er, obwohl im Kirchenbanne, in meine Stadt Jerusalem gekommen ist, verdiente er, hintergangen und betrogen zu werden; denn er schämte sich, ein demütiger Mönch zu sein und in dem Berufe zu verharren, zu welchem er berufen war. Du brauchst nur zu hören, was seine Bücher enthalten, so wirst Du finden, daß sie voll Ehrgeiz und Eigenlob sind. Aus diesen Büchern kannst Du lesen, wie Petrus und Paulus gesagt haben sollten, er sei der höchsten Priesterwürde wert, und daß er zugleich Papst und Kaiser werden würde, und daß er, als er einmal in Not war, neben seinem Haupte einige Goldgulden und eine unbekannte Münze gefunden. Der Erzengel Michael sei ihm in Gestalt eines Kaufmannes erschienen, und er selber habe die Prophezeiungen aller früheren zusammengebracht. Wisse nun, wie dies alles vom Teufel ist, der ihn berückt. Sage ihm deshalb, wie er weder Papst, noch Kaiser werden wird; ja, daß, wofern er nicht alsbald in sein Kloster zurückkehren und sich wie ein demütiger Mönch halten wird, er binnen kürzester Zeit als ein Abtrünniger, unwürdig der Gemeinschaft der Heiligen und der Genossenschaft der Mönche, sterben wird." Seiten-Icon 169

Kapitel LXIX.

Christus sagt der Braut, wie ein Bruder unter dem äußeren Anscheine der Tugend betrogen worden. Derselbe aß während der Fastenzeit nicht, und er legte sich andere unkluge Entziehungen auf, wobei er vertraute, hierdurch den Himmel erlangen zu können. Wir sollen aber nicht auf unsere guten Werke vertrauen, dieselben vielmehr, so groß sie auch sein mögen, gleichsam für nichts achten, wenn sie auch notwendig sein mögen, sondern wir sollen mit Demut allein auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen.

Der Sohn sprach: "Ich habe in meinem Evangelium gesagt: daß man um zweier Dinge willen den Himmel erlangen kann. Erstens, wenn der Mensch sich demütigt wie ein Kind (Matth. XVIII.), zweitens, wenn der Mensch sich selber Gewalt anthut. (Ebend. XI.) Derjenige ist demütig, der, wie sehr er auch fortgeschritten sein und Gutes gethan haben mag, solches für nichts achtet, und auf seine Verdienste kein Vertrauen setzt; derjenige thut sich Gewalt an, welcher den unordentlichen Regungen seines Fleisches Widerstand leistet und sich vernünftig kasteit, um Gott nicht zu beleidigen, auch glaubt, er werde nicht durch die Werke seiner Gerechtigkeit, sondern durch die Barmherzigkeit Gottes den Himmel erlangen. Jener Bruder aber, welcher in der Fastenzeit nichts aß, auch auf andere Weise unklug fastete, begehrte wegen seiner Enthaltsamkeit als durch seine Gerechtigkeit den Himmel zu erlangen; aber diese Werke des Abbruches und der Gerechtigkeit gingen mehr aus Hoffart, als aus Demut hervor und er wird von Rechts wegen mit denen verurteilt, welche fasteten und Zehnten entrichteten, aber andere verachteten. Es wäre besser für ihn gewesen, wenn er die Demut jenes Sünders nachgeahmt hätte, welcher nicht einmal die Augen gegen den Himmel aufzuheben wagte. (Luk. XVIII.) Denn ich selber, Gott und wahrer Mensch, bin mit den Menschen umgegangen, habe gegessen und getrunken, was mir vorgesetzt war, obwohl ich ohne Speise hätte bestehen können, um den Menschen ein Beispiel zu geben, wie sie leben müßten, und damit die Menschen das zu ihrem Lebensunterhalte Notwendige zu sich nehmen und Gott danken möchten." Seiten-Icon 170

Kapitel LXX.

Christus läßt die Braut das schreckliche Urteil der Verdammung der Seele eines verstorbenen Kardinals sehen, welcher ungerecht und in Freuden gelebt hatte. Er bedroht die Prälaten und die Geistlichkeit, welche ungebührlich die Kirchengüter der verstorbenen Gläubigen verzehren und verschlingen, mit scharfer Gerechtigkeit; verheißt aber den Wohlthätern selber in der ewigen Herrlichkeit die beste Vergeltung.

"Es zeigte sich ein Anblick, als wenn die Person eines verstorbenen Kardinals auf einem hölzernen Balken sitze. Für denselben wurden durch schwarze Mohren vier Kammern in Bereitschaft gesetzt, durch welche seine Seele hindurchgehen mußte. In der ersten Kammer waren Kleider von verschiedenen Arten, welche die Seele im Leben geliebt hatte; in der zweiten waren goldene und silberne Gefäße, und andere Arten verschiedenen Gerätes, an denen die Seele im Leben Freude gehabt hatte; in der dritten Kammer waren Speisen und mancherlei Düfte, an denen sich die Seele mit dem Leibe ergötzt hatte; in der vierten Kammer waren Pferde und Tiere, mittels deren die Seele, da sie noch im Leibe war, sich fortschaffen ließ. Als die Seele nun durch die erste Kammer der Kleider hindurchging, ward sie von unerträglicher Kälte zusammengezogen, und von einer entsetzlichen Last niedergedrückt und kläglich schreiend sprach sie: Wehe mir, weil ich mehr das Schöne als das Nützliche geliebt, weil ich geliebt habe, erhöht und gelobt zu werden, deshalb verdiene ich, herabgedrückt zu werden unter die Fußschemel der Teufel. Als sie durch die zweite Kammer ging, wurde sie von einem Strome brennenden Peches übergossen und rief: Wehe mir, wehe mir in Ewigkeit, weil ich getrunken und wieder getrunken und irdischen Glanz gesucht habe, deshalb verdiene ich, im Strome teuflischer Wollust berauscht zu werden! Als die Seele durch die dritte Kammer ging, empfand sie den übelsten Gestank und feurige Schlangen und entsetzt rief sie aus: Ach, ach, ich habe die Magd geliebt und die Frau verachtet, ich habe geliebt, was süß war, und deshalb habe ich verdient, diese Bitterkeiten zu kosten. Als sie aber durch die vierte Kammer ging, hörte sie einen Seiten-Icon 171 schrecklichen Schall, wie eines Donners, . und rief erbärmlich vor Furcht: O wie sehr verdiene ich meinen Lohn! Nun ward eine Stimme vernommen, welche sprach: Was gedenkt der Mensch auf Erden, etwa daß der Sohn Gottes lügen soll, welcher gesagt hat: der Mensch solle auch über den geringsten Groschen im Gerichte Rechenschaft geben? Nein, ich sage, was noch mehr ist, der Mensch wird auch von jedem Augenblicke, von Heller, Speise und Trank, wie von den einzelnen Gedanken und Worten Rechenschaft geben, wenn dieselben nicht durch Reue und Buße abgewaschen werden. Oder meinen die Geistlichen, Kardinäle und Bischöfe, daß ich von meinem Almosen, das sie selbst nicht mit Furcht und Andacht verzehren, sondern nutzlos verschlingen, keine Rechenschaft fordere? Oder glauben sie etwa, daß die Seelen, denen jene Güter gehörten, womit sie der Hoffart dienen, nicht vor meinen Augen Rache fordern? Fürwahr, meine Tochter! ich werde fleißig richten und forschen, wie sie meine Gaben erheben, und Menschen und Engel werden sie verurteilen. Ich und meine Freunde haben meine Kirche begabt, damit die Geistlichen mir in größerer Ruhe dienen möchten, allein jetzt leben die Geistlichen nicht als Freunde, noch beten sie, daß sie erhört werden mögen. Darum will ich den Seelen derjenigen, denen jene Güter gehörten, vom Tische der Gnade und des Leidens meine Fürsorge zuwenden und mich derselben erbarmen."

Kapitel LXXI.

Im Jubeljahre gebietet Christus der Braut durch einen gewissen Beichtvater, daß er alle die, welche ihm beichten, frei absolvieren soll, ausgenommen die den Censuren der Kirche unterworfenen.

Der Sohn Gottes sprach: "Jener gute Beichtvater soll alle Sünder, welche mit Reue zu ihm kommen, absolvieren, bis einer kommen wird, von dem ich sage, daß er nicht absolviert werden solle; er hüte sich aber, dem öffentlichen Urteile der Kirche vorzugreifen." Seiten-Icon 172

Erklärung.

Man glaubt, dieser sei der Magister Petrus, der Beichtvater der heiligen Brigitta, gewesen. Denn er schreibt von sich selber, wie von einem anderen, in seinem Sendschreiben an den damaligen Bischof von Linköping, im Reiche Schweden, Herrn Nikolaus, heiligen Andenkens, vom römischen Hofe aus und spricht: "Es war ein Priester aus fremden Landen, dem des Papstes Generalvikar auferlegte, den Pilgrimen seiner Sprache im Sakramente der Beicht zu genügen, indem er ihm Machtvollkommenheit erteilte, in allen Fällen zu absolvieren, in welchen er selbst es konnte. Darum kamen viele mit schweren Fällen zu ihm, die er absolviert hat. Unter diesen befand sich ein reicher, sehr alter Mann, welcher angab, er habe mit vier Paar Schwestern gesündigt, welche nicht alle von einem Vater und einer Mutter waren, sondern jedes Paar hatte einen verschiedenen Vater und eine andere Mutter. Dann fügte er hinzu, er habe mit zweihundert Weibern gesündigt, ohne deshalb jemals in einige Schande geraten oder vor einem geistlichen oder weltlichen Richter angeklagt worden zu sein. Als der vorbenannte Geistliche solches gehört hatte, begann er sich vor jenem zu entsetzen und entfernte sich so weit von ihm, als er konnte. Der Sünder aber ward vom göttlichen Feuer entzündet und durfte nicht verzweifeln. Er ließ deshalb nicht nach, dem genannten Geistlichen anzuliegen, und ging zur Frau Brigitta, bei welcher er sich beklagte, daß jener Geistliche ihm nicht durch die Wohlthat der Absolution helfen wolle. Deshalb warf sie sich im Gebete nieder und bat für den gedachten Geistlichen und den lasterhaften Sünder. und in demselben Augenblicke vernahm sie die Stimme des Vaters vom Himmel, welche sprach: Sage dem Geistlichen, daß er an meiner Statt fleißig alle diejenigen losspreche, welche von seiner Sprache und seinem Volke zu ihm kommen, und ihnen nach der ihm verliehenen Gnade und nach den Angaben seiner richtigen Vernunft, sowie nach dem Maße, welches der Büßende zu tragen vermag, eine Buße auferlege und sicher absolvieren möge, bis ein solcher Sünder kommen wird, vor welchem ich ihn warnen werde, indem ich ihm sage: Diesen sollst Du nicht lossprechen; er soll jenen öffentlichen Kirchenstrafen und offenkundigen Lastern nicht vorgreifen, welche öffentlich durch die geistlichen Vorsteher der Kirchen gerichtet werden müssen." Seiten-Icon 173

Kapitel LXXII.

Christus befiehlt, man solle sich dahin vorsehen, daß man für die Lossprechung der Sünder kein Geld annehme, und daß die Priester von allen heimlichen Sünden absolvieren können, damit nicht die Sünder, wenn dieselben unabsolviert an die Oberen geschickt werden, aus Furcht und Scham in ihren Sünden sich verhärten und verdammlich in denselben dahinsterben.

Der Sohn sprach: "Zwei Flecken befinden sich an meiner Kirche. Einer ist, daß wenige absolviert werden, es werde denn vorher Geld gegeben; der zweite ist, daß die Priester an Pfarreien die Sünder nicht von allen ihren geheimen Sünden loszusprechen wagen, sondern versichern, sie könnten dieselben in gewissen, den Bischöfen vorbehaltenen Fällen nicht absolvieren. Sie senden solche Sünder an die Bischöfe, und dieselben werden so lange hin und her gefragt, bis die geheimen Sünden allen offenbar sind. Diejenigen daher, welche Eifer für die Seelen haben, sollen dergleichen Übelständen heilsam entgegenwirken, damit die Seelen nicht entweder aus Schamhaftigkeit oder aus Verhärtung in Todsünden dahinsterben."

Kapitel LXXIII.

Christus sagt von einem Beichtvater des Papstes zu Rom, daß, wie lasterhaft er auch ist, gleichwohl die Absolution, welche er den Beichtenden giebt, vor Gott genehm ist. Christus sagt auch seinen plötzlichen Tod voraus.

"Jener Beichtvater ist einem Aussätzigen gleich, kühn wie der Vogel Weih bei geringfügigen Dingen und stolz wie ein Löwe, aber wie ein Schmetterling, der breite Flügel und einen kleinen Leib hat, wird er vor dem geringsten Winde niederfallen. Gleichwohl aber sollst Du wissen, daß die Absolution, welche er kraft seines kirchlichen Ansehens denen erteilt, welche ihm beichten, vor Gott so gültig ist, wie die Absolution der gerechten Priester, Sage ihm nun also: Was Du begehrst, wirst Du haben, aber nicht besitzen, vielmehr werden andere, was Du gesammelt, an sich reißen." - Bald darauf erhielt er ein Erzbistum, starb aber am nämlichen Tage. Seiten-Icon 174

Kapitel LXXIV.

Die Braut schaute ein Gesicht, wie von der Engelsburg an bis zu St. Peter in Rom viele mit einer Mauer umgebene Wohnungen waren. Christus legt dieses aus und sagt, daß der heilige Papst, welcher die Kirche geistlich und brünstig geliebt, daselbst mit seinen Kardinälen und Räten wohnen wird.

"Ich sah zu Rom, als wenn vom Palaste des Papstes, neben St. Peter, bis zur Engelsburg, und von der Engelsburg bis zum Hospitale des heiligen Geistes und zur Kirche des heiligen Petrus selber, eine einzige Ebene wäre, und diese Ebene umgab eine sehr starke Mauer, und um die Mauer herum befanden sich verschiedene Wohnungen. Da vernahm ich eine Stimme, welche sprach: Der Papst, welcher seine Braut mit der Liebe liebt, womit ich dieselbe liebe und meine Freunde sie geliebt haben, wird diesen Ort mit seinen Räten im Besitze haben, damit er sie desto freier und ruhiger versammeln könne."

Kapitel LXXV.

Christus befiehlt durch die Braut einem frommen Magister der Gottesgelahrtheit, [sic!] er solle zu gelegener oder ungelegener Zeit eifrig beten, daß die gereinigten Seelen das Antlitz Gottes schauen. Er sagt auch, wie diejenigen, welche immer leben und sündigen wollten, ewig in der Hölle gepeinigt werden würden.

