Der Isenheimer Altar

und seine Botschaft


Weiter-ButtonZurück-Button Leben und Offenbarungen der heiligen Brigitta

Nach der Übersetzung von Ludwig Clarus (1888) digitalisiert und bearbeitet von Gertrud Willy

Siebentes Buch der himmlischen Offenbarungen der heiligen Brigitta.

  • Kapitel I. - Offenbarung, welche die heilige Brigitta zu Rom nach dem Jubeljahre gehabt, worin ihr die Jungfrau Maria vorherverkündigt, daß sie, wann es Gott gefallen werde, nach Jerusalem und Bethlehem gehen werde. Sie verspricht ihr auch alsdann, die Weise zu zeigen, wie sie ihren gebenedeiten Sohn geboren.
  • Kapitel II. - Diese Offenbarung hat die Frau Brigitta, die Braut Christi, zu Rom gehabt. Darin ist die Rede von jenem ehrenreichen Schwerte des Schmerzes, das die Seele der seligen Jungfrau und Mutter Maria durchdrang, und welches der gerechte Simeon im Tempel vorausverkündigte.
  • Kapitel III. - Eine Offenbarung, welche der selige Franziskus der Braut Christi, der Frau Brigitta, gezeigt, worin er dieselbe zum Essen und zum Trinken in seine Zelle einlud und ihr die geistliche Erklärung giebt, seine Zelle sei der Gehorsam gewesen. Seine Speise war, die Seelen zu Gott zu bekehren; sein Trank aber war, wenn er die Bekehrten mit allen Kräften Gott lieben und dem Gebete und anderen Tugenden mit Inbrunst obliegen sah.
  • Kapitel IV. - Folgende Offenbarung hat die Braut Christi, Frau Brigitta, in der Stadt Ortona, im Königreiche Neapel, gehabt, Christus redet mit ihr und giebt ihr zu erkennen, daß hier im Altare Überreste vom Leibe des heiligen Apostels Thomas sich befinden. An diesen und den Reliquien anderer Heiligen hat er eine süße Lust. Er achtet dieselben für einen großen Schatz auf Erden, und verheißt denen, welche dieselben mit der schuldigen Ehrerbietung verehren, großes Verdienst und großen Lohn.
  • Kapitel V. - Die Frau Brigitta hatte die folgende Offenbarung zu Neapel infolge einer Frage des Herrn Eleazar, Sohnes der Gräfin von Ariano, welcher damals ein junger Mensch und Schüler von guter Anlage war. Er hatte auch die Braut Christi ersucht, für ihn zu beten. Als sie nun im Gebete begriffen war, erschien ihr die Jungfrau Maria, welche ihr diese Offenbarung gewährte, durch welche sie jenen gar schön in der Art unterweiset, die er im Lebenbeobachten soll, indem sie sagt, die Vernunft solle ein Thürsteher und die Seele ein Hüter sein, um alle Versuchungen zu vertreiben und ihnen mannhaft zu widerstehen, damit dieselben nicht in das innere Haus des Menschen eingehen.
  • Kapitel VI. - Im Jahre 1371, im Monat Mai, am Tage des seligen Papstes und Märtyrers Urban, als die Braut Christi, die Frau Brigitta, die schon viele Jahre in Rom sich aufgehalten hatte, auch von den Wallfahrten heimgekehrt war, die im Königreiche Neapel stattfinden, sich zu angegebener Zeit im Gebete befand, erschien ihr Christus und sagte, sie solle sich bereithalten zur Wallfahrt nach Jerusalem, um das heilige Grab zu besuchen.
  • Kapitel VII. - Ehe die Frau Brigitta jenseits des Meeres sich begeben, fragte ein frommer Bruder des Franziskanerordens zu Rom die gedachte Frau über einen Zweifel seines Gewissens um Rat. Als die Frau sich im Gebete befand, erschien ihr die Jungfrau Maria und antwortete ihr vollständig auf gedachte Zweifel, und sagte außerdem, daß, wenn auch Päpste und Priester Sünder und wofern nur keine Ketzer sind, jene die Schlüssel der Kirche und die wahre Gewalt, zu binden und zu lösen, haben, diese aber vollständig das gesegnete Sakrament des Leibes Christi auf dem Altare bereiten und zustande bringen, wenn sie auch der himmlischen Herrlichkeit unwürdig sein sollten.
  • Kapitel VIII. - Nachdem der ebengedachte Bruder die kaum erwähnte Offenbarung durch Frau Brigitta empfangen hatte, bat er sie, sie möge Gott fragen, ob Christus ein Eigentum gehabt, sowie über die Gewalt des Papstes und der Messe lesenden Priester. Als die Frau so betete, erschien ihr die Jungfrau Maria und antwortete auf alles, wie folgt.
  • Kapitel IX. - Wie Christus mit der Frau Brigitta redete, als dieselbe im Gebete war, und derselben befiehlt, sie solle nun gen Jerusalem gehen, wozu er ihr körperliche Rüstigkeit und die notwendigen Geldmittel verheißt.
  • Kapitel X. - Die Jungfrau Maria redet mit der Braut Christi, der Frau Brigitta, und sagt, wie es durchaus Gottes Wille nicht sei, daß die Geistlichen Weiber haben, noch sich mit dem Laster des Fleisches beflecken: kein Papst dürfe die Ehe der Geistlichen zugeben, noch in der Kirche Gottes aufkommen lassen.
  • Kapitel XI. - Folgendes ist der Anfang einer Offenbarung, welche die Frau Brigitta für die Frau Königin von Neapel in derselben Stadt gehabt. Andere Dinge, welche darin begriffen waren, werden nicht mit hierher gesetzt, weil es Geheimnisse sind, welche den Stand und die Person der gedachten Frau Königin betreffen.
  • Kapitel XII. - Folgende Offenbarung ward der Frau Brigitta zu Neapel auf Ansuchen des Herrn Bernhard, des Erzbischofs von Neapel, von Gott zu teil. Dieser hatte sie gebeten, sie möge in bezug auf etliche Zweifel, die er hatte, im Gebete zu Gott sich wenden. Christus erschien ihr und antwortete auf alle Zweifel des Erzbischofs, indem er ihr Lehren und Weisen angiebt, welche jener sowohl in der Regierung seines Hauses, als in der Regierung der Untergebenen in seinem Sprengel befolgen soll.
  • Kapitel XIII. - Die nachfolgende Offenbarung an die Braut Christi, die Frau Brgitta, begann zu Neapel sofort nach dem Tode des ritterlichen Karl, ihres Sohnes; das Gesicht dauerte mit Unterbrechungen auf der Jerusalemsfahrt fort, bis sie nach Jerusalem kam. Daselbst hat es in der Kirche des heiligen Grabes des Herrn ein Ende genommen. Es enthält in sich die Anführungen, welche in dem göttlichen Gerichte vor dem Richter Christus durch die Jungfrau Mariaund durch den Engel für die Seele des gedachten Ritters vorgebracht sind, sowie dasjenige, was der Teufel wider diese Seele vorgebracht hat, und das Urteil Christi über ihre Erlösung.
  • Kapitel XIV. - Diese Offenbarung hatte die Frau Brigitta in der heiligen Stadt Jerusalem, als sie zum ersten Male die Kirche des heiligen Grabes betrat. Darin erklärt Christus den Ablaß und die Gnade, welche gute Pilger in der genannten Kirche haben, wenn sie in rechter Absicht und mit heiligem Vorsatze dahin kommen.
  • Kapitel XV. - Folgende Vision schaute die Braut Christi, die Frau Brigitta, zu Jerusalem in der heiligen Grabeskirche, in der Kapelle des Kalvarienberges, am Freitage nach des Herrn Himmelfahrt, wo sie, im Geiste verzückt, das ganze Leiden des Herrn im Ernste erblickte, wie hier weitläufiger enthalten ist.
  • Kapitel XVI. - Christus beklagt sich gegen die Braut über alle Fürsten der Erde und geistlichen Vorsteher der Kirche darum, daß sie die Schmerzen seines Leidens nicht im Gedächtnisse haben, noch sich derselben erinnern wollen, auch jene heiligen Stätten des gelobten Landes nicht betrachten mögen, und droht ihnen, wenn sie sich nicht bessern.
  • Kapitel XVII. - Als die Frau Brigitta zu Jerusalem war und im Zweifel stand, ob sie im Kloster der Minoriten auf dem Berge Sion ober im Hospitale der Pilger in Jerusalem bleiben solle, erschien ihr, während sie betete, die Jungfrau Maria und srach zu ihr, sie solle anderen zum guten Beispiele im Hospitale bleiben.
  • Kapitel XVIII. - Die Frau Brigitta ward im Königreiche Cypern von der Frau Eleonora, der Königin des gedachten Reiches, gebeten, sie wolle zu Gott für ihren Sohn und für das Königreich beten. Sie ging dann hinüber nach Jerusalem. Als sie hier eines Tages im Gebete war, erschien ihr Christus und gab ihr folgende Ratschläge, welche sie an den gedachten König und an seinen Vetter, den Fürsten von Antiochien, schreiben sollte. Auch gebot er ihr, sie solle wie von ihr selbst, nicht von seiten Christi kommend schreiben.
  • Kapitel XIX. - Eine der Frau Brigitta in der heiligen Stadt Jerusalem zu teil gewordene Offenbarung in Bezug aus das Königreich Cypern und dessen Erneuerung, welche sie selber dem Herrn Könige und dem Prinzen von Antiochien übersandte, um dieselbe im ganzen Reiche zu verkündigen. Weil aber der gedachte Fürst dieser Offenbarung keinen vollkommenen Glauben beimaß,hat Frau Brigitta auf der Heimkehr von Jerusalem dieselbe in der Stadt Famagusta, am 8. Oktober, in Gegenwart des genannten Herrn Königs, der Königin, des gedachten Fürsten von Antiochien und des ganzen königlichen Rates verkündigt.
  • Kapitel XX. - Im Königreiche Cypern bat ein Minoritenbruder die Frau Brigitta, daß sie ihm raten möge, was er bei einigen Zweifeln seines Gewissens thun müsse, namentlich in Haltung der Regel seines Ordens. Als nun die Frau eines Tages in der heiligen Stadt Jerusalem sich für gedachten Bruder im Gebete befand, erschien ihr Christus und redete sie an, sprach auch vieles mit ihr vom Orden der Minoriten, und bedrohte am Ende alle Ordensgeistlichen, welche Eigentum haben, mit dem ewigen Tode.
  • Kapitel XXI. - Gesicht, welches die Frau Brigitta in Bethlehem gehabt, wo die Jungfrau Maria ihr die ganze Art ihrer Geburt, und wie sie ihren glorwürdigen Sohn geboren, erzählt, was die Jungfrau der Frau Brigitta in Rom fünfzehn Jahre zuvor, ehe sie nach Bethlehem ging, wie im ersten Kapitel dieses letzten Buches zu sehen ist, versprochen hatte.
  • Kapitel XXII. - Eine Offenbarung bei der Krippe des Herrn zu Bethlehem über den nämlichen Gegenstand, wie im vorigen Kapitel.
  • Kapitel XXIII. - Folgende Offenbarung geschah derselben Frau an der Krippe des Herrn zu Bethlehem, wie die Hirten zu dieser Krippe kamen, um den Herrn anzubeten.
  • Kapitel XXIV. - Folgende Offenbarung hatte die Braut zu Bethlehem in der Kapelle, worin Christus geboren worden. Die Jungfrau Maria erzählt ihr dort, wie die drei weisen Könige ihren Sohn angebetet.
  • Kapitel XXV. - Die Mutter Gottes redet mit der Frau Brigitta, erzählt derselben einiges von ihrer und ihres Sohnes Demut, und sagt, daß, wie ihr Sohn und sie damals, als sie in der Welt waren, demütig waren, so sie auch jetzt demütig sind, obwohl sie sich im Himmel befinden.
  • Kapitel XXVI. - Als die Frau Brigitta willens war, von Jerusalem wieder nach Rom zurückzukehren, ging sie am Geburtstage der Jungfrau Maria, ihr Grab und andere heilige Orte, welche dort nahe bei Jerusalem sind, zu besuchen. Da sie am gedachten Grabe im Gebete begriffen war, erschien ihr die Jungfrau Maria und gab ihr Nachricht über die Zeit ihres Todes und ihrer Aufnahme in den Himmel; bezeugte auch, daß dieses ihr eigenes Grab sei
  • Kapitel XXVII. - Als Frau Brigitta auf ihrer Heimkehr von Jerusalem durch die Stadt Neapel reiste, ward sie von der Frau Königin und dem Erzbischofe der gedachten Stadt angegangen, Gott für die Einwohner derselben Stadt zu bitten. Christus redet mit ihr und klagt die gedachten Einwohner mehrerer Sünden an, zeigt ihnen auch die Art, wie die Sünder sich mit ihm wieder versöhnen sollen, indem er ihnen Barmherzigkeit verheißt, wofern sie sich versöhnen und bessern. Er bedroht sie aber auch mit der Strenge der Gerechtigkeit, wofern sie sich nicht bessern und in der Sünde verharren. Diese Offenbarung machte die Frau Brigitta im Beisein des gedachten Herrn Erzbischofs Bernhard, dreier Magister in der Theologie und zweier Doktoren des kanonischen und bürgerlichen Rechtes, sowie einiger Civil- und Militärpersonen der genannten Stadt bekannt.
  • Kapitel XXVIII. - Eine Offenbarung der Jungfrau Maria, welche die Frau Brigitta in der Stadt Neapel hatte, und welche sie an den Herrn Bernhard, den Erzbischof von Neapel, sandte. Diese Offenbarung straft diejenigen, welche ihre ungläubigen Knechte oder Sklaven, die sich neuerlich zum Glauben bekehrt haben, nicht in demselben katholischen Glauben und christlichen Gesetze unterweisen. Die Jungfrau Maria schilt auch die Herren, welche ihre Knechte übel behandeln und über die Maßen hart halten. Sie bedroht auch mit harter Strafe die Zauberer und Wahrsager und diejenigen, welche dieselben unterhalten und ihnen Glauben beimessen.
  • Kapitel XXIX. - Ein Bischof, welcher für die heilige römische Kirche die Mark Antona verwaltete und von seinem Gewissen beunruhigt ward, weil er um des besagten Amtes in der Mark willen, wo er residierte, abwesend und zu lange aus seinem Sprengel entfernt war, und so auf die ihm anvertrauten Schafe in seiner Diöcese nicht achthaben konnte, fragte die heilige Brigitta in seinem Zweifel, ob es Gott besser gefallen möchte, wenn er zur Abwartung seines Amtes in der Mark residierte, oder wenn er zurückkehrte, um in seinem Sprengel die ihm anvertrauten Schafe zu regieren. Als nun die vorgedachte Frau infolge dieses Ansuchens für den vorgedachten Bischof betete, erschien ihr Christus und sprach zu ihr die nachfolgend verzeichneten Worte.
  • Kapitel XXX. - Der Richter beklagt sich bei der Braut über alle Sünden in allen Ständen und Verhältnissen, indem er ihr die Wohlthaten erzählt, welche er ihnen erwiesen, und ihre Undankbarkeit erzählt. Er droht ihnen auch mit dem Urteile seines schrecklichen Zornes, ermahnt sie jedoch, sich zu ihm zu bekehren, worauf er sie wie ein Vater mit Barmherzigkeit aufnehmen wird.
  • Kapitel XXXI. - Christus redet in Rom mit seiner Braut, der Frau Brigitta, und sagt ihr den Tag und die Art ihres Todes voraus. Er befiehlt, was sie mit den Büchern ihrer Offenbarungen thun soll. Er sagt auch, daß viele in der Welt sein werden, welche dieselben, wann es ihm gefällt, mit Andacht aufnehmen werden. Diese werden seine Gnade erlangen. Der Herr giebt auch Anordnungen über den Leichnam seiner Braut an, und wo derselbe begraben werden soll.

Siebentes Buch der himmlischen Offenbarungen der heiligen Brigitta.

Kapitel I.

Offenbarung, welche die heilige Brigitta zu Rom nach dem Jubeljahre gehabt, worin ihr die Jungfrau Maria vorherverkündigt, daß sie, wann es Gott gefallen werde, nach Jerusalem und Bethlehem gehen werde. Sie verspricht ihr auch alsdann, die Weise zu zeigen, wie sie ihren gebenedeiten Sohn geboren.

Als die selige Brigitta, die Braut Christi, sich zu Rom befand und einst dem Gebete oblag, begann sie zu betrachten, wie die heilige Jungfrau ihren göttlichen Sohn gebar, sowie die höchste Güte Gottes, welcher eine solche überreine Mutter sich hat erwählen wollen. Dabei ward nun ihr Herz in solcher Liebe zur Jungfrau entzündet, daß sie bei sich sprach: "O Du meine Frau, Königin des Himmels! mein Herz freut sich darüber, daß der höchste Gott Dich zu seiner Mutter vorher erwählt, und Dir solche Würden zu erteilen sich herabgelassen hat, so sehr, daß ich lieber ewig in der Hölle gepeinigt werden wollte, als daß Du auch nur einen Augenblick der so großen, vortrefflichen Ehre und Deiner himmlischen Würde entbehren müßtest." - Und sie blieb so wie berauscht von Seiten-Icon 220 der Süßigkeit der Liebe, und von Sinnen außer sich, in einer Verzückung innerlicher Beschauung. Die Jungfrau erschien ihr darauf und sagte zu ihr: "Merke, meine Tochter! Ich bin die Königin des Himmels, und weil Du mich mit so unermeßlicher Liebe liebst, deshalb verkündige ich Dir, daß Du nach der heiligen Stadt Jerusalem pilgern wirst, wann es meinem Sohne gefallen wird; von dort wirst Du nach Bethlehem gehen und dort will ich Dir an Ort und Stelle die ganze Art und Weise melden, wie ich diesen meinen Sohn, Jesum Christum, geboren habe, weil es ihm so gefallen hat."

Kapitel II.

Diese Offenbarung hat die Frau Brigitta, die Braut Christi, zu Rom gehabt. Darin ist die Rede von jenem ehrenreichen Schwerte des Schmerzes, das die Seele der seligen Jungfrau und Mutter Maria durchdrang, und welches der gerechte Simeon im Tempel vorausverkündigte.

An einem Feste der Reinigung der seligen Jungfrau Maria, während sich die Braut Christi zu Rom befand, ward diese Frau in der Kirche Santa Maria maggiore in ein geistliches Gesicht verzückt, und sah im Himmel, als wenn alles zu einem großen Feste in Bereitschaft gesetzt werde. Darauf erblickte sie wie im Tempel von wunderbarer Schönheit, und daselbst war der verehrungswürdige Greis, der gerechte Simeon, bereit, den Knaben Jesus mit großem Verlangen und großer Freude auf seine Arme zu nehmen. Sie sah auch die selige Jungfrau gar ehrbar kommen und den Sohn herbeitragen, um denselben im Tempel nach dem Gesetze des Herrn darzustellen. Darauf erblickte sie eine unzählige Menge von Engeln und verschiedenen Ordnungen der heiligen Gottes, heiliger Jungfrauen und Frauen, welche der seligen Jungfrau, der Mutter Gottes, voranschritten und dieselbe mit aller Freude und Andacht umgaben. Vor ihr ward von einem Engel ein langes und sehr breites und blutiges Schwert hergetragen. Dasselbe bedeutete jene höchsten Schmerzen, welche Maria beim Tode ihres geliebtesten Sohnes erlitten, die in dem Schwerte vorbedeutet waren, und von dem der gerechte Simeon prophezeit hatte, es werde ihre Seele Seiten-Icon 221 durchdringen. Als nun der ganze himmlische Hof voll Freuden war, wurde der Braut gesagt: "Siehe, wie große Ehre und Herrlichkeit an diesem Feste der Himmelskönigin für das Schwert der Schmerzen gespendet wird, die sie beim Leiden ihres geliebten Sohnes erduldete." - Hierauf verschwand dieses Gesicht.

Kapitel III.

Eine Offenbarung, welche der selige Franziskus der Braut Christi, der Frau Brigitta, gezeigt, worin er dieselbe zum Essen und zum Trinken in seine Zelle einlud und ihr die geistliche Erklärung giebt, seine Zelle sei der Gehorsam gewesen. Seine Speise war, die Seelen zu Gott zu bekehren; sein Trank aber war, wenn er die Bekehrten mit allen Kräften Gott lieben und dem Gebete und anderen Tugenden mit Inbrunst obliegen sah.

Am Feste des heiligen Franziskus erschien dieser Heilige in seiner jenseits der Tiber zu Rom gelegenen Kirche der Braut Christi und sprach zu ihr: "Komm' in meine Zelle, um mit mir zu essen und zu trinken." Als sie solches vernommen, rüstete sie sich sogleich zur Reise, um ihn in Assisi zu besuchen, von wo sie nach dreitägigem Aufenthalte nach Rom zurückzukehren sich vornahm. Sie besuchte noch einmal die Kirche, um sich und die Ihrigen dem heiligen Franziskus zu empfehlen. Derselbe erschien ihr dort selbst und sprach: "Sei willkommen! Ich habe Dich freilich in meine Zelle eingeladen, um mit mir zu essen und zu trinken. Wisse aber, daß dieses Haus nicht die Zelle ist, von welcher ich Dir gesagt habe, sondern mein Haus ist der wahre Gehorsam, den ich immer gehalten habe, so daß ich niemals habe ohne einen Lehrer sein mögen. Denn ich habe stets einen Priester bei mir gehabt, dem ich in allen Geboten demütiglich gehorcht habe, und das war meine Zelle. Thue Du nun auf ähnliche Weise, weil es Gott also gefällt. Meine Speise aber, durch welche ich zu meiner Lust erquickt ward, war die, daß ich meine Nächsten von den Eitelkeiten des weltlichen Lebens sehr gern abgezogen habe, damit sie mit dem ganzen Herzen Gott dienen möchten, und alsdann verschlang ich jene Freude wie gar süße Bissen. Mein Trank aber war die Freude, welche ich hatte, wenn ich einige durch mich Bekehrte mit Seiten-Icon 222 allen Kräften Gott lieben, der Betrachtung und dem Gebete obliegen und andere zum guten Leben unterweisen und der wahren Armut folgen sah. Siehe, meine Tochter! dieser Trank erfreute meine Seele so, daß alles, was in der Welt ist, mir zuwider war. Gehe also in diese meine Zelle und iß diese meine Speise und trinke diesen Trank mit mir. Trinke denselben, auf daß Du in Ewigkeit bei Gott erquickt werden mögest."

Kapitel IV.

Folgende Offenbarung hat die Braut Christi, Frau Brigitta, in der Stadt Ortona, im Königreiche Neapel, gehabt, Christus redet mit ihr und giebt ihr zu erkennen, daß hier im Altare Überreste vom Leibe des heiligen Apostels Thomas sich befinden. An diesen und den Reliquien anderer Heiligen hat er eine süße Lust. Er achtet dieselben für einen großen Schatz auf Erden, und verheißt denen, welche dieselben mit der schuldigen Ehrerbietung verehren, großes Verdienst und großen Lohn.

