Weckruf - Wegruf
Mit dem Propheten Amos auf dem Weg
Begleitheft zum Amos-Prozess
Donnerstag, 25. Juni (Amos 5,1-3)
Totenklage
Wieso? Weshalb? Warum? ...
Diese Verse hat Amos vermutlich bei einer Kultversammlung gesprochen. Solche Feiern waren normalerweise geprägt von "Fröhlichsein vor Jahwe" und auch mit einem gemeinsamen Essen verbunden. Amos aber verlangt Aufmerksamkeit für ein Leichenlied, für die Bekanntmachung eines Todesfalles. Aber es ist nicht irgendein Todesfall, den Amos da vermeldet - nein, er verkündet den Tod seiner Zuhörer. Für die Anwesenden muss das gewesen sein, als würden wir heute die Zeitung aufschlagen und die eigene Todesanzeige zu lesen bekommen.
Das Volk Israel wird als "Jungfrau Israel" bezeichnet, die noch vor der Hochzeit - also ausgesprochen früh - stirbt.
Amos begründet diese niederschmetternde Botschaft mit einem Wort Gottes, das er gehört hat und nun weitersagen muss: es wird eine kriegerische Auseinandersetzung geben, die in einem Fiasko enden wird, nur ein Zehntel wird zurück kommen. Er kündigt also den Untergang Israels als Staat und Volk an.
Vor- und nachgedacht...
Was tagtäglich in den Medien über das Finanzwesen zu hören und zu lesen ist, erinnert an einen Zusammenbruch, wie in Amos beschrieben hat. Nichts und niemand scheint es wieder wirklich aufrichten zu können. Fast schon einem Totentanz gleicht der Kampf, das System zu retten. Die Klage derer, die das später alles bezahlen müssen, wird groß sein. Wie viele werden auf der Strecke bleiben?
Was wird passieren mit dem politischen Gefüge? Werden die Demokratien das schadlos überstehen, oder wird der Ruf nach einer 'starken Führung', nach einer 'Hauruck- und Haudraufpolitik' größer werden?
Uschi Schedlik
Skulptur in Yad Vashem
Foto: Erika Gerken
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Üblicherweise wurde eine Totenklage nur im Blick auf eine Einzelperson gesprochen. Hier wird sie erstmals (später auch bei dem Propheten Ezechiel) im Blick auf ein Kollektiv gesprochen. Dass Männer die Totenklage anstimmen, muss nicht befremden. Israel kannte sowohl Frauen als auch Männer als Sänger der Totenklage. Die "Jungfrau Israel" wird auf eigenem Boden, in eigenem Land "fallen". Amos denkt also daran, dass Feinde in Nordisrael einbrechen werden. Dieses Bild wird noch eindrucksvoller, wenn Amos in Vers 3 den Blick auf "die Stadt" richtet, die beispielhaft für ganz Israel steht. Die Stadt, der Sammlungsort der Sippe, hat den Heerbann zu stellen. Wenn 90% des Heeres umkommen, ist das Ende des Staates besiegelt. Nur für die 10%, die ihr Leben retten können, wird es eine Zukunft geben.
Gustave Doré, Der Prophet Amos
Gustave Doré, Der Prophet Amos,
als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons