Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Gott als Kriegsherr

Bei all den großartigen und faszinierenden Aussagen, die wir nun über Gott zusammengetragen haben, könnte man trotz allem immer noch einwenden, dass dies ja nur die eine Seite sei. Man kann mir ja möglicherweise den Vorwurf machen, ich hätte hier ganz einseitig nur positive und schöne Bilder über Gott herausgegriffen, hätte die schwierigen Aussagen bislang ganz einfach unterschlagen.

Ich möchte diesen schwierigen Stellen im Alten Testament aber gar nicht ausweichen. Es ist ja durchaus legitim, die Frage zu stellen, wie man sich der Fülle von Aussagen nähern soll, die offensichtlich für viele Menschen heute das Bild des alttestamentlichen Gottes verdunkeln. Und manchem machen es solche Aussagen ja sogar schon beinahe unmöglich, unvoreingenommen auf die Botschaft des Alten Testamentes zuzugehen.

Damit wir uns jetzt aber nicht in zig' verschiedene Stellen verlieren, habe ich versucht diese schwierigen Aussagen des Alten Testamentes über Gott ein klein zu sortieren. So können wir an einigen Beispielen die markantesten Aspekte in diesem Zusammenhang zumindest ein klein wenig näher beleuchten.

Ich möchte dabei zunächst auf das Sprechen von Gott als Kriegsherren, dann auf die anstößigen Gebete im Alten Testament und schließlich auch auf eine Reihe von Eigenschaften zu sprechen kommen, die direkt auf Gott hin oder von ihm selbst ausgesagt werden:

  • seine Eifersucht,
  • seine Vergeltung
  • und seine Rache nämlich.

Und abschließend möchte ich dann in diesem Zusammenhang noch einen kurzen Blick auf heute nur schwer verständliche Gesetze sowie die Forderung nach Opfern werfen.

Damit scheinen mir die meisten schwierigen Aussagen des Alten Testamentes über Gott umrissen zu sein.

Das soll als Vorrede jedoch genügen. Ich komme nun also zu einer ersten Schwierigkeit, die Menschen immer wieder mit den alttestamentlichen Texten haben, und zwar zu der Fülle von kriegerischen Schilderungen im Alten Testament. Kann ein Gott, von dem gesagt wird, dass er sein Volk in solch blutrünstige Auseinandersetzungen geführt hat, noch unser Gott sein?

Ich kann jetzt natürlich nicht alle betreffenden Darstellungen untersuchen. Als exemplarisch möchte ich daher hier ganz einfach die sogenannte "Landnahme-Tradition" Israels herausgreifen.

1. Die Landnahmetradition

Die Schilderung der Landnahme ist ja geradezu so etwas wie ein Musterbeispiel für diese Fragestellung. Immer wieder stoßen sich heute die Menschen ja gerade an der Vorstellung, dass ein Gott auf so grausame Art und Weise andere Völker vernichtet haben soll, nur um seinem Volk ein Stück Land zu geben. So sind die Schilderungen der kriegerischen Ereignisse im Buch Josua, die Israel immer mit seinem Gott in Verbindung bringt, sicher für manchen ein Grund, die Bibel ganz beiseite zu legen.

Diese Reaktion scheint mir aber äußerst voreilig zu sein.

Wir müssen uns, bevor wir hier ein Urteil fällen können, ja zuerst fragen, was denn mit diesen Texten überhaupt gesagt sein will. Dazu müssen wir uns noch einmal in Erinnerung rufen, was bereits im Zusammenhang mit der Allgemeinen-Einleitung ausgeführt wurde.

2. Was ist - historisch gesehen - geschehen ⋅1⋅

Was ist denn damals - historisch gesehen - tatsächlich passiert. Welche Kriege soll Jahwe hier denn geführt haben?

Hilfreich ist es hier, vor allem die Ergebnisse, die die Archäologie und die Geschichtswissenschaft ans Tageslicht gefördert haben, mit dem zu vergleichen, was die Schrift selbst über die Landnahme sagt.

a. Erinnerungen an kriegerische Erfolge

Wie immer bei biblischen Berichten, so ist das "Epos" vom Siegeszug Josuas durch Kanaan natürlich nicht einfach frei erfunden. Hinter den einzelnen Berichten steht sicherlich jeweils ein historischer Kern. So hat sich in diesen Texten sicher die Erinnerung daran niedergeschlagen, dass es tatsächlich Kämpfe um das Land zwischen den Prae-Israeliten und den Kanaanäern gegeben hat.