Eine Person, welche im Gebete wachte, hatte das Gefühl, als ob ihr Herz von göttlicher Liebe in Brand versetzt und gänzlich mit geistlicher Freude erfüllt sei, wobei der Leib gleichsam an Kräften abnahm. Darauf vernahm sie eine Stimme, welche zu ihr sprach: "Ich bin der Schöpfer und Erlöser aller; wisse also, daß eine solche Freude, wie Du jetzt in Deiner Seele verspürst, mein Schatz ist; denn wie geschrieben steht: Der Geist (Wind) weht, wo er will, Du hörest wohl sein Sausen, Du weißt aber nicht, woher er kommt, oder wohin er geht. Diesen Schatz jedoch gebe ich meinen Freunden vielfach und auf vielfältige Weise und durch viele Gaben. Doch will ich mit Dir von einem anderen Schatze reden, der noch nicht im Himmel, sondern bei euch auf Erden ist. Dieser Schatz sind die Reliquien und Leiber meiner Freunde. Denn wahrlich, die Leiber meiner Heiligen, mögen sie nun verwest oder frisch geblieben, oder in Asche und Staub verwandelt sein oder nicht, sind fürwahr mein Schatz. Weil die Schrift spricht: Wo Dein Schatz ist, da ist Dein Herz! so möchtest Du fragen, auf welche Weise mein Herz bei diesem Schatze, nämlich bei den Reliquien der Heiligen, ist? Ich antworte Dir: Die höchste Lust meines Herzens ist, allen denen, Seiten-Icon 223 welche die Stätten meiner von den Päpsten heilig gesprochenen Diener und ihrer durch Wunder verherrlichten Reliquien besuchen und ehren, ewige Belohnungen zu erteilen nach Maßgabe ihres guten Willens, ihres Glaubens und ihrer Beschwerden. Siehe, in dieser Weise ist mein Herz bei meinem Schatze und deshalb will ich, daß Du für gewiß wissen magst, daß an diesem Orte mein auserwählter Schatz ist, nämlich die Reliquien des heiligen Thomas, meines Apostels, von denen an keinem Orte so viele, als in diesem Altare unversehrt und unzerteilt sind. Denn als jene Stadt zerstört worden, in welcher zuerst der Leib dieses meines Apostels niedergelegt war, ward dieser Schatz mit meiner Zustimmung durch einige meiner Freunde in diese Stadt getragen, und in diesem Altare beigesetzt. Jetzt aber liegt er hier wie verborgen, weil die Fürsten dieses Reiches, ehe der Leib des Apostels hierher kam, jenen ähnlich waren, von denen geschrieben steht: Einen Mund haben sie, und reden nicht; Augen haben sie, und sehen nicht; Ohren haben sie, und hören nicht; Hände haben sie, und tasten nicht; Füße haben sie, und gehen nicht u. s. w. (Psalm CXIII.) Wie sollen denn nun auch solche, und so gegen mich, ihren Gott, Gesinnte einem solchen Schatze die gebührende Ehre spenden? Wer also mich und meine Freunde über alles liebt, und lieber sterben, als mich im mindesten beleidigen will, auch den Willen und die Macht hat, mich zu ehren und anderen zu gebieten, dieser sei, wer er wolle, er wird meinen Schatz erhöhen und ehren, nämlich die Reliquien dieses meines Apostels, den ich erwählt und vorauserwählt habe. Darum soll für das Gewisseste gesagt und verkündigt werden, daß, wie die Leiber der Apostel Petrus und Paulus in Rom sind, also auch die Reliquien meines Apostels, des heiligen Thomas, sich in Ortona befinden." Die Braut antwortete und sprach: "O Herr! haben nicht die Fürsten dieses Reiches Kirchen erbauen lassen und große Almosen gespendet?" Der Herr antwortete ihr: "Sie thaten vieles und brachten mir große Gaben von Erz dar, um mich zu besänftigen. Indessen die Almosen vieler unter ihnen sind mir minder angenehm und lieb gewesen, weil sie sich wider die Satzungen der heiligen Väter verehelicht haben. Und obwohl dasjenige, was die Väter gestattet haben, gültig ist und gehalten werden muß, soll es doch, weil ihr Wille verdorben war, und sie sich wider die Satzungen der Kirche Seiten-Icon 224 auflehnten, ebendeshalb in meinem göttlichen Gerichte erörtert und gerichtet werden."

Zusatz.

Als Frau Brigitta nach Ortona reiste, begab es sich, daß sie mit ihrer Begleitung die ganze Nacht bei Kälte und großem Regen unter freiem Himmel zubringen mußte. Um die Morgenröte sprach Christus zu ihr: "Um dreier Ursachen willen widerfährt den Menschen Trübsal; entweder zur größeren Demut, wie der König David heimgesucht ward, oder behufs größerer Furcht und Vorsicht, wie Sarah, Abrahams Weib, welche vom Könige weggenommen ward (Genesis CXX.), oder zum Troste oder zur Ehre des Menschen. Also ist es auch euch ergangen. Denn ich habe die Gemüter derer, welche euch begegneten, angetrieben, euch am gestrigen Tage nicht weiter fortreisen zu lassen. Ihr habt aber nicht glauben wollen, darum habt ihr das gelitten, was ihr ausgestanden habt. Darum gehet nun hinein in die Stadt, mein Diener Thomas wird euch geben, was ihr begehrt."

Noch an demselben Tage erschien Christus in Ortona und sprach: "Ich habe Dir früher gesagt, daß der heilige Thomas, mein Apostel, mein Schatz wäre. Dies ist gewißlich wahr, denn Thomas ist fürwahr das Licht der Welt; allein die Menschen lieben mehr die Finsternis, als das Licht." Nun erschien auch der heilige Thomas und sprach: "Jetzt will ich Dir den schon lange von Dir ersehnten Schatz geben." Und im nämlichen Augenblicke sprang, ohne daß jemand denselben berührte, aus dem Behälter der Reliquien des heiligen Thomas ein Stückchen von einem Knochen des seligen Thomas heraus, welches die Frau mit Freuden empfing und ehrerbietig aufbewahrte. Seiten-Icon 225

Kapitel V.

Die Frau Brigitta hatte die folgende Offenbarung zu Neapel infolge einer Frage des Herrn Eleazar, Sohnes der Gräfin von Ariano, welcher damals ein junger Mensch und Schüler von guter Anlage war. Er hatte auch die Braut Christi ersucht, für ihn zu beten. Als sie nun im Gebete begriffen war, erschien ihr die Jungfrau Maria, welche ihr diese Offenbarung gewährte, durch welche sie jenen gar schön in der Art unterweiset, die er im Leben beobachten soll, indem sie sagt, die Vernunft solle ein Thürsteher und die Seele ein Hüter sein, um alle Versuchungen zu vertreiben und ihnen mannhaft zu widerstehen, damit dieselben nicht in das innere Haus des Menschen eingehen.

"Dem allmächtigen Gott, von welchem alles Gute ausgeht, sei Preis und Ehre, und besonders für dasjenige, was er Euch im jugendlichen Alter erwiesen. Begehret nun von seiner Gnade, daß die Liebe, welche Ihr zu Gott habt, täglich bis zum Tode in Euch vermehrt werde. Ein mächtiger und herrlicher König baute einen Palast. In diesen setzte er seine geliebte Tochter und überwies sie der Hut eines Mannes, indem er sprach: Meine Tochter hat Todfeinde und deshalb mußt Du sie mit aller Sorgfalt hüten. Vier Stücke nun sind es, worauf Du mit fleißigem Vorbedacht und mit steter Sorge Achtung geben mußt. Erstens, daß niemand die Grundmauer des Palastes untergrabe; zweitens, daß niemand die Höhe der Mauern übersteige; drittens, daß niemand die Wände des Palastes durchbreche; viertens, daß kein Feind in die Thore eingehe. -

Mein Herr! Dieses Gleichnis ist auf geistliche Weise zu verstehen. Ich schreibe Dir dasselbe aus göttlicher Liebe so wahr mir Gott, der Erforscher aller Herzen, Zeuge ist. Unter dem Palaste verstehe ich Deinen Leib, den der König des Himmels aus Erde gebildet hat. Unter der Tochter des Königs verstehe ich Deine Seele, welche durch die Kraft des Höchsten erschaffen worden und in Deinen Leib gesetzt ist. Durch den Hüter aber wird die menschliche Vernunft bedeutet, welche Deine Seele nach dem Willen des ewigen Königs behüten soll. Unter der Grundmauer ist der feste und stetige Wille zu verstehen. Auf diesen sind alle guten Werke aufzuführen, wodurch die Seele auf das beste verteidigt Seiten-Icon 226 wird. Wenn dann Dein Wille also beschaffen ist, so wirst Du Dir zu nichts anderem zu leben verlangen, als um Gottes Willen zu befolgen, ihm alle mögliche Ehre zu erweisen, durch Worte und Werke, mit Leib und Gut und allen Deinen Kräften, solange Du lebst, ihm zu folgen, Deine Seele vor aller Unreinigkeit des Fleisches zu bewahren und dieselbe ihrem Schöpfer zu befehlen. Ach! wie wachsam mußt Du diese Grundmauer, d. i. Deinen Willen, mit seinem Hüter, d. i. mit der Vernunft, bewachen, damit niemand mit seinen Ränken dieselbe zum Schaden der Seele zu untergraben vermöge! Unter denen, welche beflissen sind, diese Art Grundmauer zu untergraben, verstehe ich diejenigen, welche zu Dir sagen: Herr! bleibe ein Laie; nimm Dir ein schönes, edles und reiches Weib, auf daß Du Dich einer Nachkommenschaft und Hinterlassenschaft erfreuest und von der Trübsal des Fleisches nicht mögest beschwert werden. Andere reden vielleicht auch also: Wenn Du ein Geistlicher werden willst, dann lerne die freien Künste zu dem Ende, daß Du ein Magister genannt werden mögest. Mit den Gütern oder Einkünften der Kirche aber versorge Dich, so gut Du vermagst, indem Du sie durch Bitten oder Geschenke zu erlangen suchst; denn alsdann wirst Du weltliche Ehre von Deiner Wissenschaft haben und von Deinen weltlichen Freunden und vielen Dienern um der Fülle Deines Reichtumes willen gepriesen werden. Siehe, wenn Dir vielleicht jemand dergleichen rät, dann laß ihm sofort durch Deinen Hüter, d. h. die Vernunft, antworten und sagen, daß Du lieber alle Drangsale des Fleisches erdulden, als die Keuschheit verlieren wollest; antworte auch, Du wollest zur Ehre Gottes und zur Verteidigung des katholischen Glaubens und zur Tröstung guter Menschen und Besserung der Irrenden, sowie aller derer, welche Deines Rates und Wissens bedürfen, Wissenschaft und Kunst Dir zu eigen machen; Du wollest auch über den Unterhalt Deines Leibes und des Dir nötigen Hausgesindes aus eitler Ruhmsucht einen Überfluß in diesem Leben Dir nicht verlangen. Sage auch, wofern Dir etwa die göttliche Vorsehung eine Würde zugewendet, daß Du alles zum Nutzen der Nächsten und zur Ehre Gottes weislich zu ordnen begehrst. Und so wird fürwahr der Hüter, d. i. die Vernunft, diejenigen vertreiben können, welche die Grundmauer, d. h. Deinen guten Willen, zu untergraben suchen. Seiten-Icon 227 Die Vernunft soll ferner emsig und sorgfältig aufmerken, daß niemand die Höhe der Mauer übersteige. Unter dieser Höhe verstehe ich die Liebe, welche höher als alle Tugenden ist. Sei daher auf das gewisseste überzeugt, daß der Teufel nichts mehr begehrt, als jene Mauer zu überwinden, weshalb er unaufhörlich, soviel er vermag, dahin trachtet, daß die weltliche Liebe und die fleischliche Neigung sich über die göttliche Liebe erhebe. Darum, mein Herr, sende, so oft die weltliche Liebe in Deinem Herzen den Versuch macht, sich über die göttliche zu erheben, derselben sogleich den Hüter, d. h. die Vernunft, mit den Geboten Gottes entgegen, und laß sie sagen, Du wollest lieber an Seele und Leib den Tod erleiden, als dazu leben, einen so gütigen Gott durch Wort oder That zum Zorne zu reizen; ja, daß Du weder des eigenen Lebens, noch Deines Gutes oder Besitzes, noch der Gunst Deiner Verwandten oder Freunde in einiger Weise schonen wollest, um Gott allein ganz zu gefallen und denselben in allen Stücken zu ehren. Auch wollest Du Dich lieber aller Trübsal freiwillig unterwerfen, als einem einzigen Deiner Nächsten, derselbe sei größer oder kleiner, irgend einen Schaden, oder Ärgernis, oder Trübsal verursachen; Du wollest vielmehr nach dem Gebote des Herrn alle Deine Nächsten brüderlich lieben. Und wenn Du also gethan, mein Herr! so beweisest Du, daß Du Gott mehr, als Dich selber und Deinen Nächsten wie Dich selbst liebst. Alsdann kann auch der Hüter, d. i. die Vernunft, ohne Sorge darüber, daß ein Feind Deiner Seele die Höhe der Mauern übersteigen möge, sich der Ruhe überlassen. - Unter den Wänden ferner verstehe ich die vier Freuden des himmlischen Hofes, welche der Mensch innerlich mit aufmerksamer Betrachtung begehren muß. Die erste ist, inbrünstig begehren, im Herzen Gott in seiner ewigen Herrlichkeit und seinem nie abnehmenden Reichtume anzuschauen, welcher demjenigen, der denselben einmal erlangt hat, niemals genommen wird. Die zweite ist, ohne Unterbrechung die süß tönenden Stimmen der Engel anhören wollen, mit denen sie ohne Ende und Überdruß Gott loben und ohne Unterlaß Gott anbeten. Die dritte ist, mit ganzem Herzen und eifrigem Verlangen zu begehren, wie die Engel selber Gott ewig zu loben. Die vierte ist das Verlangen, die ewigwährende Tröstung der Engel und heiligen Seelen im Himmel zu genießen. Gleichwie nun ein Seiten-Icon 228 Mensch, der sich in einem Hause befindet, wohin er sich wendet, immer die Wände um sich her stehen hat, so wird auch derjenige, wer diese vier Stücke, nämlich: Gott in seiner Herrlichkeit anzuschauen, die Gott preisenden Engel zu hören, Gott zugleich mit ihnen zu preisen und ihrer Tröstungen teilhaftig zu werden, mit höchstem Verlangen begehrt, in der That, er mag sich wenden, wohin er will, jeglichem Werke eifrig obliegen und in den festen Wänden immer unversehrt erhalten bleiben, so daß man von ihm sagen kann, er lebe schon in diesem Leben unter Engeln und habe Verkehr mit Gott. Ach! wie sehr verlangt Dein Feind, o Herr! diese Wände durchzubrechen. Solche innere Tröstungen vom Herzen hinwegzunehmen und Dein Verlangen nach anderen, ihnen entgegengesetzten zu erregen und in Dinge zu verwickeln, welche der Seele schweren Schaden bringen können. Deshalb muß der Hüter, d. i. die Vernunft, auf die beiden Wege, auf denen der Feind zu nahen pflegt, fleißig achtgeben. Der erste Weg ist das Gehör, der zweite das Gesicht. Durch das Gehör kommt er, wenn er dem Herzen Lust eingiebt zu weltlichen Liedern und zu verschiedenen, fußtönenden Instrumenten, zu unnützen und das Lob der eigenen Person verkündigenden Fabeln, und je mehr sich der Mensch hierdurch in Hoffart erhebt, um so weiter entfernt er sich von jenem demütigen Christus. Darum soll der Hüter, d. i. die Vernunft, solcher Lust Widerstand thun und also sprechen: Wie der Teufel alle Demut haßt, welche der heilige Geist den Herzen der Menschen eingiebt, so hasse ich unter Gottes Beistande jegliche Pracht und Hoffart der Welt, wodurch der böse Geist die Herzen pestartig entflammt; so hassenswürdig soll mir dieselbe sein, wie der Gestank verwesender Leichname, an welchem diejenigen, welche ihn mit den Nasen einziehen, alsbald ersticken. Das Gesicht ist der zweite Weg, auf welchem der Feind seinen Angriff zu vollführen pflegt, um die vorgedachten Wände zu durchbrechen, wozu er vielen Vorrat mit sich bringt, nämlich allerlei Gattungen von Metall, in verschiedenen Arten von Formen und Sachen verarbeitet, kostbare Steine, prächtige Kleider, Herrenpaläste, Schlösser, Landgüter, Teiche, Wälder, Weinberge und viele andere einträgliche Gegenstände; dies alles, wenn es brünstig verlangt wird, erweist sich als eine Zerstörerin der Wände, d. h. der himmlischen Freuden. Darum muß der Hüter, Seiten-Icon 229 d. i. die Vernunft, bevor noch das Herz an dergleichen Dingen Lust und Freude zu haben angefangen hat, eilends entgegentreten und sprechen: Wenn ich von dergleichen Besitzungen etwas in meine Gewalt bekommen werde, will ich es in jener Lade niederlegen, wo keine Diebe und Motten zu fürchten sind, und wenn die göttliche Gnade mir hilft, will ich nicht durch das Verlangen nach dem Eigentume anderer meinen Gott beleidigen, noch mich durch die Begierde nach fremdem Gut von der Gesellschaft der Diener Gottes auf irgend eine Art trennen.

Unter den Thüren des gedachten Gebäudes verstehe ich alles dem Leibe Notwendige, was er nicht zurückzuweisen vermag, nämlich: Essen, Trinken, Schlafen und Wachen, zuweilen Leid ertragen oder Freude haben. Der Hüter, d. i. die Vernunft, muß daher mit Sorgfalt an diesen Thüren, d. h. über die Bedürfnisse des Leibes, wachen und mit göttlicher Furcht den Feinden weise und anhaltend widerstehen, damit sie nicht Eingang in die Seele finden. Wie man sich daher beim Genusse von Speise und Trank zu hüten hat, daß der Feind, das Übermaß benützend, den Leib nicht mit Überdruß zum Dienste Gottes erfülle, so soll man sich auch hüten, durch übermäßige Abstinenz, welche den Leib zu allem Wirken schwächt, dem Feinde den Eingang zu gestatten. Der Hüter, d. i. die Vernunft, muß achtgeben, daß nicht um weltlicher Ehre oder der Gunst der Menschen halber, sei es, daß Du entweder mit Deinen Hausgenossen allein bist, oder daß sich Gäste eingefunden haben, zu viele Gerichte nacheinander aufgetragen werden; vielmehr thue aus göttlicher Liebe einem jeden Gutes und viele und kostbare Speisen mögen dabei ausgeschlossen bleiben. Sodann soll der Hüter, d. h. die Vernunft, wachsam und aufmerksam in Betracht ziehen, daß mit dem mäßigen Genusse von Speise und Trank auch der Schlaf zu mäßigen sei, damit der Leib die Leichtigkeit behalte und besser geordnet sei, Gott alle Ehre zu erweisen und die vorgeschriebenen Zeiten zur Verrichtung der Vigilien und des kirchlichen Officiums oder zu ehrbarer Arbeit zu verwenden, weshalb der niederdrückende Schlaf fern gehalten werden muß. Wenn aber irgendwie Beunruhigung und Mißmut sich einstellen, so soll der Hüter, d. i. die Vernunft, von der Furcht Gottes begleitet, schnell entgegeneilen, damit es sich nicht etwa durch Zorn oder Ungeduld Seiten-Icon 230 begebe, daß Du der göttlichen Gnade entbehrest und Gott schwer wider Dich erzürnest, oder aber, wenn Dein Herz Trost und Freude empfindet, soll der Hüter, d. i. die Vernunft, die Furcht Gottes fester dem Herzen einprägen, damit sie unter dem Beistande Christi und zu Deinem größeren Heile den Trost oder die Freude mäßige."

Zusatz.

Als Frau Brigitta in Neapel war, wurden ihr die größten Geheimnisse des Herzens des nachmaligen Kardinals Eleazar, auch etliche ihn betreffende Wunder enthüllt. Als er solches vernommen, entsetzte er sich und bekehrte sich zu einem besseren Lebenswandel.

Kapitel VI.

Im Jahre 1371, im Monat Mai, am Tage des seligen Papstes und Märtyrers Urban, als die Braut Christi, die Frau Brigitta, die schon viele Jahre in Rom sich aufgehalten hatte, auch von den Wallfahrten heimgekehrt war, die im Königreiche Neapel stattfinden, sich zu angegebener Zeit im Gebete befand, erschien ihr Christus und sagte, sie solle sich bereithalten zur Wallfahrt nach Jerusalem, um das heilige Grab zu besuchen.

Als die Braut sich nach einem fortgesetzten Aufenthalte zu Rom befand und an einem gewissen Tage beim Beten zu einer innerlichen Erhebung gelangt war, erschien ihr Christus und sprach also: "Machet Euch bereit, nach Jerusalem zu wallfahrten, um mein Grab und andere heilige Orte zu besuchen, welche sich dort befinden; sobald ich es Euch sage, begebet Ihr Euch von Rom hinweg." Seiten-Icon 231

Kapitel VII.

Ehe die Frau Brigitta jenseits des Meeres sich begeben, fragte ein frommer Bruder des Franziskanerordens zu Rom die gedachte Frau über einen Zweifel seines Gewissens um Rat. Als die Frau sich im Gebete befand, erschien ihr die Jungfrau Maria und antwortete ihr vollständig auf gedachte Zweifel, und sagte außerdem, daß, wenn auch Päpste und Priester Sünder und wofern nur keine Ketzer sind, jene die Schlüssel der Kirche und die wahre Gewalt, zu binden und zu lösen, haben, diese aber vollständig das gesegnete Sakrament des Leibes Christi auf dem Altare bereiten und zustande bringen, wenn sie auch der himmlischen Herrlichkeit unwürdig sein sollten.

Als ich unwürdige Person zur Ehre und Danksagung des allmächtigen Gottes und der seligen Jungfrau Maria, seiner würdigsten Mutter, mich im Gebete befand, schien es mir, als rede die Mutter Gottes zu mir Sünderin die folgenden Worte: "Sage jenem Bruder, meinem Freunde, welcher mir seine Bitte durch Dich übersendet hat, daß der wahre Glaube und die vollkommene Wahrheit darin besteht, daß, wenn eine Person auf Antrieb des Teufels wider Gott alle Sünden begangen hätte und über dieselben nachmals unter wahrer Reue und mit dem Willen, sich zu bessern, wahrhaft Leid empfände und demütig mit brennender Liebe Gott um Barmherzigkeit anläge, es kein Zweifel sei, daß der gütige und barmherzige Gott sogleich bereit sein würde, diese Person mit großer Freude und Fröhlichkeit in seine Gnade wieder aufzunehmen, wie ein liebreicher Vater, welcher seinen einzigen, geliebtesten Sohn, der eben von einem höchst ärgerlichen Leben sich bekehrt oder dem schmachvollsten Tode entgangen in, nun zu sich zurückkehren sieht. Und fürwahr! weit lieber, als ein leiblicher Vater, verzeiht der liebreiche Gott selber seinen Dienern alle ihre Sünden, wenn sie eifrig Buße thun und demütig seine Barmherzigkeit ansprechen, und sich scheuen, ferner Sünden zu begehen, auch Gottes Freundschaft mit ganzem Herzensverlangen begehren. Sage also demselben Bruder von meiner Seite, daß ihm wegen seines guten Willens und meines Gebetes durch Gottes Güte alle seine Sünden nachgelassen sind, die er an allen Tagen seines Lebens begangen hat. Sage ihm auch, daß um meines Gebetes willen die Liebe, welche er zu Seiten-Icon 232 Gott trägt, immer und bis zu seinem Tode gemehrt werde, und niemals gemindert werden kann. Ferner sage ihm, wie es Gott, meinem Sohne, gefalle, daß er in Rom bleibe, predige, denen, die darum bitten, gute Ratschläge gebe, beichthöre und heilsame Bußen auferlege; es sei denn, daß sein geistlicher Vorgesetzter ihn aus einem gesetzlichen, notwendigen Grunde zuweilen aus der Stadt sende. Derselbe Bruder soll auch seine übrigen Brüder wegen ihrer Übertretungen liebreich mit guten Worten und heilsamen Lehren, oder, wo er die Macht hat, mit gerechtem Tadel zu dem Ende strafen, daß sie die Regel beobachten und sich demutsvoll bessern. Deshalb lasse ich ihm wissen, daß seine Messen, seine Lesungen und Gebete Gott angenehm und willkommen sind. Sage ihm auch, daß, wie er sich vor jedem Überfluß der Speise, des Trankes und Schlafes hütet, er gleicherweise sich vor übertriebener Abstinenz in acht nehmen solle, auf daß er bei seinen Gott gewidmeten Diensten und Arbeiten keine Schwäche erleide. Er soll keine überflüssigen, sondern notwendige Kleider, nach der Regel des heiligen Franziskus, tragen, damit nicht Hoffart und Begierlichkeit daraus erfolge, weil der Lohn desto reichlicher erfolgen wird, von je geringerem Werte und Ansehen seine Kleider sein werden. Er soll auch seinem geistlichen Vorgesetzten in allem, was dieser ihm befehlen wird, was nicht wider Gott ist und was er als Bruder auszurichten imstande sein wird, folgsam sein. Sage ihm ferner von meiner Seite, wie er denen antworten soll, welche sagen, der Papst sei kein rechter Papst und es sei nicht der wahre Leib meines Sohnes Jesu Christi, den der Priester auf dem Altare bereitet. Diesen Ketzern soll er folgende Antwort geben: Ihr wendet Gott den Rücken zu und deshalb sehet ihr denselben nicht; wendet ihm daher das Angesicht zu und dann werdet ihr ihn sehen können. Der wahre und katholische Glaube ist der, daß der Papst. welcher ohne Ketzerei ist, mag er auch mit anderen Sünden befleckt sein, doch nie so schlecht durch diese Sünden und seine übrigen schlechten Werke wird, daß nicht allezeit in ihm das völlige Ansehen und die vollkommene Macht vorhanden sei, die Seelen zu binden und zu lösen. Diese Macht hat er durch den seligen Petrus und von Gott bekommen. Es sind viele Päpste vor dem Papste Johannes gewesen, welche in der Hölle sind; nichtsdestoweniger sind ihre Urteile, welche sie in der Seiten-Icon 233 Welt gesprochen haben, gerecht und vernünftig, beständig und bei Gott bewährt. Ähnlicherweise sage ich auch, daß alle diejenigen Priester wahre Priester sind und wahrhaft den Leib meines Sohnes bereiten, welche keine Ketzer sind, wenn sie auch sonst mit vielen anderen Sünden behaftet sind, und daß sie Gott wahrhaft mit ihren Händen auf dem Altare berühren, sowie andere Sakramente darreichen, obwohl sie ihrer Sünden und bösen Werke halber der himmlischen Herrlichkeit bei Gott unwert sind."

