Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Jahwe ist ein überregionaler und überkosmischer Gott ⋅1⋅
- 1. Die räumliche Bestimmtheit der Gottheiten
- 2. Jahwe wirkt überregional
- a. Jahwe ist ein mitwandernder Gott
- b. Die Heiligtümer der Erzvätergeschichte sind nur Erscheinungsorte
- c. Jahwe wirkt auch in Ägypten
- d. Jahwe ist kein Berggott
- e. Jahwe wohnt nicht in Jerusalem
- 3. Jahwe ist kein Volksgott
- a. Die freie Wahl Jahwes in der mosaischen Überlieferung
- b. Amos (um 760 v. Chr.)
- c. Hosea (um 750 v. Chr.)
- d. Jeremia (um 600 v. Chr.)
- e. Deutero-Jesaja
- f. Israel im Urteil der Bibel
- 4. Jahwe ist kein innerweltlicher Gott
- a. Hinweise auf Jahwes Welt-Transzendenz
- b. Vergleich mit anderen Religionen
- c. Jahwe als Schöpfer der ganzen Welt
- (1) Kein Weltstoff
- (2) Das Wort ברע ["bara>"]
- (3) Gott erschafft durch das Wort
- (4) Die Bedeutung des Wortes
- d. Entmythologisierung des Kosmos
- 5. Jahwes Allgegenwart
Damit sind wir aber schon beim zweiten großen Aspekt, den wir - nach der Alleinzigkeit Gottes - in diesem Zusammenhang betrachten müssen. Wir kommen zur Botschaft vom unwelthaften und welttranszendenten Gott und zunächst zum Sprechen von Jahwe als überregionalem und überkosmischem Gott.
1. Die räumliche Bestimmtheit der Gottheiten
In der Umwelt Israels sind die Götter durchweg räumlich bestimmt. Eine bestimmte Region gilt als ihr eigentlicher Lebens- und Herrschaftsbereich.
Das gilt sogar dann, wenn die entsprechenden Gottheiten als Obergötter des Pantheons verehrt werden. Sogar wenn sie "Herr der Welt" genannt und auch wenn sie als "Schöpfer" bezeichnet werden, bleibt ihr eigentlicher Herrschaftsbereich doch beschränkt; eine bestimme Region gilt als ihr spezifischer Lebensbereich.
Das Alte Testament selbst liefert eine Reihe von Beispielen, die diese Auffassung illustrieren:
- Nach 1 Sam 26,19 etwa bedeutet die Verbannung in ein fremdes Land die Indienstnahme durch fremde Götter. So sollen die Menschen, die David aus Israel vertreiben wollten, ihm nachgerufen haben:
"Mache dich fort, diene anderen Göttern!" (1 Sam 26,19) - Und auch der Syrer Naaman, der in Israel vom Aussatz befreit wurde, ist der Auffassung, dass er zuhause in Damaskus Jahwe nicht verehren kann. Deshalb nimmt er - wie 2 Kön 5 schildert - israelitische Erde auf Maultieren mit. Nur so glaubt er, in seiner Heimat Jahwe gleichsam auf dessen eigenen Boden anbeten zu können.
2. Jahwe wirkt überregional
Der Gott Israels durchbricht aber von Anfang an diese Vorstellungen.
a. Jahwe ist ein mitwandernder Gott
Jahwe erscheint schon im Zeugnis der Erzvätergeschichte nicht nur als der Sippengott, der mit den Halbnomadensippen "mitwandert". Er ist vielmehr der Gott, der an allen Orten dieser Wanderung - gleich ob in Mesopotamien, Palästina oder auch Ägypten - frei und ohne Beschränkung durch die mächtigen Götter der Völker souverän walten und verfügen kann. Er ist an keinerlei Volks- und Imperiumsgrenzen gebunden.
b. Die Heiligtümer der Erzvätergeschichte sind nur Erscheinungsorte
So legt die Genesis wert darauf, dass die Heiligtümer Bet-El, Hebron und Beerseba nicht Aufenthaltsorte Jahwes sind. Er wohnt nicht an diesen Heiligtümern. Diese Orte sind lediglich Erscheinungsorte des Vätergottes. Der Gott der Väter ist nicht an ein Heiligtum gebunden.
c. Jahwe wirkt auch in Ägypten
Und bei der fundamentalen Befreiungstat Israels aus Ägypten macht das Buch Exodus deutlich, dass die angeblich so großen Götter des Nilreiches selbst in Ägypten, also in ihrem angestammten Herrschaftsbereich, nichts gegen die zupackende Hand Jahwes unternehmen können.
