Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Rolle der Schlange ⋅1⋅

Als erster Akteur tritt nun auf der Bühne unseres Textes die Schlange auf. Sie ist die erste, die aktiv in die weitere Entwicklung eingreift, obgleich sie - und das ist wichtig - nicht die Zentralfigur ist. Die Zentralfigur ist und bleibt in der Bibel - was die menschliche Geschichte angeht - immer der Mensch selbst.

Die Schlange wird nun in das sich entwickelnde Drama wie ein Tier aus der Fabel eingeführt. Sie spricht, wie wir das auch aus den Tierfabeln kennen.

Das ist aber nicht nur ein literarisches Stilmittel. In den Mythen der Umwelt ist die Schlange, dieses besondere "Erdtier", nämlich der erdhaften Fruchtbarkeitsgöttin als Emblem zugeordnet. Ausgrabungen in Palästina haben das bestätigt. Die Schlange von Gen 3 musste den Israeliten der damaligen Zeit also ganz klar an die kanaanäische Religion erinnern. Die verführerische Schlange wird damit zum Inbegriff der verführerischen "Gegenmacht" zum Jahwe-Glauben.

Die Schlange wendet sich nun zunächst an die Frau.

Dies liegt ganz auf der Linie von Gen 2,24. Dort wurde ja gesagt, dass der Mann "Vater und Mutter verlässt, um seiner Frau anzuhangen". Das heißt, dass der Mann demnach auch am ehesten über die Frau mitzuverlocken ist.

In einem ersten Redegang bringt nun die Schlange die Weisung Gottes ins Gespräch. Aber sie zitiert Gott in übertreibender, ja in verdrehter Form.

"Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft nicht von allen Bäumen des Gartens essen?" (Gen 3,1.)

Die Frau setzt dieser Anfrage das korrekt formulierte Gebot entgegen, so wie es Jahwe den Menschen gegeben hat. Aber auch sie übertreibt es ihrerseits, wie zur eigenen Absicherung. Sie ergänzt es um die Worte: "nicht einmal daran rühren" (Gen 3,3). Diese Verschärfung ist aber bereits ein Zeichen von Schwäche und Unsicherheit.

Nun greift die Schlange von der anderen Seite her an. Sie leugnet Jahwes Bundes- und Heilswillen. Ja, sie stellt Gott sogar als eifersüchtig, egoistisch und willkürlich dar. Gott sei ein Gott, der den Menschen eingrenzt.

Alles Lichtvolle an Jahwe wird in diesem Einwand gleichsam "abgeblendet". Auf der anderen Seite blendet der Versucher gleichzeitig eine verheißende Glücksfülle auf. Diese würde dem Menschen zuteil, wenn er von der Frucht essen würde.

Damit wird dem Menschen suggeriert, dass sein Tun eigentlich nichts Schlechtes sei. Es sei im Grunde gut für ihn, das Gebot Jahwes zu übertreten. Die Sünde wird also in das Licht des für den Menschen Guten gerückt.

Die Frau besieht sich den Baum unter diesem Aspekt noch einmal lange und glaubt schließlich der Verheißung, die ihr die Schlange gemacht hat. Das heißt, sie glaubt die Gott verleumdende Verheißung. Sie isst und gibt auch dem Mann zu essen, der in ihr Tun einwilligt.

Weiter-ButtonZurück-ButtonAnmerkung

1 Vgl.: Alfons Deissler, Biblisch glauben! (Freiburg i. Br. 1982) 39-40. Zur Anmerkung Button