Kapitel VIII.

Nachdem der ebengedachte Bruder die kaum erwähnte Offenbarung durch Frau Brigitta empfangen hatte, bat er sie, sie möge Gott fragen, ob Christus ein Eigentum gehabt, sowie über die Gewalt des Papstes und der Messe lesenden Priester. Als die Frau so betete, erschien ihr die Jungfrau Maria und antwortete auf alles, wie folgt.

"Sage jenem Bruder, meinem Freunde: Es ist Dir nicht gestattet, zu wissen, ob die Seele des Papstes Johannes XXII. in der Hölle oder im Himmel ist, weil es Dir nicht zusteht, von jenen Sünden etwas zu wissen, welche dieser Papst mit sich nahm, als er nach seinem Tode vor das Gericht Gottes kam. Sage ihm, daß die Dekretalen, welche dieser Papst Johannes über das Eigentum Christi erließ und festsetzte, keinen Irrtum gegen den katholischen Glauben, noch eine andere Ketzerei enthalten. Ich selbst, die ich denselben wahren Gott geboren, lege Zeugnis ab, wie derselbe Jesus Christus, mein Sohn, ein einziges Eigentum und in Besitz gehabt hat, und dieses war jener Rock, den ich mit eigenen Händen gefertigt hatte. Dieses bezeugt der Prophet in der Person meines Sohnes, indem er also spricht: Um mein Kleid haben sie das Los geworfen. (Psalm XXI.) Merke wohl, wie er nicht gesagt hat, unser Kleid, sondern mein Kleid. Du sollst auch wissen, daß, so oft ich ihm diesen Rock zum Dienste seines heiligsten Leibes anlegte, meine Augen alsbald sich mit Thränen füllten und mein ganzes Herz mit Trübsal und Schmerz gepeinigt und von heftiger Bitterkeit gequält ward, und zwar deshalb, weil ich die Art gar wohl kannte, wie inskünftige dieser Rock von meinem Sohne ge- Seiten-Icon 234 schieden werden sollte, nämlich zur Zeit seines Leidens, als er selber nackt und unschuldig von den Juden gekreuzigt ward; es ist ja dieser Rock das Kleid gewesen, um das seine Kreuziger das Los geworfen haben. Keiner hat während seines Lebens diesen Rock getragen, als er allein. - Wisse auch, wie alle diejenigen vom Geiste des Teufels in der Hölle ausgeblasen sind, welche irrtümlich behaupten, der Papst sei nicht der rechte Papst, und die Priester seien keine wahren Priester, noch recht geweiht, und das sei nicht der rechte Leib meines gedenedeiten Sohnes, welcher bei der Feier der Messe durch die Priester konsekriert wird. Alle diese Ketzer, welche durch so große Bosheiten und abscheuliche Sünden wider Gott sich vergangen, eine ungeheure Schuld angehäuft haben und mit teuflischer Schlechtigkeit angefüllt sind, werden auch um ihrer Ketzerei willen verdammlicherweise ausgeschlossen und verstoßen aus der Zahl der Herde der ganzen Christenheit vor dem Gerichte der Gerechtigkeit der göttlichen Majestät, wie Judas aus der heiligen Zahl der Apostel, um seiner überaus argen Schuld willen, weil er Christum, meinen Sohn, verraten, ausgeschlossen und verstoßen ward. Wisse aber, wie alle diejenigen, welche sich bekehren wollen, von Gott Barmherzigkeit erlangen."

Kapitel IX.

Wie Christus mit der Frau Brigitta redete, als dieselbe im Gebete war, und derselben befiehlt, sie solle nun gen Jerusalem gehen, wozu er ihr körperliche Rüstigkeit und die notwendigen Geldmittel verheißt.

Der Sohn Gottes redete zur seligen Braut und sprach: "Jetzt gehet und ziehet von Rom gen Jerusalem. Was wendest Du Dein Alter vor? Ich bin der Schöpfer der Natur. Ich kann die Natur schwach und stark machen, wie es mir gefällt. Ich werde mit Euch sein, werde Eueren Weg ebnen, Euch hinführen und wieder zurückbringen nach Rom, und für Euere Reisebedürfnisse reichere Mittel Euch verschaffen, als Ihr bisher gehabt habet." Seiten-Icon 235

Kapitel X.

Die Jungfrau Maria redet mit der Braut Christi, der Frau Brigitta, und sagt, wie es durchaus Gottes Wille nicht sei, daß die Geistlichen Weiber haben, noch sich mit dem Laster des Fleisches beflecken: kein Papst dürfe die Ehe der Geistlichen zugeben, noch in der Kirche Gottes aufkommen lassen.

"Freue Dich ewiglich, Du gebenedeiter Leib Gottes, in ewiger Ehre und in stetem Siege, und in Deiner ewigen Allmacht zugleich mit Deinem Vater und dem heiligen Geiste, wie auch mit Deiner gebenedeiten hochwürdigen Mutter, samt dem ganzen herrlichen, himmlischen Hofe. Lob sei Dir auch, Du ewiger Gott, und unendlicher Dank dafür, daß Du Dich herabgelassen hast, Mensch zu werden, und daß Du gewollt hast, daß Dein verehrungswürdiger Leib auf Erden aus leiblichem Brote konsekriert und uns zum Heile unserer Seelen liebreich zu einer Speise gewährt werde!

Es begab sich, daß eine Person, da sie dem Gebete oblag, eine Stimme vernahm, welche zu ihr sprach: O Du, welcher gegeben worden, auf eine geistliche Weise zu hören und zu sehen, vernimm jetzt das, was ich Dir von jenem Erzbischofe offenbaren will, welcher gesagt, daß, wenn er Papst wäre, er allen Geistlichen und Priestern die Erlaubnis geben würde, fleischlicherweise Ehen einzugehen, indem er dachte und meinte, daß solches Gott angenehmer sei, als wenn die Geistlichen in solcher Ausgelassenheit lebten, wie sie jetzt thun; denn er glaubte, daß bei solcher Verehelichung größere fleischliche Sünden vermieden würden. Obgleich er hierin den Willen Gottes nicht richtig verstanden, war jener Erzbischof gleichwohl ein Freund Gottes. Nun aber will ich Dir den Willen Gottes in diesem Stücke sagen, weil ich selber Gott geboren habe, und Du sollst es auch meinem Bischofe zu wissen thun und also zu ihm sprechen: Dem Abraham ist die Beschneidung lange vorher gegeben worden, ehe Moses das Gesetz erhalten hat, und zu Abrahams Zeit ließen sich die Menschen, ein jeglicher nach seinem Verstande und nach dem Belieben seines eigenen Willens regieren, gleichwohl waren damals viele von ihnen Freunde Gottes. Nachdem aber dem Moses das Gesetz gegeben worden war, war es mehr Seiten-Icon 236 Gottes Wille, daß die Menschen unter und nach dem Gesetze lebten, als nach ihrer eigenen menschlichen Willkür und Einsicht. Auf ähnliche Weise verhielt es sich mit dem gebenedeiten Leibe meines Sohnes. Denn nachdem er selbst in der Welt dieses neue Sakrament der Eucharistie eingesetzt hatte und zum Himmel aufgefahren war, war jenes alte Gesetz noch in Übung, nach welchem auch christliche Priester im Ehestande lebten. Nichtsdestoweniger waren viele unter ihnen Freunde Gottes, weil sie in einfältiger Reinheit glaubten, Gott habe kein Mißfallen daran, daß christliche Priester Eheweiber hätten und in der Ehe lebten, wie er solches in der alten Zeit der Juden den jüdischen Priestern gestattete. Und also ward es von den christlichen Priestern viele Jahre lang gehalten. Aber diese Weise und alte Gebrauch war gleichwohl im Lichte des himmlischen Hofes etwas sehr Hassenswertes, sowie auch vor mir, die ich seinen Leib geboren habe, welchen beweibte christliche Priester im hochheiligen Sakramente mit ihren Händen berühren müßten. Die Juden unter dem alten Gesetze hatten nur einen Schatten, d. h. das Bild dieses Sakramentes, die Christen aber haben nun die Wahrheit selber, nämlich Christum, wahren Gott und wahren Menschen, in jenem gebenedeiten und konsekrierten Brote. Nachdem nun diese Gewohnheit eine geraume Zeit in der christlichen Priesterschaft geherrscht hatte, gab ein damals regierender Papst auf Eingebung des heiligen Geistes die Gott wohlgefälligere Verordnung heraus, es sollten die christlichen Priester, welche das so heilige und würdige Amt der Konsekration hätten, durchaus nicht in der befleckenden ehelichen Fleischeslust leben dürfen. Und darum ist auch nach Gottes Verordnung und Ratschluß mit Recht festgesetzt, daß die Priester, welche nicht in Keuschheit und Enthaltsamkeit des Fleisches leben, vor Gott verflucht und in den Bann gethan, auch wert sind, des Priesteramtes verlustig zu gehen. Diejenigen aber, welche sich mit dem wahren Vorsatze, nicht ferner zu sündigen, bessern, werden bei Gott Barmherzigkeit erlangen. -

Auch dieses sollst Du wissen, daß ein Papst, wenn er den Priestern die Erlaubnis gewähren würde, eine Ehe einzugehen, von Gott durch einen solchen Richterspruch geistlicherweise verdammt werden wird, gleichwie ein Mensch, der sich so schwer vergangen hätte, daß man ihm nach Recht und Gerechtigkeit die Augen leiblich Seiten-Icon 237 ausstechen und die Zunge samt den Lippen und die Nase mit den Ohren abschneiden, die Hände und Füße abhauen, alles Blut seines Leibes vergießen und seinen blutlosen Leib den Hunden und anderen wilden Tieren zum Fraße vorwerfen würde. Ähnlich würde es fürwahr jenem Papste geistlicherweise ergehen, der eine solche Erlaubnis zum Eingehen der Ehe wider die Anordnung und den Willen Gottes den Priestern erteilen würde; - eben dieser Papst würde des geistlichen Gesichtes und Gehöres, auch der geistlichen Werke und Worte von Gott gänzlich beraubt werden, seine ganze geistliche Weisheit würde durchaus erstarren und überdies nach seinem Tode seine Seele zu ewiger Pein in die Hölle gestoßen werden, um daselbst ewiglich und ohne Ende eine Speise der Teufel zu sein. Ja, wenn auch schon der heilige Papst Gregorius dieses verordnet hätte, so würde diese Sentenz ohne Barmherzigkeit an ihm vollzogen worden sein, wofern er es nicht vor seinem Tode demütig widerrufen hätte."

Kapitel XI.

Folgendes ist der Anfang einer Offenbarung, welche die Frau Brigitta für die Frau Königin von Neapel in derselben Stadt gehabt. Andere Dinge, welche darin begriffen waren, werden nicht mit hierher gesetzt, weil es Geheimnisse sind, welche den Stand und die Person der gedachten Frau Königin betreffen.

"Ich bin Gott, der Schöpfer aller Dinge. Ich habe den Engeln und Menschen den freien Willen gegeben, so daß die, welche meinen Willen thun wollen, ewig bei mir bleiben, deren Gesinnung mir aber entgegen ist, von mir getrennt werden sollen. So sind einige von den Engeln Teufel geworden, weil sie mich weder lieben, noch mir gehorchen wollten. Als darauf der Mensch erschaffen worden war und der Teufel meine Liebe zu demselben erblickte, war es ihm nicht genug, mein Feind zu sein, sondern er erhob wider mich Streit, da er Adam zur Übertretung meiner Gebote anreizte, und nachdem er durch meine gerechte Zulassung damals über den Menschen den Sieg errang, sind wir, ich und der Teufel, in Streit miteinander, weil ich will, daß der Mensch nach meinem Willen Seiten-Icon 238 lebe, der Teufel aber trachtet danach, daß der Mensch seiner Begierlichkeit folgen möge. In dem Augenblicke aber, wo ich mit dem Blute meines Herzens den Himmel öffnete, ist der Teufel seines Rechtes, welches er zu haben schien, beraubt und die Seelen, welche es würdig waren, gerettet und erlöst worden. Von da ist es nun ein Gesetz, daß es in des Menschen Willen stehen solle, mir, seinem Gott, zu folgen, um die ewige Krone zu erlangen, aber ewige Pein zu haben, wenn er dem Verlangen des Teufels folgt. So also streiten ich und der Teufel, indem wir Seelen begehren, wie Bräutigame nach ihren Bräuten; ich verlange nach den Seelen, um ihnen ewige Freude und Ehre zu gewähren, der Teufel aber, um ihnen ewigen Schrecken und Schmerz zu bereiten."

Kapitel XII.

Folgende Offenbarung ward der Frau Brigitta zu Neapel auf Ansuchen des Herrn Bernhard, des Erzbischofs von Neapel, von Gott zu teil. Dieser hatte sie gebeten, sie möge in bezug auf etliche Zweifel, die er hatte, im Gebete zu Gott sich wenden. Christus erschien ihr und antwortete auf alle Zweifel des Erzbischofs, indem er ihr Lehren und Weisen angiebt, welche jener sowohl in der Regierung seines Hauses, als in der Regierung der Untergebenen in seinem Sprengel befolgen soll.

Christus redete zur Braut und sprach: "Sage jenem Bischofe, daß er, wenn er in der Gerechtigkeit des göttlichen Gerichtes bestehen will, nicht dem Wandel und den Sitten des meisten Teiles derer nachfolgen solle, welche jetzt die Regenten der Kirche sind. Ich zwar habe den menschlichen Leib angenommen von der Jungfrau, um mit Worten und Werken jenes Gesetz zu erfüllen, das in der Gottheit von Ewigkeit her geordnet war, indem ich die Pforten des Himmels mit dem Blute meines Herzens öffnen und durch Worte und Werke den Weg also erleuchten sollte, so daß alle meines Vorbildes sich bedienen könnten, um das ewige Leben zu verdienen. Aber wahrlich! jene Worte, welche ich gesprochen, und die Werke, welche ich in der Welt verrichtet habe; sind nun fast gänzlich vergessen und vernachlässigt, und dazu hat niemand so viel mitgewirkt, als die Prälaten der Kirche, welche voll Hoffart, Begierlichkeit und Seiten-Icon 239 Fäulnis leiblicher Lust sind, was alles meinen Geboten, sowie den ehrbaren Satzungen der heiligen Kirche zuwider ist, die meine Freunde nach meiner Himmelfahrt aus großer Andacht aufgerichtet haben. Jene lasterhaften Prälaten der Kirche haben, mit der Bosheit des bösen Geistes erfüllt, den Seelen der Menschen so viele schädliche Beispiele hinterlassen, daß ich von ihnen volle Gerechtigkeit fordern muß. Ich werde das Urteil über sie fällen, daß sie aus dem Buche des Lebens im Himmel ausgelöscht, neben meinen Feind Luzifer in die Hölle gesetzt und in den höllischen Wohnungen ewig gepeinigt werden. Doch sollst Du wissen, daß ich denjenigen, welche sich vor dem Tode haben bessern und mich mit ganzem Herzen lieben und sich der Sünden enthalten wollen, meine Barmherzigkeit zu erweisen bereit bin. Sage ihm also als von meiner Seite folgende Worte: Mein Herr! es begiebt sich zuweilen, daß aus einem schwarzen Ofen eine schöne Flamme ausgeht, welche geeignet und notwendig ist, schöne Werke zu schmieden. Gleichwohl darf man alsdann nicht den Ofen um seiner Schwärze willen loben, sondern demjenigen gebührt Lob, Ehre und Danksagung, welcher der Künstler und Meister jener Werke ist. Ähnlicherweise verhält sich's mit mir Unwürdigen, wenn Ihr in meinen Ratschlägen etwas Heilsames möchtet angetroffen haben, weil Ihr alsdann nicht mir, sondern Gott selber, welcher alles gemacht hat und macht, auch den vollkommenen Willen hat, Gutes hervorzubringen, unendlichen Dank und beständig gutwilligen Dienst leistet. Mein Herr! ich beginne zuerst von dem zu reden, was vieler Seelen Heil betrifft. Ich rate Euch, wofern Ihr Gottes Freundschaft haben wollt, daß Ihr weder selber, noch durch einen anderen Bischof Leute zu den heiligen Weihen zulassen wollet, wenn sie nicht zuvor durch gute Geistliche sorgfältig geprüft und im Leben und Wandel so geeignet befunden worden, daß sie nach dem Zeugnisse weiser und wahrhaftiger Männer solches Amt anzunehmen als würdig sich bewährt haben. Gebt auch fleißig acht, daß alle anderen Euch untergebenen Bischöfe und die Suffraganen Eueres Erzbistums ähnlich verfahren. Denn niemand kann glauben. wie groß der Zorn Gottes wider jene Bischöfe ist, welche keine Sorge zu tragen, noch fleißig zu prüfen wissen, wie diejenigen beschaffen sind, welche sie zur Würde solcher Weihen in ihren Bistümern befördern. Thun sie es nun entweder auf Seiten-Icon 240 anderer Ansuchen, oder ans Nachlässigkeit und Trägheit, oder aus Furcht, so werden sie im Gerichte Gottes hierüber strengste Rechenschaft geben müssen. Ich rate Euch auch, daß Ihr fleißig nachfragt, wie viele und welche bepfründete Geistliche in Eueren Sprengeln die Seelsorge haben, und daß Ihr dieselben wenigstens einmal in jedem Jahre vor Euch bescheidet, um dann mit ihnen sowohl über das Heil ihrer eigenen, als der Seelen ihrer Untergebenen zu verhandeln, und wenn sie vielleicht an einem Tage nicht alle zusammenkommen können, mögen ihnen Termine und Tage angesetzt werden, an denen sie in jedem Jahre bei Euch besonders zusammenkommen müssen, so daß niemand unter ihnen ein ganzes Jahr lang in irgend einer Weise sich entziehen kann, mit Euch Rates zu pflegen. Leget ihnen da ans Herz, was für ein Leben diejenigen führen müssen, welche ein so überaus würdiges Amt bekleiden. Ihr sollt auch wissen, daß die Priester, welche Beischläferinnen haben und Messe lesen, Gott so angenehm sind und so gefallen, wie die Einwohner Sodoms, welche Gott in die Hölle versenkte, und daß, obwohl die Messe an sich immer die nämliche ist und dieselbe Kraft und Wirksamkeit hat, doch der Friedenskuß, welchen solche verbuhlte Priester in der Messe geben, Gott so angenehm sei, wie der Kuß des Judas, mit dem er den Heiland Aller verriet. Bemühet Euch daher, soviel Ihr könnt, durch Wort und That, mittels Ermahnung, Tadels, Drohung, beständig dahin zu wirken, daß sie sich bemühen, ein keusches Leben zu führen, vorzüglich mit Rücksicht darauf, daß sie mit einem so überaus heiligen Sakramente umgehen und dasselbe mit ihren Händen anderen gläubigen Christen darreichen müssen. Außerdem sollt Ihr sonach allen höheren Geistlichen, nämlich den Prälaten und Stiftsherren, als auch dem niederen Klerus, die Euerem Regimente unterworfen sind und Einkommen aus den Kirchen haben, heilsame Ratschläge erteilen, daß sie in allem sich fehlerfrei verhalten. Es soll auch niemand glauben, daß ihm zur Vermeidung der sodomitischen Sünde irgend eine andere Art der Unzucht erlaubt oder ihm gestattet sei, deshalb mit Weibern sich zu verunreinigen, weil ein jeglicher Christ, welcher Verstand hat, aber so lange er lebt, des ewigen Lebens nicht achtet, ohne Zweifel nach dem Tode die schwersten Höllenstrafen ewig auszuhalten haben wird. - Auch in betreff Eueres Hausgesindes rate Seiten-Icon 241 ich Euch, daß, um die Hoffart zu vermeiden. dasselbe nicht zu zahlreich sei; es soll vielmehr beschränkt sein nach dem Bedürfnisse Eueres Amtes und nach dem Bedarfe Eueres Standes. Deshalb sollt Ihr die Geistlichen, welche zu Euerem Hause gehören, wo Ihr auch sein möget, mehr um Eueres guten Zeugnisses halber, nicht aber aus eitler Ruhmsucht oder Prachtliebe bei Euch haben; es mögen auch lieber wenige, als viele an der Zahl sein. Von denjenigen Geistlichen aber, welche Ihr unterhaltet, um das Chorgebet zu verrichten, oder um zu lernen oder andere zu lehren, oder zu Schreiben, möget Ihr so viele haben, als Euch beliebt, es ist Euch jedoch nützlich, daß Ihr, so gut Ihr könnt, fleißig Sorge für ihre gute Lebensweise und das Heil ihrer Seelen traget. Gebt auch acht auf Euere übrigen Diener, daß jeder derselben sein Amt habe, und wenn Ihr deren einige entbehren könnt, sollen sie um eitlen Ruhmes willen nicht behalten werden, damit Euer Herz sich nicht erhebe, indem Ihr ein größeres Gesinde habt, als andere Euresgleichgen. Es ist auch gut, wenn Euch das Gesinde, soviel Euch notwendig ist, immer am Herzen liegt, indem Ihr dessen Wandel sorgfältig durchforscht und wie ein rechter Hausvater dasselbe väterlich und mit guten Lehren fördert und mahnt, daß es selber Sünden und Laster fliehen lerne und sich befleißige, über alle Dinge Gott zu lieben; denn Gott ist es angenehmer und Euch nützlicher, wenn Ihr durchaus keinen Hausgenossen um Euch habt, welcher heilsamen Ratschlägen kein Gehör schenken und seine Übertretungen nicht demütig bessern will. - In Bezug auf Euere Kleider gebe ich Euch den Rat, daß Ihr niemals mehr als drei Paare zugleich in Besitz habt, und alles, was darüber hinaus ist, sofort Gott darbringt. An Bettzeug und Handtüchern und Tischlaken behaltet soviel für Euch, als Euch notwendig und nützlich ist; das übrige aber gebt Gott. An Silbergeschirr behaltet nur soviel für Euch, als für Euere Person und die Gäste, welche an Euerem eigenen Tische essen, hinreicht, und das, was danach übrigt, gebt mit heiterem Gemüte Gott, weil Euer Gesinde und die am anderen Tische sitzenden Gäste, ohne sich im mindesten schämen zu müssen, aus zinnernem oder irdenem, hölzernem oder gläsernem Geschirr essen. Denn der Brauch, welcher jetzt in den Häusern der Herren und Bischöfe stattfindet, wo ein das Maß überschreitender Überfluß Seiten-Icon 242 an Gold und Silber gefunden wird, ist Gott, welcher sich für uns jeglicher Armut unterwarf, zum Abscheu und für die Seelen höchst nachteilig. - Ferner hütet Euch vor zu vielen und zu kostbaren Speisen; ingleichen haltet nicht zu große und teure Pferde, sondern solche, die mäßig in Größe und im Preise sind, denn solcher Pferde bedürfen diejenigen, welche sich zur Verteidigung der Gerechtigkeit und zum Schutze des Lebens, nicht aber aus Hoffart in die Kriegsgefahr hinauswagen. Ja, ich sage Euch, daß, so oft die Prälaten aus Hoffart und eitler Ruhmsucht prächtige Pferde besteigen, der Teufel sich auf ihre Herzen setzt. Ich kenne eine Person, welche kohlschwarze Teufel erblickte welche den Prälaten und Kardinälen, sobald sie ihre prächtigen Reitpferde bestiegen, sich auf den Nacken setzten, und wenn sie hoch zu Roße saßen und ihre Pferde spornten, höhnischerweise und voll Freude ihre Häupter erhoben und ihre Fersen gegen die Brust der Reiter stießen. - Noch gebe ich Euch den Rat, daß Ihr Eueren Vikaren unter dem Eide das Versprechen abnehmet, daß sie in der Verwaltung Eueres Amtes sich nichts gegen die Gerechtigkeit zu thun unterstehen; thäten sie nachher das Gegenteil, so lasset sie nach der Gerechtigkeit strafen. Wofern Ihr das so, wie gesagt worden, thut, dann möget Ihr vertrauen, ein gutes Gewissen zu haben. - Ingleichen rate ich zum Troste derjenigen Seelen Euerer Verstorbenen, über welche Ihr mich gefragt, ob sie am Reinigungsorte seien oder nicht, sowie in betreff der Almosen, welche für sie geleistet werden sollen, daß Ihr ein Jahr hindurch täglich zwei Messen für dieselben lesen, täglich zwei Arme speisen, sowie wöchentlich einen Gulden an Geld an die Armen verabreichen lassen sollt. Saget auch den Pfarrgeistlichen, sie sollten ihre Pfarrkinder zu bessern suchen, ihre offenbaren Sünden in den ihnen zukommenden Fällen zurechtweisen und wenn sie diese nicht annehmen wollen, mit Strafen belegen. Kennet Ihr solche, welche wider Gott und die Gerechtigkeit öffentlich sich vergehen, so sollt Ihr, mögen sie auch noch so große Herren sein, daß Euere Strafgerechtigkeit sie nicht erreichen kann, mit sanften und gelinden Worten sie ermahnen, daß sie sich bessern; wollen sie nicht gehorchen, so sollt Ihr sie dem Gerichte Gottes überlassen, welcher Eueren guten Willen ansehen wird. Man darf ja ein sanftmütiges Lamm nicht dem Wolfe zwischen die grausamen Zähne werfen, weil der Wolf hierdurch noch räuberischer werden wird, Seiten-Icon 243 doch geziemt es sich, daß man sie mit Liebe vor der Gefahr ihrer Seelen warne, wie der Vater mit seinen Kindern thut, wenn ihm dieselben zuweilen entgegenhandeln. Hütet Euch aber, die Strafen aus Furcht für Eueren Leib zu unterlassen, wenn nicht etwa daraus eine Gefahr für die Seelen hervorgehen möchte."

