Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Die Kernaussagen des priesterschriftlichen Schöpfungsberichtes (Gen 1,1-2,4a) ⋅1⋅

1. Der Mensch ist Gottes "Sonder-Geschöpf"

Im jüngeren, im priesterschriftlichen Bericht, wird die Stellung des Menschen als Sondergeschöpf Gottes ebenfalls herausgestellt. Dies geschieht durch folgende Profilierung:

a. Drei Mal ברע ["bara>"] bei der Erschaffung des Menschen

Ich habe ja bereits darauf hingewiesen, dass der priesterschriftliche Schöpfungsbericht nach einer strengen Zahlenstruktur gestaltet ist. Die Einbettung der Schöpfung in den Ablauf der sieben Tage ist ja hinlänglich bekannt.

Aber darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe weiterer bedeutender Details, die mit Zahlen zusammenhängen.

So gibt es beispielsweise einen terminus technicus für Gottes Schaffen. Das Verb ברע ["bara>"], das hierfür verwendet wird, wird nur im Zusammenhang mit der Schöpfung gebraucht; und es wird auch nur im Blick auf Gott angewandt. Wenn wir also ברע ["bara>"] mit "er schuf" übersetzen, dann müssen wir wissen, dass als Subjekt für dieses Wort in der hebräischen Sprache einzig und allein Gott in Frage kommt.

In Gen 1 wird dieses Wort nun insgesamt siebenmal verwendet. Dies ist sicherlich bewusst so gemacht. Die siebenmalige Verwendung des Verbs ברע ["bara>"] korrespondiert natürlich mit den sieben Tagen der Schöpfung.

Allerdings wird dieses Wort nicht gleichmäßig auf die Schöpfungswerke angewandt. Es fällt ja schon von vorneherein auf, dass die Zahl der Schöpfungswerke und die Zahl der Tage nicht miteinander in eins gehen. Es sind insgesamt acht Schöpfungswerke, ⋅2⋅ die auf sechs Tage verteilt werden.

Im Zusammenhang mit sieben Schöpfungswerken wird nun insgesamt vier mal der Begriff ברע ["bara>"] verwendet. Bei einem Schöpfungswerk tritt er hingegen gehäuft auf. Insgesamt drei Mal wird er in diesem Zusammenhang gebraucht. Und dieses Schöpfungswerk, bei dem drei Mal ברע ["bara>"] verwendet wird, das ist der Mensch.

"Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie." (Gen 1,27.)

Schon von daher wird also der Mensch als "Sonder-Geschöpf" hervorgehoben.

b. Das Selbstberatungswort Gottes

Hinzu kommt, dass einzig und allein der Erschaffung des Menschen ein ganz feierlicher Satz vorausgeht. Es heißt hier:

"Lasst uns den Menschen machen nach unsrem Bilde, uns ähnlich." (Gen 1,26.)

Hier steht - im Gegensatz zu allen anderen Aussagen in Gen 1 - der Plural in Bezug auf Gott:

"Lasst uns den Menschen machen..." (Gen 1,26.)

Formal entspricht dieser Satz daher einem feierlichen Selbstberatungswort Gottes. ⋅3⋅ Der Erschaffung des Menschen geht eine feierliche Selbstberatung voraus.

Auch dies zeichnet den Menschen als "Sonder-Geschöpf" aus.

c. Der Mensch ist "Gott ähnlich" (Gen 1,26-27)

Und der dritte Hinweis auf die besondere Stellung des Menschen ist der, dass einzig und allein von ihm gesagt wird, dass er als Abbild Gottes geschaffen wird - und dies sogar gleich zwei Mal. Einmal in Gen 1,26:

"Lasst uns den Menschen machen nach unsrem Bilde, uns ähnlich." (Gen 1,26.)

Und zum andern in Gen 1,27:

"Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie." (Gen 1,27.)

Das hebt den Menschen endgültig über alle anderen Schöpfungswerke heraus.

2. Der Mensch ist Abbild Gottes

Worin aber besteht nun dieser Abbildcharakter, der dem Menschen - und wie Gen 1,27 ausdrücklich sagt - sowohl dem Mann als auch der Frau, oder noch genauer, nur dem Mann und der Frau gemeinsam, zugesprochen wird?

a. Herrscherlichkeit

Steinböcke

Steinböcke in der Wüste.

Foto-Button© Katholisches Bibelwerk Linz, Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz

"Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels, über das Vieh und über alles Wild des Feldes und über alles Gewürm, das auf dem Erdboden kriecht!" (Gen 1,26.)

Ein wesentliches Moment der Abbildhaftigkeit ist also die Herr­scher­lich­keit.

Vom Kontext her ist dabei ganz klar, dass die Abbildhaftigkeit sich hier auf besondere Weise in der Herrscherlichkeit des Menschen gegenüber der Tierwelt manifestiert. Ps 8,6-9 bestätigt unmissverständlich, dass die Schrift selbst dies so versteht:

"Du hast ihn fast zu einem Gotteswesen gemacht,
hast ihn gekrönt mit Glorie und Glanz.
Du hast ihm Macht gegeben über das Werk deiner Hände,
alles hast du ihm zu Füßen gelegt:
All die Schafe und Rinder
und die Tiere des Feldes,
Die Vögel des Himmels und die Fische im Meer
und alles, was dahinzieht die Pfade der Meere." (Ps 8,6-9.)

Gerade an diesem Punkt haben sich in der jüngeren Vergangenheit aber immer wieder die Autoren gerieben. Um modernen Missverständnissen gleich vorzubeugen, möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass Herrscherlichkeit biblisch verstanden immer auch Hege bedeutet.

Damit liegt Gen 1 genau auf der gleichen Linie wie Gen 2, wo vom "bebauen" und "behüten" der Welt gesprochen wurde.