Als Magister Matthias aus Schweden, welcher zu diesem Buche eine Vorrede geschrieben hat, predigte, schrie von den Waffenträgern einer wie wahnsinnig und sagte: "Wenn meine Seele nicht in den Himmel kommen soll, so mag sie dahinfahren wie ein unvernünftiges Tier, und Erde und Baumrinde fressen; bis zum Gerichte ist noch lange hin, und vor diesem Gerichte wird keine Seele die Herrlichkeit Gottes schauen." Als dieses die Braut, welche zugegen war, vernahm, seufzte sie und sprach: "O Herr, Du König der Ehren, ich weiß, daß Du barmherzig und gar geduldig bist. Weil nun alle, welche die Wahrheit verschweigen und die Gerechtig- Seiten-Icon 175 keit verhehlen, in der Welt gelobt, diejenigen aber, welche Deinen Eifer haben und ihn zeigen, verachtet werden, so gieb diesem Magister Beständigkeit und Inbrunst, zu reden." Darauf schaute die Braut in einer Verzückung den Himmel offen und die brennende Hölle und vernahm eine Stimme, welche sprach: "Schaue den Himmel und schaue die Seelen, mit welcher Herrlichkeit dieselben bekleidet sind und sage daher auch diesem Deinem Magister: Dieses spricht kein anderer, als Dein Gott und Schöpfer und Dein Erlöser, predige getrost, predige standhaft, predige gelegen oder ungelegen. predige, daß die seligen Seelen, nachdem sie gereinigt worden, das Angesicht Gottes schauen, predige eifrig, denn Du wirst Lohn empfahen, [sic!] wie Söhne, welche ihres Vaters Stimme hören. Wenn Du zweifelst, wer ich bin, der da redet, so erfahre, daß ich derjenige bin, welcher Deine Versuchungen von Dir hinweggenommen hat." Nachdem sie dieses vernommen, schaute sie auch die Hölle, voll Entsetzen über ihren Schrecken, vernahm sie eine Stimme, welche sprach: "Fürchte die Geister nicht, welche Du siehst, denn ihre Hände. d. h. ihre Gewalten, sind gebunden, und sie vermögen ohne meine Zulassung nicht mehr, als Streu vor Deinen Füßen. Was denken nun die Menschen, welche auf sich selber vermessenes Vertrauen setzen, daß ich nicht Rache an ihnen nehmen werde, der ich auch die bösen Geister meinem Willen unterwerfe?" Die Braut antwortete: "O Heer, zürne nicht, wenn ich rede. Solltest Du, der Du der Allbarmherzigste bist, denjenigen immerwährend strafen wollen, der nicht immerwährend sündigen kann? denn es gezieme dieses, wie die Menschen glauben, Deiner Gottheit nicht, der Du die Barmherzigkeit über das Gericht erhöhest; auch die Menschen strafen solche, welche sich wider sie vergehen, nicht für immer." Der Geist antwortete: "Ich bin selbst die Wahrheit und Gerechtigkeit, und gebe einem jeglichen nach seinen Werken; ich habe Einsicht in die Herzen und Willen, und wie der Himmel fern ist von der Erde, so sind meine Wege und Gerichte fern von den Ratschlägen und dem Verstande der Weltmenschen. Wenn nun der Mensch sein Böses nicht bessert, so lange er lebt und kann, was ist es da wunderbar, daß er bestraft wird, wenn er es nicht mehr kann? Oder wie sollen in meiner reinsten Ewigkeit diejenigen bleiben, welche in Ewigkeit leben und allezeit sündigen wollen? Wer aber seine Sünde Seiten-Icon 176 bessert, wenn er kann, soll in Ewigkeit bei mir bleiben, weil ich in Ewigkeit alles vermag und in Ewigkeit lebe."

Erklärung.

Dieser Mensch war verheiratet, hielt aber öffentlich eine Beischläferin in seinem Hause. In der Angst seines Herzens und aus Anlaß der ihm gewordenen Ermahnung erhob er sich und brachte vor den Augen vieler seine Beischläferin um. Vier Tage darauf starb er in der Verhärtung seines Herzens ohne Sakramente und ward in der Kirche der Brüder begraben. Aus seinem Grabe erscholl vor den Ohren sehr vieler Brüder und viele Nächte hindurch eine Stimme: "Wehe! wehe! Ich brenne! Ich brenne!" Als dieses seiner Gattin gemeldet ward, ließ dieselbe in ihrem Beisein die Gruft öffnen, in welcher sein Leib beigesetzt worden. Es ward davon aber außer einem kleinen Stückchen von den Tüchern und den Schuhen nichts gefunden. Nachdem das Grab wieder zugedeckt worden war, wurde jene Stimme nicht fürder gehört.

Kapitel LXXVI.

Christus spricht gegen die Braut einen Tadel aus, nachdem ihre Habe durch Feuer verbrannt worden war, und sagt, daß, wer seine Hausgenossen nicht kräftig zu bessern sucht, in das Gericht Gottes fällt. Auch straft er einen erschrecklich, welcher da glaubte, alles komme vom Glücke und Zufalle, weil er durch Zauberei Fische fing.

Als die Braut auf einem Landgute als Gast verweilte, begab es sich, daß ihre und ihrer Hausgenossen Kleider und Schmucksachen durch eine Feuersbrunst verzehrt wurden. Christus redete zu ihr und sprach: "Es steht geschrieben (IV. Kön. XXV.), es habe der Oberste der Trabanten des Königs Nabuchodonosor den Tempel in Jerusalem verbrannt. Wer ist dieser Oberste, als allein diejenigen, welche die Freuden des Fleisches mehr suchen, als die Bitterkeit meines Leidens? Also duldest Du und siehst in Deiner Familie auf schöne Angesichter und schöne Kleider, und tadelst ihren Wandel nicht, um ihnen nicht beschwerlich zu erscheinen. Deine Beschädigung, die Du siehst, hast Du Dir auch deshalb zugezogen, damit Du einsehen möchtest, es sei nicht genug zur Vollkommenheit, sich selber zu bessern, sondern man müsse auch andere, und vorzüglichst die Hausgenossen, zu Gleichem und zu einem ehrbaren Leben an- Seiten-Icon 177 leiten; denn was Du bessern kannst, aber um eines zeitlichen Gutes oder fremder Gunst willen unterlassest, das wird Dir zum Gericht und zur Sünde gerechnet werden. Außerdem sollst Du wissen, daß der Bewohner dieses Hauses an einem zweifachen Laster leidet, nämlich am Unglauben, indem er glaubt, alles werde vom Schicksale, das heißt, durch Zufall und Glück, regiert; zweitens übt er Zauberei und bedient sich teuflischer Worte, um in seinem Wasser recht viele Fische zu fangen, und darum, weil er auch zu Deiner Familie gehört, ermahne ihn durch Worte, daß er wieder zu Verstande komme und sich bessere; sonst wirst Du mit Augen sehen, daß der Teufel, dem er dient, die Oberhand über ihn erhalten wird."

Als aber dieser die Ermahnung der Braut Christi vernahm und dieselbe mißachtete, wurde ihm plötzlich der Kopf bis auf den Rücken umgedreht und er so im Bette gefunden.

Kapitel LXXVII.

Christus straft einen Ordensgeistlichen, welcher über die Rettung der Heiden disputierte, und sagt, daß diejenigen, welche wohl gelebt und sich bemüht haben, um in den Weinberg der göttlichen Herrlichkeit berufen zu werden, aber keine Christen werden konnten, nach ihrem Tode von Gott Trost empfangen werden, wenn sie auch nicht in die Herrlichkeit eingehen können.

Der Sohn redete zur Braut und sprach: "Was hat Dir jener redselige Bruder gesagt?" Sie erwiderte: "Daß die Heiden, welche nicht in Deinen Weinberg gerufen worden, in keinerlei Weise teilhaben werden an der Frucht des Weinstockes." Der Herr antwortete: "Sage ihm, es werde die Zeit kommen, wo ein Hirt und eine Herde, ein Glaube und eine klare Erkenntnis Gottes sein wird, und es werden dann viele, welche zum Weinberge berufen waren, verworfen werden; die jedoch nicht berufen worden, gleichwohl aber nach ihrem Vermögen gearbeitet haben, um berufen zu werden, werden zwar von Gott eine gewisse Barmherzigkeit und Gnade zur Linderung ihrer Pein empfangen, gleichwohl aber in den Weinberg selber nicht eingehen können. Sage ihm auch: Es ist Dir besser zum Heile, in andächtiger Einfalt ein Vaterunser zu Seiten-Icon 178 beten und zu lesen, als über so delikate Fragen um des eitlen Namens der Welt willen in sophistischer Weise zu disputieren; bedenke, wozu Du in den Orden getreten bist, damit Du nicht bald anderswo Dein Brot betteln mußt; wofern Du aber Deinen Willen änderst, wird Gott seinen Urteilsspruch mildern."

Kapitel LXXVIII.

Mittels der hier enthaltenen Worte, welche der Braut geoffenbart waren, wurde aus einem gewissen Hause ein Teufel vertrieben, welcher Antworten gab und den Einwohnern, welche darin Abgötterei trieben, einiges Zukünftige vorhersagte. Nachdem diese durch die Kraft Gottes und der Worte bekehrt worden waren, entwich der Teufel unter Geschrei mit Schanden von dannen.

Eines Nachts herbergte die Braut in einem Hause, in welchem ein böser Geist offen redete und Antworten gab, auch vieles prophezeite. Während ihrer Anwesenheit aber schwieg der unreine Geist, und da hörte sie selber, gerade während des Gebetes, eine Stimme, welche, ohne daß sie jemand sah, zu ihr sprach: "An diesem Orte sind von den früheren und gegenwärtigen Bewohnern manche böse Dinge verübt worden; sie verehren Hausgötzen und besuchen die Kirchen nicht, wenn es nicht aus Scham vor den Menschen geschieht, noch hören sie zuweilen die Worte Gottes; deshalb herrscht der Teufel an diesem Orte. Darum soll Dein Beichtvater alle diejenigen, welche in diesem Hause wohnen, und die Nachbarn versammeln und folgende Worte an sie richten: Gott ist Einer und dreieinig. Durch denselben ist alles gemacht worden, und ohne ihn kann nichts gemacht werden. Der Teufel aber ist sein Geschöpf. Er kann jedoch, wofern Gott selber es nicht erlaubt, nicht einen Strohhalm vor eueren Füßen hinwegbewegen. Wenn ihr aber das Geschöpf und die Welt mehr sucht und liebt, als Gott, auch wider den Willen Gottes reich zu werden trachtet, dann fängt der Teufel an, euere Seelen in Besitz zu nehmen, und bewirkt durch gerechte Zulassung Gottes, daß ihr in zeitlichen Dingen Glück habt. Deshalb glaubt an Gott, den Schlangen aber, denen ihr Milch zutrinkt, entsaget und opfert nicht den Hausgötzen die Erstlinge von eueren Schafen und Schweinen, noch von Brot oder Seiten-Icon 179 Wein, oder von anderen Dingen. Saget nicht, daß der Zufall dieses oder jenes thut, sondern, daß Gott es also zugelassen. Saget auch nicht, daß auf dem Altare nichts anderes geopfert wird, als ein kleiner Brotkuchen; sondern glaubt fest, daß dort wahrhaft Gottes am Kreuze gekreuzigter Leib vorhanden ist, und glaubt wahrhaft den Sakramenten der Taufe, der Firmung, der Ölung, und dann wird der Teufel vor euch fliehen. Als nun alle riefen: Wir glauben und versprechen Besserung! ward alsbald vom Ofen, wo der Teufel seine Antworten erteilte, eine Stimme vernommen, welche sprach: Siehe, hier habe ich keinen Raum mehr! und so wich er voll Schanden von dannen, und fortan ward die Stimme und Beunruhigung durch den Teufel an dieser Stätte nicht mehr vernommen."

Kapitel LXXIX.

Einer, der, obwohl nicht zum Priester geweiht, Messen hielt, wurde durch gerechten Richterspruch zum Tode verurteilt. Von ihm sagt Christus, daß er um der Pein und Reue willen. welche er gehabt, an der Seele nicht verdammt werden wird. Die Messe aber und andere Sakramente, welche er gespendet, nützten den Gläubigen, die solche empfangen, um des Glaubens willen, den sie hatten.

Einer, der zum Priesterstande nicht geweiht war, hielt Messen. Derselbe ward vor den Richter gebracht und zum Feuer verurteilt. Als die Braut für denselben betete, sprach Christus zu ihr und sagte: "Siehe meine Barmherzigkeit. Wäre dieser Mensch unbestraft geblieben, so würde er nimmer die Herrlichkeit erlangt haben; nun aber hat er Reue bekommen und wegen dieser Reue und wegen der Strafe, die er leidet, ist ihm meine Gnade und die Ruhe nahe. Du könntest aber nun fragen, ob das Volk, das die Messen gehört und die Sakramente von einem nicht Geweihten empfangen, verdammt sei, oder tödlich gesündigt habe. Ich antworte Dir, daß es keineswegs verdammt ist, sondern weil sie im guten Glauben waren, daß er vom Bischofe geweiht worden, und daß ich in seinen Händen auf dem Altare sei, werden sie gerettet und weil der Glaube, welcher die Werke der Liebe verrichtet und sich von Gott Seiten-Icon 180 eine würdige Vorstellung macht, nicht ohne Vergeltung bleibt und um sein Verlangen nicht betrogen wird, so hat auch der gute Glaube der Eltern ihren von ihm getauften Kindern genützt."

Kapitel LXXX.

Christus redet mit der Braut von einem Weibe, welches von dem Teufel der Wollust grausam gepeinigt wurde, und sagt, daß sie durch eine aufrichtige Beicht und den Empfang der Eucharistie und die Gebete der Diener Gottes befreit werden wird.

Ein Weib ward von einem Teufel geplagt. Ihr Bauch schwoll dermaßen an, als ob sie im Augenblicke gebären müßte und fiel dann wieder allmählich zusammen, als wenn sie nichts im Leibe gehabt hätte. Als sie nun lange von diesem unreinen Geiste so gequält wurde, und immerfort anschwoll wie eine Gebärende, fragte ihre Frau die Braut Christi dieserhalb um Rat. Während diese im Gebete war, sagte Christus zu ihr: "Gleichwie unter den guten Geistern der eine feiner und höher, als der andere ist, so ist auch unter den bösen Geistern einer nichtswürdiger, als der andere. Nun giebt es aber in diesem Königreiche besonders drei Gattungen von bösen Geistern; die eine ist feurig und voll Flammen und diese führt die Herrschaft über Fresser und Säufer; die andere ist teuflisch und besitzt Leib und Seele des Menschen; die dritte ist abscheulicher, als die übrigen und reizt den Menschen zur widernatürlichen Unzucht an. Weil nun über dieses Weib der Teufel wegen ihres Unglaubens und ihrer Unenthaltsamkeit herrscht und weil sie aus Scham nicht gebeichtet hat und dennoch zum Sakramente des Altars gegangen ist, darum soll sie die lange verborgene Sünde beichten und die Freunde Gottes sollen für sie beten; nachher soll sie meinen Leib aus der Hand des Priesters empfangen, denn es gefällt mir, daß sie durch Gebete und um der von einigen ihrer Freunde für sie vergossenen Thränen willen geheilt werde." Nachdem es also geschehen war, wurde das Weib geheilt. Seiten-Icon 181

Kapitel LXXXI.