Kapitel XIII.

Die nachfolgende Offenbarung an die Braut Christi, die Frau Brgitta, begann zu Neapel sofort nach dem Tode des ritterlichen Karl, ihres Sohnes; das Gesicht dauerte mit Unterbrechungen auf der Jerusalemsfahrt fort, bis sie nach Jerusalem kam. Daselbst hat es in der Kirche des heiligen Grabes des Herrn ein Ende genommen. Es enthält in sich die Anführungen, welche in dem göttlichen Gerichte vor dem Richter Christus durch die Jungfrau Maria und durch den Engel für die Seele des gedachten Ritters vorgebracht sind, sowie dasjenige, was der Teufel wider diese Seele vorgebracht hat, und das Urteil Christi über ihre Erlösung.

Die Jungfrau Maria redete mit der seligen Brigitta und sprach: "Ich will Dir sagen, wie ich der Seele Deines Sohnes Karl gethan, als sie sich von ihrem Leibe schied. Ich habe gehandelt, wie ein Weib, das einem anderen Weibe bei der Geburt beisteht, dem Kinde zu helfen, damit es nicht im Blutflusse sterbe und im engen Durchgange, den das Kind zu nehmen hat, nicht ersticke und die Feinde des Kindes, welche in demselben Hause sind, dasselbe nicht töten können. In ähnlicher Weise habe ich gehandelt. Ich stand neben Deinem Sohne Karl kurz zuvor, ehe er seinen Geist ausgab, damit er die fleischliche Liebe nicht so im Gedächtnisse habe, daß er um derselben willen etwas dächte oder redete, was Gott mißfällig, noch etwas unterließe, wodurch er Gott gefalle, noch auch dasjenige, was auf irgend eine Art dem göttlichen Willen entgegen sein könnte, zum Nachteile seiner Seele vollbringe. Auf gleiche Weise habe ich ihm in jenem engen Durchgange, d. h. beim Ausgange der Seele aus dem Leibe, geholfen, daß er keine so harte Pein im Tode zu dulden habe, weil er dadurch die Beständigkeit hätte verlieren und in Verzweiflung hätte fallen können und damit er im Tode Gott nicht vergäße. Ich habe auch dergestalt seine Seele vor seinen Seiten-Icon 244 Todfeinden, d. h. vor den Teufeln, bewahrt, daß keiner von ihnen dieselbe hat berühren können, sondern sobald sie aus dem Leibe herausgegangen, habe ich sie in meinen Schutz und Schirm genommen. Auf dieses hin floh die ganze Schar der Teufel, welche in ihrer Bosheit die Seele zu verschlingen und ewig zu quälen begehrten, eilends davon und entwich. Wie aber nach Karls Tode über dessen Seele Gericht gehalten worden, soll Dir vollständig gezeigt werden, wenn es mir gefällig sein wird."

Die zweite Offenbarung über denselben Gegenstand.

Nach dem Zwischenraume etlicher Tage erschien dieselbe Jungfrau Maria der Frau Brigitta, als dieselbe im Gebete wachte, und sprach: "Jetzt ist Dir aus göttlicher Güte verstattet, zu sehen und zu hören, wie über die eben erwähnte Seele Gericht gehalten worden, als sie aus dem Körper herausgegangen war. Und was damals in einem Augenblicke vor der unbegreiflichen Majestät Gottes geschehen ist, wird Dir im Ernste abschnittweise durch ein leibliches Gleichnis gezeigt werden, so daß es Dein Verstand zu fassen vermag." In diesem Augenblicke erblickte sich Frau Brigitta in einen schönen und großen Palast entrückt, und sah den Herrn Jesum Christum auf dem Richterstuhle, wie einen Kaiser, der eine Krone trägt, sitzen samt einem unendlichen Heere dienender Engel und Heiligen. Neben ihm stand seine allerwürdigste Mutter und hörte dem Gerichte aufmerksam zu. Es ward auch eine Seele erblickt, welche in großer Furcht und Zagen vor dem Richter stand. Sie war nackt, wie ein neugeborenes Kind, und fast gänzlich blind, so daß sie nichts sah. Im Gewissen aber erkannte sie, was im dem Palaste gesprochen und verhandelt ward. Ein Engel aber stand zur rechten Seite des Richters neben der Seele, und ein Teufel zu seiner Linken; aber keiner von beiden berührte oder griff die Seele an. Endlich rief der Teufel und sprach: "Höre, Du allmächtigster Richter, ich klage vor Dir gegen ein Weib, das beides ist, - meine Gebieterin und Deine Mutter, die Du so lieb hast, daß Du sie mächtig gemacht hast über Himmel und Erde und über uns höllische Teufel; sie hat ein Unrecht gethan in betreff jener Seele, die hier steht. Der Gerechtigkeit gemäß hätte ich diese Seele sogleich, nachdem sie aus dem Körper hinausgegangen war, ergreifen und mit meinen Genossen vor Dein Seiten-Icon 245 Gericht stellen sollen. Aber siehe! da ergreift, o gerechter Richter, dieses Weib, Deine Mutter, jene Seele, ehe sie gleichsam hinausging aus des Menschen Munde, und trug sie unter ihrem starken Schirme vor Dein Gericht." Darauf antwortete Maria, Gottes Mutter und Jungfrau, also: "Höre, du Teufel, meine Antwort an. Als du erschaffen worden warest, verstandest du jene Gerechtigkeit, die in Gott von Ewigkeit her und ohne Anfang war. Du hast auch den freien Willen gehabt, zu thun, was dir am besten gefiele, und obwohl du lieber erwählt hast, Gott zu hassen, denn zu lieben, so erkennst du doch gleichwohl allezeit, was der Gerechtigkeit entsprechend geschehen muß. Ich sage dir also, daß es vielmehr mir, als dir zukam, diese Seele Gott darzustellen. Denn während diese Seele im Leibe war, hatte dieselbe eine große Liebe zu mir, und hat häufig in ihrem Herzen darüber nachgedacht, wie mich Gott gewürdigt hat, mich zu seiner Mutter zu machen, und wie er mich über alles Erschaffene hat erhöhen wollen. Und infolge dessen begann sie Gott mit solcher Liebe zu umfassen, daß sie in ihrem Herzen also sprach: Ich freue mich so sehr darüber, daß Gott die Jungfrau Maria, seine Mutter, vor allem am liebsten hat, daß es kein Geschöpf und keine leibliche Lust in der Welt giebt, welche ich mit jener Freude vertauschen möchte; ja, ich würde jene Freude allen irdischen Vergnügungen vorziehen, und wenn es möglich wäre, daß sie auch nur in einem geringsten Teile von der Würde, in welcher sie sich befindet, von Gott sich mehr entfernen könnte, so wollte ich lieber ewig in der Tiefe der Hölle gepeinigt werden, und darum sei Gott für jene gebenedeite Gnade und unermeßliche Herrlichkeit, welche er seiner allerwürdigsten Mutter gewährte, unendlicher Dank gesagt und ewige Herrlichkeit. Wohlan, o Teufel! so siehe denn nun, in welcher Willensverfassung dieser gestorben ist und sage, was von beiden am gerechtesten ist, daß seine Seele vor dem Gerichte Gottes in meinen Schutz, oder daß sie in deine Hände käme, um ruchlos gepeinigt zu werden?" Der Teufel antwortete: "Es ist nicht meines Rechtes, daß jene Seele in meine Hände komme, welche dich, bevor das Gericht geschehen, mehr geliebt hat, als sich. Aber obschon Du nach dem Ausspruche der Gerechtigkeit ihr jene Gnade bereits vor dem Gerichte erwiesen hast, so wird sie doch nach dem Gerichte durch ihre Werke in meine Hände zur Bestrafung überliefert werden müssen. Seiten-Icon 246 und jetzt frage ich Dich, o Königin, weshalb hast Du uns Teufel alle beim Ausfahren seiner Seele so aus der Gegenwart in seinem Leibe hinweggetrieben, daß keiner von uns ihm einigen Schrecken verursachen, noch Furcht einflößen konnte?" Die Jungfrau Maria antwortete: "Das habe ich um der feurigen Liebe willen getan, welche er zu meinem Leibe getragen, und für die Freude, welche er darüber gehabt hat, daß ich die Mutter Gottes bin. Deshalb habe ich von meinem Sohne die Gnade erlangt, daß kein böser Geist ihm nahen konnte, wo er immer war, und wo er jetzt ist." Hierauf redete der Teufel zum Richter und sprach: "Ich weiß, daß Du die Gerechtigkeit und Macht selber bist, und dem Teufel ebensowenig unrecht thust, als dem Engel. Sprich also mir diese Seele zu; denn ich habe mit jener Wissenschaft, welche ich gehabt, als Du mich geschaffen, alle ihre Sünden aufgeschrieben und mit jener Bosheit, welche in mir war, als ich aus dem Himmel fiel, habe ich auch alle ihre Sünden verwahrt. Als diese Seele zu dem Alter der Entscheidung gekommen war, wo sie richtig erkannte, das, was sie thue, Sünde sei, da trieb ihr eigener Wille sie mehr dazu, in weltlicher Hoffart und fleischlicher Lost zu leben, als denselben Widerstand zu leisten." Der Engel antwortete: "Als seine Mutter zuerst erkannte, wie sein Wille zur Sünde sich neige, kam sie ihm alsbald mit Werken der Barmherzigkeit und mit vielem Gebete zu Hilfe, daß Gott sich seiner erbarmen möge, und er sich nicht von dort entferne. Diese Werke seiner Mutter erwarben ihm die Furcht Gottes, so daß er, so oft er in eine Sünde fiel, sofort dieselbe zu beichten sich beeilte." Der Teufel antwortete: "Ich muß seine Sünden erzählen," und als er damit sogleich anfangen wollte, begann er zu schreien und zu jammern, und sorgfältig in seinem Kopfe und an allen seinen Gliedern, welche er zu haben schien nachzusuchen, und zitternd und in höchster Verwirrung rief er: "Wehe mir Elenden! meine lange Mühe ist umsonst, denn alles, was ich aufgeschrieben habe, sehe ich ausgelöscht und vernichtet; ich weiß mich der Zeiten, wo er sündigte, ebensowenig zu erinnern, als der Sünden, die ich aufgeschrieben habe." Der Engel antwortete: "Das haben die Thränen, die langen Arbeiten und die vielen Gebete seiner Mutter bewirkt, so daß Gott mit ihren Seufzern Mitleid hatte und ihrem Sohne die Gnade gewährte, daß er jede begangene Sünde Seiten-Icon 247 bereute, und aus Liebe zu Gott eine demütige Beicht ablegte; und deshalb sind seine Sünden in deinem Gedächtnisse vergessen und ausgelöscht." Der Teufel antwortete und versicherte, er habe noch einen ganzen Sack voll solcher Schriften, nach denen der in Rede stehende Ritter sich zwar vorgenommen habe, für feine Sünden Buße zu thun, es aber später nicht gehalten habe und deshalb, sagte er, muß ich ihn peinigen, bis er durch seine Strafe genug gethan hat, weil er es nicht beachtete, während seines Lebens für alle Sünden Buße zu thun. Der Engel antwortete: "So öffne den Sack und verlange das Gericht über die Sünden, um derentwillen du ihn peinigen mußt." Auf diese Worte schrie der Teufel wie unsinnig und sprach: "Ich bin meiner Macht beraubt; denn es ist mir nicht allein der Sack abgenommen, sondern auch die Sünden, mit denen er angefüllt war. Dieser Sack, welcher alle meine Beschuldigungsgründe enthielt, war seine Trägheit, womit er Gutes zu thun versäumt hat." Der Engel antwortete: "Dich haben die Thränen seiner Mutter gehindert, und den Sack zerrissen und die Schrift zerstört, weil ihre Thränen Gott gefallen haben." Der Teufel antwortete: "Ich habe hier noch etwas vorzubringen, nämlich seine läßlichen Sünden." Der Engel antwortete: "Er hatte aber den Willen, sein Vaterland zu verlassen, seinen Gütern, seinen Freunden zu entsagen, unter vielen Beschwerden die heiligen Stätten zu besuchen und alles dieses zu thun bereits begonnen, auch sich vorbereitet, um sich der Gnade des Ablasses würdig zu machen; er hatte auch Verlangen getragen, durch Buße Gott, seinen Schöpfer, zu versöhnen, darum sind alle jene Beschuldigungsgründe, welche du, wie du sagst, aufgeschrieben hast, aufgehoben." Der Teufel antwortete: "Gleichwohl muß ich noch wegen aller der läßlichen Sünden, welche er begangen hat, und welche durch den Ablaß mit nichten ausgelöscht sind, auf seiner Strafe bestehen, denn es sind deren tausendmal Tausend, die alle auf meiner Zunge geschrieben sind." Der Engel antwortete: "Strecke die Zunge heraus und laß die Schrift sehen." Unter großem Geheule und Geschrei antwortete der Teufel wie ein Unsinniger, und sprach: "Wehe mir! nicht ein Wort habe ich zu sagen, denn mir ist die Zunge an der Wurzel abgeschnitten, samt ihren Kräften." Der Engel antwortete: "Das hat seine Mutter durch ihre ununterbrochenen Gebete und ihre Arbeit bewirkt, weil Seiten-Icon 248 sie seine Seele mit ganzem Herzen liebte. Darum hat es Gott um ihrer Liebe willen gefallen, ihm alle seine läßlichen Sünden nachzusehen, die er von seiner Kindheit an bis zu seinem Tode begangen hat und deshalb ist es wohl glaublich, daß deine Zunge ihre Kräfte verloren hat." Der Teufel antwortete: "Noch eines habe ich in meinem Herzen sorgfältig aufbewahrt, was niemand vertilgen kann; nämlich, daß er manches widerrechtlich erworben hat, und ohne daran zu denken, es wieder zu erstatten." Der Engel antwortete: "Dafür hat seine Mutter mit Almosen, Gebet und Werken der Barmherzigkeit genuggethan, so daß die Strenge der Gerechtigkeit sich zur milden Barmherzigkeit geneigt und ihm Gott einen vollkommenen Willen gegeben hat, ohne irgend welche Schonung seiner Güter in allen Stücken nach seinem Vermögen denen volle Genüge zu thun, denen er etwas widerrechtlich genommen hatte und diesen Willen hat Gott für die That genommen, weil er nicht länger leben konnte. Seine Erben müssen daher diese Genugthuung übernehmen, wie sie können." Der Teufel antwortete: "Wenn ich also keine Macht habe, ihn für seine Sünden zu strafen, so muß ich ihn doch deshalb züchtigen, weil er keine guten Werke und Tugenden geübt hat, als er seine vollkommenen Sinne und die Kräfte eines gesunden Leibes hatte, denn seine Tugenden und guten Werke sind die Schätze, welche er nach einem solchen Reiche, nämlich zum Reiche der Herrlichkeit Gottes, hätte mitbringen sollen. Gestatte also, daß ich durch Pein ersetze, was ihm an tugendhaften Werken abging." Der Engel antwortete: "Es steht geschrieben, daß dem, der da bittet, gegeben, dem, der da beharrlich klopft, aufgethan werden wird. Höre also, du Teufel! Seine Mutter hat mit liebevollen Gebeten und Werken des Mitleids beharrlich an die Pforte der Barmherzigkeit mehr als dreißig Jahre lang für ihn geklopft, und viele tausend Thränen dafür vergossen, daß Gott sich würdigen möge, seinem Herzen den heiligen Geist einzugießen, damit dieser ihr Sohn seine Güter, seinen Leib und seine Seele zum Dienste Gottes mit willigem Herzen dargeben möge. So hat es auch Gott gethan, denn dieser Ritter ist so inbrünstig geworden, daß er zu nichts anderem mehr zu leben verlangte, als Gottes Willen zu folgen. und siehe! Gott hat nach so langen Bitten seinen gebenedeiten Geist in sein Herz eingegossen. Die Jungfrau, die Mutter Gottes, aber hat ihm aus ihrer Kraft alles Seiten-Icon 249 gegeben, was ihm an geistlichen Waffen und an Kleidern fehlte, welche jenen Rittern gebühren, die zum höchsten Kaiser in das Himmelreich eingehen sollen. Auch die ins Himmelreich versetzten Heiligen, welche dieser Ritter, solange er in der Welt lebte, lieb gehabt, haben ihm aus ihren Verdiensten Trost zugewendet. Er selbst hat einen Schatz gesammelt, wie jene Pilger, welche täglich vergängliche Güter in ewigen Reichtum verwandeln, und weil er selber also gethan, wird er ewige Freude und Ehre erlangen, namentlich aber für jenes brennende Verlangen, das er gehabt hat, nach der heiligen Stadt Jerusalem zu wallfahrten, sowie dafür, daß er inbrünstig begehrt hat, sein Leben gern im Kampfe daran zu setzen, daß das heilige Land wieder unter die Herrschaft der Christen zu dem Ende gebracht werden möchte, damit das herrliche Grab Gottes in schuldiger Verehrung möge gehalten werden, wofern er anders einem so großen Werke hätte genügen können. Darum, du Teufel, hast du kein Recht, das durch deine Pein zu ergänzen, was er persönlich nicht vollbracht hat." Der Teufel antwortete: "Noch besitzt er die Krone nicht und wenn ich etwas ersinnen könnte, um seine Unvollkommenheit zu begründen, würde ich es gern thun." Der Engel antwortete: "Es ist gewiß, daß alle, welche sich selbst den Sieg über die Hölle verschaffen, indem sie ihre Sünden wahrhaft bereuen, nach dem göttlichen Willen sich freiwillig richten, und Gott mit ganzem Herzen lieben, Gottes Gnade erlangen werden, Gott will ihnen aus der Siegeskrone seines gebenedeiten menschlichen Leibes eine Krone geben, sobald sie nach Recht und Gerechtigkeit rein geworden sind, und deshalb, o Teufel! kommt es dir am wenigsten zu, an seiner Krone etwas zu bemakeln." Als der Teufel dieses hörte, schrie er, brüllte ungeduldig und sprach: "Wehe mir, nun ist mir mein ganzes Gedächtnis genommen worden; denn nun erinnere ich mich an nichts weiter, worin dieser Ritter meinem Willen gefolgt ist, und was noch wunderbarer ist, ich habe sogar den Namen vergessen, womit er in seinem Leben genannt wurde." Der Engel antwortete: "Wisse, daß er jetzt im Himmel ein Sohn der Zähren genannt wird." Der Teufel aber schrie laut und antwortete: "So sei verflucht jene Schweinmutter, ja jenes Schwein seine Mutter, in deren weiten Bauch so viel Wasser sich ergießen konnte, daß alle Räume ihres Wanstes mit ihren Thränen angefüllt Seiten-Icon 250 worden sind; verflucht sei sie daher von mir und meiner ganzen Genossenschaft." Der Engel antwortete: "Dein Fluch gereicht Gott zur Ehre und zum Segen aller seiner Freunde." Alsdann aber redete der Richter Christus und sprach also: "Hebe dich hinweg, du feindlicher Teufel." Danach sprach er zur Seele: "Komm Du, o mein Erwählter!" und sofort entfloh der Teufel. Darauf sprach die Braut, welche dieses sah, und sagte: "O ewige und unbegreifliche Kraft, Du selber Gott und Herr, Jesus Christus! Du gießest alle guten Gedanken, Gebete und Thränen in die Herzen. Du verbirgst Deine gnadenreichen Gaben, und gewährst statt derselben ewiglich herrlichen Lohn; Ehre sei Dir daher, und Dienst und Danksagung wegen alles dessen, was Du erschaffen hast. O mein süßester Gott, Du bist mir der allerteuerste, und mir wahrhaft teurer, als mein Leib und meine Seele." Darauf redete auch der Engel mit derselben Braut Christi und sprach: "Du mußt wissen, wie dieses Gesicht Dir nicht nur zu Deinem Troste von Gott gezeigt worden ist, sondern auch deshalb, damit die Freunde Gottes erkennen sollen, wie viel er auf seiner Freunde Gebete, Thränen und Arbeiten zu thun sich herabläßt, wenn sie für andere liebreich bitten, mit Beharrlichkeit und guten Willen arbeiten. Du sollst ferner wissen, wie dieser Ritter, Dein Sohn, solche Gnade nicht erlangt hätte, wenn er nicht von Jugend auf den Willen gehabt hätte, Gott und seine Freunde zu lieben und nach jedem Falle in die Sünde sich wieder zu erheben."

Kapitel XIV.

Diese Offenbarung hatte die Frau Brigitta in der heiligen Stadt Jerusalem, als sie zum ersten Male die Kirche des heiligen Grabes betrat. Darin erklärt Christus den Ablaß und die Gnade, welche gute Pilger in der genannten Kirche haben, wenn sie in rechter Absicht und mit heiligem Vorsatze dahin kommen.