(1) Tatsächliche Eroberungen der Prae-Israeliten am Beispiel der Stadt Hazor

Der Vorgang der Sesshaftwerdung der Halbnomadengruppen, die dann später Israel bildeten, ist schließlich ganz sicher nicht immer friedlich und natürlich auch nicht ganz ohne Komplikationen bzw. Gewalt vor sich gegangen.

Hier kam es sicherlich im Laufe der Zeit zu einer Reihe kriegerischer Auseinandersetzungen. Die ein oder andere Stadt scheinen die Vorfahren des nachmaligen Israels in diesem Zusammenhang tatsächlich eingenommen zu haben.

In Jos 11,10-11 heißt es zum Beispiel:

"In jener Zeit kehrte Josua um und nahm Hazor ein; dessen König erschlug er mit dem Schwert. Hazor war einst das Haupt aller dieser Königreiche gewesen. Man schlug alle Lebewesen darin mit der Schärfe des Schwertes und vollzog den Bann. Keine lebende Seele blieb übrig, und Hazor wurde verbrannt." (Jos 11,10-11.)

Die Stadt Hazor war nach archäologischen Untersuchungen - für die damalige Zeit - eine überraschend große Stadt. Ausgrabungen haben ergeben, dass sie etwa um die Hälfte größer war, als die Reichsstadt Nördlingen im Mittelalter. Allein die Akropolis von Hazor umfasste beinahe die halbe Größe der Stadt München in den mittelalterlichen Mauern.

Diese Stadt wurde nun tatsächlich zu Beginn der Eisenzeit vollständig zerstört. Ein bloßer Unglücksfall allein kann nach den archäologischen Ergebnissen nicht den Ausschlag dafür gegeben haben. Dagegen scheint schon die Tatsache zu sprechen, dass niemand versuchte, die Stadt neu aufzubauen. Lediglich einige bescheidene Wohnungen, die einige Feuerstellen hinterlassen haben, gab es auf dem Gebiet der Stadt Hazor in späterer Zeit. ⋅2⋅

Im biblischen Bericht könnte sich also tatsächlich eine Erinnerung an die Eroberung der Stadt Hazor durch prae-israelitische Einwanderer erhalten haben.

(2) List und Verrat als Ursachen für solche Erfolge

Das ist verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Israel kaum die entsprechenden militärischen Möglichkeiten zur Verfügung standen. Hilfreich zur Erklärung sind hier möglicherweise einige Hinweise, die sich sowohl im Buch Josua als auch im Buch der Richter finden.

  • Jos 8 etwa wird die Eroberung der Stadt Ai durch die Benjaminiter mit einer Kriegslist in Verbindung gebracht.
  • Und dem Haus Josef fällt die Stadt Bet-El durch Verrat in die Hände (Ri 1,22-26).
  • Von Verrat berichtet auch Jos 2. Bei der Eroberung der Stadt Jericho durch den Stamm Benjamin soll Verrat im Spiel gewesen sein.

Diese Berichte aus den beiden Büchern müssen jetzt nicht historisch sein - Ai oder Jericho beispielweise können kaum von den Prae-Israeliten eingenommen worden sein. Sie sind bereits lange vorher zerstört gewesen.

Aber dennoch hat sich in diesen Traditionsstücken offensichtlich die Erinnerung niedergeschlagen, dass bei Eroberungen List und Verrat eine Rolle gespielt haben. Dies war vermutlich die einzige Möglichkeit, wie einer stark befestigten kanaanäischen Stadt durch Halbnomaden damals beizukommen gewesen ist.

b. Die Vorfahren der Israeliten konnten einen Großteil des Landes nicht einnehmen

In aller Regel aber scheint es den prae-israelitischen Stämmen anfangs nicht möglich gewesen zu sein, mit Waffengewalt den kanaanäischen Stadtstaaten angestammte Gebiete streitig zu machen.

