Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Jahwe als Bräutigam ⋅1⋅

Damit kommen wir abschließend zum letzten Aspekt in diesem Überblick über das Sprechen von der Zuwendung Gottes zum Menschen in der Verkündigung der Propheten. Und wir kommen dabei zu einem Gottes-Titel, der angesichts der betonten Transzendenz Jahwes äußerst kühn ist. Es ist die Rede von Jahwe als "Bräutigam".

1. "Gottesehe" in Mythos und Kult

Genaugenommen steht Israel auch mit diesem Titel nicht allein da. Das Thema der "Gottesehe" spielt im Mythos und im Kult der Umweltreligionen ja eine große Rolle. Insbesondere in der Baalsverehrung ist die "Vermählung der Gottheit" ja sogar eine zentrale Thematik.

Die Kanaanäer suchten - wie wir ja bereits mehrfach gesehen haben - in der sakralen Prostitution an den Kultorten die geschlechtliche Vereinigung des Himmelsbaals ja geradezu magisch zu stimulieren. Damit sollte die Gottheit veranlasst werden, der Pflanzen-, Tier und Menschenwelt Regen und Tau zu spenden.

Das war natürlich etwas, was für ein Bauernvolk im regenarmen Palästina entscheidend war. Von daher ist die Faszination dieses Kultes auch für Israel leicht ersichtlich. Die Gefahr einer synkretistischen Unterwanderung des Jahweglaubens war gewaltig.

2. Hosea

Der Prophet Hosea hat wie kein anderer das Eindringen dieser baalitischen Vorstellungen und Riten in den Jahwismus - gleichsam bis in die letzten Winkel hinein - denunziert und verworfen.

Um so paradoxer erscheint es, dass gerade er es war, der die zentrale Idee des Mythos von der "Gottesehe" aufgriff. Genau diese Idee hat er, mit entsprechender Verwandlung natürlich, zur Mitte seiner Botschaft gemacht.

Dies geschieht zunächst in sozusagen negativer Weise (Hos 1,2), und zwar in der Zeichenhandlung der Ehe Hoseas mit Gomer, einer Tempelprostituierten, also einer erklärten und ausdrücklichen Baalsverehrerin. Gomer soll dabei das Volk Israel darstellen, das Jahwe gegenüber ehebrüchig und darum straffällig geworden ist. Das aber impliziert bereits die Aussage, dass Jahwe sein Zugehörigkeitsverhältnis zu Israel nach Analogie einer Ehe begriffen haben will.

In Hos 2,16-17 spricht Jahwe dies positiv aus - und das sogar in der Sprache der Liebenden:

"Ich will sie locken ("verführerisch"!) und in die Wüste führen und ihr Herz umwerben. Dann will ich ihr ihre Weinberge geben und das Tal Achor zur Pforte der Hoffnung machen. Dorthin wird sie hinaufziehen wie in den Tagen der Jugend, wie damals, als sie aus dem Lande Ägypten heraufzog." (Hos 2,16-17.)

Dem ehebrecherischen Israel muss Hosea zwar das Gericht ansagen. Aber er verkündet gleichfalls einen erneuerten Gottesbund der Endzeit. Vor allem in Hos 2,18-25 wir dieses Thema entfaltet und zwar im Bild einer erneuerten "Gottesehe". Am klarsten sagt dies der Gottesspruch in Hos 2,21-22 an:

"Ich traue dich mir an auf ewig, ich traue dich mir an um Recht und Gerechtigkeit, um Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um Treue, so dass du Jahwe erkennst." (Hos 2,21-22.)

Recht, Gerechtigkeit, Liebe und Erbarmen sind hier gleichsam das "Kaufgeld" Jahwes, seine Mitgift sozusagen. Er bringt sie in diese "Gottesehe" mit ein. Und am Ende wird Israel Jahwe dann "erkennen". Und entsprechend des Bedeutungsfeld des hier gebrauchten hebräischen Wortes meint das: "ihn sich vertraut machen", "ihm innewerden".

Hier, in diesem Bild der Ehe, findet die entschiedene Zuwendung Gottes zum Menschen ihre höchste biblische Leuchtkraft.

Gott selbst macht sich zum rechten, d. h. gemeinschaftsgerechten Gott. Er macht sich zu einem Gott der bundeswilligen Liebe und des Erbarmens. Genau in diesem Erbarmen äußert sich schließlich diese Liebe Gottes.

Vor allem aber macht sich Gott zum "Gott der Treue" (vgl. Dtn 7,9; 32,4). Als diesen Gott, das heißt als "Jahwe schlechthin", wird das Gottesvolk ihn erfahren, es wird mit ihm vertraut und seiner inne werden, kurz: ihn "erkennen".

Diese "Gottesehe" ist anders als die des Mythos und seines entsprechenden Kults. Sie ist durch und durch personal und wurzelt ganz in der schenkenden göttlichen Freiheit.

3. Jesaja

Hoseas Liebes- und Ehegleichnis hat Schule gemacht. In seinem berühmten "Weinberglied" lässt auch Jesaja das Thema von Jahwe als Bräutigam kurz anklingen (Jes 5,1). Es heißt dort:

"Singen will ich für meinen Freund das Lied seiner Liebe zu seinem Weinberg." (Jes 5,1.)

4. Jeremia

Und in deutlich erkennbarem Bezug zu Hos 2,17 formuliert dann Jeremia den einleitenden Gottesspruch seiner ersten Anklagerede in Jerusalem:

"Ich trage von dir im Gedenken die Liebe deiner Jugend, die Minne deiner Brautzeit, da du hinter mir dreingingst in der Wüste, im Land ohne Aussaat." (Jer 2,2⋅2⋅

Auf diesem Hintergrund hebt sich dann der Abfall, den der Prophet anprangert um so dunkler ab:

"Wie eine Frau treulos handelt an ihrem Freund, so wurdet ihr mir treulos." (Jer 3,20.)