Der Sohn sprach zur Braut: "Als ihr in meine durch mein Blut geheiligte Kirche eingegangen, seid ihr von all eueren Sünden dergestalt rein geworden, als wäret ihr eben erst ans dem Quell der Taufe gehoben worden. Wegen euerer Beschwerden und euerer Seiten-Icon 251 Andacht sind euch einige Seelen euerer Verwandten, welche am Reinigungsorte sich befanden, heute befreit worden und in meine Herrlichkeit im Himmel eingegangen; denn allen, welche zu dieser meiner Stätte kommen und den vollkommenen Willen haben, sich nach bestem Gewissen zu bessern und in ihre früheren Sünden nicht mehr zurückzufallen, werden alle früheren Sünden gänzlich erlassen und es wird ihnen die Gnade gemehrt, damit sie im Guten zunehmen."

Kapitel XV.

Folgende Vision schaute die Braut Christi, die Frau Brigitta, zu Jerusalem in der heiligen Grabeskirche, in der Kapelle des Kalvarienberges, am Freitage nach des Herrn Himmelfahrt, wo sie, im Geiste verzückt, das ganze Leiden des Herrn im Ernste erblickte, wie hier weitläufiger enthalten ist.

Als ich mich, bitterlichst weinend, am Kalvarienberge befand, erblickte ich meinen Herrn nackt und gegeißelt durch die Juden zur Kreuzigung hinausführen, wobei er sorgfältig von ihnen bewacht ward. Ich sah dann auch damals eine gewisse, in den Berg gehauene Grube, und ringsum die Kreuziger zum Werke der Grausamkeit bereit. Der Herr aber wendete sich zu mir und sprach: Gieb acht, in diesen Felsenspalt ward der Fuß meines Kreuzes in der Zeit meines Leidens eingesenkt. Und sogleich sah ich, wie daselbst sein Kreuz von den Juden befestigt und in der Felsenöffnung durch nebenbei gesteckte und mit dem Hammer stark auf allen Seiten eingetriebene Holzpflöcke festgemacht wurde, damit das Kreuz sicherer stände und nicht umfallen möchte. Nachdem das Kreuz auf diese Weise nun einen festen Stand erlangt hatte, wurden alsbald um den Stamm des Kreuzes ein hölzernes Gerüst nach Art einer Stiege bis zu der Stelle aufgerichtet, wo seine Füße ans Kreuz geschlagen werden sollten, damit mittels dieser Stufen sowohl er selbst als die Kreuziger hinaufsteigen und zum Werke der Kreuzigung einen sicheren Halt hätten. Darauf aber stiegen sie hinauf und führten ihn über diese Stufen unter Höhnen und Schelten; er stieg freudig hinauf, wie ein Lamm, das sich sanftmütig zum Opfern führen läßt und als er auf dem Gerüste stand, streckte er, nicht gezwungen, sondern freiwillig seine Arme aus, öffnete seine rechte Hand und legte dieselbe ans Kreuz. Seiten-Icon 252 Die grausamen Peiniger schlugen sie unmenschlich ans Kreuz, indem sie einen Nagel an derselben Stelle hindurchtrieben, wo der Knochen am festesten war. Alsdann zogen sie mit Gewalt, mittels eines Strickes, die linke Hand an, und hefteten dieselbe in ähnlicher Weise an das Kreuz. Dann ward der Leib grausam am Kreuze ausgestreckt, die Schienbeine wurden übereinandergelegt, und so nagelten sie die beiden Füße zusammen mit zwei Nägeln fest, und zerrten jene glorwürdigen Glieder am Kreuze auseinander, daß fast alle seine Adern und Nerven zerrissen. Hierauf setzten sie ihm die Dornenkrone, welche sie ihm während der Kreuzigung abgenommen, wieder auf, und drückten sie ihm aufs geheiligte Haupt und so sehr durchstach dieselbe sein ehrwürdiges Haupt, daß seine Augen alsbald mit herabfließendem Blute angefüllt wurden; auch seine Ohren wurden davon verstopft, und sein Angesicht und Bart gleichsam bedeckt und gefärbt mit jenem rosigen Blute. Alsbald nun entfernten die Kreuziger und Kriegsknechte schnell das ganze Gerüst, das am Kreuze angebracht gewesen war, und es blieb das Kreuz allein und ragte hoch, und mein Herr hing gekreuzigt daran. Als ich dann von Schmerz erfüllt solche Grausamkeit erblickte, sah ich seine Mutter in höchster Trauer am Boden liegen, zitternd und halbtot; es tröstete sie Johannes und ihre anderen Schwestern, welche nicht weit vom Kreuze an dessen rechter Seite standen. Dieser neue Schmerz der mitleidenden, heiligsten Mutter war so durchbohrend für mich, daß ich denselben empfand, wie wenn mein Herz ein scharfes Schwert von unerträglicher Bitterkeit durchdränge. Als die schmerzensreiche Mutter endlich sich erhob, blickte sie, am Leibe fast entseelt, auf ihren Sohn, und stand so, von ihren Schwestern unterstützt vor Entsetzen ganz außer sich und wie tot, aber lebend, vom Schwerte des Schmerzes durchbohrt da, und als der Sohn sie und die anderen Freunde weinen sah, empfahl er sie mit klagender Stimme dem Johannes, und man bemerkte an seiner Gebärde und Stimme, daß sein Herz durch das Mitleid seiner Mutter vom scharfen Pfeile eines unermeßlichen Schmerzes durchdrungen ward; es erschienen seine liebevollen und schönen Augen halbtot, sein Mund stand offen und war blutig, sein Antlitz war bleich und eingefallen, ganz fahl und mit Blut gefärbt, sein Leib war ganz bleifarbig und sehr bleich wegen des beständig rinnenden Blutes, seine Haut und das Seiten-Icon 253 jungfräuliche Fleisch seines heiligsten Leibes waren so weich und zart, daß bei einem leisen Schlage, der darauf geführt ward, auswendig ein blaues Malzeichen blieb. Zuweilen machte er den Versuch, sich am Kreuze zu strecken, denn der durchdringende, sehr scharfe Schmerz, den er empfand, war gar zu bitter und bald stieg der Schmerz von seinen Gliedern und den durchbohrten Adern zum Herzen hin, und quälte ihn grausam und mit heftiger Qual, und so ward sein Tod durch schwere Pein und ungeheure Bitterkeit verlängert und hinausgedehnt. Da nun rief er in der Angst des übergroßen Schmerzes und in der Beklommenheit, nahe dem Tode schon, mit lauter und klagender Stimme zum Vater und sprach: O Vater! warum hast Du mich verlassen? Seine Lippen waren jetzt bleich und die Zunge voll Blut, der Leib war eingesunken und zog sich gegen den Rücken, als wenn er in sich gar keine Eingeweide hätte, und zum andern Male rief er in höchster Angst und Schmerz: O Vater! in Deine Hände befehle ich meinen Geist! und jetzt ein wenig sich aufrichtend, ließ er alsbald das Haupt sinken und gab so den Geist auf. Als seine Mutter dieses sah, zitterte sie über und über, und war vor unermeßlicher Bitterkeit im Begriffe, zur Erde zu sinken, wäre sie nicht von einigen Frauen gestützt worden. Um diese Zeit zogen sich seine Hände infolge der zu großen Schwere des Leibes ein wenig von der Stelle zurück, welche die Nägel durchbohrt hatten und so ward der Leib gleichsam von den Nägeln gehalten, mit denen die Füße gekreuziget waren. Die Finger, Hände und Arme aber waren jetzt weiter ausgestreckt, als zuvor; Schultern und Rücken jedoch waren schier an das Kreuz gedrückt. Nun endlich riefen die umherstehenden Juden höhnisch, und sagten vielerlei wider seine Mutter. Einige sprachen: Maria! Dein Sohn ist jetzt tot. Andere aber sprachen andere höhnische Worte; und als die Haufen also umherstanden, kam einer in höchster Wut herbeigerannt, und stieß ihm einen Speer so fest und heftig in die rechte Seite, daß der Speer beinahe auf der andern Seite des Leibes wieder herausgehen wollte; und als er aus dem Leibe zurückgezogen ward, ging sofort reichlich aus dieser Wunde mit ungestüm ein Blutstrom hervor, das Eisen der Lanze aber und ein Teil des Schafts kamen rot und mit Blut gefärbt aus dem Leibe zurück. Maria aber, als sie diesen erbärmlichen Anblick hatte, zitterte unter vielen Seufzern Seiten-Icon 254 so sehr, daß man ihrem Antlitze und ihrer Gebärde wohl ansehen konnte, wie ihre Seele jetzt von einem scharfen Schwerte des Schmerzes durchbohrt ward.

Nachdem dies erfüllt war, und die zahlreichen Scharen zurückgezogen waren, nahmen einige Freunde desselben den Herrn ab, den nun seine fromme Mutter in ihren heiligsten Armen auffing, und nachdem sie sich gesetzt, gegen ihre Knie lehnte. Er war ganz verwundet, zerrissen und bleich. Seine der tiefsten Trauer hingegebene Mutter trocknete ihm mit ihren Leinen den ganzen Leib und die Wunden, schloß ihm die Augen, küßte dieselben und wickelte ihn in reine Leinwand, zuletzt geleiteten sie ihn mit schweren Klagen und Schmerzen, und legten ihn in das Grab.

Kapitel XVI.

Christus beklagt sich gegen die Braut über alle Fürsten der Erde und geistlichen Vorsteher der Kirche darum, daß sie die Schmerzen seines Leidens nicht im Gedächtnisse haben, noch sich derselben erinnern wollen, auch jene heiligen Stätten des gelobten Landes nicht betrachten mögen, und droht ihnen, wenn sie sich nicht bessern.

Danach redete Christus in derselben Stunde mit seiner Braut, der seligen Brigitta, und sprach: "Das, was Du jetzt gesehen, und anderes, was ich ausgehalten, beachten die Fürsten der Welt nicht, noch betrachten sie die Stätten, an denen ich geboren bin und gelitten habe. Sie sind einem Menschen ähnlich, der einen bestimmten Ort hat, wo sich wilde und ungezähmte Tiere aufhalten; gegen diese läßt er seine Jagdhunde laufen, und bat seine Freude am Anblicke des Laufes der Hunde und wilden Tiere. Ganz ähnlich sehen die Fürsten der Erde und die geistlichen Vorsteher der Kirchen, ingleichen alle weltlichen Stände begierlicher die Freuden der Welt an, als meinen Tod und mein Leiden und meine Wunden. Darum will ich ihnen noch einmal durch Dich meine Worte senden; ändern sie ihre Herzen nicht, und kehren sie dieselben nicht zu mir, so werden sie mit denjenigen verdammt werden, welche meine Kleider geteilt, und um mein Gewand das Los geworfen haben." (Psalm XXII.) Seiten-Icon 255

Zusatz.

Es folgt eine der seligen Brigitta zu Famagusta gewordene Offenbarung.

Der Sohn Gottes sprach: "Diese Stadt ist ein Gomorrha, und brennt im Feuer der Unzucht, des Überflusses und des Ehrgeizes. Darum werden ihre Gebäude einstürzen; sie wird zerstört und verwüstet werden, ihre Einwohner werden auswandern und vor Schmerz und Trübsal seufzen, und sie werden abnehmen, und ihre Schande wird in vielen Ländern namhaft werden, weil ich ihnen zürne."

Von dem Herzoge, der Mitwisser des Mordes seines Bruders war, sprach Christus: "Dieser macht sich keck mit seiner Hoffart breit, rühmt sich seiner Unenthaltsamkeit, und beachtet nicht, was er wider seinen Nächsten gethan hat; will er sich nicht demütigen, so werde ich mit ihm nach dem gemeinen Sprichworte thun: Wer zuletzt weint, weint nicht leichter, als wer zuvor weint, denn er wird keinen leichteren Tod haben, als sein Bruder, sondern wenn er sich nicht bessern wird, wird sein Tod noch schlimmer sein."

Von dem Beichtvater des Herzogs sprach Christus: "Was hat Dir jener Bruder gesagt? Nicht wahr, daß der Herzog gut ist und nicht besser leben kann, und dabei hat er seine Unenthaltsamkeit entschuldigt? Solche Leute sind keine Beichtväter, sondern Betrüger; sie gehen einher wie einfältige Schafe, aber mit mehr Wahrheit sind sie Füchse und Schmeichler; solche sind jene vorsichtigen Freunde, welche um eines geringen zeitlichen Gutes willen die einen aufnehmen, die anderen verwerfen. Wenn daher dieser Bruder im Konvente geblieben wäre, hätte er weniger gesündigt und eine mindere Strafe und eine größere Krone erhalten, nun aber wird er der Hand dessen nicht entgehen, der ihn strafen und heimsuchen wird."

Einige rieten der Frau Brigitta, die Kleider zu ändern, und der Saracenen halber das Gesicht zu bräunen. Christus aber sprach: "Was hat man Dir geraten? Nicht wahr, die Kleider zu ändern, und das Gesicht zu bräunen? Soll denn ich, Gott, der ich Dir befehle, wie einer sein, der das Zukünftige nicht weiß, oder wie ein Ohnmächtiger, der alles fürchtet? Mit nichten. Ich bin die Weis- Seiten-Icon 256 heit, die Macht selber, weiß alles voraus und vermag alles. Beobachtet deshalb die gewöhnliche Weise in euerer Kleidung und mit euerem Angesichte, und stellt mir eueren Willen anheim; denn ich, der ich Sarah aus den Händen derer, die sie gefangen hielten (Genesis XX.), errettet habe, werde auch euch zu Meer und Land erhalten, und für euch sorgen, wie es euch am besten frommt."

Über den Bischof Alfonso sprach die Mutter: "Mein Freund soll Dich lieben als eine Mutter, als eine Frau, als eine Tochter und als eine Schwester. Wie eine Mutter wegen des Alters und der Ratschläge, die er begehren soll; wie eine gebietende Frau wegen der Gnade, die Dir Gott gewährt, der durch Dich die Geheimnisse seiner Weisheit offenbart hat; wie eine Tochter, daß er Dich ehre und tröste, und für das sorge, was Dir am nützlichsten ist; wie eine Schwester, indem er Dich zu gelegener Zeit straft, Dich ermahnt und antreibt zu dem, was vollkommener ist in Worten und Beispielen. Ferner sage ihm: Er solle sein wie einer, der die besten Blumen besitzt; diese sind meine Worte, welche für die, welche sie verstehen, süßer sind, denn Honig, schärfer und durchdringender, als Pfeile, annehmbarer, als jedes Geschenk. Wer sie besitzt, muß sie vor Wind, Regen und Hitze bewahren: vor dem Winde der weltlichen Rede, vor dem Regen fleischlicher Lüste, vor der Hitze weltlicher Gunst; wer sich solcher Dinge rühmt, macht die Blumen verächatlich und zeigt sich unwürdig ihres Besitzes."

Über die Königin von Cypern sprach der Sohn: "Rate der Königin, sie solle nicht in ihr Vaterland wiederkehren, weil ihr das nicht frommt; sie soll vielmehr an dem Orte bleiben, wo sie hingestellt worden, und Gott mit ganzem Herzen dienen. Zweitens soll sie nicht wieder heiraten und den zweiten Mann nehmen, weil es Gott angenehmer ist, das Vergangene zu beweinen und durch Reue die unnütz vergeudete Zeit zu ersetzen. Drittens rate, daß sie ihre Unterthanen zu gegenseitiger Eintracht und Liebe anleite, und daran arbeite, daß die guten Sitten und die Gerechtigkeit löblich erhalten, auch das Gemeinwesen durch ungewohnte Lasten nicht beschwert werde. Viertens, daß sie das an ihrem Gemahle verübte Böse um Gottes willen vergesse, und sich nicht zur Rache entzünden lasse, weil ich Richter bin und das Gericht für sie übernehmen werde. Fünftens, daß sie ihren Sohn mit göttlicher Liebe auferziehe, Seiten-Icon 257 ihm gerechte Räte gebe, die frei sind von Geiz, züchtige, eingezogene und weise Freunde bestelle, von denen er lernen maß, Gott zu fürchten, gerecht zu regieren, sich der Elenden zu erbarmen, die Gleißner und Schmeichler wie Gift zu fliehen, den Rat der Gerechten, ingleichen der Armen und verachteten Demütigen zu suchen. Sechstens soll sie den abscheulichen Brauch der Weiber, enge Kleider zu tragen, die Brüste zu entblößen und der Salben und anderer Eitelkeiten sich zu bedienen, abstellen, weil dieses Gott ganz verhaßt ist. Siebtens soll sie einen Beichtvater haben, welcher die Welt verläßt und die Seelen mehr liebt, als die Geschenke, welcher den Sünden nicht nachsieht, noch sich fürchtet, dieselben zu strafen; auch soll sie ihm in den Stücken, welche zum Heile ihrer Seele gereichen, gehorchen wie Gott. Achtens soll sie auf das Leben heiliger Königinnen und Frauen achtgeben, und forschen und arbeiten, wie Gottes Ehre vermehrt werden möge. Neuntens soll sie vernünftig sein im Geben, keine Schulden machen und das Lob der Menschen fliehen, denn wenig oder gar nichts geben, ist Gott angenehmer, als Schulden machen und den Nächsten betrügen."

Über die Krönung des neuen Königs sprach der Sohn Gottes also: "Es ist eine große Bürde, König zu sein, und eine große Ehre, aber auch mit sehr großer Frucht verbunden. Darum geziemt es sich, daß der König reif, erfahren, vorsichtig, gerecht, arbeitsam sei; daß er lieber den Nutzen des Nächsten schaffe, als seinem eigenen Willen folge; daher wurden vor Zeiten die Reiche wohl regiert, wenn ein solcher zum Könige erwählt ward, welcher zu einem gerechten Regimente die Wissenschaft, den Willen und die Macht hatte. Jetzt giebt es keine solchen Reiche mehr; ihre Herrscher sind Kinder und aus Thorheit und Raub sind sie zusammengesetzt. Wie ein Räuber Weise und Zeit erforscht, wie er nachstelle, um Gewinn zu erlangen, ohne bemerkt zu werden, so suchen jetzt die Könige nach neuen Erfindungen, wie ihr Geschlecht in die Höhe komme, wie ihr Beutel gespickt werde, wie sie die Unterthanen schlau beschweren können. Die Gerechtigkeit gilt ihnen etwas, sobald sie zeitliche Güter erwerben können, aber sie lieben dieselbe nicht, um die ewige Belohnung zu erhalten. Deshalb hat der Weise mit Recht gesprochen: Weh dem Reiche, dessen König ein Kind ist (Ekkle. X.), welcher ein verzärtelndes Leben führt, verzärtelnde Seiten-Icon 258 Schmeichler hat, und sich um den Fortschritt des Gemeinwesens nicht kümmert. Weil aber dieser Knabe die Ungerechtigkeit seines Vaters nicht büßen wird, deshalb soll er, wofern er vorwärtskommen und die Würde des königlichen Namens ausfüllen will, meinen Worten gehorchen, welche ich wegen Cyperns vorherverkündigte, und nicht dem Wandel seiner Vorgänger folgen; er soll die Leichtfertigkeiten des Knaben ablegen, den königlichen Weg einschlagen und solche Räte wählen, welche Furcht haben und nicht seine Gaben mehr lieben, denn seine Seele und seine Ehre, die da hassen die Schmeichelreden und sich nicht fürchten, die Wahrheit zu sagen, sie zu befolgen und die Übertreter zu strafen. Außerdem wird sich weder der Knabe des Volkes, noch das Volk seines Erwählten freuen."

Kapitel XVII.

Als die Frau Brigitta zu Jerusalem war und im Zweifel stand, ob sie im Kloster der Minoriten auf dem Berge Sion ober im Hospitale der Pilger in Jerusalem bleiben solle, erschien ihr, während sie betete, die Jungfrau Maria und srach zu ihr, sie solle anderen zum guten Beispiele im Hospitale bleiben.

Die Mutter sprach: "An diesem Orte, auf dem Berge Sion, sind zwei Arten von Menschen. Einige lieben Gott von ganzem Harzen, andere wollen zwar Gott haben, allein die Welt ist ihnen süßer, als Gott; und darum, damit die Guten nicht geärgert werden, auch den Lauen kein Anlaß, und den Nachkommen ein Beispiel möge gegeben werden, ist es besser, an dem für die Pilger bestimmten Orte zu bleiben, denn mein Sohn wird Euch mit allem versorgen, wie es ihm gefällt." Seiten-Icon 259

Kapitel XVIII.

Die Frau Brigitta ward im Königreiche Cypern von der Frau Eleonora, der Königin des gedachten Reiches, gebeten, sie wolle zu Gott für ihren Sohn und für das Königreich beten. Sie ging dann hinüber nach Jerusalem. Als sie hier eines Tages im Gebete war, erschien ihr Christus und gab ihr folgende Ratschläge, welche sie an den gedachten König und an seinen Vetter, den Fürsten von Antiochien, schreiben sollte. Auch gebot er ihr, sie solle wie von ihr selbst, nicht von seiten Christi kommend schreiben.

Die Braut schreibt an den König von Cypern und den Fürsten von Antiochien. "Der erste Rat ist, daß jeder von euch vor seinem Beichtvater eine aufrichtige und vollständige Beicht über alles verrichte, das er wider Gottes Willen gethan, und daß ihr sodann den gebenedeiten Leib unseres Herrn Jesu Christi in der Furcht und Liebe Gottes empfanget. Der zweite Rat ist, daß ihr beide in wahrer Liebe vereint seid, so daß ihr Ein Herz seid für Gott und seine Ehre und daß ihr euer Reich beherrschet zur Ehre Gottes und euerer Untergebenen Nutzen. Der dritte Rat ist, daß ihr beide in wahrer Liebe auch mit eueren Unterthanen vereinigt sein sollt, und Verzeihung und Schonung allein um des Leidens und Todes Jesu Christi willen gegen alle übt, die mit Rat und That oder durch Begünstigung bei dem Tode eueres Vaters, des Königs Peter, Beistand geleistet haben, und daß ihr dieselben mit ganzem Herzen in euere Liebe zu dem Ende aufnehmt, daß Gott euch würdig achten möge, euch in seine Barmherzigkeit aufzunehmen, und daß er selbst euch zur Regierung des Königreiches zu seiner Ehre stärken möge. Der vierte Rat ist, daß, weil euch die göttliche Vorsehung hingestellt hat als Lenker des Reiches, ihr alle mögliche Sorgfalt anwenden sollt in eueren Unterredungen und Beratungen, die ihr mit liebender Gesinnung und wirksam mit allen Prälaten, sowohl der Kirchen als der Orden, pflegen sollet, daß sie selber alle und ihre Unterthanen sich in allen Stücken bessern wollen, in denen sie sich von dem heiligen Stande der früheren heiligen Väter, ihrer Vorgänger, auf mannigfaltige Art, geistlicher- oder weltlicherweise entfernt haben, und daß sie durch Seiten-Icon 260 reines Leben schnell in den früheren Stand ihrer Vorgänger sich zurückversetzen; denn so werden nicht nur sie selber, sondern auch ihre Untergebenen vollkommener gebessert werden, die Freundschaft Gottes erlangen und würdig werden, daß Gott sich herablasse, den Zustand der allgemeinen Kirche in der Heiligkeit der Tugenden barmherziglich zu erneuern. Der fünfte Rat ist, daß ihr um der großen Liebe willen, womit Gott euere Seelen geliebt hat, die Seelen euerer Untergebenen lieben und euerem Kriegsvolke den Rat geben wollt, daß alle, welche in etwas Gott beleidigten, sich bald und demütig bessern, und daß alle, die unter dem Gehorsam der römischen Kirche stehen und zu den Jahren der Unterscheidung gelangt sind, demütig beichten, sich mit den Nächsten, welche sie beleidigt hatten, aussöhnen und Eintracht stiften, und wenn sie sich gebessert haben, den ehrwürdigen Leib Christi empfangen. Nach allem dem sollen sie ein katholisches Leben führen, indem sie treulich leben entweder im Ehestande, oder im Witwenstande, oder auch im löblichen Stande der Jungfräulichkeit, auch alles dasjenige beobachten, was die heilige Kirche vorschreibt, und Freunde, Hausgenossen und alle anderen, bei welchen sie es vermögen, durch ihr gutes Vorbild, durch Worte und Werke herzlicher Liebe dazu anleiten, ebenso zu handeln, endlich zu gelegener Zeit mit ihren guten Ermahnungen sie stärken, denn ihr sollt auch auf das gewisseste überzeugt sein, daß alle, welche in diesen Stücken nicht gehorchen wollen, an Leib und Seele Schaden nehmen werden. - Der sechste Rat ist, daß ihr euch mit allen Prälaten besprecht, sie sollen selber nachdrücklich und häufig alle ihre Geistlichen, namentlich die Pfarrer ermahnen, daß ein jeder von ihnen in seiner Pfarrei fleißig forsche, ob es unter seinen Eingepfarrten welche giebt, die bei einem schamlosen Lebenswandel in öffentlichen Sünden, in der Beleidigung Gottes, der Verachtung der heiligen Mutterkirche beharren; und alle solche, die in ihren öffentlichen Sünden schamlos lebend befunden werden, sollen sie mit Nachdruck ermahnen, daß sie sich vor der Gefahr ihrer Seelen hüten, und sollen ihnen auch solche Weisen und geistliche Mittel an die Hand geben, durch welche sie sich demütig und pflichtschuldig zu bessern imstande sind. Sollten aber einige dieser öffentlichen Sünder nicht demütig gehorchen wollen, dann sollen ihre Seelsorger nicht zögern, es ihren Oberen und Seiten-Icon 261 Bischöfen zu melden, damit ihre verwegene Hartnäckigkeit durch die Prälaten mit der Kirchenstrafe nach Gerechtigkeit unterdrückt und geahndet werde, und wären die vorgedachten Bischöfe und Prälaten nicht imstande, dieselben wegen ihrer Halsstarrigkeit und Hoffart, oder wegen ihrer weltlichen Macht durch Strafe zu bessern, so wird euch, meine Herren, geraten, daß ihr mit euerer mächtigen Hand den genannten Prälaten Beistand leistet, damit durch euere bereitwillige Hilfe jene Sünder bewogen werden, sich zu bessern, und gebessert die Barmherzigkeit Gottes erlangen."