d. Jahwe ist kein Berggott
Wichtig ist auch der Hinweis, dass Jahwe im Zusammenhang mit den Ereignissen am Sinai bzw. Horeb auf den Berg "herabfährt". Er ist eben nicht der Berggott vom Sinai, den man am Fuß oder auf dem Gipfel des Berges verehren kann, weil er dort seine Wohnung hat. Jahwe fährt vom Himmelsbereich aus auf den Gottesberg "hernieder". Er wohnt also nicht auf dem Berg (Ex 19,11. 18. 20).
e. Jahwe wohnt nicht in Jerusalem
Und er wohnt nicht einmal in Jerusalem. Nach der Überführung der Lade nach Jerusalem durch David bestand ja durchaus die Gefahr, dass man ihn immer stärker als "Gott des Zion" verehrte, der Gott, der nun eben im Tempel von Jerusalem wohnt. Der deuteronomistische Verfasser des Tempelweihgebetes bemüht sich deshalb, solchen Gefahren entgegenzuwirken. Er lässt in 1 Kön 8,27 Salomo sprechen:
"Die Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, um wieviel weniger dieses Haus!" (1 Kön 8,27.)
Wie sehr Israel tatsächlich in der Gefahr stand, dieser Vorstellung zu erliegen, machen dann die Propheten deutlich. Sowohl Mi 3,12 als auch Jer 7,12 betonen, dass sich Israel nicht in Sicherheit wiegen darf, es darf also nicht sagen: 'Jahwe wohnt ja in unserer Mitte, was kann uns da schon passieren.' Jahwe lässt sich nicht an den Tempel binden. Die Propheten kündigen an, dass Jahwe sein "Haus" der Zerstörung anheimgeben wird. Gott gibt also den Tempel notfalls sogar der Zerstörung preis; ein für Israel unheimlicher, ja fast undenkbarer Gedanke.
3. Jahwe ist kein Volksgott
Dass sein Heiligtum, sein Wohnsitz in Israel, auch zerstört werden kann, deutet bereits an, dass sich Jahwe nicht auf Israel beschränken lässt. Er ist nicht einfach ein Volksgott, obschon Israel immer in der Versuchung stand, ihn als solchen zu betrachten.
a. Die freie Wahl Jahwes in der mosaischen Überlieferung
Aber schon die mosaische Überlieferung bezeugt, dass das Miteinander von Jahwe und Israel seinen Grund in einer freien und ungezwungenen Erwählung hat. Jahwe hat Israel erwählt, er ist nicht auf Israel verwiesen.
Deshalb darf man dieses Verhältnis auch nicht als naturale Zusammengehörigkeit oder gar als Aufeinanderangewiesensein verstehen. Dies zu tun wird Israel von Anfang an verwehrt. Jahwe macht von vorneherein deutlich, dass er auf das Volk nicht angewiesen ist. Er erwählt dieses Volk zwar, er schließt mit diesem Volk einen Bund, er braucht es aber nicht, um Gott zu sein. Im Falle des "Bundesbruchs" ist Israel daher ohne wenn und aber die Verwerfung bis hin zur Vernichtung angedroht.
Die Gerichtspredigt der Propheten wurzelt genau in dieser Tradition. Die Propheten betonen in ihren Reden immer wieder die pure Gnadenhaftigkeit sowohl der Erwählung als auch des "Bundes". Damit öffnen sie - bei aller Nähe Jahwes zu Israel - den Blick für eine grundsätzliche Distanz zwischen Gott und seinem Volk. Gott steigt zwar in freier Wahl zum Menschen hinab, er lässt sich aber nicht auf die Ebene der Menschen hinabziehen.
b. Amos (um 760 v. Chr.)
Bereits Amos (um 760 v. Chr.) betont dies mit Blick auf die Befreiung aus Ägypten - ich habe diese Stelle bereits zitiert:
"Seid ihr mir nicht gleich den Kuschiten, ihr Söhne Israels?, spricht Jahwe. Habe ich nicht Israel aus dem Lande Ägypten herausgeführt und die Philister aus Kaphtor und die Aramäer aus Kir? Siehe, meine Augen sind gerichtet auf das sündige Reich, ich will es vom Erdboden vertilgen." (Am 9,7.)