Hier werden durch Christum die Mittel angegeben, durch welche ein dreijähriger, von einem Teufel geplagter Knabe geheilt wird. Auch seine Mutter, welche von dem Teufel der Wollust betrogen worden, ward durch die Kraft Christi und der hier enthaltenen Worte von demselben befreit.

Ein dreijähriger Knabe konnte nicht beruhiget werden, außer wenn er mit kaltem Wasser bespritzt ward. Als die Braut dieses sah und sich wunderte, sprach Christus zu ihr: "Siehe die Gerechtigkeit und Zulassung Gottes. Die Mutter dieses Knaben ist lange von dem Teufel der Wollust geplagt worden, da er, ein Geist, einen sichtbaren Luftleib angenommen und mit diesem Weibe in seiner Bosheit und Nichtswürdigkeit geile und unzüchtige Handlungen verübt hat, und obschon der Knabe aus dem Samen seines Vaters und seiner Mutter geboren worden, hat der Teufel an demselben doch eine gar große Macht, weil er nicht durch die wahre Taufe wiedergeboren, sondern so getauft worden ist, wie die Weiber, welche die Worte der Dreifaltigkeit nicht wissen, zu taufen pflegen. Deshalb soll der Knabe im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes getauft werden und er wird gesunden. Die Mutter aber soll ihre Sünde beichten und, wenn der Teufel an sie herantritt, sprechen: Jesus Christus, Du Sohn Gottes, der Du von der Jungfrau Maria zum Heile der Menschen geboren worden, gekreuzigt bist und jetzt im Himmel und auf Erden herrschest, erbarme Dich meiner!" Als das Weib solches that, ward dasselbe befreit.

Kapitel LXXXII.

Christus straft hier diejenigen schwer, welche dem Geiste einer Wahrsagerin, der Künftiges voraussagt, glauben; denn dieses wirke ein Teufel kraft seiner feinsinnigen Natur durch Zulassung Gottes wegen des Unglaubens und der Begierlichkeit der Menschen.

Ein Kriegsmann fragte eine Wahrsagerin um Rat, ob die Männer des Königreiches sich empören sollten wider den König von Seiten-Icon 182 Schweden oder nicht, und wie die Wahrsagerin gesagt hatte, so geschah es. Als der Kriegsmann in Gegenwart der Braut Christi diese Thatsache dem Könige erzählte, vernahm sie, sobald sie sich vom Könige entfernt hatte, im Geiste die Stimme Christi, welche ihr sagte: "Du hast gehört, wie der Kriegsmann die Wahrsagerin um Rat befragt und wie dieselbe den künftigen Frieden vorausgesagt. Sage nun dem Könige, wie dieses wegen des Unglaubens des Volkes mit meiner Zulassung geschieht; denn vermöge der feingeistigen Beschaffenheit seines Wesens vermag der Teufel vieles Zukünftige zu erkennen, was er denen, die ihn um Rat fragen, zu erkennen giebt, und wodurch er diejenigen täuscht, die ihm Glauben schenken, mir dagegen den Glauben verweigern. Deshalb sage dem Könige, daß solche Betrüger der Seelen aus der Genossenschaft der Gläubigen ausgestoßen werden, weil sie um des zeitlichen Gewinnes halber sich dem Teufel ergeben und ihm huldigen, damit noch mehrere hintergangen werden. Das ist auch nicht zu verwundern, weil, wenn der Mensch mehr zu wissen begehrt, als Gott ihn wissen lassen will, und wenn er wider den Willen Gottes reich zu werden begehrt, der Teufel sein Herz versucht, und sobald er sieht, daß der Mensch seinen Eingebungen geneigt ist, seine Helfer sendet, nämlich Wahrsagerinnen und andere Gegner des Glaubens, um ihn durch dieselben zu betrügen. Hat er dann das geringe Zeitliche nach seinem Willen erlanget, wird er das Ewige verlieren."

Kapitel LXXXIII.

Christus sagt, daß die Frömmigkeit der Heiden künftig viel größer sein wird, als die der Christen, auch alle beten werden: "Ehre dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geiste!"

Der Sohn redete zur Braut und sprach: "Du sollst wissen, wie unter den Heiden noch eine so große Frömmigkeit sein wird, daß die Christen geistlicherweise wie ihre Sklaven sein, und die Schriften in Erfüllung gehen werden, daß ein unverständiges Volk mich ehren, daß das wüste Land bebaut und alle beten werden: Ehre dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, und Ehre allen seinen Heiligen!" Seiten-Icon 183

Kapitel LXXXIV.

Christus tadelt diejenigen, welche sich mit vielen Kleidern wider die Kälte beladen, und diejenigen, welche stolz sind auf schöne Kleider, wie ein Pfau auf seine Federn. Er sagt, daß, wenn sie vollkommen auf ihn vertrauten, er ihnen Schönheit und Wärme an Leib und Seele geben würde.

Als die Braut bei großer Kälte im Königreiche Schweden zu Schiffe auf eine Insel gekommen war und bereits alle schliefen, wollte sie niemand Unruhe machen und blieb bis zum Tage auf dem Schiffe. Während die Dienerschaft über die Maßen an Kälte litt, fühlte sie selbst nur Wärme, so daß diejenigen, welche sie anrührten und sahen, sich wunderten. Als sie dann um die Zeit der Morgenröte betete, sprach der Herr zu ihr: "O wie wenig Vertrauen haben die Menschen auf mich, welche sich mit Kleidern beladen, wie der Igel seine Stacheln mit Obst, und wie ein Pfau auf sein Gefieder, so sind sie auf ihre schönen Kleider stolz. Wie sie aber ohne mich nicht warm werden können, so können sie auch nur durch mich schön erscheinen; setzten sie ihre Hoffnung auf mich, so würde ich ihnen Wärme geben an Seele und Leib und sie schön machen vor dem Angesichte meiner Heiligen. Jetzt aber sind sie häßlich, weil sie mit dem Notwendigen nicht zufrieden sind und die Geschöpfe inbrünstiger lieben, als den Schöpfer."

Kapitel LXXXV.

Christus sagt der Braut, daß diejenigen, welche wissentlich übel Erworbenes behalten, nicht in die Ruhe eingehen werben, bis sie Erstattung geleistet haben; Beispiel einer Seele, welche lange am Reinigungsorte gewesen war; die es aber unwissenderweise behielten, werden nicht bestraft werden. Er giebt auch eine Erklärung über Almosen aus übel erworbenen Gütern und ob dieselben den Spendenden nützen.

Einer, der vierzig Jahre lang im Reinigungsorte gewesen war, erschien der Braut und sprach: "Wegen meiner Sünden und wegen jener zeitlichen Güter, die Dir bekannt sind, bin ich lange Seiten-Icon 184 im Reinigungsorte gepeinigt worden. In meinem Leben hörte ich oft, daß jene Güter von meinen Eltern auf ungerechte Weise erworben worden, allein ich kümmerte mich darum nicht, leistete auch keine Erstattung. Als aber vermöge einer Eingebung Gottes einige von meinen Verwandten, welche ihr Gewissen betrachteten, nach meinem Tode die Güter ihren Herren zurückgaben, bin ich hierdurch, sowie durch die Gebete der Kirche aus dem Fegfeuer befreit worden." Darauf sprach Christus zur Braut: "Was glauben wohl die Menschen, welche nicht in gutem Glauben besitzen und widerrechtlich Erworbenes wissentlich behalten, daß sie in meine Ruhe eingehen werden? Fürwahr ebensowenig, als Luzifer. Aber auch Almosen aus widerrechtlich Erworbenem gegeben wird ihnen nicht nützen, es wird vielmehr jenen Leuten nützen und Trost bringen, welche die Herren und Eigentümer dieser Güter gewesen sind. Sind es aber solche, welche unwissentlich widerrechtlich erworbenes Gut besitzen, so werden sie nicht bestraft werden, desgleichen verlieren jene den Himmel nicht, welche einen ganz vollkommenen Willen haben, Ersatz zu leisten, und werkthätig thun, was sie vermögen, weil Gott wegen des guten Willens entweder in der gegenwärtigen oder zukünftigen Welt es ersetzen wird."

Kapitel LXXXVI.

Wie die Braut ein Feuer vom Himmel auf den Altar herniederfahren sah, und in der Hand des Priesters ein Lamm und am Lamme das menschliche, in Flammen glühende. Antlitz Christi erblickte. Sie vernahm auch die Auslegung dieses Geheimnisses.

An einem Pfingsttage feierte ein Priester seine erste Messe in einem Kloster. Bei der Erhebung des Leibes Christi sah die Braut ein Feuer vom Himmel über den ganzen Altar herniederfahren; in der Hand des Priesters erblickte sie das Brot, und in dem Brote ein lebendiges Lamm, und im Lamme ein Gesicht, wie eines Menschen, das in Flammen stand, und sodann vernahm sie eine Stimme, welche zu ihr sprach: "Wie Du jetzt das Feuer niederfahren siehst auf den Altar, so kam ähnlicherweise mein heiliger Geist an einem solchen Tage wie heute auf meine Apostel herab und entflammte Seiten-Icon 185 ihre Herzen. Das Brot aber wird durch das Wort ein lebendiges Lamm, d. h. mein Leib; im Lamme ist ein Gesicht und im Gesichte das Lamm, weil der Vater in dem Sohne ist und der Sohn im Vater und der heilige Geist in beiden." Und wiederum erblickte die Braut in der Hand des Priesters bei der Elevation der Eucharistie einen Jüngling von wunderbarer Schönheit, welcher sprach: "Ich segne euch, die ihr glaubt, und werde denen, welche nicht glauben, ein Richter sein."

Kapitel LXXXVII.

Beim Eintreten eines im Kirchenbanne Befindlichen in das Haus spürte die Braut einen entsetzlichen Gestank. Christus legt dieses aus und sagt, daß, wie dieser Gestank für den Leib gefährlich ist, also ist es auch der Kirchenbann der Seele des Gebannten und denen, die mit ihm verkehren.

Als eines Tages die Braut mit einem Bischofe und anderen von höherem Adel sich unterhielt, empfand sie einen abscheulichen Gestank, wie von verfaulten Fischschuppen. Während sich die Herren noch wunderten daß sie allein den Gestank spürte, die anderen aber nicht, trat alsbald ein Mann ins Haus, welcher exkommuniziert war, wegen der Macht, aber, die er besaß, sich um den Bann nicht kümmerte. Nachdem das Gespräch beendet war, sprach Christus zur Braut: "Wie verfaulte Fischschuppen für den Leib gefährlicher sind, als andere stinkende Dinge, so ist die Exkommunikation eine geistliche Krankheit, welche für die Seelen schädlicher ist, als andere, weil sie nicht nur dem Exkommunizierten schadet, sondern auch denen, welche mit ihm umgehen und mit ihm übereinstimmen. Darum soll der König Sorge tragen, daß solche Leute gestraft werden, damit nicht noch mehrere durch den Umgang mit ihnen befleckt werden." Seiten-Icon 186

Kapitel LXXXVIII.

Als die Braut im Zweifel war, was jene empfindliche und wunderbare Regung bedeute, die sie im Herzen empfand, wenn ihr etwas aus göttlicher Eingebung geoffenbart werden sollte, erklärt ihr die Mutter Gottes die Wahrheit des Geheimnisses und verkündigt ihr, daß Gott und sie durch die Braut der Welt seinen Willen zu erkennen geben wollen.

In einer Nacht, am Feste der Geburt unseres Herrn, wandelte die Braut Christi ein großer Jubel des Herzens an, daß sie sich vor Freude kaum zu halten vermochte, und im nämlichen Augenblicke fühlte sie im Herzen eine empfindliche und wunderbare Regung, als wenn ein lebendiges Kind im Herzen wäre, das sich hin- und herbewegte. Da diese Bewegung anhielt, gab sie dieselbe ihrem geistlichen Vater und einigen ihrer geistlichen Freunde zu erkennen, ob nicht etwa eine Täuschung dabei sei. Von der Wahrheit ihrer Aussage überzeugt, wunderten sich diese sehr. Es erschien aber noch am nämlichen Tage im Hochamte die Mutter Gottes und sprach zur Braut: "Meine Tochter, Du wunderst Dich über die Bewegung, welche Du in Deinem Herzen spürst; wisse, daß dieselbe keine Täuschung, sondern eine gleichnisweise Andeutung der mir widerfahrenen Süßigkeit und Barmherzigkeit ist. Du weißt nicht, woher Dir ein so plötzlicher Jubel und diese Bewegung im Herzen kommt; aber auch ich erstaunte, wie wunderbar und schnell die Ankunft meines Sohnes in mir war; denn als ich dem Engel, welcher mir die Empfängnis des Sohnes Gottes verkündigte, meine Zustimmung erteilte, empfand ich sogleich in mir ein wunderbares Leben und als er von mir geboren ward, ging er unter unaussprechlicher Freude und mit wunderbarer Schnelligkeit aus meinem verschlossenen jungfräulichen Schoße hervor. Darum, meine Tochter, fürchte keine Täuschung, sondern freue Dich, weil diese Bewegung, welche Du fühlst, das Zeichen der Ankunft meines Sohnes in Deinem Herzen ist. Wie deshalb mein Sohn Dir den Namen seiner neuen Braut beigelegt hat, so nenne auch ich Dich jetzt die Braut meines Sohnes. Diese Bewegung Deines Herzens aber wird in Dir bleiben und nach der Empfänglichkeit Deines Herzens gemehrt werden." Seiten-Icon 187

Kapitel LXXXIX.

Christus läßt durch den Evangelisten Johannes die Braut wissen, daß Johannes, nicht aber ein anderer die Apokalypse auf Eingebung des heiligen Geistes geschrieben hat, und daß die Glosse des Magisters Matthias über die Bibel diesem Magister von dem nämlichen Geiste auf göttliche Weise mitgeteilt worden ist.