Kapitel XIX.

Eine der Frau Brigitta in der heiligen Stadt Jerusalem zu teil gewordene Offenbarung in Bezug aus das Königreich Cypern und dessen Erneuerung, welche sie selber dem Herrn Könige und dem Prinzen von Antiochien übersandte, um dieselbe im ganzen Reiche zu verkündigen. Weil aber der gedachte Fürst dieser Offenbarung keinen vollkommenen Glauben beimaß, hat Frau Brigitta auf der Heimkehr von Jerusalem dieselbe in der Stadt Famagusta, am 8. Oktober, in Gegenwart des genannten Herrn Königs, der Königin, des gedachten Fürsten von Antiochien und des ganzen königlichen Rates verkündigt.

Es begegnete einer Person, welche wachend und im Gebete begriffen war und während der Betrachtung in Verzückung geriet, daß sie sich im Geiste in einen Palast von unbegreiflicher Größe und unaussprechlicher Schönheit entrückt sah. Sie sah Jesum Christum unter seinen Heiligen voll Majestät auf einem kaiserlichen Throne sitzen. Derselbe öffnete seinen gebenedeiten Mund und sprach die nachfolgend niedergeschriebenen Worte: "Ich bin in Wahrheit die höchste Liebe selber; denn alles, was ich von Ewigkeit her gethan habe, habe ich aus Liebe gethan, und auf ähnliche Weise geht alles, was ich thue und in der Zukunft thun werde, gänzlich aus meiner Liebe hervor. Die Liebe ist jetzt eben so unbgreiflich und stark in mir, als sie in der Zeit meines Leidens gewesen ist, da ich durch meinen Tod aus übergroßer Liebe aus der Hölle alle Auserwählten erlöst, welche dieser Erlösung und Befreiung würdig waren, und wenn es noch möglich wäre, daß ich so oft stürbe, als Seiten-Icon 262 Seelen in der Hölle sind, so daß ich für eine jede derselben wieder einen solchen Tod litte, wie ich damals für alle erlitten, so würde mein Leib noch jetzt bereit sein, das alles mit gutem Willen und vollkommenster Liebe zu erdulden. Wie es aber unmöglich ist, daß mein Leib wieder sterben oder irgend einige Pein oder Trübsal leiden könnte, ebenso ist es auch unmöglich, daß eine Seele, welche nach meinem Tode zur Hölle verdammt ist oder verdammt werden wird, jemals daraus wieder befreit werden und die himmlische Freude genießen wird, die meine Heiligen und Auserwählten im herrlichen Anschauen meines Leibes genießen; sondern sie wird im ewigen Tode Höllenstrafen empfinden, weil sie die Wohlthat meines Todes und Leidens nicht hat genießen, noch meinem Willen folgen wollen, solange sie in der Welt lebte. Weil übrigens über die mir widerfahrenen Beleidigungen kein anderer Richter ist, als ich selbst, und deshalb meine Liebe, die ich den Menschen gezeigt habe, sich bei meiner Gerechtigkeit beklagt, so steht meiner Gerechtigkeit zu, darüber nach meinem Willen zu richten. Jetzt beklage ich mich über die Einwohner des Königreiches Cypern, als wären sie rniteinander Ein Mensch. Nicht über meine daselbst wohnenden Freunde, welche mich von ganzem Herzen lieben und in allen Stücken meinem Willen folgen, beklage ich mich, sondern über diejenigen beklage ich mich und rede sie alle wie Eine Person an, die mich verachten, meinem Willen immer entgegen sind und mir am meisten widerstreben, und deshalb hebe ich jetzt an, mit ihnen zu reden, wie mit Einem. O du Volk Cyperns, mein Feind, höre und gieb fleißig acht auf das, was ich dir sage. Ich habe dich geliebt, wie ein Vater seinen einzigen Sohn, den er zu aller Ehre erhöhen will. Ich habe dir ein Land beschieden, in welchem du überflüssig alle Bedürfnisse zur Unterhaltung deines Leibes haben könntest. Ich habe dir die Wärme und das Licht des heiligen Geistes gesendet, damit du den rechten christlichen Glauben erkennen möchtest, zu dem du dich getreulich verpflichtet, sowie den heiligen Satzungen und dem Gehorsame gegen die heilige Kirche demütig unterworfen hast. Ich habe dich auch an einen Ort gesetzt, der einem getreun Diener wohl anstehen möchte, nämlich unter meine Feinde, damit du für deine irdische Arbeit und die leibliche Mühe deiner Kämpfe in meinem Königreiche eine köstlichere Krone erhalten möchtest. Ich habe Seiten-Icon 263 dich auch lange in meinem Herzen getragen, d. h. in der Liebe meiner Gottheit, und dich wie meinen Augapfel in allen deinen Widerwärtigkeiten und Trübsalen bewacht. Und solange du meine Gebote gehalten und den Gehorsam und die Satzungen der heiligen Kirche getreu beobachtet hast, sind fürwahr zahllose Seelen des Reiches Cypern in mein Himmelreich gekommen, welche mit mir die ewige Herrlichkeit unaufhörlich genießen werden. Weil du aber nun deinen eigenen Willen und alles thust, was dein Herz gelüstet, ohne mich, der ich dein Richter bin, zu fürchten, ohne mich zu lieben, der ich dein Schöpfer bin, der ich dich auch durch meinen gar harten Tod erkauft habe, weil du mich wie Kot und Unrat aus deinem Munde ausgeworfen hast, weil du mich von dort hinausgeworfen hast wie einen Dieb und Räuber, während du den Teufel zugleich mit deiner Seele in die Kammer deines Herzens eingeschlossen hast, und weil du dich ebensowenig vor meinem Angesichte zu sündigen schämst, wie unvernünftige Tiere, wenn sie einander beiwohnen; deshalb erfordert es die würdige Gerechtigkeit und das gerechte Urteil, daß du von meinen Freunden aus dem Himmel vertrieben und auf immer in die Hölle mitten unter meine Feinde versetzt wirst. Zweifellos sollst du wissen, daß mein Vater, der in mir ist, wie ich in ihm bin, und der heilige Geist in uns beiden, selber mir Zeugen sind, daß nie etwas anderes, als Wahrheit aus meinem Munde gegangen ist; darum wisse fürwahr, daß, wer so beschaffen ist, wie du es jetzt bist, und sich nicht bessern mag, dessen Seele denselben Weg nehmen wird, den Luzifer wegen seines Hochmutes ging, ingleichen Judas, welcher mich verkauft hat wegen seiner Habsucht, und Zambri, welchen Phinees wegen seiner Unzucht, da er sich wider mein Gebet mit einem Weibe versündigte, getötet hat, und dessen Seele nach seinem Tode zur Hölle verdammt wurde. Deshalb, o Volk von Cypern, verkündige ich dir, daß, wofern du dich nicht bekehren und bessern wirst, ich dein Geschlecht und deine Nachkommenschaft im Reiche Cypern dergestalt vertilge, daß ich weder des Armen, noch des Reichen verschonen werde; denn also werde ich dein Geschlecht vertilgen, daß binnen kurzem dein Gedächtnis aus den Herzen der Menschen dergestalt verschwinden soll, als wenn ihr nie in der Welt geboren wäret. Nachher aber beliebt es mir, neue Bäume in diesem Reiche Cypren anzupflanzen, Seiten-Icon 264 welche meine Gebote erfüllen und mich von ganzem Herzen lieben werden; doch für gewiß sollet ihr wissen, daß ich einem jeden von euch, der sich bessern und bekehren und zu mir mit Demut sich zurückwenden will, freudig entgegenkommen werde, wie ein liebreicher Hirt, daß ich ihn auf meine Schultern nehmen und selber zu meinen Schafen zurücktragen werde. Auf meinen Schultern, sage ich, worunter ich die Wohlthat meines Leidens und Todes, den ich mit meinem Leibe und auf meinen Schultern ausgehalten habe, verstehe, deren jeder teilhaftig werden und bei mir im Himmelreiche ewigen Trost genießen wird, der sich bessert. Ihr zwar, die ihr als meine Feinde in diesem gedachten Reiche wohnet, sollet wissen, daß ihr nicht würdig waret, ein solches Gesicht meiner göttlichen Offenbarung zu erhalten, aber einige meiner Freunde, die in diesem Reiche leben, mir getreulich dienen und mich von ganzem Herzen lieben, haben mich durch ihre Arbeiten, ihre Bitten und Thränen dazu bewogen, euch durch diese gegenwärtige Offenbarung die schwere Gefahr euerer Seelen bekannt zu machen; denn einigen meiner gedachten Freunde ist von mir auf göttliche Weise gezeigt worden, wie zahllose Seelen aus dem erwähnten Königreiche Cypern von der himmlischen Herrlichkeit ausgeschlossen und für ewig zum höllischen Tode verdammt werden.

Die eben gemeldeten Worte rede ich zu den lateinischen Christen, welche dem Gehorsam der lateinischen Kirche unterworfen sind und mir in der Taufe den rechten katholischen Glauben gelobten, aber durch mir widerwärtige Werke gänzlich von mir gewichen sind. Die Griechen aber, welche wissen, daß alle Christen nur den Einen katholischen Glauben festhalten und nur Einer Kirche, nämlich der römischen, unterthan sein müssen, und auch nur einen einzigen allgemeinen Statthalter Christi in der Welt, nämlich den römischen Papst, als geistlichen Hirten über sich haben sollen, sich aber gleichwohl aus hartnäckigem Hochmute, aus Begierlichkeit, aus Mutwillen des Fleisches, oder wegen irgend einer anderen weltlichen Sache weder dieser römischen Kirche, noch meinem Statthalter geistlicherweise unterwerfen, noch demütig unterstellen wollen, sind unwürdig, nach dem Tode von mir Verzeihung oder Barmherzigkeit zu erhalten. Den anderen Griechen aber, welche zwar das Verlangen haben, den römisch-katholischen Glauben zu umfassen, Seiten-Icon 265 aber nicht imstande sind, denselben kennen zu lernen, jedoch wenn sie denselben kennen würden, den Willen haben, ihn andächtig und gern anzunehmen, sich der römischen Kirche demütig zu unterwerfen und nach ihrem Gewissen in dem Stande und Glauben, worin sie sich befinden, des Sündigens enthalten und fromm leben, - allen diesen gebührt nach ihrem Tode in ihren Peinen meine Barmherzigkeit, wenn sie vor mein Gericht gerufen werden. Die Griechen mögen auch wissen, daß ihr Kaisertum, ihre Reiche, ihre Herrschaft nimmer sicher, noch in ruhigem Frieden, sondern stets ihren Feinden unterworfen sein werden, daß sie von diesen immer schwere Beschädigungen und langwieriges Elend zu erwarten haben, bis sie mit wahrer Demut und Liebe der Kirche und dem römischen Glauben sich andächtig unterworfen, auch mit dessen heiligen Satzungen und Gebräuchen sich ganz in Übereinstimmung gesetzt haben werden."

Nachdem Vorstehendes im Geiste also gesehen und vernommen worden war, entschwand das gedachte Gesicht, und die gedachte Person verblieb mit nicht geringem Schrecken und mit Verwunderung im Gebete verzückt.

Kapitel XX.

Im Königreiche Cypern bat ein Minoritenbruder die Frau Brigitta, daß sie ihm raten möge, was er bei einigen Zweifeln seines Gewissens thun müsse, namentlich in Haltung der Regel seines Ordens. Als nun die Frau eines Tages in der heiligen Stadt Jerusalem sich für gedachten Bruder im Gebete befand, erschien ihr Christus und redete sie an, sprach auch vieles mit ihr vom Orden der Minoriten, und bedrohte am Ende alle Ordensgeistlichen, welche Eigentum haben, mit dem ewigen Tode.

"Unendlicher Dank, demütiger Dienst, Preis und Ehre sei Gott in seiner Macht und ewigen Majestät, welcher ein einiger Gott in drei Personen ist, dessen unermeßlicher Güte es gefiel, daß seine allerwürdigste Menschheit mit einer Person redete, welche im Gebete begriffen war, und also zu ihr sprach: Höre Du, der es gegeben worden, geistlich zu hören und zu sehen, und behalte fleißig diese meine Worte in Deinem Gedächtnisse. Es war ein Mensch, Franziskus mit Namen; als sich derselbe von weltlicher Hoffart Seiten-Icon 266 und Begierlichkeit und von des Fleisches lasterhafter Ergötzlichkeit zum geistlichen Leben der Reue und Vollkommenheit hingewendet hatte, erhielt er die Gnade wahrer Reue aller seiner Sünden, und den vollkommenen Willen, sich zu bessern, wobei er sprach: Es ist in dieser Welt nichts, das ich nicht für die Liebe und Ehre meines Herrn Jesu Christi gern fahren lassen möchte, nichts ist auch so hart in diesem Leben, das ich nicht voll Freuden um seiner Liebe willen leiden möchte, indem ich zu seiner Ehre, nach den Kräften meines Leibes und meiner Seele, alles thun möchte, was ich kann, auch alle anderen, bei denen ich es vermag, dazu anleiten und darin bestärken will, daß sie Gott über alles von ganzem Herzen lieben. Die Regel dieses Franziskus, die er selber angefangen, ist nicht von seinem menschlichen Verstande oder seiner Klugheit angegeben und zusammengesetzt worden, sondern von mir nach meinem Willen; jedes Wort, das darin geschrieben steht, ist ihm von meinem Geiste eingegeben, und danach hat er anderen die Regel überbracht und dargereicht. So sind auch alle anderen Regeln, welche meine Freunde begonnen, und selber persönlich gehalten und beobachtet, auch anderen erfolgreich gelehrt und dargereicht haben, nicht von ihrem eigenen Verstande und menschlicher Weisheit, sondern aus Eingebung desselben heiligen Geistes festgestellt worden. Die Brüder dieses Franziskus, welche die Minderen genannt werden, haben jene seine Regel jahrelang gehalten, und ganz nach meinem Willen sehr geistlich und andächtig wohl beobachtet, worüber der Teufel, jener alte Feind, großen Neid und Zorn hatte, mit er die gedachten Brüder mit seinen Versuchungen und Ränken zu überwinden außer stande war. Er suchte deshalb fleißig, einen Menschen zu finden, in welchem er seinen bösen Geist mit des Menschen Willen vermischen möchte. Endlich fand er einen Geistlichen, welcher bei sich also dachte: Ich möchte gern in einem Stande sein, wo ich die Ehren der Welt und das Wohlbehagen meines Leibes haben und so viel Geld zusammenhäufen könnte, daß mir nichts von allem, nicht bloß das Notwendige, sondern auch das Ergötzliche abginge; ich will also in den Orden des Franziskus eintreten und mich sehr demütig und gehorsam stellen. Und in dieser Absicht und mit diesem Willen trat dieser Geistliche in den erwähnten Orden; sogleich aber fuhr der Teufel in sein Herz, indem er bei sich folgende Betrachtung anstellte: Wie Franziskus Seiten-Icon 267 mit seinem demütigen Gehorsame viele der Welt entziehen will, um große Belohnungen im Himmel zu empfangen, so wird dieser mein Bruder, welcher deshalb Widersacher heißen wird, weil er ein Gegner der Regel Francisci sein wird, viele vom Orden des Franziskus aus der Demut zur Hoffart, aus vernünftiger Armut zur Begierlichkeit, aus wahrem Gehorsame zur Eigenmächtigkeit des Willens und zur Befriedigung der Sinnenlust hinreißen. Und in solcher Eingebung des Teufels begann der vorgedachte Bruder Widersacher, als er in den Franziskanerorden getreten war, bei sich zu denken: Ich will mich äußerlich so demütig und so gehorsam zeigen, daß alle mich für einen Heiligen halten werden; wenn aber die anderen Brüder fasten und Stillschweigen halten, dann will ich mit meinen besonderen Freunden das Gegenteil thun, und in solcher Heimlichkeit essen, trinken und mich unterhalten, daß keiner der anderen etwas davon weiß oder merkt. Wohl darf ich nach meiner Regel erlaubterweise kein Geld berühren, und weder Gold noch Silber besitzen; und deshalb will ich einen besonderen Freund haben, daß er mein Geld und mein Gold für mich verborgen bei sich habe, und ich mich desselben nach meinem Willen bedienen möge. Ich will auch die freien Künste und die Wissenschaft deshalb lernen, damit ich mir dadurch Ehren und Würden im Orden erwerbe, ,wodurch ich mir Pferde, silberne Gefäße, schöne Kleider und kostbaren Schmuck halten werde, und wenn man mich deshalb strafen will, werde ich antworten, daß ich solches um der Ehre meines Ordens willen thue. Könnte ich dann auch noch so viel ausrichten, daß ich ein Bischof würde, dann würde ich wahrlich glücklich und selig wegen eines solchen Lebens sein, weil ich dann in meiner Freiheit wäre und meinem Leibe alle Ergötzlichkeit verschaffen könnte. Nun aber höre, was der Teufel im bemeldeten Orden des Franziskus gethan hat. Es ist leider eine Wahrheit, daß jene Brüder in der Welt, welche entweder im Werke, oder mit Willen und Verlangen die Regel befolgen, welche der Teufel dem Bruder Widersacher eingab, jene Brüder an Zahl übertreffen, welche die Regel befolgen, die ich selber den Bruder Franziskus gelehrt habe. Obwohl nun die Brüder des Franziskus und des Bruders Widersacher, solange dieselben aus Erden leben, vermischt sind, so werde ich dieselben doch nach dem Tode sondern, weil ich ihr Richter bin; den Brüdern der Seiten-Icon 268 Regel des heiligen Franziskus will ich zuerkennen, daß sie bei mir zugleich mit Franziskus in ewiger Freude bleiben sollen, die aber der Regel des Bruders Widersacher folgen, werden zu ewigen Strafen in der Tiefe der Hölle verurteilt, wenn sie sich vor dem Tode nicht belehren und demütig bessern wollen. Hierüber soll man sich auch nicht wundern, weil diejenigen, welche den Weltmenschen Vorbilder der Demut und Heiligkeit sein sollten, ihnen vielmehr verächtliche und schandbare Beispiele der Begierlichkeit und Hoffart geben. Wollten auch diese Brüder oder überhaupt alle jene Ordensbrüder, welchen ihre Regel Eigentum zu haben verbietet, mich mit dem, was sie widerrechtlich besitzen, dadurch versöhnen, daß sie mir einen Teil davon zuwenden, so sollen sie wissen, daß solche Gaben mir abscheulich und verhaßt und einer Belohnung durchaus unwürdig sind. Es gefällt mir besser, wenn sie die selige Armut, welche sie gelobt haben, nach ihren Regeln fleißig beobachten, als wenn sie alles Gold und Silber und auch alle Metalle, welche in der Welt sind, mir darbrächten. Wisse auch Du, die Du meine Worte hörst, wie es Dir nicht erlaubt gewesen sein würde, die ebengedachte Vision zu erfahren, wenn es nicht um eines guten Dieners willen gewesen sein würde, welcher mich vom ganzen Herzen für jenen Minoritenbruder aufrichtig gebeten hat, und das Verlangen aussprach, daß demselben Bruder einige nützliche Ratschläge aus göttlicher Liebe für seine Seele gegeben werden möchten." Nachdem dieses gesehen und gehört worden war, verschwand dieses Gesicht.

Kapitel XXI.

Gesicht, welches die Frau Brigitta in Bethlehem gehabt, wo die Jungfrau Maria ihr die ganze Art ihrer Geburt, und wie sie ihren glorwürdigen Sohn geboren, erzählt, was die Jungfrau der Frau Brigitta in Rom fünfzehn Jahre zuvor, ehe sie nach Bethlehem ging, wie im ersten Kapitel dieses letzten Buches zu sehen ist, versprochen hatte.

