Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Die Dreiheit "Ägypten - Assur - Israel" als Jahwe-Volk der Endzeit (Jes 19,16-25) ⋅1⋅

Einen Gipfeltext der alltestamentlichen Zukunftserwartung finden wir dann in Jes 19,16-25.

Dieser Abschnitt ist sicher ein späterer Einschub in das Jesaja-Buch und trägt wohl auch Spuren verschiedener Ergänzer. ⋅2⋅ Er entstand in einer Zeit in der sich in Ägypten und im Zweistromland eine immer stärker werdende jüdische Diaspora entwickelte. Diese große jüdische Diaspora zwang langsam den Blick über Palästina hinauszuweiten. Vor allem die Theologen in der Schule des Deutero-Jesaja griffen in dieser Situation immer wieder auf die Verkündigung des großen Exilspropheten zurück, und sie setzten dabei vor allem an den universalen Zügen seiner Verkündigung an. Der anfängliche Universalismus, der ja bereits bei Deutero-Jesaja und ansatzweise auch schon früher deutlich wurde, wird nun nachexilisch - zumindest von einem Zweig der jüdischen Theologie - ganz stark in den Mittelpunkt gestellt.

So entstand in Jes 19 ein Text, der davon berichtet, wie die Ägypter von schweren Schlägen und Prüfungen heimgesucht werden. Das erinnert natürlich unwillkürlich an die "ägyptischen Plagen" des Buches Exodus. Aber diesmal stellen sich die Ägypter nicht gegen Jahwe. Ägypten wendet sich Jahwe zu. Und daraufhin offenbart sich Jahwe auch den Ägyp­tern.

"... und die Ägypter wer­den an jenem Tag Jahwe erkennen und ihm durch Schlachtopfer und Speiseopfer dienen; sie werden Jahwe Gelübde machen und sie erfüllen. So wird Jahwe Ägypten zum Heile schlagen; sie werden sich zu Jahwe bekehren, und er wird sich von ihnen erbitten lassen und sie heilen." (Jes 19,21b-22.)

Doch das nicht allein. Zwischen den in der Geschichte so verfeindeten Regionen Ägypten und Mesopotamien wird nun gar - so fährt der Text fort - eine Straße des friedlichen Lebensaustausches gebahnt. Und am Ende wird sogar auch Assur dem Herrn dienen:

"Assur wird mit Ägypten und Ägypten mit Assur verkehren, und Ägypten wird zusammen mit Assur dem Herrn dienen." (Jes 19,23⋅3⋅

Und dann wird das eigentlich für alle landläufigen Vorstellungen vom Alten Testament unglaubliche geschehen:

"An jenem Tage wird auch Israel als Dritter ein Bund mit Ägypten und Assur ein Segen sein inmitten der Erde. Jahwe segnet und spricht: "Gesegnet sei mein Volk Ägypten und Assur, das Werkzeug meiner Hände, und Israel, mein Eigentum"." (Jes 19,24-25)

Das ist eine endzeitliche Botschaft ohnegleichen im ganzen Alten Testament. Assur und Ägypten und Israel bilden gemeinsam Gottes Volk. Dieser großräumige und hochherzige Universalismus lässt aufhorchen. Man muss geradezu darüber staunen, dass diese kühne Schau von einem alle Grenzen sprengenden alleinzigen Bundesvolk der Zukunft in den Kanon Israels überhaupt Aufnahme gefunden hat. Und genauso erstaunlich ist es, dass diese Zukunftsschau später ohne Abstriche darin verblieb!

Für den Glauben der Christen ist diese Stelle so etwas wie der Vorgriff auf die spätere Kirche, in der es "nicht mehr Juden und Griechen gibt" (Gal 3,28), wie Paulus im Galater-Brief sagt. ⋅4⋅

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 60-61. Zur Anmerkung Button

2 "Aber gerade dies bezeugt, daß hier keine singuläre Einzelstimme laut wird, sondern ein "Milieu" (wenn auch als kleine Gruppe) seiner einzigartigen Zukunftserwartung so Gehör verschafft, daß ihr Endzeugnis kanonische Überlieferung wurde."
(Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 61.) Zur Anmerkung Button

3 Gegenüber der Jerusalemer Bibel korrigiert. Dort: "...und Ägypten wird Assur dienen."
(Vgl. die Anmerkung in der Jerusalemer Bibel zu Jes 19,23.) Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: 1 Kor 12,13 und auch Kol 3,11, wo dazu noch "Fremde" und sogar "Skythen" den einen Christus bilden! Zur Anmerkung Button