Um die Zeit, als Magister Matthias aus dem Reiche Schweden, ein Erklärer der Bibel, in der Auslegung der Apokalypse begriffen war, bat er einmal die Braut, sie wolle im Geiste etwas über die Zeit des Antichrists zu erfahren suchen, und ob die Apokalypse vom seligen Johannes geschrieben worden, weil viele das Gegenteil meinten. Als sie nun hierüber sich ins Gebet begeben, ward sie verzückt im Geiste und erblickte sodann eine Person, welche wie mit Öl gesalbt und mit einem großen Glanze umleuchtet war. Nun redete Christus zu ihm und sprach: "Gieb Zeugnis, wer die Apokalypse geschrieben hat." Jener antwortete: "Ich bin Johannes, dem Du am Kreuze Deine Mutter überwiesen hast. Du, Herr, hast mir die Geheimnisse derselben eingegeben, und ich habe dieselben zum Troste der Nachkommen geschrieben, damit Deine Gläubigen durch die künftigen Ereignisse nicht in Bestürzung geraten." und der Herr sprach zur Braut: "Siehe, Tochter, ich sage Dir, daß, wie Johannes aus meinem Geiste die zukünftigen Dinge geschrieben hat, welche er sah, also Matthias, Dein Beichtiger und Vater, aus demselben Geiste die geistliche Wahrheit der heiligen Schrift erkennt und erklärt; weiter sage ihm, den ich zum Lehrer gemacht, daß viele Antichriste sind, aber wie und wann jener verfluchte Antichrist kommen wird, werde ich ihn durch Dich wissen lassen." Seiten-Icon 188

Kapitel XC.

Als ein ungläubiger Klostergeistlicher die Gnade, himmlische Dinge zu schauen, welche der Braut von Gott umsonst gewährt werden, bezweifelte, straft ihn Christus durch die Braut wegen seiner Redseligkeit und eitlen Wissenschaft und läßt ihn durch die Gicht ergriffen werden.

Als Magister Matthias sich mit einem ihm sehr befreundeten Ordensgeistlichen von großem Ansehen über die Gabe der himmlischen Gesichte, welche der Braut von Gott gegeben worden, unterredete, bemerkte jener Ordensmann: "Es ist nicht glaublich, noch stimmt es mit der Schrift überein, daß Gott von denen gewichen sei, welche Enthaltsamkeit üben und sich von der Welt lossagen, und daß er seine Geheimnisse eingebildeten Frauen zeigen sollte," und als der Magister Matthias hierüber viele Beweisstellen anführte, wollte jener nicht beistimmen. Nachdem aber die Braut dieses gehört hatte, auch den Magister bestürzt sah, begab sie sich in das Gebet, ward im Geiste verzückt und hörte Christum also reden: "Es ist dieses eine gefährliche Krankheit vieler, daß sie von der Arznei krank werden und man soll sie ihnen nicht reichen, damit sie nicht noch schwerer erkranken. Ich bin die Arznei der Kranken und die Wahrheit der Irrenden; aber dieser redselige Ordensmann begehrt von mir keine Arznei, weil der Kot eitler Wissenschaft sein Herz erfüllt. Deshalb will ich ihm mit meiner Hand einen Backenstreich geben, und von allen soll vernommen werden, daß ich, Gott, mich nicht eitler Worte bediene, sondern daß meine Worte von Erfolg und zu fürchten sind." Der nämliche Ordensmann ward bald hernach durch Trübsal gedemüigt und starb gichtbrüchig.

Kapitel XCI.

Christus befiehlt der Braut, sie solle den Leib mäßig durch Speise stärken, damit wegen Schwächung desselben die Seele nicht gehindert werde am Göttlichen.

Als die Braut vom übermäßigen Fasten und Wachen am Kopf und Leibe hinfällig geworden war und infolge ihrer Schwachheit Seiten-Icon 189 die Worte, die der Geist zu ihr redete, nicht vollkommen verstand, sprach Christus zu ihr: "Gehe und gieb Deinem Leibe die mäßige Nahrung, weil ich will, daß dem Leibe der nötige Unterhalt gegeben, und die Seele wegen Schwäche desselben von geistlichen Dingen nicht abgehalten werde."

Kapitel XCII.

Christus straft drohend einen Mönch, welcher aus dem Leben der Väter vor dem Könige den Beweis zu führen suchte, daß die Braut betrogen worden. Der Herr sagt auch, wie jene Väter sich hätten betrügen lassen, welche, auf ihre Gerechtigkeit stolz, sich anderen vorzogen und demütigen Menschen nicht gehorchen wollten.

Ein Mönch brachte in Gegenwart der Braut das Buch der Lebensbeschreibungen der Väter vor die Räte und den König von Schweden, aus welchem er vorlas, wie viele unter den heiligen Vätern durch übermäßigen Abbruch und Unklugheit wären betrogen worden und deshalb fürchte er, wie er sagte, ob nicht etwa die Braut ähnlicherweise auch hintergangen worden. Und als sie sich danach im Gebete befand, vernahm sie, wie Christus zu ihr sagte: "Hat nicht jener Mönch gesagt, daß unter den Heiligen viele sich hätten täuschen lassen? Wahrlich, in seinem Redeschwulst hat er gesprochen, wie er wollte, aber nicht, wie er sollte, denn keiner meiner Freunde die sich in der Liebe zu wir weise gezeigt haben, ist getäuscht worden, sondern diejenigen, welche auf ihre Abstinenz und Gerechtigkeit stolz waren, sich anderen vorzogen und den Demütigen nicht haben gehorchen wollen, diese sind es, die sich getäuscht haben. Und weil dieser Mönch das Buch der heiligen Väter, die er selber nicht nachahmt, wider mich vorgebracht hat, deshalb will ich das Buch meiner Gerechtigkeit gegen ihn vorbringen; der in seiner Weisheit gelobt wird, wird vor meine Weisheit kommen und in seinem Gewissen wird er sehen, daß die wahre Weisheit nicht in erhabenen Worten besteht, sondern in einem reinen Gewissen und wahrer Demut. O wie weit bleiben diese Gelehrten im Orden hinter den Fußstapfen ihres Vaters zurück, der wie ein Erbauer der gebrochenen Schutzwehren, wie ein Mann gewesen ist, der da wandelt die Pfade der Vollkommenen!" Seiten-Icon 190

Kapitel XCIII.

Bemerkenswertes Gesicht von einer Frau, welche die Jungfrau Maria und Petrus aufhielten, daß sie nicht fiel. Auf den Rat derselben änderte sie ihr Leben und verfiel, vermöge einer besonderen göttlichen Gnade, in eine Krankheit, in welcher sie gereinigt worden und dann in den Himmel wanderte.

Die Braut sah in einem Gesichte ein Weib auf einem Seile schweben. Ihren einen Fuß hielt ein freundlicher Mann, den anderen eine Jungfrau von wunderbarer Schönheit. Nun erschien ihr die heilige Maria und sprach zu ihr: "Das ist eine Dir bekannte Frau, welche, obwohl in viele Sorgen des Fleisches und der Welt verwickelt, auf wunderbare Art vor dem Falle erhalten worden ist. Sie hat sehr oft den Willen gehabt, zu sündigen, aber weder Ort, noch Zeit gefunden, was die Gebete des heiligen Petrus, des Apostels meines Sohnes, den sie liebte, bewirkt haben; zuweilen fanden sich Ort und Gelegenheit, aber dann hatte sie nicht den Willen, und das bewirkte meine Liebe, die ich die Mutter Gottes bin. Weil jetzt ihre Zeit naht, erteilt ihr der selige Petrus den Rat, daß sie einige Strenge in der Kleidung beobachte und ihre besseren Kleider ablege; denn auch er, der Fürst der Apostel, habe Blöße, Kerker und Hunger erduldet, obwohl er mächtig war im Himmel und auf Erden. Ich aber, die Mutter Gottes, die ich keine Stunde ohne Trübsal des Herzens auf Erden zugebracht, rate ihr, daß sie sich nicht schäme, demütig zu sein und den Freunden Gottes zu gehorchen." Hierauf erschien alsbald der selige Apostel Petrus und sagte zur Braut: "Du, neue Braut des Herrn, unseres Gottes, gehe hin und frage jenes Weib, das ich geliebt und behütet habe, ob sie ganz und gar meine Tochter sein wolle." Gefragt, gab sie ihre Zustimmung und sprach: "Ich will es von ganzem Herzen sein." "So will ich für sie sorgen," antwortete hierauf der heilige Petrus, "wie für meine Tochter Petronilla und will sie aufnehmen in meine Hut." Und sobald die Frau das gehört hatte, änderte sie ihr Leben. Nicht lange danach begann sie krank zu werden, was sie auch die ganze Zeit ihres Lebens hindurch blieb, bis sie, gereinigt, mit höchster Andacht den Geist aufgab. Als sie be- Seiten-Icon 191 reits in den letzten Zügen lag, erblickte sie den seligen Apostel Petrus in bischöflichem Gewande, und den heiligen Märtyrer Petrus im Habite der Predigerbrüder, die sie beide im Leben innigst geliebt hatte und sprach in Gegenwart aller: "Was bringt ihr mir, meine Herren?" und als die anwesenden Frauen sie fragten, ob sie eine Erscheinung gehabt habe, antwortete sie: "Ich habe Wunderbares geschaut, denn ich sah meine Herren, Petrus, den Apostel, angethan mit dem bischöflichen Gewande, und Petrus, den Märtyrer, im Gewande der Predigermönche; ich habe dieselben allezeit geliebt und immer auf ihre Hilfe gehofft." Und alsbald rief sie: "Gebenedeit sei Gott! Siehe! Ich komme!" und so entschlief sie im Herrn.

Kapitel XCIV.

Die Mutter Gottes offenbart der Braut, wo die Seelen, welche Christus aus der Vorhölle erlöste, als er zur Hölle hinabstieg, bis zu seiner Himmelfahrt gewesen, auch wo die Leiber derer geblieben sind, die mit ihm zu Jerusalem auferstanden, als er ihre Seelen mit sich gen Himmel nahm, und wie der Herr sich bei der Auferstehung früher seiner Mutter gezeigt, als anderen. Sie lehrt die Braut auch, wie sie den Anfechtungen widerstehen soll.

Die Mutter Gottes sprach: "An einem solchen Tage, wie heute, ist mein Sohn von den Toten auferstanden, stark wie ein Leu, weil er des Teufels Macht zertreten und die Seelen seiner Auserwählten erlöst hat, welche mit ihm zur himmlischen Freude aufgefahren sind. Du kannst aber fragen, wo jene Seelen, welche er damals aus der Vorhölle befreite, waren, bis er in den Himmel auffuhr. Ich antworte Dir, daß sie an einem, meinem Sohne allein bekannten Orte der Freude gewesen sind, denn wo mein Sohn war und ist, da ist und war auch Freude und Herrlichkeit, wie er zum Schächer sprach: Heute wirst Du mit mir im Paradiese sein! Es sind auch zu Jerusalem viele heilige Verstorbene auferstanden, welche wir gesehen haben, und deren Seelen mit meinem Sohne aufgefahren sind, während ihre Leiber mit den Leibern der anderen des Gerichtes und der Auferstehung warten. Mir aber, die ich die Mutter Gottes bin und weil ich nach seinem Tode durch einen nicht zu fassenden Schmerz betrübt war, erschien Seiten-Icon 192 mein Sohn früher, als den anderen, und hat sich mir handgreiflich gezeigt, indem er mich tröstete und meldete, daß er sichtbarlich in den Himmel auffahren werde. Obwohl dieses meiner Demut willen nicht geschrieben worden, so ist es doch volle Wahrheit, daß mein Sohn nach seiner Auferstehung eher mir, als irgend einem anderen sich gezeigt hat. Weil denn nun mein Sohn an einem solchen Tage, wie heute, mich getröstet hat, so will ich heute und fürder Deine Versuchungen mindern und Dich unterweisen, wie denselben Widerstand zu leisten ist. Du wunderst Dich, weshalb sich bei Dir die Versuchungen im Alter mehren, nachdem Du sie weder in der Jugend, noch während der Ehe erfahren hast. Ich antworte Dir: Dies geschieht, damit Du wissest, daß Du ohne meinen Sohn nichts bist und kannst, und daß, wenn mein Sohn Dich nicht bewahrt hätte, es keine Sünde gäbe, in welche Du nicht verwickelt worden wärest. Deshalb gebe ich Dir jetzt wider die Versuchungen drei Mittel an. Wenn Du von einer unreinen Anfechtung heimgesucht wirst, so sollst Du sprechen: Jesu, Du Sohn Gottes, der Du alles kannst, hilf mir, daß ich in eitlen Gedanken mich nicht ergötze. Wenn Dich aber die Lust ankommt, zu sprechen, so sollst Du sagen: Jesu, Sohn Gottes, der Du vor dem Richter geschwiegen, halte meine Zunge, bis ich überlegt habe, wie und was ich reden soll. Wenn Dich aber die Lust ankommt, zu arbeiten, oder zu ruhen, oder zu essen, so sollst Du sprechen: Jesu, Sohn Gottes, der Du gebunden gewesen, regiere meine Hände und alle meine Glieder, auf daß meine Werke ausgehen zu einem guten Ende, und das sei Dir ein Zeichen, daß von diesem Tage an Dein Knecht, das ist, Dein Leib, über seine Gebieterin, das ist, Deine Seele, nicht mehr Meister werden wird."

Zusatz.

Die Frau Brigitta ward in ihrem Gebete versucht. Da sprach Maria zu ihr: "Der Teufel ist wie ein neidischer Späher, der die Frommen anzuklagen und zu hindern sucht, daß sie in ihren Gebeten von Gott nicht erhört werden. Darum, Du magst nun von welcher Versuchung es sei, im Gebete versucht werden, so bete gleichwohl weiter, und bemühe Dich, zu beten, da das Verlangen und das gute Bestreben für die Ausrichtung des Werks gerechnet Seiten-Icon 193 wird. Und wenn Du die Unsauberkeiten, welche Dir in den Sinn kommen, nicht wirst hinauswerfen können, wird jenes Streben Dir für eine Krone gerechnet, wenn Du nur in die Versuchungen nicht einwilligst und dieselben wider Deinen Willen sind."

Kapitel XCV.

Ein edler, gerechter, vornehmer Herr wollte eine große Würde des Regimentes im Königreiche aus guter Absicht nicht annehmen. Diesen tadelt die Mutter Gottes durch die Braut, indem sie befiehlt, er solle sie annehmen und allezeit die Worte der Wahrheit im Munde und das Schwert der Gerechtigkeit ohne einiges Ansehen der Personen in der Hand haben.

