Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Die Zukunftsperspektive im Buch Joël ⋅1⋅
Die Frage, wie diese Heilszeit nun hereinbrechen wird, was Jahwe tun wird, damit am Ende sein שַׁלוֺם ["schalom"] aufgerichtet ist, versucht nun der Prophet Joël im 4. Jahrhundert v. Chr. ⋅2⋅ näher zu entfalten.
1. Der "Tag Jahwes" ⋅3⋅
Er greift dabei auf die alte Vorstellung vom "Tag Jahwes" zurück und verbindet diesen Gedanken vom Gottesgericht mit den Verheißungen des endzeitlichen Heiles, wie sie uns in den nachexilischen Prophetentexten begegnen.
Joël schildert - vor allem ab Kapitel 4 - wie Jahwes Aufgebot eine kriegerische Völkerversammlung im Tal "Joschafat" bewirkt. Der Name des Tales, der Ausdruck "Joschafat", ist dabei ein Symbolname. Er bedeutet zu Deutsch soviel wie "Jahwe richtet".
Obwohl der Tag, an dem dies geschehen wird, nach Joëls Ankündigung als "nahe" bezeichnet wird (Joël 4,14; vgl. auch Joël 1,15) zielt die Schilderung auch hier auf ein universales und zugleich eschatologisches Gottesgericht. Das Tal "Joschafat" ist der Schauplatz eines großen endgültigen Gerichtes. Jenes endgültigen Eingriffs Gottes in die Geschichte, mit dem Gott ein für allemal alle widergöttlichen Feindmächte - und das sind vorab die großen Unterdrückervölker, die das Gottesrecht mit Füßen treten - vernichten wird. ⋅4⋅ Hier meldet sich bereits die den Apokalypsen entsprechende Geschichtsdeutung an (vgl. Sach 12-14; Jes 24-27).
Israel wird dabei Gnade und Heil verheißen; ⋅5⋅ dann nämlich, wenn es sich in der Haltung der Umkehr an Jahwe hält. So wird es dem allgemeinen Völkergericht entgehen.
Danach wird die besagte Heilszeit anbrechen und der Zion wird zur immerwährenden Wohnstätte Jahwes (Joël 4,17). Der endzeitlichen Heilszeit geht also nach Joël eine endgültige Entscheidungsschlacht voraus. Der Prophet verknüpft also das alte Sprechen vom "Tag Jahwes" mit der Verheißung des endzeitlichen Heiles.
Diese Schilderung der endzeitlichen Entscheidungsschlacht, die der Heilszeit vorangeht, hat natürlich auch der neutestamentlichen Apokalypse (Offb 14,14-20) als Basistext gedient. Auch andere Verse aus Joël 4 haben im Neuen Testament ein gut vernehmbares Echo gefunden. ⋅6⋅
So bleibt die "Tag-Jahwe"-Botschaft des Propheten Joël auch für das neubundliche Gottesvolk von Bedeutung. Das Volk des Neuen Bundes darf mit Israel auf einen endgültigen Sieg Gottes über alle Mächte des Bösen hoffen. Die "letzte Entscheidung" steht allerdings bei Gott als dem absoluten Herrn der Geschichte. Im Kern ist sie - gemäß christlicher Überzeugung - schon jetzt gefallen; und zwar im Kreuz und in der Auferweckung des Kyrios Jesus.
2. Die universale Ausgießung des Gottesgeistes (Joël 3,1-5) ⋅7⋅
Aber zurück zum Propheten Joël. Er schildert nämlich noch ein weiteres interessantes Ereignis, das im Zusammenhang mit der "Neuen Zeit" eine Rolle spielen wird:
"Danach werde ich ausgießen meinen Geist über alles Fleisch, und es werden weissagen eure Söhne und eure Töchter; eure Ältesten werden Träume haben und eure Jünglinge Gesichte schauen. Selbst über die Knechte und Mägde werde ich ausgießen meinen Geist in jenen Tagen." (Joël 3,1-2.)
Joël spricht also von der Ausgießung des Gottesgeistes über alles Fleisch in Israel. Damit greift er einen Wunsch auf, den schon Mose in der Wüste hatte. Nach Num 11,29 hat Mose gesagt:
"Möchte doch Jahwe das ganze Volk zu Propheten machen! Dass doch Jahwe seinen Geist auf sie legen möchte." (Num 11,29.)
Dieser Bitte des Mose wird nun, nach Joël, in der Endzeit entsprochen. Gott gießt seinen Geist auf das Volk aus und ganz Israel wird zu Propheten.
Das Sprechen von der Ausgießung des Geistes ist dabei nicht ganz neu. Bereits Ezechiel hatte ja gesagt:
"Und nicht mehr will ich mein Angesicht vor ihnen verbergen, nachdem ich meinen Geist ausgegossen habe über das Haus Israel, spricht der Herr Jahwe." (Ez 39,29.)
Joël erweitert diese Zusage aber noch. Er spricht davon, dass der Geist über alles Fleisch ausgegossen werde. Und alles Fleisch meint natürlich, dass der Geist auch über "jedermann" in Israel (vgl. Jer 12,12) kommen wird. Auch die Sklaven - oben mit Knechten und Mägden übersetzt - werden den Geist erhalten. Sklaven stammen aber in der Mehrzahl aus anderen Völkern. Und sicher sind dann auch die anderen Fremden, wie sie ja immer in Israel lebten, beim Begriff "alles Fleisch" mitzudenken.
Alle Menschen in Israel, werden demnach ohne Unterschied zu - im wahrsten Sinne des Wortes - "Be-Geisterten", zu Propheten. Wobei Prophet hier sicher zuerst den meint, der im Geist Gottes mit diesem Gott in unmittelbarer Verbindung steht. Beim Begriff "Prophet" ist hier also nicht zuerst an Verkündigung gedacht. Gedacht ist zunächst an die unmittelbar erfahrene Verbindung mit Gott in authentischen "Träumen und Visionen". ⋅8⋅
Diese alttestamentliche Verheißung wird dann zur Folie auf der die Apostelgeschichte das Pfingstereignis schildert. Der Petrus der Apostelgeschichte bezieht sich ausdrücklich auf Joël 3,1-5.
Auch die Vorstellung, dass der Heilige Geist das Prinzip der Verbundenheit mit Gott und dann auch mit dem Kyrios Jesus Christus ist, auch diese Vorstellung hat ihr Fundament in dieser alttestamentlichen Stelle (vgl. Joh 7,37-39, Röm 8,9. 23-26; 1 Kor 6,11; Tit 3,5-7 u. a.). ⋅9⋅
Ein Text, der also eine immense Wirkungsgeschichte entfaltet hat.
Anmerkungen
(Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 63.)
(Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 66.)
(Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 67.)