Weckruf - Wegruf
Mit dem Propheten Amos auf dem Weg
Begleitheft zum Amos-Prozess
Freitag, 26. Juni (Amos 5,4-6. 8-9)
Sucht mich
Wieso? Weshalb? Warum? ...
Vor Amos Antwort könnte die Frage eines Zuhörers stehen: "Ist das nur eine Androhung, die im Fall der Umkehr wegfällt, oder ein Strafurteil, das auf jeden Fall eintritt?"
Amos hat darauf ein Angebot Gottes zu machen: "Sucht mich und ihr werdet leben." Das Verb, das im hebräischen Text hier für "suchen" steht, hat nur in Ausnahmefällen den Sinn, Gott im Kult - also in Gottesdiensten, Opfern und religiöse Riten - zu suchen. Es gehörte vielmehr zum Umkehr-Vokabular in Bußpredigten. Die Leute damals wussten also sofort, dass es um Umkehr geht.
In 5,14 ist dieses "Suchen" mit der Bejahung und Befolgung von Gottes Willen gleichgesetzt. Man muss also Jahwe in Wort und Tat bejahen, dann bleibt man am Leben. Tut man das nicht, trifft einem Gottes Zorn und seine Strafe. Die Verse 4-6 bilden zusammen mit 14 einen heilvollen Kontrast zur ansonsten unerbittlichen Gerichtsbotschaft.
In den Versen 4-5 geht es um die Heiligtümer, also um die Orte, an denen die Menschen garantiert mit der Anwesenheit Jahwes rechneten. Amos nimmt seinen Zuhörern diese Sicherheit. Er kündigt an, dass alle diese heute Kirchen entsprechenden Gebäude untergehen - Jahwe wird dort nicht mehr zu finden sein. Jahwes Anwesenheit wird sich nur noch im Wort des Propheten zeigen, genau dort, wo ihn die Ausbeuter und Gewalttäter- und Gewalttäterinnen auf keinen Fall suchen wollten. Sie können sich nicht länger hinter den Heiligtümern vor Jahwe verstecken.
In Vers 8 wird Jahwe als Schöpfer der Sternenbilder und auch als großer Umgestalter gepriesen. In Vers 9 wird darauf hingewiesen, dass alle Stärke der Starken und alle Befestigungen der Städte nichts gegen Jahwe ausrichten können.
In fast allen Übersetzungen, auch der Einheitsübersetzung, wird Vers 7 nach Vers 9 angeordnet. Deissler erklärt das so, dass Vers 7 als Weheruf den Anfang der folgenden Rede bildet.
Vor- und nachgedacht...
Sucht mich dann werdet ihr leben.
Herr, wo bist du?
Wie soll ich dich finden?
Soll ich dich in der aufgehenden Sonne suchen?
Im Murmeln eines klaren Bergbaches,
im Tosen des Meeres,
oder in der stillen Schönheit einer Blüte?
Finde ich dich am Sternenhimmel?
Oder ...
Hilfst du mir?
Bist du bei mir?
Wie soll ich erkennen, dass du es bist?
Ihr werdet mich finden -
in den Augen eines Kindes
im Lächeln des Freundes
in jedem Menschen,
dem ihr eure Zuneigung
und Hilfsbereitschaft schenkt.
Ursula Groß
Foto: Ursula Groß
Lust auf mehr?
Sucht mich
nicht sucht Bet-El
im "Haus Gottes" findet ihr mich nicht
Es ist nicht damit getan
eine Kirche aufzusuchen
oder
einen Gottesdienst zu besuchen
es reicht nicht
es nur zu versuchen
Suchen
Wo finde ich Dich?
Gertrud Willy
Foto: Robert Schedlik
Noch mehr Infos
Mit knappen Worten kündet der Prophet den Umsturz bisheriger Gewissheiten an: Das "Haus Gottes" (hebräisch: bet el) wird vernichtet. Gilgal war bisher das Denkmal der Landgabe Jahwes an Israel (vgl. Josua 4,20-24). Und nun wird aus dem Denkmal der Landgabe das Denkmal der Landvertreibung. Der Hinweis auf die Zerstörung Bet-Els könnte nach Hans Walter Wolff - genau wie die Erwähnung des judäischen Heiligtums in Beerscheba - erneut ein Nachtrag aus der Zeit der joschijanischen Reform sein, bei der König Joschija die Zentralisierung des Jahwe-Kultes in Jerusalem durchsetzte und neben den vielen Höhenheiligtümern auch Bet-El zerstören ließ.
Dem Haus Josef, d. h. Nordisrael, wird der Untergang angekündigt. Die Übersetzungen von Vers 9 unterscheiden sich sehr stark voneinander. Der Text dieses nachgetragenen Verses ist beschädigt und kann nur mit einiger Wahrscheinlichkeit vom Übersetzer erschlossen werden.