Wie zwei ehebrüchige Schwestern verhielten sich nach Jeremia Israel und Juda: sie ließen sich in die unzüchtige Baalsverehrung ein (Jer 3,6-11).

5. Ezechiel

Die Farben, mit denen Ezechiel diese Ehebruchsgeschichte dann ausmalt, sind schon beinahe schockierend. Im 16. Kapitel seines Buches schildert er, wie Jahwe Israel einstmals gerettet hat, so wie ein ausgesetztes Kind. Dieses Kind wuchs nun zu einem Mädchen heran, um das Gott warb.

Und diese Werbung Gottes schildert Ezechiel folgendermaßen:

"Ich kam wieder an dir vorüber und sah dich; und siehe, die Zeit der Liebe war da für dich. Da breitete ich meinen Gewandzipfel über dich und bedeckte deine Blöße. Ich leistete dir den Schwur und ging einen 'Bund' mit dir ein. So wurdest du mein." (Ez 16,8.)

Israel wird von Jahwe daraufhin ausgestattet als herrliche Braut (Ez 16,9-14). Aber das Volk macht sich freiwillig zur Dirne (Ez 16,15-34):

"...die ehebrecherische Frau nimmt statt ihres Mannes Freunde." (Ez 16,32.)

Wie schon Hosea spricht also auch Ezechiel von Ehebruch, ja von Prostitution.

Auch das jeremianische Thema von den zwei unzüchtigen Schwestern, also von Samaria und Jerusalem, nimmt Ezechiel wieder auf. Er schildert es in aller Breite (Ez 23).

6. Deutero-Jesaja

Während für Ezechiel und Jeremia, die ja die Exilskatastrophe vor Augen hatten, das Thema von der Ehe ganz stark unter dem Gesichtspunkt des Ehebruchs gesehen wurde, kann Deutero-Jesaja diese Thematik nun ins positive wenden. Wir stehen nun ja bereits in der Zeit nach dem Strafgericht. Und so kündigt Deutero-Jesaja in der Situation der völligen Vernichtung nun das neue Heil an.

Wie er bereits beim Thema der Landgabe verheißen hat, dass der erste Exodus und die erste Landgabe bei der zukünftigen Rettungstat Jahwes noch weit überboten würden, so sagt er auch mit Blick auf das Thema von der Gottesehe:

"Fürchte dich nicht! Denn du wirst nicht zuschanden! Schäme dich nicht; denn du wirst nicht enttäuscht! Die Schande deiner Jungfrauenschaft [=Exil] wirst du vergessen und der Schande deiner Witwenschaft [=Exil] nicht mehr gedenken. Dein Gemahl ist ja dein Schöpfer - Jahwe Zebaot ist sein Name, und dein Erlöser ist der Heilige Israels, 'Gott der ganzen Erde' heißt er. Ja, wie eine Frau, die verlassen und verhärmt ist, ruft dich Jahwe zurück. Kann man die Gattin seiner Jugend verschmähen? spricht Gott." (Jes 54,4-6.)

Dieses ungeheure Zeugnis der "Gattenliebe" reicht in Ton und Aussage durchaus an die große Verheißung Hoseas heran.

7. Trito-Jesaja

Und die Schule des Deutero-Jesaja gab diesem Zeugnis dann im dritten Teil des Jesaja-Buches noch einmal ein Echo.

"Darum will ich frohlocken in Jahwe, und jubeln soll meine Seele in meinem Gott. Denn er hat mich mit den Gewändern des Heils bekleidet, in den Mantel der Gerechtigkeit mich gehüllt, wie ein Bräutigam sich den Kopfschmuck aufsetzt, wie eine Braut sich schmückt mit ihrem Geschmeide. Denn wie die Erde Gewächse hervorbringt und wie im Garten sprosst die Saat, so lässt der Herr Jahwe Gerechtigkeit sprossen und Ruhm vor allen Völkern." (Jes 61,10-11.)

Und:

"Man wird dich nicht länger mehr "Verlassene" nennen und dein Land nicht mehr "Preisgegeben", sondern man wird dich "Meine-Lust-an-dir" heißen und dein Land "Vermählte". Wird doch Jahwe an dir wieder Gefallen haben, und dein Land wird wiederum vermählt. Denn wie der Jüngling eine Jungfrau freit, so wird dein Erbauer dich freien; wie der Bräutigam seine Wonne an der Braut hat, so wird dein Gott an dir seine Wonne haben." (Jes 62,4-5.)

8. Das "Hohe Lied"

Auch der Autor des "Hohen Liedes", das in der Zeit eines intensiven Studiums der Überlieferungen entstand, hat sich offensichtlich - zumindest teilweise - von den prophetischen Texten, die das Verhältnis Jahwe-Israel als Liebes- und Ehebund darstellen, inspirieren lassen.

Natürlich werden im Hohen Lied zunächst einmal Eros und Ehe als göttliche Gaben gefeiert. Aber die Texte dort sind und wollen auch transparent sein für den Blick auf die "Gottesehe", auf die Vermählung Israels mit seinem Gott. In dieser Deutung hat das Hohelied dann ja auch seine Wirkungsgeschichte entfaltet.

Noch einmal ein eindrucksvolles Zeugnis für die unvergleichliche Zuwendung Gottes zum Menschen, wie sie im Alten Testament - und vorab in der Verkündigung der Propheten - bezeugt ist.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 112-115. Zur Anmerkung Button

2 Übersetzung von Alfons Deissler, nach: Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 114. Zur Anmerkung Button