Gott schreckt also nicht davor zurück, auch seinem Volk, das gesündigt hat, den Untergang anzudrohen. Es steht da auf genau der gleichen Ebene wie die anderen Völker. Es ist also nicht zulässig, Jahwe als Volksgott zu bezeichnen. ⋅2⋅
c. Hosea (um 750 v. Chr.)
Auch Hosea (um 750 v. Chr.) verkündet dass der "Ehebund", den Jahwe mit Israel eingegangen ist, aufgekündigt werden kann. Da Israel von Gott abgefallen ist, muss es damit rechnen, dass Jahwe sich von diesem Volk lossagt.
Dies nicht zu tun, dazu kann Jahwe durch nichts gezwungen werden. Wenn er sich Israels am Ende dennoch liebend erbarmt, dann nur "aus freien Stücken" (Hos 14,4).
d. Jeremia (um 600 v. Chr.)
Jeremia (um 600 v. Chr.) führt die einschlägige Verkündigung seiner prophetischen Vorgänger auf die Spitze. Er spricht davon, dass der Bund den Jahwe mit Israel geschlossen hat, tatsächlich aufkündigt wird. Der Bund Gottes mit seinem Volk wird abgelöst durch einen "Neuen Bund" (Jer 31,31-32).
e. Deutero-Jesaja
Nachdem Israel dann tatsächlich darniederliegt und ohnmächtig den Großmächten ausgeliefert ist, setzt Deutero-Jesaja mit einem gewaltigen Spruch gleichsam das Siegel unter die Verkündigung vom übervölkischen Gott. Gott sprengt alle irdischen Grenzen und überragt alle Geschichtsmächte:
"Völker sind wie ein Tropfen am Eimer, wie ein Stäubchen an der Waage gelten sie ihm. Fürwahr, Kontinente sind dem Sandkorn gleich... Alle Völker sind vor ihm wie ein Nichts, als Nichtigkeit und Wesenlosigkeit gelten sie ihm" (Jes 40,15. 16.)
Jahwe ist also voll und ganz der "übervölkische Gott".
f. Israel im Urteil der Bibel
Das wird im übrigen auch dadurch noch einmal eindrucksvoll unterstrichen, dass das Alte Testament als Ganzes - wie keine andere "Nationalliteratur" der Antike - die eigene Nation schilt, kritisiert und dabei auch die Großen seiner Geschichte nirgendwo schont.
Israel ist "ein halsstarriges Volk" ⋅3⋅ und dem Propheten Hosea gilt es gar als "betrügerisch und vermessen wie sein Stammvater Jakob" (Hos 12,3ff).
Dies alles sind Äußerungen, die dem Volk vor Augen führen sollen, dass es sich in keinster Weise in Sicherheit wiegen darf. Die Bindung zwischen Jahwe und Israel enthebt das Volk nicht der Pflicht sich um bundgerechtes Verhalten zu mühen, denn Jahwe ist auf sein Volk nicht angewiesen. Er ist also in jeder Beziehung der sein Volk "transzendierende Gott".
Hier scheint bereits anfanghaft auf, dass Gottes Weg mit Israel kein exklusiver Weg ist. Wenn dies auch später erst ausdrücklich formuliert wird, letztlich hat Gott das umfassende Heil der gesamten Völkerwelt zum Ziel.
4. Jahwe ist kein innerweltlicher Gott
Diese überregionale und übervölkische Dimension des alttestamentlichen Gottesbildes weist aber letztlich nicht nur über das Volk Israel oder auch die anderen Völker der Erde hinaus. Letztlich weist sie sogar über den ganzen Kosmos hinaus.
a. Hinweise auf Jahwes Welt-Transzendenz
Wir haben oben bereits eine ganze Reihe von Stellen gesehen, die uns darauf hinweisen, dass Jahwe nicht nur überregional ist. Er ist darüber hinaus sogar überweltlich. Jahwe ist nämlich alles andere als ein innerweltlicher Gott.
Dies wird in 1 Kön 8,27 schon deutlich, wenn es heißt:
"Die Himmel ... fassen dich nicht!" (1 Kön 8,27.)
und vor allem in Jes 40,15:
"Alle Erdenmächte sind wie ein Tropfen am Eimer!" (Jes 40,15.)
Jahwe übersteigt die ganze Welt. Er ist grundsätzlich welttranszendent.
b. Vergleich mit anderen Religionen
Das ist ein einzigartiger Wesenszug Jahwes. In den Religionen der Umwelt Israels, wie im übrigen die Götter in allen großen Religionen der Antike, waren selbst die höchsten Götter weltimmanent.
