Weckruf - Wegruf

Mit dem Propheten Amos auf dem Weg


Liturgische Nacht (13./14. März 2009)

Über Wochen hat man es in der Pfarrei St. Peter knistern hören. Drei Jugendliche, Viviane Hönig, Pia Schneider und Veronika Maier, haben sich auf den Weg gemacht, für gleichaltrige, interessierte Jugendliche eine Liturgische Nacht auf die Beine zu stellen. Sie haben sich bei Erwachsenen Rück-halt geholt und in mehreren Treffen ein sehr anspruchsvolles Programm auf die Beine gestellt. Das Thema war natürlich Amos! Die größte Unsicherheit: "Können wir denn überhaupt andere Jugendliche für das, was uns wichtig ist, begeistern?" Die Teilnehmerliste füllte sich auch nur zögerlich.

Am Feitag den 13. März war es dann soweit. Bepackt mit Tasche und Schlafsack treffen sich 14 Jugendliche in der Kirche von St. Anton. Fünf der Angemeldeten haben wieder abgesagt, drei aus Krankheitsgründen.

Sie wirken ein wenig verloren, die Jugendlichen, wie sie da in der Abendmesse sitzen und darauf warten, was diese Nacht wohl bringen wird. Eine starke Predigt von Pfr. Sieger, rüttelt sie auf. "Um unser Leben soll es heute Nacht gehen. Warum eigentlich? Es geht uns hier in Bruchsal sehr gut. Wir können uns einiges leisten, wir können uns Wünsche erfüllen, können mithalten. Gut, die Nachrichten und Zeitungen sind voll mit Misständen unserer Zeit." Sie hören von Profitgier, die die Banken zum straucheln brachte. Daraus folgern Einbrüche in der Wirtschaft. Arbeitslosigkeit greift immer mehr um sich. Daneben müssen immer mehr Menschen bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit arbeiten. Es ist ja nicht so, dass nicht genug Arbeit da wäre, sie ist nur nicht mehr bezahlbar. Sonntagsarbeit, Nachtarbeit, Arbeit, Arbeit, Arbeit... Die einen kämpfen ums Überleben, die anderen um den Profit. Menschen, die durchknallen und um sich ballern, Kinder, die aus dem sozialen Raster fallen, Kinder die missbraucht werden, Bildung die nicht mehr bezahlbar ist und, und, und... Das alles hören sie und finden es doch weit weg. Hier in Bruchsal ist doch die Welt noch in Ordnung!!? Außerdem sind sie ja hierher gekommen um miteinander diese Nacht in der Kirche zu verbringen und dann auch, um über diesen Amos etwas zu erfahren.

Impressionen von der Liturgischen Nacht vom 13.-14.3.2009

Nach dem Gottesdienst richten sie sich in der Kirche ein. Sie lernen jeden Winkel der Kirche kennen und erzählen einander, warum sie überhaupt hier sind. Der eine, weil er etwas über Amos hören will, der nächste, weil seine Freunde auch da sind und der dritte, weil er neugierig war, auf eine Nacht in der Kirche. Aber dann wird es konkret: "Wie stehst Du eigentlich zur Bibel?" Du Jugendlichen lassen sich darauf ein und jeder hat einen anderen Standpunkt zur Bibel und das ist auch bei den Erwachsenen so. Die Jugendlichen erfahren, dass wir über die Anfänge des Christentums ohne die Bibel nichts wüssten und dass uns Amos heute gänzlich unbekannt wäre. Durch die Bibel erfahren wir, wie die Menschen damals gelebt haben und mit welchen Problemen sie fertig werden mussten.

Die Jugendlichen haben sich einen Profi, Frau Kerstner, eingeladen, die ihnen etwas über die Zeit in der Amos gelebt hat, erzählen soll. Zu ihrer Überraschung lässt sie Frau Kerstner soziale Misstände, die sie auf Karten geschrieben hat, der Zeit von Amos und unserer Zeit zuordnen. Und es passt! Es passt für heute und für damals. Und sie erfahren, was Amos im Nordreich Israel angeprangert hat. Sie erfahren, dass Amos Israel den Untergang prophezeit hat und dass er sie auffordert, ihr Verhalten zu ändern. Sie erfahren von rücksichtsloser Ausbeutung, von Versklavung und Unterdrückung, von Missbrauch und Armut. Dazu im Gegensatz von Wohlstand und Reichtum, von Leben im Überfluss und von Prunkbauten und Maßlosigkeit.