"Als ich an des Herrn Krippe zu Bethlehem war, sah ich eine Jungfrau; dieselbe war gesegneten Leibes, mit einem weißen Mantel und einem feinen Rocke bekleidet, durch welchen hindurch ich von außen ihr jungfräuliches Fleisch deutlich sah. Ihr Leib Seiten-Icon 269 war voll und sehr stark, denn sie war im Begriffe, niederzukommen. Bei ihr befand sich ein gar ehrbarer Greis und beide hatten einen Ochsen und einen Esel bei sich. Als sie in die Hölle eingetreten waren, band der Greis den Ochsen und den Esel an die Krippe, ging hinaus und brachte der Jungfrau eine angezündete Kerze, befestigte dieselbe an der Wand und ging wieder hinaus, um nicht persönlich bei der Niederkunft gegenwärtig zu sein. Nun zog die Jungfrau die Schuhe von ihren Füßen ab, that den weihen Mantel ab, mit dem sie bedeckt war, entfernte den Schleier von ihrem Haupte, legte diese Gegenstände neben sich nieder und blieb nur im Unterkleid; ihre überaus schönen, wie goldenen Haare hingen ausgebreitet über ihre Schultern hinab. Darauf zog sie zwei leinene und zwei wollene, ganz reine und feine Tücher hervor, welche sie bei sich trug, um das neugeborene Kind damit einzuwickeln, ingleichen zwei andere kleine Linnentücher zum Bedecken und Verbinden seines Kopfes, und legte auch diese zum Gebrauche bei gelegener Zeit neben sich. Nachdem alles auf diese Weise vorbereitet worden war, beugte die Jungfrau mit großer Ehrfurcht die Kniee und begab sich ins Gebet; dabei hatte sie den Rücken an die Krippe gelehnt, das Gesicht aber gen Morgen nach dem Himmel aufgehoben. Mit emporgehobenen Händen, mit auf den Himmel gerichteten Augen war sie wie in der Betrachtung verzückt und trunken von göttlicher Süßigkeit. Als sie nun so im Gebete war, sah ich das in ihrem Schoße ruhende Kind sich bewegen, und in einem Augenblicke, in einem Nu hatte sie ihren Sohn geboren, von welchem ein so großes, unaussprechliches Licht und Glanz ausging, daß die Sonne damit keinen Vergleich aushielt, noch weniger jene leuchtende Kerze, welche der Greis aufgesteckt hatte, weil jener göttliche Glanz den irdischen Schein der Kerzen ganz vernichtet hatte. Es erfolgte auch die Art des Gebärens so jäh und so plötzlich, daß ich weder bemerken, noch unterscheiden konnte, wie es zuging, oder mit welchem Körperteile sie gebar; vielmehr sah ich sogleich das glorreiche Kind nackt und ganz leuchtend am Boden liegen. Sein Fleisch war ganz frei von jeglicher Makel und jeder Unreinlichkeit. Ich sah auch die Nachgeburtshaut neben demselben liegen; sie war zusammengewickelt und gar glänzend. Auch Gesänge der Engel von wunderbarer Lieblichkeit und großer Süße vernahm ich. Und alsbald zog sich der Leib der Seiten-Icon 270 Jungfrau, welcher vor der Geburt sehr voll war, zusammen, und es erschien nun ihr Körper von wunderbarer Schönheit und gar zart. Sobald die Jungfrau bemerkte, daß sie geboren habe, beugte sie sogleich das Haupt, legte die Hände zusammen, betete mit großer Ehrbarkeit und voll Ehrfurcht den Knaben an, und sprach zu diesem: Willkommen, mein Gott, mein Herr und mein Sohn! Nun weinte das Kind und zitterte gleichsam vor Kälte und von der Härte des Estrichs, auf welchem es lag. Es wälzte sich ein wenig, streckte die Glieder aus und verlangte nach Labung und dem Erweise mütterlicher Zärtlichkeit. Da nahm die Mutter das Kind auf den Arm, und drückte dasselbe gegen ihre Brust und erwärmte es mit großer Freude und unter zärtlichem, mütterlichem Mitleid an Wange und Brust. Darauf setzte sie sich auf die Erde nieder, nahm ihren Sohn auf den Schoß, und ergriff mit ihren Fingern leise seine Nabelschnur, welche alsbald abgeschnitten ward, ohne daß Feuchtigkeit oder Blut herabfloß, und sodann begann sie das Kind sorgfältig einzuwickeln. Erst that sie es in die leinenen und dann in die wollenen Tücher, und band die Beinchen und Ärmchen mit dem Wickelbande, das an die vier Enden des oberen wollenen Tuches angenäht war, zusammen. Nachher aber wickelte und band sie um das Köpfchen des Knäbleins jene beiden leinenen, hierzu bereit gehaltenen Tücher und nachdem das alles vollbracht worden, trat der Greis herein, warf sich auf die Erde nieder, beugte seine Kniee, betete das Kind an und weinte vor Freuden.

Die Jungfrau erlitt bei der Geburt keinerlei Veränderung durch Verfärbung oder Schwachheit. Auch nahm an ihr die leibliche Kraft nicht ab, wie es bei anderen gebärenden Weibern zu geschehen pflegt; ausgenommen nur, daß der schwangere Leib den früheren Zustand annahm, worin er sich befand, ehe sie den Knaben empfing. Nun aber erhob sie sich, hielt den Knaben auf ihren Armen, und beide zugleich, nämlich sie selbst und Joseph, legten ihn in die Krippe, beugten ihre Kniee und beteten ihn an." Seiten-Icon 271

Kapitel XXII.

Eine Offenbarung bei der Krippe des Herrn zu Bethlehem über den nämlichen Gegenstand, wie im vorigen Kapitel.

Nachmals erschien mir am nämlichen Orte die Jungfrau Maria wiederum und sprach: "Meine Tochter! es ist schon lange her, daß ich Dir zu Rom verhieß, ich würde Dir hier zu Bethlehem die Art zeigen, wie ich geboren. Und obwohl ich Dir in Neapel hierüber einiges gezeigt habe, namentlich in welcher Stellung ich mich befunden, als ich meinen Sohn gebar, so magst Du doch als gewiß wissen, daß ich in jener Stellung geboren habe, wie Du es jetzt gesehen, nämlich auf den Knieen liegend und allein im Stalle betend. Ich habe ihn unter so großer Freude und Seelenjubel geboren, daß ich keinerlei Beschwerde und keinen Schmerz fühlte, als er meinen Leib verließ. Ich wickelte ihn aber sogleich in reine Tücher, die ich lange zuvor zubereitet hatte. Als Joseph solches sah, verwunderte er sich unter großer Freude und Fröhlichkeit darüber, daß ich so ohne Beistand geboren hatte. Weil aber die große Menge von Leuten wegen ihrer Aufschreibung in Bethlehem viel beschäftigt war, deshalb hatten sie ihre Aufmerksamkeit hierauf gerichtet, so daß die Wunder Gottes unter ihnen keine Verbreitung finden konnten. Obwohl es Menschen giebt, welche nach ihrem Verstande die Behauptung wagen, mein Sohn sei auf die gewöhnliche Weise geboren, so ist es doch volle Wahrheit und ohne Zweifel, daß er so geboren worden, wie ich Dir, damit Du es wissest, anderwärts gesagt habe und wie Du jetzt gesehen hast."

Kapitel XXIII.

Folgende Offenbarung geschah derselben Frau an der Krippe des Herrn zu Bethlehem, wie die Hirten zu dieser Krippe kamen, um den Herrn anzubeten.

"Ich habe auch an demselben Orte gesehen, wie die Jungfrau Maria und Joseph den Knaben in der Krippe anbeteten, und wie die Hirten und die, welche bei einer Herde wachten, herbeikamen. Seiten-Icon 272 um das Kind zu sehen und anzubeten. Als sie dasselbe erblickt hatten, wollten sie zuerst erforschen, ob es eine weibliche oder männliche Geburt sei, obwohl die Engel ihnen verkündet hatten, daß der Erlöser der Welt geboren worden, und nichts von einer Erlöserin gesagt hatten. Da zeigte ihnen die jungfräuliche Mutter das Geschlecht des Kindes, das sie alsbald mit großer Ehrerbietung und Freude anbeteten, und sodann heimkehrten, indem sie Gott in allem, was sie gehört und gesehen hatten, lobten und priesen."

Kapitel XXIV.

Folgende Offenbarung hatte die Braut zu Bethlehem in der Kapelle, worin Christus geboren worden. Die Jungfrau Maria erzählt ihr dort, wie die drei weisen Könige ihren Sohn angebetet.

Die nämliche Mutter des Herrn sagte mir auch: "Meine Tochter! wisse, daß, als die drei weisen Könige in den Stall kamen, um meinen Sohn anzubeten, ich deren Ankunft wohl zuvor gewußt habe. Und als sie hereinkamen und denselben anbeteten, hüpfte mein Sohn fröhlich auf, und hatte ein von Freude ganz erheitertes Gesicht. Auch ich freute mich gar sehr und war fröhlich, voll wunderbaren Freudenjubels in meinem Herzen. Ich gab fleißig acht auf ihre Worte und ihr Benehmen und behielt und überlegte alles in meinem Herzen." (Lukas II, 19.)

Kapitel XXV.

Die Mutter Gottes redet mit der Frau Brigitta, erzählt derselben einiges von ihrer und ihres Sohnes Demut, und sagt, daß, wie ihr Sohn und sie damals, als sie in der Welt waren, demütig waren, so sie auch jetzt demütig sind, obwohl sie sich im Himmel befinden.

Die Mutter Gottes sprach: "Dieselbe Demut ist noch jetzt in meinem Sohne bei der Macht seiner Gottheit, wie sie war, als er in die Krippe gelegt ward, wo er, zwischen zwei Tieren liegend, obwohl er vermöge seiner Gottheit alles wußte, doch in seiner Menschheit nichts redete. So hört er auch jetzt, zur Rechten des Seiten-Icon 273 Vaters sitzend, alle, welche mit Liebe zu ihm reden, und antwortet durch Eingebungen des heiligen Geistes einigen mit Worten und Gedanken, mit anderen spricht er gleichsam von Mund zu Mund, wie es ihm gefällt. Ebenso bin ich, seine Mutter, noch so demütig an meinem Leibe, welcher über alles, das erschaffen worden, erhöht ist, wie ich es damals gewesen, als ich mit Joseph vermählt war. Doch sollst Du für ganz gewiß wissen, wie Joseph, ehe er sich mit mir verlobte, im heiligen Geiste erkannte, daß ich meine Jungfräulichkeit Gott geweiht, und unbefleckt in Gedanken, Worten und Werken war. Er verlobte sich in der Absicht mit mir, um mir zu dienen und mich zu seiner Gebieterin, nicht aber zur Ehegenossin zu haben. - Auch ich erkannte im heiligen Geiste aufs gewisseste, daß meine Jungfräulichkeit beständig unverletzt bleiben würde, obschon ich nach Gottes geheimem Ratschlusse einem Manne verlobt ward.

Als ich aber dem Boten Gottes meine Einwilligung gegeben, und Joseph sah, wie in Kraft des heiligen Geistes der Umfang meines Leibes zunahm, erschrak er heftig, nicht weil er wider mich einen bösen Argwohn gefaßt, sondern sich der Worte der Propheten erinnerte, welche vorher verkündigt hatten, der Sohn Gottes werde von einer Jungfrau geboren werden, und er sich unwürdig erachtete, einer solchen Mutter zu dienen, bis ein Engel ihm im Traume gebot, er solle sich nicht fürchten, sondern mir mit Liebe dienen. Vom Reichtume behielten Joseph und ich nichts für uns, als das zum Leben Notwendige zur Ehre Gottes; das übrige gaben wir dahin um der Liebe Gottes willen. Als aber die Stunde der Geburt meines Sohnes nahte, die ich gar wohl voraus wußte, kam ich, wie Gott es vorher gewußt, nach Bethlehem, und nahm das reinste Kleid, sowie Tüchlein für meinen Sohn mit mir, die vorher noch niemand im Gebrauche gehabt hatte. In dieselben wickelte ich den, welcher von mir in aller Reinigkeit geboren worden war, und obwohl von Ewigkeit her vorhergesehen worden, daß ich auf dem höchsten Ehrenstuhle über allen Geschöpfen und über allen Menschen sitzen solle, habe ich in meiner Demut doch nicht verschmäht, dasjenige zuzubereiten und aufzutragen, was Joseph und ich bedurften. In ähnlicher Weise war mein Sohn Joseph und mir unterthan. Wie ich also in der Welt demütig und Gott und Joseph allein bekannt war, so sitze ich nun auch jetzt demütig auf dem er- Seiten-Icon 274 habensten Thron, und bin bereit, Gott die vernünftigen Gebete aller darzubringen. Einigen antworte ich durch göttliche Eingebungen, anderen in geheimer Weise, wie es Gottes Wohlgefallen ist."

Kapitel XXVI.

Als die Frau Brigitta willens war, von Jerusalem wieder nach Rom zurückzukehren, ging sie am Geburtstage der Jungfrau Maria, ihr Grab und andere heilige Orte, welche dort nahe bei Jerusalem sind, zu besuchen. Da sie am gedachten Grabe im Gebete begriffen war, erschien ihr die Jungfrau Maria und gab ihr Nachricht über die Zeit ihres Todes und ihrer Aufnahme in den Himmel; bezeugte auch, daß dieses ihr eigenes Grab sei

Als ich im Thale Josaphat war und am Grabe der glorwürdigen Jungfrau betete, erschien mir diese Jungfrau, schimmernd in überaus hellem Glanze, und sprach: "Merk' auf, meine Tochter! Nachdem mein Sohn gen Himmel aufgefahren war, lebte ich in der Welt noch fünfzehn Jahre und so viele Zeit darüber, wie man vom Feste der Himmelfahrt meines Sohnes bis zu meiner Himmelfahrt zählt. Nachdem ich fünfzehn Tage tot in diesem Grabe gelegen, bin ich mit unendlicher Ehre und Freude in den Himmel aufgenommen worden. Meine Kleider aber, mit denen ich begraben worden, blieben damals in diesem Grabe zurück; dafür bin ich mit solchen Kleidern bekleidet worden, mit welchen mein Sohn und mein Herr Jesus Christus bekleidet ist. Wisse auch, daß kein menschlicher Leib im Himmel ist, als der verherrlichte Leib meines Sohnes und mein Leib.

Nun ziehet wieder heim in die Länder der Christen, bessert euer Leben immer mehr und mehr und lebt fortan mit höchster Vorsicht und Aufmerksamkeit, nachdem ihr diese heiligen Stätten besucht habt, wo mein Sohn und ich leiblich gelebt haben, und gestorben und begraben sind." Seiten-Icon 275

Kapitel XXVII.

Als Frau Brigitta auf ihrer Heimkehr von Jerusalem durch die Stadt Neapel reiste, ward sie von der Frau Königin und dem Erzbischofe der gedachten Stadt angegangen, Gott für die Einwohner derselben Stadt zu bitten. Christus redet mit ihr und klagt die gedachten Einwohner mehrerer Sünden an, zeigt ihnen auch die Art, wie die Sünder sich mit ihm wieder versöhnen sollen, indem er ihnen Barmherzigkeit verheißt, wofern sie sich versöhnen und bessern. Er bedroht sie aber auch mit der Strenge der Gerechtigkeit, wofern sie sich nicht bessern und in der Sünde verharren. Diese Offenbarung machte die Frau Brigitta im Beisein des gedachten Herrn Erzbischofs Bernhard, dreier Magister in der Theologie und zweier Doktoren des kanonischen und bürgerlichen Rechtes, sowie einiger Civil- und Militärpersonen der genannten Stadt bekannt.

Eine Person wachte im Gebete und lag der Betrachtung ob; sie ward in eine innere Erhebung hingerissen. Da erschien ihr Jesus Christus und sprach also: "Höre Du, der es gegeben worden, Geistliches zu hören und zu sehen, merke fleißig auf und behalte in Deinem Herzen, was Du jetzt hören wirst. Du wirst dasselbe in meinem Namen der Bevölkerung ankündigen. Rede es aber nicht, um Dir Ehre oder menschliches Lob zu erwerben, verschweige es jedoch auch nicht aus irgend einer Furcht vor menschlicher Schmach oder Verachtung, weil Dir dieses nicht nur Deinetwegen, sondern auch um der Bitten meiner Freunde willen gezeigt wird, was Du nun hören sollst. Einige meiner auserwählten Freunde in der Stadt Neapel haben mir viele Jahre hindurch mit ihren Bitten angelegen, und mich von ganzem Herzen gebeten, und durch ihre Arbeiten für meine Feinde, die in derselben Stadt wohnen, dahin getrachtet, daß ich ihnen eine Gnade erweisen möchte, durch welche sie von ihren Sünden und Mißbräuchen abgezogen und zu ihrem Heile zurückgerufen werden möchten. Ihren Gebeten mich neigend, gebe ich Dir jetzt diese meine Worte. Deshalb höre Du aufmerksam auf das, was ich Dir sage. Ich bin der Schöpfer und Herr aller Dinge, sowohl des Teufels, als aller Engel, niemand wird meinem Gerichte entgehen. Der Teufel aber hat dreifältig gegen mich gesündigt, nämlich durch Hoffart, durch Neid und Vermessenheit, d. i. durch die Liebe Seiten-Icon 276 des eigenen Willens. So hoffärtig ist er gewesen, daß er als Gott über mich sein wollte, und ich ihm unterthan sein sollte. Er hatte auch solchen Neid auf mich, daß er, wofern es möglich gewesen wäre, mich gern getötet haben würde, um selber Herr zu sein und auf meinem Throne zu sitzen, denn so lieb war ihm sein Wille, daß er nach meinem Willen nichts fragte, wofern er nur seinen Willen vollziehen konnte; deshalb stürzte er aus dem Himmel, und wurde aus einem Engel der Teufel in der Tiefe der Hölle. Als ich hiernach seine Bosheit und den großen Neid erkannte, den er wider die Menschen hatte, offenbarte ich meinen Willen und gab den Menschen meine Gebote, so daß sie, wenn sie dieselben hielten, mir gefallen, dem Teufel aber mißfallen konnten. Dann kam ich um der Liebe willen, welche ich zu den Menschen habe, in die Welt und nahm mein Fleisch von der Jungfrau an, lehrte sie auch in Person durch Wort und Werk den wahren Weg der Gottesverehrung und öffnete, ihnen vollkommene Liebe und Zuneigung zu beweisen, den Himmel mit meinem eigenen Blute. Was thun mir aber jene Menschen jetzt, welche meine Feinde sind? In Wahrheit verachten sie meine Gebote, werfen mich wie ein abscheuliches Gift aus ihrem Herzen hinaus, speien mich aus ihrem Munde weg wie einen stinkenden Gegenstand und haben einen Abscheu vor meinem Anblicke, wie vor einem Aussätzigen, der einen üblen Geruch verbreitet. Den Teufel und seine Werke aber umfassen sie mit ihrem ganzen Thun und Empfinden, ihn führen sie ein in ihre Herzen, thun mit Lust und Freude seinen Willen, und folgen seinen bösen Eingebungen. Deshalb wird es ihnen durch mein gerechtes Gericht in der Hölle mit dem Teufel ewig und ohne Ende vergolten werden; für die Hoffart, der sie ergeben sind, werden sie Scham und ewige Schande haben, so daß Engel und Teufel von ihnen sagen werden: Sie sind bis obenan mit Schande erfüllt; für ihre unersättliche Begierlichkeit aber wird jeder Teufel der Hölle sie mit seinem tödlichen Gifte dergestalt anfüllen, daß in ihren Seelen keine Stelle sein wird, die nicht angefüllt wäre mit teuflischem Gifte; für die Unkeuschheit, in welcher sie brennen wie unvernünftige Tiere, wird ihnen niemals verstattet werden, mein Antlitz zu sehen, sondern sie werden von mir abgesondert und dazu auch ihrer zügellosen Wollust beraubt werden. Übrigens sollst Du wissen, daß, wie alle Todsünden sehr Seiten-Icon 277 schwer sind, so auch die läßliche Sünde, wenn der Mensch mit dem Willen, darin zu verharren, sich daran ergötzt, eine Todsünde wird. Deshalb sollst Du erfahren, wie zwei Sünden jetzt in Übung sind, welche ich Dir jetzt nenne, die andere Sünden mit sich ziehen, welche zwar alle wie läßliche erscheinen; weil aber die Menschen ein Gefallen daran finden, in denselben mit Lust zu verharren, so werden sie zu Todsünden; noch viele andere abscheuliche Sünden begehen die Leute in der Stadt Neapel, die ich Dir nicht nennen will. Von jenen beiden Sünden nenne ich Dir als die erste, daß das Angesicht des vernünftigen menschlichen Geschöpfes mit verschiedenen Farben angestrichen wird, mit denen man die unempfindlichen Götzenbilder und die Bildsäulen der Abgötter anstreicht, um von anderen als schöner angesehen zu werden, als ich sie gemacht habe. Die zweite Sünde ist, daß durch unehrbare Kleidertrachten, deren die Leute sich bedienen, die Körper der Männer und Weiber ihrem natürlichen Zustande entgegen entstellt werden, was sie aus Hoffart thun, damit sie leiblich schöner und üppiger erscheinen, als ich, Gott, sie erschaffen habe, und damit auch diejenigen, welche solches sehen, alsbald zur Fleischeslust gereizt und entflammt werden mögen. Darum sei aufs gewisseste überzeugt, daß, wie oft sie ihr Angesicht mit Schminke und fremder Farbe bestreichen, so oft die Kraft des heiligen Geistes sich ihnen vermindert und der Teufel sich ihnen nähert; daß, wie oft sie mit unanständigen und ordnungswidrigen Kleidern sich schmücken und ihre Leiber entstellen, ebenso oft der Schmuck der Seele sich mindert, des Teufels Macht aber sich vermehrt. O ihr, meine Feinde, die ihr dergleichen und andere, meinem willen zuwiderlaufende Sünden mit unverschämter Stirne begehet, weshalb, seid ihr gegen meine Leiden so gleichgültig, und gebt in eueren Herzen nicht acht, wie ich nackt an der Säule gebunden stand und mit harten Geißeln grausam geschlagen ward? Wie stand ich nackt da und rief vom Kreuze herab, mit Wunden bedeckt und mit Blut gekleidet! Und wenn ihr euere Gesichter bemalt und salbet, halb blicket ihr nicht mein Antlitz an, wie dasselbe mit Blut bedeckt gewesen? Warum habt ihr nicht acht auf meine Augen, wie dieselben sich verfinsterten mit Blut und Thränen und meine Augenlider erbleichten? Weshalb richtet ihr euere Blicke nicht auch auf meinen Mund und meine Ohren, und schauet nicht an meinen Seiten-Icon 278 Bart, wie sehr er entfärbt und mit Blut befleckt war, und warum sehet ihr nicht meine übrigen Glieder an, welche durch verschiedene Peinen unmenschlich verwundet waren? Und wie bleich hing ich euretwegen tot am Kreuze und ward dort von allen verspottet, verworfen und zu dem Ende verachtet, auf daß ihr bei solcher Erinnerung und aufmerksamem Gedächtnis mich, eueren Gott, lieben, und so des Teufels Fallstricken, mit denen ihr grausam gebunden seid, entgehen möchtet! Allein das alles ist in eueren Augen und Herzen vergessen und vernachlässigt; darum thut ihr wie die feilen Dirnen, welche die Wollust und Fleischeslust, aber nicht die Erzeugung lieben; denn wenn sie fühlen, daß ein Kind in ihrem Leibe lebt, treiben sie es alsbald mit Kräutern und anderen Mitteln ab, um die fleischliche Lust und das abscheuliche Vergnügen nicht entbehren zu müssen und beständig der Unzucht und des stinkenden fleischlichen Beischlafes pflegen zu können. Also thut auch ihr. Denn ich, euer Schöpfer und Erlöser, suche alle heim mit meiner Gnade und klopfe an, nämlich an euere Herzen, weil ich alle liebe. Wenn ihr bisweilen ein Klopfen der Einsprechung meines Geistes in eueren Herzen vernehmet und Reue empfindet, oder wenn ihr beim Hören meiner Worte einigen guten Willen fasset, so sucht ihr dieses sogleich wie einen Abortus geistlicherweise abzutreiben, indem ihr z. B. euere Sünden entschuldigt und euch darin verdammlicherweise zu beharren belustigt. So thut ihr des Teufels Willen, indem ihr ihn in euere Herzen schließt und mich so auf verächtliche Weise austreibt, und deshalb seid ihr ohne mich und ich bin nicht bei euch, auch in mir seid ihr nicht, sondern im Teufel, weil ihr dem Willen und den Eingebungen desselben gehorcht. -

Wie ich aber mein Gericht erzählt, will ich nun auch meine Barmherzigkeit melden. Meine Barmherzigkeit besteht darin, daß keinem meiner Feinde, er sei ein auch noch so großer und häufiger Sünder, meine Barmherzigkeit verweigert wird, wenn er um dieselbe mit demütigem und vollkommenem Herzen bittet. Es müssen aber meine Feinde drei Stücke beobachten, wenn sie sich meine Gnade und Freundschaft wieder erwerben wollen. Das erste ist, daß sie Buße thun und von ganzem Herzen Reue und Leid darüber empfinden, daß sie mich, ihren Schöpfer und Erlöser, beleidigt haben; das zweite ist eine aufrichtige, demütige und häufige Beicht, Seiten-Icon 279 welche sie vor ihrem Beichtvater ablegen und so alle ihre Sünden bessern sollen, indem sie nach dem verständigen Rate desselben Beichtigers Buße thun und Genugthuung leisten; alsdann werde ich ihnen nahen und der Teufel wird sich von ihnen entfernen. Das dritte ist, daß, nachdem sie dieses mit Andacht und vollkommener Liebe verrichtet haben, sie in der Kommunion meinen Leib nehmen und empfangen, auch dabei den Willen haben, niemals in die früheren Sünden zurückzufallen und im Guten zu verharren bis ans Ende. Wer immer auf diese Weise sich gebessert hat, dem will ich sogleich entgegenkommen, wie ein liebreicher Vater seinem verlorenen Sohne, und ich werde mehr Freude haben, ihn zu Gnaden aufzunehmen, als er selbst wird bitten und denken können, und dann werde ich in ihm sein und er wird in mir sein und mit mir in Ewigkeit leben und sich freuen. Wer aber in seinen Sünden und in seiner Bosheit verharrt, über den wird zweifellos meine Gerechtigkeit kommen. Denn wie ein Fischer thut, wenn er die Fische im Wasser in ihrer Lust und Fröhlichkeit spielen sieht, daß er die Angel ins Meer wirft und die Fische fängt, und nicht alle zugleich, sondern nacheinander und allgemach einen um den anderen herauszieht und sie demnächst in den Tod schickt, bis er alle verzehrt hat, so will auch ich mit meinen Feinden, welche in der Sünde verharren, verfahren. Ich werde sie allmählich herausnehmen aus dem weltlichen Leben dieser Zeit, in welchem sie sich fleischlich und zeitlich ergötzen, und zwar in der Stunde, wo sie es selbst nicht geglaubt haben und in größtem Vergnügen leben. Alsdann werde ich sie hinwegreißen von dem ewigen Leben und sie in den ewigen Tod schicken, wo sie deshalb nimmer mein Antlitz sehen werden, weil sie mehr geliebt haben, ihren ungeordneten und verderbten Willen zu thun und zu erfüllen, als meine Gebote und meinen Willen zu vollziehen."

