Weckruf - Wegruf
Mit dem Propheten Amos auf dem Weg
Begleitheft zum Amos-Prozess
Samstag, 4. Juli (Amos 6,7-10)
Schluss mit Lustig
Wieso? Weshalb? Warum? ...
Jahwe schwört wieder diesmal bei seinem Leben, d. h. bei sich selbst. Aus Abscheu und Ekel gegenüber dem Stolz Israels, den er in den Palästen Samarias verkörpert sieht, liefert er die ganze Stadt dem Feind aus. Die Wurzel aller Sünden Israels ist der arrogante Hochmut. Denjenigen, die sich als Elite der Völker fühlen und von allem nur das Beste - also die "Spitze" - wollen, kündigt Amos voller Sarkasmus an: sie werden an der Spitze ins Exil gehen.
Ab zehn Personen spricht man in Israel von einer Gemeinschaft. D. h. selbst die kleinsten Gruppen ereilt der Tod. Ein noch Lebender warnt, den Namen Jahwes auszusprechen, so sehr fürchtet er die Präsenz des furchtbaren Gerichtsgottes.
Vor- und nachgedacht...
"Das Fest der Faulenzer ist nun vorbei." So ähnlich hat Gerhard Schröder mal von den Arbeitslosen gesprochen. Faulenzer seien sie, sagte er. Er sagte es zu einer Zeit, als auf 4,4 Millionen Arbeitslose 0,4 Millionen offene Stellen kamen. Amos hingegen scheut sich - anders als Schröder - nicht, die "Faulenzer" da zu suchen, wo sie auch zu finden sind: Bei denen, die andere ausbeuten, die von den Bußgeldern und den hohen Steuern der Bauern leben, mehrstöckige Häuser aus Quadersteinen bauen, Winter- und Sommerhäuser haben, Spitzenweine trinken und es sich auf den Mänteln der Armen, die deren Zudecke in kalter Nacht sind, bequem machen.
Amos - und vor ihm sein Auftraggeber Jahwe - stellt den Sachverhalt vom Kopf auf die Füße. Die Faulenzer sind nicht die Armen, es sind die Ausbeuter, die auf Kosten der Armen leben. Es lohnt, darüber nachzudenken.
Erika Kerstner
Foto: Ursula Groß
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In Saus und Braus
Kürzlich stand ich in der Villa Hügel, dem früheren Sitz der Familie Krupp in Essen. Das Schloss eines absolutistischen Herrschers kann nicht prächtiger sein. Unwillkürlich durchschoss mich der Gedanke, was es rechtfertigen könne, dass Menschen so lebten, während andere mit ihren Familien kaum das Nötigste zum Leben hatten.
Natürlich war die Familie Krupp sehr sozial eingestellt, aber dennoch gilt was Jesus sagt: "Sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hergegeben." Wirklich weh getan, hat ihnen dieses Engagement nicht.
Aber was ist mit mir? Ich gehöre jetzt ja selbst zu denen, die nicht groß rechnen müssen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich für mich allein das 50fache von dem zur Verfügung habe, was mein Kollege in den Anden für sich und die Pfarreien hat, dann wird mir ganz anders. Und wenn ich die Bibel ernst nehme und dass Gott die Armen vor allem liebt, dann wird mir schmerzlich bewusst, dass ich auf dieser Werteskala ganz weit hinten rangiere. Herr, wenn du mich dennoch nicht verwirfst, dann nur, weil du auch mich - trotz allem - immer noch liebst.
Jörg Sieger, aus: Lichtblick im Alltag
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Vers 9 wendet den Blick von der Stadt weg zu dem, was in einer einzelnen Familie geschieht. Die Kurzerzählung nennt zehn übrig gebliebene Mitglieder, die - lapidar wird es angekündigt - auch sterben werden. Nach Hans Walter Wolff ist vermutlich an den Tod durch eine Seuche gedacht. Bislang war die Familie verschont, nun kommt auch sie noch um. Wir wissen nicht, wer die Frage nach einem Überlebenden beantwortet. Ist es ein zweiter Bestatter? Ist es ein noch lebendes Familienmitglied? Wer immer es ist, er hält sich im hintersten Winkel des Hauses auf. Er fürchtet nicht den Feind, er fürchtet Jahwe. Das geflüsterte "has!", "still!" ist üblicherweise die Aufforderung zum Schweigen angesichts Jahwes im Heiligtum. Hier dient dieser leise Ruf dazu, auf keinen Fall den Namen Gottes auszusprechen, denn die Nennung des Namens ruft den Träger des Namens herbei. Und Jahwe ist es doch, der gefürchtet wird!