Weckruf - Wegruf
Mit dem Propheten Amos auf dem Weg
Begleitheft zum Amos-Prozess
Sonntag, 12. Juli (Amos 8,7-10)
Das Urteil
Wieso? Weshalb? Warum? ...
In 8,7 schwört Jahwe wieder, diesmal beim Stolz Jakobs. Der Schwur bezieht sich hier nicht auf eine konkrete Strafe, sondern auf ein prinzipielles Verhalten: die Untaten werden nicht vergessen.
In 8,8 kommt ein Erdbeben in den Blick. Wir wissen, dass etwa zwei Jahre nach dem Auftreten des Propheten die Erde in Israel wirklich bebte. Für einige Alttestamentler ist das ein Hinweis darauf, dass dieser Vers von den Amosschülern nachgetragen wurde. Warum? Sie hätten dieses Ereignis dann dazu benutzt, der Botschaft des Propheten ein besonderes Gewicht zu geben. Die Frage wäre dann nur noch rhetorischer Art. Andere meinen aber, dass hier tatsächlich ein Wort des Amos vorliegt. Als zwei Jahre später die Erde bebte, erinnerten sich die Menschen an die Vorhersage des Propheten. Die Verse 8-10 kündigen eine Sonnenfinsternis an, wie sie in den Jahren 784 und 763 belegt sind. Ob sie nur eine Begleiterscheinung des Gerichts oder ein längeres endzeitliches Unheil ankündigen soll, ist nicht klar. Eine Sonnenfinsternis ist letztlich ein kosmisches Bild für den Tag der Finsternis, als den Amos den Tag Jahwes in 5,18.20 bezeichnet hat.
Im Zusammenhang mit der Leichenklage werden die damaligen Bräuche erwähnt: Anlegen eines Schurzes aus Sackleinen und das Scheren der Haare. Die Trauer steigert sich und wird zu Klage wie um den einzigen Sohn und damit um den bitteren, alle Zukunft abschneidenden Tod.
Vor- und nachgedacht...
Umgürtet Eure Lenden,
Lasst Eure Lichter brennen;
wer kann die Stunde nennen,
da einst was ist wird enden?
Ihr wisst nicht Tag noch Stunde
von Ende und Gericht;
doch der das Urteil spricht,
ist längst mit Euch im Bunde,
den er euch zugeschworen
von Anbeginn der Zeit.
Seht: alles ist bereit
und ewig unverloren.
Andrea Pfeiffer
Rogilbert, Soleil Coronographe,
(als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons)
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"Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen." So hat Jahwe geschworen. Für diejenigen, die andere Menschen ausgebeutet und geschunden, benutzt und missbraucht und am Ende umgebracht haben, ist diese Ankündigung Jahwes eine Drohung. Für die Ausgebeuteten, Geschundenen, Benutzten, Missbrauchten und Umgebrachten ist diese Ankündigung Grund zur Hoffnung. Zu oft und ziemlich regelmäßig wird ihr Leid unter den Teppich gekehrt. Die Weltgeschichte geht einfach über diese oft Namenlosen hinweg und zur Tagesordnung über. Die "Tagesordnung" bestimmen die Mächtigen, nicht die Ohnmächtigen. Bei Gott hingegen gelten andere Maßstäbe. Da ist der Mensch der Maßstab - und bevorzugt ist es jener Mensch, der zum Opfer des Menschen wurde. Auch wenn "alle Welt" nur zu gerne vergisst - Gott vergisst nicht. Das ist gut so - zumindest für die Opfer.
Vielleicht wäre es eine gute "Übung" (lat.: exercitium), die Tageszeitung mal gegen den Strich zu lesen und sich zu überlegen: Wie sehen die täglichen Nachrichten wohl aus der Perspektive der Leid-Tragenden aus? Vermutlich braucht es Geduld, um diese Perspektive wahrnehmen zu lernen und hinter den wirtschaftlichen und sonstigen "Erfolgsmeldungen" die Kehrseite dieser Zeitungsberichte zu sehen. Wenn ich Amos richtig verstanden habe, dann liest Gott unsere Erfolgsmeldungen in den Zeitungen gegen den Strich.
Erika Kerstner
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Wenn Jahwe beim Stolz Jakobs schwört, ist nicht sicher auszumachen, was er damit meint. Schwört er bei sich selber? Wird ironisch auf 6,8 angespielt, so dass er eigentlich gegen den Stolz Jakobs schwören würde? Oder bedeutet "Jakob" hier wie in Psalm 47,5 das gelobte Land? Die Frage ist nicht klar zu beantworten.
Vers 7 stammt nach Hans Walter Wolff von der Amos-Schule, die die Gesprächspartner aus dem Nordreich daran erinnern, dass Jahwe "nicht auf immer vergisst". 20-30 Jahre nach dem Auftreten des Amos sind vergangen. Noch geht es Nordisrael gut, aber der Assyrer Tiglat-Pileser III. ist bedrohlich nahe.
740 v. Chr. ist er in Nordsyrien eingefallen. 738 v. Chr. hat er den Staat Hamat unterworfen und sich mehrere Kleinstaaten tributpflichtig gemacht. 746 v. Chr. bis 737 v. Chr. hat sich der neue König von Israel, Menahem, dem Assyrerkönig unterworfen, um die Besetzung von Nordisrael durch die Assyrer zu verhindern.
Im Vers 8 wird vorgeführt, dass der Mensch, der sich - zu seinen Gunsten - gegen eine gute Lebensordnung für alle auflehnt, an den Grundfesten der Erde rüttelt und damit ihre Bewohner ins Verderben führt.