Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Einheit des Ineinanders ⋅1⋅

Schließen wir nun diesen skizzenartigen Überblick über die wesentlichen Konstituenten der menschlichen Person in der Sicht des Alten Testamentes.

Ich möchte dies aber nicht tun, ohne noch einmal zu betonen: die drei Begriffe, בָּשָׂר ["basar"], נֶפֶשׁ ["næphæsch"] und רוּחַ ["ruach"], die wir nun näher betrachtet haben, bedeuten nicht, dass die Bibel den Menschen etwa als dreiteiliges als trichotomisches Kompositum betrachtet.

Das klassische Israel hat den Menschen weder als dichotomisches (= zweiteiliges) noch als trichotomisches (= dreiteiliges) Kompositum gesehen. Die Unterscheidung in Fleisch, Lebenskraft und Lebensgeist lassen keine genaue "Scheidungen" zu; sie verhalten sich zueinander wie drei sich überschneidende Kreise in einem einzigen Umfassungskreis.

Diese Einheit des "Ineinanders" ist für den Hebräer dabei so dominant, dass Körperliches mit Seelisch-Geistigem in engste Beziehung gesetzt werden kann.

Schon in unserem Denken können ja sowohl der Begriff "Herz" als auch das Wort "Hirn" wechselseitig einmal als Ort innerer Seelentätigkeiten und dann wieder als Sitz von Geistestätigkeit verwendet werden. Das gilt in der hebräischen Gedankenwelt noch um ein Vielfaches mehr.

Und das geht sogar soweit, dass selbst die Nieren (vgl. Ps 16,7; Jer 11,20 u. ö.), die Leber (Spr 7,23; Klgl 2,11) oder die "Eingeweide" überhaupt (vgl. Jer 4,19), ja selbst die "Gebeine" (Ps 6,3; Ps 31,11 u. ö.) als Subjekt innerseelischer Vorgänge dargestellt werden können.

Das hängt einfach damit zusammen, dass der Mensch des Alten Testamentes sehr viel stärker von der Körperlichkeit her denkt, als wir das tun. Die hebräische Sicht des Menschen orientiert sich viel stärker an der Leiblichkeit, als das der Abendländer tut.

Das heißt allerdings nicht, dass die seelisch-geistige Dimension des Menschen dadurch auf die körperliche Materie reduziert würde. Und sie wird auch nicht aus ihr eduziert. Das was wir mit den Begriffen Seele und Geist zum Ausdruck bringen ist der Sache nach im hebräischen Denken vorhanden, auch wenn es sehr viel stärker als bei uns mit der Leiblichkeit zusammengedacht wird.

Wagt man den Versuch, mit unserer Begrifflichkeit zu erfassen, was die Bibel mit dem Wort "Mensch" meint, dann käme es dem alttestamentlichen Tatbestand wohl am nächsten, wenn man sagen würde: Menschsein heißt Existenz in personalisierter Leiblichkeit.

Der Mensch ist Person in Leiblichkeit.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Vgl.: Alfons Deissler, Wer bist Du Mensch? (Freiburg 1985) 23-24. Zur Anmerkung Button