Das können wir bereits dem biblischen Bericht entnehmen. Die älteste Darstellung von der Landnahme haben wir ja nicht etwa im Buch Josua, sondern in den alten Überlieferungsstücken des Buches der Richter vorliegen, die zum Teil noch vor David entstanden sind. ⋅3⋅ Und die dort enthalten Aussagen machen ganz deutlich, dass der Siegeszug Josuas, wie ihn das gleichnamige Buch schildert, keine historische Darstellung sein kann.

Hier ist eindeutig belegt, dass es den einwandernden Gruppen nicht möglich war, das Land zu erobern. Es gelang ihnen nicht, in den Ebenen Fuß zu fassen. Dort befanden sich die großen befestigten Städte der Kanaanäer und dort machten deren gefürchtete Streitwagen jeden Angriff von vorneherein aussichtslos.

Ri 1,19 heißt es daher:

"Und Jahwe war mit Juda, und er nahm das Gebirge in Besitz; denn die Bewohner der Niederung trieb er nicht aus, weil sie eiserne Wagen hatten." (Ri 1,19⋅4⋅

Israel musste sich also mit den wenig besiedelten gebirgigen Teilen des Landes, begnügen. Dort hat man sich angesiedelt.

c. Friedliche Koexistenz

Mit großer Wahrscheinlichkeit muss man in der Regel daher eher von einer friedlichen Koexistenz als von großen militärischen Auseinandersetzungen ausgehen. Gewaltige Schlachten sind mit Sicherheit die große Ausnahme.

Darauf weisen auch schon eine Reihe von Verträgen hin, die praeisraelitische Gruppen mit den Kanaanäern geschlossen haben. Auf diese Art und Weise haben einzelne Gruppen anscheinend von den ursprünglichen Eigentümern nicht genutztes Gebiet als Siedlungsgebiet erhalten. Vertragsabschlüsse, die in diese Richtung weisen, haben sich im Buch Josua niedergeschlagen.

(1) Die Stadt Gibeon

In Jos 9 beispielsweise wird geschildert, wie die Stadt Gibeon durch eine List einen Friedensvertrag mit den Einwandernden geschlossen hat. Hier ist vermutlich die Erinnerung an einen Vertrag mit Gibeon erhalten geblieben.

Ausgrabungen haben bestätigt, dass Gibeon die Einwanderungszeit nicht nur unberührt überstanden, sondern sogar einen Aufschwung erlebt hat.

(2) Der Stamm Issachar

Ein weiteres Beispiel für Niederlassungen von prae-israelitischen Gruppen im Einvernehmen mit der bereits ansässigen Bevölkerung scheint sich auch hinter dem Namen des Stammes "Issachar" zu verbergen.

In diesem Namen spiegeln sich offenbar die Verhältnisse wider, unter denen die Landnahme jenes Stammes erfolgte. Sein Name bedeutet nämlich "Lastesel". Im Jakobssegen (Gen 49,14. 15) wird er so gedeutet: Issachar sei mit einem "knochigen Esel" zu vergleichen, weil er um der Ruhe und des lieblichen Landes willen "seinen Rücken zum Tragen beugte" und "ein fronender Knecht" wurde.

Dies lässt sich mit historischen Nachrichten in Einklang bringen. Der Stamm Issachar siedelte im Südteil des galiläischen Gebirges, in einem Gebiet zu dem die Stadt Schunem gehörte.

Schunem wurde im 14. Jahrhundert v. Chr. zerstört. Nun ergibt sich aus den Amarnatafeln, dass das Gebiet der Stadt in ägyptischem Auftrag unter der Aufsicht umliegender Stadtstaaten von fronpflichtigen Menschen bestellt wurde.

Die Angehörigen des Stammes Issachar könnten nun diese eingewanderten und fronpflichtig gewordenen Menschen sein. Sie hätten das Gebiet um Schunem, wo sie sich ausbreiteten, demnach nur um den Preis der Abhängigkeit von kanaanäischen Stadtstaaten erhalten können.

Dieses Faktum hat sich dann im Namen des Stammes "Issachar", "Lastesel", niedergeschlagen.

d. Fazit

War also die Landnahme tatsächlich solch ein blutiges Geschehen, wie sie im Buch Josua geschildert wird?

