Weckruf - Wegruf
Mit dem Propheten Amos auf dem Weg
Tagebuch des Amos-Prozesses
Treffen am 22. Oktober 2010
23. Oktober 2010 - 10:51 Uhr
Es ging um die Frage: “höre ich, was ich höre” – Bilanz ein Jahr nach der Bundestagswahl. Im Gottesdienst hörten wir den Propheten Amos, dazu Auszüge aus dem Koalitionsvertrag, versehen mit Kommentaren. Im Anschluss gingen wir in den Bernhardussaal und redeten über unsere Bilanz. Zum Eingang sahen wir den Film “Money makes the world go round” und sind über die dort getroffenen Aussagen, dass die Privatisierung von Stadtwerken etc für uns von großem Schaden ist und über die Finanzgebaren ins Gespräch gekommen. In dem Film kommt ja Hermann Scheer zu Wort, der diese Woche verstorben ist.
Wir haben festgestellt, dass die Menschen ein Jahr nach Beginn der schwarz-grünen Koalition so verdrossen sind, dass sie sich auf ihre guten alten Rechte besinnen und anfangen, zu demonstrieren. Gestern war ja auch der erste Verhandlungstag in Stuttgart zu Stuttgart 21, so dass dieses Thema natürlich auch zur Sprache kam. Dort gehen die Menschen auf die Straße, auch gegen Atomkraft gehen die Menschen wieder demonstrieren. Vielleicht ist es so, dass ähnlich wie in der DDR bei deren Ende, dann, wenn der Spielraum in der Politik zu eng wird und die Zustände desolat sind, die Menschen sich doch darauf besinnen, etwas zu sagen.
Wir sprachen auch über die Streiks in Frankreich und die Neigung der Franzosen, sich weniger gefallen zu lassen, als wir Deutschen.
Auch Peru kam zur Sprache und die Tatsache, dass es auch dort leider keine Solidarität der Wohlhabenderen mit den Armen gibt.
Wir haben über die Frage nach Revolution geredet, über Widerstand, über Gewaltlosigkeit und darüber, wann es legitim ist, Mittel der Gewalt einzusetzen.
Wir waren der Meinung, dass es Bereiche gibt, wo der Einzelne etwas ändern kann. Im Moment läuft in der ARD ja gerade die Themenwoche über Essen. Wenn es dort heißt 40 % der Kartoffeln bleiben auf dem Acker, weil sie den Normmassen nicht entsprechen, dann können wir was tun, indem wir in Hofläden und auf dem Markt eben auch Obst und Gemüse kaufen, das nicht den Normen entspricht oder indem wir unsere Bäcker nicht zwingen um 18 Uhr noch das gesamte Sortiment an Brot und Brötchen zu haben. Wir können auch unsere Bank sorgfältig aussuchen und unser Geld nach ethischen Gesichtspunkten anlegen, sauberen Strom beziehen etc.
Wenn es um die großen Widerstände geht, sind wir nur erfolgreich, wenn wir uns zusammentun. Wir waren auch der Auffassung, dass es Aufgabe von Kirche ist, sich Gehör zu verschaffen und klar zu machen, dass Menschen, die sich am Evangelium Jesu Christi orientieren, nie einfach nur staatstreu sein können, denn das steht oft im Widerspruch zueinander.
Es war eine angeregte Runde, in der klar war, beim reden kann es nicht bleiben.
(Marieluise Gallinat-Schneider)