Ein gewisser vornehmer Mann im Reiche Schweden, Namens Israel, wurde unter vielen Bitten und häufig zur Übernahme einer höheren Würde in der Regierung des Reiches vom Könige aufgefordert. Derselbe hatte aber das Verlangen, wider die Heiden zu ziehen und dort im Dienste Gottes für den heiligen Glauben zu sterben und wollte sich in keinerlei Weise zur Übernahme der genannten Würde bewegen lassen. Während nun die Braut im Gebete war, redete die Mutter Gottes zu derselben und sprach: "Wenn diejenigen, welche das Recht kennen und es zu handhaben den Willen und die Macht haben, aber es ablehnen, für Gott eine Last und eine Mühe zu übernehmen, wie wird dann ein Reich in seiner Kraft bestehen können? Wehe! kein Königreich ist das, sondern zu einem Räubernest, zu einer Tyrannenhöhle wird es, wo die Ungerechten herrschen und die Gerechten getreten werden. Deshalb soll der gerechte und gute Mensch sich um der Liebe Gottes willen bewegen lassen, daß er sich mit Eifer der Regierung zur Verfügung stelle zum Nutzen vieler. Diejenigen aber, welche Würden und Regiment um der Ehre der Welt halber begehren, sind keine wahren Fürsten, sondern die ärgsten Tyrannen. Deshalb soll mein Freund Israel die Regierung um der Ehre Gottes willen übernehmen, im Munde die Worte der Wahrheit und in der Hand das Schwert der Gerechtigkeit halten, ohne Rücksicht auf die Gunst der Menschen, ohne Hinneigung zu den Verwandten, ohne auf das Ansehen der Personen zu achten und ich sage Dir, es wird von ihm noch durch Seiten-Icon 194 den Mund der Menschen gesagt werden: Dieser ist mannhaft aus dem Vaterlande hinweggezogen, hat die Mutter Gottes aufrichtig geehrt und Gott getreulich gedient und Du sollst wissen, wie ich ihn auf einem anderen Wege in mein Land führen werde." -

Das ist auch hernach in der That eingetroffen. Denn nachdem einige Jahre verflossen waren, zog dieser Herr wider die Ungläubigen aus, und kam in das deutsche Land, nach der Stadt Riga, wo er erkrankte. Als er seinen Tod nahen fühlte, ging er mit anderen hinauf in die bischöfliche Kirche und steckte dort einem in hohen Ehren stehenden Marienbilde einen kostbaren Ring an den Finger und ließ denselben alldort, indem er öffentlich sprach: "Du bist mir allezeit die süßeste Frau gewesen. Ich rufe Dich darüber zur Zeugin an und überlasse mich und meine Seele Deiner Vorsehung und Barmherzigkeit." Nachdem er dann die Sakramente empfangen, starb er in höchster Andacht. Als hierauf die Braut für ihn betete, redete die Mutter Gottes von ihm und sprach also: "Er hat mir seinen Liebesring gegeben und mich zu seiner Braut begehrt. Wahrlich, Tochter, Du sollst wissen, daß er, so lange er lebte, mich nicht mit seinem halben, sondern mit seinem ganzen Herzen geliebt und in allen seinen Werken und Richtersprüchen meinen Sohn gefürchtet hat. Deshalb habe ich ihn unter Beistand Gottes, meines Sohnes, auf einen Weg geführt, der ihm notwendiger und heilsamer war, und ihn dem himmlischen Heere der Heiligen und der Engel, von denen er geliebt war, dargestellt, denn wäre er unter den Händen seiner Verwandten gestorben, so hätte ihm deren zeitlicher Trost noch Schwierigkeiten bereiten können. Sein guter Wille gefiel Gott so wohl, als wenn er unter den Heiden im Kampfe für den heiligen katholischen Glauben wider die ungläubigen gestorben wäre."

Erklärung.

Dieser Herr war der Bruder der heiligen Brigitta. Seiten-Icon 195

Kapitel XCVI.

Als zu Rom die Glocken in der St. Peterskirche verbrannten, sprach Christus zur Braut, sie solle sich nicht verwundern, weil zuweilen die Elemente die Zeichen künftiger Ereignisse darstellen. So zeigen diese Glocken den nahen Tod eines Papstes an, dem ein schweres Gericht für den Fall bevorsteht, daß er sich nicht schleunig zu Gott bekehrt.

Kurz vor dem Tode eines Papstes verbrannten durch einen wunderbaren Zufall die Glocken der Kirche des heiligen Petrus in Rom. Als die Braut solches vernahm, erschrak sie und begab sich ins Gebet. Da erschien ihr Christus und sprach: "Fürwahr, meine Tochter, ein großes Zeichen ist das; denn es steht geschrieben, daß alle Elemente gleichsam mit mir Mitleid hatten bei meinem Tode, als sie ihren Glanz und ihre gewöhnliche Wirksamkeit einstellten. So kämpfen und richten auch zu Zeiten die Elemente für Gott und sind in ihren Erscheinungen die Anzeichen des göttlichen Zornes und künftiger Ereignisse. Siehe, so verbrennen jetzt die Glocken und rufen gleichsam alle: Der Herr ist gestorben, der Herr Papst ist aus der Welt gegangen! Gebenedeit sei dieser Tag; aber nicht gebenedeit sei dieser Herr! O wie wunderbar! Wo alle rufen sollten: Lange lebe, glücklich lebe jener Herr! da rufen und sprechen sie freudig: Möge er herabsteigen und nicht wieder aufstehen! Du wundere Dich nicht darüber! Denn er, der hätte rufen sollen: Kommt, und ihr werdet Ruhe für euere Seelen finden! er rief: Kommt, sehet mich in meiner Pracht und Würde, höher als Salomo! Kommt an meinen Hof, leeret euere Taschen und ihr werdet das Verderben euerer Seelen finden! und zwar rief er so durch sein Beispiel und die That. Und darum naht jetzt die Zeit des Zornes, und ich werde ihn richten als den Zerstreuer der Herde Petri. Ach, welches Gericht steht ihm bevor! Gleichwohl werde ich ihm, falls er sich noch zu mir bekehren will, auf halbem Wege wie ein liebreicher Vater entgegeneilen." Seiten-Icon 196

Kapitel XCVII.

Wie Gott will, daß man die Sünder zu gelegener und ungelegener Zeit zur Beicht ermahnen solle, namentlich aber am Ende des Lebens, nach dem Beispiele eines Herrn, der sechzig Jahre ohne Beicht gelebt hatte, und am Ende, schier gezwungen, beichtete und nach erlangter Reue errettet wurde.

Ein großer weltlich gesinnter Herr, der lange nicht gebeichtet hatte, fiel in eine schwere Krankheit. Die Braut, hatte Mitleid mit ihm und betete für ihn. Christus aber erschien der Braut, redete zu ihr und sprach: "Sage Deinem Beichtvater, er solle jenen Kranken besuchen und ihn Beicht hören." Als dieser nun hinkam, antwortete der Kranke, es bedürfe keiner Beicht, und behauptete, er habe häufig gebeichtet. Am anderen Tage erhielt der Beichtvater von Christo wieder den Befehl, nochmals hinzugehen; aber auch jetzt erhielt eine ähnliche Antwort. Als der Beichtvater am dritten Tage wieder zu dem Kranken kam, sprach er, infolge einer der Braut gewordenen Offenbarung Christi, also zu ihm: "Christus, der Sohn des lebendigen Gottes und der Herr des Teufels, spricht zu Dir: Du hast sieben böse Geister in Dir. Einer sitzt im Herzen und bindet dasselbe, daß Du keine Reue über die Sünden empfindest; der zweite sitzt in den Augen, damit Du nicht sehest, was Deiner Seele nützt; der dritte sitzt in Deinem Munde, damit Du nicht redest, was zur Ehre Gottes gereicht; der vierte ist in Deinem Unterleibe, weil Du alle Unreinigkeit geliebt hast; der fünfte ist in Deinen Händen und Füßen, weil Du Dich nicht scheutest, die Menschen zu berauben und zu töten; der sechste ist in Deinem Innern, weil Du dem Fressen und Saufen ergeben warst; der siebente sitzt in Deiner Seele, wo Gott hätte weilen sollen; aber jetzt sitzt dort sein Feind, der Teufel. Darum thue schnell Buße, so lange Dir Gott noch gnädig sein wild." Darauf antwortete der Kranke unter Thränen: "Wie wirst Du mich überzeugen können, daß ich Verzeihung erlange, da ich in so viele öffentliche Laster verwickelt bin?" Der Beichtvater antwortete: "Ich schwöre es Dir, denn ich habe erfahren, daß Du durch die Reue gerettet werdest, wenn Du auch noch größere Sünden begangen hättest." Darauf Seiten-Icon 197 sprach jener wiederum unter Thränen: "Ich verzweifle am Heile meiner Seele, weil ich dem Teufel gehuldigt habe, welcher gar oft mit mir geredet hat; deshalb habe ich Sechzigjähriger niemals gebeichtet, wenn andere kommunizierten, schützte ich irgend ein anderes Geschäft vor; nun aber will ich Dir beichten, mein Vater, denn solche Thränen, wie ich jetzt habe, erinnere ich mich niemals gehabt zu haben." Deßhalb [sic!] beichtete er an diesem Tage viermal, und am folgenden Tage kommunizierte er auch nach der Beicht. Am sechsten Tage darauf aber starb er und Christus redete von ihm zur Braut also: "Auch dieser Mensch diente jenem Räuber, dessen Gefährlichkeit ich Dir schon früher gezeigt habe; nun aber ist der Teufel, dem er gehuldigt hatte, von ihm geflohen und solches geschah wegen der Reue, die er gehabt hat; diese Reue, die er am Ende noch gehabt hat, war das Zeichen seiner Erlösung, da er bereits zur Reinigung gelangt ist. Du kannst aber fragen: Wodurch hat ein Mensch, der in so viele Laster verwickelt war, noch die Gnade der Reue verdient? Ich antworte Dir: Das hat meine Liebe gethan, der ich bis zum letzten Augenblicke auf des Menschen Bekehrung warte, und das Verdienst meiner Mutter; denn obwohl sie dieser Mensch nicht von Herzen geliebt hat, war er doch gewöhnt, mit ihrem Schmerze Mitleid zu haben, so oft er an sie dachte und nennen hörte, deshalb hat er den kurzen Weg seines Heiles gefunden und wird gerettet werden."

Kapitel XCVIII.

Christus straft durch die Braut eine Äbtissin mit Drohungen, und vergleicht dieselbe mit einer feisten Teufelskuh, weil sie Eigentum und weiche und sorgfältig behandelte Kleider hatte, mit Hoffart und Schmauserei prächtig lebte und den Schwestern ein Beispiel des Verderbens gab.

Der Sohn redete: "Jene Äbtissin ist wie eine feiste Kuh, welche durch den Kot geht und mit ihrem kotigen Schwanze die Umstehenden bespritzt; dieses geschieht, weil sie ihre Schwestern böses Beispiel giebt, ihre gefälteten Kleider geben Zeugnis, daß sie keine Tochter meines seligen Benedikt, noch eine demütige Braut ist, weil sie ihres Verlöbnisses nicht eingedenk ist. Nach ihrer Regel Seiten-Icon 198 soll sie ein grobes und armes Kleid haben, ihr Kleid aber ist viel weicher, schöner und angenehmer. Ihre Regel befiehlt, das Notwendige mit Sparsamkeit und mit Furcht zu genießen und nichts Eigenes zu haben; sie aber hat Eigentum, mästet sich wie eine Teufelskuh und folgt ihrem eigenen Willen, Ihre Regel schreibt vor, es solle alles in der Hand der Äbtissin sein und sie beachtet nicht die Absicht meines seligen Benedikt, welcher deshalb alles in die Hand des Abtes legte, damit er mit Klugheit vorangehe, ein Beispiel der Tugenden gebe, und der erste Beobachter derselben sei; sie aber mißbraucht den Namen und die Macht zu ihren Ausschweifungen, und beachtet nicht, daß sie über alle Seelen ihrer Schwestern mir Rechenschaft geben muß. Deshalb sollst Du wissen, daß, wenn sie ihr Betragen und das ihrer Schwestern nicht bessert, sie mit den feisten Kühen zur Hölle wandern wird; da werden die Raben der Hölle sie zerreißen, weil sie nicht mit den Demütigen und Enthaltsamen hat in den Himmel fliegen wollen."

Erklärung.

Nachdem diese Äbtissin gestorben war, erschien sie der seligen Brigitta ein wenig weiß, aber wie mit einem eisernen Netze umwunden. Ihre Zunge sah aus wie Feuer, ihre Hände und Füße wie Blei, die Augen standen ihr ganz voll Thränen, und sie sprach: "Du wunderst Dich über mich, weshalb ich so häßlich erscheine. Das ist die vergeltende Gerechtigkeit Gottes; denn wenn ich weiß erscheine, geschieht es deshalb, weil ich die Jungfräulichkeit des Fleisches bewahrt gehabt. Das eiserne Netz bedeutet, daß ich die Beobachtung der Regeln und das Gut der Geduld nicht gewahrt habe; denn wie an einem Netze viele Maschen verknüpft werden, so muß ich für viele gute Werke, die unterlassen worden, vieles leiden, weil ich die guten Werke, als ich Zeit hatte, nicht ausgeübt habe. Wenn aber meine Zunge feurig erscheint, so ist es recht, weil sie wider das von mir abgelegte Gelübde zu vielen Eitelkeiten und Leichtfertigkeiten sich gelöst hatte. Meine Hände und Füße aber erscheinen verdientermaßen wie bleiern, weil meine Werke, welche durch die Hände bedeutet werden, und welche leuchtend wie Gold hätten sein sollen, wie weiches, zerschmolzenes Blei gewesen sind. Auch meine Füße, auf denen ich meinen Schwestern mit gutem Beispiele und Wandel voranzugehen angewiesen war, wankten schlüpfrig in weltlichen Dingen und waren träge zu jedem geistlich Guten. Meine Augen erscheinen Dir wie diejenigen eines Menschen, der heftig weint, und mit Recht, denn ich habe dieselben mit Weinen verschont, als ich dadurch alle Nachlässigkeiten meines Lebens hätte austilgen können und sollen. Gleich- Seiten-Icon 199 wohl bin ich im Stande der Barmherzigkeit und der Erwartung guter Hoffnung um dessen willen, was in der Kirche Gottes geschieht, und wegen der Gebete der Heiligen und des Blutes Christi."

Kapitel XCIX.

Es ließ sich Mutter den Nonnen ein mit einem klösterlichen Habite bekleideter Mohr sehen. Das legt Christus also aus, daß jener der böse Geist der Begierlichkeit ist, welcher unter dem Scheine der Liebe die Klosterfrauen verleitete, Reichtum zu sammeln, um damit anderen reichliche Almosen zu spenden; Christus straft sie hierüber streng und verwirft sie.