Mit Sicherheit nicht! Zunächst einmal muss man sich die ganze Landnahme, als in der Regel durchaus unblutigen oder zumindest nur bedingt blutigen Prozess vorstellen.

Auch die Schlachten der frühstaatlichen Zeit, von denen dann im Richter-Buch weiter berichtet wird, scheinen zum größten Teil Verteidigungskriege gewesen zu sein.

So schildert die berühmte Schlacht unter Deborah bei Meggido etwa die Abwehr der vereinigten Kanaanäerstädte des Nordens (Ri 4-5) und Ri 7 erzählt von der Landsicherung durch die Zurückschlagung der Midianiter beim Gebirge Gilboa.

Bis zur Zeit Davids kann man demnach kaum von größeren kriegerischen Aktivitäten Israels sprechen. Weder in der frühstaatlichen Zeit, noch im Zusammenhang mit der Landnahme.

3. Die Darstellung im Buch Josua ⋅5⋅

Was will dann die Darstellung des Buches Josua? Wieso kann hier die Landnahme als gewaltiger Kriegszug dargestellt werden? Nachdem, was ich bisher gesagt habe, würde das Buch Josua ja von etwas berichten, was so gar nicht stattgefunden hat.

a. Zur Art der Berichterstattung von Jos 2-12

Das ist auch so. Wenn wir das Buch Josua genau anschauen, dann wird sehr schnell deutlich, dass es sich tatsächlich um ein kunstvoll komponiertes literarisches Werk handelt. Es ist keine Geschichtsschreibung über einen so stattgefundenen Eroberungsfeldzug der Israeliten.

Wenn wir uns den "Eroberungsbericht" in Jos 2-12 vornehmen, dann werden wir auch sofort feststellen, dass es sich dabei nicht einmal um eine folgerichtige Schilderung eines Feldzuges handelt. Hier wird kein Feldzug geschildert, hier wird von allerlei Merkwürdigkeiten erzählt, die das Land "bis auf den heutigen Tag" - eine immer wiederkehrende Formulierung - aufweist.

(1) Eine Sammlung von Ortssagen?

Wenn man sich diese Aufzählung der "Merkwürdigkeiten" genauer ansieht, dann muss man fast den Eindruck gewinnen, als seien hier keine Protokolle eines Feldzuges, sondern ganz einfach die unterschiedlichsten Ortssagen gesammelt worden.

So gab es beispielsweise anscheinend in Gilgal einen Steinkreis, vielleicht vergleichbar mit den Menhiren. Dieser Steinkreis könnte in der damals längst vergessenen Steinzeit aufgestellt worden sein.

Nachdem die Israeliten hier sesshaft geworden waren, hatte man sich versucht die Entstehung dieses Steinkreises zu erklären. So entstanden Ortssagen über den Steinkreis von Gilgal.

Eine Erklärung, die im Umkreis Gilgals anscheinend kursierte, dürfte folgende gewesen sein:

"[Dann stellte] Josua (stellte) zwölf Steine auf mitten im Jordan an der Stelle, wo die Füße der Priester, die die Lade des Bundes trugen, gestanden hatten, und dort findet man sie noch heute." (Jos 4,9.)

Einige Verse später wird noch einmal auf diesen Steinkreis Bezug genommen. Es heißt dort:

"Jene zwölf Steine, die man im Jordan aufgehoben hatte, stellte Josua in Gilgal auf. Dann sprach er zu den Israeliten: "Wenn eure Kinder eines Tages ihre Väter fragen: 'Was bedeuten diese Steine?', dann sollt ihr euren Kindern diese Deutung geben: 'Im Trockenen ist Israel durch den Jordan da gezogen, denn Jahwe euer Gott, hat vor euch die Wasser des Jordan austrocknen lassen, bis ihr hindurchgezogen waret, so wie Jahwe, euer Gott, es mit dem Schilfmeer getan hatte, das er vor uns austrocknen ließ, bis wir hindurchgezogen waren, damit alle Völker der Erde erkennen sollten, wie stark die Hand Jahwes ist, damit ihr selbst allezeit fürchtet Jahwe euren Gott."" (Jos 4,20-24.)