Nachdem dieses vernommen worden war, verschwand die Vision. Seiten-Icon 280

Kapitel XXVIII.

Eine Offenbarung der Jungfrau Maria, welche die Frau Brigitta in der Stadt Neapel hatte, und welche sie an den Herrn Bernhard, den Erzbischof von Neapel, sandte. Diese Offenbarung straft diejenigen, welche ihre ungläubigen Knechte oder Sklaven, die sich neuerlich zum Glauben bekehrt haben, nicht in demselben katholischen Glauben und christlichen Gesetze unterweisen. Die Jungfrau Maria schilt auch die Herren, welche ihre Knechte übel behandeln und über die Maßen hart halten. Sie bedroht auch mit harter Strafe die Zauberer und Wahrsager und diejenigen, welche dieselben unterhalten und ihnen Glauben beimessen.

Die Frau Brigitta schreibt an den Herrn Bernhard, den Erzbischof von Neapel, und sagt: "Ehrwürdiger Vater und Herr! Als die Person, welche Euch wohl bekannt ist, im Gebete begriffen war, ward sie in eine Betrachtung verzückt. Es erschien ihr die Jungfrau Maria und sprach zu ihr also: Ich, die ich mit Dir rede, bin die Königin des Himmels. Ich bin wie ein Gärtner dieser Welt; denn wie ein Gärtner, wenn er einen starken Wind sich erheben sieht, der den jungen Pflanzen und Bäumen seines Gartens verderblich ist, sogleich eilends herbeikommt und, soviel er kann, dieselben befestigt und an starke Stützen festbindet, und also denselben nach seinem Vermögen in verschiedener Weise zu Hilfe kömmt, damit sie nicht durch den heranstürmenden Wind zerbrochen und elendiglich entwurzelt werden; so thue ich, die Mutter der Barmherzigkeit, in meinem Garten dieser Welt. Wenn ich die gefährlichen Winde der Versuchungen und boshaften Eingebungen des Teufels in die Herzen der Menschen wehen sehe, so eile ich sogleich zu meinem Herrn und Gott, meinem Sohne Jesu Christo, um ihnen mit meinen Gebeten zu helfen und von ihm zu erlangen, daß er in ihre Herzen einige heilige Eingebungen des heiligen Geistes sende, auf welche gestützt und durch welche heilsam gestärkt, sie unverletzt vom teuflischen Winde der Versuchungen geistlich geschützt werden, damit der Teufel nicht die Obergewalt über die Menschen erhalte, ihre Seelen verderbe und sie nach seinem bösen Wunsche verdammlich ausreiße. Wenn nun die Menschen meine gedachte Unterstützung und Hilfe mit Demut des Herzens Seiten-Icon 281 und Vollziehung der That annehmen, werden sie alsbald gesichert vor dem teuflischen Anlauft der Versuchungen, bleiben fest im Stande der Gnaden und bringen Gott und mir zu gelegener Zeit die Frucht der Süßigkeit. Diejenigen aber, welche die geistliche Hilfe meines Sohnes und die meinige verachten und sich durch Einwilligung und im Werke vor dem Winde der Versuchungen des Teufels beugen, werden mit der Wurzel aus dem Stande der Gnade herausgerissen und vom Teufel samt ihren unerlaubten Begierden und Werken bis in die tiefen, ewigen Peinen und Finsternis der Hölle hinabgestürzt. Nun aber wisse, daß in der Stadt Neapel verschiedene und viele entsetzliche, heimliche Sünden begangen werden, von welchen ich jetzt nicht reden will, sondern ich will nur von zwei Arten offenbarer Sünden reden, welche meinem Sohne und mir und dem ganzen himmlischen Hofe gar sehr mißfallen. Die erste ist, daß viele in dieser Stadt Heiden und Ungläubige zu ihrer Bedienung käuflich an sich bringen, daß aber einige der Herren sich nicht darum kümmern, daß dieselben getauft und zum christlichen Glauben bekehrt werden. Wenn auch einige unter ihnen getauft werden, kümmern sich ihre Herren nach der Taufe ebensowenig um ihre Unterweisung und Unterricht im christlichen Glauben oder um Anleitung zum Empfange der kirchlichen Sakramente, als vor ihrer Taufe und Bekehrung. und so kommt es, daß diese belehrten Diener nach Annahme des Glaubens viele Sünden begehen und nicht wissen, wie sie nach denselben sich der Sakramente der Buße und der heiligen Kommunion bedienen und in den Stand der Gnade und der Versöhnung mit Gott zurückkehren können. Ferner halten einige ihre Mägde oder Sklavinnen in solcher Verachtung und Schmach, als wenn sie Hunde wären, verkaufen dieselben und, was noch ärger ist, bringen sie häufig in Freudenhäusern unter, um das Geld der Schande und des Fluches zu gewinnen; andere aber halten dieselben in ihren Häusern als Beischläferinnen für sich und auch für andere, - ruht verabscheuungwürdig und Gott, mir und dem ganzen himmlischen Heere verhaßt; wieder andere Herren beschweren und erbittern ihre Diener so sehr mit Schmähworten und Schlägen, daß manche derselben in den Zustand der Verzweiflung geraten und den Willen fassen, sich selbst zu töten. Diese Sünden und Vernachlässigungen mißfallen Gott und dem Seiten-Icon 282 ganzen himmlischen Hofe, weil Gott auch diese dienenden Menschen liebt, der sie erschaffen hat und in die Welt gekommen ist, um alle zu erlösen, wobei er sein Fleisch von mir annahm, und Leiden und Tod am Kreuze erduldete. Wenn sie aber solche Heiden und Ungläubige in der Absicht kaufen, um sie zu Christen zu machen, oder mit dem Willen, sie im christlichen Glauben und in den Tugenden zu unterweisen und zu unterrichten, oder mit der Absicht, ihnen bei Lebzeiten oder beim Tode die Freiheit zu geben, so daß sie an den Erben nicht übergehen, so sollst Du wissen, daß solche Herren dadurch sich ein großes Verdienst erwerben und angenehm vor Gott sind. Für ganz gewiß aber sei überzeugt, daß diejenigen, welche das Gegenteil thun, von Gott schwer werden gestraft werden. Die zweite Art der Sünde besteht darin, daß viele Männer und Frauen böse Zauberer und Wahrsager bei sich haben und dieselben um Rat fragen und aus mancherlei anderen sündhaften Absichten, sowie sie denn bisweilen von ihnen verlangen, daß sie Schwarzkünste zu dem Ende vornehmen, damit sie empfangen und Kinder zur Welt bringen können, oder damit sie von Männern oder Weibern, oder auch von ihren zeitlichen Herren geliebt werden und ihre Zuneigung erwerben. Andere aber fordern von diesen verfluchten unholden die Wissenschaft zukünftiger Dinge, andere begehren von ihnen, daß sie ihnen mittels ihrer Zauberei Gesundheit in ihren Krankheiten verschaffen. Diese alle, sowohl diejenigen, welche solche Hexenmeister, Zauberer und Schwarzkünstler in ihren Familien oder auf ihre Kosten halten, als auch die, welche von solchen Rat und teuflische Mittel begehren, als auch die Schwarzkünstler selbst, welche obengedachte Dinge versprechen, sind vor Gott verflucht und verhaßt, und es wird, solange sie in solchem Zustande und Vorsatze beharren, niemals eine Eingebung oder Gnade des heiligen Geistes in ihre Herzen hinabsteigen oder eingehen. Diejenigen aber, welche Buße thun und sich demütig mit dem wahren Vorsatze bessern, nicht wieder rückfällig zu werden, werden bei meinem Sohne Erbarmen und Gnade erlangen." Nachdem dieses vernommen werden war, verschwand das Gesicht. Seiten-Icon 283

Kapitel XXIX.

Ein Bischof, welcher für die heilige römische Kirche die Mark Antona verwaltete und von seinem Gewissen beunruhigt ward, weil er um des besagten Amtes in der Mark willen, wo er residierte, abwesend und zu lange aus seinem Sprengel entfernt war, und so auf die ihm anvertrauten Schafe in seiner Diöcese nicht achthaben konnte, fragte die heilige Brigitta in seinem Zweifel, ob es Gott besser gefallen möchte, wenn er zur Abwartung seines Amtes in der Mark residierte, oder wenn er zurückkehrte, um in seinem Sprengel die ihm anvertrauten Schafe zu regieren. Als nun die vorgedachte Frau infolge dieses Ansuchens für den vorgedachten Bischof betete, erschien ihr Christus und sprach zu ihr die nachfolgend verzeichneten Worte.

"Gebenedeit sei Gott in Ewigkeit um alles seines Guten willen! Amen. Mein ehrwürdiger Herr und Vater! Einen demütigen Gruß zuvor. Ihr habt mir in Demut geschrieben, ich, eine Euch unbekannte Frau, solle Gott demütig für Euch bitten. Hierauf antworte und sage ich Euch bei der Wahrheit in meinem Gewissen, daß ich solches zu thun eine unzulängliche Sünderin und leider unwürdig bin. Ihr habt mir auch geschrieben, ich solle Euch zum Heile Euerer Seele einige geistliche Ratschläge schreiben. Und deshalb hat Gott Eueren Glauben und Euere Demut angesehen, und Eueren Wünschen und Euerem Glauben in liebreicher, väterlicher Weise genügen wollen, da er nicht meiner Sünden, sondern des herzlichen Verlangens des demutsvoll Bittenden geachtet hat. Denn als ich unwürdige Sünderin am vorigen Tage in dieser Sache für Euch zu meinem Herrn Jesu Christo betete, erschien er selber mir im Geiste, redete durch ein Gleichnis mit mir und sprach: O Du, der gegeben worden, Geistliches zu sehen, merke jetzt auf und wisse für gewiß, daß alle Bischöfe und Äbte und auch die übrigen Vorsteher der Kirchen und bepfründete Seelsorger, welche unter Verlassung ihrer Kirchen und meiner ihnen anvertrauten Schafe andere Ämter und Verwaltungen in der Absicht und mit dem Willen übernehmen und behalten, daß sie in diesen Stellungen höher von den Menschen geehrt und zu einer höheren Staffel der Welt erhöht und erhoben werden mögen, wenn sie auch bei diesen Verwaltungen nichts stehlen und rauben, noch sonst irgend eine andere Ungerechtig- Seiten-Icon 284 keit begehen, nichtsdestoweniger aber, weil sie sich dieser Ämter und Ehren selbst rühmen und ihre Freude daran haben, und deshalb meine Schafe und ihre Kirchen im Stiche lassen, vor mir, wenn sie also thun, Schweinen gleich sind, denen man bischöflichen und priesterlichen Schmuck umgethan hat, als ob man mittels eines Gleichnisses also spräche: Ein großer Herr hatte seine Freunde zu einem Nachtmahle geladen. Zur Zeit des Nachtmahles gingen seine Schweine also bekleidet hinein in den Palast vor jenen Herrn und vor die, welche zu Tische saßen. Als ihnen nun der Herr von jenen köstlichen Speisen seines Tisches geben wollte, erhoben sie ein abscheuliches Grunzen und weigerten sich, jene kostbaren Speisen zu essen, sondern begehrten begierig nach gewohnter Art ihr Schweinefutter. Als nun der Herr dieses sah und erkannte, empfand er einen Abscheu vor ihrem verächtlichen, unreinen Wesen, und sprach sogleich zu seinen Dienern in großem Unwillen und Zorn: Treibt sie hinaus aus meinem Palaste, werft sie zur Thüre hinaus, damit sie an dem Schweinefutter, dessen sie würdig sind, sich erquicken und sättigen mögen; denn sie wollen nicht von den Speisen essen, welche für meine Freunde bereitet worden, und sind dessen auch nicht wert.

Hieraus habe ich, ehrwürdiger Vater und Herr! im Geiste erkannt, daß Ihr also thun sollet, nämlich in Euerem Gewissen entscheiden, ob jene Schafe Christi, d. i. Eueres Bistums, die Euch anvertraut worden, in Euerer Abwesenheit gut und geistlich regiert werden oder nicht. Werden sie nun so gut wie es sich geistlicherweise in Euerer Abwesenheit geziemt, zum Nutzen und Vorteile der Seelen selbst regiert, und bemerkt Ihr außerdem, daß Ihr in der Regierung der Mark Gott eine größere Ehre und den Nutzen der Seelen schaffen könnt, als in Euerem Bistume, dann sage ich, könnt Ihr im Amte der Verwaltung der Mark recht wohl und erlaubterweise nach dem Willen Gottes bleiben, wofern Euch nur nicht das Verlangen nach Ehre oder der eitle Ruhm des Amtes dort zu bleiben verleitet. Wenn aber Euer Gewissen Euch das Gegenteil sagt, dann rate ich Euch, daß Ihr die Verwaltung der Mark aufgebt, zurückkehrt und persönlich an Euerer Kirche und in dem Euch übertragenen Bistume residiert, um Euere, oder vielmehr, Christi Euch besonders anvertraute Schafe zu regieren, und dieselben Seiten-Icon 285 mit Wort, Beispiel und Werk nicht nachlässig und fehlerhaft, wie ein böser Mietling, sondern sorgfältig und tugendsam als wahrer und guter Hirt zu weiden. Verzeiht mir, Herr, daß ich Euch solches schreibe, da ich ein unwissendes Weib, eine unwürdige Sünderin bin; ich bitte jenen unseren wahren und guten Hirten, welcher sich herabgelassen hat, für seine Schafe zu sterben, daß er Euch die Gnade des heiligen Geistes gewähre, mittels deren Ihr seine Schafe würdiglich regieren und bis zum Tode immer seinen glorwürdigen, heiligsten Willen thun möget."

Kapitel XXX.

Der Richter beklagt sich bei der Braut über alle Sünden in allen Ständen und Verhältnissen, indem er ihr die Wohlthaten erzählt, welche er ihnen erwiesen, und ihre Undankbarkeit erzählt. Er droht ihnen auch mit dem Urteile seines schrecklichen Zornes, ermahnt sie jedoch, sich zu ihm zu bekehren, worauf er sie wie ein Vater mit Barmherzigkeit aufnehmen wird.

Ich erblickte einen großen Palast, der dem heiteren Himmel ähnlich war. In demselben befand sich die Menge der himmlischen Heerscharen, zahllos wie die Sonnenstäubchen und glänzend wie die Strahlen der Sonne. Im Palaste saß auf einem wunderbaren Throne wie die Person eines Mannes von unbegreiflicher Schönheit, ein Herr von unermeßlicher Macht; seine Kleider waren wunderbar, von unaussprechlicher Klarheit. Und eine Jungfrau stand vor dem, welcher auf dem Throne saß. Dieselbe war heller leuchtend, als die Sonne, und das umstehende himmlische Heer ehrte sie auf ehrerbietige Weise wie eine Königin des Himmels. Derjenige aber, welcher auf dem Throne saß, öffnete seinen Mund und sprach: "Höret, ihr alle meine Freunde, welche ihr in der Welt lebt, denn zu meinen Freunden, welche meinen Willen befolgen, rede ich nicht. Höret, alle Geistliche, Erzbischöfe und Bischöfe und alle auf niedrigern Stufen der Kirche. Höret, ihr Religiosen [sic!] alle, wes Ordens ihr sein möget. Höret, ihr Könige, ihr Fürsten und Richter der Erde, und alle, die ihr dienet. Höret, ihr Weiber, Königinnen und Prinzessinnen, alle ihr Gebieterinnen und Mägde und ihr alle, von welcherlei Stufe und Stande ihr auch sein möget, Große und Kleine, die ihr die Seiten-Icon 286 Welt bewohnt, diese Worte, die ich selber, der ich euch erschaffen habe, jetzt zu euch spreche. Ich beklage mich, daß ihr abgefallen seid von mir, und dem Teufel, meinem Feinde, gehuldigt habt. Ihr habt meine Gebote verlassen, folget dem Willen des Teufels und gehorchet seinen Eingebungen; ihr beachtet nicht, daß ich, der unwandelbare, ewige Gott, euer Schöpfer, vom Himmel zur Jungfrau herabgestiegen bin, von ihr mein Fleisch angenommen und unter euch gewandelt habe. Ich habe durch mich selber euch den Weg eröffnet, und die Ratschläge gezeigt, mittels deren ihr zum Himmel gehen sollet. Ich bin entblößt, gegeißelt, mit Dornen gekrönt und so stark am Kreuze ausgestreckt worden, daß fast alle Nerven und Gelenke meines Leibes auseinandergingen. Ich hörte alle Schmachreden und habe den verächtlichsten Tod und bittersten Schmerz des Herzens für euer Heil erduldet. Das alles, meine Feinde, beachtet ihr nicht, denn ihr seid betrogen und traget die betrügliche Lieblichkeit des Joches und der Last des Teufels, und wisset und empfindet es nicht, bevor der Schmerz über die endlose Bürde herantritt. Und auch das ist euch noch nicht genug, sondern euere Hoffart ist so groß, daß, wenn ihr euch über mich erheben könntet, ihr es gern thun würdet. Euere Fleischeslust ist so groß, daß ihr lieber mich entbehren, als euere ungeordnete Lust fahren lassen wollet. Überdies ist euere Begierlichkeit unersättlich, wie ein durchlöcherter Sack, weil nichts ist, das euere Begierde sättigen kann. Deshalb schwöre ich bei meiner Gottheit, daß, wenn ihr in dem Stande, worin ihr euch befindet, dahinsterbet, ihr niemals mein Angesicht schauen werdet, sondern um euerer Hoffart willen werdet ihr so tief in die Hölle versenkt werden, daß alle Teufel über euch kommen und euch untröstlich peinigen werden, für euere Unkeuschheit aber werdet ihr mit entsetzlichem, teuflischem Gifte angefüllt, für euere Begierlichkeit werdet ihr mit Schmerz und Beklemmung erfüllt und alles Übels teilhaftig werden, das in der Hölle ist. O ihr verabscheuungswürdigen, undankbaren, entarteten Feinde! Ich erscheine euch, wie ein im Winter gestorbener Wurm, deshalb thut ihr, was ihr wollt, und fühlt euch glücklich; darum will ich mich im Sommer erheben, und dann werdet ihr schweigen und meiner Hand nicht entfliehen. Gleichwohl aber, ihr Feinde, die ich euch mit meinem Blute losgekauft habe, suche ich auch euere Seelen; darum kehret euch wieder Seiten-Icon 287 zu mir mit Demut, und ich will euch mit Freuden wie meine Kinder aufnehmen. Schüttelt das schwere Joch des Teufels von euch ab, und erinnert euch meiner Liebe, und ihr werdet in euerem Gewissen schauen, wie süß und sanftmütig ich bin."

Kapitel XXXI.

Christus redet in Rom mit seiner Braut, der Frau Brigitta, und sagt ihr den Tag und die Art ihres Todes voraus. Er befiehlt, was sie mit den Büchern ihrer Offenbarungen thun soll. Er sagt auch, daß viele in der Welt sein werden, welche dieselben, wann es ihm gefällt, mit Andacht aufnehmen werden. Diese werden seine Gnade erlangen. Der Herr giebt auch Anordnungen über den Leichnam seiner Braut an, und wo derselbe begraben werden soll.

Fünf Tage vor dem Tode der oft gedachten Braut Christi, der Frau Brigitta, begab es sich, daß ihr unser Herr Jesus Christus vor dem Altare, welcher sich in ihrem Zimmer befand, erschien. Er zeigte ihr ein fröhliches Angesicht und sprach: "Ich habe Dir gethan, wie ein Bräutigam zu thun pflegt, welcher sich vor seiner Braut verbirgt, um desto feuriger von ihr verlangt zu werden. So habe ich Dich in dieser Zeit nicht mit Tröstungen heimgesucht, weil es die Zeit Deiner Prüfung war. Weil Du nun bewährt bist, komme her und mache Dich fertig, denn nun ist die Zeit, daß erfüllt werde, was ich Dir verheißen hatte, nämlich daß Du vor meinem Altare als Klosterfrau eingekleidet und geweiht, und von nun an nicht allein für meine Braut, sondern auch für eine Klosterfrau und Mutter in Wadstena gehalten wirst. Doch sollst Du wissen, daß Du Deinen Leib hier in Rom ablegen wirst, bis derselbe an die ihm zubereitete Stätte kommen wird, weil es mir gefällt, Dich Deiner Mühen zu entheben und Deinen Willen für die That zu nehmen." Darauf wandte er sich gegen Rom hin und sprach wie klagend: "O mein Rom! o mein Rom! der Papst verachtet dich und merkt nicht auf meine Worte, sondern nimmt das Zweifelhafte für das Gewisse. Deshalb wird er nicht mehr meinen Lockruf hören, weil er die Zeit meiner Barmherzigkeit nach seiner Willkür berechnet."

Darauf sprach er zur Braut: "Du aber sage dem Prior, er Seiten-Icon 288 solle alle diese Worte, alle Offenbarungen den Brüdern und meinem Bischofe übergeben, welchem ich den Eifer meines Geistes gewähren und mit meiner Gnade erfüllen werde. Wisse auch, daß, wann es mir gefallen wird, Menschen kommen werden, welche mit Süßigkeit und Freude diese Worte der himmlischen Offenbarungen, die Dir bisher geworden sind, aufnehmen werden. Auch wird alles erfüllt werden, was Dir gesagt worden. Und obwohl vielen meine Gnade wegen ihrer Undankbarkeit entzogen worden, werden doch andere kommen, welche sich an ihrer statt erheben und meine Gnade erlangen werden. -

Unter die letzten Worte aller Offenbarungen, welche Dir geworden sind, soll jene gemeinsame, allgemeine Offenbarung gesetzt werden, die ich Dir zu Neapel mitgeteilt habe, weil mein Gericht über alle Völker, welche in Demut zu mir zurückkehren, wie Dir gezeigt worden ist, erfüllt werden wird. -

Von diesem und vielem anderem, das hier nicht geschrieben wird, aber gesagt worden, machte die gedachte Braut Christi gegen einige um sie befindliche Personen Mitteilung, welche sie, wie sie sagte, vor ihrem Tode vor Gott gesehen hatte. Nachdem dieses vernommen worden, setzte der Herr hinzu und sprach: "Am fünften Tage in der Frühe, wenn Du die Sakramente empfangen haben wirst, berufe die Personen, eine nach der anderen, die bei Dir sind, und welche ich Dir eben genannt habe, zu Dir, und sage ihnen, was sie thun sollen, und so wirst Du unter ihren Worten und Händen zu Deinem Kloster, das ist, in meine Freude kommen, und Dein Leib wird beigesetzt werden in Wadstena."

Als hierauf der fünfte Tag herangekommen war, erschien ihr Christus wiederum um die Zeit der Morgenröte und tröstete sie. Nachdem die Messe gelesen war und sie die Sakramente mit großer Andacht und Ehrfurcht empfangen hatte, gab sie unter den Händen der vorgedachten Personen ihren Geist auf. Seiten-Icon 289

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