Ein gar abscheulicher Mohr ließ sich in einem Kloster unter den verschleierten Nonnen sehen. Derselbe trug einen schwarzen Schleier und ein Nonnengewand. Als die Braut sich hierüber wunderte, redete Christus und sprach also: "In meinem Evangelium steht geschrieben, man solle sich vor denen hüten, welche in Schafskleidern umhergehen, inwendig aber wie reißende Wölfe sind. (Matth. VII.) So sage ich Dir nun, daß jener Mohr, der sich unter den Klosterfrauen in einem Klosterhabit hat sehen lassen, der Teufel der Begierlichkeit ist, der sie zu bereden suchte, Besitztümer, Höfe und vielen Reichtum zusammenzubringen, um davon köstlicher zu leben und reichliche Almosen zu spenden, damit sie unter dem Scheine der Frömmigkeit von der mir wohlgefälligen Armut abweichen und allgemach, durch Mißachtung und Übertretung ihrer bisherigen Regel einem ausgelassenen Leben sich ergeben und ihre Seelen verlieren. Darum sollst Du wissen, wenn sie sich nicht sorgfältig vor jenem Wolfe der Begierlichkeit hüten und sich nicht an dem genügen lassen, das sie haben und nicht aufhören, ihre Besitztümer und irdischen Reichtum zu mehren, so werden auch die noch gesunden Schafe dieser Herde auf eine verdammliche Weise angesteckt und nachher von den Wölfen auf unbarmherzige Weise zerrissen. Es gefällt mir besser, wenn sie in der ruhigen und heiligen Armut leben, wofür sie Profeß ablegten und genügsam sind, als daß sie in die irdische Sorge der Leitung des Irdischen sich verwickeln, und sich der Verteilung von Almosen aus fremden Gütern unnützerweise rühmen." Seiten-Icon 200

Kapitel C.

Christus stärkt die Braut und sagt, sie solle nicht fürchte, daß die ihr auf göttliche Weise geoffenbarten, in diesem Buche enthaltenen Worte entkräftet werden könnten, obwohl sie gemalen, getreten und wie Öl ausgepreßt werden sollten, auf daß hierdurch die Geduld und Ehre Gottes erweitert werde.

Die Braut fürchtete, die ihr in diesen Büchern von Gott geoffenbarten Worte möchten entkräftet und von neidischen und boshaften Menschen verdreht werden. Als sie darüber im Gebete begriffen war, redete Christus zu ihr und sprach: "Ich habe zwei Arme; mit dem einen umfasse ich den Himmel und alles, was darin ist, mit dem anderen aber umfasse ich die Erde und das Meer. Den ersten strecke ich aus zu meinen Auserwählten im Himmel und auf der Erde, um sie zu ehren und zu trösten; den anderen steckte ich über die Bosheit der Menschen aus, indem ich dieselben barmherzig ertrage und sie zügele, daß sie nicht so vieles Böse thun, wie sie wollen. Deshalb fürchte Dich nicht, weil niemand meine Worte wird entkräften können, sondern sie werden zu dem Orte und dem Volke kommen, wohin es mir gefällt. Gleichwohl aber sollst Du wissen, daß diese Worte wie Öl sind, so daß sie gemalen, zertreten und ausgepreßt werden, bald von mißgünstigen, bald von wißbegierigen, bald von solchen Menschen, die Gelegenheit zum Streite suchen, aber doch nur dazu, daß meine Ehre und meine Geduld Raum gewinne."

Kapitel CI.

Christus befiehlt der Braut, sie solle das, was sie im Geiste von ihm vernimmt, aufschreiben und an die Heiden senden, auf daß dieselben ihre Undankbarkeit und die Geduld Gottes erkennen.

Der Sohn redete zur Braut und sprach: "Ich bin wie ein Herr, dessen Kinder ein Feind so bezaubert und niedergedrückt hatte, daß sie sich der Gefangenschaft rühmen und die Augen nicht zum Vater und zur Erbschaft aufheben mögen. Deshalb schreibe das Seiten-Icon 201 auf, was Du von mir gehört haben wirst, und sende es an meine Kinder und Freunde; diese sollen es ausstreuen unter die Heiden, ob diese vielleicht ihre Undankbarkeit und meine Geduld erkennen; denn ich, Gott, will mich aufmachen und die Heiden meine Gerechtigkeit und Liebe sehen lassen."

Kapitel CII.

Christus ermahnt eine Kranke, sie solle in der Geduld beständig sein, weil ihr die Krankheit zum Nutzen ihrer Seele gegeben worden. Er erklärt auch, daß die Ablässe der römischen Kirchen bei Gott größer und den Seelen nützlicher sind, als die Menschen glauben.

Eine Dame aus Schweden, welche in Rom lange Zeit krank lag, sagte lächelnd in Gegenwart der Braut: "Man sagt, daß an diesem Orte Ablaß von Schuld und Strafe erteilt werde; die Strafe erleide ich jetzt, aber bei Gott ist nichts unmöglich." Am folgenden Morgen hörte die Braut eine Stimme, welche zu ihr sprach: "Tochter, diese Frau ist mir wohlgefällig, weil sie fromm in sich gelebt und ihre Töchter mir erzogen hat; sie hat aber noch nicht solche Reue in ihrem Leiden gehabt, als sie Wohlgefallen an der Sünde gehabt hat und gehabt haben würde, wenn sie nicht durch meine Liebe heimgesucht worden wäre. Weil denn ich, Gott, für einen jeden sorge in der Krankheit, wie in der Gesundheit, wie ich sehe, daß es einem jeden zum Heile ist, so soll man mich auch mit den geringsten Worten nicht erzürnen oder beurteilen, sondern fürchten und verehren. Sage ihr auch, daß der Nutzen der Ablässe der Kirchen in der Stadt Rom bei Gott größer ist, als die Menschen glauben, weil die, welche mit vollkommenem Herzen zu diesen Ablässen kommen, nicht allein Verzeihung der Sünden, sondern auch die ewige Herrlichkeit haben werden; denn wenn auch der Mensch tausendmal für Gott sterben würde, wäre er doch der geringsten Herrlichkeit nicht wert, welche den Heiligen gegeben wird. Und obwohl dazu ein Leben von tausend Jahren in dieser Welt nicht hinreichen würde, so werden doch, da unendliche Sünden eine unendliche Strafe erheischen, wofür der Mensch in diesem Leben unmöglich Genugthuung leisten kann, - durch die Ablässe viele derselben nachgelassen; ja, hätte der Mensch Seiten-Icon 202 die schwerste und längste Strafe zu erleiden, so wird sie ihm in die geringste verwandelt und diejenigen, welche nach erlangtem Ablasse mit vollkommener Liebe und wahrer Reue von der Welt scheiden, werden nicht allein die Sünden, sondern auch die Strafen los, weil ich, Gott, meinen Heiligen und Auserwählten nicht allein das gebe, um was sie bitten, sondern es um der Liebe willen verdoppeln und verhundertfachen werde. Ermahne daher die Kranke zur Geduld und Standhaftigkeit, weil ich ihr thun will, was ihr zum Heile am nützlichsten ist."

Erklärung.

Die Seele dieser Frau sah die heilige Brigitta wie feurig auffahren. Es kamen derselben sehr viele Mohren entgegen, bei deren Anblick die Seele erschreckt ward und zitterte; sogleich aber ward gesehen, wie eine sehr schöne Jungfrau ihr zu Hilfe kam, welche zu den Mohren sprach: "Was habt ihr mit jener Seele zu schaffen, welche zur Familie der neuen Braut meines Sohnes gehört?" und alsbald ergriffen die Mohren die Flucht und folgten von weitem nach. Und als die Seele vor das Gericht gekommen war, sprach der Richter: "Wer antwortet für jene Seele, und wer ist der Anwalt derselben?" Alsbald ward der selige Jakobus anwesend gesehen, welcher sprach: "Ich, Herr, bin verpflichtet, für sie zu antworten, weil sie zu meinem Andenken zweimal große Mühseligkeiten ertragen hat. O Herr! erbarme Dich ihrer, weil sie wohl gewollt, aber nicht gekonnt hat." Darauf sprach der Richter zu ihm: "Was ist es, das sie gewollt, oder nicht gekonnt hat?" Jakobus antwortete ihm: "Sie wollte Dir von ganzem Herzen dienen, vermochte es aber nicht, weil die Krankheit ihr zuvorgekommen ist und sie verhindert hat." Darauf sprach der Richter zur Seele: "Gehe, denn Dein Glaube und Dein Wille werden Dich retten." und alsbald ging die Seele frohlockend und wie ein Stern glänzend vom Angesichte des Richters hinweg. und alle, die dabei standen, sprachen: "Gebenedeit seist Du, Gott, der Du bist und warest und sein wirst, und der Du nicht abwendest Deine Barmherzigkeit von denen, welche auf Dich hoffen." Seiten-Icon 203

Kapitel CIII.

Wie der selige Nikolaus in Bari der Braut an seinem Grabe mit Öl gesalbt erschienen ist und derselben über das von seinem Leibe fließende Öl und anderes in betreff seiner Tugenden während seines Lebens Erklärung gegeben, und von der überschwenglichen Güte Gottes gegen seine Auserwählten.

Als die Braut die Reliquien des heiligen Nikolaus zu Bari an seinem Grabe besuchte, hub sie an, über jene ölichte Feuchtigkeit, die aus seinen Gebeinen floß, nachzudenken und außer sich im Geiste entrückt, erblickte sie eine mit Öl gesalbte Person, welche köstlichen Duft aushauchte und zu ihr sprach: "Ich bin der Bischof Nikolaus, und erscheine Dir in solcher Gestalt, wie ich an der Seele beschaffen war, da ich noch lebte. Alle meine Glieder waren so geschickt und geschmeidig geordnet zum Dienste Gottes, wie ein zum Werke seines Eigentümers gesalbtes, schmiegsames Werkzeug und deshalb war in meiner Seele immerdar das Lob der Freude, in meinem Munde die göttliche Predigt, und in meinen Werken die Geduld im Bunde mit den Tugenden der Demut und der Keuschheit, welche ich vorzüglich liebte. Es giebt auf Erden viele dürre Gebeine ohne göttliche Feuchtigkeit, welche, wenn sie sich berühren, nach Eitelkeit klingen; Früchte der Gerechtigkeit können sie nicht hervorbringen und vor den Augen Gottes sind sie ein Abscheu. Du aber wisse, daß, gleichwie die Rose den Geruch und die Traube die Süßigkeit hervorbringt, so hat Gott meinem Leibe den besonderen Segen gegeben, Öl auszuschwitzen, denn er ehrt seine Auserwählten nicht nur im Himmel, sondern erfreut sie und erhöht sie auch auf Erden, damit mehrere erbaut werden und an der ihnen gewährten Gnade teilnehmen."

Kapitel CIV.

Wie die selige Anna der Braut erschien und sie ein besonderes Gebet ihr zu Ehren lehrte, und eines für verheiratete Frauen, um Kinder zu erlangen.

Der Sakristan des Klosters zum heiligen Paulus außerhalb der Mauern Roms gab der Braut Christi Reliquien von der hei- Seiten-Icon 204 ligen Anna, der Mutter unserer lieben Frau, der Jungfrau Maria. Als Frau Brigitta darüber nachdachte, wie sie dieselben verwahren und ehren möchte, erschien ihr die heilige Anna und sprach: "Ich bin Anna, die Herrin aller Ehefrauen, welche vor dem Gesetze gewesen und die Mutter aller gläubigen Gattinnen, welche nach dem Gesetze sind, weil Gott aus meiner Tochter hat geboren werden wollen. Darum, o Tochter, ehre Du Gott auf diese Weise. -

Gebenedeit seist Du, Sohn Gottes und Sohn der Jungfrau, weil Du Dir aus der Ehe Joachims und Annas Deine Mutter erwählt hast! Um der Gebete Annas halber erbarme Dich aller, welche im Ehestande sind, auf daß sie Frucht bringen für Gott; leite auch alle die, welche nach dem Ehestande trachten, auf daß in ihnen Gott geehrt werde. Meine Reliquien aber, die Du hast, werden denen, die Liebe haben, zum Troste sein, bis es Gott gefallen wird, dieselben am jüngsten Tage der Auferstehung noch höher zu ehren."

Kapitel CV.

Die Mutter Gottes stärkt die Braut, die Heiligtümer Roms zu besuchen, und sagt, daß die Ablässe, welche die Heiligen durch ihr Gebet und eigenes Blut erlangt haben, größer sind, als die Menschen glauben.

Die Mutter Gottes redete zur Braut und sprach: "Weshalb bist Du so betrübt, weine Tochter?" Jene antwortete: "O meine Frau, es schmerzt mich, daß ich die heiligen Orte nicht besuche, welche in Rom sind." Und die Mutter sprach: "Es wird Dir verstattet, die Orte mit Demut und andächtiger Verehrung zu besuchen, weil in diesem Rom die Ablässe, welche die Heiligen Gottes mit ihrem glorreichen Blute und ihren Gebeten von meinem Sohne zu erlangen würdig geworden, heilsamer sind, als die Menschen glauben können. Gleichwohl, meine Tochter, unterlaß deshalb nicht die Erlernung der Grammatik, noch den heiligen Gehorsam gegen Deinen geistlichen Vater." Seiten-Icon 205

Kapitel CVI.

Einer, der sich stellte, als ob er die Welt verlassen hätte und Gott dienen wolle, fragte die Braut um Rat, in welchem Stande er Gott dienen solle. Christus sprach zu ihr, daß jener den Jordan noch nicht überschritten, d. h. die Welt und seinen Willen noch nicht vollständig verachtet habe, und deshalb auch nicht die Antwort des verborgenen Willens Gottes hören wird.

Es sagte einer, er wolle Gott dienen und da er zu wissen begehrte, in welchem Stande er Gott am meisten gefallen würde, fragte er die Braut um Rat und wünschte hierauf von Gott Antwort zu erhalten. Christus redete nun seinetwegen mit der Braut und sprach: "Er ist noch nicht an den Jordan gelangt, geschweige denn hindurchgegangen, wie vom Elias geschrieben steht, daß er, nachdem er über den Jordan gegangen und in die Wüste gekommen war, die Geheimnisse Gottes vernommen. Was ist dieser Jordan aber anderes, als die Welt und die zeitlichen Dinge, welche wie fließendes Wasser mit den Menschen bald steigen, bald fallen? Bald geht es mit dem Menschen abwärts, bald steigt er auf zu Ehre und Glück, bald drückt ihn die Widerwärtigkeit nieder, und niemals ist der Mensch ohne Sorge und Trübsal. Wer daher nach dem Himmlischen verlangt, muß notwendig alle irdischen Neigungen aus dem Geiste entfernen, weil der, welcher die Süßigkeit Gottes kostet, das Irdische und Vergängliche wahrhaft gering schätzt. Allein dieser Mensch ist noch nicht dahingelangt, daß er alles verachtet, sondern er hat noch seinen Willen in seiner Hand; deshalb wird er die himmlischen Geheimnisse noch so lange nicht hören, bis er die Welt auf vollkommenere Weise verachtet und seinen Willen in die Hand Gottes gegeben hat." Seiten-Icon 206

Kapitel CVII.