- Auch der Sonnengott etwa,
- der Mondgott
- oder die Sterngötter,
sie alle gehörten ihrer Natur nach zum "All".
Ganz anders Jahwe: Er ist in jeder Hinsicht der kosmisch Ungebundene. Denn er ist
"... der Schöpfer von Himmel und Erde" (Gen 14,19).
c. Jahwe als Schöpfer der ganzen Welt
Diese Formel erscheint erstmals in Gen 14,19 im Munde Melchisedeks. Sie ist zwar nicht einzigartig. Sie hat durchaus religionsgeschichtliche Entsprechungen. In Israel aber bekam sie einen singulären Stellenwert.
Denn Jahwe hat nach israelitischer Vorstellung aus dem Chaos nicht nur den Kosmos als Kosmos geschaffen, er schuf vielmehr die Welt als Ganzes nach Dasein und Sosein.
(1) Kein Weltstoff
So gibt es im Zusammenhang mit den biblischen Schöpfungsberichten keinen Weltstoff, aus dem Gott dann die Welt erschaffen hätte. Keiner der beiden Schöpfungstexte setzt solch einen Weltstoff voraus. Gott schafft gleichsam aus dem Nichts.
(2) Das Wort ברע ["bara>"]
Hinzu kommt das Wort ברע ["bara>"], auf das wir im Zusammenhang mit dem biblischen Menschenbild ja bereits zu sprechen gekommen sind. Dieser Terminus bedeutet - wie wir bereits gesehen haben - soviel wie "erschaffen" und
- wird nur von Gott gebraucht,
- ist nie mit der Angabe eines "Woraus" verbunden
- und möchte gleichsam die Mühelosigkeit des göttlichen Schaffens zum Ausdruck bringen.
Die Theologen Israels scheinen diesen Begriff ganz bewusst geprägt zu haben, um sich von den Schöpfungsvorstellungen der Umwelt abzusetzen.
(3) Gott erschafft durch das Wort
Während man in der alten jahwistische Schöpfungsgeschichte (Gen 2,4b-24), die wohl um 900 v. Chr. ihre Endredaktion erfuhr, durchaus noch handwerkliche Ausdrücke verwendete, also davon sprach, dass Jahwe "machen" und "bilden" würde, vermied man wenige hundert Jahre später im priesterschriftlichen Bericht solche Ausdrücke ganz bewusst. Der jüngere Schöpfungsbericht betont gleichsam, dass Jahwe alles durch sein bloßes Sprechen erschaffen habe. Auch hierdurch soll seine Souveränität über den Kosmos zum Ausdruck kommen.
Jes 40,26, ein Text, der ähnlich wie der priesterschriftliche Schöpfungsbericht im Exil entstanden ist, stellt es ganz analog dar. Hier wird das Erschaffen der Sterne, als "sie beim Namen rufen" geschildert.
Und von der Erschaffung von Erde und Himmel heißt es in Jes 48,13:
"Ich rief ihnen: da standen sie allesamt da!" (Jes 48,13.)
In Anlehnung daran formuliert Ps 33,6. 9:
"Durch Jahwes Wort entstanden die Himmel, durch den Hauch seines Mundes ihr ganzes Heer... Denn er spricht, und es geschieht, er befiehlt, und es steht da." (Ps 33,6. 9.)
(4) Die Bedeutung des Wortes
Hier ist wichtig, sich vor Augen zu halten, welche Bedeutung einem "Wort" im alten Orient zukam.
Das Wort selbst, war in diesem Kulturkreis ja nicht nur Verständigungsmittel. Ein Wort stellte gleichzeitig eine Wirkmächtigkeit, eine δύναμις ["dýnamis"], dar.
Die Wurzel dieses Verständnisses von Sprechen liegt vermutlich in der Magie. Dort ist ja alles mit dem Wort verbunden. Und Magie hatte in den Volksgemeinschaften um Israel herum eine große Bedeutung. Rein zahlenmäßig stellen magische Texte die größte Literaturart in der Umwelt Israels dar.
Daraus entwickelte sich auch das Verständnis von der kosmischen Dimension des göttlichen Wortes. Diese Vorstellung findet sich ebenfalls auch außerhalb Israels, etwa bei den Sumerern oder in der Theologie von Memphis. Der ägyptische Gott Phta beispielsweise erschafft die Welt ebenfalls durch sein Wort.