Der Mensch ist demnach von Gott zum Walten an der Welt bestimmt. Der erste Jahwe-Dienst in der Bibel ist daher Welt-Dienst. Und Welt-Dienst kann Jahwe-Dienst sein, weil Jahwe ebenfalls im Horizont der Schöpfung wirkt.

b. Dialogische Bezogenheit

Die Abbildhaftigkeit des Menschen bezieht sich nun aber nicht nur auf eine Funktion. Der Mensch ist nicht nur deshalb Abbild Gottes, weil er im Herrschen über die Schöpfung eine vergleichbare Funktion wie Gott hat.

(1) Gott als ewiges "Du"

Gott setzt den Menschen gleichsam als seinen "Wesir auf Erden" ein. Und er kann dies tun, weil zwischen ihm und dem Menschen eine Art Zuordnung im Sein besteht. Diese Zuordnung findet darin ihren Ausdruck, dass Gott zum Menschen "Du" sagt und - was noch gewichtiger ist - dass auch der Mensch zu Gott "Du" sagen kann.

Die Abbildhaftigkeit des Menschen findet demnach ihren Ausdruck zutiefst in einer dialogischen Bezogenheit des Menschen.

Nicht umsonst wird in Gen 1,27, wo die Erschaffung des Menschen geschildert wird, zum ersten Mal neben dem Kollektiv אָדָם [">adam"], mit dem ja die Menschheit als Ganzes gemeint ist, Mann und Frau, und damit zugleich auch Mensch und Mitmensch, ausdrücklich genannt.

Dadurch wird ja eine Parallelisierung bereits angedeutet: So wie der Mensch in Bezug auf seinen Mitmenschen ein dialogisches Wesen ist, so ist er es auch auf Gott hin. Das Gott gleich sein, erweist sich demnach vorab darin, dass der Mensch auf Gott bezogen ist, und dass Gott mit dem Menschen in Beziehung tritt. Dass der Mensch Gottes Bild ist, ihm gleich, das erweist sich also vor allem anderen darin, dass Gott, wie Martin Buber es formuliert hat, des Menschen "ewiges Du" ist.

(2) Die Herrscherlichkeit ist rückgebunden an den Dialog mit Gott

Diese dialogische Bezogenheit ist ganz wichtig. Sie gehört zur Herrscherlichkeit wie die andere Seite einer Medaille gleichsam dazu. In diesem Raum, in diesem dialogisch und daher zugleich auch freiheitlich strukturierten Raum vollzieht sich nämlich erst das menschliche Walten an der Welt.

Die Herrscherlichkeit des Mensch ist rückgebunden an den Dialog mit Gott. Der Lebensraum des Menschen, seine menschliche Freiheit, sie würde nämlich zerbrechen, wenn das Walten des Menschen zu einer "Ich-Willkür" würde, zu einer Willkür ohne dialogische Bezogenheit zum Schöpfer. Oder anders gesagt, der Lebensraum des Menschen zerbricht, wenn seine Herrscherlichkeit zu einem Herr-Sein ohne Hege entartet.

(3) Gen 1,28 ist kein Befehl sondern ein Segenswort

Auf diesem Hintergrund wird auch das in den vergangenen Jahren immer wieder zerrissene Gotteswort von Gen 1,28 verstehbar. Es heißt dort:

"Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: "Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet die Erde und macht sie euch untertan!"" (Gen 1,28.)

Dies wurde in der Vergangenheit immer wieder als Befehlswort Gottes aufgefasst, mit dem man die rücksichtslose Ausbeutung und Vergewaltigung der Welt begründete.

Gen 1,28 ist aber gar kein Befehlswort. Wenn wir die Einleitung anschauen, dann ist ganz klar, dass es sich hier um einen Segen handelt:

"Gott segnete sie und..."

- im Deutschen müssten wir hier nun ergänzen: "indem er sie segnete" -

"... sprach (er) zu ihnen". (Gen 1,28.)

Dieser Segen Gottes ist aber kein Automatismus, wie die weitere Geschichte des Menschen mit seinem Gott auf anschauliche Art und Weise verdeutlicht. Es ist ein Wort, das unter dem Bogen des göttlichen Segens sich realisieren soll. Und es ist deshalb auch rückgebunden an das göttliche Wort, an Gottes Sagen und Zusagen und letztlich dadurch, an den Dialog mit diesem Gott.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Vgl. zu diesem Abschnitt: Alfons Deissler, Wer bist Du Mensch? (Freiburg 1985) 11-16. Zur Anmerkung Button

2 1. Licht,
2. Firmament,
3. trockenes Land,
4. Grünes,
5. Leuchten am Firmament,
6. lebendige Wesen im Wasser,
7. lebendige Wesen der Erde,
8. Mensch. Zur Anmerkung Button

3 In der jüdischen Tradition hat man diesen Plural später dann mit einer Beratung Gottes mit seinem himmlischen Hofstaat zu erklären versucht. Deshalb übersetzt die griechische und die lateinische Bibelübersetzung Ps 8,6, der auf Gen 1,26 zurückblickt mit "Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als die Engel".
Die Kirchenväter erklären den Plural mit der Herrlichkeit und dem inneren Reichtum Gottes. Sie verweisen darauf, dass seine allgemeine Bezeichnung im Hebräischen ja immer eine Pluralform, nämlich אֱלֺהִים [">ælohim"], ist.
(Vgl.: Diego Arenhoevel, Alfons Deissler, Anton Vögtle, Die Bibel - Deutsche Ausgabe mit den Erläuterungen der Jerusalemer Bibel (Freiburg / Basel / Wien 15. Auflage 1968) S. 13 - Anm. zu Gen 1,26.) Zur Anmerkung Button