Christus sagt der Braut, daß, wie ein Adler von der Höhe seine Jungen behütet und denselben in ihren Nöten und in Gefahr zu Hilfe kommt, also auch er seinen Freunden bei den Nöten ihres Leibes und ihrer Seele. Er befiehlt auch der Braut, sie solle den Leib des heiligen Andreas besuchen, den der Herr hier lobt; er verheißt auch denen, welche ihn besuchen, Barmherzigkeit und Gnade.

Der Sohn redete zur Braut und sprach: "Der Adler sieht von der Höhe, wer seinen Jungen schaden will, kommt demselben mit seinem Fluge zuvor und verteidigt sie. Also sehe auch ich vor, was euch am heilsamsten ist; deshalb spreche ich: Wartet! und wiederum sage ich: Gehet! Aber weil es nun Zeit ist, so ziehet hin in die Stadt Amalfi zu meinem Apostel Andreas, dessen Leib mein Tempel, mit jeglicher Tugend geschmückt, gewesen ist. Diesen Ort habe ich für meine Gläubigen zu einer Hinterlage meiner Gnaden, zu einer Zuflucht der Sünder gemacht; denn diejenigen, welche mit gläubigem Herzen zu ihm kommen, werden nicht allein ihrer Sünden ledig, sondern werden auch ewigen Trost vollauf haben. Es ist auch kein Wunder, denn er hat sich meines Kreuzes nicht geschämt, sondern dasselbe fröhlich getragen, und deshalb schäme ich mich nicht, diejenigen zu hören und aufzunehmen, für welche er betet, weil sein Wille mein Wille ist. Wenn ihr aber bei ihm gewesen seid, so kehrt alsbald nach Neapel bis zu meinem Geburtstage zurück." Die Braut antwortete: "O Herr! unsere Zeit geht dahin, und Alter und Krankheit nahen und die zeitliche Beihilfe nimmt ab." Der Herr antwortete ihr: "Ich bin der Schöpfer der Natur, ihr Herr und Erneuerer ein Helfer in den Nöten, ein Verteidiger und Ausspender; denn wie jemand, der ein Pferd hat, das ihm lieb ist, seiner auch noch so lieblichen Wiese nicht schont, um das Pferd darauf zu weiden, so auch will ich, der ich alles habe und nichts bedarf, der ich in aller Herzen blicke, denen, die mich lieben, ins Herz eingeben, daß sie denen, die nach mir verlangen, Gutes thun; auch diejenigen, welche mich nicht lieben, ermahne ich, daß sie meinen Freunden Gutes thun sollen, damit sie durch der Frommen Gebete besser werden mögen." Seiten-Icon 207

Kapitel CVIII.

Als die Braut zu Rom am Grabe des heiligen Stephanus betete, erschien ihr derselbe und erzählte ihr einiges von seinem Leben, seinen Tugenden und seinem Leiden, und erbot sich, für sie Gnade bei Gott zu erwirken, wobei er ihr voraussagt, sie werde noch gen Jerusalem ziehen.

Die Braut war zu Rom im Gebete neben dem Grabe des seligen Stephanus außerhalb der Mauern begriffen, und sprach: "Gebenedeit seist Du, seliger Stephanus, weil Du gleiches Verdienst hast mit dem seligen Laurentius, denn wie dieser den Ungläubigen predigte, hast Du den Juden gepredigt, und wie Laurentius mit Freuden das Feuer erlitten, also Du die Steinigung und Du wirst mit Recht unter den Martyrern als der erste gepriesen." Hierauf erschien der selige Stephanus, antwortete ihr und sprach: "Ich habe schon von Jugend auf angefangen, den Herrn lieb zu haben, weil ich Eltern hatte, die um meiner Seele Heil besorgt waren. Als aber mein Herr Jesus Christus Mensch geworden war und zu predigen begann, da hörte ich ihn mit ganzem Herzen, und sogleich nach seiner Himmelfahrt trat ich mit den Aposteln in Verbindung und diente in Demut in dem mir auferlegten Amte. Als die Juden meinen Gott Jesum lästerten, freute ich mich, Gelegenheit zu haben, mit ihnen zu reden; ich strafte beharrlich ihre Härte, und war bereit, für die Wahrheit zu sterben und meinem Herrn nachzuahmen. Drei Dinge wirkten zu der Herrlichkeit und Krone, deren ich mich jetzt erfreue. Das erste war mein guter Wille, das zweite das Gebet meiner Herren Apostel, das dritte das Leiden und die Liebe meines Gottes; deshalb besitze ich nun ein dreifaches Glück, - daß ich unaufhörlich das Antlitz und die Herrlichkeit Gottes schaue, daß ich vermag, was ich will, und nichts will, als was Gott will, daß meine Freude ohne Ende sein wird. Und weil Du Dich über meine Herrlichkeit freuest, deshalb wird Dir mein Gebet zur Erlangung einer größeren Kenntnis Gottes nützen und der Geist Gottes bei Dir verharren. Auch wirst Du noch nach Jerusalem, dem Orte meines Leidens, kommen." Seiten-Icon 208

Kapitel CIX.

Die Mutter Gottes beredet einen Geistlichen, daß er auf irgend eine Tugend welche er hat, nicht vertrauen soll, auch vor Geschwätzigkeit, Lachen und Leichtfertigkeit der Sitten solle er sich hüten. Ferner sei es Gott angenehmer, wenn der Mensch in der Welt gerecht lebt von seiner Arbeit, als in der Wüste oder einem Kloster ohne die Liebe Gottes.

Die Mutter sprach: "Wenn eine Speise auch noch so gut ist, wird sie schlecht, sobald man etwas Bitteres hineingießt. So gefällt einer, er mag noch so viele und große Tugenden haben, Gott nicht, wenn er auch nur an Einer Sünde Gefallen hat. Sage also diesem meinem Freunde, daß, wenn er meinem Sohne und mir zu gefallen begehrt, er auf keine seiner Tugenden, auch die kleinste, sein Vertrauen setze, sondern er soll seine Zunge abhalten von aller Vielgeschwätzigkeit und Lachen, auch in seinem Wandel aller Leichtfertigkeit sich enthalten. Er soll Blumen im Munde haben, um die Unweisen anzulocken, daß sie gute Frucht bringen; findet sich aber unter ihnen etwas Bitteres, so kommen sie in Verachtung und erwecken kein Verlangen nach ihrer Frucht. Sage ihm ferner, daß, gleichwie Mann und Frau zuweilen sich einander lieben, um den notwendigen Lebensunterhalt zu haben, und gleichwie ein Mönch zuweilen um leiblichen Vorteils willen im Kloster ist, auch jener ihm bekannte Mann nur deshalb gern im Kloster ist, damit er nichts Widerwärtiges zu leiden habe und damit er bei seiner Armut keinen Mangel habe. Man überlasse ihn also seinem eigenen Willen; Gott ist es aber angenehmer, wenn einer gerecht lebt und mit den Händen arbeitet, als wenn er in die Wüste oder in einen Orden geht, ohne Gott zu lieben." Seiten-Icon 209

Kapitel CX.

Die Braut Christi vernahm im Geiste, was die sieben Donner bedeuten und weshalb dem Johannes befohlen worden, sie nur zu besiegeln, aber nicht zu schreiben, und daß bei Lebzeiten vieler, welche damals noch lebten, die Donner in die Kirche kommen und viele sich wünschen würden, zu sterben.

Ein gewisser Magister fragte die Frau (Brigitta), was die sieben Donner bedeuteten. (Apokalypse X.) Darauf ward die Frau im Geiste verzückt und vernahm von Christo: "Glaube nicht, meine Tochter, daß in meiner Gottheit etwas Zeitliches gedacht werden darf, und daß im Donner, im Winde, oder in empfindungslosen Geschöpfen eine menschliche Stimme sei. Johannes erblickte aus meiner Eingebung die künftigen Gefahren der Kirche unter leiblichen Bildern; hätte er dieselben nach den gewissen Zeiten beschrieben, so wären alle Zuhörer entsetzt gewesen, und in der Erwartung vor Furcht vergangen. Es ward ihm deshalb befohlen, er solle versiegeln, was er geschaut, aber nicht schreiben; denn wenn etwas versiegelt wird, ist es ein Zeichen eines zukünftigen furchtbaren Ereignisses. So sind auch die Stimmen des Donners, der Blitzschläge und der Winde zu verstehen und auf die Drohungen der Tyrannen zu deuten, welche meine Kirche beunruhigten und deren Heftigkeit Johannes im Geiste vorher sah, so daß er dieselben lieber versiegeln, als aufschreiben sollte. Ähnlich einem Manne, der durch eine einfache Parabel Großes andeuten will, um seinen Zuhörern Furcht einzuflößen, habe ich das Zukünftige angedeutet, aber nicht enthüllt, damit die Menschen in der Furcht bleiben sollen. Und weil es noch nicht Zeit war, daß die Schale zerbrochen und der Kern ausgelöst würde, deshalb habe ich das Künftige in einiger Dunkelheit gezeigt, weil das Gefäß, bevor der Trank hineingegossen wird, zubereitet werden muß. Wisse auch, daß noch bei Lebzeiten der gegenwärtigen Menschen so große Donner und Blitze über meine Kirche kommen werden, daß ihrer viele den Tod sich wünschen, der Tod aber vor ihnen fliehen wird." Seiten-Icon 210

Kapitel CXI.

Daß der Gehorsam der Keuschheit vorgezogen wird und in die Herrlichkeit einführt.

Der Sohn Gottes sprach: "Was fürchtest Du? Wenn Du auch zehnmal in Einem Tage aus Gehorsam äßest, wird es Dir nicht zur Sünde angerechnet werden. Die Jungfräulichkeit verdient die Krone, die Witwenschaft bringt Gott nahe, der Gehorsam aber führt alle in die Herrlichkeit ein."

Kapitel CXII.

Maria giebt der Braut Nachricht über die Vorhaut Christi, welche sie sorgfältig aufbewahrt und Johannes, dem Evangelisten, samt dem Blute Christi, das in den Wunden Christi zurückgeblieben war, zum Aufheben gegeben hatte.

Maria sprach: "Als mein Sohn beschnitten war, habe ich seine Haut, wohin ich ging, in hohen Ehren gehalten. Wie hätte ich auch dieselbe der Erde übergeben sollen, die von mir ohne Sünde geboren war! Als aber die Zeit meiner Abberufung aus dieser Welt nahe gekommen war, habe ich dieselbe meinem Beschützer, dem heiligen Johannes, samt dem gesegneten Blute, daß in seinen Wunden zurückgeblieben war, als wir ihn vom Kreuze abnahmen, überantwortet. Danach, als der heilige Johannes und seine Nachfolger aus der Welt hinweggenommen waren und die Bosheit und der Unglaube zunahm, haben die damals lebenden Gläubigen dieselbe an einem ganz reinen Ort unter die Erde geborgen, und sie war lange Zeit unbekannt, bis der Engel Gottes dieselbe den Freunden Gottes offenbarte. O Rom, Rom, wenn du es wüßtest, würdest du dich fürwahr freuen; ja, wenn du weinen könntest, würdest du unaufhörlich weinen, weil du den mir teuersten Schatz besitzest und denselben nicht ehrest." Seiten-Icon 211

Kapitel CXIII.

Wie die Braut den Zustand der Brüder zu Alvastra sah. Wie es der Braut gezeigt worden, hat sich's auch begeben.

Als Frau Brigitta sich im Gebete befand, ward sie verzückt im Geiste und erblickte ein Haus, und über dem Hause den Himmel gar heiter. Und als sie aufmerksam aufsah, schaute sie, wie Tauben vom Hause aufflogen und den Himmel durchdrangen, was einige Mohren zwar verhindern wollten, aber nicht vermochten. Unter dem Hause aber zeigte sich ein finsterer Abgrund und in demselben drei Ordnungen von Brüdern. Die ersten sind einfältig wie die Tauben, deshalb steigen sie leicht auf. Die zweiten sind diejenigen, welche an den Reinigungsort kommen. Die dritten sind, welche den einen Fuß im Meere haben, und den anderen auf dem Tafelwerke des Schiffes, deren Gericht jetzt sich naht, und damit Du es wissen und erfahren mögest: Einer wird schnell nach dem anderen sterben, nach dem, wie ich Dir ihre Namen ausdrücke. In ähnlicher Weise ist es auch geschehen; denn es kam ein Sterben und nahm, wie vorhergesagt worden, dreiunddreißig Brüder hinweg.

Kapitel CXIV.

Der heilige Geist sprach zur Braut, als sie die Absolution für die Sünden zu empfangen versäumte, daß eine läßliche Sünde durch die Verachtung eine Todsünde werde.

Während die Frau Brigitta einmal beichtete, ward ihr Beichtvater von einem gewissen Priester gerufen und vergaß, als er sich erhob, die Absolution zu erteilen. Als die Frau sich zu Bett begeben wollte und die Kniee beugte, sprach der heilige Geist: "Stehe auf, Tochter, und begehre in Demut die Absolution, weil Dein Magister Dich nicht absolviert hat." Und als sie die Absolution erhalten, sprach der heilige Geist abermals: "Ein jeglicher, der nicht acht giebt auf das Kleinste, der fällt in Größeres; auch eine läßliche Sünde, über die man sich im Gewissen Vorwürfe macht, Seiten-Icon 212 wird, wenn man dieselbe begeht und fortsetzt, eine Todsünde und wegen der Verachtung gar schwer bestraft werden."

Kapitel CXV.

Der gute Wille des Büßenden reicht aus, wenn er keines Beichtvaters habhaft werden kann; derselbe hat dem Schächer am Kreuze genützt und den Himmel eröffnet; der böse Wille aber hat die Hölle gemacht, und Luzifer ist durch den bösen Willen böse geworden.

Einer aus der Diöcese von Abo kam nach Rom. Derselbe verstand nur die schwedische Sprache. Da ihn zu Rom niemand verstand, er auch keinen Beichtvater haben konnte, fragte er die Frau Brigitta um Rat, was er thun solle. Diese hörte darauf im Geiste: "Jesus Christus, der Sohn Gottes, spricht: Der Mann, welcher Dich um Rat fragte, weint, daß er niemand hat, der ihn beichthört. Sage ihm: Der Wille reiche aus, Denn was half dem Schächer am Kreuze? War es nicht der gute Wille? Oder was sonst öffnet den Himmel, als allein der Wille, das Gute zu wollen und das Böse zu hassen? Was aber bewirkt die Hölle, wenn nicht der böse Wille und die ungeordnete Neigung? War nicht auch Luzifer gut erschaffen? Oder habe ich, die Güte und Kraft selber, irgend etwas Böses erschaffen? Keineswegs. Sondern nachdem Luzifer seinen Willen mißbraucht und demselben unordentliche Regungen verstattet hatte, ward er selber unordentlich und böse durch seinen bösen Willen. Darum soll dieser Arme standhaft bleiben und nicht zurückweichen und wenn er wieder in seine Heimat zurückgekehrt sein wird, soll er suchen und von weisen Männern vernehmen, was seiner Seele heilsam ist, seinen Willen unterthan machen, und mehr dem Rate der Gerechten, als seinem Willen folgen. Kommt er aber dazu nicht und stirbt er inzwischen unterwegs, so wird es ihm ergehen, wie ich zum Schächer gesagt habe: Du wirst mit mir im Paradiese sein!" Seiten-Icon 213

Kapitel CXVI.