Wir haben hier also eine Ortssage vorliegen, die das Entstehen des Steinkreises zu Gilgal zu deuten versucht. Das sind aber Ortssagen, wie Menschen sie lieben, die bereits in einem Land sesshaft sind. Ihr Ursprung liegt demnach mit großer Wahrscheinlichkeit in der Zeit nach der Sesshaftwerdung Israels.

(2) Eine Ortssagensammlung des Stammes Benjamin

Wir können also sagen, dass der oder die Autoren des Buches Josua gar keinen Kriegsbericht, keine Schilderung eines Feldzuges wiedergaben. Sie stützten sich vielmehr auf Ortssagen, die sie zum Buch Josua kombinierten.

Wenn wir alle in Jos 2-12 erwähnten Orte nun zusätzlich noch einmal in eine Karte eintragen, so zeigt sich darüber hinaus, dass in all diesen Berichten eigentlich nur von Orten gehandelt wird, die in einem ganz eng begrenzten Landstrich liegen. Ausführlich erzählt werden hier nämlich nur Ereignisse, die in einem kleinen, etwa 30 km breiten Streifen stattgefunden haben.

Auffälligerweise handelt es sich hierbei aber genau um das Siedlungsgebiet des Stammes Benjamin.

Die Überlieferungen, die das Buch Josua hier verarbeitet scheinen also Ortssagen zu sein, die der Stamm Benjamin gesammelt und tradiert hatte. Diese Sammlung von Ortssagen diente als Material, um damit einen Eroberungszug durch das Land Kanaan darzustellen.

b. Listen von Ortsnamen als weiteres Material

Übersichtskarte zur Darstellung des Josuabuches

Übersichtskarte zur Darstellung
des Josuabuches.

Foto-ButtonEntnommen aus: Annemarie Ohler,
Grundwissen Altes Testament
(Stuttgart 1987) II/15.z

Mit Ortssagen aus Benjamin allein ließ sich aber noch kein Eroberungszug durchs "ganze Land" beschreiben. Die Autoren des Josuabuches griffen darum zusätzlich auf eine andere Art von Quellen zurück. Sie verwendeten Listen von Ortsnamen.

  • In Jos 10,20-40 liegt beispielsweise eine Liste von sechs kanaanäischen Städten zugrunde. Hier wird lediglich geschildert, wie Josua immer in der gleichen Art eine Stadt nach der anderen erobert. Konkrete Erinnerungen an Kämpfe sehen aber anders aus. Es scheint hier also ganz einfach eine Liste von sechs kanaanäischen Städten rein schematisch zu einem Bericht von einem Siegeszug nach Süden aufgefüllt worden zu sein.
  • Jos 10,1-5 und Jos 11 gehen anscheinend auf ähnliche Listen zurück. Hier wird in genau der gleichen Weise einmal davon gehandelt, wie fünf Könige um den König von Jerusalem eine Koalition gegen Josua bilden (Jos 10,1-5) und zum anderen, wie die Könige des Nordens sich um den König von Hazor scharen (Jos 11)
  • Jos 12,9-24 bietet dann sogar ganz unverhüllt eine Liste von 31 Königen, die Josua besiegt haben soll.

Die Autoren des Josuabuches stellten den Siegeszug Gesamtisraels durch das Land also mit Hilfe älterer Materialien dar, die ursprünglich anderen Zwecken dienten. Sie verwendeten Ortssagen aus Benjamin und Städtelisten aus Palästina. ⋅6⋅

c. Der Sinn dieser Darstellung

Wenn das Buch Josua aber nicht der historische Bericht eines Feldzuges der Israeliten durch das ganze Land Kanaan ist, was ist es dann? Welchen Zweck verfolgt dann diese Darstellung?

Jos 21,43-45 stellt zusammenfassend fest:

"So gab Jahwe den Israeliten das ganze Land, das er ihren Vätern zu geben geschworen hatte. Sie nahmen es in Besitz und ließen sich darin nieder. Jahwe verschaffte ihnen Ruhe an allen ihren Grenzen, ganz so, wie er es ihren Vätern geschworen, und vor allen ihren Feinden; keiner hatte vor ihnen standgehalten, Jahwe hatte sie in ihre Hand gegeben. Von allen Verheißungen, die Jahwe dem Hause Israel gemacht hatte, wurde nicht eine hinfällig, alles ging in Erfüllung." (Jos 21,43-45.)

