Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Umschreibungen des Wortes "glauben" in den Psalmen ⋅1⋅

Dabei haben auch die Psalmen auf den ersten Blick recht wenig mit einem Glaubensbekenntnis zu tun. Sogar das hebräische Wort für "glauben" erscheint im Psalter recht selten. In allen 150 Psalmen ist die Verwendung des Wortes הֶאֱמִין ["hæ>æmin"] nur in insgesamt sieben Versen belegt. ⋅2⋅

Doch dieser statistische Befund ist ohne größere Bedeutung. Denn das was "glauben" letztlich meint, ist in den Psalmen auf Schritt und Tritt gegenwärtig. Es wird von den Psalmisten gerne mit dem weiten Vokabular für "vertrauen" und "hoffen" umschrieben.

Dass dies so ist, zeigt schon die Tatsache, dass selbst da, wo das Wort "glauben" ausdrücklich verwendet wird, gerne noch einmal zusätzlich eine solche Hoffnungsvokabel parallel dazu gebraucht wird. Ein Beispiel hierfür bietet etwa Ps 78,21-22:

"Darum entbrannte, als Jahwe dies hörte, sein Grimm, Feuer loderte auf wider Jakob, wider Israel entbrannte sein Zorn. Weil sie nicht glaubten an Gott und nicht vertrauten auf seine Hilfe." (Ps 78,21-22.)

"Hoffen" und "vertrauen" sind also Begriffe, die biblisch betrachtet auf der gleichen Ebene wie "glauben" anzusiedeln sind. Sie können gar wechselseitig verwendet werden.

Wenn wir demnach fragen, was uns die Psalmen über das Glauben des Gottesvolkes verraten, dann müssen wir uns mit dem Begriffsfeld "hoffen" in der hebräischen Sprache etwas eingehender beschäftigen.

1. Das Wortfeld "hoffen"

Dass wir es hier mit einem eminent wichtigen Wortfeld zu tun haben, macht bereits ein Umstand überdeutlich: Obwohl die hebräische Sprache ja eine sehr wortarme Sprache ist, gibt es im Hebräischen fast genauso viele Begriffe, die die einzelnen Schattierungen von "hoffen" in den Blick bringen, wie in der deutschen Sprache. So gibt es eigene Worte für:

  • vertrauen,
  • hoffen,
  • harren,
  • warten auf,
  • sich ausspannen auf,
  • zuversichtlich sein,
  • Zuflucht nehmen zu
  • oder sich bergen bei.

Und wenn ich in einer Sprache ausgesprochen viele Worte für ein Phänomen habe, dann unterstreicht das ja schon die Bedeutung dieses Phänomens, das damit ausgedrückt wird.

2. Die Verwendung der Begriffe in diesem Wortfeld

Wenn ich oben nun einzelne deutsche Verben aus dem Wortfeld "hoffen" aufgelistet habe, dann muss ich eines natürlich gleich dazu sagen. Auch wenn wir die entsprechenden hebräischen Termini mit diesen Worten zu übersetzen pflegen, ihr Bedeutungshorizont ist deshalb noch lange nicht voll identisch mit den jeweiligen deutschen Begriffen.

Die einzelnen Worte setzen in der hebräischen Sprache die Akzente natürlich häufig ganz anders als die entsprechenden deutschen Verben.

Ein Unterschied ist dabei ganz besonders wichtig und beinahe schon typisch:

In der hebräischen Sprache der Psalmen werden die Begriffe aus dem Wortfeld "hoffen" kaum einmal mit einem Inhalt verbunden. Es wird nicht davon gesprochen, was man sich erhofft. Die Psalmisten sprechen ihre Haltung also nicht in der Alltagsformel "Ich hoffe, dass..." aus.

Das ist eigentlich erstaunlich. Die Psalmen sind schließlich voll von Schilderungen existentieller Befindlichkeiten oder psychischer Verfassungen. Es würde also kaum Wunder nehmen, wenn in diesem Zusammenhang dann etwa gesagt würde, "Ich hoffe, dass mir dann dies oder jenes endlich widerfahren wird!", oder ähnliches.

Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen laufen aber anscheinend auch hier ganz parallel zum hebräischen Wort "glauben". Sie beinhalten als Begriffe für die Psalmisten augenscheinlich eine solch starke Verwiesenheit auf ein "Du", dass sie nicht im Blick auf eine Befindlichkeit oder eine Sache verwendet werden. Mit den Begriffen hoffen und vertrauen werden in den Psalmen anscheinend lediglich personale Bezüge ins Wort gebracht. Und letztlich heißt das: die personale Beziehung zu Gott wird in ihnen ausgesagt. Der direkte Beziehungspunkt der Hoffnung ist demnach das "Du" und das "Er" Gottes.

Dieser Gott hat sich schließlich von urher und in absoluter Freiheit dazu entschlossen, ein Gott zu sein, der der Welt und der Menschheit zugewandt ist. Als dieser Gott ist er der Ankergrund des Menschen, der Gott, in dem sich der Mensch festmachen kann, so wie es das hebräische Wort אמן [">aman"] ("glauben") ja zum Ausdruck bringt.

Auf diesen Ankergrund des Menschen weisen die Psalmen beständig hin. Gott ist das unmittelbare Ziel ihres Hoffens. ⋅3⋅

3. Bilder für die den Menschen bergende Zukehr Jahwes

Die Fülle der verschiedenen Begriffe, derer man sich in der hebräische Sprache in diesem Zusammenhang bedienen kann, reicht den Psalmisten dabei aber anscheinend immer noch nicht aus. Ganz im Sinne der Liebe des Hebräischen zu blumigen Formulierungen und Bildern, wird nun das, was die Begriffe um das Wort "hoffen" zum Ausdruck bringen, noch einmal durch eine Fülle von packenden Bildern umschrieben. Mit solchen Bildern vergegenwärtigen die Psalmisten, dass Jahwe der Gott ist, der sich dem Menschen bergend zukehrt. Sie sprechen dann von Gott

Gerade das letzte Bild erinnert dabei an die Asylstädte, die gemäß des Buches Deuteronomium für die Flüchtenden in Israel eingerichtet worden sind. Oder auch an das Asylrecht, das die Verfolgten am Tempel genossen. Der Tempel war ja der Ort, an dem Jahwe sich der Flüchtenden annimmt.

Auch der berühmte "Adlerspruch" von Ex 19,4 kommt hier in den Blick:

"Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und euch zu mir hierher gebracht habe." (Ex 19,4.)

Und auch der faszinierende Text von Dtn 32,9-11 klingt bei diesen Bildern an:

"Denn Jahwes Anteil ist sein Volk, Jakob ist das für ihn abgesteckte Erbe. Im Wüstenlande nimmt er es zu eigen, in der Wildnis und Nacht der Steppe; umhegt es schützend, wartet seiner, wie seinen Augapfel behütet er es. Einem Adler gleich, der sein Nest aufstört (und) über seinen Jungen schwebt, breitet er aus seine Schwingen, nimmt es auf, auf seinen Fittichen trägt er es." (Dtn 32,9-11.)

Die vielen verbalen Bezeugungen Israels, die gerade in den Psalmen immer wieder das Hoffen und das Harren des Volkes in den Blick bringen, und die vielen Hoffnung auslösenden Bilder, mit denen Israel seinen Gott beschreibt, machen deutlich, dass der Begriff "Hoffnung" eine Grundform der gläubigen Existenz Israels beschreibt.

4. Das Wort בטח ["batach"]

Auf den wichtigsten Begriff aus diesem Wortfeld möchte ich hier als Beispiel noch ein wenig genauer eingehen. Es ist dies das Verbum בטח ["batach"].

a. Zur Etymologie des Wortes בטח ["batach"]

בטח ["batach"] wird von all den Begriffen, die wir jetzt im Blick haben, im Psalter am häufigsten gebraucht. Insgesamt 36mal findet es allein in den Psalmen Verwendung. בטח ["batach"] umschreibt dabei im Grunde ganz allgemein die religiöse Zuversicht.