Die Einfalt dessen, der kaum das Vaterunser weiß, gefällt Gott mehr, als die Klugheit der Hoffärtigen und die gelehrte Thorheit, wenn sie in der Liebe die Gebote beobachtet und die evangelischen Räte und alle Rechte und Gesetze befolgt.

Ein einfältiger Mensch, welcher nicht einmal das Vaterunser vollständig wußte, begehrte von der Frau Brigitta für seine Seele Rat. Christus sprach zu ihr: "Mir gefällt die Seeleneinfalt dieses einfältigen Menschen besser, als die Klugheit der Hoffärtigen, weil in ihnen die Hoffart ist, welche Gott aus dem Herzen entfernt. In jenem dagegen ist die Demut, welche Gott in das Herz einführt. Sage ihm deshalb, er solle sein gewöhnliches Werk wie bisher fortsetzen, und er wird seinen Lohn mit denen erhalten, zu denen ich gesprochen habe: Kommet her, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch mit dem ewigen Brote speisen; denn würde ich zu ihm sprechen, wie ich zu dem Juden sprach, der mich in arglistiger Absicht um Rat fragte: Halte die Gebote und verkaufe, was Du hast! so würde er es nicht leisten können, denn das Alter ist ungeschickt zur Unterweisung, und die Armut hat nichts zum Verkaufen. Gleichwohl bedarf ein Mensch, der nach dem ewigen Leben trachtet, der Gebote; denn ohne dieselben vermag der Mensch nicht selig zu werden, wenn er anders Zeit hat und das Vermögen, sich belehren zu lassen. Die weise Thorheit und der gute Wille dieses Menschen gefallen mir aber so gut, wie die beiden Heller jener Witwe, welche ich dem Reichtume der Könige vorgezogen habe, denn er hat in seiner Thorheit alle Weisheit. Er liebt mich ja von Herzen und wodurch, wenn nicht durch meinen Geist? Den Weisen der Welt dünkt es eine Thorheit zu sein, nicht Reichtum zu lieben, noch große Redensarten machen zu können. Deshalb habe ich gesagt: die weise Thorheit; denn er hat von meinem Geiste die wahre Weisheit, das heißt: Gott lieben gelernt. Dünkt Dich nicht der wahrhaft weise, welcher nur das einzige Wort: lieben, kennt? In dieser Liebe hält er alle Gebote des Gesetzes Mosis und giebt Gott, was Gottes ist; durch sie beachtet er alle Räte Seiten-Icon 214 meines Evangeliums, und beobachtet alle Rechte und Gesetze; durch sie liebt er den Nächsten und begehrt nichts Fremdes, sondern nur das Notwendige; er raubt weder, noch betrügt er seinen Nächsten; durch sie ist er beständig seines Todes, sowie des Gerichtes eingedenk, welches er vor mir zu bestehen hat. Wer daher zu mir kommen will, darf sich nicht kümmern wegen seiner Unwissenheit im Gesetze, wenn er nur sein Gewissen betrachtet, welches sagt, man müsse leiden wollen, was man einem anderen zumutet. Denn wozu lernt der Mensch so viele und so hohe Dinge, und durchblättert so viele Bücher? Etwa um mir zu dienen? Oder vielmehr aus Neugierde und zum Zeitvertreib, oder um sich zu zeigen, oder Magister genannt zu werden? Gleichwohl steht ein jeglicher seinem Gewissen, und nach demselben wird er gerichtet. Darum, meine Tochter, wer immer in vollkommenem Glauben und Willen die vier Worte: Jesu, erbarme Dich meiner! hersagt, gefällt mir besser, als derjenige, welcher Tausende von Versen ohne Aufmerksamkeit spricht."

Kapitel CXVII.

Die glorreicheiche Jungfrau Maria gewährt, wenn sie von ihnen angerufen wird, auch den verächtlichsten Sündern Hilfe, wie an der Seele eines Sünders gezeigt wird, welche des Tisches der Liebe derselben Jungfrau teilhaftig wird.

Maria sprach: "Niemand ist ein so großer Sünder, noch in einem so verächtlichen Werke begriffen, daß ich ihm, wenn er mich um Beistand anruft, nicht helfen würde. Was ist zum Beispiel verächtlicher, als den Kopf eines Grindigen zu heilen? Ruft mich aber so einer an, so werde ich ihm Hilfe gewähren, auf daß er gereinigt werde. Was ist ferner verächtlicher oder schmutziger, als das Werkzeug, womit der Dünger aus dem Stalle auf den Wagen geworfen wird? Ruft mich dazu einer an, so werde ich ihm beistehen. Was ist verächtlicher, als die Wunden eines Aussätzigen zu waschen? Wer mich anrufen wird, den verschmähe ich nicht, zu berühren, zu salben und seine Wunden zu heilen." Die Braut antwortete: "O heiligste Frau! ich weiß, daß Du gar demütig, gar mächtig und gütig bist! hilf jener Seele, für welche ich Dich so oft gebeten habe." Die Mutter antwortete: "Jene Seele hatte drei Seiten-Icon 215 Makel in ihrem Leben. Sie hat wollen die Welt haben, allein die Welt wollte sie nicht haben; zweitens hatte sie ihr Fleisch geliebt zur Unkeuschheit, weil sie nicht hat zur Ehe schreiten wollen; drittens hat sie Gott weniger geliebt, als sie gesollt, obwohl sie im Glauben beständig war. Von diesen Makeln ist sie schon entledigt und nimmt unausgesetzt teil am Mahle des Tisches meiner liebreichen Güte. Es ist aber noch einiges übrig; wenn sie davon gereinigt ist, wird sie schnell erlöst werden."

Kapitel CXVIII.

Der Sohn Gottes rät Katharina, der Tochter der heiligen Brigitta, welche in ihr Vaterland heimziehen wollte, daß sie bei ihrer Mutter bleibe, da ihr Mann binnen kurzem sterben werde.

Der Sohn Gottes sprach: "Rate jener Frau, sie solle eine Zeit lang bei Dir bleiben, weil ihr das Bleiben nützlicher, denn das Heimziehen ist. Ich will mit ihr thun, wie ein Vater mit seiner Tochter, die von zwei Männern geliebt und zur Ehe begehrt wird, von denen der eine arm, der andere reich ist, und beide werden von dem Mädchen geliebt. Wenn der umsichtige Vater nun die Neigung der Jungfrau sieht, und daß der Arme von derselben geliebt wird, giebt er dem Armen Kleider und Geschenke, dem Reichen aber vermählt er seine Tochter. Also will ich thun. Diese liebt mich und ihren Gemahl. Darum, weil ich reicher und Herr aller Dinge bin, will ich ihn mit meinen Gaben, welche für seine Seele am nützlichsten sind, versehen, denn ich will ihn baldigst zu mir rufen, und die Krankheit, an welcher er leidet, ist ein Zeichen seines Todes. Nun ist es aber geziemend, daß, wer zum Allmächtigen reisen will, seine Rechnung in den Händen habe und von allem Fleischlichen ledig sei. Jene dagegen will ich führen und zu ihrer Bestimmung zurückführen, bis sie zu dem Werke geschickt wird, das ich von Ewigkeit vorausgewußt habe, und das ihr zu zeigen mir gefallen wird."

Als einige Zeit verflossen war, nachdem die selige Katharina sich vorgenommen hatte, bei ihrer Mutter in Rom zu bleiben, erschreckte sie das ungewohnte Leben; sie gedachte der vergangenen Seiten-Icon 216 Freiheit, und bat gar ängstlich ihre Mutter, daß sie nach Schweden heimziehen dürfe. Als ihre Mutter um dieser Versuchung willen sich für sie ins Gebet begab, erschien ihr Christus und sprach: "Sage Deiner jungfräulichen Tochter, daß, weil sie Witwe geworden, ich ihr rate, sie solle bei Dir bleiben, da ich selber für sie sorgen will."

Kapitel CXIX.

Der gewöhnliche Stand der Ehe gefällt Gott, der Witwenstand findet Gnade, die Jungfräulichkeit ist das Vollkommenste.

Christus sprach: "Jeder gemeine, löbliche Stand ist mir angenehm. Moses, der Führer meines Volkes, hat mir gefallen, obschon er verehelicht war. So ist auch Petrus, während seine Gattin noch lebte, zum Apostelamte berufen worden und hat mir darin gefallen, weil man vom Leichteren aufsteigen muß zum Vollkommeneren. Das fleischliche Volk mußte durch Werke und Zeichen unterrichtet werden, um das Geistliche zu vernehmen. So hat auch Judith um ihres Witwenstandes willen und wegen des Gutes der Witwenschaft Gnade gefunden vor meinen Augen und ihrem Volke durch ihre Enthaltsamkeit die Befreiung verdient. Johannes aber, dessen Hut ich meine Mutter anvertraut habe, hat mir gewiß nicht mißfallen, weil er eine Jungfrau war, vielmehr gar sehr gefallen, weil das vollkommenste Leben im Fleische darin besteht, nicht fleischlich zu leben, und so dem englischen Leben ähnlich ist. Deshalb verdiente er auch der Beschützer der Keuschheit zu werden und ich habe ihn besondere Zeichen der Liebe sehen lassen. So sage ich nun auch jetzt: Der Witwenstand dieser Frau gefällt mir besser, als die Ehe, eine demütige Witwe ist mir angenehmer, als eine hoffärtige Jungfrau und mehr verdiente Magdalena in ihrer Demut und durch ihre Thränen, als wenn sie bei eigenem Willen geblieben wäre." Seiten-Icon 217

Kapitel CXX.

Die Liebe wird mit einem Baume verglichen, von welchem alle Tugenden ausgehen, unter denen der Gehorsam die erste Stelle einnimmt.

Christus, der Sohn Gottes, sprach: "Gleichwie ein Baum viele Äste hat, von denen die höheren von der Wärme und dem Winde am meisten empfangen, so ist es auch mit den Tugenden. Die Liebe ist wie ein Baum, von welchem alle Tugenden ausgehen; die oberste Stelle darunter nimmt der Gehorsam ein, für welchen ich, Gott, selber kein Bedenken gehabt habe, das Kreuz und den Tod auf mich zu nehmen, und darum habe ich an dem Gehorsam mein Wohlgefallen, wie an einer sehr süßen Frucht. Gleichwie der Friede das Kostbarste ist, so ist mir auch der Mensch der liebste, welcher sich aus Demut anderen unterwirft, und seinen Willen gänzlich in die Hände anderer giebt. So soll auch diese Frau, um zu einer höheren Liebe aufzusteigen und eine schönere Krone zu verdienen, gehorsam sein und ihren Willen aufgeben, gleichwie Abraham, der seines Willens halber mehr geliebt, und Ruth, die im Volke Gottes desto ausgezeichneter geworden, weil sie dem eigenen Willen nicht gefolgt ist." Noch sprach Christus: "Diese wird nicht sterben, wie der Arzt gesagt hat, sondern leben bis zu der mir gefälligen Zeit, denn ich will sie auferziehen unter der Achsel meiner rechten Hand und ihr Weisheit geben, daß sie mir liebe Blumen bringe und zu meiner Ehre lebe."

Kapitel CXXI.

Christus zeigt, daß der Gehorsam eine Tugend sei, durch welche alles Unvollkommene vollkommen wird. Ohne denselben entsteht Unklugheit in den Gedanken des Gemütes, und es erfolgen Minderung der Frömmigkeit und häufige Trübsal der Seele und des Leibes.

Christus sprach: "Der Gehorsam ist eine Tugend, wodurch Unvollkommenes vollkommen und alle Nachlässigkeit getilgt wird. Denn ich, Gott, vor allen der vollkommenste und die Vollkommenheit selber, habe meinem Vater bis zum Kreuze gehorcht, um durch Seiten-Icon 218 mein Beispiel zu zeigen, wie sehr Gott die Verleugnung des eigenen Willens gefällt. Viele aber, welche auf die Tugend des Gehorsams ihr Augenmerk nicht richten, auch keinen verständigen Eifer haben, folgen der Eingebung ihres Herzens, und plagen eine kurze Zeit hindurch ihr Fleisch auf eine unkluge Weise, daß sie längere Zeit sich selber unnütz sind, Gott mißfallen und anderen zur Last sind. Betrachten nun solche ihre Gebrechen und wollen sie die Vergangenheit verbessern, so überfällt sie sofort die Scham des Herzens, das Angefangene aufzugeben und aus Hartnäckigkeit wagen sie nicht, Besseres anzugreifen. Zu diesen Leuten gehört der Mensch, den Du siehst. Er merkt nicht auf die Ratschläge bewährter Männer, und giebt nicht acht auf die Worte, welche ich gesprochen habe: Ich will nicht den Tod des Fleisches, sondern der Sünde; deshalb soll er für sich fürchten, daß er nicht in eine größere Trübsal und Geistesnot falle. Wenn er jedoch den Weisen folgt und aus seiner Seele die eigenen Einfälle entfernt, so wird ihm die Krone verdoppelt, und die geistliche Andacht in ihm vermehrt werden. Außerdem wird es ergehen, wie geschrieben steht: Es kam ein Mensch und säete Unkraut darauf, und sogleich gingen Dornen auf und erstickten die Saat."

Kapitel CXXII.

Christus zeigt, wie die Freunde Gottes nach seinem Vorbilde in ihrem Betragen Anstand beobachten sollen, damit ihre Arbeit nicht ohne Lohn bleibe.

Der Sohn Gottes sprach: "Während ich in die Menschheit versetzt war, habe ich meine Gebete, Arbeiten und Fasten so gemäßigt, daß weder die Zuschauenden geärgert, noch die Abwesenden beleidigt würden, sondern alle, welche guten Willen hätten, meinen Worten, Werken und Beispielen folgen könnten. Diese Frau aber, welche, wie Du siehst, wunderlich sich gebärdet, ist nicht ohne große Versuchung, aber auch nicht ohne Gewissensbisse. Darum ist es ratsam für sie, daß sie ihr Betragen anständiger ordne und das, was sie thut, mehr im verborgenen thue, als öffentlich, sonst ist ihre Arbeit vergeblich und ihr Gebet wird ihr nicht zur Krone verhelfen." Seiten-Icon 219

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