So sprechen nicht Historiker, hier reden Theologen. Hier versuchen Menschen zu einer Zeit, in der nach einem zweihundertjährigen, langsamen Prozess das Land tatsächlich ganz in Israels Hand war, anderen Menschen klar zu machen, dass Gott es war, der Israel in das Land geführt hat.

Ihnen geht es also nicht um den geschichtlichen Vorgang, es geht ihnen um die praktischen Konsequenzen: Kein Stamm, keine Sippe darf besondere Ansprüche erheben. Das Land ist Gottes gute Gabe an das ganze Volk.

Dabei versuchen die Autoren des Buches Josua auch zu zeigen, dass das Land nicht einfachhin erobertes Gebiet ist, in dem Israel Rechte des Siegers hat. Es ist "Erbe Jahwes", "Land Jahwes". Das sind alte biblische Begriffe.

Von daher wäre es eigentlich weit korrekter zu sagen, dass das Buch Josua die "Landgabe" schildert. Der Begriff "Landgabe" umschreibt viel zuverlässiger dieses Geschehen als unser Ausdruck "Landnahme".

4. Konsequenzen für unser Sprechen von Gott

Das bedeutet in letzter Konsequenz aber auch, dass ich dann nicht einfach sagen kann: Jahwe hat hier einen blutigen Feldzug unternommen, um Israel das Land zu geben. Ich kann nicht sagen, dass Gott selbst so etwas wie ein Kriegsherr wäre.

Dass Gott Israel das Land, in einem historisch betrachtet meist durchaus friedlichen Prozess übereignet hat, das kleidet das Buch Josua eben in das Bild eines gewaltigen Feldzuges. Die Intention des Textes ist dabei nicht, die militärischen Qualitäten Gottes herauszustellen. Betont wird, dass Gott derjenige ist, der seine Verheißung erfüllt.

Wir können daher fragen, ob das Bild bzw. die Darstellung, die im Buch Josua gewählt wurde, noch zeitgemäß ist. Und wir können uns Gedanken darüber machen, ob durch das Bild, das im Buch Josua von Gott geprägt wurde, heute nicht mehr Schaden angerichtet wird, als es für das Sprechen von Gott hilfreich wäre.

Wir können aber nicht sagen, dass Gott nach dem Zeugnis der Bibel ein Kriegsherr ist. Die Schlachten des Buches Josua sind literarischer Natur, sie sind keine Beschreibung eines historischen Jahwe-Feldzuges. Die Botschaft dieses Berichtes lautet nicht, dass Gott sein Volk in den Krieg führt. Die Botschaft heißt, dass Gott der ist, der denen zur Seite steht, die auf ihn bauen, und dass er der ist, der seine Verheißung erfüllt.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Annemarie Ohler, Grundwissen Altes Testament (Stuttgart 1987) II/16-18. Zur Anmerkung Button

2 Dass diese Nachrichten sehr alt sein müssen, kann man an einer Stelle des Richterbuches ganz deutlich sehen. Im ersten Kapitel heißt es:
"Die Jebusiter aber, die in Jerusalem wohnten, vertrieben die Söhne Benjamins nicht; so blieben die Jebusiter in Jerusalem bei den Söhnen Benjamins wohnen bis auf den heutigen Tag." (Ri 1,21.)
Die Nachricht darüber, dass die Benjaminiter Jerusalem nicht einnehmen konnten und die Jebusiter deshalb "bis heute" unter den Benjaminitern wohnen, muss selbstverständlich aus der Zeit vor der Eroberung Jerusalems stammen. Wir haben hier also einen sicheren Beleg dafür, dass diese Text-Stelle noch vor David entstanden sein muss, also noch vor der Jahrtausendwende. Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: Annemarie Ohler, Grundwissen Altes Testament (Stuttgart 1987) II/15. Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: Jos 16,10; 17,12ff. 16. Zur Anmerkung Button

5 Vgl. zu diesem Abschnitt: Annemarie Ohler, Grundwissen Altes Testament (Stuttgart 1987) II/15-18. Zur Anmerkung Button

6 Vgl. hierzu - auch zur Grafik: Annemarie Ohler, Grundwissen Altes Testament (Stuttgart 1987) II/15. Zur Anmerkung Button