Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Ps 46 - Beispiel für ein Vertrauenslied ⋅1⋅
Bei dieser Bedeutung des Begriffs "vertrauen" in den Psalmen ist es eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass sich im Laufe der Zeit eine eigene Psalmengattung der "Vertrauenslieder" entwickelt hat.
Sie ist letztlich aus den Vertrauensbekenntnissen entstanden, die wir ja als Strukturelement besonders in den sogenannten "Klageliedern" finden.
Solche ausgesprochenen Vertrauenslieder haben wir etwa in Ps 23, dem "Gute-Hirte-Psalm", in Ps 46, Ps 125 und Ps 129 vorliegen.
Ich möchte hier als Beispiel eines solchen Vertrauensliedes Ps 46 herausgreifen, ein Zionslied, das in seinem wogenden Rhythmus und seiner Lautmalerei zu den poetisch besten Stücken des ganzen Psalters gehört.
Seine Datierung ist zwar umstritten, aber das tut dem hohen Rang dieses Psalmes absolut keinen Abbruch.
1. Zum Inhalt
Sehen wir uns zunächst den Inhalt des Psalmes an:
"Gott ist uns Zuflucht und Kraft,
herrlich erwiesen als Helfer in der Bedrängnis.
So bangen wir nicht, ob auch die Erde erbebt,
ob die Berge fallen mitten ins Meer:
Ob seine Wasser brausen und schäumen,
vor seinem Ungestüm erzittern die Berge:
[Mit uns ist Jahwe Zebaot,
Jakobs Gott ist unsere Burg.]
Des Stromes Arme erfreuen die Gottesstadt,
er heiligt die Wohnung des Höchsten.
Sie wanket nicht, in ihrer Mitte ist Gott;
schon in der Morgenfrühe wird Gott sie beschützen.
Die Völker toben, es wurden erschüttert die Reiche,
donnernd ertönte sein Ruf, dass die Erde verging in Schrecken.
Mit uns ist Jahwe Zebaot,
Jakobs Gott ist unsere Burg.
Kommt und schauet die Werke Jahwes!
Er verbreitet Entsetzen auf Erden.
Dem Krieg gebietet er Einhalt bis an die Enden der Erde,
zerbricht die Bogen, zerspellt die Speere,
die Schilde verbrennt er im Feuer.
Lasst ab und erkennt: Ich bin Gott!
Erhaben über die Völker, erhaben auf Erden.
Mit uns ist Jahwe Zebaot,
Jakobs Gott ist unsere Burg." (Ps 46,2-18.)
Bereits der Refrain:
"Mit uns ist Jahwe Zebaot, Jakobs Gott ist unsere Burg." (V. 4. 8 und 12.)
ist eine eindrückliche Artikulation des Vertrauens auf Jahwe.
Jahwe ist "Herr aller Mächte", der Jahwe Zebaot. Er ist der, der seine Allmacht einsetzt um für die Zionsgemeinde ein schützendes und bergendes Geleit durch die Geschichte zu sein.
Deshalb ist er "Zuflucht und Kraft" oder - besser übersetzt - "Zuflucht und Hort". Er hat sich als Helfer in der Bedrängnis herrlich erwiesen (Ps 46,2). Darum kann der Ansturm chaotischer Mächte auch zukünftig dem Zion nichts anhaben (Ps 46,2-4). Er bleibt inmitten allen kosmischen und geschichtlichen Gewoges eine bergende Burg, ja ein "Paradies". Er ist von Strömen umborgen und zugleich bewässert (Ps 46,5).
Am Horizont der Gottesstadt steigt für die gläubige Gemeinde bereits die Ära des "ewigen Friedens" ohne Kriegsgerät und Krieg herauf (Ps 46,10), so wie sie in Jes 2,4; Jes 9,4; Hos 2,20 oder Ez 39,3 verheißen ist.
2. Der vertrauensvolle Blick in die Zukunft
Gerade bei dem, was wir zuletzt gesagt haben, wird demnach bereits deutlich, dass Ps 46 bei aller Bezogenheit auf Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig nach dem neuen Äon ausgreift. Der Psalm spricht von einem Vertrauen auf Jahwe, das sich in der Vergangenheit gründet und von daher auf die Zukunft hin ausstreckt, auf eine Zukunft, wie sie letztlich dann die neutestamentliche Apokalypse ausmalt, indem sie die Linie von Ps 46 weiter auszieht:
"Seht, das Zelt Gottes unter den Menschen! Er wird bei ihnen sein Zelt aufschlagen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein." (Offb 21,3) ⋅2⋅
Glauben heißt in dieser Sicht also auf den Großtaten Gottes in der Geschichte und den davon ausgehenden göttlichen Verheißungsworten fest gegründet stehen. Und von diesem Stand aus vertrauend ausschauen nach dem Aufgang dessen, was die Schrift dann den "Neuen Himmel" und die "Neue Erde" (Jes 65,17; Jes 66,22; Offb 21,1) nennt.
Anmerkungen