Ursprünglich bedeutet בטח ["batach"] soviel wie "prall sein", "voll angefüllt sein". Von daher ist es verständlich, dass das hebräische Wort אֲבַטִּחִים [">abatic>him], das von der gleichen Wortwurzel gebildet wird, zum Ausdruck für "Wassermelone" wurde.

בטח ["batach"] erhielt dann - von dieser Wurzel "prall angefüllt sein" - folgerichtig auch die Bedeutung von "schwanger sein", was man im Arabischen noch ablesen kann. Dort umschreibt der Ausdruck "bateh" die "schwangere Stute".

Über die Schwangerschaft, die ja auch bei uns mit "Hoffnung" zusammengebracht wird, etwa im Ausdruck "in Hoffnung sein", wuchs dann dem Begriff בטח ["batach"] schließlich seine jetzige Bedeutung zu, nämlich die Bedeutung "vertrauen".

Allein von der Etymologie des Wortes בטח ["batach"] her kann man nun schon erschließen, was für einen Horizont dieser Begriff im Rahmen der hebräischen Sprache haben muss. Wir können gleichsam den Geschmack dieses Wortes erahnen. Dem Hebräer musste sich schon von der Sprache her nahelegen, dass vertrauen auf Gott letztlich bedeutet:

"Mit einem Verheißungswort (schwanger) gehen wie eine Mutter mit dem Kind." ⋅8⋅

Genau das bedeutet letztlich "vertrauen" in der hebräischen Gedankenwelt. Mit einem Verheißungswort schwanger gehen.

b. Glauben und Vertrauen

Deshalb ist Vertrauen auf Jahwe in den Psalmen auch das Spezifikum des Jahwe-Glaubens überhaupt. Der, der auf Jahwe hofft, das ist der, der an ihn glaubt; und wenn ich an ihn glaube, dann erweist sich das darin, dass ich ihm traue, voll Vertrauen auf ihn durchs Leben gehe.

(1) Ps 9,11

Ps 9,11 - ein weisheitlich belehrender Text - bringt diese Verschränkung von Glauben und Hoffen auf die prinzipielle Formel:

"Auf dich vertrauen (בטח ["batach"]) die, welche deinen Namen kennen." (Ps 9,11⋅9⋅

"Die deinen Namen kennen" ist dabei soviel wie eine Umschreibung für das Jahwe-Volk.

"Kennen" bedeutet im Hebräischen schließlich ursprünglich soviel wie "vertraut sein" und meint in solch einem Zusammenhang nicht nur ein verstandesmäßiges Wissen. "Jemanden zu kennen" das schließt eine innere Zuwendung mit ein. "Kennen" beinhaltet also ein "anerkennen", das sich in konkreten Taten äußert. "Die deinen Namen kennen" das ist also letztlich das lebendig glaubende Jahwevolk. Das Volk, das Gott anerkennt und diese Anerkennung im Leben konkret werden lässt (vgl. auch Ps 79,6).

Und diese Konkretion ist nach Ps 9,11 genau das Vertrauen. Jahwe anzuerkennen, ihm wirklich zu glauben, das heißt ihm zu vertrauen.

"Auf dich vertrauen (בטח ["batach"]) die, welche deinen Namen kennen." (Ps 9,11⋅10⋅

(2) Ps 22,5-6

Neben Ps 9,11 könnte ich hier noch eine Fülle von weiteren Beispielen im Psalter anführen. ⋅11⋅ Nur noch eine Stelle möchte ich hier ausdrücklich nennen. Im Ps 22 wird der Glaube der Väter beispielsweise dreimal mit ihrem "Vertrauen" in Verbindung gebracht:

"Auf dich haben unsere Väter gehofft, sie hofften, und du hast sie befreit. Sie riefen zu dir und wurden gerettet, sie vertrauten auf dich und wurden nimmer zuschanden." (Ps 22,5-6.)