Israel hat diese Vorstellung aber nicht einfach aus der Umwelt übernommen. Es gibt auch innerisraelitische Einflüsse auf die Entwicklung dieser Bedeutung des "Wortes". Der wichtigste Einfluss dürfte hier wohl die prophetische Erfahrung sein.
Die Propheten verstehen sich schließlich als Übermittler des wirkmächtigen דָּבָר ["dabar"], des wirkmächtigen Wortes Jahwes. ⋅4⋅ So überliefert Jesaja etwa folgendes Gotteswort:
"Ich spreche, mein Plan steht fest, was mir gefällt, das vollführe ich." (Jes 46,10.)
Daher bedeutet Sprechen von Jahwe ausgesagt immer schon "erschaffen" oder auch "Macht ausüben". Das göttliche Wort ist in der Vorstellung Israels und seiner Umwelt auslösende Kraft kosmischer und geschichtlicher Ereignisse. Es ist ἐνέργεια ["enérgeia"], Energie, im wörtlichen Sinne des Wortes, nämlich im Sinne von "ins Werk setzen".
Alles Seiende und Werdende ist der Wurf des Entwerfens und Werfens Gottes, das sich in seinem Sprechen manifestiert.
Wenn Jahwe in der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung also rein durch das Wort erschafft, dann unterstreicht das letztlich nur sein souveränes Stehen über dem Kosmos.
d. Entmythologisierung des Kosmos
Auf der gleichen Linie wie dieses Sprechen von Gott als Schöpfer des ganzen Kosmos steht auch die konsequente Entmythologisierung, die wir mit fortschreitender Zeit in den biblischen Texten feststellen können.
Gen 1, ein Kapitel, das im 6. Jahrhundert v. Chr. entstanden ist, versucht die Dinghaftigkeit des Kosmos ganz pointiert herauszustreichen.
Während in der Umwelt Israels Himmel, Mond und Gestirne mit Gottheiten in Verbindung gebracht werden, ja selbst Götter sind, sagt die priesterschriftliche Schöpfungs-Erzählung,
- dass der Himmel lediglich ein Gewölbe sei, das zwischen oberen und unteren Wassern scheidet.
- Und Sonne und Mond werden bemerkenswerterweise nicht einmal mit ihren Eigennamen genannt. Sie heißen ganz einfach der "große Leuchter" und der "kleine Leuchter". Damit wird ganz auffällig unterstrichen, dass es sich bei diesen Gestirnen wirklich um rein materielle Dinge ohne irgendwelchen göttlichen Rang handelt.
All dies zusammengenommen stellt nur noch einmal heraus, dass Jahwe der überkosmische Gott ist, der völlig souverän über der ganzen Schöpfung steht.
5. Jahwes Allgegenwart
Diese absolute Überlegenheit Jahwes gegenüber der Welt ermöglicht nicht zuletzt auch seine "Überräumlichkeit", das heißt seine Allgegenwart im Walten und Sein.
Die kosmisch unbegrenzte Mächtigkeit Jahwes hat dabei bereits Amos dem Volk Israel vor Augen gestellt:
"Brechen sie (die Entronnenen) durch nach der Unterwelt, so holt sie von dort meine Hand. Steigen sie zum Himmel hinauf, stürze ich sie nieder von dort. Verstecken sie sich auf des Karmels Gipfel, so erspähe ich sie dort und packe sie. Bergen sie sich auf dem Grunde des Meeres, gebiete ich der Meerschlange, sie dort zu vernichten" (Am 9,3.)
Und der Autor von Ps 139 hat dann die hier ausgesprochene Überräumlichkeit von Macht und Tun Jahwes als raumtranszendierendes "Sein" expliziert:
"Wohin könnte ich flüchten vor deinem Geistbraus, wohin fliehen vor deinem Angesicht? Stiege ich zum Himmel auf - dort bist du. Wollte ich mich betten in der Unterwelt - du bist auch da zugegen. Höbe ich mich auf des Morgenrots Schwingen und ließe mich nieder am Ende des Meeres, würde deine Hand auch dort mich packen und deine Rechte mich greifen." (Ps 139,7-10.)
Auf diesen weltüberlegenen Herrn aller Schöpfungsmächte zielt auch der - vorab bei den Propheten beliebte - Titel "Jahwe Zebaot" ab. Ganz gleich wo der Ursprung dieses an sich rätselhaften Begriffs auch liegen mag, was er inhaltlich sagen möchte, liegt klar auf der Hand: Er bedeutet letztlich, dass alle Natur- und Geschichtsmächte Jahwe untertan sind.
Anmerkungen