Die Jugendlichen versuchen, sich in Personengruppen der damaligen Zeit hineinzuversetzen. Sie suchen sich eine Personengruppe aus und überlegen sich ein Symbol dafür, das sie dann anfertigten. In einem Bibliodrama versuchen sie, verschiedene Lebenssituationen, die Amos aufzeigte, selbst erfahrbar zu machen. "Wie fühlt sich denn ein Kind, dass wieder ohne Frühstück den Tag beginnt. Keiner hat Zeit für die Kinder. Sie müssen mitarbeiten, dass die Familie überhaupt überleben kann?" "Was empfindet der reiche Kaufmann, wenn er hart die Schulden eintreibt bei Menschen, die in Armut leben?" "Wie schafft der Sklave die harte Knochenarbeit? Seit Monaten hat er seine Familie nicht mehr gesehen. Weiß nicht,wie es ihnen geht?"

Die Parallelen zu heute werden immer deutlicher: Arbeitslosigkeit, Kinder gehen ohne Frühstück in die Schule, Einrichtungen gepfändet weil die Miete nicht bezahlt werden kann. Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage an Kupferminen, Kinder werden zur Prostitution verkauft für umgerechnet 50 € und, und, und...

Wir bräuchten auch heute einen Rufer wie Amos!!! Und die Jugendlichen basteln ihn. In Lebensgröße! Sie machen eine Collage, darauf steht, was man heute alles anprangern könnte. "Ruf Amos, ruf!!! Schrei es hinaus in die Welt, was uns auf der Seele brennt!!!"

Mit einem kleinen Protestmarsch wandern die Jugendlichen gegen 4 Uhr in der Frühe hinauf nach St. Peter. Sie wecken Ihren Pfarrer auf, der ihnen zu Beginn der Nacht schon gesagt hat: "Amos hat mit Euch zu tun, mit Eurem Leben." Schweigend gehen sie in die Peterskirche. Eigentlich möchten sie gar nicht mehr reden. Sie sind müde und angefüllt mit der Ohnmacht derer, die nichts zu verändern vermögen. Der eine oder andere erzählt was ihn in dieser Nacht beeindruckt hat. Pfr. Sieger steigt noch einmal darauf ein, er schürt die Wut und brüllt ihnen die Empörung eines Amos entgegen. Die Jugendlichen sind betroffen. "Was können wir schon tun? Wir müssen doch still halten, damit wir nicht durch das Raster dieser Zeit fallen. Wir brauchen die Kraft, um mithalten zu können." Der Seelsorger gibt ihnen mit auf den Weg: "Hört nicht auf zu träumen, werdet nicht sprachlos und schaut Euch in Eurem Umfeld um. Macht Euch stark für die Schwachen. Lasst es nicht zu, dass einer das Klassenziel nicht erreicht."

Zurück in St. Anton fassen die Jugendlichen nocheinmal das Erlebte zusammen: "Dass sich im Laufe der Jahrtausende nichts verändert hat, hat mich sehr erschüttert." "Dass wir so vieles in einer Nacht erfahren würden, habe ich nicht gedacht." "Dass wir wirklich die ganze Nacht so intensiv arbeiten, hätte ich nicht gedacht, ich würde so eine Nacht jederzeit wieder mitmachen."

Aber auch die Erwachsenen, die die Jugendlichen durch diese Nacht begleitet haben, sind von dieser Nacht, von dem Erlebten beeindruckt. Sie sind vor allem beeindruckt von dieser Jugend, der es nicht egal ist, wie sich die Zeit entwickelt. Die Jugend, die sich berühren lässt von einem Rufer wie Amos und die bereit ist eine ganze Nacht über das gestern und heute nachzudenken. Sie legen den Jugendlichen noch einmal ans Herz, die Wut über die sozialen Ungerechtigkeiten zuzulassen, dabei aber nicht zu vergessen, dass man mit Wut alleine gar nichts bewegen kann. "Was ihr braucht," sagen sie ihnen. "ist die Liebe, so wie Jesus es uns vorgemacht hat. Auch seine Wut ging gegen die sozialen Ungerechtigkeiten vor und seine große Liebe zu den Menschen hat diese "gesund" gemacht. Es sind die kleinen Schritte, mit denen jeder etwas verändern kann. Die Aufmerksamkeit im persönlichen Umfeld, das Wegschauen von sich selbst, hin zum anderen. Fangt klein an, dann habt ihr auch den langen Atem, den ihr braucht."

Eine beeindruckende und gute Nacht endet Samstagmorgen um 7.30 Uhr und es bleibt das Gefühl, dass es diese Jugend noch gibt, die Lebensträume hat.

Erika Gerken

Impressionen von der Liturgischen Nacht vom 13.-14.3.2009
Impressionen von der Liturgischen Nacht vom 13.-14.3.2009
Impressionen von der Liturgischen Nacht vom 13.-14.3.2009
Impressionen von der Liturgischen Nacht vom 13.-14.3.2009
Impressionen von der Liturgischen Nacht vom 13.-14.3.2009
Impressionen von der Liturgischen Nacht vom 13.-14.3.2009
Impressionen von der Liturgischen Nacht vom 13.-14.3.2009
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