Der Glaube der Väter wird hier demnach ausdrücklich als "Vertrauen" gekennzeichnet. Im Vertrauen der Väter kam also ihr Glaube zum Ausdruck.

Wir können demnach mit Fug und Recht davon sprechen, dass im Alten Testament Glaube und Vertrauen, bzw. Glaube und Hoffnung gleichsam eine unaufgebbare Symbiose eingegangen sind.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Alfons Deissler, Biblisch glauben! (Freiburg i. Br. 1982) 33-37. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Ps 27,13; Ps 78,22. 32; Ps 106,12. 24; Ps 116,10; Ps 119,66. Zur Anmerkung Button

3 Nur ganz vereinzelt wird diese Bezogenheit auf Gott in den Psalmen nicht direkt zum Ausdruck gebracht wird. Etwa in Ps 27,3:
"Und steht wider mich ein Kriegsheer, so wird mein Herz nicht verzagen; entbrennt ein Kampf wider mich, so bin ich dennoch getrost." (Ps 27,3.)
Oder in Ps 71,14:
"Ich aber, allezeit will ich offen und alle Tage will ich mehren dein Lob." (Ps 71,14.)
Aber auch hier ist der Bezug auf Gott vom Kontext her klar zum Ausdruck gebracht.
(Vgl.: Alfons Deissler, Biblisch glauben! (Freiburg i. Br. 1982) 35.) Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: Ps 18,3. 47; Ps 19,15; Ps 28,1; Ps 31,4; Ps 42,10; Ps 62,3. 8; Ps 71,3; Ps 73,26; Ps 75,6; Ps 78,35; Ps 89,27; Ps 92,16; Ps 94,22; Ps 95,1; Ps 44,1. Zur Anmerkung Button

5 Vgl.: Ps 71,3; Ps 91,2; Ps 144,2. Zur Anmerkung Button

6 Vgl.: Ps 9,10; Ps 31,3; Ps 46,1.4, Ps 59,10. 17; Ps 62,3; Ps 71,3; Ps 94,22; Ps 144,2. Zur Anmerkung Button

7 Vgl.: Ps 36,8; Ps 57,2; Ps 61,5; Ps 91,4. Zur Anmerkung Button

8 Alfons Deissler, Biblisch glauben! (Freiburg i. Br. 1982) 34. Zur Anmerkung Button

9 Übersetzung nach: Alfons Deissler, Biblisch glauben! (Freiburg i. Br. 1982) 36. Zur Anmerkung Button

10 Übersetzung nach: Alfons Deissler, Biblisch glauben! (Freiburg i. Br. 1982) 36. Zur Anmerkung Button

11 In Ps 2,12; Ps 34,9; Ps 40,5; Ps 84,13 und Ps 146,5 werden die Hoffenden und Vertrauenden mit einer feierlichen Seligpreisung bedacht. Hier findet das berühmte Prophetenwort von Jer 17,7 sein Echo:
"Gesegnet der Mann, der sich auf Jahwe verlässt und dessen Hoffnung Jahwe ist." (Jer 17,7.)
Im Anschluss an diese Seligpreisung beschreibt Jeremia den Vertrauenden folgendermaßen:
"Er ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bache hinbreitet. Er braucht nichts zu fürchten, wenn die Hitze kommt, sein Laub bleibt immer grün. In einem dürren Jahr macht er sich keine Sorgen, ohne Unterlass bringt er Frucht." (Jer 17,8.)
Ein Echo dieses Vergleichs findet sich in Ps 52,10 (angewendet auf den Jahwe allein Vertrauenden).
Ps 25,3; Ps 32,10 und Ps 37,9 stellen den Gegensatz auf: Vertrauende - Gottlose (Frevler, Abtrünnige). Umgekehrt verstehen Ps 33,18; Ps 37,39-40; Ps 64,11 die Jahweverehrer bzw. die Gerechten als solche, die ihre Hoffnung auf Gott setzen.
(Vgl.: Alfons Deissler, Biblisch Glauben! (Freiburg i. Br. 1982) 36-37.) Zur Anmerkung Button