Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Zukunftsschau bei Trito-Jesaja (Jes 56-66) ⋅1⋅

Die Messiaserwartung ist nicht die Zukunftserwartung Israels schlechthin. Sie ist ein wichtiger Aspekt in einer weit umfassenderen Erwartung einer heilvollen Zukunft.

Und diese Zukunftserwartung Israels geht nach dem Exil vor allem in zwei Richtungen weiter:

  • Zum einen entsteht ein neues Nationalbewusstsein, das sogar Züge eines Nationalismus annehmen kann.
  • Daneben weitet sich der Blick aber - wie wir das bereits im Blick auf die Apokalyptik gesehen haben - immer stärker ins Eschatologische. Und gleichzeitig blicken viele Texte der nachexilischen Zeit auch ins Universale.

Ich habe oben ja bereits angedeutet, dass nach der Rückkehr der Verbannten aus Babylon die Verheißungen des Deutero-Jesaja bereits immer stärker endzeitlich gelesen wurden.

Die Heimkehr sowie der Neuaufbau der Stadt und des Tempels bedeuteten zwar eine erste Verwirklichung der Heilsverheißungen Deutero-Jesajas. Israel lebte wieder in seinem Land und auch der Tempel war widererstanden. Aber der Alltag und die politische Situation, die das Volk nun erlebte, waren alles andere als die von Deutero-Jesaja vorhergesagte "Glorie Israels inmitten der Völkerwelt". Die Erfüllung dieser Prophezeiung war ausgeblieben. Die Vollerfüllung der Zusagen des Propheten wollte einfach nicht eintreten.

Interessanterweise ließ man diese Prophetenworte nun aber nicht fallen. Gerade angesichts des Ausbleibens der Vollerfüllung dieser Zusagen hier und jetzt, begann man diese Prophetentexte endzeitlich, eschatologisch zu deuten.

So entstanden wohl im Jüngerkreis des Deutero-Jesaja jene Texte, die sich heute in Jes 56-66 finden. Hier versuchten die Schüler des großen Exilspropheten die Frage zu beantworten, warum die großräumigen Heilszusagen des Deutero-Jesaja nur partiell realisiert waren.

Und der Tenor der Antwort ist: Was jetzt noch aussteht, wird zukünftig in seine Erfüllung kommen!

Jerusalem wird endgültig wieder aufgebaut werden mit Mauern und Toren (Jes 60,10-11. 18; Jes 61,4). Und dazu wird eine neue Landgabe sowie eine Mehrung des Volkes kommen (Jes 60,21-22). Seine Existenz wird eine gesegnete sein: "gesegnet mit Schalom" (Jes 65,19; Jes 66,12), voller Freude und Frohlocken (Jes 65,18), in Sicherheit und Geborgenheit (Jes 65,23). Die Völker werden nach Jerusalem als der Stätte des Segens wallfahren (Jes 60,1-22) und dabei zugleich den Reichtum und den Glanz der Stadt außerordentlich mehren.

"Da wirst du schauen und strahlen, dein Herz wird pochen und sich weiten. Denn die Schätze des Meeres fluten zu dir hin, und es strömt zu dir der Reichtum der Nationen." (Jes 60,5).

Und dass dies tatsächlich endzeitliche Güter sein werden macht Jes 60,19-20 deutlich:

"Nicht wird die Sonne dir mehr am Tage als Licht dienen, noch dir der Glanz des Mondes leuchten. Denn Jahwe wird dein ewiges Licht sein und dein Gott dein Glanz. Deine Sonne wird niemals untergehen und dein Mond nicht verschwinden; denn Jahwe wird dein ewiges Licht sein, und zu Ende sind die Tage der Trauer." (Jes 60,19-20.)

Die neue, alles frühere überbietende eschatologische Zukunft wird in Jes 65,16b-19 so angekündigt:

"Denn die früheren Drangsale werden vergessen sein, verschwunden vor meinen Augen. Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, an das Frühere wird man nicht mehr denken, es kommt nicht mehr in den Sinn. Vielmehr wird man sich freuen und immerdar frohlocken über das, was ich schaffe. Denn seht, ich schaffe Jerusalem um zum Frohlocken und mein Volk zum Jubel. Ich selbst will über Jerusalem frohlocken und mich über mein Volk freuen; nicht soll man fürder darin Weinen und Weheklagen hören." (Jes 65,16b-19.)

Das Wort ברא ["bara>"] (= schaffen), das in diesem Zusammenhang verwendet wird, macht schon vom Wort her deutlich, dass hier an eine neue Schöpfung gedacht ist. Schon die Verwendung dieses Begriffs eröffnet ja eine Parallele zu Gen 1⋅2⋅

Dabei ist der Hinweis wichtig, dass der dritte Teil des Jesaja-Buches in diesem Zusammenhang mit dem Begriff "neue Schöpfung" offenbar noch nicht daran denkt, dass etwas ganz anderes kommt, dass die bestehende Welt zuerst zerstört oder vernichtet würde und dann eine neue Schöpfung an ihre Stelle tritt.

Wenn hier der Gedanke einer neuen Schöpfung in den Blick kommt, dann wird dabei noch nicht eine Zerstörung und Vernichtung der gegenwärtigen Welt vorausgesetzt. Diese Vorstellung entfaltet erst die spätere Zeit, vor allem die Apokalyptik und dann natürlich auch die neutestamentliche Offenbarung (vgl.: Offb 21,1; 2 Petr 3,13).

So müsste man im Blick auf Trito-Jesaja weniger von einer neuen Schöpfung als eher von einer wundersamen Umwandlung der ersten Schöpfungswelt sprechen. Am Ende der Zeiten wird Gott also diese Welt auf wundersame Weise endgültig in seinem Sinne verwandeln. So ist das Sprechen vom "neu Schaffen Jerusalems" in Jes 65 zu verstehen.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 58-60. Zur Anmerkung Button

2 Die Wiederholung dieser Zusage in Jes 66,22 - vielleicht ein Einschub? - schwächt das universale eschatologische Handeln eher ab, weil der Akzent im Kontext auf die Erneuerung des Gottesvolkes gelegt wird.
(Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 56-60.) Zur Anmerkung Button